SEITE X <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENTWenn Betrügereinkaufen gehenDas Geschäft mit gestohlenen Identitäten nimmt dramatisch zuMARION MEYER-RADTKEEs war ein Freitag im März,als über Stefanie Groth derSturm losbrach. Ein Dreivierteljahrvorher hatte diejunge Rechtsanwaltsfachangestellteihr eigenes Inkassobüro gegründet.Ruhig und beständig wuchs dasGeschäft. Handwerker und Freiberufler,Vermieter, Tier- und Zahnärzte klopftenbei Groths BDE Inkasso e.K. in Ratingenan, um das <strong>Forderungsmanagement</strong> desBetriebs abzugeben, oder weil sie sichum säumige Kunden kümmern sollte.„Aber an diesem Tag bekamen wir aufeinmal einen Anruf nach dem nächsten,und alle sprachen von irgendeinem Gewinnspiel“,berichtet Groth. „Ich habeerst gar nicht verstanden, worum esging.“ Das sollte sich rasch ändern.Denn auch nach dem Wochenende hörtedas Telefon nicht mehr auf zu klingeln.Eine Anruferin erbarmte sichschließlich und faxte den Brief durch,über den sich alle beschwerten. Es stelltesich heraus: Groth und ihre BDE Inkassowaren Opfer eines Identitätsdiebstahlsgeworden. In dem Brief forderteeine erfundene „BDE Inkasso GmbHaus München“ im Namen einer Lotto-Spielgemeinschaft die Empfänger zurZahlung von 288,48 Euro auf. In denBriefkopf hatten die Betrüger das Logound die Adresse der echten Firma ausRatingen hineinkopiert.Die meisten Adressaten machten imGrunde alles richtig: Sie riefen bei derBDE Inkasso in Ratingen an und fragtennach, statt einfach das Geld zu überweisen.Genau dazu raten alle Verbraucherschützerund Experten. Doch Groth undANZEIGEihr junges Unternehmen brachten derBetrug und seine Folgen beinahe um dieExistenz. „Anderthalb Monate lang habenwir jeden Tag 80 Anrufe gehabt –nur zu diesem Thema“, sagt Groth.Das eigentliche Geschäft lag in derZeit brach, weil die Firmengründerin nurdamit beschäftigt war, die Betrugsgeschichteaus der Welt zu schaffen. „Umunseren Namen sauber zu halten, habeich auf jeden Blog-Eintrag reagiert undauf jedes Schreiben <strong>vom</strong> Anwalt. Ich habejede Mail beantwortet, jedes Fax undjeden Anruf. Zwischenzeitlich haben wirsogar ein Callcenter eingeschaltet, weilwir die Masse an Anrufen einfach nichtmehr stemmen konnten.“„Solche Betrügereien mit gestohlenenIdentitäten haben in letzter Zeit enormzugenommen“, sagt Marco Weber <strong>vom</strong>Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU). Entweder geben sichdie Täter – wie im Fall der BDE aus Ratingen– als Inkassounternehmen ausund verschicken Fantasierechnungen.Oder sie stehlen die Identität von Privat-„Alleine im letztenQuartal 2012haben wir eineViertelmillionIdentitätsdiebstähleregistriert“Tim Griese, BSI-SprecherFORUDNERGENKNÖNEN MHERVEWRIRNRUGSFTIETN ALS MANSCIH VOLERSTLENKNAN.APONTAS BRINGT ORDNUNG INIHR FORDERUNGSMANAGEMENT.www.apontas.depersonen und gehen auf deren Kostenteuer im Internet shoppen: Die Warewird an irgendeine Lieferadresse geschickt,die dicke Rechnung bekommenallerdings die Opfer. „Mit den Distanzgeschäftenim Internet, bei denen es keinenpersönlichen Kontakt zwischenKäufer und Verkäufer gibt, ist das relativeinfach“, sagt Marco Weber.Tim Griese, Sprecher des Bundesamtsfür Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) sieht das genauso: „Bei vielenAccounts reicht es schon aus, wenn Sieeinen Benutzernamen und ein Passworthaben oder auch den Namen, die Adresseund das Geburtsdatum. Damit könnenSie sich einloggen und einkaufen gehen.