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Abschlussbericht „Lernallianz im Ruhrgebiet ... - CBE

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Reinhild Hugenroth • Eckart Pankoke • Bernd Thunemeyer<strong>Abschlussbericht</strong><strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>:Bürgerschaftliches Engagement“gefördert durch die Projekt Ruhr GmbH


Projektteam:Prof. Dr. Eckart PankokeDr. Bernd ThunemeyerReinhild HugenrothUniversität Duisburg – EssenCampus Essen45117 Essen


Zudem half uns die Vertrautheit und das Vertrauen des Mülhe<strong>im</strong>er <strong>CBE</strong> <strong>im</strong> Feldder bürgerschaftlichen Organisationen, so dass „soziales Management“ bei derDurchführung der Kontakte, Konferenzen und Kontrakte kompetent und zugleichfeldsensibel vermittelt und umgesetzt werden konnte. Dieser Dank richtet sichvor allem an Lothar Fink, der als ehrenamtlicher Vorsitzender des <strong>CBE</strong> – zusammenmit Eva Winkler als hauptamtliche Kraft – <strong>im</strong>mer zu Rat und Tat bereit war.Wichtig für den Erfolg des Projektes war zudem das Engagement der Stadt Mülhe<strong>im</strong>an der Ruhr, deren Kommunalverwaltung durch Ulrich Ernst und GuidoBrücker kontinuierlich in der Steuerungsgruppe mitarbeitete. Im Zuge der Projektentwicklunggewannen wir zudem Interesse und Kooperationsbereitschaftauch bei den kommunalen Verwaltungen der anderen MEO-Städte, in denen sichvergleichbar mit dem Mülhe<strong>im</strong>er <strong>CBE</strong> Initiativen für eine innovative Infrastrukturder Förderung bürgerschaftlichen Engagements abzeichnet.Schließlich aber gilt unser besonderer Dank den vielen Projektpartnern aus denFeldern ehrenamtlichen Engagements, den Sportvereinen und Sportverbänden,den Ausländerbeiräten und Ausländervereinen, den Selbsthilfegruppen und Verbänden,den „vor Ort“ aktiven Bürgervereinen und kreativen Kunstvereinen, aberauch den <strong>im</strong> Sinne von Corporate Citizenship bürgerschaftlich engagiertenUnternehmern und Managern der Wirtschaft. Dankbar sind wir auch für die mituns zusammenarbeitenden jungen Engagierten in der Schüler-Mitverantwortung.Diese aktiven Zukunftspotentiale der Bürgergesellschaft machen Mut, auf denmit den <strong>„Lernallianz</strong>en“ markierten Wegen weiterzumachen.Essen, <strong>im</strong> Dezember 2004Reinhild Hugenroth, Eckart Pankoke, Bernd Thunemeyer


Inhalt0. Problemlagen und Projekt-Perspektiven 61. Ausgangsfragen 72. Regionalbezug: „Bürgergesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong>“ 83. Institutionelle und infrastrukturelle Kontexte:Theorie / Praxis-Partnerschaft 104. Praktischer Vollzug 124.1 Steuerungsgruppe 124.2 Regionalkonferenzen 134.3 Workshops 134.4 Entwicklung der Lernmodule 154.4.1 Lernmodule zu allgemeinen Fragestellungen 154.4.2 Lernmodule zum Themenbereich Haupt- und Ehrenamt 164.4.3 Lernmodule aus dem Bereich Selbsthilfe 174.4.4 Lernmodule aus den Bereichen Recht und Geld 174.4.5 Lernmodule aus den Bereichen Qualitätsentwicklung undÖffentlichkeitsarbeit 184.4.6 Lernmodule aus den Bereichen Corporate Volunteering /Corporate Citizenship / Klassensprecher 194.5 Bilanzierende Zusammenfassung der Erfahrungen mitdem Einsatz der Lernmodule 204.5.1 Public Private Partnership 224.5.2 Migrantenvereine in der Lernallianz zu Vereinsrecht undVereinsfinanzen 224.5.3 Perspektiven der Zusammenarbeit von Haupt- undEhrenamtlichen 245. Ausweitung des Projektes 265.1 Corporate Citizenship 265.2 Schule als Lernfeld zivilen Engagements 286. Regionale Diskussion 316.1 Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft „MEO-Aktiv-Card“ 316.2 Absichtserklärung der MEO-Städte (Wortlaut) 326.3 Bilanzierung: Möglichkeiten und Grenzen regionalerKooperation 337. Schlussbetrachtung 337.1 Steuerungsgruppe 337.2 Kooperation 347.3 Marketing 357.4 Perspektiven 358. Nachsatz: „Kultur der Verantwortung“ <strong>im</strong> Umbruch undAufbruch 36Materialanhang: Dokumente Tagung 7. Juli 2004 37


Problemlagen und Projekt-PerspektivenIn Lernallianz mit den freien Trägern und Feldern bürgerschaftlichen Engagements undin Kooperation mit dem Mülhe<strong>im</strong>er „Centrum bürgerschaftliches Engagement“ (<strong>CBE</strong>)entwickelten Sozial- und Bildungswissenschaftler der Universität Duisburg-Essen einQualifizierungs- und Aktivierungsangebot für ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiterund Verantwortungsträger. Bezugsfeld waren die Vereine, Verbände und freienInitiativen <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>, insbesondere <strong>im</strong> Städteverbund Mülhe<strong>im</strong>, Essen, Oberhausen(MEO).Dabei übernahm die Universität die Moderation und Evaluation der Lernprozesse, währenddie Ausarbeitung und Umsetzung der Lernmodule kooperativ über das Mülhe<strong>im</strong>er<strong>CBE</strong> mit Fach- und Führungskräften des Dritten Sektors zu gestalten war.Zielsetzung: <strong>„Lernallianz</strong>en soziales Management“Die Ziele des Projekts lassen sich folgendermaßen charakterisieren:• Qualifizierung für bürgerschaftliches Engagement,• Mobilisierung und Aktivierung für bürgerschaftlicher Initiative,• Aufbau eines Netzwerkes zur Aktivierung von Kompetenz und Engagement aktiverBürgergesellschaft in der Region MEO,• Ansprache und Einbindung bisher nicht erreichter Bevölkerungsgruppen,• Entwicklung von Modulen und Modellen aktivierender Weiterbildung,• Klärung von Möglichkeiten des Transfers in andere Regionen.Formal gliederte sich das Projekt über die Doppelträgerschaft Universität Duisburg-Essen (gefördert durch Projekt Ruhr GmbH) und dem Mülhe<strong>im</strong>er „Centrum bürgerschaftlichesEngagement“ (gefördert über das ehemalige MASQT:NRW). Diese Allianz könntegerade in der partnerschaftlichen Verknüpfung von öffentlichen Institutionen wissenschaftlicherKompetenzvermittlung und einem privaten Trägerverbund freien Engagementsauch für künftige Kooperationskontrakte in „Public-Private-Partnership“ richtungsweisendwerden. Die über das Mülhe<strong>im</strong>er „Centrum für bürgerschaftliches Engagement“vermittelte Kommunikation und Kooperation zu den Akteuren und Organisationendes Dritten Sektors wurde gefördert vom MASQT, während die von der UniversitätEssen entwickelten und vermittelten Qualifizierungsmodule von der Projekt RuhrGmbH finanziert werden.<strong>„Lernallianz</strong>“ bedeutet dabei nicht, dass „Besser-Wisser“ von oben ins Vereinslebenindoktrinierend hineinreden. Vielmehr geht es darum, in Zusammenarbeit mit denAkteuren der Praxis die dort bewährten Modelle von „best practice“, in Lern-Module zuübersetzen, die dann in anderen Netzwerken und Lernprozessen des selbstorganisiertenEngagements aktivierend und ermöglichend wirksam werden können.6


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“1. Ausgangsfragen„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagement“: Unter diesem Arbeits-Titel wurden vonder Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages“ <strong>im</strong> „Internationalen Jahr desEhrenamtes“ (2001) die aktuellen Entwicklungsperspektiven und Entwicklungskrisen vonEhre und Engagement herausgearbeitet. 1 Aus der Fülle der Erkenntnisse und einemdamit zugleich begründeten neuen Problembewusstsein lassen sich die Probleme undPotentiale der Entwicklung und der Förderung ehrenamtlichen Engagements herausarbeiten.Diese Fragen gewinnen praktische Aktualität <strong>im</strong> industriellen Ballungsraum<strong>Ruhrgebiet</strong>, wo <strong>im</strong> Zuge von Modernisierungswellen und Modernisierungskrisen, diefreien Kräfte ehrenamtlichen Engagements in ihrer sozialräumlichen Vernetzung einebesondere Dynamik, vielleicht auch Dramatik entfalten können.Die Bezugsprobleme ergaben sich zunächst in drei von der Enquete-Kommisionbesonders herausgestellten Herausforderungen und Verantwortungen des gesellschaftlichenWandels von Ehre und Engagement, Kompetenzen und Kontexten, von sozialenMilieus und kulturellen Szenen.III„Ehre“ und „Engagement“: Spannungsfelder einer sich wandelnden Bürgergesellschaft„Ehre“: Selbstverständlichkeit von Ämtern und Aufgabenaus der Mitte („milieu“) sozial geschlossener Repräsentativkulturen„Engagement“: Selbstverständigung über die kommunikative, kritische und reflexiveSinnkonstruktion und Selbstorganisation in offenen Netzwerken und Lernprozessen„Engagement“ und „Kompetenz“: Wer Engagement fordert, muß Kompetenz fördernund dafür Kontext bieten. Engagement wird heute anspruchsvoller und auch aufwendiger.a) Wer sich freiwillig und verantwortlich engagiert, stellt dazu mit gutem Grundauch Ansprüche. Freies Engagement erwartet jedoch kaum individuelleLöhnung, wohl aber institutionelle Förderung, gerade in der Bereitschaft zuoffenen Lernprozessen in Bereichen von Selbsterfahrung und der Kompetenzerfahrung.b) Organisationen müssen sich dann einlassen auf neue Ansprüche – gerade auch<strong>im</strong> Sinne einer gesteigerten Rationalität, Qualität und Reflexivität ehrenamtlicherDienste. Gefordert ist ein anspruchsvolleres Fach- und Führungspersonalnicht nur in der „Front-Line“ sensibler Dienste, sondern auch in den Führungsspitzen.c) Personalentwicklung <strong>im</strong> Dritten Sektor muss versuchen diese anspruchsvollereKombination von Engagement und Kompetenz anzusprechen und einzubinden.Zwei Wege bieten sich an: eine qualifizierende Weiterbildung des eigenenPersonals – und eine aktivierende Weiterbildung der an selbstorganisiertenEngagement interessierten Zielgruppen, die neben oder nach professionellerErfahrung <strong>im</strong> Management von Wirtschaft und Verwaltung jene anspruchsvollenFach- und Führungskompetenzen mitbringen, wie sie nun in den neuenHorizonten des <strong>im</strong> dritten Sektors neu gefordert sind.1 Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.):Bericht Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft, Opladen 2002.7


III „Milieu“ und „Szene“: Einer drohenden „Spaltung der Bürgergesellschaft“ in exklusiveAktivisten und einem Ausstieg der breiteren Schichten aus aktiver Verantwortungfordert neue Anstrengungen der politisch-kulturellen Breitenarbeit. Für diese Breitenwirksamkeitaber brauchen die Vereine und ihr Management neue Kompetenzen undKontexte.Sorge machen aktuelle Tendenzen einer „Spaltung der Bürgergesellschaft“: Ein heute zubeobachtender Auftrieb der Bürgergesellschaft in eine neue Exklusivität exponierterAktivisten eines steilen Engagements löst nicht die Probleme einer zugleich drohendenExklusion durch Rückzug der einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten ausder einst so erfolgreichen niederschwelligen Breitenarbeit der tradtionellen Großverbände(z.B. Wohlfahrtsverbände, Sportvereine, Bürgervereine).Die <strong>„Lernallianz</strong>en“ setzten deshalb auf neue Netzwerke und Lernprozesse. Adressatwaren gerade auch die traditionell in sozialer, kultureller oder auch sportiver Breitenarbeitaktiven Verbände und Vereine. Gerade die bildungsferneren Zielgruppen, die inihren Schwellenängsten dem bürgerschaftlichen Engagement sonst verloren gehen, sindnun auf neue Weise aktivierend einzubinden. Aktivierende Vereinsarbeit aber erforderteine neue Qualifizierung der ehrenamtlichen Akteure eines sozialen Managements.Die Förderung des „Dritten Sektors“ selbstorganisierten Engagements ist ein wichtigesZukunftspotential des <strong>Ruhrgebiet</strong>s, dessen traditionell dichte und lebendige Vereinslandschaftunter Modernisierungsdruck gekommen ist und nun gefährdet ist, denAnschluss zu verpassen an die sich heute verändernden oder neu entwickelnden Interessenund Motivationen, Bedürfnisse und Bereitschaften. Dies gilt gerade für die breitenwirksamarbeitenden „Volks“-Vereine und Traditionsverbände, deren niederschwelligePartizipationsmuster bewusst auch den bildungsfernen, ortsfremden und einkommmensschwachenBevölkerungsgruppen soziale Nähe boten. Nun nach dem offensichtlichenZerfall solcher Nähe, wird der Neubau sozialer Vernetzung zu einem infrastrukturellenIndikator räumlicher Identität und sozialer Solidarität.2. Regionalbezug: „Bürgergesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong>“In einer von Sozialwissenschaftlern der vier <strong>Ruhrgebiet</strong>suniversitäten (Bochum, Dortmund,Essen und Duisburg) in Kooperation mit dem Innenministerium NRW und dem„Verein Pro <strong>Ruhrgebiet</strong>“ durchgeführte Untersuchung zu aktuellen Problemen undPotentialen einer „Bürgergesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong>“ 2 zeigten sich bereits – wenn auch mitzukunftsweisenden Ausnahmen – die von der Enquetekommission bestätigten Tendenzenund Thesen:Sorge macht auch <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>:• die Spaltung der Bürgergesellschaft, die Kluft zwischen alter Ehre und neuenEngagementAntwort auf dies Probleme suchten wir über• die Wechselwirkung von Qualifizierung und Aktivierung, von Engagement undKompetenz8 2 Andersen, Uwe / Neuendorf, Hartmut / Schatz, Heribert / Pankoke, Eckart: Erfahrungen und Potentiale eines verstärktenbürgerschaftlichen Engagements zur Entlastung der Kommunen. Gutachten <strong>im</strong> Auftrag der Stadt Herne.Bochum, Ruhr Universität. Verein pro <strong>Ruhrgebiet</strong>, Essen 1998.


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Dazu zeigten sich auch <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> – oft auch außerhalb der einst mächtigen Traditionsvereine– neue Perspektiven des Aufbruchs zu neuen Wegen. Das <strong>Ruhrgebiet</strong> wurdein sozialwissenschaftlicher Regionalforschung bislang <strong>im</strong>mer gewürdigt durch sein dichtesVereinsleben und das soziale Kapital sozialer Nähe. Nun aber kommen die alten„Milieus“ unter Modernisierungsdruck und scheinen sich aufzulösen. Umso wichtigerwird es für die Lebensqualität und so auch die Standortqualität dieser Region, hier neueNetze zu knüpfen. Hier fordern die Initiativen und Projekte selbst-organisierten Engagementsdie vermittelnden Kompetenzen und Kontexte von Moderatoren, Mediatoren undPromotoren.Angestrebt werden Prozesse, die geprägt sind durch:• Breitenwirksamkeit, d.h. Öffnung der Felder zivilen Engagements für neue Zielgrupppenund Zielräume, gerade <strong>im</strong> Bereich der einkommensschwachen und bildungsfernenSchichten.• Zukunftswirksamkeit, d.h. verantwortliches Mitwirken bei der Gestaltung und Durchsetzungzukunftsweisender Initiativen und Perspektiven. Bürgerschaftliches Engagementwird aktiv in den Arenen und Agenden auf gemeinsamen Wegen der sozialenund kulturellen Entwicklung. Gefordert von den Bürgern aktiver Gesellschaft sinddamit neue Kompetenzen und neues Engagement: Organisationskraft und Verantwortungsbereitschaft,und als Voraussetzung für interaktives Führen und Steuern:kommunikatives Handeln und strategisches Lernen.Diese konkretisieren sich in neuen Formen einer aktiven Öffentlichkeit in Arenen, Allianzen,Agenden.In neuen Strategiediskursen wird die Frage nach nachhaltig zukunftswirksamen Ressourcenund Potenzialen zu verbinden sein mit neuen Aktionsformen, Kommunikationsforenund Organisationsprinzipien einer sozialen Selbststeuerung. Gefordert ist eine kritisch-konstruktiveÖffentlichkeit in den „Arenen“ kommunaler und regionaler Politik. DieOffenheit für Allianzen zwischen den Ansprüchen auf Zukunft und den etablierten Interessenund Instanzen von Geld und Macht. Der Weg in eine offene Zukunft wird bewegtdurch viele kleine Schritte aktiver Bürger. Die nachhaltige, sozialverträgliche undzukunftswirksame Verknüpfung der vielen Wege und Schritte zu einer aktiven Gesellschaftbeschreiben wir <strong>im</strong> Konzept der Agenda.„Kultur der Verantwortung“ – diese <strong>im</strong> Land NRW offiziell verbindlich gemachte gesellschaftspolitischeProgrammformel – zielt auf ein neues Ethos unternehmerischer Initiativeund Innovation. Dies gilt nicht nur für die Unternehmensspitze, sondern auch für dieUnternehmenskultur einer schöpferischen Kooperation, etwa <strong>im</strong> riskanten Prozess vonProgrammwechsel und Existenzgründung. Öffentliche Verantwortung bewährt sichauch über ein soziales und kulturelles Engagement der Unternehmen als Aktivpostenaktiver Bürgergesellschaft („Corporate Volunteering“, „Corporate Citizenship“).„Verantwortung“ ist erst recht gefordert als „schöpferischer“ Elan bürgerschaftlichenEngagements. Hierbei denken wir nicht nur an die personal adressierbare Verantwortungder großen Stifter und Gründer „moralischer Unternehmungen“ (Stiftungen, Kulturinstitute,Bildungsvereine, Wohlfahrtsverbände).9


In diesem heute als „Non-Profit-Organisationen“ beschriebenen sog. „Dritten Sektor“zwischen Markt und Staat bezieht sich Verantwortung gewiss auch auf die Sicherungdes finanziellen Betriebs-Kapitals, zugleich aber auch auf die Aktivierung des sog. „SozialenKapitals“ praktischer Solidarität und kritischer Kreativität. Dabei weist Verantwortungüber das unmittelbare Eigeninteresse hinaus in Horizonte eines aktiven Gemeinsinns.Heute lebt diese Verantwortung des „sozialen Unternehmers“ fort in vielen Initiativen,Projekten und Aktionen der Selbstorganisation und der Selbststeuerung freienEngagements. Im Unterschied zum klassischen Vorbild der „moralischen Unternehmer“der „bürgerlichen Gesellschaft“ des 19. Jahrhundert ist öffentliche Verantwortung inaktiver Bürgergesellschaft allerdings unvergleichlich komplexer und damit riskantergeworden. Verantwortung verwirklicht sich heute kaum mehr <strong>im</strong> heroischen Alleinganggroßer Persönlichkeiten, sondern Verantwortung muss geteilt und vermittelt werden inentsprechend komplexen Netzwerken und Lernprozessen.Das Kooperationsprojekt der Universität Duisburg-Essen mit der Projekt Ruhr GmbH,dem Centrum Bürgerschaftliches Engagement (<strong>CBE</strong>) und kommunalen Akteuren derMEO-Städte ist zugleich Modellprojekt für neue Netzwerke und Lernprozesse einer bürgerschaftlichen„Kultur der Verantwortung“.Das Projekt soll dazu beitragen, für die Arenen, Allianzen und Agenden einer aktivenGesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong> neue Akteure zu identifizieren und zu aktivieren. Dabei wirdbewusst, dass eine qualifizierende Weiterbildung zur Entwicklung des „Dritten Sektors“neue Perspektiven eröffnet. So konnten bereits in der Planungsphase für die Modellierungdes Lernziele und Lerninhalte zwischen sozialwissenschaftlicher Theorie und sozialpolitischerPraxis lernfähige Allianzen entwickelt werden. Gerade die Praxisnähe derModule verdankt sich einer produktiven Vermittlung zwischen dem Realitätsbezug vonFach- und Führungskräften des Dritten Sektors und der Theorie- und Methodenkompetenzwissenschaftlicher Weiterbildung.Wir haben deshalb bereits bei der Planung des Projektes die Doppelbindung einerkooperativen Trägerschaft gesucht: die Universität Essen als Moderator wissenschaftlicherWeiterbildung und das Mülhe<strong>im</strong>er „Centrum für bürgerschaftliches Engagement“als Mittler zu den Praxisfeldern selbstorganisierten Engagements zunächst <strong>im</strong> Städteverbundder Ruhrkommunen Mülhe<strong>im</strong>, Essen, Oberhausen (MEO).3. Institutionelle und infrastruktuelle Kontexte:Theorie / Praxis-PartnerschaftDie basale Aussage: „Wer fordert, muss auch fördern“ verkoppelt Erfahrungen der landesweitenGründer-Initiative „GO“ mit der politischen Forderung und Förderung einer„Kultur der Verantwortung“. In NRW führte dies zu den strukturellen Grundüberlegungendes Projekts <strong>„Lernallianz</strong>en“. Welche infrastrukturellen Kontexte bestätigen undbestärken die politische Kultur aktiver Bürgergesellschaft?Wie schon eingangs ausgeführt waren in der Universität Essen (jetzt: Duisburg-Essen)zu dem in der Projekt Ruhr GmbH geplanten Projektverbund <strong>„Lernallianz</strong>en <strong>Ruhrgebiet</strong>“vielfältige Erfahrungen einzubringen und umzusetzen – sowohl in universitärer For-10


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“schung und Lehre wie in den Feldern von Forschungstransfer und Weiterbildung. Mitder Universitätsgründung profilierte sich in Essen ein differenziertes Spektrum der Auseinandersetzungmit den strukturellen Veränderungsprozessen in der Region <strong>Ruhrgebiet</strong>,insbesondere unter soziologischen und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen.Dies verknüpfte sich mit anderen Traditionslinien der Auseinandersetzung um den Themenkranz„bürgerschaftliches Engagement“. Beide Themen verbanden sich in einer vonAnfang an aktiven und konstruktiven Beteiligung der Universität <strong>im</strong> Prozess der regionalisiertenStrukturpolitik in NRW und hier insbesondere in der Region MEO (Mülhe<strong>im</strong> ander Ruhr/Essen/Oberhausen) 3 . Die theoretische Durchdringung der vorgenommenenFragestellung gab eine solide Grundlage, um die Umrisse der notwendigen Projektarbeitsoweit zu konkretisieren, dass die praktische Arbeit beginnen konnte.In den vielfältigen Vorgesprächen war deutlich geworden, dass eine Universität als alleinigerProjektträger in diesem besonderen Fall hinsichtlich der angestrebten Vermittlungszielenicht opt<strong>im</strong>al wirken könne, da davon auszugehen war und ist, dass für vieleMenschen in der Region die Berührung mit einer Universität zunächst durch Hemmschwellenblockiert ist und deshalb eine rein akademische Projektadresse problematischwerden kann. Aus vielen Gesprächen mit Bürgerinnen bzw. Bürgern aus der Region warbekannt, dass ihre Enkelkinder an der Universität studieren und sie von daher einenBezug zu einer solchen Einrichtung haben; in der eigenen Lebensgeschichte blieb ihnendie Universität jedoch fremd.Für die konkrete Planung der Weiterbildung in „Bürger-Kompetenz“ galt es also, einenPraxispartner zu suchen und zu finden, der aufgrund seiner strukturellen Bedingungeneine möglichst große Vielfalt von Interessen aus dem Bereich des bürgerschaftlichenEngagements bündeln kann.In den Städten Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen existierten zwar viele Vereinigungenund Vereine, in denen interessierte Bürgerinnen und Bürger auch ihrer je individuelldefinierten Verantwortung für ihre Stadt nachgingen, aber <strong>im</strong> Kontext kommunalpolitischerDiskussionen schien in diesen Städten zum damaligen Zeitpunkt die infrastrukturelleFörderung des bürgerschaftlichen Engagements eher von nachrangigemInteresse.In der MEO-Region war zum damaligen Zeitpunkt (2001) nur in der Stadt Mülhe<strong>im</strong> ander Ruhr ein „Centrum für bürgerschaftliches Engagement“ als eingetragener Vereingegründet worden. Gründungsmitglieder waren u. a.: die Kath. Kirche, das Kath. Krankenhaus,die Wohlfahrtsverbände, der Ausländerbeirat, die Arbeitsgemeinschaft derBehindertenverbände, der Mülhe<strong>im</strong>er Sportbund, der Mülhe<strong>im</strong>er Karnevalsverein unddie Stadt Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr. Für die Universität bedeutete dies, <strong>im</strong> Falle einer Kooperationmit dem <strong>CBE</strong> einen Partner zu haben, der sowohl in der kommunalen Selbstverwaltungals auch auf der Ebene der praktischen Vereinstätigkeit akzeptiert und handlungsfähigist, und der zudem als Institution jenseits der Verfolgung partikularer Interessenein übergeordnetes Interesse an der Verbesserung der Bedingungen für die Entwicklungbürgerschaftlichen Engagements haben muss.3 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Hochschulen des <strong>Ruhrgebiet</strong>s 1972 als Gesamthochschulen gegründetwurden. Dieser regionale Bezug auf neue Zielgruppen der Lehre verband sich in der Forschung mit dem praktischen Auftrag,<strong>im</strong> Rahmen der Forschungs- und Bildungs-Arbeit auch die regionale Entwicklung als Ausgangs- und Zielpunkt wissenschaftlicherArbeit ernst zu nehmen.11


