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DIE WELT-Sonderausgabe Forderungsmanagement vom 23 ...

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SEITE VIII <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENTEinkaufsformelnDie Kreditwürdigkeit von Verbrauchern wird oftüber statistische Verfahren geklärt. Für viel derBetroffenen ist dieses Scoring eher rätselhaft,doch so undurchsichtig ist es eigentlich nichtJOST BURGERWer online etwas aufRechnung kauft, bekommtwahrscheinlicheinen. Wer imElektronikmarkt seinneues Handy auf Raten bezahlt, ebenfalls.Und wer mal eben rasch einen kleinenVerbraucherkredit abschließt, überden wird ganz sicher ein Kreditscore erstellt.Dieser persönliche Punktwert sagtetwas über die Kreditwürdigkeit der jeweiligenPerson aus, macht schnelle Einkäufemöglich und soll Firmen vor Zahlungsausfällenschützen. Scoring heißtdas Verfahren. Aber wie funktioniert es,und wer steckt dahinter?Die infoscore Consumer Data GmbH(ICD) zum Beispiel. Die Wirtschaftsauskunfteigehört zur Bertelsmann-eigenenArvato-Gruppe, einem führenden Anbietervon Outsourcing-Dienstleistungen.Die ICD versorgt ihre Geschäftspartnerim Handel mit Informationen über dieKreditwürdigkeit ihrer (potenziellen)Kunden. Für ihre umfangreiche Datenbankgreift sie, wie alle Auskunfteien,unter anderem auf öffentlich zugänglicheBonitätsinformationen wie das Insolvenzverzeichnisoder die Schuldnerregisterder Amtsgerichte zurück.ANZEIGEAuch Erfahrungen, die ein Unternehmenin der Vergangenheit mit einemKunden gemacht hat, fließen in die Bewertungein. Doch nicht immer reichtdas aus, erklärt Geschäftsführer WolfgangHübner: „Liegen zu einem Konsumentenkeine bekannten Zahlungserfahrungenvor – insbesondere in der Neukundenphase– kommen auch Scoring-Verfahren zum Einsatz.“ Dabei nutztScoring statistische Verfahren, die dieWahrscheinlichkeit errechnen, mit derdie Kunden ihre Rechnungen bezahlen.Kombiniert werden Erfahrungen mit bestimmtenMerkmalsgruppen. Je nachAnbieter schaut man etwa auf Alter, Beruf,Name oder Adresse. Wohnt jemandbeispielsweise in einem Stadtviertel mitschlechter Zahlungsmoral, kann derScoringwert sinken. Versandhändler forderndann eventuell Vorkasse, um Risikenzu vermeiden oder zu begrenzen.„Scorewerte werden einzelfallbezogenund tagesaktuell ermittelt“, betont Hübner.Das heißt, den einen Scoringwertgibt es nicht. Je nach anstehendem Geschäft,je nach Branche und je nach Produktwerden die vorhandenen Daten inder Regel auf verschiedene Weise genutzt.Übrigens: Welche Daten Auskunfteiengespeichert haben, müssen sie lautGesetz den Betroffenen mitteilen, falscheDaten müssen sie zudemändern. Doch wie siedie Scoringwerte dann jeweilsim Detail berechnen,das bleibt bei allen ein Geschäftsgeheimnis.Das ist auch bei derSchufa so. Als Institutiondürfte sie nahezu jedemDeutschen bekannt sein.Im Unterschied zu anderenAuskunfteien kenntsie alle 66,2 MillionenDeutschen, die potenzielleKreditnehmer sind. Dennauch die Schufa erstellt branchenabhängigeScores. Genau wie andere Anbietersorgt sie so unter anderem für dieschnelle Bearbeitung von Krediten oderRatenzahlungen – Bequemlichkeiten, dieKonsumenten erwarten. „An dieser Stellekommen häufig Scoring-Systeme zumEinsatz“, sagt Andreas W. Lehmann,Sprecher der Schufa Holding. Denn Scoringist vor allem ein schnelles Verfahren.Scoringwerte werden <strong>vom</strong> Computerberechnet, auf die Datenbanken derAnbieter können angeschlossene Unternehmenonline zugreifen – oft automatisiertaus ihren Bezahlprozessen heraus.„So können teils auch nachts oder amWochenende Kreditentscheidungen, wieEine kluge Frau ist ein unbezahlbarer Schatz: In einer Partnerschaft mag das Sprichwort stimmen. Doch bei Krediten oder Online-Käufen wirdauch deren Kreditwürdigkeit genau geprüft. Denn nach einer Studie stammen 72 Prozent der Einnahmen des deutschen Handels von Frauenzum Beispiel Online-Kredite und spontaneFinanzierungen an der Kasse, getroffenwerden“, schildert Lehmann dieVorteile. Das wird am Beispiel Online-Handel deutlich. Viele Shopbetreiberübergeben ihre Zahlungsabwicklung zumindestteilweise an Dienstleister, vorallem, wenn es um den Kauf auf Rechnungoder Rate geht. Dabei treten Sie ihreForderung an den Dienstleister ab –und damit das Risiko eines Zahlungsausfalls.Die Ware kann sofort versendetwerden, und der Verkäufer bekommtumgehend sein Geld <strong>vom</strong> Dienstleister.Factoring heißt diese Art des Geschäfts.Einer der größten Factoring-Anbieterim Onlinebereich in Deutschland ist dieKlarna Gmbh – und sie setzt auf Scoring.