“Wie viele Menschen in Deutschlanddurch Identitätsdiebstahl tatsächlichzu Schaden kommen, weiß niemandgenau. Es gibt lediglich Hinweise darauf,wie verbreitet das Phänomen ist. „ImRahmen der Allianz für Cybersicherheithaben wir alleine im letzten Quartal 2012eine Viertelmillion Identitätsdiebstähleregistriert“, sagt BSI-Sprecher Tim Griese.Damit ist noch nicht gesagt, dass dieseDaten auch tatsächlich missbrauchtwerden – aber nutzbar sind sie.Nach dem Lagebericht Cyberkriminalitätdes Bundeskriminalamtes (BKA) registriertedie Polizei im vergangenenJahr die Rekordzahl von fast 64.000 Fällenvon „Cybercrime“ – also Straftaten,die mit Hilfe von Computern oder im Internetbegangen werden, beziehungsweiseTaten, die Angriffe auf Computer odermobile Geräte beinhalten. Im Vergleichzu 2011 war das eine Steigerung um achtProzent. Besonders dramatisch fiel dabeider Anstieg bei Computersabotage aus:Fast 11.000 Eingriffe registrierte das BKADer eine hat den Beutel, der andere hat das Geld: Betrugsdelikte sorgen für hohe Schäden– ein Zuwachs um 134 Prozent gegenüberdem Vorjahr. „Die Täter nutzenSchwachstellen aus, um Rechner mitSchadsoftware zu infizieren, so dass siezum Beispiel Eingaben auf der Tastaturmitlesen können. Oder sie hacken sichin Datenbanken ein und stehlen dortNutzerdaten, wie das zum Beispiel 2011beim Online-Dienst Sony PlaystationNetwork geschehen ist“, sagt Griese.Für Computernutzer gilt es also, aufder Hut zu sein: „Sie sollten Ihren Rechnerimmer auf dem neuesten Stand halten,was Virenschutz und Sicherungs-Updates angeht, und Ihre Passwörter sowählen, dass sie möglichst nicht zu knackensind“, rät BSI-Experte Griese. FatalLENA BULCZAKEine Nachricht von einem Inkassounternehmeneinfach zu ignorieren,kann kostspielig werden,warnt Michael Requardt: „Aktiv zu bleiben,ist immer die beste Lösung“, sagtder Anwalt und Vorsitzende des BundesverbandsSchuldnerhilfe Deutschland.Sich aus Scham nicht zu rühren, wennberechtigte Forderungen nicht beglichenwerden können, sei ein Fehler, der vieleSchuldner oft teuer zu stehen komme.Aber auch säumige Zahler, die ausAngst vor einem Schufa-Eintrag sofortübereilig allen Forderungen eines Inkassobürosnachkommen wollen, solltenzuvor innehalten und erst genau prüfen:Hat das Inkassobüro eine Zulassung, umGeld eintreiben zu können? Sind allePosten auf der Rechnung berechtigt?„Was viele nicht wissen: Die erste Mahnungist nicht kostenpflichtig“, sagt Requardt,„egal, ob sie <strong>vom</strong> Gläubiger odervon einem Inkassobüro kommt.“ Wurdentrotzdem Mahngebühren in Rechnunggestellt, könne man diese getrostignorieren. Es reiche, die eigentlicheForderung zu begleichen.Bleibt die entscheidende Frage: Ist dieForderung auf dem Papier der Höhenach wirklich berechtigt? „Aus fünf Eurodürfen nicht plötzlich 65 werden. Inkassodienstleisterfallen aber nicht seltendadurch auf, dass sie neben der eigentlichenInkassovergütung noch zahlreicheunberechtigte oder überhöhte Gebührenverlangen“, ärgert sich Bernd Ruschinzik,Bereichsleiter Recht und Beratungbei der Verbraucherzentrale Berlin.