Aufgrund der Bedeutung des Projekts auch für die Universität Essen hatte die damaligeRektorin der Universität <strong>im</strong> Januar 2002 einen Brief an den Oberbürgermeister der StadtMülhe<strong>im</strong> an der Ruhr mit der Bitte gerichtet, für die Stadt eine Erklärung hinsichtlich desEngagements des Centrums in dem geplanten Projekt abzugeben. Die Antwort kamunverzüglich und war ermutigend: „Die Einbindung des <strong>CBE</strong> in ein gemeinsames Projektmit der Universität Essen begreife ich als Chance ... Dabei den Blick auch über die Stadthinaus in die Region MEO zu richten, halte ich für sehr sinnvoll.“ Mit Datum vom16.01.2002 hat der Vorstand des <strong>CBE</strong> der Kooperation in diesem Projekt zugest<strong>im</strong>mt.Damit waren die unverzichtbaren institutionellen Rahmenbedingungen für das ProjektLernallianzen geschaffen.4. Praktischer VollzugIn der Zeit vom Januar 2002 bis zum offiziellen Projektbeginn wurde die Zeit genutzt,um zwischen den Projektpartnern erste Abst<strong>im</strong>mungen bzw. notwendige Vereinbarungenzu organisieren. Allen Beteiligten wurde sehr schnell deutlich, dass eine derartigenProjektkonstruktion – mehrere Partner und mehrere Finanzgeber, die alle an einem konzertiertenHandeln der beteiligten Projektnehmer Interesse haben – eines übergreifendenSteuerungsinstruments bedarf. Die Besonderheit der Projektkonstruktion bestehtdarin, dass es sich formal um zwei unabhängige Projekte handelt, für die der jeweiligeProjektnehmer die alleinige Verantwortung trägt, die inhaltlich jedoch zu einemgemeinsamen Projekt zusammenzuführen waren. Zu diesem Zweck wurde eine Steuerungsgruppeins Leben gerufen.4.1 SteuerungsgruppeIn der Steuerungsgruppe waren die unmittelbar beteiligten Institutionen (Universitätund <strong>CBE</strong>) durch Projektverantwortliche vertreten. Darüber hinaus haben kontinuierlichteilgenommen Vertreter der Stadt Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr sowie Gäste nach Bedarf.Der Tagungsrhythmus der Steuerungsgruppe war in der Regel ein Vier-Wochenrhythmus,Tagungsort waren wahlweise die Universität, das <strong>CBE</strong> oder die Stadtverwaltung derStadt Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr. Ohne große Schwierigkeiten verständigten sich die Mitgliederder Steuerungsgruppe darauf, dass das angestrebte Ziel in den Diskussionen dieErreichung einer einst<strong>im</strong>migen Entscheidung sein sollte; kontroverse Positionen wurdennach Möglichkeit ausdiskutiert, formale Abst<strong>im</strong>mungen wurden vermieden.Rückblickend kann festgehalten werden, dass sich diese Form der globalen Projektsteuerungals sehr positiv erwiesen hat. Auf der einen Seite wurden die jeweiligen Projektverantwortlichkeitendeutlich gemacht und markiert; diese wurden von allen respektiertund gleichzeitig gab es die Ebene der inhaltlichen Abst<strong>im</strong>mung und notwendigen Abklärung.Im Rahmen dieser Abst<strong>im</strong>mungen wurde die Entscheidung getroffen, die konkrete Projektarbeitmit Regionalkonferenzen in der Region MEO zu beginnen.12


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“4.2 RegionalkonferenzenUm das Projekt Lernallianzen in der Region MEO bekannt zu machen, und um in einenersten Austausch mit Vertreterinnen bzw. Vertretern der Gruppierungen zu kommen, indenen bürgerschaftliches Engagement gebündelt ist, wurden in den Städten der MEO-Region Regionalkonferenzen organisiert und durchgeführt. Eingeladen wurden Vereineaus den Städten, deren Anschriften uns aus den jeweiligen Verteilern der kommunalenVerwaltungen zugänglich gemacht wurden bzw. die über Dachorganisationen (wie z.B.die Wiese e.V. als Dachorganisation der Selbsthilfeorganisationen in Essen) über dieseVeranstaltungen in der jeweiligen Stadt informiert wurden. Im Prozess der Aushandlungenmit den einzelnen Kommunalverwaltungen wurde deutlich, dass hinsichtlich derFragestellungen in diesem thematischen Kontext in den Verwaltungen ein deutlichunterscheidbares Problembewusstsein und deutlich unterscheidbare Vorstellungen überHandlungsnotwendigkeiten in den jeweiligen Kontexten vorlagen. Gleichzeitig wurdendie Abst<strong>im</strong>mungsgespräche aber auch als Anlass genommen, über die Situation in derjeweiligen Stadt nachzudenken.Insgesamt sind an die bürgergesellschaftlichen Organisationen und Akteure der MEO-Region über 1 000 Einladungen zu den jeweiligen Konferenzen incl. Fragebögen verschicktworden, aus deren Rücklauf die Problemstellungen <strong>im</strong> Bereich bürgerschaftlichenEngagements identifiziert wurden, die den Befragten am dringlichsten erschienen.Die Bedarfsanalyse ergab vor allem ein „Informationsbedürfnis“. Dieses Informationsbedürfnisbezog sich sowohl auf handwerkliches Wissen als auch auf einen Kenntnisstandüber andere Vereine und Organisationen bürgerschaftlichen Engagements unterder Fragestellung: Wo und wie wird in anderen Organisationen anders bzw. erfolgreichermit den Frage- und Problemstellungen umgegangen, die wir <strong>im</strong> Alltag unserer Organisationhaben – und wie können wir dabei gerade auch von den anderen lernen? Hierbeisteht der Vernetzungsgedanke <strong>im</strong> Vordergrund; „best practice“-Beispiele sollten <strong>im</strong> Rahmendes Projektes bekanntgemacht und vorgestellt werden. Daneben stand der gleichberechtigteWunsch nach konkreten handwerklichen und managerialen Qualifizierungen<strong>im</strong> Zusammenhang mit den Grundfertigkeiten, die benötigt werden, um Vereinsodersonstige Institutionsarbeit erfolgreich zu bewerkstelligen.Schon in dieser Phase der beginnenden Projektarbeit konnten wir uns in unserer Annahmevoll und ganz bestätigt sehen, dass der Aufbau einer Kultur der Verantwortung dieorganisatorische Bereitstellung von Lernmöglichkeiten für die Individuen unverzichtbarmacht, und dies eine klassische Infrastrukturleistung ist, die durch die Öffentlichkeitmöglicherweise in Kooperation mit anderen Partnern zu erbringen ist.4.3 WorkshopsAus der inhaltlichen Diskussion in den Regionalkonferenzen und dem schriftlichen Rücklaufder mit der Einladung versandten Fragebögen konkretisierten sich folgende thematischenSchwerpunkte heraus, die vorrangig zu bearbeiten waren:13


• Grundsatzfragen des „Dritten Sektors“• Öffentlichkeitsarbeit, soziales Marketing• Soziales Management• Public Private Partnership• Recht / Organisation / Finanzen• KommunikationZur Bearbeitung dieser Schwerpunkte wurden Workshops in den drei MEO-Städtenunter den Bedingungen von Publik Private Partnership als angewandtem Prinzip organisiert;das bedeutet, dass z.B. der Workshop „Public Privat Partnership“ in den Räumenund unter Beteiligung der Wirtschaft <strong>im</strong> Haus der Wirtschaft in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhrstattfand; oder der Workshop Kommunikation <strong>im</strong> Haus des Netzwerks Selbsthilfe inOberhausen. Schon durch die bewusste Auslagerung der Workshops in die Räumlichkeitenanderer Organisationen konnte erreicht werden, dass diese aus ihrer Gastgeberrolleheraus in ihrem eigenen Organisationsbereich auf diese Veranstaltungen hinwiesen,sich inhaltlich in die Veranstaltungen einbrachten und für die Veranstaltungen warben.Moderiert wurden die Workshops durch Personen aus der Steuerungsgruppe des Projekts.Für die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Workshops wurden Tandemlösungenbevorzugt; das bedeutet, dass zu jedem Thema als Referenten sowohl ein Vertreteraus der Wissenschaft als auch erfahrene Vertreter der Praxis eingeladen wurden. Konkret:zum Workshop „Öffentlichkeitsarbeit“ war ein Chefredakteur einer Lokalzeitung alsReferent geladen; zu der Frage Finanzen eine Geschäftsführerin eines konfessionellenWohlfahrtsverbandes; zu den Grundsatzfragen der Organisation des Dritten Sektors eineReferentin aus der Akademie Remscheid etc.In den Workshops wurde deutlich, dass die Interessenslage der teilnehmenden Vertreterinnenund Vertreter von unterschiedlichen Organisationen bürgerschaftlichen Engagementseindeutig zugunsten konkreter praktischer Lösungsmöglichkeiten ausgerichtetwar und weniger auf eine grundsätzliche, eher theoretisch ausgerichtete Diskussion.In der weiteren Verfolgung der vorgegebenen Projektziele wurde diese Interessenslagekonsequent beachtet. Die Workshops hatten die Funktion, die inhaltlichen Bereiche präzisereinzugrenzen, für die Lernmodule entwickelt werden sollten, die quasi nutzerneutralzur Verfügung gestellt und exemplarisch zum Einsatz gebracht werden sollten.Für die weitere inhaltliche Arbeit kristallisierten sich Themenbereiche heraus, denen diezu erarbeitenden Lernmodule zugeordnet werden sollten. Diese Themenbereiche sindnicht als eine endgültige bzw. abschließende Auflistung zu verstehen, deren AbarbeitungGewähr dafür bietet, dass das Thema bürgerschaftliches Engagement hinreichendbearbeitet wurde. Die geleistete Arbeit kann nur als Auftakt von prinzipiell unabschließbarenLernprozessen begriffen werden, in deren Rahmen in <strong>im</strong>mer neuen Variationenaktuellen Fragestellungen Rechnung getragen wird. Wir haben uns in einem erstenSchritt konzentriert auf grundlegende Fragestellungen, Fragen nach dem VerhältnisHaupt- und Ehrenamt, Finanzierungs- und Rechtsfragen etc.14


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“4.4 Entwicklung der LernmoduleDie Idee, den Themenbereich „bürgerschaftliches Engagement“ in Lern-Module umzusetzen,ist der Erfahrung geschuldet, dass die einzelnen Personen in ihren jeweiligenHandlungszusammenhängen über vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, diesich hervorragend für einen selbstgewählten Einsatz <strong>im</strong> Bereich bürgerschaftlichenEngagements eignen, gleichzeitig jedoch individuell unterschiedliche defizitäre Bereichebenennen können, für deren Ausgleich sie Unterstützung benötigen. Anders formuliert,nicht „alle“ benötigen „alles“ an neu zu erwerbendem Wissen oder neu zu erwerbendenKompetenzen. Eine Infrastruktur zur Unterstützung des Einzelnen hinsichtlich seinerFähigkeiten und Kompetenzen für Aktivitäten <strong>im</strong> Bereich des bürgerschaftlichen Engagementsmuss in der Lage sein, individuelle Besonderheiten und individuelle Anforderungenzu berücksichtigen und zu bearbeiten. 4In der Verantwortung des universitären Partners wurden in der Folgezeit die Themenbereichefür die zu entwickelnden Lernmodule festgelegt, die Kriterien für die Auswahl derAutoren definiert, die Autoren gesucht und beauftragt und die Lernmodule unter derredaktionellen Regie der Projektverantwortlichen erstellt und exemplarisch eingesetzt.Als Auswahlkriterien für die Autorinnen bzw. Autoren war für uns von Bedeutung, dassdie Beteiligten ausgewiesen waren als Expertinnen bzw. Experten für den Bereich, densie bearbeiten sollten und über einschlägige Erfahrungen <strong>im</strong> Bereich des bürgerschaftlichenEngagements verfügen sollten.Insgesamt wurden 16 Lernmodule entwickelt.4.4.1 Lernmodule zu allgemeinen FragestellungenLernmodul:Inhalt:Autor:Kulturen der Verantwortung – <strong>im</strong> Wandel der WerteIn diesem Lernmodul wird das grundlegende Spannungsverhältnis zwischenetablierter Macht und Partizipation, das sich <strong>im</strong> Bereich bürgerschaftlichenEngagements <strong>im</strong>mer herstellt, aufgegriffen und unter verschiedenenBetrachtungsweisen so auf die grundlegenden Kategorienreduziert, dass sich <strong>im</strong> Rahmen einer vereinsinternen Diskussion allebasalen Fragen um diesen Text herum thematisieren lassen. Neben deninhaltlichen Ausführungen wird auch auf weiterführende Literatur verwiesen.Prof. Dr. E. Pankoke, Mitinitiator des Projekts, Soziologe, aktives Interessein der Entwicklung der Kulturlandschaft <strong>Ruhrgebiet</strong> und Sozialforscherzur politischen Kultur bürgerschaftliches EngagementLernmodul:Inhalt:Bürgerstiftungen – ein neues Modell zur Aktivierung bürgerschaftlichenEngagementsMit diesem ausgearbeiteten Lernmodul werden alle grundlegendenFragen <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Kategorie Bürgerstiftung aufge-4 Vgl. dazu: Dräger, H. / Günther, U. / Thunemeyer, B.: Autonomie und Infrastruktur. Zur Theorie, Organisation und Praxisdifferentieller Bildung, Frankfurt am Main 1997.15


Autor:nommen, typische Entwicklungstendenzen charakterisiert, exemplarischeBeispiele aus dem <strong>Ruhrgebiet</strong> vorgestellt und ein Handlungsleitfadenfür die Errichtung einer Bürgerstiftung benannt. Zum Schluss wirdauf wichtige Literatur hingewiesen und die wesentlichen und zentralenFundstellen <strong>im</strong> Internet benannt.Martin Rüttgers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>im</strong> ISO-Institut Köln,Erfahrung in der praktischen und wissenschaftlichen Begleitung vonStiftungsinitiativen4.4.2 Lernmodule zum Themenbereich Haupt- und EhrenamtLernmodul:Inhalt:Autor:Konflikte zwischen Haupt- und EhrenamtlichenAusgehend von einer idealtypischen Situation wird eine „klassische“Konfliktsituation in einem Verein zerlegt und auf die strukturierendenMomente hin untersucht. Im Anschluss daran wird eine allgemeineAnleitung formuliert, wie sich der einzelne in dieser Situation seinereigenen Position vergewissern kann um <strong>im</strong> Anschluss daran, für sichHandlungsstrategien zu entwickeln, die ihn der Lösung des Problemsnäher bringen. Abschließend wird auf Literatur und Fundstellen <strong>im</strong>Internet hingewiesen.Peter Wattler-Kugler, Psychologe, freier Berater <strong>im</strong> Dritten Sektor, einschlägigePublikationenLernmodul:Inhalt:Autorin:Bürgervereine und EhrenamtlicheAusgangspunkt der Fragestellungen in diesem Lernmodul ist die alltäglicheErfahrung ehrenamtlich Tätiger, dass Nachwuchs rekrutiert werdenmuss, um die bisher geleistete Arbeit fortzusetzen und <strong>im</strong> Bestandzu sichern. In dem Lernmodul werden konkrete Hinweise darauf gegeben,wie der Prozess der Selbstvergewisserung für die Aktiven gestaltetwerden kann und eine Handlungsanleitung für die Entwicklung einerStrategie zum Anwerben neuer Mitglieder wird vorgegeben. Für die vertiefendeArbeit wird auf Literatur hingewiesen.Hille Richers, Organisationsberaterin, Mitbegründerin „Forum communityOrganizing“ in Deutschland, Dritte-Sektor-ErfahrungLernmodul:Inhalt:Kooperation von Haupt- und EhrenamtlichenEs werden verschiedene Organisationsmodelle der Arbeitsaufteilungzwischen Haupt- und Ehrenamtlichen beschrieben und zur Auswahlgestellt. Ausgehend von diesen Modellen wird eine kleinteilige Handlungsanleitungentwickelt, wie <strong>im</strong> konkreten Arbeitsverhältnis der Pro-16


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Autor:zess der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Mitwirkendenorganisiert werden kann. Weiterführende Literatur für eine vertiefendeBearbeitung ist angegeben.Thomas Kegel, Diplom-Pädagoge, Mitarbeiter Akademie für EhrenamtlichkeitBerlin4.4.3 Lernmodule aus dem Bereich SelbsthilfeLernmodul:Inhalt:Autor:Selbsthilfe in Balance – Gruppenarbeit und KonflikteAusgehend von typischen Fragestellungen, die sich vielen Menschenerfahrungsgemäß <strong>im</strong> Laufe ihrer Mitarbeit in Selbsthilfegruppen stellen,wird exemplarisch verdeutlicht, wie der Entwicklungsprozess inSelbsthilfegruppen qualifiziert und opt<strong>im</strong>iert werden kann. Diesgeschieht sowohl anhand von Fragestellungen als auch anhand vonRegelangeboten. Im Anhang befindet sich ein ausführlicher Katalog vonweiterer Literatur und relevanten Internetadressen.Andreas Greiwe, Politikwissenschaftler, Konfliktberater, KoordinationSelbsthilfe in NRWLernmodul:Inhalt:Autor:Grenzwertig – Über den Umgang mit Verantwortung und Überforderungin SelbsthilfegruppenAusgehend von der Kategorie des „Helfersyndroms“ werden häufigeKonflikterfahrungen bzw. Konfliktsituationen beschrieben und damitals Erfahrungsgrundlage thematisiert. Ausgehend von diesen Situationenwerden Anleitungen entwickelt, wie die Gruppen aus der Bearbeitungder Konflikte zusätzliche Stärken für ihre Arbeit gewinnen können.Weiterführende Hinweise sowohl auf Literatur und Internet werdengegeben.Klaus Vogelsänger, Sozialpädagoge, Theaterpädagoge, Mitarbeiter derMünsteraner Selbsthilfekontaktstelle4.4.4 Lernmodule aus den Bereichen Recht und GeldLernmodul:Inhalt:Autor:Grundlagen des VereinsrechtsIn diesem Modul werden die wichtigsten und unverzichtbaren Elementeeines Vereins benannt und erklärt, so dass mit diesem Lernmodulbasale Fragestellungen sowohl vor der Gründung eines Vereins als auchFragen aus dem laufenden Alltag eines Vereins diskutiert und beantwortetwerden können. Weiterführende Hinweise werden gegeben.Dietmar Fischer, Sportmanager, Freier Mitarbeiter LandessportbundNRW17


Lernmodul:Inhalt:Autor:Finanzen und Steuern <strong>im</strong> VereinIn kompakter und übersichtlicher Form werden die wesentlichen Aussagenzum Bereich „Gemeinnützigkeit“ vorgetragen und Eckdaten zumBereich Geld und Steuern <strong>im</strong> Verein bzw. <strong>im</strong> Vereinsrecht thematisiert.Anhand der Inhalte dieses Lernmoduls ist jeder Verein in der Lage, diefür ihn wesentlichen Fragen <strong>im</strong> Bereich Geld und Steuern zu klären.Weiterführende Hinweise sind enthalten.Dietmar Fischer, Sportmanager, Freier Mitarbeiter LandessportbundNRWLernmodul:Inhalt:Autor:Fundraising für Vereine und VerbändeAusgehend von der relativ neuen Terminologie „Fundraising“ <strong>im</strong>deutschsprachingen Raum werden zunächst Begrifflichkeiten geklärtum von dort auch zur Beschreibung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten<strong>im</strong> Zusammenhang mit Fundraising-Aktionen zu kommen.Anhand dieses Lernmoduls können Vereine bzw. Vorstände von Vereinenfür sich grundlegende Fragen thematisieren und bearbeiten.Weiterführende Hinweise sowohl in der Literatur als auch <strong>im</strong> Internetwerden gegeben.Michael Vilain, Politikwissenschaftler, Dritte-Sektor-Forschung MünsterLernmodul:Inhalt:Autor:Fundraising in der Praxis – zum Beispiel bei Greenpeace DeutschlandGreenpeace ist weltweit eine der Organisationen, die Fundraising mitgroßem Erfolg einsetzt. Der Autor hat die Fundraising-Kampagne inDeutschland mitentwickelt und beschreibt vor dem Hintergrund seinerErfahrungen Essentials, die zu berücksichtigen sind, will man Fundraisingerfolgreich betreiben. Gerade in der Vermittlung des Exemplarischenliegt der Wert dieses Lernmoduls.Jens Watenphul, Sozialwissenschaftler, Lehrer, Fundraiser beiGreenpeace Deutschland4.4.5 Lernmodule aus den BereichenQualitätsentwicklung / ÖffentlichkeitsarbeitLernmodul:Inhalt:Qualtitätsentwicklung in der ehrenamtlichen ArbeitAusgehend von der Problematisierung des Qualitätsbegriffs <strong>im</strong>Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten wird deutlichgemacht, was die verschiedenen motivationalen Überlegungen seinkönnen, die einzelne dazu bringen, sich mit dem Thema auseinanderzu-18


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Autor:setzen. Im Anschluss daran wird auf der Basis von Instrumenten ausdem Bereich des Qualitätsmanagements ein Fragebogen vorgestellt,dessen Beantwortung sowohl den Einzelnen als auch eine Gruppe in dieLage versetzt, der Frage nach der Qualität in den eigenen Arbeitszusammenhängennachgehen zu können.Petra Dittelbach-Sibinger, Diplom-Pädagogin, Qualitätsmanagerin nachDIN ISO, einschlägige Dritte-Sektor-ErfahrungLernmodul:Inhalt:Autor:Soziales Marketing – Schwerpunkt: ÖffentlichkeitsarbeitAusgehend von der Fragestellung – Was ist der Sinn unserer Arbeit undwas ist das Besondere in unserer Arbeit? – werden in dem Lernmoduldie fünf wesentlichen Leitfragen zur Öffentlichkeitsarbeit entwickeltund exemplarisch beantwortet. Sie befähigen Menschen aus demBereich bürgerschaftlichen Engagements den Stärken und Schwächenihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit nachzuspüren.Dr. Jörg Ernst, Politikwissenschaftler, Leiter der Kolping-AkdademieAachen, Dritte-Sektor-Forschung4.4.6 Lernmodule aus den Bereichen Corporate Volunteering /Corporate Citizenship / KlassensprecherLernmodul:Inhalt:Autor:Corporate VolunteeringAusgehend von einer Begriffserklärung werden die unterschiedlichenEngagementformen ausdifferenziert und durchdekliniert. Gleichzeitigwerden Argumentationshilfen geliefert, für den Fall, dass eine Unternehmung<strong>im</strong> Bereich corporate volunteering tätig werden will. Anhandder Inhalte dieses Lernmoduls können sowohl Unternehmungen selbstreflexivtätig werden als auch Organisationen <strong>im</strong> Bereich bürgerschaftlichenEngagements Argumentationshilfen finden für eine aktive inBezug Setzung mit Unternehmungen. Hilfreiche Internetangaben werdengemacht.Dieter Schöffmann, Berater, einschlägige Veröffentlichungen überCorporate Cizitenship in Deutschland, Kompetenz in FreiwilligenarbeitLernmodul:Corporate Citizenship art 1 – Kooperationsprojekt zwischen KPMG undKunsthaus EssenInhalt: Anhand einer konkreten Kooperation, die über einen Zeitraum von 12Monaten definiert war, wird für Interessierte mit diesem Modul verdeutlicht,welche Möglichkeiten in einer Kooperation zwischen Kommmerzund Kunst angelegt sein können.Autor:Dr. Carola Schneider, Geschäftsführerin Kunsthaus Essen19


Lernmodul:Inhalt:Autor:Tipps und Werkzeuge für KlassensprecherDie Notwendigkeit zur Entwicklung dieses Lernmoduls ergab <strong>im</strong> Verlaufder Projektentwicklung (siehe S. 20f) Mit diesem wird für einzelneKlassensprecher oder für mehrere Klassensprecher verdeutlicht, wie derWeg von einer Idee zu einem konkreten Handeln, d.h. einer Zielerreichung,zu gestalten ist. Mit der Zugrundelegung dieses Lernmodulskann die Arbeit von Klassesprechern schnell inhaltlich verbessert werden.Jens Watenphul, Sozialwissenschaftler, Lehrer, Fundraiser beiGreenpeace Deutschland4.5 Bilanzierende Zusammenfassung der Erfahrungen mit dem Einsatzder LernmoduleAlle Lernmodule wurden in der MEO-Region nach ihrer Entwicklung in konkreter Lernarbeiteingesetzt. Die Veranstaltungsorte wurden je nach Ausschreibung der Veranstaltungenin Schulen, in Vereinshäusern, in Bildungsstätten usw. gelegt.Wir haben aus dem Projekt heraus in den Städten Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen– also in der MEO-Region – mehr als 100 Workshops durchgeführt, in denen dieLernmodule eingesetzt wurden.Mit diesen Workshops haben wir insgesamt über 1 000 Bürgerinnen und Bürger erreicht.Es kann nicht überraschen, dass diejenigen Lernangebote am intensivsten nachgefragtwurden, in denen formales oder organisatorisches Basiswissen vermittelt wurden. AlsoWorkshops zu den Themenbereichen Vereinsrecht, Finanzen <strong>im</strong> Verein, Vereinsmanagement,soziales Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising. Wir haben in mehr alsder Hälfte der Workshops die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Anwendung einesFragebogens, der sowohl geschlossene als auch offene Fragen beinhaltete, befragt.• Eine Auswertung dieser Fragebögen ergibt, dass die Befragten sich in einer Größenordnungvon über 85 % positiv sowohl zu den Inhalten als auch zu der Form der Vermittlungäußerten. Wir als Projektmacher sind mit diesem Grad an Zust<strong>im</strong>mung sehrzufrieden, zeigt er doch, dass wir nicht an den Interessen der Betroffenen vorbeigeplanthaben. Der Grad der Zust<strong>im</strong>mung war dann besonders hoch, wenn das Lernmodulso aufgebaut war, dass ausgehend von einem konkreten Problem, dass dem Alltag<strong>im</strong> Bereich des bürgerschaftlichen Engagements entsprach, in <strong>im</strong>mer weiterenKreisen Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt und diskutiert wurden. Die Befolgung desalten Prinzips des „exemplarischen Lernens“ hat sich auch in diesem Zusammenhangals überaus produktiv erwiesen.• Über 80 % der befragten Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer gaben an, dass die Teilnahmean diesen Veranstaltungen für sie mit einem großen Gewinn verbunden ist.20


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“• Über 80 % der Befragten gaben an, dass die Veranstaltungen voll und ganz ihrenErwartungen entsprachen.Im Rahmen der freien Rückmeldungen ist positiv vermerkt worden,• dass es überhaupt ein derartiges Lernangebot gab. Diejenigen, die sich in dieser Hinsichtäußerten, gaben an, dass in der Vergangenheit eine derartige Form der Auseinandersetzungmit diesen Themen gefehlt hat.• dass dieses Lernangebot jenseits ideologischer bzw. politischer Bindungen angebotenwurde. Die Menschen wollen nicht zwangsweise an den Qualifizierungsangeboteneiner der großen Kirchen oder einer der Parteien oder der Gewerkschaft etc. teilnehmen.Immer wieder wurde hervorgehoben, dass die Neutralität des Centrums für bürgerschaftlichesEngagement in Mülhe<strong>im</strong> und die Universität als Verantwortliche fürdie Inhalte hoch geschätzt wurden als Garanten für die Bonität des Angebots.• dass durch diese Workshops der Austausch mit anderen erleichtert und unterstütztwird. Auf den positiven Effekt, dass <strong>im</strong> Rahmen der Workshops nicht nur adäquatesSachwissen von kompetenten Expertinnen und Experten vermittelt wird, sonderndieses Sachwissen vor dem pluralen Hintergrund des Vorwissens bzw. der Vorerfahrungender Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutiert wird, die jedoch alle eingemeinsames Strukturmerkmal aufweisen, am bürgerschaftlichen Engagement interessiertsind und zum Teil sogar schon eigene Handlungsfelder haben.• dass durch die Workshops neue Perspektiven auch für die eigene Arbeit eröffnet werden.Die Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten durch die vielfältigenAngebote praxiserprobter Handlungsmuster durch andere Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmerist ein wertvoller Surplus, der genannt wurde.• dass durch die Workshops neues Denken ermöglicht wurde. In diesem Kontext wurdeangegeben, dass durch die Erfahrungen in den Workshops eine Situation hergestelltwurde, die den tradierten eigenen Denkhorizont radikal in Frage stellte und ganzneue Sichtweisen auch auf die eigenen Denktradition auslöste, durchaus <strong>im</strong> Sinneeiner qualitativen Erweiterung.Durch die Antworten insgesamt wissen wir, dass wir in unseren Grundannahmen überdie Notwendigkeiten, die zu realisieren sind, wenn bürgerschaftliches Engagement odereine Kultur der Verantwortung aufgebaut werden soll, bestätigt wurden. Die Bereitstellungvon Lernmöglichkeiten <strong>im</strong> Rahmen bürgerschaftlichen Engagements qualifiziertnicht nur, sondern ist in vielen Fällen die unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass sichbürgerschaftliches Engagement überhaupt entwickelt und verfestigt. Die Bereitstellungeiner öffentlichen Infrastruktur und die Gewährleistung der Qualität der Angebotedurch einen gleichsam öffentlichen Träger ist in diesem Zusammenhang eindeutig nichtnur als produktiv, sondern als unverzichtbar zu kennzeichnen.Zusätzlich zu dieser positiven Bilanz sollen jedoch <strong>im</strong> Zusammenhang mit den Lernmodulendrei gesonderte Bereiche angesprochen werden.21