„Als Factoring-Dienstleister gehen wirfinanziell in Vorleistung. Deshalb ist esunser ureigenstes Interesse, Zahlungsausfällezu vermeiden. Wir müssen innerhalbvon Sekunden klären, ob einEinkauf nicht ein zu großes Risiko ist.Dafür ist Scoring ein unerlässliches Instrument“,erklärt Tobias Teuber,Deutschland-Chef von Klarna. Wählt einKunde in einem angeschlossenen Onlineshopdie Option „Rechnungskauf“,übernimmt Klarna den Fall. Einzugebensind nur wenige Daten wie Namen,Adresse, Geburtsdatum, E-Mail und eineTelefonnummer. Über die Schufa wirddann vollautomatisch ein Identitäts-Check durchgeführt – und geklärt, ob diePerson überhaupt existiert.„Sollte sich schon über die Schufa erweisen,dass die Bonität extrem fragwürdigist, ziehen wir bereits zu diesem Zeitpunktdie Notbremse. Die maßgeblichePrüfung findet jedoch bei uns internstatt“, sagt Tobias Teuber. Dabei werdendann mehrere Dutzend Faktoren zur Abschätzungder Kreditwürdigkeit einbezogen.Wie das vor sich geht, erläutert Teuberan einem möglichen Beispielfall:„Wenn jemand nachts um halb drei voneinem Internetcafé aus 20 iPads bestelltund dabei angibt, er sei eine 85-jährigeFrau, dann werden wir stutzig. Das Systemerkennt genau solche Ungereimtheiten.Unter Umständen wird der Kaufdann abgelehnt.“ Auch wenn die einzelnenDaten für sich gesehen natürlich unproblematischsein könnten.Dieses Beispiel von Klarna zeigt: BeiScoring geht es neben statistischen Abwägungenauch um Plausibilitätsprüfungen,mit deren Hilfe sich Unternehmenschützen wollen. Dass Scoringanbieterdabei ihre Verfahren nicht offenlegenwollen, ist aus deren Sicht verständlich.Und dass die Verfahren treffsicher sind,liegt ebenfalls in deren Interesse. Einengewissen Schutz vor falschen Einschätzungenerhalten Betroffene zudemdurch das Datenschutzgesetz. Und auchScoringunternehmen selbst versuchen,sich diesbezüglich abzusichern: Klarnaetwa erhebt die Telefonnummer nach eigenerAussage, um fragliche Eingaben direktklären zu können. Denn rein theoretischist es ja durchaus möglich, dass einerüstige Rentnerin nachts tatsächlichzehn iPads ordern will.GETTY IMAGES„Auch eine Frage der Erziehung“Psychologe Georg Felser über Zahlungsmoral und SchuldenmachenIHR SPEZIALIST IM FORDERUNGSMANAGEMENT.Als führender Anbieter für <strong>Forderungsmanagement</strong>-Dienstleistungen finden wirauch für Sie die richtige Lösung.Wir sind Ihr Spezialist für:klassisches Inkasso/AuslandsinkassoPortfoliomanagementForderungskaufOutsourcingDatenmanagementE-Commerce LösungenGFKL betreut ein Forderungsvolumen von derzeit rund 21,7 Milliarden Euro.Standard & Poor's verlieh das höchste Ranking als Servicer „Strong.“Risiken minimieren – Kosten senken – Erträge steigern.Durch die Übertragung Ihres <strong>Forderungsmanagement</strong>s an die Experten von GFKL.GFKL Financial Services AGLimbecker Platz 145127 EssenSprechen Sie uns an!Tel. +49 201 102 1162Fax +49 201 102 110 2256vertrieb@gfkl.comwww.gfkl.comJENS KOHRSEs ist die grundsätzliche Abneigung,einen Verlust zu realisieren,die viele davon abhält, Rechnungenpünktlich zu bezahlen, sagt GeorgFelser, Fachdozent für Markt- und Konsumpsychologiean der HochschuleHarz in Wernigerode. Hinzu komme außerdem,dass der Genuss einer Leistungund das Bezahlen immer stärker entkoppeltwerden.<strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong>: Herr Felser, warum istdie Zahlungsmoral von Menschen sounterschiedlich?GEORG FELSER: Grundsätzlich habenwir alle eine Abneigung, Verluste zu realisieren.Doch der Referenzpunkt, vondem aus wir betrachten, ob etwas füruns ein Gewinn oder Verlust ist, liegtnicht fest. Das ist eine Frage der persönlichenDeutung. Wer es also als Verlustsieht, eine Rechnung zu begleichen oderSchulden zu tilgen, weil das ein Loch inseine Kasse reißt, wird sich mit dem Bezahlenschwer tun. Dabei lässt sich dieSituation natürlich auch anders heruminterpretieren: Mit den Schulden ist derVerlust längst gemacht, und durch dieTilgung wird er abgemildert.Ist die Deutung eine Frage des Typs?Eine Möglichkeit ist sicher, dass wir esvon Geburt an, gewissermaßen genetischbedingt, unangenehm finden, irgendwoSchulden zu haben. Viel wichtiger allerdingssind die Erziehung und das, wasuns vorgelebt wird – durch unser Umfeld,die Familie und die Freunde. Außerdemspielen die Politik und die Nachrichteneine große Rolle. Wenn in derallgemeinen Stimmung Konsum gewissermaßenals Bürgerpflicht gilt, werdenauch diejenigen, die sonst eher dagegensind, es in Ordnung finden, Schulden zumachen. Die omnipräsente Meta-Botschaft‚Konsum ist gut’ ist ein Bausteinfür das Schuldenmachen.Bei der Steuererklärung ist Schummelnzum „Volkssport“ geworden. Istes ein ähnliches Phänomen, dassRechnungen erst auf den letzten Drückerbezahlt oder sogar bewusst dieMahnungen abgewartet werden?Bei der Steuererklärung verursacht einedrohende Nachzahlung ein Verlustgefühl.Je nachdem, wie hoch die Erwartungeiner Rückzahlung ist, sinkt die Bereitschaftzu schummeln. Mit Blick aufeine Nachforderung könnte man ja auchsagen, der Staat hat bislang einen kostenlosenKredit gewährt, und diesesGeld war dadurch viel länger nutzbar.Doch die Verlustaversionist höherals die Freudeüber diesen Gewinn.Auch eineGeorg Felser istFachdozent fürMarkt- und KonsumpsychologieHOCHSCHULE HARZRechnung wirdoft nicht mit derbereits erhaltenenLeistung in Verbindunggebrachtund darf deshalbruhig eine Weileliegen bleiben.Dahinter stehtauch, dass Genussund Bezahlen immer stärker entkoppeltwerden. Kreditkarten, Flatratesund „Heute-kaufen-später-zahlen-Angebote“tragen dazu bei. Auch deshalb werdennormale Zahlungsvorgänge als Realisierungeines Verlustes umgedeutet.Warum zeigt Post von einem Inkasso-Büromeist schneller Wirkung alsdie Mahnungen der Gläubiger?Das erklärt sich vielleicht mit der Ideeder mentalen Kontoführung. Die Frageist, welcher Kategorie jemand einenPosten zuordnet. Nehmen Sie beispielsweisedas Budget für Winterkleidung.Wenn es ausgeschöpft ist, jemand einbestimmtes Kleidungsstück aber unbedingthaben möchte, deklariert er eseinfach als ‚gut für den Übergang’ oder‚ideal fürs Büro’. Schon gehört es in eineandere Kategorie, und es kann gekauftwerden. Mein mentales Konto definiert,welchen Zweck ich erreiche undwelches Ziel ich habe. Ein Inkasso-Büroist in diesem Sinn ein anderes Konto –da will ich verhindern, dass ich richtigÄrger bekomme.Gläubiger fürchten oft, Kunden fürkünftige Geschäfte zu verlieren,wenn sie beharrlich auf Zahlungenbestehen. Ist die Angst berechtigt?Aus lernpsychologischer Sicht halte ichdas für hochproblematisch, denn es verstärktdas Verhalten der Nicht-Zahler.Stattdessen sollten Unternehmen grundsätzlichmit einrechnen, dass Kunden eineunterschiedliche Qualität haben. Dabeimüssen sie gut differenzieren, dennes gibt zwei große Fehlerquellen: den falschenAlarm, bei dem ich einen Kundenherausfiltere, obwohl keine Gefahr desZahlungsausfalls bestand, und die Auslassungsfehler,bei denen ich mit KundenGeschäfte mache, die später nichtbezahlen. Es ist etwas zynisch, aber dieFrage ist, wie viele dieser falsch-negativenAuslassungsfehler ich mir leistenkann. Kommen sie zu häufig vor, mussindividueller differenziert werden. Dasist ja nicht neu: Der Krämer um die Eckehat schon früher immer gewusst, wer einguter und wer ein schlechter Kunde war.Heutige Verfahren sind die konsequenteWeiterführung. Dabei ist die Grundidee,von vergangenem auf künftiges Verhaltenzu schließen, nicht falsch.Und wie ist das, wenn wir uns vonFreunden Geld geliehen haben? Wiesteht es da um die Bereitschaft, diesesauch wieder zurück zu zahlen?Da fällt die persönliche Beziehung starkins Gewicht. Und was die Bereitschaftjenseits aller Beziehungspflege zusätzlichenorm verstärkt, ist das Gefühl,dass der Andere das nicht tun musste,dass er also einen ungeschuldeten Gefallengetan hat. Dann ist der Druckzum Ausgleich sehr viel höher, weil dasGefühl besteht, den Gefallen unbedingterwidern zu müssen. Würde es gelingen,auch dem Angebot eines Dienstleistersdiesen Charakter zu geben, wäredas eine Möglichkeit, den Zahlungsdruckzu erhöhen.+

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