„Verbraucher sollten die ursprünglicheForderung sowie Verzugszinsen inHöhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatzvon aktuell minus 0,38 Prozentzahlen. Sind Portokosten angefallen,sollten man auch diese begleichen“, rätRuschinzik. Wer ganz sicher gehen wolle,können noch fünf bis zehn Euro mehrüberweisen – verbunden mit einem klarenHinweis, dass er nicht bereit ist,mehr zu zahlen. Dann nämlich könneder nächste Schritt seitens des Inkassounternehmensnur eine Klage sein. Allerdingsreicht es nicht, die Ablehnungweiterer Zahlungen per E-Mail oder Telefonzu bekunden. Geht es vor Gericht,muss der Schuldner dies mit einem postalischenEinschreiben nachweisen können.Versprechen, dass der Spuk damitvorbei ist, kann Ruschinzik jedoch nicht.„Nageln Sie uns bitte nicht fest“, ist seinStandardsatz in der Inkasso-Beratung:„Die Rechtsprechung ist schillernd.“Michael Requardt rät Schuldnern dagegen,neben Hauptforderung und Verzugszinsenauch die Inkassokosten zubegleichen. Nach der Rechtssprechungdürften Inkassobüros ihren SchuldnernGebühren für ihre Tätigkeit in Rechnungstellen, sagt Requardt. Diese dürftenaber die Sätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzesnicht überschreiten. Diegenaue Höhe der Inkassokosten sei damitabhängig <strong>vom</strong> Wert der ForderungGETTY IMAGESsind zum Beispiel Mails mit Anhängen,die den einzigen Zweck haben, Trojanerauf den Rechner zu spielen, um diesenausspionieren zu können. So seien injüngster Zeit viele gefälschte E-Mails imUmlauf, die vorgäben von bekanntenUnternehmen wie etwa der DeutschenTelekom oder Amazon zu stammen,warnt Griese: „Wenn Ihr Rechner nichtausreichend geschützt ist und Sie Anhängeoder Links dieser Mails anklicken,haben Sie sich meistens schon dieSchadsoftware eingefangen.“Experten sehen zudem mit Sorge, wiefreigiebig Verbraucher mit ihren Datenumgehen – und gerade das Internet verführtdazu. „Was früher das Preisausschreibenin der Fußgängerzonewar, bei dem man Postkartenausgefüllt hat, sind heutedie Pflichtfelder im Internet,wenn man sich etwas herunterladenoder bestellen will“, sagtGriese. „Man sollte sich immerfragen: Ist es mir dieser Dienstwert, dass ich dafür meine Datenangebe? Wenn ich einenNewsletter per Mail haben will– wozu muss der Anbieter wissen,wo ich wohne?“ SolcheDaten sind Gold wert – für Unternehmen,aber eben auch fürKriminelle. Wenn man zu vielüber sich preisgeben müsse,solle man im Zweifel lieber aufein Angebot verzichten, empfiehltGriese. Vor allemSmartphone-Nutzer, die massenhaftApps herunterladen,seien noch zu wenig sensibilisiert:„Das sind kleine Computerund die müssen genauso geschütztwerden wie die Gerätezu Hause“, betont Griese.„Aber vielen Nutzern ist dasnoch immer nicht bewusst.“Das Risiko, Opfer einesIdentitätsdiebstahls zu werden,steigt also. Wen es wirklichtrifft, der sollte vor allem einestun: Ruhe bewahren, sagtBDIU-Sprecher Marco Weber:„Ganz wichtig ist zu wissen:Niemand muss Forderungenbezahlen, die nicht rechtenssind.