4.5.1 Public Private PartnershipZum einen ist es dem <strong>CBE</strong> gelungen, <strong>im</strong> Projektverlauf einen Partner aus dem Bereichder Wirtschaft zu gewinnen, der den gesamten Internetauftritt des <strong>CBE</strong> neuen Erfordernissenanpasst. Für den Unternehmer, der die Ideen der Lernallianz gut fand, bot sich <strong>im</strong>Rahmen von „social sponsoring“ an, die Konzeption und Umsetzung der Internetseite zumodernisieren und an aktuelle Bedürfnisse anzupassen. Diese Partnerschaft selbst istein gutes Beispiel für ein erfolgreiches Public Private Partnership-Projekt. Im Rahmendieser Überarbeitung der Internetpräsenz des <strong>CBE</strong> und damit auch des Projekts Lernallianzen,wurden alle Lernmodule zur freien Verfügung durch Interessierte in das Internetgestellt (vgl. www.cbe-mh.de/infothek-dokumente.html). Nach unserem Kenntnisstandist dies von den Institutionen bzw. von interessierten Bürgerinnen und Bürgern sehrbegrüßt worden.4.5.2 Migrantenvereine in der Lernallianz zu Vereinsrecht undVereinsfinanzenZum anderen ist es ein besonderes Anliegen, <strong>im</strong> Rahmen der Projektberichterstattungauf die Kooperation mit Vereinen ausländischer Mitbürgerinnen bzw. Mitbürger hinzuweisen.Prozesse der Immigation werden gerade für die industriellen Ballungsräume, wie dieRhein-Ruhr-Region, zum Problem. Zugleich richtet sich öffentliches Interesse auf diePotenziale des ausländischen Vereinswesens, wenn dieses nicht den Teufelskreis von Eingrenzungund Ausgrenzung verschärft, sondern Brücken baut einer Integration der ausländischenMitbürger in eine interkulturell offene Gesellschaft. Voraussetzung einergesellschaftlichen Integration von Ausländern und ihrer Assoziationen nicht nur in dieArbeitsgesellschaft, sondern auch in die Bürgergesellschaft ist es, dass sie gerade überihre Vereine handlungsfähig, steuerungsfähig und lernfähig sind. So gilt gerade für dieAusländervereine unserer Gesellschaft die Programmformel aus der Enquetekommission„Zukunft bürgerschaftlichen Engagements“: „Wer Engagement fordert, muss dazu Kompetenzfördern und Kontext bieten!“ Ausländervereins leisten wirksam Hilfen in derWechselwirkung von Identität und Integration. Dazu macht die soziologische Migrationsforschungdeutlich, dass kulturelle Identität eine wichtige Voraussetzung für diestrukturelle Integration sein kann. Hier könnten Ausländervereine wichtige Hilfenleisten, gerade in Projekten einer interkulturell orientierten Kinder-, Jugend-, Frauen- undBildungsarbeit.Aber es zeigt sich, dass diese wichtige und nachhaltig zukunftswirksame Arbeit oftschon daran scheitert, dass die engagierten Akteure der ausländischen Vereine oft nochlernen müssen, wie man die Vereinsarbeit <strong>im</strong> Kontext der deutschen Vereinslandschafterfolgreich organisiert. Das sind ganz praktische Fragen <strong>im</strong> Umgang mit öffentlicherMacht, öffentlichen Recht, öffentlicher Meinung und öffentlichen und privaten Mitteln.Im Projekt „Lernalliananzen“ zeigte sich, dass die Lernprozesse der Entwicklung vonHandlungsfähigkeit, Organisationsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit vermittelt werden22


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“konnten durch die über unser Projekt vermittelten Netzwerke mit organisatorischbereits etablierten Vereinen und Verbänden der regionalen Vereinslandschaft. Als wichtigePartner profilierten sich hier die die Sportvereine, deren praktisch kompetentes Wissen<strong>im</strong> Umgang mit Organisationsfragen, Personalfragen und Finanzfragen mit den indiesen Bereichen höchst lernbereiten Ausländervereinen geteilt werden konnte.Das soziale und kulturelle Engagement der Ausländervereine ist heute umso mehrgefordert, je weniger es gelingt, gerade für die „4. Generation“ der jetzt heranwachsendenKinder und Jugendlichen Brücken der Integration zu bauen. Diese Integration wirdbelastet durch sozialökonomische Prozesse der Pauperisierung und Marginalisierung,durch sprachliche Defizite einer neuen Jugend, deren Migrationshintergrund sich dahinauswirkt, dass zwischen den Sprachen aufwächst und weder ihre türkisch, arabischeoder russische Mutersprache erhalten konnte, noch eine sprachliche Sozialisation in dieKultur der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft erlernen konnte und wollte. Ein verschärfendesIntegrationshindernis sind nationalisistische oder auch religiös-fundamentalistischeTendenzen sozialer Schließung, die aus dem „Stigma“ der Marginalisierungdas „Charisma“ einer aggressiven Idealisierung und Radikalisierung der eigenen Berufungmachen.Zivilgesellschaftliche Potentiale entwickeln sich vor allem aus solchen Vereinigungen, dieeher einem humanistischen oder sozialistischen Laizismus zuzurechen sind, und die sichzunehmend auch sozial- und bildungspolitisch engagieren. Von diesem Engagementgibt es dann – gerade auf kommunaler Ebene – auch Allianzen einer „interkulturellen“Kooperation und Koalition mit Aktivisten der aktiven Bürgergesellschaft in Deutschland.Solche Brücken der interkulturellen Solidarität bauten die <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> entwickelten<strong>„Lernallianz</strong>en bürgerschaftlichen Engagements“, wo der Austausch zwischen den Vereigungenmit Migrationshintergrund und den eher in der Mehrheitsgesellschaft verankertenAssoziationen zivilgesellschaftlichen Engagements vermittelt wird in Netzwerkenund Lernprozessen des Teilens von Wissen und Kompetenzen. Gerade wenn Ausländervereineheraustreten wollen aus ihrer starken aber engen Selbstgenügsamkeit ethnischerGeschlossenheit und sich öffnen wollen für interkulturelle Aktiväten, dann brauchensie Kompetenzen <strong>im</strong> modernen Vereinsmanagement. Dies könnten sie lernen vonerfahrenen und erfolgreichen Partnern, etwa den in der Mehrheitsgesellschaft erfolgreichenSportvereinen, von denen gerade in praktischen Fragen des Vereinsrechts und derVereinsfinanzen zu lernen wäre. Anderseits könnten die Sportvereine aus einer solchen<strong>„Lernallianz</strong>“ lernen, sich für die besonderen Probleme und Potentiale der Ausländer –gerade auch <strong>im</strong> sportiven Feld – zu sensibilisieren.Im Rahmen der Diskussionen in der Steuerungsgruppe hatten wir eine intensive Diskussionmit dem Vorsitzenden des Ausländerbeirats in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr. Über diesenVorsitzenden wurden Kontakte aufgebaut sowohl zu den Ausländerbeiräten in Essenund Oberhausen als auch zu Vereinen. Diese Kontakte gingen weit über die MEO-Regionhinaus und führten dazu, dass aus derartigen Vereinen vielfach konkrete Anfragen hinsichtlicheiner gemeinsamen Realisierung von Seminaren unter Zugrundelegung derLernmodule – insbesondere zu Rechts- und Finanzierungsfragen – gestellt wurden. Dieszeigt deutlich, dass eine konkrete persönliche Ansprache auch in diesem Bereich zuintensiven Austausch- und wechselseitigen Lernprozessen führen kann.23


4.5.3 Perspektiven der Zusammenarbeit von Haupt- und EhrenamtlichenEin Tageworkshop mit der Evangelischen Kirche von Westfalen und verschiedenen Expertender Dritte-Sektor-Forschung bilanzierte die <strong>im</strong>mer wieder aktuelle Diskussion derKonfliktstruktur „Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen“. Die Problemlagenwie Überforderung, Unterforderung, Unverbindlichkeit wurden thematisiert. Die Konfliktliniender Haupt- und Ehrenamtlichen wurden skizziert, wie Spannungen zwischentraditionaler Ehre und moderner Professionalität, Spannung zwischen Freude und beruflicherDistanz und Spannung zwischen selbst- und sinnbewusstem reflexiven Engagementund Dienst.Gefragt wurde nach Bewältigungsstrategien, mit deren Hilfe Konflikte der Innen- undAußenbeschreibung überwunden werden können. Genauso gefragt wurde, wie man vonder Ehre zur Selbststeuerung gelangen kann.Antworten sind darin zu finden, dass Haupt- und Ehrenamtliche sich gegenseitig anerkennenund nicht nebeneinander arbeiten, sondern in einer Allianz kooperieren.Die Verbesserung der Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen stellt sich auchals Herausforderung <strong>im</strong> Reformprozess der evangelischen Kirche von Westfalen. Dazuzählt auch die Verbesserung der organisatorischen rechtlichen, institutionellen, finanziellenRahmenbedingungen und eine Veränderung der bisher sich am ehrenamtlichenEngagement bedienenden Organisationsform der evangelischen Kirche von Westfalenhin zu einer ermöglichenden Organisationsform.Lösungen liegen in den folgenden Strategien: Austausch, Beratung, Kooperation zwischenden Akteuren, nach außen die Beteiligungsformen öffnen, mehr Möglichkeitender Mitgestaltung für ehrenamtliches Engagement mit eigener Qualität schaffen, Innovationsprojekteinitiieren, Transparenz schaffen, Stärkung des ehrenamtlichen Engagementsin den Gemeinden vor Ort, Einbindung von neuen Engagementformen (z.B. Hospizarbeit,Gewalt gegen Frauen), Voraussetzungen für Selbstorganisation und aktive Teilhabeermöglichen, Veränderung der Umgangskultur (Wertschätzung und Anerkennung),Qualifizierungsangebote und Bildungsangebote für ehrenamtliches Engagement, aberauch für Hauptamtliche <strong>im</strong> „Umgang mit Ehrenamt“.Insgesamt wird es als problematisch angesehen, ehrenamtliches Engagement als Ersatzfür hauptamtliche Arbeit zu sehen.Diskutiert wird die Frage wie qualifizierende Maßnahmen und Strategien für die Weiterbildungvon Haupt- und Ehrenamtliche aussehen können und wie eine ermöglichendeInstitution konkret realisiert werden kann. Dazu müsste die Kirche sich als Sammelbekkender Vernetzung für innovative Erneuerung verstehen, statt als geschlossener Kreis.Öffnung bringt Innovation. Zudem sollten Ehrenamtliche bei der Reflektion ihrer Arbeitbegleitet werden.Partizipationsformen und Organisationsformen werden sich in großen Institutionenändern müssen, wenn mehr freiwilliges Engagement ermöglicht werden soll. Kritisch istdabei zu betrachten, wie Organisationen ihr Leitbild ändern.24


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Qualitätsmanagement kann dazu einen Beitrag leisten. Mit dieser Hilfe werden Strukturenund Arbeitsweisen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen hinterfragt. Prozesse werdentransparent gemacht und Macht-, Wissens- und Wertfragen können neu gestelltwerden. Auch Arbeits- und Gruppenprozesse <strong>im</strong> Vorstand selbst können mit Hilfe vonQualitätsmanagement besser untersucht werden.Vereins- und Verbandsführungen bestehen nicht allein aus einem ehrenamtlichen Vorstand,sondern setzen sich <strong>im</strong>mer aus den Arbeitsprozessen, Interaktionen und Kommunikationeneiner Gruppe zusammen. Damit ist Teambildung der wichtigste Schlüsselfaktorfür eine qualitative und gute Arbeit. Die Bildung eines Vorstandsteams ist in der Praxiseine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben einer Organisation.Dabei sollte auch eine „Qualitätsstrategie“ verfolgt werden.Hierzu gab es folgende Empfehlungen:1. Das Festlegen der Zuständigkeitsverteilung erfolgt durch den Vorstand als sog. moralowner: Gemeinsam müssen dazu Zuständigkeiten entwickelt werden, an die sich allehalten. Es gibt formale und inhaltliche Aspekte einer Kooperation, die zu beachtensind. So stellen die ehrenamtlichen Vorstände die „Treuhänder der Mitglieder“ dar,welche über ideelle Eigentumsrechte verfügen. Der Vorstand arbeitet am System unddie Hauptamtlichen <strong>im</strong> System.2. Ein neues Führungskonzept ist die Delegation von Verantwortung. Hier können dannauch neue Ehrenamtliche gebunden werden.3. Der Informationsfluss zwischen Vorstand und Geschäftsführung sollte klaren Regelungenunterliegen und transparent sein.4. Gefordert sind Strategien der Personalentwicklung und Qualifikationsanforderungen(regelmäßige Mitarbeitergespräche)5. Vorstand und Geschäftsleitung sollten <strong>im</strong> Sinne eines lernenden Gesamtunternehmensihre Kooperation als dynamischen Prozess verstehen. 5Kritisch wird diskutiert, wie sich die Situation für kleine Vereine darstellt. Aber auch hiersind einige Strategien, wie das Transparenzgebot, sinnvoll anwendbar.Nicht die Frage nach dem Was sei das Entscheidende, sondern Wie-Fragestellungen: Wieist unsere Gruppe aufgebaut, wie arbeitet unsere Gruppe zusammen und wie werdenwir uns dabei einig?Zur zentralen Fragestellung des Projektes „Wie kann bürgerschaftliches Engagementqualifiziert und aktiviert werden?“ gehört das Themenfeld „Zusammenarbeit vonHaupt- und Ehrenamtlichen“. Ansätze für Lösungsstrategien sind hier diskutiert worden.Fertige Rezepte gibt es nicht. Aber vor allem gibt es noch weiterhin einen großen Diskussions-und Qualifizierungsbedarf, wenn bürgerschaftliches Engagement gestärktwerden soll.5 Langnickel, Hans: Qualitätsstrategie der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen, Vortrag am 6. März 2004 <strong>im</strong>Rahmen des Kooperationsprojektes <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> – Bürgerschaftliches Engagement“.25


5. Ausweitung des Projektes5.1 Corporate CitizenshipIn der Diskussion der Steuerungsgruppe und in der Entwicklung des Projektes schältensich notwendige Ansätze der Ausweitung der Projektarbeit heraus. Dies war zum einender Umgang mit dem Themenfeld Corporate Citizenship <strong>im</strong> kommunalem Zusammenhangund die Qualifizierung des Erst-Engagementes in der Schule.Im Workshop „Public Private Partnership – Kooperation zwischen Vereinen, Verwaltungenund Unternehmen – Arenen, Allianzen, Agenden <strong>im</strong> öffentlichen Raum“ konkretisiertesich die Frage der praktischen Umsetzung. Dazu nahm die Steuerungsgruppe Kontaktmit Vertretern des Unternehmerverbandes auf. In Expertengesprächen wurde erörtert,„wie und unter welchen Bedingungen Unternehmen sich für ein Engagementinteressieren und aktivieren“. Aus den Vorträgen des Workshops wurde deutlich, dass„die überzeugende Kraft einer guten Idee“ die Grundlage für eine positive Entscheidungvon Unternehmen ist, sich zu engagieren. Weniger die Kosten-Nutzen-Analyse steht <strong>im</strong>Vordergrund, als vielmehr die eigene Betroffenheit.In der Steuerungsgruppe wurde Corporate Citizenship (CC) als eine neue Aufgabe desProjektes <strong>„Lernallianz</strong>en“ aufgegriffen. Die aktuelle Debatte in Nordrhein-Westfalenkonnte auf dem Kongress „Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenshipin NRW” <strong>im</strong> Mai 2003 weiter verfolgt werden. Die Ergebnisse und ihre praktischenKonsequenzen wurden auch <strong>im</strong> Projekt <strong>„Lernallianz</strong>en“ intensiv diskutiert. InsbesondereMittelstands- und Kleinunternehmen werden bisher in der Ansprache für Projektedes CC kaum berücksichtigt.Gerade die kommunale Ebene erweist sich als konstruktive Plattform der Vermittlungdes Zusammenwirken der verschiedenen Akteure und „Produzenten“ von sozialem Kapital.Das gilt gerade für die Kooperation zwischen kommunaler Verwaltung, wirtschaftlichenUnternehmen und den Akteuren der Selbstorganisation bürgerschaftlichen Engagements.Im Bericht der Enquetekommission gibt es dazu die Empfehlung: „Übertragenauf Deutschland bedeutet dies, dass der Staat sowie auch die Länder und die Kommuneneine moderierende Funktion übernehmen sollten, um Entwicklungen anzuregenund um neue Kooperationen zwischen den verschiedenen Akteuren zu initiieren. Dieskann seinen Ausdruck finden in politischen Initiativen, die eine Debatte um die neueRolle von Unternehmen in der Bürgergesellschaft in Gang setzen, oder auch der Etablierungeiner Praxis der Anerkennung und Wertschätzung von best-practice-Beispielen.“ 6Dazu gehören auch Arrangements, welche die verschiedenen Akteure zu Aushandlungsprozessenzusammenführen.Im Rahmen eines Workshops fanden sich verschiedenen mittelständische Unternehmenmit der Oberbürgermeisterin und der kommunalen Verwaltung von Mülhe<strong>im</strong> an derRuhr und der Universität zum „runden Tisch“. Hier wurden die Ideen des Corporate Citizenshipden Unternehmen ausführlich erörtert. Im Gespräch wurde der Frage nachgegangen„Unter welchen Umständen sind Sie bereit sich bürgerschaftlich zu engagieren?“.Hierauf gab es vielfältige Antworten von „am liebsten anonym“ bis „wenn ich esmit meinen wirtschaftlichen Interessen verbinden kann.“26 6 Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, a.a.O., S. 479f.


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Im Handlungsfeld Kommune ergeben sich so neue Aufgaben, die nach neuen und anderenSpielregeln gelöst werden. Kommune vermittelt und regt an, zudem sorgt sie für dieentsprechende Kommunikationsleistung.Gleichzeitig wurde an diesem Abend auf die Möglichkeit hingewiesen selbst tätig zuwerden. Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens mit ca. 120 Mitarbeitern,entwickelte an diesem Abend spontan die Idee, dass er sich gerne in dem Bereich derDrogenhilfe engagieren würde. Die Vertreter der Steuerungsgruppe griffen die Idee aufund setzten sie mit der Freiwilligenagentur <strong>CBE</strong> um. Es war eine klassische Win-Win-Situation während und nach dem einwöchigen Einsatz von Herrn Hemmerle in dem Drogenhilfedes Wohlfahrtsverbandes „Arbeiterwohlfahrt“. Peter Hemmerle gewann Einsichtenin soziale Randlagen und deren Problemzusammenhänge, die AWO hat dauerhafteinen Partner gefunden, die Presse konnte für dieses oft verdrängte Thema einöffentliches Interesse herstellen, und die Freiwilligenagentur <strong>CBE</strong> verbesserte ihren Rufals professionelle Vermittler. Die Stadt Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr hat ebenfalls mitgewirkt,um die Vorbildfunktion dieses Einsatzes zu unterstützen.Die Unternehmer haben als Wunsch geäußert, weitere Informationen über neue undinnovative Wege des unternehmerischen Engagements in der Bürgergesellschaft derUnternehmensbeteiligung in der Kommune zu erörtern. Vorgeschlagen wurde, dass eineAnsprechperson für Unternehmen zur Verfügung stehen sollte, die mit den Unternehmernin der Stadt arbeitet. Gewünscht wurde ebenso eine Datenbank für Unternehmen,die sich informieren wollen, wie sie sich engagieren können. Eine weitere Diskussionsrundewurde angeregt.Gleichzeitig wurde das Lernmodul „Corporate Volunteering“ veröffentlicht und denUnternehmen zugänglich gemacht.Auf der Basis dieses Lernmoduls fanden Gespräche des Projektes Lernallianzen mit demPersonal-Amtsleiter der Stadt Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr statt. Dabei wurde vereinbart, dieführenden Mitarbeiter der Stadtverwaltung erst an einem Workshop und dann an einemProjekt des Corporate Volunteering zu beteiligen. Dazu wurde eine Konferenz aller Amtsleiterdurchgeführt, in denen die Vorgehensweise erläutert wurde und dann der Workshopdurchgeführt. Die Auswertung der Ergebnisse steht noch aus.Dieser Ansatz ist auf andere Kommunen erweiterbar. Corporate Volunteering ist einSteuerungsmittel für leitende Mitarbeiter der Verwaltung.Als weitere Anleitung zur Nachahmung fand ein Workshop zur Erläuterung des „bestpractice“-Ansatzesdes Lernmoduls „Corporate Citizenship Art“ <strong>im</strong> Kunsthaus Essenstatt. Hier wurden Künstler von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstützt, ihreKunst <strong>im</strong> Firmengebäude des Unternehmens zu entwickeln und zu präsentieren. DasUnternehmen hatte eine sehr gute Ausstellung und die Künstler wurden mit Materialund Ankäufen unterstützt.27


5.2 Schule als Lernfeld zivilen EngagementsIm Spektrum der institutionellen Vermittlung von Kompetenzen für das BürgerschaftlicheEngagement hat die Schule den Vorteil, dass dort alle jungen Menschen erfasst werden.Damit stellt sich praktisch die Frage: „Was kann Schule dazu beitragen, dass bürgerschaftlichesEngagement aktiviert und qualifiziert werden kann?“ Dazu hat sich auchschon die Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Zukunft BürgerschaftlichenEngagements“ Gedanken gemacht: „Die Schule hat mit ihrem staatlich erteilten Bildungs-und Erziehungsauftrag in mehrfacher Hinsicht Bedeutung und Verantwortungfür die Herausbildung bürgerschaftlicher Kompetenzen. ... Insofern geht es <strong>im</strong>mer auchum die Entwicklung sozialer Kompetenzen und die Herausbildung von Wertorientierungenund Handlungsdispositionen wie Gemeinsinn, Verantwortungsübernahme undwechselseitige Rücksichtnahme.“ 7Solche Überlegungen sind praktisch umzusetzen in komplexe Strategien einer Öffnungder Schule „nach innen“ und „nach außen“. Die Rolle der Schule ändert sich und öffnetsich gesellschaftlichen Kräften und wird gleichzeitig Partner <strong>im</strong> Sozialraum. 8 Bei der Öffnungvon innen geht es um mehr Mitverantwortung an sozialen kulturellen und wirtschaftlichenAufgaben der Schule oder auch um ein „Engagement von Schülern, Lehrernund Schulleitern ‚über den Lehrplan hinaus’.“ 9Bei der Öffnung nach außen geht es um die Abkehr von der reinen „Lehrerschule“ 10 –etwa durch das Einbringen ergänzender Kompetenzen anderer Berufsgruppen, Vereinenund Verbänden. Schulen agieren <strong>im</strong> Sozialraum und können „Stadtteilzentrumsfunktion“erhalten. 11Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, wie Bürgerschaftliches Engagement bei denjungen Menschen aktiviert werden kann und Freude am Ehrenamt wächst. Geschauthaben wir auf die Verantwortungsträger in der Schülerschaft und haben nach Klagesderen „Verantwortungsrollen“ 12 reflektiert. Recherchen ergaben, dass die Rolle des Schülersprechersvon einigen staatlichen Stellen weiterqualifiziert werden, wenn die Schülerdie Informationen erhalten und wenn sie bereit sind an diesen Fortbildungsveranstaltungenteilzunehmen. Doch zeigte die Praxis, dass die wenigsten Schülersprecher tatsächlicherreicht werden. Die Ebene darunter, die Klassensprecher, die es laut Schulgesetzin NRW in jeder Schulart gibt, werden in ihrer „Verantwortungsrolle“ bisher nichtunterstützt. Der Klassensprecher ist aber eines der ersten Ehrenämter, das man erhaltenkann und die gewählt werden und dem eine Verantwortungsrolle zugrunde liegt. Vielenist diese Rolle zu ungenau, obwohl formal durch das Schulmitwirkungsgesetz definiert.Wer in der Lage ist, eine Klassensprecherrolle gut auszufüllen und Erfolg in diesem Amthat, wird vermutlich weiterhin bereit sein, kleinere Ämter in der Schule oder in derGesellschaft zu übernehmen. Darum ist es sinnvoll, diejenigen, die das Amt und die Verantwortungdes Klassensprechers übernehmen, in ihren Kompetenzen zu stärken, zuqualifizieren und zu aktivieren.7 Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, a.a.O., S. 292ff.288 Ebd., S. 545ff.9 Evers, Adalbert / Rauch, Ulrich / Stitz, Uta: Von öffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen.Hybride Organisationsformen <strong>im</strong> Schul-, Kultur- und Altenpflegebereich, Berlin 2002.10 Holzapfel, Hartmut: Bürgerschaftliches Engagement – die lebendige Seite des Sozialstaats, zitiert nach Enquetekommmission„Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, a.a.O.11 Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, a.a.O., S. 549.12 Klages, Helmut: Der blockierte Mensch, Frankfurt 2002.


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Da es gar keine einschlägigen Materialien zu dieser Fragestellung gab und entsprechendauch keinen Experten, konnte als Mittler ein Pädagoge gefunden werden, der fachlichnoch in einem anderen Bereich, nämlich Fundraising, kompetent war. 13Zur Bedarfsanalyse wurde eine Konferenz in einer Gesamtschule mit Klassensprechern,Schülersprechern, Elternvertretern, Vertrauenslehrern und Schulleitung durchgeführt.Die übereinst<strong>im</strong>mende Meinung war, dass eine systematische Unterstützung von Klasssensprechernvon allen Beteiligten als wünschenswert angesehen wurde.Der Prozess der nun folgenden Workshops war dadurch gekennzeichnet, erst einmal einstärkeres Rollenprofil auszuarbeiten. Hierzu wurde zu Beginn jeden Workshops gefragt,wie die einzelnen sich als Klassensprecher sehen. Erst dann konnten in den folgendenWorkshops die Lernmodule entwickelt und eingesetzt werden.Klassensprecher nehmen meistens ihre Rolle sehr ernst und trauen sich in der Vermittlungzwischen Lehrer und Schüler eine Menge an Vermittlungsarbeit zu. Vorbereitet sindsie auf diese Rolle jedoch in der Regel nicht. Viele sehen sich von Lehrern als Ansprechpartnerfür Konflikte instrumentalisiert, die sie gar nicht lösen können oder wollen, wiez.B. eine fehlende Aufsichtsperson holen, wenn ein Lehrer nicht erscheint. Die Funktion,Sprecher der Klasse zu sein, der ein Mandat hat und sich demokratisch um die Weiterentwicklungder Schule kümmert, ist bei den wenigstens bekannt oder wird wenn überhauptnur formal in Sitzungen der SMV wahrgenommen. Eine Initiativfunktion trauensich viele nicht zu.Diese sollte aber bei den Schülerinnen und Schülern geweckt werden und ihnen zurUnterstützung ein wenig „Handwerkszeug“ beigebracht werden, das <strong>im</strong> Bereich „Projektmanagement“angesiedelt ist. Das Lernmodul heißt entsprechend „Tipps und Werkzeugefür Klassensprecher“. Hier werden grundlegende Anforderungen und Herausforderungenin einer Zielpyramide erläutert, während <strong>im</strong> Workshop Methoden vermitteltwerden. In vielen Fällen wurden nach den Workshops die hier besprochenen Projektevon den Klassensprechern, die teilgenommen hatten, in die Praxis umgesetzt. Dadurchhatten sie den Eindruck, dass sie für den Ernstfall, gerade auch für Konfliktfälle ihrer Verantwortungsrolle,durch aktive Beteiligung am Workshop Kompetenz-Erfahrung machenkonnten. Solch ein Erfolgserlebnis macht dann Mut, die Verantwortung noch bewussterzu übernehmen.Durch Engagement passiert gleichsam „hinter dem Rücken“ der Engagierten ein Bildungsprozess,der sich auf andere Kompetenzen bezieht, als es der klassische Unterrichtabverlangt. Eine Projekt in der Klasse zu organisieren und allen Beteiligten zu vermitteln,erfordert viele Fähigkeiten von der Sprache, über sozialer Lernen bis zur nachhaltigenVerantwortung für den sozialen Raum und die naturale Umwelt.Verschiedenste Themen, die die Klassensprecher bewegten, kamen auf den Tisch. Ineiner Schule ging es vor allem um Alternativen <strong>im</strong> Umgang mit gestörter Disziplin unddarauf reagierender Disziplinar-Maßnahmen, einem sog. Trainingsraum. Die Diskussion13 Jens Watenphul und Reinhild Hugenroth, letztere aus der Kompetenz eigener Jugendverbandserfahrung, habengemeinsam die Lernmodule und Workshops für die Klassensprecher konzipiert.29


um diesen Trainingsraum haben die Klassensprecher nach unserem Workshop selbständigin die Hand genommen und mit der Schulleitung verhandelt.Nach einigen Workshops wurde noch eine neue Variante der Workshops mit einemneuen Referenten erprobt. Hier ging es vor allem um die Vermittlungsarbeit der Klassensprecher.Nach den Befragungen in den ersten Workshops fiel auf, dass die meistenKlassensprecher sich zu viel zumuteten. Sie sagten von sich selbst: „Wenn ein Problem inder Klasse auftritt, dann vermittele ich zwischen Klassenlehrerin und Klasse.“ Um dieseRollenbeschreibung zu hinterfragen und gleichzeitig die Rolle zu reflektieren und weiterzuentwickeln,haben wir mit einem externen Berater einen Workshop mit Rollenspielendurchgeführt. Hier wurde deutlich, dass die Rolle besser ausgefüllt werden kann, wennin einem Training geübt wurde, sich als Vermittler zu verhalten.In den Befragungen zu Beginn jedes Workshops durch den Workshopleiter, Jens Watenphul,wurde deutlich, dass den meisten ihre Rolle als Klassensprecher sehr undeutlich ist.Gewählt wurden Klassensprecher, weil sie die „Coolsten“ sind oder weil sie die Engagiertestensind. 14 Große Unterschiede kann zwischen Mädchen und Jungen gemacht werden.Mädchen sind zurückhaltender, aber in den meisten Fällen engagementbereiter.Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt. 15Nach allgemeiner Auffassung des Berichtes zur Enquetekommission ist die Engagementbereitschaftin bildungsnahen Schichten am größten. 16 Die Klassensprecherworkshopsfanden aber vor allem in Gesamtschulen und Hauptschulen statt, um bildungsferneSchichte zu erreichen. Hier konnte herausgefunden werden, dass die Engagementbereitschaft,gemessen an der Mitarbeit in den Workshops, genauso groß, wenn nicht nochgrößer war, als in teilnehmenden Gymnasiumsgruppen.Gerade auch Migrantenkinder konnten an den Workshops hervorragend teilnehmen undhaben sich mit Feuereifer an den Aufgaben der Workshops beteiligt. Auch musl<strong>im</strong>ischeMädchen waren Klassensprecherinnen.Daraus folgt, dass Engagement eine Ressource ist, die bildungsunabhängig ist. Vielleichtist es gerade umgekehrt, dass bildungsferne Schichte durch Engagementförderung bessseran der Gesellschaft partizipieren können, als wenn sie allein auf kognitive Wissensbeständeangewiesen sind. Gerade Klassensprecherschulungen in Hauptschulen könntendazu ein Instrument sein.Gesellschaftliche Anerkennung und Aufwertung findet sich neben der Berufs- undArbeitswelt auch durch aktives Engagement in den freien Feldern sozial-aktiver Selbstorganisation.Gleichzeitig ist das Wecken von Engagementfähigkeiten auch eine Vorbereitung auf denBeruf, in dem die Selbstorganisation von Engagement zur Schlüsselkompetenz werdenkann. Ein Arbeiter, der sich für seinen Betrieb, z.B. in der Arbeitnehmervertretung wählenlässt, weil er als Klassensprecher schon gute Erfahrungen gemacht hat, ist ein wichtigesPotenzyial für den Betrieb und die Gesellschaft.3014 Reinhild Hugenroth hat als teilnehmende Beobachterin an fast allen Klassensprecherworkshops teilgenommen undsich vorrangig mit der Motivation und den Engagementformen der Schülerinnen und Schüler befasst.15 Sliwka, Anne / Petry, Christian, Kalb, Peter E. (Hrsg.): Durch Verantwortung lernen, Service Learning:Etwas für andere tun, 6. Weinhe<strong>im</strong>er Gespräch, Weinhe<strong>im</strong> und Basel 2004.16 Enquetekommission "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements", a.a.O., S. 199.


Büros der Oberbürgermeister werden Themen des Bürgerschaftlichen Engagementsregelmäßig zur Sprache gebracht. Es fügte sich, dass <strong>im</strong> selben Zeitraum in Essen eineFreiwilligenagentur eröffnet wird und in Oberhausen ein Ansprechpartner für bürgerschaftlichesEngagement in der Verwaltung benannt wurde.Dazu wurde für die Abschlusskonferenz am 7. Juli 2004 folgende Abschlusserklärungverfasst.6.2 Absichterklärung der MEO-Städte (Wortlaut)„Schon <strong>im</strong>mer haben die Kommunen das bürgerschaftliche Engagement durch Auszeichnungenund Bürgerpreise anerkannt und unterstützt. Dies soll nun auf MEO-Ebeneweiterentwickelt werden.In den drei Städten Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen wurde das Projekt Lernallianz<strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> – Bürgerschaftliches Engagement mit großem Erfolg durchgeführt.Es handelt sich um eine Lernallianz, die sich insbesondere die Strategieentwicklungfür die Qualifizierung und Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements zum Zielgesetzt hat. In der Zusammenarbeit der Universität Duisburg-Essen, finanziert durch dieProjekt Ruhr GmbH, mit dem Centrum für bürgerschaftliches Engagement (<strong>CBE</strong>), unterstütztvon dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, wurden in der MEO-Region Lernmoduleentwickelt und zahlreiche Workshops durchgeführt.Das Projekt Lernallianz <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> – Bürgerschaftliches Engagement hat Grundlagenfür eine weitere Kooperation der MEO-Städte gelegt. Darauf aufbauend werden dieMEO-Städte gemeinsam prüfen, in welchem Unfang gemeinsame Darstellung undAbst<strong>im</strong>mung der Aktivitäten zum bürgerschaftlichen Engagement sinnvoll ist. Ziel ist esu.a., die Strategien und Maßnahmen zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagementstransparent zu machen und jeder Bürgerin und jedem Bürger die Gelegenheit zugeben, sich einzubringen.Bürgerschaftliches Engagement bezieht sich auf viele Bereiche des gesellschaftlichenLebens. Vom Verein bis zum Unternehmer sollen alle Gruppen die Gelegenheit haben,sich aktiv zu engagieren und Unterstützung zu finden.Absichtserklärung:Die Kommunen Mülhe<strong>im</strong>, Essen und Oberhausen werden untersuchen, inwieweit dasbürgerschaftliche Engagement in einem regionalen Verbund gestärkt werden kann.Unabhängig von den jeweiligen Schwerpunkten der Kommunen werden sich die MEO-Städte über die weiteren Ideen austauschen und prüfen, ob und inwieweit gemeinsameStrategien entwickelt werden können.Teil einer solchen Überlegung könnte die Entwicklung einer Strategie zur Stärkung derAnerkennungskultur in den Städten sein.Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Besonderheiten und unterschiedlichen Sachständein den Kommunen Berücksichtigung bei allen gemeinsamen Überlegungen findenmüssen.“32


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“6.3 Bilanzierung: Möglichkeiten und Grenzen regionaler KooperationJede Kommune hat ihre eigenen Schwerpunkte, was den Umgang mit dem bürgerschaftlichenEngagement betrifft. Kommunen können voneinander lernen, um neueStrategien für das bürgerschaftliche Engagement zu entwickeln. Wenn in einer Kommunewie Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr eine Infrastruktur wie das <strong>CBE</strong> ein Modell vorgibt, könnenandere Kommunen von den Erfahrungen profitieren. Besonders entwicklungsfähig zeigtsich das <strong>CBE</strong>, weil die Stadtspitze selbst <strong>im</strong> Vorstand der Freiwilligenagentur mitarbeitetund so die Strategien von Verwaltung und Freiwilligenagentur opt<strong>im</strong>al abgest<strong>im</strong>mt sind.Als „Kultur der Anerkennung“ weist der Prozeß zur Entwicklung einer Ehrenamts-Cardund ihre Verteilung zwischen Politik und <strong>CBE</strong> in die richtige Richtung. Andere Kommunenkönnen sich dieser Idee gewiss nicht sofort und ohne Weiteres anschließen, aber siekönnen davon lernen. Das <strong>CBE</strong> hätte die Funktion in der MEO-Region auch für eine MEO-Activ-Card übernommen. Auf dem Wege dahin sind aber noch komplexe Abst<strong>im</strong>mungsprozessezwischen den beteiligten Kommunen zu vermitteln. Der Charme einer regionalenAktivcard läge vor allem in der Identitätsbildung für den MEO-Zusammenhang –neben den schon beschriebenen Funktionen einer „Kultur der Anerkennung“.Die MEO-Zusammenarbeit <strong>im</strong> Bereich bürgerschaftliches Engagement geht aber weiter.Im Dezember 2004 wurde ein gemeinsamer Workshop zum „Landesnachweis NRW“ fürehrenamtliche Kompetenz durchgeführt. Die Abst<strong>im</strong>mungen zwischen den neu gegründetenAnlaufstellen für Freiwilligenarbeit in Essen und Oberhausen mit dem <strong>CBE</strong> in Mülhe<strong>im</strong>n<strong>im</strong>mt zu und hat jetzt eine konkrete Form in der Bearbeitung eines gemeinsamenProjektes, der Bürger-Seite.Eine systematische Darstellung kommunaler Aktivitäten und Strategien, um das bürgerschaftlicheEngagement zu stärken und zu qualifizieren, steht noch aus. Exemplarischkönnten alle <strong>Ruhrgebiet</strong>skommunen aufgefordert werden, ihre Arbeit in diesem Bereichzu dokumentieren. Schon dadurch könnte für zahlreiche Kommunen eine Anregunggegeben werden, wie sie weiter mit dem Thema bürgerschaftliches Engagement umgehenkönnen, Kommunen können so voneinander lernen. Eine regionale Strategie stehtebenfalls noch aus.7. SchlussbetrachtungIm Rahmen dieser Betrachtungen soll der Versuch gemacht werden, den konkreten Projektzusammenhangdarauf hin zu überprüfen, ob aus ihm heraus Essentials formuliertwerden können, deren Berücksichtigung unter Transfergesichtspunkten in anderenRegionen hilfreich sein kann, wenn es darum geht, Infrastrukturen als Supportplattformfür bürgerschaftliches Engagement aufzubauen.7.1 SteuerungsgruppeAusgehend von der mehrjährigen Projekterfahrung ist eindeutig festzustellen, dassohne eine entsprechend arbeitsteilig zusammenwirkende Steuerungsgruppe ein solchesVorhaben nicht zu realisieren ist. Als wesentliche Strukturmerkmale der Steuerungsgruppesind festzuhalten:33


• Das Prinzip der Gleichwertigkeit der Partner: Gerade in einem Theorie-Praxis Verbundprojektist die wechselseitige Wertschätzung der Partner und deren Arbeit konstitutiverund unverzichtbarer Teil der Basis der Zusammenarbeit. Jeder Versuch derDominantsetzung der je eigenen Position führt unweigerlich zum Rückzug des oderder anderen Partner und damit zum Abbruch konstruktiver Formen der Kooperation.• Das Prinzip der funktionalen Transparenz in der Kooperation: Damit ist gemeint, dass<strong>im</strong> Prozess der Kooperation die Partner gewährleisten müssen, dass alle projektrelevantenRahmenbedingungen in dieser Steuerungsgruppe thematisiert und offen diskutiertwerden können. Ein Verstoß gegen dieses Prinzip führt zu Misstrauen untereinanderund damit zu unnötigen und kontraproduktiven Prozessen.• Das Prinzip der einst<strong>im</strong>migen Entscheidungen: Damit ist gemeint, dass <strong>im</strong> Rahmensolcher Prozesse Mehrheitsentscheidungsverfahren zu vermeiden sind. In unseremProzess hat es sich als befruchtend herausgestellt, dass wir sehr früh Konsens darüberhergestellt haben, dass Entscheidungen in der Steuerungsgruppe nach Möglichkeiteinst<strong>im</strong>mig hergestellt werden sollten.Die genannten Strukturmerkmale sind eher als weiche Strukturmerkmale zu kennzeichnenund leiten sich ab aus der eigenen Erfahrung und den wissenschaftlichen Einsichtenaus dem Umfeld der „Human Ressources“-Forschung. Sie bedeuten nicht, dass auf dieAbsprachen, die konkretes Handeln erforderlich machen – wie Protokolle schreiben,Arbeitsabsprachen abarbeiten, Organisationsarbeit leisten etc. – verzichtet werdenkann; ihre Einhaltung gewährleistet jedoch, dass die Identifikation mit dem Projekt unddas Engagement für das Projekt gesteigert werden kann und gesteigert wird.7.2 KooperationDie Erfahrungen in der Projektarbeit lassen ohne Zweifel erkennen, dass notwendigeBedingungen für die Schaffung mehr bürgerschaftlichen Engagement nur durch Kooperationengeschaffen werden können. Die konstatierten gesellschaftlichen Prozesse derDifferenzierung und Pluralisierung <strong>im</strong> Gesamtprozess der Moderne und Globalisierungmachen es lokal und regional unverzichtbar, in diesem Zusammenhang Kooperationsformenzu entwickeln, die jenseits partikularer Interessensvertretungen zu verorten sind.Aus dem Projektverlauf kann eindeutig als Empfehlung abgeleitet werden, dass durchKooperation eine gesellschaftliche Plattform für einen öffentlichen Diskurs über die vielfältigenAspekte und Elemente des bürgerschaftlichen Engagements entwickelt und realisiertwerden kann, die in der Form kein Partner alleine hätte realisieren können. Die trivialeEinsicht, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile, wurde auch hier bestätigt.Die Begründung für diese Tatsache ist in der Konstatierung der synergetischenEffekte <strong>im</strong> Prozess zu finden, die spätestens seit dem Beginn der regionalen Strukturpolitikin NRW aus dem diesem Prozess bekannt sind. Durch die Einbindung von Wissenschaft,Wirtschaft, Politik, Verbänden und Vereinen und deren mediären Repräsentanzenin den Prozess bestand die Möglichkeit, auf ein Bündel von Ressourcen und Netzwerkenzurückzugreifen, die in der Form keinem einzelnen Projektpartner zur Verfügung gestandenhätten bzw. zur Verfügung stehen.34


<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>„Lernallianz</strong>en Ruhr: Förderung bürgerschaftlichen Engagements“Konkrete Effekte kooperativer Arbeitsformen sind:• die Einbindung der Erfahrungsvielfalt aus den verschiedenen Tätigkeitsfeldern bürgerschaftlichenEngagements in den Vermittlungs- und Lehrprozess;• die Erweitung des Spektrums vermittelbarer Handlungsmöglichkeiten und damit dieÜberschreitung der eigenen partikularen Denk- und Erfahrungshorizonte;• die Schaffung neuer Netzwerkzugänge und der Transfer von isoliertem Erfahrungswissennach gemeinsamer Diskussion in neue Handlungsfelder;• die Schaffung einer Plattform, auf der durch das Zusammenwirken der unterschiedlichenAkteure lokal und regional Standards für bürgerschaftliches Engagement verhandeltwerden können;• die Chance, neue Ideen, Überlegungen aber auch Handlungsnotwendigkeiten in dieÖffentlichkeit zu transportieren und damit überhaupt einer Diskussion zugänglich zumachen.Wenn also die Bedingungen für bürgerschaftliches Engagement lokal oder regional verbessertwerden sollen, sind kooperative, infrastrukturelle Arbeitsansätze unverzichtbar.7.3 MarketingDurch die Kooperation in der Projektarbeit konnte und kann auf ungeplante, jedocheffektive Art und Weise – quasi by the way – auch Marketing für die jeweilige Regionrealisiert werden. Die Mitglieder des Projekts haben in ihren jeweils unterschiedlichenWirkungszusammenhängen in nationalen und internationalen Arbeits- und Konferenzzusammenhängenüber die Projektarbeit berichtet. Eine Erfahrung aus diesen Zusammmenhängenist, dass die MEO-Region und damit tendenziell das <strong>Ruhrgebiet</strong> – wenn essich auf einen Transfer der Projektstrukturen einlässt – einen positiven Eindruck hinterlassen,weil die Entwicklung und Implementierung einer öffentlich verantworteten Infrastrukturfür das Lernen <strong>im</strong> Kontext bürgerschaftlichen Engagements durch eine Leitfunktionübernehmen kann.7.4 PerspektivenDie Ergebnisse der Klassensprecher-Schulungen können Eingang finden in die Diskusssion„Schule und Bürgerschaftliches Engagement“ des Bundesnetzwerkes BürgerschaftlichesEngagement, das <strong>im</strong> Jahr 2005 eine Tagung zu diesem Thema in Nordrhein-Westfalendurchführen wird. Hier soll sowohl diskutiert werden, wie Schule zu mehr BürgerschaftlichenEngagement beitragen kann, als auch wie Bürgerschaftliches Engagementan die Schule gebracht werden kann und dort Platz findet. Wünschenswert wäre eineweitere finanzielle Unterstützung von Workshops für Klassensprecher an Hauptschulenwie oben erläutert.Ein Projekt zur Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements folgte aus dem bisherigenund zwar die Bürger-Seite. Hier soll in der MEO-Region eine Internetseite entstehen, dieaktive und passive Elemente enthält.35


Diese Seite soll auch dazu genutzt werden, eine Datenbank zu Corporate Citizenship zuentwickeln und dort einzustellen.Die Nachhaltigkeit der Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit Bürgervereinen undUnternehmen kann hier so gesichert werden.Der Landessportbund NRW und das <strong>CBE</strong> sind eine feste Kooperation eingegangen. Einmalsind sie über das Internet verlinkt. Zum anderen haben sie gemeinsam neue Elementezum Thema Fundraising erstellt. Die Autoren stammen aus der Lernallianz unddie entwickelten Materialien können in der MEO-Region ständig eingesetzt werden.Partner des Landessportbundes sind die Volksbanken in denen die Qualifikationsangebotestattfinden werden.Besonders nachhaltig ist die Agenda der MEO-Städte zur weiteren Kooperation <strong>im</strong>Bereich der Anerkennung und Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Eine ersteTagung hat schon stattgefunden, weitere Projekte werden folgen. Darüber hinaus ist esprinzipiell wünschenswert, die Region weiter zu fassen und das <strong>Ruhrgebiet</strong> für einekommunale Vernetzung des Bürgerschaftlichen Engagements in den Blick zu nehmen.8.Nachsatz: „Kultur der Verantwortung“ <strong>im</strong> Umbruch undAufbruchNeue Horizonte öffentlicher Aufmerksamkeit und Anerkennung gewinnt die Bürgergesellschaft<strong>Ruhrgebiet</strong> auf dem Wege zur „Kulturhauptstadt Europas“. Dabei fassen wir„Kultur“ nicht allein über die Kreativität erhabener Kunst-Werke, sondern auch über diesoziale Wirkung ihrer inneren Formen und Kräfte auf die Aktivität und Solidarität einerGesellschaft.„Kulturhauptstadt“ entscheidet sich damit auch über die politische Kultur des sozialenEngagements und über die <strong>im</strong>mer auch kulturelle Dynamik von offener Gesellschaft.Nur wo die Bürger in ihrem Gemeinsinn „bewegt“ sind und sich bewegendes Engagementsverbindet und vereinigt, kann ein gemeinsamer Weg zur „Bewegung“ werden.Dies gilt gewiss akut <strong>im</strong> Umgang mit kritischen Fragen des strukturellen Umbruchs derArbeitsgesellschaft. Aber die hier geforderte Kreativität spiegelt sich auch in der Offenheitdes öffentlichen und kulturellen Lebens. Beides gehört zusammen: schöpferischeSolidarität und kulturelle Freiheit.Das verweist auf die die „Kulturhauptstadt-Bewegung“ als offene Agenda einer kulturellenund sozialen Entwicklung des <strong>Ruhrgebiet</strong>s. Im Unterschied zu dann gewiss auchgeforderten „politischen Strategien“ einer Systemsteuerung „von oben“, suchen „sozialeAgenden“ gemeinsame Wege, deren Bewegung „von unten“ kommt – als Selbstorganisationund Selbststeuerung von gemeinsinnig bewegten Bürgerinnen und Bürgern, dieihr soziales Kapital und ihr kulturelles Potential selbstbest<strong>im</strong>mt einbringen in die Netzwerkeund Lernprozesse kulturellen und öffentlichen Lebens.So zeigt sich die Vitalität dieses sozialen Raumes in der politischen (Inter-)Kultur der hieraktiven Öffentlichkeit und engagierten Solidarität. Das soziale <strong>Ruhrgebiet</strong> war <strong>im</strong>merlebendig <strong>im</strong> Reichtum seines Vereinswesens.36


Materialienanhang: Dokumente Tagung 7. Juli 2004Engagement zieht Kreise –Wege und Netze aktiver GesellschaftUniversität Duisburg-EssenProf. Dr. Eckart Pankoke„Wer Engagement fordert, muss Kompetenz fördern– und dafür Kontext bieten“ – hieß es programmatischin der Enquete-Kommission des DeutschenBundestages „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“.1 Für uns bedeutet dies:• theoretisch die Anfrage an die sozialwissenschaftlicheForschung zur Klärung von Bedingungsrahmenund Möglichkeitshorizonten bürgerschaftlichenEngagements;• praktisch die Herausforderung, in den Lernprozessenzivilen Engagements aktiv zu werden;• regional waren die besonderen Probleme undPotentiale hier <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> zu beachten –bewusst auf dem Wege zu einer neuen politischenKultur als Kulturhauptstadt Europas.Diese „Lernziele“ wurden von der Universität Duisburg-Essenzusammen mit den Trägern bürgerschaftlichenEngagements kooperativ aufgegriffen.Die Universität konnte sich in ihrer Verbindung vonForschung, Lehre und Praxis produktiv einbringenmit ihren Ressourcen und Kompetenzen, gerade fürdie Strukturierung, Modularisierung und Moderationvon Lernprozessen.Gemeinsam mit interessierten Studierendenentwickelten wir das Konzept einer <strong>„Lernallianz</strong>“zwischen der Universität und den freien Feldernsozialer Selbstorganisation.Es ging um Begegnung und Vermittlung zwischender praktischen Kompetenz aktiver Netzwerke unddem universitären Wissen zur Organisation vonLernprozessen. Die Universität wollte also nicht mitprofessoralen „Besser-Wissis“ in das Vereinslebenhineinreden. Eher ging es um neue Arrangementsder Begegnung und der Wechselseitigkeit. WissenschaftlicheKompetenz und praktisches Engagementkonnten miteinander und voneinander lernen. Erstdurch die Kommunikation von Werten und Wissenentwickelt sich ein interaktives „Wissensmanagement“für den Dritten Sektor.Im Projektverbund <strong>„Lernallianz</strong>en <strong>Ruhrgebiet</strong>“ verbandsich universitäre Forschung und Lehre mit demin Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr neu gegründeten „Centrumfür bürgerschaftliches Engagement“ (<strong>CBE</strong>). Hier fandsich ein aktives Beziehungsfeld von Organisationenund Personen, die „vor Ort“ engagiert sind in Vereinen,Verbänden, Projekten und Initiativen.Für die „Bürgergesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong>“ ist eszukunftsweisend, dass die „Projekt Ruhr GmbH“ alsEntwicklungsagentur für das <strong>Ruhrgebiet</strong> in ihremProjektverbund bewusst auch das freie Engagementals regionales Zukunftspotential anerkannte undförderte.Zum Reichtum einer Gesellschaft gehört auch dieQualität ihres sozialen Kapitals und kulturellenPotentials. Das konkretisiert sich gerade auf derregionalen Ebene der „Bürgergesellschaft <strong>Ruhrgebiet</strong>“.Als institutioneller Träger für die Kooperationdes <strong>CBE</strong> engagierte sich das NRW-Ministerium für„Arbeit, Soziales und Qualifikation“. Dies bestätigtdie gesellschaftspolitischen Wechselwirkungen zwischenArbeitsgesellschaft und Bürgergesellschaft.„Kultur der Anerkennung“ erfuhren wir durch MinisterpräsidentPeer Steinbrück höchstpersönlich mitseinem Besuch, seinem Interesse und seiner institutionellenUnterstützung.Über die Projektpartnerschaft mit dem <strong>CBE</strong> konntendie von der Universität gemeinsam mit der Praxisbürgerschaftlichen Engagements entwickelten Lerninhaltein Workshops, Konferenzen, Bildungs- undBeratungsangeboten und nun auch über Internet-Kommunikation in die Praxis des freien Engagementsvermittelt werden. 2Schon die ersten Begegnungen unserer Auftakt-Konferenzen mit dem regionalen Feld der bürgerschaftlichaktiven Vereine, Initiativen und Projektezeigten auf beiden Seiten Bedürfnisse und Bereitschaften,voneinander lernen zu wollen. 3 Die vonder Partnerschaft Universität und <strong>CBE</strong> modellhaftfür die MEO-Städteregion Mülhe<strong>im</strong>, Essen, Oberhausenentwickelten Lernallianzen unterstreichen undbestätigen das Motto und das Logo unserer heutigenProjektpräsentation: „Engagement zieht Kreise“.1 Deutscher Bundestag Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ (Hg.). Bericht „Bürgerschaftliches Engagement:auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen 2002.Eckart Pankoke, „Freies Engagement, zivile Kompetenz, soziales Kapital. Forderung und Förderung aktivierender Netzwerke und Lernprozesse“.In: Deutscher Bundestag. Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ (Hg.), Bürgerschaftliches Engagementund Zivilgesellschaft. Opladen 2002: 73-87.2 Institutionen leben in den für sie engagierten Personen: Im <strong>CBE</strong> konnte mit dem neuen Vorsitzenden Lothar Fink die Erfahrung ausder Leitung eines großen Wohlfahrtsverbandes eingebracht werden. Im universitären Bereich konnte das Team um Professor Dr. EckartPankoke und Dr. Bernd Thunemeyer ergänzt werden durch die Politikwissenschaftlerin Reinhild Hugenroth, die neben ihrem wissenschaftlichenProfil auch selbst Dritt-Sektor-Praxis als Bundesvorsitzende eines großen Jugendverbandes einbringen konnte. Ihr verdanktdas Projekt viele richtungweisende Impulse, wie etwa das Klassensprecher-Projekt oder das Konzept einer Activ-Card für Ehrenamtlicheals Zeichen einer sozialen Kultur der Anerkennung. Auch die weitere Vermittlung des Projektes über die neuen Medien des Internetswurde gemeinsam entwickelt, wobei <strong>im</strong> Sinne von „Corporate Citizenship“ uns ein Mülhe<strong>im</strong>er Medienunternehmen tatkräftig und kostenwirksamunterstützte.3 Im Zuge der Zusammenarbeit eröffneten sich neue Themenfelder und Arbeitsperspektiven: Beispielhaft zu erwähnen ist das Angebot,die <strong>im</strong> Sportbereich bewährten Kompetenzen <strong>im</strong> Umgang mit Geld und Recht dorthin zu vermitteln, wo dieses Vereins-Managementbesonders gefordert und gefragt war, etwa bei den vielen Vereinsgründungen <strong>im</strong> interkulturellen Feld. Ein anderes Thema konzentriertesich auf das Thema „Corporate Citizenship“, also das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. Hier hat der Besitzer einerBäckerei, Peter Hemmerle, eine Woche <strong>im</strong> Drogenbereich der AWO mitgearbeitet und Erfahrung <strong>im</strong> bürgerschaftlichen Engagementgewonnen.Die <strong>im</strong>mer schärfer bewusst werdende Bildungskrise verweist zugleich auf die Chancen einer politischen Schulkultur. Hier förderten wirdas Engagement von „Klassensprechern“ als Aktivposten und Zukunftspotential der „Bürgergesellschaft von morgen“. Zwischen dieseninstitutionellen Säulen entwickelten sich gemeinsame <strong>„Lernallianz</strong>en“ ganz <strong>im</strong> Sinne der verabredeten Projektpartnerschaft.37