“ Eine rasche Reaktion seitrotzdem wichtig, sagt GerritCegielka, Jurist bei der VerbraucherzentraleBremen:Wenn die offenbar von Fremdengenutzt wurde, dann müssesie so schnell wie möglichgesperrt werden. Falsche Abbuchungen<strong>vom</strong> Konto könneman sich bei der Bank zurückholen.Und auch wenn falscheRechnungen oder Mahnungenins Haus flattern, solle man„auf jeden Fall reagieren unddie Forderung bestreiten“, rät Cegielka.Die Beweislast für die Rechtmäßigkeitder Rechnung liege beim Unternehmen,nicht beim Käufer. Und natürlich solleman sofort die Polizei einschalten undAnzeige erstatten.Stefanie Groth hat den Angriff auf ihreBDE Inkasso inzwischen überstanden.Sie hatte damals die Bank alarmiert, beider die Täter das Konto für die Zahlungeneingerichtet hatten, und den Betrugüber ihre Webseite und auf Facebook öffentlichgemacht. „Darauf haben wir nurpositive Meldungen bekommen, undjetzt läuft unser Geschäft wieder in normalenBahnen“, sagt sie. „Aber es hatmich viel Zeit und viel Geld gekostet.“Post, die niemand willWas sollte man beachten, wenn sich ein Inkassobüro meldetTEURE FEHLERBEI RATENZAHLUNGENTreffen Schuldner Ratenvereinbarungen,begehen viele einen typischen undteuren Fehler: Sie versäumen es zubestimmen, dass ihre Zahlungen zuerstauf die Hauptforderung angerechnetwerden, dann auf die Inkassokostenund zuletzt auf die Zinsen. So tragensie mit ihren ersten Raten jeweils nurdie Zinsen ab. Der eigentliche Schuldenberg,die Hauptforderung, anhandder sich die Zinsen bemessen, verringertsich damit nur schleppend. Dieinsgesamt abzuzahlende Summe steigt.und lasse sich im Internet nachprüfen.Zwei Juristen, zwei Meinungen – genaudas macht Inkassofragen so schwierig.Wer seine Schulden nicht begleicht,hat aber häufig noch ganz andereSchwierigkeiten – ihm fehlt Geld. Dannhilft verhandeln. „Auch Schuldner habenRechte und sollten darauf pochen“, sagtRequardt. Doch bevor Verbraucher miteinem Inkassobüro in Verhandlungentreten, sollten sie prüfen, ob dieses überhaupteine rechtliche Erlaubnis hat. Daslässt sich im Register beim Landgerichtdes Ortes erfragen, an dem das Büro seinenSitz hat. Eine Ausnahme gibt es jedoch:Hat der Gläubiger seine Forderungan das Inkassounternehmen abgetreten,braucht es keine gerichtliche Erlaubnis,um tätig zu werden. Auf diese Weise istes selbst zum Gläubiger geworden.Allerhöchste Zeit, aktiv zu werden, istes jedoch, wenn ein Mahnbescheid <strong>vom</strong>Mahngericht kommt. Denn das Gerichtprüft nicht automatisch, ob eine Forderungberechtigt ist oder nicht. Verbraucherhaben zwei Wochen Zeit, Widerspruchgegen unberechtigte Forderungeneinzulegen. Geschieht dies nicht,folgt ein Vollstreckungsbescheid – diesmalmit zweiwöchiger Einspruchsfrist.Wer dann immer noch nicht handelt, hatdem Gläubiger einen vollstreckbaren Titelgeschenkt und sich selbst einen negativenSchufa-Eintrag beschert.Damit darf der InkassodienstleisterKonto oder Gehalt pfänden oder einenGerichtsvollzieher schicken. Das ist auchschon fast das schlimmste Szenario:Noch schlimmer kann es nur kommen,wenn der Schuldner beim Besuch desGerichtsvollziehers nicht zumindest eineRatenzahlung anbietet. Dann nämlichkann dieser ihm die eidesstattliche Versicherungabnehmen, was einen Eintragin das Schuldnerverzeichnis zur Folgehat. Bis zur Privatinsolvenz ist es dannnur noch ein weiterer, letzter Schritt.+
MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013 <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> SEITE XIFORDERUNGSMANAGEMENTParagrafengegen AbzockerDas Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken sollVerbraucher vor Massen-Abmahnungen, unerlaubtenWerbeanrufen und falschen Geldeintreibern schützenCHRISTOPH ENDELLEs verspricht mehr Schutzund soll gleich ein ganzesBündel an Problemen lösen:das Gesetz gegen unseriöseGeschäftspraktiken, das EndeSeptember auch <strong>vom</strong> mehrheitlichrot-grün besetzten Bundesrat verabschiedetworden ist. Es soll unter anderemdie unerlaubte Telefonwerbung eindämmen,Missstände bei den urheberrechtlichenAbmahnungen beseitigen,und es umfasst auch neue Regelungenfür die Inkassobranche.Das heißeste Thema des Gesetzes jedochwar die Eindämmung kostspieligerurheberrechtlicher Abmahnungen gegendas sogenannte Filesharing im Internet.Dabei geht es zum Beispiel um Musikdateienoder Filme, die illegal aus Online-Tauschbörsen heruntergeladen werden.Zukünftig sollen Rechtsanwälte für eineerste Abmahnung von Privatleuten nurnoch 148 Euro verlangen dürfen. Hinzukommen erweiterte Informationspflichten,nach denen genau klar werdenmuss, wofür die Zahlungen gefordertwerden, sowie bessere Verteidigungsmöglichkeitenfür zu Unrecht Abgemahnte.Zudem dürfen Privatleute wegenUrheberrechtsverletzungen künftignur noch an ihrem Wohnort verklagtwerden. Rechtsanwalt Sven Mühlberger,der Betroffene vertritt, empfindet es alseinen wichtigen Schritt, dass Opfer erkennbarunberechtigter Abmahnungenjetzt Anspruch auf Erstattung derRechtsanwaltskosten haben.Gerade die wichtige Begrenzung derGebühren bleibt aber unsicher: Die Begrenzungsoll dem neuen Gesetz zufolgenicht gelten, wenn im Einzelfall dochhöhere Gebühren angemessen wären.„Eine ähnliche Regelung hat sich schonnach der letzten Reform als Schlupflocherwiesen“, kritisiert Mühlberger undBranche besser zu regulierenund schwarzeSchafe herauszufiltern.“Der BundesverbandDeutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU) hatbereits angekündigt, sichim Dialog mit Schuldnerberatungsstellenundden Verbraucherschützernfür eine klare Umsetzungeinzusetzen.Die Aufsicht über Inkassounternehmenwirddurch das neue Gesetzebenfalls gestärkt. Die Aufsichtsstellenkönnen jetzt auf einen besser abgestuftenMaßnahmenkatalog zurückgreifen,um die Branche zu regulieren.Auch die möglichen Bußgelder wurdenerhöht: Sie können jetzt bis zu50.000 Euro betragen. Kritik gibt es allerdingsan der weiterhin zersplittertenStruktur der Aufsicht. Denn auch künftigsollen insgesamt 79 Aufsichtsstellen denMarkt regulieren. In ungewöhnlicherEintracht haben BDIU, Verbraucherschützerund Unternehmer der künftigenRegierung deshalb schon jetzt insAufgabenbuch geschrieben, diese Zuständigkeitin der kommenden Legislaturperiodeeffektiv zu bündeln (sieheBeitrag unten auf dieser Seite).Weniger einig sind sich die Interessengruppen,wenn es um die neuen Gebührenregelungenfür Inkassodienstleistergeht. Diese wurden mit dem neuenGesetz den Rechtsanwaltsgebühren angepasst.Der Bundesverband Verbraucherzentrale(vzbv) etwa fordert, dassdie Inkassogebühren weiter standardisiertund gedeckelt werden müssen.In der Tat enthält das Gesetz hierzueinen Ansatzpunkt: Für die Gebühren,deren Erstattung ein Gläubiger von einerPrivatperson verlangen kann, soll es festeSätze geben. Dabei sollen insbesondefürchtet,die Gerichte könnten die Ausnahmeregeletwa bei neuen Kinofilmenoder Musikalben anwenden. Über denUmweg von Schadensersatzforderungenkönnten Anwälte zudem weiter hoheKosten produzieren.Das zweite wichtige Anliegen des Gesetzesist eine schärfere Regulierung