„Engagement zieht Kreise“Der „Kreis“ ist eine klassische Figur sozialer Formund kultureller Formierung der Gestaltung politischerKultur: Wir erinnern an ein altes Dekret derfranzösischen Revolution: Die neue Gesellschaft solltesich feiern mit öffentlichen Festen in offenenKreisen. Während die Autoritäten und Hierarchiendes „alten Europa“ sich repräsentierten über steileStufen (etwa von „Thron“ und „Altar“), sollten nundie „Ideen von 1789“ („Freiheit, Gleichheit, Gemeinschaftlichkeit“)symbolisiert werden durch offeneRunden. Gefeiert wurde ein solidarisches Miteinander„in gleicher Augenhöhe“ und – wie der DichterFriedrich Schiller formulierte – „unter dem offenenH<strong>im</strong>mel des Gemeinsinns“.So hat die Sozialform des „Kreises“ programmatischeTradition, die lebendig bleibt – etwa in heuteaktuellen „Qualitäts-Zirkeln“ und „Runden Tischen“.Auch wir wählten das Bild vom „Engagement, dasKreise zieht“ für unser Projekt <strong>„Lernallianz</strong>en“. InZuge der Entwicklung gewinnt das „Kreise-Ziehen“die Bedeutung des Aufbruchs in neue Horizonte.Engagement findet und bindet KreiseWer sich engagiert in gemeinsamer Sache, istzunächst zufrieden, wenn sie/er <strong>im</strong> eigenen Kreiseden Halt von Gemeinschaft findet. Gern will man inden wichtigen Fragen des Lebens „unter sich“ undunter „seinesgleichen“ bleiben. Es ist die Ehre derMitte, die starke Kultur des großen Wir – aber wohlkaum das Engagement von offener Gesellschaft undaktiver Öffentlichkeit. Der sichere Halt desgeschlossenen Kreises kann aber auch Grund geben,in der Praxis gemeinsamen Sinns „über sich hinauszuwachsen“.Beispiel für solche künstliche Kreiseeiner bewusst gesuchten und verknüpften sozialenNähe und Hilfe sind die Selbsthilfegruppen. Aus derNot, dass für ihre Sorgen sich <strong>im</strong> unmittelbarenLebenskreis kaum mehr Rat und Hilfe bietet,machen sie die Tugend, die notwendige und hilfreicheNähe selbst zu organisieren. Doch Selbsthilfebraucht Hilfestellung, denn Selbst-Organisationerfordert soziale Kompetenzen des sensiblenUmgangs mit Problemen und Potentialen, mit Konfliktenund Kontrakten.Kreise öffnen und weiten sichEiner der nächsten Schritte auf dem Wege zur aktivenGesellschaft wird es dann, den Kreis zu öffnen,um weitere Mitglieder und Mitstreiter zu finden.Am Anfang sozialer Kreisbildung steht zwar dieSammlung der Menschen gleicher Herkunft undgleicher Prägung, was Halt gibt in einer fremdenWelt. Aber in weiterer Entwicklung öffnet sich die„Sammlung“ zur „Sendung“, die selbstbewusstöffentlich Zeugnis gibt und damit wirbt um Aner-kennung, um Zuspruch und Zulauf. „Sammlungohne Sendung ist Ghetto – Sendung ohne SammlungBoulevard“ – formulierte dazu der Theologe <strong>im</strong>Widerstand Dietrich Bonhoeffer.Die Nischen und Gruppen der Selbstbindung sozialerNähe werden bald zu eng, wenn es gilt, breitereZielgruppen anzusprechen und einzuladen. Breitenwirksamkeitfordert gesteigerte Organisationskraftund professionelles Können – gerade für einenachhaltige Einbindung schwieriger Zielgruppen –wie etwa der Jugend, oder der sozial benachteiligteneinkommensschwachen und bildungsfernenSchichten. Dies fordert künftig noch mehr Aufwandund Anstrengung, aber auch Kompetenz <strong>im</strong> sozialenManagement und sozialen Marketing, was geradein den kleinen Vereinen nicht selbstverständlich istund deshalb gezielt gefördert und entwickelt werdensollte.Soziales Lernen überschreitet GrenzenEine Folge-Wirkung von Selbstorganisation ist es,dass die Kompetenzerfahrung mit aktivem Engagementdann Mut macht, sich auch in anderen Feldernweiter zu engagieren. 4 Engagierte Bürger sind zumeistin wachsenden Kreisen aktiv und kompetent.Wer sportlich aktiv ist, ist oft auch sozial engagiertoder auch kulturell kreativ – und dann auch in anderenFeldern unternehmerisch initiativ. Soziologensprechen hier von den multiplen Aktivisten der Bürgergesellschaft.Gerade diese vielseitig aktive „Kulturder Verantwortung“ fordert als „Kultur der Anerkennung“die Qualifizierung durch Lernprozesse.„Engagement zieht Kreise“ lässt sich noch in einemweiteren Sinne verstehen. Wer sich einmal für etwasengagiert, der ist dann auch offen, <strong>im</strong>mer wiederund <strong>im</strong>mer weiter aktiv zu werden für andere undfür anderes. Wer in seiner Kirche, seinem Verein oderin seiner politischen Weltanschauung aktiv eingebundenist, der/die ist dann auch in anderen Feldernaufgeschlossen für Engagement und Interesse, fürneue Netzwerke und Lernprozesse. Engagementhält jung. Nicht nur das Finanzkapital wächst, wennman es in Arbeit investiert, auch das ‚soziale Kapital’wird ‚wachsen’, wenn man es ‚arbeiten’ lässt.Institutionelles Lernen und selbstgesteuerteVernetzung„Engagement zieht Kreise“: das bedeutet danninstitutionelles Lernen, wenn die Selbstorganisationfreien Engagements neue Perspektiven und neueHorizonte gewinnt. So beobachten wir in den Feldernaktiven Engagements, dass <strong>im</strong> Zuge der Entwicklungauch die Reichweite des Engagements sichverändert. Wer sich einsetzt für die Breitenwirksamkeitder Bürgergesellschaft leistet dann <strong>im</strong>merzugleich seinen Betrag zur Zukunftsfähigkeit bür-384 „Engagement zieht Kreise“, wenn die Menschen, die in ihren Vereinen festen Halt finden, daraus die Kraft schöpfen, sich in weiterenöffentlichen Aufgaben und Verantwortungen engagieren. Immer wieder können wir beobachten, dass ein fester Halt Mut macht zuneuer Bewegung. Wer in seinen Kreisen sozialer Selbstbindung (seien es religiöse, politische, sportive oder kulturelle Milieus) stabil ist,der ist dann auch ansprechbar für weitere Kreise freien Engagements. Wir sprechen mit Blick auf dieses Mehrfach-Engagement vonden multiplen Eliten der Bürgergesellschaft.Die Kompetenzerfahrung mit freiem Engagement treibt oft weiter in <strong>im</strong>mer wieder neue Felder – und ist zugleich ansteckend, anderemitzureißen und so breitenwirksam „Kreise zu ziehen“. Wer <strong>im</strong> Sportverein aktiv ist, der engagiert sich auch für Stadtentwicklung. Werin seiner Kirchengemeinde Halt findet, der bewegt sich auch für die Entwicklung seiner politischen Gemeinde. Wer an freier Kunst Freudehat, der zeigt dann auch <strong>im</strong> Berufs- und Wirtschaftsleben die innovative Kreativität der „Kunst des Organisierens“. Dies demonstriertunser Projektbereich „Corporate Citizenship“ zur Begegnung von unternehmerischem Elan und bürgerschaftlichem Engagement.


gerschaftlichen Engagements.Gesellschaftstheoretisch fassen wir diese Lernschrittein der Sequenz von „Selbstgenügsamkeit“,„Selbstorganisation“ und „Selbststeuerung“.„Soziale Kreise“ als geschlossene Bindung ‚nachinnen’ (Selbstgenügsamkeit):Soziale Kreise bedeuten in ihrer Geschlossenheitsozialer Nähe und Dichte zunächst sozialen Halt inkultureller Fremde und sozialer Kälte. Halt brauchengerade die Schwachen, die nun in den Vereinen diehe<strong>im</strong>atlichen Bande ihrer Herkunft aufs Neue knüpfen.So erklärt sich die dichte Vielfalt der Vereinslandschaftdes <strong>Ruhrgebiet</strong>s aus der Suche nach sozialemHalt gegenüber einer als fremd und feindlicherfahrenen Umwelt. Man will „unter sich bleiben“,<strong>im</strong> geschlossenen Kreis „aneinander festhalten“.Dieser Halt der selbstgenügsamen Kreise gilt für diemulti-kulturellen Herkunftsvereine, wie aber auchfür manche Traditionsvereine der Einhe<strong>im</strong>ischen, diesich <strong>im</strong> kulturellen wie strukturellen Umbruchgleichfalls in ihre alten Eigenwelten zurückziehen.Die für das <strong>Ruhrgebiet</strong> lange typische „Vereinsdichte“erklärt sich aus den vielen Herkunfts- und He<strong>im</strong>atvereinen,die in der Fremde sozialen Halt bieten,indem man bewusst „unter sich bleibt“, sich gegenüberden anderen Fremden abschließt . Max Weberhatte um 1900 in einer „Soziologie des Vereinswesens“dies an den Migrantenvereinen aufzeigenkönnen. Damals waren es die deutschen Einwandererin Amerika. die sich über die ihre Herkunfts-Vereinein der Fremde eine neue He<strong>im</strong>at schaffen undschützen wollten.Das geht heute den Ausländervereinen hier <strong>im</strong><strong>Ruhrgebiet</strong> nicht anders. Und wir werden sehen,dass es gerade die ausländischen Mitbürger waren,für die unsere <strong>„Lernallianz</strong>en“ hilfreiche Brückenbauten.Der „Kreis“ – als Sozialsymbol künstlicher Nähe undEnge – markiert aber auch Probleme: Jeder Kreis hatseine inneren Mitte und seine schließende Grenze.Das gibt zwar die Chance, sich auf die eigene Mittehin zu binden – wir beschreiben dies französisch als„Milieu“. Der Preis für die „Ehre der Mitte“ ist oftaber die Verfestigung sozialer Grenzen. Das giltübrigens nicht nur für die Herkunftsvereine unsererausländischen Mitbürger, sondern auch für mancheHe<strong>im</strong>atvereine der Einhe<strong>im</strong>ischen, die sich gegenübereiner auch ihnen fremd werdenden Umweltgleichfalls einkapseln in die kleinen und heilen Weltenihrer Traditionen. Feste Einbindung muss dannbezahlt werden mit Einkreisung, Abgrenzung undAusgrenzung. So dürfen wir bei den geschlossenenKreisen nicht stehen bleiben, sondern müssen aufdie weiterführenden Perspektiven achten hin zuroffenen Gesellschaft.Heute „<strong>im</strong> Trend“ liegen zwar eher ‚kleinen und feinenKreise’, die Edel-Szenen einer konservativenoder auch alternativen Schickeria, die sich in ihrenClubs und Cliquen leicht und locker zusammenfinden.5 Hier will man gezielt „unter sich“ bleiben.Sorge macht eine dann drohende „Spaltung der Bürgergesellschaft“.Die wachsenden Aktivitäten derkleinen und feinen Kreise stehen in scharfemKontrast zur gleichzeitigen Schwäche der einst breitenwirksamenund niederschwelligen Massen-Organisationen.Diese eröffneten einmal gerade den„kleinen Leuten“ einen Einstieg in soziale Kulturender Anerkennung und der Verantwortung, heuteaber verlieren sie ihre Breiten-Basis: das gilt fürVolkskirchen und Volksparteien, für Gewerkschaftenund Wohlfahrtsverbände oder auch für Volksmusikund Volkssport – viele Menschen scheuen hieroffensichtlich die Verbindlichkeit einer dauerhafterenEinbindung in feste Mitgliedschaft.Dabei erweist sich doch gerade die Kompetenzerfahrungvon aktiver Mitgliedschaft und engagiertemEhrenamt als wichtige Basis einer heute nichtnur in der Bürgergesellschaft, sondern auch in derArbeitsgesellschaft nachdrücklich zu forderndenund nachhaltig zu fördernden „Kultur der Verantwortung“.Wir haben zu diesen Grundsatzfragen der Verbindungvon „Kultur der Anerkennung“ und „Kulturender Verantwortung“ ein Lern-Modul entwickelt (vgl.Eckart Pankoke „Kulturen der Verantwortung“), daswir auch einem Workshop zu den Spannungen undden Vermittlungen von Ehrenamt und freiem Engagementzugrunde legten.Engagement hat dann nicht mehr die stabile Statikalter Ehre, sondern gewinnt gerade <strong>im</strong> aktivenBezug auf eine sich ändernde – und zu ändernde –soziale Umwelt die Dynamik von Lernprozessen,wenn Engagement ansteckend und anstiftend seineKreise zieht.„Soziale Brücken“: kooperative Kontrakte ‚nachaußen’ (Selbstregulierung): Selbstorganisierte Solidaritätgewinnt bald noch weitere Bedeutung derVermittlung <strong>im</strong> Verhältnis zur Umwelt gesellschaftlicherFunktionssysteme und ihren Leistungen.Breitenwirksamkeit kommt nicht mehr selbstverständlichvon selbst, sondern Mitglieder wollengerufen und gepflegt werden – und das fordertschon Organisationskraft und professionelle Kompetenz<strong>im</strong> sozialen Management und sozialen Marketing,was aber gerade in den kleinen und armen Vereinenzu fehlen scheint.Eine klassische Leistung der Vereine ist ihre sozialeBrückenfunktion zu den Leistungs-Systemen derOrganisationsgesellschaft. So konnten die Ausländervereine<strong>im</strong> oft gespannten Verhältnis zwischenfremder Lebenswelt und modernen Funktionssystemen(Schul-, Gesundheits-, Beschäftigungssystem)„Brücken bauen“. Wir fassen diese beratenden,begleitenden, vermittelnden Leistungen unter demSammelbegriff der „Selbstregulierung“.Aus den Vereinen werden somit Leistungsträger,aber deren organisierte Leistungskraft muss bedient5 Die Sozialform des „Clubs“ wird für viele zur Mode. – „Clubs“ haben wirtschaftliche Konjunktur – etwa als Club-Urlaub, der für teurenEintritt ein geselliges Leben verspricht, wie man es sonst nicht mehr organisieren kann. Aber das durch Clubs organisierte Eigeninteresse,ist etwas ganz anderes als der <strong>im</strong> Vereinswesen gepflegte Gemeinnutz und Gemeinsinn.39


werden – und das fordert einen rationalen Umgangmit den Ressourcen Macht, Geld und Wissen.Oft verbindet sich die Leistungssteigerung der Vereinemit dem Zwang der Einstellung von professionellemPersonal. Diese – gewiss auch zu begrüßende– Beschäftigungswirksamkeit des Dritten Sektorschafft dann Personalprobleme und in deren Folge<strong>im</strong>mer komplexere und <strong>im</strong>mer riskantere Finanzproblemeund Rechtsprobleme, dem ein normaler Vereinsvorstandbloß mit „gesundem Menschenverstand“nicht gewachsen ist. Gefragt ist deshalb mitsteigendem Organisationsgrad die Qualifikationshilfein der Kunst des Organisierens.Offensichtlich haben hier die Sportvereine einehohe Kompetenzerfahrung <strong>im</strong> Umgang mit Geld,Macht und Recht. – Diese Erfahrungen fehlen abergerade den Ausländervereinen, wenn sie jenseitsder Selbstgenügsamkeit ihrer geschlossenen Milieusweitere „Kreise ziehen“ – etwa um Brücken zubauen zur Integration in die deutsche Gesellschaftund wenn solche Zukunftswirksamkeit sich diesdann verbindet mit Zielen der Breitenwirksamkeitund Beschäftigungswirksamkeit.Brücken zur Selbstorganisation bauten die Workshopsmit den ausländischen Vereinen zu „Vereinsrecht“und „Vereinsfinanzen“. Hier konnten Weiterbildungs-Expertendes Landessportbundes den ausländischenVereinen brauchbaren Rat vermitteln.An den Schnittstellen von freiem Engagement undprofessionellem Management suchten wir nachmöglichen Lernallianzen zwischen den Vereinen mitihren Managementproblemen in Kooperation mitwirtschaftlichen Unternehmern. Im Sinne von „CorporateCitizenship“ könnten diese ihre spezifischenKontakte und Kompetenzen <strong>im</strong> Umgang mit Geld,Macht und Wissen in die Vereine einbringen. Dabeiwird bewusst, dass Corporate Citizenship (also dasöffentliche Engagement von Unternehmen alsAkteuren der Zivilgesellschaft und Partner des DritttenSektors) keine einseitige Transferleistung desGebens bedeutet. Vielmehr werden auch die Unternehmenvon der Begegnung mit den freien Feldernlernen können. Im Spannungsfeld von Macht, Geldund Sinn werden sie nun für die Sinnd<strong>im</strong>ension –auch in der eigenen Unternehmenspraxis – aufmerksamer.Für ein Unternehmen wird die Partnerschaftdes Corporate Citizenship dann zum Impulsfür mehr Sensibilität, für mehr Kreativität und mehrReflexivität – aber auch für mehr Solidarität – <strong>im</strong>Umgang mit sich selbst und seinen sozialenUmwelten.Gerne verweist man hier auf „Win-Win“-Konstellationen.Eigentlich aber geht es weniger um ein Aufrechnender wechselseitigen Vorteilsnahme für diebeteiligten Organisationen, etwa in dem Sinne, dassdie Organisationen des Dritten Sektors die Zuwendungvon Geldern oder geldwerter Ressourcenerwarten und die Unternehmen dafür ihren öffentlichenAufmerksamkeitswert <strong>im</strong>agewirksam steigernkönnen. Viel wichtiger wird die Synergie neuerBeziehungsfelder, in denen die Aktivitäten sozialerRäume und Reflexivität kultureller Felder sich wechselwirkendentwickeln können.„Soziale Netze“ für „Lernprozesse“ innovativerEntwicklung („Selbststeuerung“)„Engagement zieht Kreise“ – das bedeutet danneinen strategischen Führungswechsel bürgerschaftlichenEngagements. Wir beobachten einen Wandelder Organisationsprinzipien, Konstruktionsmusterund Relationsfiguren. Dieser Formwandel zeigt sichschon <strong>im</strong> Wechsel der Begriffe: Wir wechseln vonder sozialen Geschlossenheit der ‚Nische’ zur kommmunikativenOffenheit von ‚Netzen’, von der Repräsentationkonsensfähiger ‚Werte’ zur Reflexion von‚Sinn’. Irgendwie spüren wir, dass über den altenBegriff des „Ehrenamtes“ hinaus die sich weitendenKreise unserer Orientierung längst weiter gezogensind. Symbolisierte das Bild des „Kreises“ zunächst„soziale Schließung“, so wird Selbstorganisationnun zur sozialen Basis und zum sozialen Kapitaleiner neuen Aufgeschlossenheit für andere Zielgruppenund weitertreibendes „freies Engagement“für neue Wege.Der Schneeball-Effekt, dass Engagement „Schulemacht“, lässt sich auf die Formel bringen: wozunächst nur wenige sich gefunden haben, kannihre Begeisterung bald bewegend ausstrahlen, sodass aus wenigen viele werden. Freie Felder, dieetwas bewegen wollen (<strong>im</strong> Unterschied zu den feinenClubs, die lieber unter sich bleiben), sind offenfür eine sich weitende Basis breiter Mitgliedschaft.Aber Mitglieder und vor allem aktive Mitstreiterkommen heute nicht mehr von selbst, sondern wolllengefunden, gewonnen und eingebunden werden.WichtigeErfahrungen bietet das Mülhe<strong>im</strong>er„Centrum für bürgerschaftliches Engagement“, dasnun auch zu den anderen MEO-Städten in Fragender Vermittlung von Freiwilligen Erfahrungen austauschtund so Lernallianzen aufbaut.„Lernprozesse“ werden praktisch in den Netzwerkender Steuerung des Wandels. Auf der Ebene der Organisationensprechen wir von Organisationswandel, –oder modischer von „Change-Management“. Dazukommt es aber auch auf der Makroebene mit derSteuerung gesellschaftspolitischer Großprojekte dersozialen Reform und der gesellschaftlichen Transformation.Wir benutzen für die Felder freien Engagementsbewusst die Sozialfigur „unternehmerischer Freiheit“,weil es in der Verbindung von Engagementund Autonomie, von Kreativität und Initiative ganzdeutliche Wahlverwandtschaften gibt zwischendem wirtschaftlichen und dem sozialen Unternehmer,wie es ja auch in neuen Konzepten des „CorporateCitizenship“ zum Ausdruck kommt.Zunächst waren Bürgervereine wie auch Ausländervereineschon genug mit sich selbst beschäftigt.Aber bald entwickelten sich auch Ansätze, diegeschlossenen Kreise der Selbstgenügsamkeit zuöffnen in neue Horizonte einer öffentlichen Kulturder Verantwortung. Das bedeutet ein aktives Ver-40


hältnis zur gesellschaftlichen Umwelt und ihrerZukunft. Praktisch stellt sich dann die Frage nachder nächsten Generation, die einen Verein in dieseZukunft führen soll. Wir werden darüber mit besonderemBlick auf die Bürgervereine berichten. Von„Selbststeuerung“ würden wir dann sprechen, wennein „Bürgerverein“ nicht nur „unter sich“ die „Eintracht“feiern, sondern wenn die Probleme undPotentiale des gemeinsamen sozialen Raumes kritischund konstruktiv in Prozesse der Stadtentwikklungeingebracht werden.Auch den Selbsthilfegruppen konnte durch das Projektmit Lernmodulen und Workshops geholfen werden,sich wachsenden Aufgaben nachhaltig zu stelllen.„Über den Umgang mit Verantwortung undÜberforderung“ hieß beispielsweise einer derWorkshops. Von „Selbststeuerung“ würden wir dannsprechen, wenn die Selbsthilfegruppe sich zurSelbsthilfeinitiative entwickeln, die <strong>im</strong> Sinne einerinnovativen Entwicklung in Beziehung zur öffentlichenMeinung oder auch zum professionellenGesundheitssystem aktiv wird.Ein neues Aktionsfeld, das sich innovativ profiliert,ist das Themenfeld „Corporate Citizenship“ oderauch „Corporate Social Responsibility“. Hier geht esdarum, als Akteure und Potentiale der aktiven Bürgergesellschaftnicht nur individuelle Akteure in denBlick zu nehmen, sondern auch die Unternehmenals korporative Akteure der Wirtschaftsgesellschaftin kooperative Allianzen der Zivilgesellschaft einzubinden.Unternehmerisches Engagement in der Bürgergesellschaftrealisiert sich persönlich als „CorporateVolunteering“ über den zeitlichen Einsatz vonUnternehmern und ihren Mitarbeitern in sozialeProjekten. Hier „vor Ort“ war es ein Mülhe<strong>im</strong>erUnternehmer, der Bäcker Peter Hemmerle, der eineWoche in der Drogenhilfe als „freier Praktikant“tätig war und der auf dieser Konferenz gleich vonseinen Erfahrungen der lehrreichen Begegnung einanderfremder Welten berichtet.Be<strong>im</strong> Projekt Kunsthaus Essen war es die produktiveBegegnung von Kunst und Wirtschaft. Hier holte <strong>im</strong>Sinne von „Corporate Citizenship“ ein großes Unternehmender Finanzdienstleistungen die Künstler insHaus, was die Künstler, vor allem aber auch das kulturelleKl<strong>im</strong>a <strong>im</strong> Unternehmen, verwandelt.Zukunftweisend ist unsere Initiative bei jungenMenschen Verantwortungsrollen zu stützen und zustärken. Mit Lernmodulen und Workshops wurdenKlassensprecher in ihrer Tätigkeit beraten undbegleitet. Zukunftspotentiale der Bürgergeselllschaft,sind die Schülerinnen und Schüler, die sichals Schul- und Klassensprecher für andere und ihrekleine Gemeinschaft engagieren. Hier entwickeltsich eine frühe ‘Kultur der Verantwortung’, der esdann bald nicht mehr nur um die Klassengemeinschaftgeht und deren Vertretung – gerade auch <strong>im</strong>Konfliktfall – gegenüber der Institution Schule. Oftsind es gerade die Klassensprecher, welche die Brückeschlagen zur Bürgergesellschaft, wenn aktiveSchüler sich zugleich in den Vereinen und Initiativendes lokalen Umfeldes engagieren. (Entwickeltwurden die Lernmodule und Workshops von ReinhildHugenroth und Jens Watenphul.)Unser Projektverbund <strong>„Lernallianz</strong>en <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>– Bürgerschaftliches Engagement“ bezog sichzunächst auf die Städte Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Oberhausenund Essen. Die MEO-Region ist dadurch wiedernäher zusammengerückt und drückt in einerAbsichtserklärung aus, dass sie <strong>im</strong> Feld des bürgerschaftlichenEngagements stärker kooperieren will.Als neue Perspektive zeichnet sich ab, dass die Mülhe<strong>im</strong>erInitiative „Mülhe<strong>im</strong>-Activ-Card“ als Formeiner ‚Kultur der Anerkennung’ aktiven Engagements<strong>im</strong> Sinne eine MEO-ACTIV-CARD in die Regionauszuweiten ist. Eine andere Initiative zielt auf dasNeue Medium der Internet-Kommunikation <strong>im</strong>regionalen Maßstab.So interessiert der „Dritte Sektor“ nicht nur alsSelbstorganisation und Selbstverantwortung vernetzterLeistung, sondern auch in seiner selbstgesteuertenVernetzung von Lernallianzen:Bürgerschaftliches Engagement übern<strong>im</strong>mt Verantwortungin den Zukunftshorizonten gesellschaftlicherEntwicklung und ihren sozialen wie kulturelllenFolgen. In den Agenden für gemeinsame Wegein die Zukunft tragen Bürgerinnen und Bürger aktiveWirkungs-Verantwortung. Dies gilt gerade auchbei jenen „Entscheidungen, die sich auf die Zukunftder Menschheit beziehen“ (F.X. Kaufmann, Der Rufnach Verantwortung. Risiko und Ethik in einerunüberschaubaren Welt. Freiburg 1992, 112). DieseVerantwortung fordert die Förderung von Lernbereitschaft:„Die eigentliche Herausforderung bestehtdarin, institutionelle Arrangements zu entwickeln,welche Lernfähigkeit belohnen“ (Kaufmann1992: 114).Die Akteure der Bürgergesellschaft sind wichtigePartner in den Lernallianzen institutionellen Lernens.Der Politikwissenschaftler Claus Offe verwiesauf die Funktionen der Bürgerinitiativen als kritisches„Frühwarnsystem“ oder als konstruktiven„Treibsatz“. So kann bürgerschaftliches Engagementdie Probleme durch Konflikte deutlich machen.Gerade durch offenen und öffentlichen Widerspruchund Widerstand lassen sich Prozesse des Wandels inGang bringen (Arenen). Oft kommt es dabei zuInnovationsbündnissen zwischen den Instanzenöffentlicher Macht und den Initiativen <strong>im</strong> freien Feld(Allianzen).Anders als die transitiv von oben nach unten sichdurchsetzenden Strategien, muss nachhaltigeZukunft sich <strong>im</strong>mer auch „von unten“ entwickeln.Die Selbststeuerung neuer Wege entwickelt sichdann in Bewegung von allen und mit allen (Agenden).„Agenden“ eröffnen gemeinsame Wege nach vorne.So gilt es heute, die Steuerung nachhaltiger Entwicklungumzustellen auf die sozialverträglicheBasis der Mitverantwortung aller Beteiligten undBetroffenen. Während „Strategien“ zwar „nachvorne“, klassisch aber <strong>im</strong>mer noch „von oben“ lenken,lernen wir in „Agenden“ das kommunikativeHandeln einer Steuerung nachhaltiger Entwicklung„mit allen“ und „von unten“.41


„Agenda“ sollte dann bedeuten, Aufbruch zu neuenWegen – und bewegt durch soziale Bewegung:„Caminandos Juntos“ – so der Zuruf der Befreiungsbewegungin Lateinamerika: „Steht auf, bewegteuch, verbindet euch in wachsenden Kreisen übervernetzte Wegen zu bewegenden Netzen.“Solche Arenen und Agenden könnten sich auch entwickelnfür das kulturelle und öffentliche Leben des<strong>Ruhrgebiet</strong>s <strong>im</strong> Aufbruch zur „zivilen Gesellschaft“.Kulturelles Lernen und öffentliches LebenDer „Dritte Sektor“ als Feld der Selbstorganisationfreien Engagements ist ein typisches Feld, in denendie praktischen Künste sozialer Aktion und Initiativesich umsetzen in Netzwerken und Lernprozessender Aktivierung von Solidarität, Subsidiarität, Pluralität.Aber Engagement kommt nicht von selbst, soganz selbstverständlich, unverbindlich und uneigennützig,Engagement muss entwickelt undbegleitet werden. Wer Engagement fordert, dermuss auch Kompetenz fördern und dazu Kontextbieten.Bürgerschaftliches Engagement übern<strong>im</strong>mt Verantwortungin den Zukunftshorizonten gesellschaftlicherEntwicklung und ihren sozialen wie kulturelllenFolgen. Wir brauchen dazu weder eine eind<strong>im</strong>ensionaleZweckrationalität noch eine realitätsblindeGesinnungs-Ethik, sondern um mit Weber zusprechen, eine „Verantwortungs-Ethik“, welche sichder Komplexität unserer Aufgaben reflektiert stellenwird. Institutionalisierung bedeutet dann nichtmehr Lösungen „auf Dauer zu stellen“, eher geht esdarum, Lernprozesse offen zu halten. Gefordert sinddann die außergewöhnlichen (die Soziologie sprichtvon „extra-funktionalen“) Kompetenzen, welche denfunktionellen und konventionellen Rahmen durchbrechen:„Eine dauerhafte Institution muss nicht nur <strong>im</strong>nächsten und praktischen Sinne zweckmäßig undnützlich sein, sie muss auch Anknüpfungspunkt undVerhaltens-Unterstützung höherer Interessen sein,ja den anspruchsvollsten und edelsten Motivationennoch Daseinsrecht und Daseinschancen geben:dann erst erfüllt sie die vitalen, aber auch geistigenBedürfnisse der Menschen nach Dauer, Gemeinsamkeitund Sicherheit – sie kann sogar etwas wie Glückerreichbar machen, wenn dieses darin besteht, <strong>im</strong>Über-sich-Hinauswachsen nicht alleine zubleiben“. 6Nur wer sich durch Verbindlichkeit bindet, kannOffenheit riskieren. Vielleicht gründet die innereKraft des dritten Sektors darin, dass aktive Menschensich auf der Basis assoziativer Selbstorganisationmiteinander verbinden können. Netzwerke undLernprozesse als Modus institutionellen Wandels,das fordert uns auf, den Begriff des Institutionellenneu zu profilieren, – nicht nur <strong>im</strong> Kontrast zu individuellemLernen, sondern auch strukturellen Wandelder Organisationsgesellschaft.Institutionelles Lernen wird bewegt durch kulturelllesHandeln.In diesem Zusammenhang der Steuerung undSelbststeuerung komplexer wie kritischer Innovationsprozessedurch Netzwerke und Lernprozessegewann der sog. „Dritte Sektor“ – die Selbstorganisationfreien Engagements praktisches Interesse inseinem Beitrag zur nachhaltigen Zukunftswirksamkeitaktiver Gesellschaft.Gerade die Entwicklung aktiver Bürgergesellschaftkönnte sich heute auf neue Weise praktisch bewähren,wenn eine sich weitende Komplexität sich spiegelnwird in einer gesteigerten Reflexivität derWechselwirkung unterschiedlicher Instanzen, Interessenund Akteure.Praktisch bedeutet dies die Frage, wie solche Potentialeder sozialen und kulturellen Dynamik professsionell,institutionell oder auch durch die Kulturender Organisation und Kommunikation gefördertwerden können. Dies gilt gerade für die strategischeSteuerung von Reformprozessen, zunehmend aberauch für eine nachhaltige und zukunftswirksameund kulturell lernfähige Selbststeuerung aktiverGesellschaft. Engagierte Verantwortung zeigt sichdann in der bewussten Herstellung von Öffentlichkeit,wie in den Arenen, Allianzen und Agendeneines nachhaltig zukunftswirksamen Engagementsfür „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung derSchöpfung“.In solchen Allianzen könnte sich das institutionelleEthos von „Ehre“ und „Opfer“ vermitteln mit derBewegung und Begeisterung institutionellen Engagements.Während „Ehre“ ihren Halt findet über dasVermächtnis geschichtlichen Erbes, gewinnt „Engagement“an Autonomie in der Zukunftsoffenheitgesellschaftlicher Bewegung. Dann eröffnet diebewusste Spannung zu vergangenen Welten denAufbruch zu neuen Wegen. Dies formulierte schonals klassischer Kenner der Dynamik und Dramatiksozialer Bewegung als früher Theoretiker der Verbindungvon sozialer Bewegung und sozialer Verwaltungder Soziologe Lorenz von Stein zum Auftaktseiner in die Zukunft weisenden „Geschichte dersozialen Bewegung“:„Unser ist die Arbeit. Die Morgenstunde der Weltgeschichtemit ihrer kräftigen Belebung in den erstenStrahlen der nahenden Sonne hat unsere Zeitgeweckt, hat ihr die Kraft, die Lust, das Vertrauender Jugend gegeben. Wir wollen diese Stunde nichtverlieren“. 7426 Gehlen, Seele <strong>im</strong> technischen Zeitalter 1957: 116.7 Lorenz von Stein, Geschichte der sozialen Bewegung des heutigen Frankreichs. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte, Bd. 1, 1850, S. 7, Vgl. dazu:Dirk Blasius, Zeitdiagnosen: Carl Schmitt und Lorenz von Stein. In: Drepper, Göbel, Nokielski (Hg.) Sozialer Wandel und kulturelle Innovation.Historische und systematische Perspektiven (Festschrift Eckart Pankoke) Berlin 2004, S. 78.


Ministerpräsident Peer SteinbrückAbschlusskonferenz „Engagement zieht Kreise“ des Projektes <strong>„Lernallianz</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> – BürgerschaftlichesEngagement“ am 7. Juli 2004, Stadthalle Mülhe<strong>im</strong> an der RuhrSehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,meine sehr geehrten Damen und Herren,ich begrüße Sie sehr herzlich zur Abschlusskonferenzder Lernallianz <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>.Es tut mir Leid, wenn ich Ihren Fahrplan etwasdurcheinander gebracht habe, aber ich bin längstder Diktatur des Terminkalenders ausgesetzt undnicht mehr Herr all der Abläufe, die es so täglichgibt. Wenn ich einmal eine halbe Stunde Verspätunghabe, dann verdoppelt sie sich bis in den Abendspielend auf eine Stunde. Es tut mir Leid, wenn Sieetwas länger gewartet haben. Das hing auchzusammen mit einer Vorstellung, die weiter hintendie Locomotion Revue gebracht hat und die ich mirangesehen habe.Es tut mir Leid, wenn Ihr Euer ganzes Programmnicht habt vortragen können, aber mich habt Ihrjedenfalls beeindruckt und ich möchte Euch gernesehr herzlich danken für das, was Ihr gezeigt habt.Applaus.Ich bin sehr gerne zu Ihnen gekommen. Ich darfbehaupten, dass das heute nicht nur eine punktuellleBerührung ist zwischen Ehrenamt und Ministerpräsidenten.Viele in diesem Raum wissen, dass ichseit über einem Jahr sehr regelmäßig so genannteEhrenamtstouren durch das Land mache. In derdritten Juliwoche werde ich noch zwei Ehrenamtstourenmachen durch die unterschiedlichsten Bereichedes Landes, weil mir die Werbung für das Ehrenamtauch durch solche Besuche sehr wichtig ist undweil ich darüber hinaus dieses Thema sehr viel stärkerin den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmungstellen möchte. Anders gesagt: Ich möchtemit diesen Touren das Ehrenamt das bürgerschaftlicheEngagement in Nordrhein-Westfalen stärker insRampenlicht stellen. Das sage ich sehr überzeugtund nicht aufgesetzt, denn ohne den selbstlosenEinsatz für Andere oder für eine gute Sache, ohnediese freiwillig geleistete Arbeit trotz aller beruflichenund – was mir sehr bewusst ist – aller familiärenVerpflichtungen wäre ja unsere ansonstennach wie vor materiell sehr reiche Gesellschaft deutlichärmer.Sie wäre um etwas ärmer, was unbezahlbar ist, wasaber diese Gesellschaft ausmacht. Das ist derGemeinsinn. Den kann ich nicht verordnen, darüberkann politisch nicht entschieden werden. Aber wennes diesen Gemeinsinn nicht gäbe, dann würde dieseGesellschaft deutlich anders aussehen, als sie <strong>im</strong>Augenblick aussieht.Es geht um den Zusammenhalt dieser Gesellschaft.Es geht darum, dass wir eine sehr gut geschriebeneVerfassung haben, die Landesverfassung und dasGrundgesetz, aber es geht auch um die Frage, wasdenn die nicht geschriebene Verfassung einerGesellschaft ausmacht. Ich behaupte, Gemeinsinnerst macht eine solche Gesellschaft lebenswert,denn ohne ihn, ohne diesen Gemeinsinn würdenviele Menschen gerade in der heutigen Zeit Werteund Ideale – Solidarität, Nächstenliebe, Fürsorge –niemals erfahren. Der Gemeinsinn ist es, der dieseGesellschaft zusammenhält. Gemeinsinn gibt esaber nur da, wo Bürgerinnen und Bürger Verantwortungübernehmen, auch ohne staatliche Unterstützung,wo Bürgerinnen und Bürger über ihren Berufund ihre eigenen vier Wände hinaus sich engagieren,wo sie mehr tun, als nur ihr Pflichtenheft zuerfüllen oder ihrem Broterwerb nachzugehen, wasnicht selten schon anstrengend genug ist. Auch dasist mir bewusst.Um darauf zurückzukommen: Ich bin sehr dafür,dass dieses ehrenamtliche Engagement auch qualifiziertstattfindet, aber, wenn Sie mir eine leichteNuance erlauben: Ich glaube, der tief verbreitetendeutschen Neigung, alles in diesem Zusammenhanggleich regeln und standardisieren zu wollen, solltenwir gelegentlich auch einmal entgegen treten.Applaus.Ich komme gleich darauf zurück, wo ich Sie bei derQualifikation unterstützen möchte. Aber ich habepersönlich sehr viele ehrenamtlich engagierte Menschenerlebt, und ich möchte sehr, dass sie so weitermachen können wie bisher. Denn wenn ich ihnen alserstes damit käme, sie müssten jetzt eine Art TÜV-Plakette erwerben, um ehrenamtlich tätig zu werden,denn würden die sagen: „Gute Reise, aber nichtmit mir!“ Und ich möchte diese Menschen jaschließlich für das Ehrenamt gewinnen und sie einladen,aktiv zu werden und zu bleiben.In Deutschland engagieren sich <strong>im</strong>merhin 22 MillionenMenschen ehrenamtlich. Das ist kaum bekannt.22 Millionen Menschen in Vereinen, Gewerkschaften,Kirchen, Stiftungen, Nachbarschaften, Bürgerinitiativen.Ich füge hinzu: Sogar in politischen Parteien.22 Millionen Menschen!Ich weiß, dass es sehr häufig den kritischen Hinweisgibt, ungefähr 80 % davon seien älter als 55. Ja, esist eine gewisse Altersstruktur zu erkennen, aber derkritische Rückkehrschluss, die jüngeren Generationenwürde sich nicht ehrenamtlich engagieren, istdefinitiv falsch. Es ist auch in früheren Jahrzehntennicht viel anders gewesen. Das hat auch etwas mitder Zeit, mit der Beanspruchung während der Ausbildungzu tun, mit der Tatsache, dass man sich eineExistenz aufbaut, dass junge Menschen familiär –insbesondere dann, wenn man kleine Kinder hat –engagiert sind und in ihrem eigenen Radius viele,viele andere Dinge zu erledigen haben.43


Also: Ich wäre vorsichtig mit der Klage darüber, demEhrenamt würde kein Nachwuchs zugehen. Ich habesehr viele junge Menschen kennen gelernt, diebereit sind, sich zu engagieren, wenn auch vielleichtetwas anders als meine Generation. Die Erfahrungist, dass sie das sehr zeitpunkt- und sehr projektbezogentun. Sie verheiraten sich, jetzt <strong>im</strong> übertragenenSinne, nicht mehr einfach mit Einrichtungen.Darunter leidet übrigens die Nachwuchswerbungvon vielen wichtigen Einrichtungen, Vereinengenauso wie Kirchen, Gewerkschaften, Gewerkschaftsjugend,Verbänden, politischen Parteien. DieBereitschaft, sich dort einzubringen, sich dann aberauch wieder herauszuziehen, ist in dieser Generationanders als in meiner oder in noch anderenGenerationen. Aber das ist kein Indiz dafür, dassdiese jungen Menschen nicht über den eigenen Telllerrandhinweg gucken.Diese Bürgerinnen und Bürger die sich engagieren,machen sich um unsere Gesellschaft verdient, undich bin ganz sicher: Ohne sie wäre unsere Gesellschaftnicht nur um vieles ärmer. Ich füge – viellleichtetwas übertreibend hinzu, aber ich stehe dazu– hinzu: Ohne sie würde unsere Gesellschaft auchnicht funktionieren. Sie würde nicht funktionieren,weil erst die Ehrenamtlichen Dinge möglichmachen, die sonst unmöglich wären und von denenich sage, der Staat könnte sie nicht bewältigen.Selbst wenn er es könnte, meine ich, er sollte sienicht wollen können. Ich bin nicht dafür, dass sichder Staat überall einmischt. Ich bin dafür, dass derStaat die großen Lebensrisiken von den Menschenfernhält: Dass er eine wirkliche Altersversorgunggarantiert, bei Arbeitslosigkeit jemanden auffängtund nach Möglichkeit so schnell wieder vermitteltin einen Job. Ich möchte den Pflegebereich nichtunerwähnt lassen und unsere erstklassige medizinischeVersorgung, unabhängig von materiellen Statusder Menschen. Aber dieser Staat ist nicht nurdazu da, alle Probleme zu lösen oder einer Vollkasko-MentalitätVorschub zu leisten. Er kann es nicht.Ich weiß, dass wir uns manchmal als omnipotentdarstellen, nach dem Motto: „Wir können alleslösen, wir können alles machen!“ Dann erfahrensehr viele Menschen, dass wir es gar nicht können.Dann sitzen wir Politiker in der Glaubwürdigkeitsfalleoder in der Glaubwürdigkeitslücke, von der sohäufig die Rede ist.Alle kennen und schätzen das ehrenamtliche Engagement.Ich kenne kaum jemanden, der es nichtschätzt, aber nur wenige – oder besser: zu wenige –fragen danach, wie man ehrenamtlich Tätigen wirkungsvollhelfen kann, damit sie sich noch erfolgreicherund engagierter für die Gesellschaft einsetzenkönnen und wie noch mehr Menschen auch für denfreiwilligen Einsatz gewonnen werden können.Die Frage, die Sie hier <strong>im</strong> Rahmen ihrer Veranstaltungbewegt, bewegt mich gleichermaßen. Sie lautetin anderen Worten: „Wie lässt sich die Anerkennnungehrenamtlich engagierter Menschen verbesssern?“Das war auch Gegenstand Ihrer Hinweise.Meine Touren und meine Teilnahme auch an Veranstaltungenwie dieser bis hin zu Besuchen unterschiedlichsterehrenamtlich engagierter Gruppensind Versuche einer solchen Anerkennung oder füreine solche Anerkennung zu werben. Antworten aufdiese Fragen haben Sie vielleicht ein bisschen <strong>im</strong>Rahmen Ihrer Veranstaltungen bekommen.Das Ziel des vom Centrum für bürgerschaftlichesEngagement in Mülhe<strong>im</strong> durchgeführten Projekteswar es schließlich, Kenntnisse zu gewinnen, wiegezielt in einer Region – in diesem Fall Mülhe<strong>im</strong>,Essen, Oberhausen – bürgerschaftliches Engagementgestärkt, qualifiziert und aktiviert werdenkann.Das <strong>CBE</strong> kenne ich gut. Ich war da nämlich voreinem Jahr auf Ehrenamtstour und ich gebe nichtan und übertreibe auch nicht, wenn ich Ihnen sage,dass ich in anderen Teilen des Landes dafür ordentlicheReklame gemacht habe. Auch wenn es in vielenanderen Teilen des Landes etwas Ähnliches gibt: Indieser Kombination, in dieser Qualität ist es selten,weshalb ich vielen geraten habe – zum Beispiel inMünster oder in Ostwestfalen-Lippe, in Herford oderin Bielefeld -, etwas Ähnliches aufzubauen und sichmit dem Centrum für bürgerschaftliches Engagementin Mülhe<strong>im</strong> in Verbindung zu setzen. Ichmeine, dass dieses Centrum und seine Arbeit sehrviel Aufmerksamkeit verdienen. Im Mai 2001 ist esgegründet worden und wenn ich es richtig sehe, istes bereits heute schlechthin eine oder die Anlaufstelle<strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> für die Freiwilligenarbeit.Viele Ehrenamtliche haben mir während meinerTouren auch berichtet, dass es be<strong>im</strong> Ehrenamt<strong>im</strong>mer mehr auch um die Frage der Qualifizierunggeht. Insofern ist dieser Aspekt von Ihnen richtigaufgeworfen worden. Ich glaube auch, dass Qualifikationnotwendig ist, weil das Ehrenamt darüberbesser und wirksamer ausgeübt werden kann, aberes soll niemand dadurch abgewehrt werden. Es sollnicht prohibitiv wirken für diejenigen, die sich gerneeinbringen wollen und von denen es viele gibt.Ich habe viele, viele Begegnungen mit Ehrenamtlichengehabt, die eigentlich etwas ganz anderesreflektierten. Die sagten sinngemäß: „Sie glaubengar nicht, was mir das Ehrenamt selber gibt, wie vieles für mich bedeutet an Lebensfreude, an Bestätigung,an Anerkennung, an Teilnahme auch inGruppen von Menschen, und das ist auch einer derGründe, warum ich es gar nicht als Belastung empfinde,sondern weil es für mich und meine Lebensfreundeund auch meine Justierungen in meinemLeben von einer erheblichen Bedeutung ist.“Was eigentlich ein sympathischer Vorzug des Ehrenamtesist, hat sich in unserer Mediengesellschaft leiderauch <strong>im</strong>mer mehr zu einem gewissen Nachteilverkehrt. Die solide Arbeit in aller Stille und in allerBescheidenheit wird kaum beachtet. Die Mediensind kongenial darin, <strong>im</strong> Augenblick so etwas wie„Deutschland sucht den Superstar“ zu kreieren, Eintagsfliegen,die kurze große öffentliche Aufmerksamkeithaben, und dabei – fast sage ich das etwaspathetisch -, die wahren Heldinnen und Helden des44


Alltags völlig außen vor zu lassen. Also, Herr Küblböck,gegen den ich gar nicht einzuwenden habe, istnicht der Normalfall dieser Gesellschaft. Ich kannIhnen die Namen vieler Menschen in NRW nennen,die Sie nicht kennen können, die aber jedes Malmein persönlicher Superstar in diesem Zusammenhangwären.Zum Beispiel gehen mir einige durch den Kopf, die<strong>im</strong> Rahmen der Hospizbewegung tätig sind und darüberihre Lebensfreude und Ausstrahlung keineswegsverloren haben – <strong>im</strong> Gegenteil: Sie habe hinzugewonnen.Da war ich eher der Verklemmte, derdort hin gekommen ist und nicht diejenigen, diesterbende Menschen betreut haben. Das ist so ähnlichwie be<strong>im</strong> Umgang mit Behinderten, wo manplötzlich feststellt, dass man selber derjenige ist, derda einen völlig verqueren und jedenfalls von Vorbehaltengetragenen Zugang hat und dass diejenigen,die behindert sind – soweit sie nicht schwer geistigbehindert sind –, sich viel offener bewegen als manselber. Ich bin eher privat darauf gebracht worden,weil einer meiner besten Freunde ein schwer behindertesKind hat. Ich habe aus der unmittelbarenErfahrung dann festgestellt, welche Wärme, welchenonverbale Kommunikation da fließen kann, auf dieman sich einzustellen hat. Und dabei verliert mandann auch Hemmschwellen.Worauf ich hinaus will, ist, dass in dieser auf spektakuläreEreignisse, auch auf Dramatisierung, aufInszenierung gerichteten Gesellschaft vieles, vielesverloren geht. Es geht vieles verloren, was Aufmerksamkeitfinden sollte. Das Ehrenamt muss viel stärkerins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt werden,damit noch mehr Menschen dafür gewonnenwerden können, sich aktiv für unsere Gesellschafteinzusetzen.Ein arabisches Sprichwort sagt: „Die ganzeMenschheit teilt sich in drei Klassen: Solche, dieunbeweglich sind, solche, die beweglich sind undsolche, die sich bewegen.“ Das bürgerschaftlicheEngagement gehört zu dieser dritten Klasse. Menschen,die sich ehrenamtlich engagieren, bewegensich und bewegen etwas.Es ist deshalb denjenigen, die sich hier engagieren,zu verdanken, dass dieses Ehrenamt neben Wirtschaftund Staat zu einer Art dritten Säule gewordenist, die eine aktive und eine, wie ich auch hoffe,selbstbewusste Bürgergesellschaft charakterisiert.Ich füge sehr absichtlich hinzu, das dieses Ehrenamtergänzend neben staatlichen Leistungen auftretensoll und nicht als Ersatz. Ich weiß, dass daran vielenEhrenamtlern gelegen ist nach dem Motto: „Jetztmal unter vier Augen gesprochen: Sie fördern dasEhrenamt doch nur, um die Hauptamtlichen dabeieinsparen zu können!“ Das ist nicht meine Vorstelllungund das ist nicht die Politik des Landes. Ich redevon einer Ergänzung. Ich rede davon, dass dasehrenamtliche Engagement ein wichtiges Pendantsein soll, aber nicht als Ersatz in den hauptamtlichenBereich eingehen soll. Die aktive Bürgergesellschaftsteht deshalb auch nicht in einem Konkurrenzverhältniszum Staat, sondern in einem Partnerschaftsverhältnis.Ich will abschließend darauf hinweisen, dass dieLandesregierung Einiges in diesem Zusammenhangin Gang gebracht hat. Das kam das erste Mal in meinerRegierungserklärung <strong>im</strong> November 2002 vor, dasgehörte zu den Grundsätzen: Die Anerkennung desEngagements. Wer sich ehrenamtlich engagiert –dies ist eine der wichtigen Überlegungen -, der sollzum Beispiel auch bessere Chancen auf eine Qualifizierung<strong>im</strong> Beruf und be<strong>im</strong> Berufseinstieg haben.Sie werden sagen: „Das ist ein hehrer Satz, derschwebt da jetzt irgendwo abstrakt unter derDecke!“ Nein, dass tut er nicht, denn die Landesregierunghat einen Landesnachweis für das sozialeEhrenamt ins Leben gerufen, womit wir diesesEhrenamt <strong>im</strong> besonderer Weise würdigen wollen.Aber nicht nur das. Dieser Nachweis soll auch denUmfang und die Qualität einer ehrenamtlichenTätigkeit dokumentieren und dabei auch für dieFälle, wo es relevant ist, den Wiedereinstieg in eineberufliche Tätigkeit erleichtern. Bis zum Ende dieserLegislaturperiode wollen wir dies auf alle Ressortbereicheder Landesregierung ausweiten.Erstmalig hat die Landesregierung in ihrem Doppelhaushalt2004/2005 Mittel für die Förderung desEhrenamtes eingestellt, was nicht selbstverständlichgewesen ist bei den Rahmenbedingungen, die wirhaben. Aber es gibt nur einen, der die Kralle auf demGeld hat – und das bin ich selber. Es wird deshalbkeine langen Antragsverfahren und kompliziertenbürokratischen Abläufe geben. Wenn ich irgendwohinkomme und ich stelle fest, ich könnte zum BeispielComputer besorgen oder andere technischeGeräte, oder jemand möchte seine Ehrenamtlichenzu Weihnachten auch mal zum Punsch einladen undhat das Geld nicht dafür, dann kann ich ihm behilflichsein.Aber es geht nicht nur darum. Eines der Themen,das mir sehr oft begegnet ist bei dem es sehr ernstwird, ist die Frage des Versicherungsschutzes vonehrenamtlich engagierten Menschen ...Applaus.... denn die sagen: „Ich bin da <strong>im</strong>mer auf Fahrten, ichbin da tätig und wenn mir mal etwas passiert, dannweiß ich nicht, wie ich das regeln soll“ Die guteNachricht lautet, dass das Land demnächst miteinem Versicherungsunternehmen einen Vertragabschließen wird. Wir werden diese Lücken <strong>im</strong> Versicherungsschutzfür alle ehrenamtlich engagiertenMenschen in NRW übernehmen. Das bezahle ichzum Beispiel aus dem Haushalt, was sehr wichtigist. An dem Projekt ist mir sehr gelegen gewesenund ich bin dankbar, dass wir das in absehbarer Zeithinbekommen.Mit meinem rheinland-pfälzischen Kollegen KurtBeck haben wir anlässlich einer gemeinsamen Kabinettsitzungin Ahrweiler – der hat da dem Kabinett45