derInkasso-Dienstleister. Die Branche solltransparenter werden und übersichtlicheGebührenstrukturen erhalten. Künftigmuss aus dem Inkassobrief klar hervorgehen,für wen ein Inkassounternehmentätig wird. Auch der Forderungsgrund,der Vertragsgegenstand und das Vertragsdatummüssen offengelegt werden.Außerdem wird die Berechnung von Inkassokostenund Zinsen aufgeschlüsselt,und Privatpersonen haben Anspruch aufnoch weitergehende Auskünfte.Für Constantin Svoboda, Vorstanddes Inkasso-Dienstleisters Legial, ist dasein sinnvoller Schritt: „Die neuen Transparenzregelnhelfen dabei, korrekte Inkassotätigkeitklarer zu definieren. Auchden Aufsichtsbehörden werden damitLeitlinien an die Hand gegeben, die„Die neuenTransparenzregelnhelfen dabei,eine korrekteInkassotätigkeitklarer zudefinieren“Constantin Svoboda,Vorstand LegialGeld verdirbt den Charakter: Neue Vorschriften sollen auch zweifelhafte Geschäfte mit Telefonwerbung und Gewinnspielen weiter erschwerenre Höchstsätze für das erste Mahnschreibennach Eintritt des Verzugs festgelegtwerden, und auch im Fall des sogenanntenMasseninkassos soll es Obergrenzengeben. Das betrifft Fälle, bei denenein Gläubiger einem Inkassodienstleisterinnerhalb eines Monats mehr als100 sogenannte gleichartige Forderungenzum Einzug übergibt. Diese Maximalgebührenkann das Bundesjustizministeriumlaut Gesetz im Rahmen einerRechtsverordnung festlegen.Dieses Einfallstor staatlicher Regulierungfindet allerdings wenig Beifall.Während der vzbv die Regelung als zuSchwere Fällewenig weitgehend rügt, empfindetLegial-Vorstand Constantin Svoboda einesolche Festlegung der Gebührensätzeals Überregulierung – genau wie derBDIU: „Die Arbeit von Inkassounternehmendarf nicht durch eine Überregulierungder Inkassokosten gefährdet werden“,warnt Kay Uwe Berg. Der Verbandsgeschäftsführersieht in der Regelunginsbesondere eine Ungleichbehandlungder verschiedenen Berufsstände.Denn nach dem Wortlaut des Gesetzessolle eine solche Gebührenverordnungnur für registrierte Inkassodienstleister,nicht aber für Rechtsanwälte gelten, kritisiertBerg. Auch deshalb behalte sichder BDIU eine verfassungsrechtlicheÜberprüfung der Regelungen vor.Der dritte Teil des neuen Gesetzestrifft die Telefonwerbung. Gewinnspielebeispielsweise können Unternehmennicht mehr per Anruf verabreden. Werteilnehmen möchte, muss dies künftigschriftlich bestätigen. Zudem werden diemaximalen Bußgelder für unerlaubteWerbeanrufe von 50.000 auf 300.000Euro versechsfacht, und sie gelten nichtmehr nur, wenn echte Menschen anrufen,sondern auch wenn sich am anderenEnde ein Telefoncomputer meldet.fallen uns leicht.GETTY IMAGESANZEIGEAlles unter Kontrolle?In Deutschland sind insgesamt 79 Gerichte für die Aufsicht vonInkassofirmen zuständig. Effektive Prüfung ist so kaum möglichHARALD CZYCHOLLDie Theorie ist eindeutig: Fällt einInkasso-Unternehmen negativauf, kann das Gericht, bei demder Dienstleister registriert ist, dessenGenehmigung widerrufen. Das regelt dasRechtsdienstleistungsgesetz. Doch diePraxis zeigt: Ist eine Genehmigung einmalerteilt, wird sie nur in den seltenstenFällen wieder entzogen. So hat eineUntersuchung der VerbraucherzentraleSchleswig-Holstein im Jahr 2010 ergeben,dass Inkassofirmen bundesweit lediglichin zwei Fällen aufgrund von Verbraucherbeschwerdendie Zulassung