ziemlich viele Flaschen Rotwein geschenkt, vondenen ich keine einzige abgekriegt habe, ich weißnicht, wohin die alle verschwunden sind (Gelächter)– ein Kooperationsprojekt verabredet. Wir wollengemeinsam ausgewählte Initiativen und Projektezur Förderung des bürgerschaftlichen Engagementsals Vorbilder herausstellen.Ein weiteres Projekt, an dem mir sehr gelegen ist:Ich möchte bei den Unternehmen in NRW daraufhinwirken, dass sie den Ehrenamtlichen auch einengrößeren Raum geben und sie ggf. auch freistellen,übrigens auch mit Blick auf Qualifizierung. Ich habemich deshalb bereits an die Industrie- und Handelskammernund an die Handwerkskammern gewandtmit dem deutlichen Appell, dass es auch für Unternehmenwichtig ist, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnenund vor allen Dingen sie selber sichehrenamtlich engagieren sollen.Die sollen natürlich dicke schwarzen Zahlen schreiben,gerne, die sollen alle Gewinne machen, da binich sehr dafür, denn das ist ja auch für die Steuereinnahmennicht ganz unwichtig. Die sollen alleerfolgreich sein, aber daneben und zusätzlich sollendie sich auch gesellschaftlich engagieren und diejenigen,die dies etwa in freiwilligen Feuerwehrentun, nicht so am Gängelband führen, dass sie aufihre ehrenamtliche Tätigkeit verzichten müssen.Und außerdem haben wir ein neues Internetangebot,mit dem wir allen, die in NRW ehrenamtlichengagiert sind, einen Service bieten wollen, wo siesich erkundigen können, was zum Beispiel in einerNachbarstadt passiert oder, wenn sie sich bereitsehrenamtlich engagieren, wo sie erfahren können,wer in ähnlicher Weise aktiv ist, zum Beispiel ineinem solchen Centrum wie hier in Mülhe<strong>im</strong>. Woandersheißt eine solche Einrichtung Ehrenamtsbörseoder ähnlich, das habe ich in Siegburg und Herfordkennen gelernt. Wichtig ist, dass man sich auch inForm von Netzwerken bewegt.Ich will deshalb abschließend sagen, dass diesesbürgerschaftliche Engagement aus Sicht der Landesregierungund namentlich des Ministerpräsidenteneine erhebliche Bedeutung hat. Ich würde das gerneweiter fördern und ich werde meine Ehrenamtstourenfortsetzen mit pro Tag <strong>im</strong>mer ungefähr sechsoder sieben Veranstaltungen.Ich finde, dass Hermann Gmeiner, der Gründer derSOS-Kinderdörfer, das richtige Zitat für das Ehrenamtgeprägt hat, als er sagte: „Alles Große in dieserWelt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als ermuss.“ Und genauso ist es! All denjenigen, die dastun, möchte ich von dieser Stelle aus sehr herzlichdanken. Ich finde es sehr wichtig, dass Sie das tunund wie Sie das tun.Herzlichen Dank.Kultur bürgerschaftlichenEngagements: Das Centrum fürBürgerschaftliches Engagement (<strong>CBE</strong>)Oberbürgermeisterinder Stadt Mülhe<strong>im</strong> an der RuhrDagmar MühlenfeldJeder dritte Bundesbürger engagiert sich gemäßeiner repräsentativen Umfrage des Bundesministeriumsfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend ehrenamtlich.Es scheint daher sinnvoll zu sein, neben derQualifizierung und Vernetzung des vorhandenenehrenamtlichen Engagements, die Aktivierung derverbleibenden zwei Drittel nicht ehrenamtlich Engagierteranzustreben.Auf dem Weg von einer so genannten ‚Vollkasko-Mentalität’ hin zu einem aktivierenden Staatsverständnis,zu mehr Eigenverantwortung, werdenBausteine, die ein tragfähiges Fundament herstellen,benötigt. Ehrenamtliches Engagement brauchtStrukturen, braucht verlässliche Unterstützung, u. a.durch die Kommune. Eine solche Unterstützungbesteht aus vielen verschiedenen Facetten.Mit dem Centrum für Bürgerschaftliches Engagement(<strong>CBE</strong>) ist in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr eine Institutiongeschaffen worden, die einerseits als Anlaufstelle,für all jene, die sich in den Dienst der Allgemeinheitstellen wollen, dient und die andererseitszwischen jenen, die sich engagieren wollen undjenen, die einen Bedarf für freiwillige Tätigkeithaben, Kontakte vermittelt. Das umfangreicheAngebot des Centrums für Bürgerschaftliches Engagementreicht von der Unterstützung <strong>im</strong> Haushaltüber das ehrenamtliche Engagement in einer Schulbüchereibis hin zum „Corporate Volunteering“, demehrenamtlichen Engagement von Unternehmen, dassich vom traditionellen finanziellen Sponsoringunterscheidet.Eine Kultur bürgerschaftlichen Engagements benötigtneben Strukturen und Unterstützungsangeboten,aber auch einen mentalen Kl<strong>im</strong>awechsel in derGesellschaft, der das ehrenamtliche Engagement alsGrundpfeilern des sozialen Lebens <strong>im</strong> Gemeinwesenangemessen anerkennt. Ehrenamtliches Engagementist mit positiven Effekten verbunden. Sohaben Studien gezeigt, dass Menschen die anderenhelfen, erstens nicht einsam sind oder seltenerunter Einsamkeitsgefühlen leiden, dass sie zweitensweniger anfällig für Krankheiten sind und dass siedrittens viele Erfahrungen, die sie als bereicherndempfinden, sammeln. Bürgerschaftliches Engagementdient insbesondere der Ausbildung sozialerKompetenzen, die auch in anderen Lebensbereichenbishin zur beruflichen Arbeitswelt nutzbar gemachtwerden können.Ein Projekt, welches die Kompetenzen des ehrenamtlichenEngagements nutzen und vertiefen willsowie den Austausch zwischen ehrenamtlichenEngagement und der Berufwelt zu intensivierensucht, ist das Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“.46


Ausgangspunkt n<strong>im</strong>mt dieses Projekt von dem Leitsatzder Enquete-Kommission des DeutschenBundestages, hier heißt es: „Wer Engagement fordert,muss Kompetenz fördern“.Was verbirgt sich dahinter? Das Projekt <strong>„Lernallianz</strong><strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ vermittelte in 94 vom <strong>CBE</strong> organisiertenWorkshops qualifizierendes Wissen mitunterschiedlichen Schwerpunkten an rund eintausendEhrenamtlerinnen und Ehrenamtler.Die wissenschaftliche Begleitung wurde durch dieUniversität Duisburg-Essen übernommen und beinhaltetedie Entwicklung von Lernmodulen, die alsGrundlage für die Workshops verwendet wurden.Mit der Verankerung der durch das Projekt <strong>„Lernallianz</strong><strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ gewonnenen Netzwerkstrukturenist nicht nur ein wesentliches Fundament für dieWeiterentwicklung einer Kultur bürgerschaftlichenEngagements gelegt worden, sondern gleichermaßenein wichtiger Schritt in Richtung zukünftigerFormen praxisnaher Qualifizierung bürgerschaftlichenEngagements mit Blick auf überregionaleD<strong>im</strong>ensionen gemacht worden.Die Qualifizierung bürgerschaftlichenEngagementsMinisterium für Wirtschaft und Arbeitdes Landes Nordrhein-WestfalenTheodor Verhoeven22 Millionen Menschen aller Altersgruppen engagierensich in Deutschland ehrenamtlich. Jeder fünfteBeschäftigte ist neben seinem Beruf auch in einemEhrenamt tätig. Das ist beeindruckend – und machtzugleich deutlich, dass die Rahmenbedingungen fürdie Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt bei unsoffensichtlich st<strong>im</strong>men.Warum also mehr Engagement für das bürgerschaftlicheEngagement? Warum haben wir dasProjekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ mit staatlichenMitteln gefördert?Es gibt Wechselwirkungen zwischen den Veränderungen,die in Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitfestzustellen sind und den Veränderungen, die sichin Freizeitaktivitäten und Ehrenämtern beobachtenlassen.Mehr Flexibilisierung und Mobilität, hohe Fachkompetenzund kontinuierliche Qualifizierung – das sindFaktoren, die sich längst nicht nur auf die Arbeitsweltbeziehen. Sie gewinnen auch für alle Bereiche,in denen bürgerschaftliches Engagement notwendigund erwünscht ist, erhebliche Bedeutung.Wer sich <strong>im</strong> Verein, in einer sozialen Einrichtung, inder Jugendarbeit oder <strong>im</strong> Sport engagiert, der muss<strong>im</strong>mer mehr ein Organisationstalent sein. Geradediejenigen, die ohnehin einen vollen Tagesablaufhaben, sind meist auch in diesen Aufgabenfeldernbesonders engagiert. Familie und Partnerschaft tragendas Ehrenamt mit – sie ermöglichen überhaupterst die freiwilligen Tätigkeiten. Die Vereinbarkeitvon Familie/Partnerschaft und Beruf ist demzufolgeschon eine organisatorische Herausforderung.Die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt ist eineweitere und nicht unerhebliche Frage der Zeitbalanceund des Managements. Studien belegen: Arbeitsorganisation– vor allem aber auch Arbeitszufriedenheitwirken sich nachweislich auch auf bürgerschaftlichesEngagement aus. Das gilt in quantitativemund erst recht in qualitativem Sinne.Moderne Organisationsentwicklung und Personalführungsieht in dem freiwilligen bürgerschaftlichenEngagement von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterneine Schlüsselqualifikation, die positivenEinfluss auf die Einsatzbereitschaft in Unternehmenund Dienststellen bewirkt.Durch bürgerschaftliches Engagement werdenzusätzliche Qualifikationen und Kompetenzenerworben, die ganz offensichtlich der Beschäftigungsfähigkeitdienen – sie fördern und sichern.Zeitmanagement, Organisationstalent, betriebswirtschaftliche,soziale und pädagogische Kompetenzennutzen dem Ehrenamt ebenso wie dem Beruf.47


Für bürgerschaftliches Engagement werden aberauch <strong>im</strong>mer mehr Kompetenzen vorausgesetzt. Mitder sich <strong>im</strong>mer rascher verändernden Gesellschaftsteigen die Anforderungen an soziale und fachlicheKompetenzen. Hierin liegt eine große Herausforderungfür die Weiterbildung. Lebenslanges Lernenbedeutet eben nicht nur kontinuierliche beruflicheQualifizierung – es bedeutet auch Qualifizierung fürdie Teilhabe an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen.Allgemeine Bildung und berufliche Qualifizierungsind <strong>im</strong> System des lebens- und berufsbegleitendenLernens eng miteinander verzahnt. Die Auffassung,wonach Bildung auf die Gesamtpersönlichkeit zielt,Qualifizierung jedoch nur auf die ökonomische Verwertbarkeit,ist nicht zeitgemäß. Ohne eine vielseitigentwickelte Gesamtpersönlichkeit mit hoherEigen- und Sozialkompetenz ist heute wederBeschäftigungsfähigkeit noch bürgerschaftlichesEngagement denkbar.Es ist also durchaus auch <strong>im</strong> Landesinteresse, wennmehr Möglichkeiten geschaffen werden, Kompetenzen,die <strong>im</strong> bürgerschaftlichen Engagement benötigtund erworben werden, zu dokumentieren. Solassen sie sich sowohl für die persönliche als auchfür die berufliche Entwicklung der Bürgerinnen undBürger nutzen.Das Land will die Potenziale ehrenamtlichen Engagementsfür die allgemeine und berufliche Qualifizierungbesser nutzen. Corporate-Citizenship, unternehmerischesBürgerengagement, soziale Unternehmensverantwortung,solche Vorhaben machendeutlich, dass die Möglichkeiten heute bei unslängst noch nicht ausgeschöpft sind. Deshalb sollenbürgerschaftliches Engagement und die damit verbundenenPotenziale für Wirtschaft und Gesellschaftweiterentwickelt werden.Zur Zukunft ehrenamtlicher NetzwerkeProjekt Ruhr GmbHHanns-Ludwig BrauserDas Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ leistet einenwichtigen Beitrag zum Strukturwandel: InnovativeStrukturpolitik mit Ausrichtung auf neue Kompetenzfelderkann nur erfolgreich sein, wenn qualifizierteFachkräfte zur Verfügung stehen. In diesemSinne kann ehrenamtliches Engagement als einwesentlicher Teil der Qualität von Standort angesehenwerden.Wie ist ein Austausch zwischen ehrenamtlich Engagiertenmöglich? Wie kann ein Lernen voneinanderbefördert werden?Informationen zum ehrenamtlichen Engagementkönnen beispielsweise über existierende Internet-Plattformen, die ein sehr offenes Informationsangebotfür den Einzelnen bereit stellen, ausgetauschtwerden.Darüber hinaus ist nach der Auswertung der Ergebnissedes Projektes <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ dieOrganisation einer Konferenz, zu der alle Kommunender Region eingeladen werden sollen, geplant.Die Konferenz soll nicht nur der Diskussion derErgebnisse, sondern ebenfalls der Erörterung undPlanung zukünftiger Entwicklungsmöglichkeitenehrenamtlicher Strukturen in anderen Städten derRegion dienen.Netzwerke sind dann gut, wenn sie in der Kooperationmehr bringen, als jeder Einzelne alleine auf dieBeine stellen kann. Das Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ist erfolgreich durchgeführt worden, geradeweil die einzelnen Akteure, die Universität, das <strong>CBE</strong>und die Stadt, produktiv zusammengearbeitethaben. Die Qualität von Netzwerken zeichnet sichferner durch die Kontinuität des gemeinsamenArbeitsprozesses aus.Opt<strong>im</strong>ale Bedingungen für die Arbeit von Ehrenamtlernund Ehrenamtlerinnen können sowohldurch eine funktionierende Anerkennungskultur alsauch durch situationsbedingte Lernangebote undHilfestellungen ermöglicht werden. Das <strong>Ruhrgebiet</strong>mit seinen Qualitäten, Potentialen und seinerLebendigkeit sollte so genutzt und vernetzt werden,dass daraus eine lebenswerte Region mit einemstrahlendem ehrenamtlichen Engagement wird.48


Auswertungsbericht des Projektes <strong>„Lernallianz</strong>en <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“Universität Duisburg-Essen Dr. Bernd ThunemeyerMit dem Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ sollteeine Situation geschaffen werden, die diejenigenunterstützt, die sich für ihr eigenes Handeln <strong>im</strong> Rahmenvon bürgerschaftlichem Engagement qualifizierenwollen. Dem Leitsatz folgend „Wer bürgerschaftlichesEngagement will, muss Kompetenzenfördern“ wurden aus dem Projekt heraus in denStädten Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen– also in der MEO-Region – mehr als 100 Workshopsdurchgeführt, in denen Lernmodule, die in derAnfangsphase des Projekts unter Hinzuziehung vonExpertinnen und Experten entwickelt wurden, zumEinsatz kamen. Mit diesen Workshops wurden mehrals 1000 Bürgerinnen und Bürger aus dieser Regionerreicht.Es kann nicht überraschen, dass diejenigen Lernangeboteam intensivsten nachgefragt wurden, indenen formales oder organisatorisches Basiswissenvermittelt wurden. Also Workshops zu den ThemenbereichenVereinsrecht, Finanzen <strong>im</strong> Verein, Vereinsmanagement,soziales Marketing, Öffentlichkeitsarbeitund Fundraising. Der Zuspruch zu diesen Veranstaltungenmacht deutlich, dass es einen großenBedarf nach derartigen Angeboten gibt, denn deraufgeklärte Bürger bzw. die aufgeklärte Bürgerinverlangt nach Kompetenzen, die zum Handeln befähigen.In mehr als der Hälfte der Workshops wurden Teilnehmerinnenund Teilnehmern ein Fragebogen, dersowohl geschlossene als auch offene Fragen beinhaltete,vorgelegt:• Eine Auswertung dieser Fragebögen ergibt, dassdie Befragten sich in einer Größenordnung vonüber 85 % positiv sowohl zu den Inhalten als auchzu der Form der Vermittlung äußerten. Der Gradder Zust<strong>im</strong>mung war dann besonders hoch, wenndas Lernmodul so aufgebaut war, dass ausgehendvon einem konkreten Problem, dass dem Alltag <strong>im</strong>Bereich des bürgerschaftlichen Engagements entsprach,in <strong>im</strong>mer weiteren Kreisen Lösungsmöglichkeitenaufgezeigt und diskutiert wurden. DieBefolgung des alten Prinzips des „exemplarischenLernens“ hat sich auch in diesem Zusammenhangals überaus produktiv erwiesen. Wir sind der festenÜberzeugung aufgrund unserer Erfahrungen,dass dieser Weg – der Weg der Ableitung des Allgemeinenaus dem Besonderen – in diesen Lernzusammenhängengenau der richtige Weg ist.Menschen, die sich selbst einbringen wollen in dieAusgestaltung ihrer eigenen Lebensverhältnisse,haben ein großes Interessen an praktischen Kompetenzen.• Über 80 % der befragten Teilnehmerinnen bzw.Teilnehmer gaben an, dass die Teilnahme an diesenVeranstaltungen für sie mit einem großenGewinn verbunden war.• Über 80 % der Befragten gaben an, dass die Veranstaltungenvoll und ganz ihren Erwartungenentsprachen.Im Rahmen der freien Rückmeldungen ist u. a. positivvermerkt worden,• dass es überhaupt ein derartiges Lernangebotgab;• dass dieses Lernangebot jenseits ideologischerbzw. politischer Bindungen angeboten wurde.Immer wieder wurde hervorgehoben, dass dieNeutralität des Centrums für bürgerschaftlichesEngagement in Mülhe<strong>im</strong> und die Universität alsVerantwortliche für die Inhalte hoch geschätztwurden als Garanten für die Bonität des Angebots;• dass durch diese Workshops der Austausch mitanderen erleichtert und unterstützt wurde;• dass durch die Workshops neue Perspektiven auchfür die eigene Arbeit eröffnet wurden;• dass durch die Workshops neues Denken ermöglichtwurde.Summiert man die getroffenen Aussagen, kanngesagt werden, dass mit diesem Projekt für denBereich bürgerschaftlichen Engagements deutlichgeworden ist, was bisher gefehlt hat und wie dieseLücke geschlossen werden kann.Damit komme ich zu der Frage, was aus unserer Perspektivedie Bedingungen für diesen erfolgreichenVerlauf des Projekts gewesen sind.Nach unserer Einschätzung können mehrere Faktorenbenannt werden:• Erstens ist zu nennen, die Kooperation zwischender Universität und dem Centrum für bürgerschaftlichesEngagement in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr.Projekte dieser Art sind <strong>im</strong>mer auf Zeit angelegt.Die zeitliche L<strong>im</strong>itierung der Finanzierung ist einwesentlicher Bestandteil der Projektarbeit undmuss zentral in die Planung der Arbeit einbezogenwerden. Für den Aufbau dauerhafter Strukturensind Kooperationen mit Institutionen notwendig,die nicht vollständig projektfinanziert sind. Inder Vorbereitungszeit für das Projekt war uns klar,dass wir einen Praxispartner benötigen. Einen Praxispartner,der einerseits jenseits ideologischerund politischer Bindungen agieren kann und ernstgenommen wird und andererseits Dauer und Verlässlichkeitverspricht. In der Region MEO kam füruns nur das <strong>CBE</strong> in Frage, denn in Essen bzw.Oberhausen existiert ein derartiges Centrumnicht – hier ist sicherlich von kommunalemNachholbedarf zu sprechen. Das <strong>CBE</strong> kann in seinemSelbstverständnis als Infrastruktur für bürgerschaftlichesEngagement begriffen werden.Das bedeutet, dass <strong>im</strong> Rahmen des <strong>CBE</strong> schnell,unbürokratisch und flexibel reagiert werden kannauf die Entwicklungen und Handlungsnotwendigkeiten<strong>im</strong> Bereich des bürgerschaftlichen Engagements.Darüber hinaus kann über das <strong>CBE</strong> unddessen Präsenz <strong>im</strong> Internet eine Infrastruktur fürInformationen zur Verfügung gestellt werden, ausder sich ein Kristallisationspunkt für die inhalt-49


lichen, organisatorischen und politischen Fragestellungenum die Thematik bürgerschaftlichenEngagements entwickeln wird.• Zweitens ist die Zusammenarbeit mit der Pressezu nennen. Mit unserem Anliegen nach Veröffentlichung– also dem Offenlegen unserer Absichten– haben wir stets Unterstützung gefunden. Oftwar diese Unterstützung verbunden mit dem kritischenHinterfragen von journalistischen Profis,was dem Gesamtprozess nicht geschadet hat.• Drittens ist zu nennen, die Qualität der Expertinnnenund Experten für die Entwicklung der Lernmoduleund die Moderation der Workshops. ImRahmen der Projektarbeit ist es gelungen, für diejeweiligen Themenfelder Expertenwissen einzuwerben.Die sorgfältige Auswahl hat die Grundlagedafür geschaffen, dass die Zust<strong>im</strong>mung nachden Workshops so hoch war.• Viertens ist eine wesentliche Bedingung für dieerfolgreiche Projektarbeit, dass die angesprochenenVertreterinnen und Vertreter von bestehendenOrganisationen, in denen bürgerschaftlichesEngagement zentraler Handlungsgegenstand ist,sich offen für unser Anliegen gezeigt und <strong>im</strong> Rahmenihrer Handlungsmöglichkeiten unterstützthaben. Hier möchte ich besonders hinweisen aufBürgervereine, aber auch auf die Ausländerbeauftragteder drei MEO-Städte, die ganz wesentlichdazu beigetragen haben, dass wir <strong>im</strong> Rahmen derLernallianz so viele Vertreter aus Vereinen ausländischerMitbürger erreicht haben. Das hier relevanteStichwort ist Kooperation. Wir haben vonAnfang an Kooperationspartner in der entwickeltenMEO-Landschaft gesucht und gefunden undKooperationen aufgebaut, die über den Projektzusammenhanghinaus tragfähig sein werden.• Fünftens sei hingewiesen auf das Prinzip derOffenheit für neue Fragestellungen, die sich quasinatürlich aus der Diskussion ergeben haben. Wirhaben Neuland betreten, indem wir auf Klassensprecherzugegangen sind und wir haben regionalNeuland betreten, indem wir auf die regionaleWirtschaft zugegangen sind. In beiden Fällenwaren die Reaktionen positiv. Geholfen hat uns indiesen Zusammenhängen sicherlich die schongenannte Kooperation zwischen Universität und<strong>CBE</strong>. Das Offenhalten für Neues ist sicherlicheines der wesentlichen Merkmale, die ein sachbezogenesManagement auch von Vereinen, diedem bürgerschaftlichen Engagement verbundensind, ausmachen.• Sechstens möchte ich hinweisen auf das Prinzipder Transparenz, dass wir uns <strong>im</strong> Projektzusammmenhangzu eigen gemacht haben. Wir habenüber den gesamten Projektzeitraum hinweg eineSteuerungsgruppe eingerichtet, in der Vertreterder beteiligten Institutionen und der Geldgebereingebunden waren. Auf diese Art und Weisewaren alle wesentlichen Beteiligten informiertüber den Fortgang der Arbeit, konnten auftauchendeProbleme gemeinsam besprechen und fürKlarheit sorgen.• Die wichtigste Bedingung für die erfolgreiche Projektarbeitist jedoch das Zusammenwirken derkonkreten Menschen <strong>im</strong> Projektzusammenhang.Otto Rehagel, der den meisten <strong>im</strong> Raum ja mittlerweileein Begriff sein wird, hat kürzlich – als ernach dem Erfolgsrezept gefragt wurde – gesagt:„Als ich vor drei Jahren kam, hat jeder gespielt wieer wollte; heute spielt jeder so, wie er kann.“Damit ist auf den Punkt gebracht, was in diesemProjekt passiert ist. Eine Gruppe von Individualisten,die sich einer gemeinsamen Sache verbundenfühlen – dem bürgerschaftlichen Engagement alskonstitutivem Element sozialer Existenz – habenes verstanden, <strong>im</strong> Laufe dieser zwei Jahre eineGruppe zu bilden, in der ein jeder nach seinenFähigkeiten agiert zum Wohle der Gesamtgruppe.Dieser Prozess war manchmal mit Irritationenund Verwerfungen versehen, was normal ist. AmEnde jedoch hat es funktioniert. Wir können nichtgenau angeben, warum dies so ist, denn wir stehenselbstverständlich nicht außerhalb von unsselbst; aber uns freut, dass es so ist.Abschließend kann man sagen, wir werden in einigenJahren wissen, ob die Grundsteinlegung für dieInfrastruktur bürgerschaftlichen Engagements <strong>im</strong><strong>CBE</strong> zu einem dauerhaften Ergebnis geführt hat.Dies hängt nicht nur von uns ab, sondern unteranderem auch davon, wie intensiv ehrenamtlichEngagierte diese Infrastruktur in Zukunft nutzenwerden.50