entzogenwurde. Verbraucherschützer werfender Branche zudem vor, dass auchderen Selbstregulierung nur unzureichendfunktioniere. So würden die „berufsrechtlichenRichtlinien“ des BundesverbandesDeutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU) weder eine Gebührenordnungnoch konkrete Informationspflichtenvorgeben, kritisiert der Bundesverbandder Verbraucherzentralen (vzbv).Rund 750 zugelassene Inkassounternehmengibt es derzeit in Deutschland,von denen zwei Drittel im BDIU organisiertsind. Sie bewegen nach Verbandsangabenjährlich ein Forderungsvolumenvon mehr als 24 Milliarden Euro. Docheine effektive Kontrolle der Unternehmenfinde nicht statt, bemängeln Experten.Der Grund dafür liege in der Zersplitterungder Aufsichtslandschaft: Momentansollen 79 verschiedene AmtsundLandgerichte die Tätigkeit der Inkassounternehmenkontrollieren.Zwar hat das Ende September verabschiedete„Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“,das auch als „Anti-Abzock-Gesetz“bekannt geworden ist, dieAufsicht über Inkassofirmen verbessert.Laut Bundesjustizministeriums wurdendie Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierungerweitert. Außerdem könnenzuständige Gerichte zusätzliche Sanktionsmaßnahmenunterhalb des Widerrufsder Registrierung verhängen. Dazu zählenetwa Bußgelder und die Möglichkeit,den Firmen die Arbeit für eine gewisseZeit komplett oder teilweise zu untersagen.Allerdings haben weiterhin 79 Behördendie Aufsichtspflicht. Dabei handeltes sich um Gerichte, die meistschon mit ihren Kernaufgaben überlastetZum Reichtum führen viele Wege:Behörden prüfen die Arbeit der FirmenJAQUES BAGIOSsind. Diese Regelung ist denn auch ausSicht des Branchenverbandes BDIU unbefriedigend.„Optimal wäre eine bundesweiteAufsichtsbehörde“, sagt VerbandsgeschäftsführerKay Uwe Berg.„Realistisch wäre zumindest eine Aufsichtsbehördepro Bundesland.“ NachEinschätzung der Interessensvertretungist eine solche Regelung daran gescheitert,dass die Bundesregierung nicht dazubereit war, mehr Geld für die Aufsichtüber Inkassounternehmen auszugeben.Aus Sicht des BDIU ist das ein schwererFehler: Wer unseriöse Geschäftspraktikenwirklich eindämmen wolle, müsseden Behörden auch die dafür notwendigenMittel an die Hand geben, heißt esbeim Verband. Die Branchenvertreterfordern daher weitere gesetzliche Änderungen.In einem ersten Schritt solle dieBundesregierung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppeunter Beteiligung der Wirtschaft,der Verbraucherschützer und derjuristischen Praxis einsetzen, um Vorschlägefür eine weitere Verbesserungder Inkasso-Aufsicht zu erarbeiten.Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen(vzbv) fordert eine schlagkräftigereAufsicht mit lediglich einerzuständigen Aufsichtsbehörde pro Bundeslandund setzt sich für noch effektivereSanktionsmöglichkeiten ein, dievon gestaffelten Geldbußen bis hin zumEntzug der Zulassung reichen. „Inkassobraucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten,verlässliche Gebührenvorgabenund eine schlagkräftige Aufsicht“,betont der Verbraucherzentralen-ChefGerd Billen. „Ein Mangel an effektivenKontrollen und Sanktionen ist geradezueine Einladung für Betrüger.“+Altforderungen sind oft schwer zu managen. Ihnen fehlen Zeit unddie nötige Kapazität. 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