Seminarreihe Vereinsrecht und Vereinsfinanzen für ausländischeVereine in der Region Mülhe<strong>im</strong> – Essen – OberhausenDietmar FischerGrundidee der SeminarreiheIn dem Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 wurdeninsgesamt 14 Kompakt-seminare (mit jeweils 4Unterrichtseinheiten) für ausländische Vereine inden Städten Mülhe<strong>im</strong>, Essen und Oberhausendurchgeführt. Ziel der Seminarreihe war es, diewesentlichen Grundkenntnisse über die rechtlichenund steuerlichen Rahmen-bedingungen eines eingetragenengemeinnützigen Vereins in Deutschlandzu vermitteln.Die Seminare wurden so weit wie möglich direkt vorOrt, d. h. in vereinseigenen Räumlichkeiten durchgeführt.Diese Vorgehensweise diente einerseits dazu,einen Eindruck von der Vereinskultur zu erhalten,andererseits sollte der Leitgedanke „Wir kommen zuIhnen“ zum Ausdruck kommen.ZielgruppeDie Seminare waren auf amtierende und potenzielleVorstandsmitglieder ausgerichtet. Das Angebotwurde überwiegend von kleinen und mittleren (30bis 500 Mitglieder) Kulturvereinen wahrgenommen.Darüber hinaus waren auch Vereine vertreten, derenVereinszweck in der Förderung der Bildung undErziehung, der Religion (Islam), der Völkerverständigung,der Entwicklungshilfe, der Jugendhilfe, desSports oder der Kleingärtnerei besteht.• Organe und Vertreter/innen des Vereins- Mitgliederversammlung- Vorstand- besondere Vertreter/innenSeminar II: Finanzen und Steuern <strong>im</strong> Verein• Der gemeinnützige Verein- Was ist ein Verein/Verband?- Bedeutung und Voraussetzungen derGemeinnützigkeit- Spendenrecht• Steuerliche Tätigkeitsbereiche• Steuerarten und steuerliche Verpflichtungen- Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer,Gewerbesteuer, Lohnsteuer- Steuervoranmeldungen und Steuererklärungen• Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten- Gewinnermittlungsarten undKleinunternehmerregelung- Aufzeichnungspflichten für gemeinnützigeVereine- Buchführung, Inventar und JahresabschlussInteresse, Beteiligung und Mitarbeit der Seminarteilnehmer/innenDie Seminarteilnehmer/innen waren i. d. R. sehrinteressiert und haben sich mit vielen Fragen aktiveingebracht. Durch die Bearbeitung von Anwendungsaufgabenoder Fallbeispielen in kleinen,gleichsprachigen Arbeitsgruppen konnten gelegentlichauftretende Verständigungsprobleme kompensiertwerden. Darüber hinaus wurden durchdiese Workshops schon während des Seminars konkreteUmsetzungs-möglichkeiten für die eigene Vereinspraxiseröffnet.SeminarinhalteSeminar I: Grundlagen des Vereinsrechts• Rechtsgrundlagen für einen Verein- Was ist ein Verein/Verband?- Das Bürgerliche Gesetzbuch- Die Vereinssatzung- Vereinsordnungen• Gemeinnützigkeit- Bedeutung- Voraussetzungen• Rechtsfähigkeit und Haftung- Rechtsfähigkeit des Vereins- Haftung <strong>im</strong> Verein51


Ehrenamtliches Engagement <strong>im</strong> Sportverein: Das Vereins-, Informations-,Beratungs- und Schulungssystem (VIBSS) des Landessportbundes NRWLandessportbund NRW Ulrich van OepenDas Jahr des Ehrenamtes 1993 hatte zum Ergebnis,dass ein starkes Interesse von Vereinen, insbesonderevon Vereinsmitarbeiter <strong>im</strong> Management, an mehrUnterstützung <strong>im</strong> Bereich von Information, Beratungund Schulung vorhanden ist. Vor diesemHintergrund entwickelte der LandessportbundNordrhein-Westfalen unterstützt durch das Ministeriumfür Städtebau, Wohnkultur und Sport das Vereins-,Informations-, Beratungs- und SchulungsSystem,kurz VIBSS, welches als interaktives Kommunikations-und Dienstleistungsnetzwerk einerseits dieWeiterbildung von Führungspersonal <strong>im</strong> Vereinsmanagement,andererseits die Unterstützung bei einerzukunftsorientierten, nachhaltigen Gestaltung desVereinslebens zum Ziel hat.Wie funktioniert VIBSS? Kontakt kann sowohl inschriftlicher Form als auch telefonisch über das Servicecenterdes Landessportbundes aufgenommenwerden. Wie funktioniert jetzt der Zugriff auf dasNetzwerk? Das ist ja auch eins der großen Probleme,was in dieser ausdifferenzierten Landschaft vorhanden– und was ja auch sicherlich ein weiteres Zielder Entwicklung Lernallianz <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> seinmuss – wenn es um die Vernetzung der Kommunenuntereinander in diesem Bereich geht, dass maneinfache Zugänge in diesem Bereich schaffen muss,die in jedem Fall auch das Ziel erreichen. Und dashaben wir darüber realisiert, indem wir gesagthaben, es muss persönliche Ansprechpartner vor Ortgeben, in den Stadt- und Kreissportbünden übereine elektronische Datenbank (www.vibss.de)Zugang zu dem umfangreichen Informationsmaterialdes VIBSS zu erhalten. Die Datenbank bietet nichtnur einen Überblick über das Seminarangebot, sondernebenfalls über 2500 Artikel zum Thema Ehrenamtmit zahlreichen Anregungen zu verschiedenenSchwerpunkten.Die Entwicklung eines bedarfs- und nutzerorientiertenAngebotes berücksichtigt die jeweils zur Verfügungstehenden Ressourcen der Sportverbände und-vereine. Mit verschiedenen Veranstaltungsformenwird den unterschiedlichen Bedarfen Rechnunggetragen. Der Pool von Unterstützungsleistungenumfasst neben Seminaren, Informationsveranstaltungen,Fachvorträgen und Erstberatungen gleichermaßenVorstandsklausuren zur Weiterentwicklungdes Vereinslebens sowie Info-Hotlines, Fachbeiträgefür Internet und Printmedien, Themenforen oderOnlineseminare. Überdies bietet der LandessportbundNordrhein-Westfalen gegen Honorierung beispielsweiseProzessberatung und -begleitung, aberauch Ökoschecks <strong>im</strong> Bereich von Sportanlagen an.Und so ist über diese unterschiedlichen Bedarfe einganzer Pool von unterschiedlichen Unterstützungsleistungenentstanden, Kurz und Gut-Seminare,Infoveranstaltungen, Fachvorträge, Erstberatungen,wir fahren also auch in die Vereine raus – wenn daeine Nachfrage ist. Handlungsfähig wird VIBSSdurch so genannte VIBSS-Repräsentanten, dass sindall die Menschen, die mit dem Landessportbund –überwiegend freiberuflich – zusammenarbeiten unddie als Autoren, Lehrkräfte und Berater zu best<strong>im</strong>mtenThemen und Aufgabenfelder von Sport undSportvereinen tätig werden. Die Beratung durcheinen Experten findet bei einer konkreten Nachfragein den jeweiligen Vereinen vor Ort innerhalbeines überschaubaren Zeitrahmens statt. Basierendauf Lernmodulen, die Grundlageninformationen zugewissen Themen umfassen, bietet VIBSS derzeitachtzehn verschiedene Seminare an:In Veranstaltungen wie „Öffentlichkeitsarbeit <strong>im</strong>Sportverein“ und „Marketing und Sponsoring“ gehtes beispielsweise darum, zu erklären, wie praktischePressearbeit oder Marketing-Management funktioniert,welche Analyse-Instrumente bei der Generierungvon Marketing-Strategien helfen oder wo dieMöglichkeiten und Grenzen von Sponsoring liegen.Das Themenfeld Finanzen umfasst hingegen nebender Vermittlung von allgemeinen Grundlagen überSteuerarten, Aufzeichnungspflicht oder Spendenrecht<strong>im</strong> Sportverein, die Weitergabe des Handwerkzeugsfür den Aufbau eines effizienten Kostenrechnungssystems,dabei werden Möglichkeiten aufgezeigt,mit deren Hilfe die Finanzierung und die Wirtschaftlichkeitder verschiedenen Leistungsangeboteeines Sportvereins kritisch überprüft und gegebenenfallsverbessert werden können.Es werden jedoch nicht nur zum Bereich FinanzenGrundlagenseminare angeboten, sondern gleichermaßenzu Fragen, die die rechtlichen Situationenund Problemen <strong>im</strong> Sportverein ansprechen. Einzusätzliches Vertiefungsangebot für Jugendbetreuer/innenund Übungsleiter/innen widmet sichRechtsfragen, die z. B. die Sorgfalts- und Aufsichtspflicht,das Jugendschutzgesetz, die Haftung undden Schadensersatz betreffen.Aber auch die Zukunft von Sportvereinen ist vonInteresse und wird durch ein Seminar zum Thema„Change-Management“ aufgegriffen. Mit Blick aufden gesellschaftlichen Wandel sollen auf der Grundlagevorhandener Strukturen und Aufgaben vonSportvereinen Handlungsmöglichkeiten für dieGestaltung von Veränderungsprozessen entwickeltwerden.Lust am Ehrenamt heißt auch Lust am Lernen. SpezifischeUnterstützungsangebote und weiterführendeQualifizierungsmaßnahmen können ehrenamtlichesEngagement in Sportvereinen aktivieren und ausbauen.Um Synergien zwischen unterschiedlichenHandlungsfeldern des ehrenamtlichen Engagementszu fördern, erscheint eine Vernetzung von52


Angeboten, die das Hauptaugenmerk auf die Qualifizierungvon ehrenamtlichen Engagement legen,für die Zukunft aussichtsreich.Es geht in der Regel darum, Grundlageninformationenzu einem gewissen Thema zu geben, mit demSchwerpunkt zunächst einmal zu schnuppern, aberauch zu st<strong>im</strong>ulieren, neugierig auf mehr zu machen.Lust am Ehrenamt heißt auch Lust am Lernen undvielleicht dadurch sogar weitergehende Qualifizierungsmaßnahmenbis zu Lizenzen wahrzunehmen.Dass das Ganze vor Ort geschieht, dass es einenüberschaubaren Zeitraum hat – vier Unterrichtseinheiten– und das <strong>im</strong>mer auch eine Anwendungsphasedabei ist, wo sich die Beteiligten <strong>im</strong>mer auchüber Erfahrungsaustausch oder auch über andereAufgaben miteinander austauschen. So und in diesemBereich hat der Landessportbund Nordrhein-Westfalen mittlerweile achtzehn solcher Themenentwickelt, die Sie hier <strong>im</strong> Einzelnen mal aufgelistetsehen. Da kommt gleich noch eine zweite Folie, ichwill diese auch gar nicht <strong>im</strong> Einzelnen durchgehen,es geht ja nur darum in welche Richtung das geht.Für den Sport ist so ein Thema Veränderungsprozesseeinleiten, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit.Finanzen und Steuern, – das haben wir uns konkretherausgesucht, weil wir da eben eine besondershohe Affinität vermutet haben. Diese Angebotewerden vor Ort ganz flexibel angeboten, auf Nachfragehin innerhalb von zwei Wochen organisierbar,und so haben wir es auch in diesem Fall hiergemacht. Rechtsfragen und Finanzen waren die Themendie wir mit ausländischen Vereinen durchgeführthaben. Ich möchte vielleicht noch drei Punktebenennen, die so in die Zukunft gehen, wo ich mirweitere Zusammenarbeit auch vorstellen kann. Einmal,dass wir gemeinsam Angebote entwickelnauch über den Sport hinaus. Ein Thema, das wirüberlegt haben ist Fundraising, also Mittelbeschafffungquasi, was dann auch Aspekte von Spendenund Sponsoring und vielleicht Fördertöpfenumfassen kann, wo man sich sehr gut vorstellenkann, dass da Sportvereinsvertreter und andereEhrenamtsorganisationen an einem Tisch sitzen unddas wir unsere Kurz- und Gut Seminare, die dann inMülhe<strong>im</strong>, Oberhausen und Essen stattfinden durchausauch bewusst für andere Interessierte aus anderenEhrenamtsgruppen öffnen und wir überlegen jaauch eine intensivere Partnerschaft in Zusammenarbeitmit der Online-Plattform, mit einer intensivenVerlinkung und die dann auch entsprechend zubewerten. Ich denke, wenn das so weiter ginge,dann hätten wir hier wirklich hohe Synergien.53


Förderung ehrenamtlichen Erst-Engagements: Klassensprecher-Workshopsin der PraxisJens WatenphulZur Förderung des Erst-Engagements veranstaltetedas Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ zahlreicheeintägige Workshops in verschiedenen Schulen derStädte Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen.Ziel sollte es sein, engagierten Schülerinnenund Schülern durch die Vermittlung von organisatorischenFertigkeiten sowie methodischen Planungshilfendie Arbeit als Klassensprecher zu erleichternund anerkennend zu qualifizieren. Der Aufbau desSeminars orientierte sich an der Konzeption desLernmoduls „Tipps und Werkzeuge für Klassensprecher“.Vorgesehen war die Erarbeitung spezifischer Qualifizierungsmaßnahmendurch den Einsatz der didaktischenMethode des Planspiels. In der Workshop-Praxiswurde die bloße S<strong>im</strong>ulation jedoch um die Vorbereitungeiner faktischen Projektumsetzung in denjeweiligen Schulen ergänzt.Eröffnet wurden die Klassensprecher-Workshopsdurch eine Aufwärmphase, in der die Klassensprecherinnenund Klassensprecher nicht nur ihre Situationals freiwillig Engagierte und die damit verbundenenVeränderungen in ihrer persönlichen Lebensweltreflektierten, sondern in der sie sich gleichermaßenüber ihre bisher gesammelten Erfahrungenaustauschten. Dem Erfahrungsaustausch schlosssich die Erläuterung der Bedeutung eines funktionierendenKlassenkl<strong>im</strong>as an. Generell hängt dieerfolgreiche Projektarbeit einer Klasse vom Grad derSolidarität der Schüler untereinander bzw. von derBereitschaft der Schüler sich untereinander ausssprechenzu lassen und miteinander arbeiten zuwollen, ab. Das Gespräch war mit der Einsicht verbunden,dass Klassensprecher durch einen fairenUmgang, kompromissbereite Kommunikation undKonfliktvermeidung zu einer harmonischen Atmosphärein der Klasse beitragen und gleichzeitig fürihre Tätigkeit unterstützenden Rückhalt gewinnenkönnen.In einem zweiten Schritt überlegten sich die Schüler,was sie für ihre Klasse und Schule leisten könnenund welche Projekte und Ziele sie in ihrem Alltag alsKlassensprecher real umsetzen wollen. Vorschlägewie z. B. die Organisation einer Schulparty, die Veränderungsozialer Probleme oder die Neugestaltungeines Klassenraumes wurden mit klassischenMethoden, wie z. B. Zettel an der Wand oderClustern, präsentiert. Die sich anschließende Diskussionund Bewertung der Vorschläge ermöglichtedie Auswahl einer Alternativen. Mit Blick auf dasgemeinsam Ziel entwickelten die Schüler eine Mind-Map, die der Bündelung von Arbeitspaketen und derZuordnung von Verantwortlichen diente. GegenEnde der Veranstaltung stand ein strukturierter Projektplanund in der Regel auch eine AG, die sich mitder praktischen Umsetzung in der Realität befassensollte, fest.Die Abschlussrunde der Klassensprecher-Workshopsbot den Schülern abschließend noch einmal dieMöglichkeit sowohl den Lernprozess zu reflektierenals auch Kritik an der Veranstaltungsform zu übenoder Verbesserungsvorschläge für einen opt<strong>im</strong>alenAblauf des Seminars zu geben.Sowohl die Erfahrungen mit den Workshops alsauch die Auswertung eingesetzter Fragebögen,zeigte deutlich, welch hohe Lernbereitschaft undFreude an der freiwilligen Tätigkeit bei Klassensprecherinnenund Klassensprechern vorhanden sind.Eine kooperative Lerngemeinschaft stärkt nicht nurdie Position des Einzelnen, sondern schafft Raum fürgemeinschaftliches Handeln.54


Corporate Volunteering: Ein Unternehmer in der Drogenhilfe.Erfahrungsbericht eines einwöchigen EinsatzesBäckerei Hemmerle Peter HemmerleIm Oktober 2003 lud Frau Dagmar Mühlenfeld,Oberbürgermeisterin der Stadt Mülhe<strong>im</strong> an derRuhr, einige Unternehmer zu einer Tagung insSchloss Broich ein, um das Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong><strong>Ruhrgebiet</strong>“ vorzustellen. Ziel des Projektes solltedie Zusammenarbeit zwischen der Stadt, dem Centrumfür bürgerschaftliches Engagement (<strong>CBE</strong>) undden jeweiligen Unternehmen sein. Statt der traditionellenSach- oder Geldspende wurde eine aktiveMitgestaltung von Seiten der Unternehmen, diedurch die Kommune unterstützt und durch dieMedien begleitet werden sollte, nachgefragt.Für ein Unternehmen stellt sich zunächst die Frage,warum sollen wir uns an solchen Aktivitäten beteiligen?Erstens glauben wir persönlich, dass ein Unternehmenin unserer Gesellschaft eine soziale Aufgabehat und jeder Unternehmer sollte diese auch <strong>im</strong>Rahmen seiner Möglichkeiten wahrnehmen. Zweitensglauben wir, dass die Unternehmenskultur –sprich das Betriebskl<strong>im</strong>a – in den Unternehmen,wenn ein Betrieb sich sozial engagiert, sicherlichein besseres ist. Und drittens glauben wir, dass Kundensich mit solchen Betrieben eher identifizieren,was für den Gesamtbetrieb sicherlich einen Erfolgdarstellt.Nach mehreren Gesprächen mit dem <strong>CBE</strong>, der Stadtund der AWO wurde das Projekt „Seitenwechsel“ fürden 3. bis 8. Mai 2004 geplant. Als Bäckermeistereines in dritter Generation erfolgreich geführtenFilialenunternehmens in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhrwechselte ich für eine Woche die Seiten undgewann an der Seite von Frau Neumann, der Leiterinder Drogenberatungsstelle in Mülhe<strong>im</strong>, einen Einblickin alle Bereiche der Drogenhilfe der AWO,angefangen bei der Drogenberatungsstelle über dasbetreute Wohnen und dem Cafe Light bis hin zurdrogenmedizinischen Ambulanz, womit das Methadonprogrammgemeint ist.Zur Zeit gibt es in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr circa 450erwachsene Drogenabhängige, die sich in die Hilfeder AWO begeben haben. Von diesen circa 450 Drogenabhängigenwerden 80 <strong>im</strong> Methadon-Programmbegleitet, werden also substituiert. Die Dunkelzifferwird sicher um ein Vielfaches höher sein.Nach einem Empfang durch Frau Zwilling, der Abteilungsleiterinder AWO, half ich am ersten Tag, einemMontag, von 10.30-17 Uhr <strong>im</strong> Cafe Light, einem Cafefür Drogenabhängige, mit. Die Hausregeln des CafesLight untersagen strikt den Konsum von Drogenoder Alkohol. Abhängigen wird dort die Möglichkeitgeboten sauberes Spritzenmaterial zu erhalten undgebrauchte Materialien abzugeben. Zusätzlichbesteht die Möglichkeit kostenlos Kondome zubekommen. Außerdem werden <strong>im</strong> Cafe LightGetränke und Essen zu sehr günstigen Preisen angeboten.Für viele – wenn nicht sogar die meistenAbhängigen – ist der Aufenthalt in diesem Cafe dereinzige Zeitvertreib.Filme wie Bahnhof Zoo vermitteln eine gewisse Klischeevorstellungvon Drogenabhängigen <strong>im</strong> Endstadium.Überraschend war aus diesem Grund dieErfahrung hübsche junge Frauen und Männer, diegut gekleidet, höflich und freundlich sind, kennen zulernen. Ich erinnere mich an eine junge Frau, diebest<strong>im</strong>mt fünfzehn gebrauchte Spritze abgab undneue anforderte. Auf meine Frage an Frau Neumann,ob es sich bei den fünfzehn gebrauchtenSpritzen um das Material von einem Monat handelnwürde, antwortete mir Frau Neuman, dass es sichbei der jungen Frau um eine Abhängige handelnwürde, die jeden zweiten Tag das Cafe besucht. SolcheEindrücke nehmen einen nicht nur mit, sondernbleiben in der Erinnerung haften.Bis siebzehn Uhr half ich <strong>im</strong> Cafe Light aus, anschließendbegleitete ich Streetworker bei ihrer Arbeit.Be<strong>im</strong> Streetwork besuchen Sozialarbeiter der AWOgewissen Stellen, von denen sie wissen, dass sichdort Drogenabhängigen aufhalten und Drogen undAlkohol konsumieren. Ich erinnere mich in diesemZusammenhang an eine Mutter an der Ruhr, derenKinderwagen voller Spritzen lag. Der erste Tag wargegen zwanzig Uhr zu Ende.Der zweite Tag begann um neun Uhr mit einemTreffen in der Drogenberatungsstelle. Nach einemGespräch mit Frau Neumann über die Erlebnisse desVortages begleitete ich die Sozialarbeiterin FrauRhon <strong>im</strong> Bereich betreutes Wohnen. Drogenabhängige,die aufgrund ihrer Abhängigkeit nicht mehr inder Lage sind, die alltäglichsten Dinge zu bewerkstelligen,wie z. B. die Post zu bearbeiten, werdenvon Sozialarbeitern in ihren eigenen Wohnungenbetreut. Ich lernte einen Klienten des betreutenWohnens durch ein Gespräch näher kennen undbesuchte ihn anschließend in seiner Wohnung. DerEindruck der sich mit darbot, lässt sich nicht mitdem Wort wohnen, sondern vielmehr mit dem Worthausen beschreiben.Anschließend nahm ich am Dienstag Nachmittag abvierzehn Uhr noch mal <strong>im</strong> Cafe Light an so genanntenfreizeitpädagogischen Maßnahmen teil, waskonkret bedeut, das ich mit den Jungs Tischtennisgespielt habe.Während am Montag ein erstes Beschnuppern zwischenden Klienten und mir stattfand, hatte sich amDienstag die Atmosphäre bereits etwas verbessert.Am Mittwoch trafen wir uns erneut um neun Uhrund arbeiteten die Erlebnisse des Vortages auf.Danach wurde mir von Frau Keil die Drogenberatungsstellegezeigt und erklärt was dort passiert.55


Wenn ein Drogenabhängiger sich in die Hilfe derAWO begibt, ist das die erste Anlaufstelle, dort werdenalso die Gespräche geführt und auch Sozialberichteerstellt. Bis fünfzehn Uhr hatte ich dort u. a.die Möglichkeit einige Sozialberichte von Klientenzu lesen, die mich teilweise sehr erschrocken haben.Zwei Drittel der Abhängigen kommen aus zerrüttetenFamilienverhältnissen, in denen teilweise Brutalität,Drogenkonsum und Alkoholmissbrauch zumAlltag gehörten. Diese Sozialberichte haben michsehr beschäftigt, womit dann auch der Mittwochbeendet war.Am Donnerstag trafen wir uns, wie jeden Tag, umneun Uhr und arbeiteten meine Fragen des Vortagesauf. Um zehn Uhr ging ich dann zur drogenmedizinischenAmbulanz des Gesundheitsamtes, die Dr.Rösinger betreut und verantwortlich leitet. DasMethadonprogramm muss man sich folgendermaßenvorstellen: Methadon ist eine Ersatzdroge fürHeroin oder LSD, also für harte Drogen. Der Klient istdurch die Einnahme von Methadon wieder in derLage, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.Nach den Aussagen von Dr. Rösinger ist Methadon,selbst wenn man es bis an sein Lebensende n<strong>im</strong>mt,körperlich nicht schädlich. Jeden Morgen kommendie Abhängigen und nehmen ihre Dosis in Tropfenmit Flüssigkeit zu sich. Ein Milligramm würde unsals Gesunde schon ins Koma versetzen. Dort lagendie Dosen aber zwischen siebzig und hundert Milligramm.Nach allem was ich dort gesehen habe,halte ich das Methadonprogramm für sehr wichtig.Es ist zwar eine Ersatzdroge, aber zieht keine anderenkörperlichen Nebenwirkungen nach sich. Hinzukommt, dass eine parallel konsumierte Drogen,Heroin zum Beispiel, keine Wirkung hat, d. h. alsodas Heroin seine Wirkung verliert, wenn jemand <strong>im</strong>Methadonprogramm ist. Erschreckend ist nur dabei,dass viele also nebenher trotzdem noch andere Drogenkonsumieren, aber nicht wegen der berauschendenWirkung, sondern es setzt irgendwann beiDrogenabhängigen ein Prozess ein, in dem sie ihrenKörper wieder spüren wollen. Das fängt damit an,dass die Spritzen absichtlich neben die Vene gesetztwerden oder dass Drogen gemixt werden, obwohlsie wissen, dass diese unverträglich sind. Ich habemit Frau Neumann ein langes Gespräch darübergeführt, was passiert, wenn Drogenabhängigedurch Beschaffungskr<strong>im</strong>inalität inhaftiert werden.Im Vollzug wird sogar gespritzt mit Kugelschreiberminen.Ich habe es mir auf Bildern angesehen. Essieht schaudernd aus. Das war der Donnerstag.Freitag wurden offenen gebliebene Fragen erörtert.Mittags fand die Pressekonferenz mit Antenne Ruhrstatt.hatte ich die Möglichkeit Lebensläufe aus dem eigenenMund zu hören und es war schon erschreckend,was dort passiert ist.Fazit dieser eindrucksvollen Woche ist, dass die Drogenhilfein Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr außerordentlichwichtig ist. Für mich persönlich habe ich aus dieserWoche mitgenommen, dass ich, wo ich nur kann, obhier, woanders, <strong>im</strong> privaten Bereich, <strong>im</strong> Sportverein,<strong>im</strong> Betrieb, dafür sorgen werde, dass dieses Projektweiter Zukunft findet und dass ich das ehrenamtlicheund soziale Engagement, was ich dort erlebthabe, unterstützen werde. Es ist sehr wichtig, dasssolche Projekte, wie das Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong><strong>Ruhrgebiet</strong>“, auch in Zukunft fortgesetzt werden.Am Samstag bin ich freiwillig noch einmal <strong>im</strong> CafeLight gewesen und habe den Jungs Kuchen undbelegte Brötchen mitgebracht. Samstag war es so,dass ich mich eigentlich gar nicht loseisen konnteaus dem Cafe, weil jetzt plötzlich eine Vertrauensbasisda war, auf der man sprechen konnte. Vorherhabe ich die Sozialberichte gelesen – am Samstag56


Bürgervereine als Motoren bürgerschaftlichen Engagements?Hille RichersIm Rahmen des Projektes <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“habe ich als Referentin des Workshops „Bürgervereineund Ehrenamtliche“ mit einem weitenSpektrum von Vereinen gearbeitet: Sehr alte Bürgervereinemit einer über hundertjährigen Traditionund neuere, die sich in den siebziger und achtzigerJahren gegründet hatten. Der größte Verein hatteüber tausendeinhundert Mitglieder, der kleinstesechzig. Was jedoch ähnlich war, waren die satzungsmäßigenZielsetzungen der Bürgervereine, wiez. B. der Einsatz für öffentliche Interessen des Stadtteils,die parteipolitische und religiöse Neutralität,der Schutz des Brauchtums oder Denkmalschutzesund die Zusammenarbeit mit anderen Organisationenund Vereinen.Gemeinsam mit den Vereinen sollte zunächst herausgefundenwerden, zu welchen Themen und Fragenein Interesse an Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmenvon Seiten der Bürgervereinenbesteht?Durch die persönlichen Kontakte von Herr Hübner,Vorstandsmitglied des <strong>CBE</strong> und selber langjährigerVorsitzender des Bürgervereines in Mülhe<strong>im</strong>-Dümpten,war es möglich, zunächst einen so genanntenSchnupperworkshop, also ein Zusammentreffen mitanderen Mülhe<strong>im</strong>er Vereinen, zu veranstalten. DerSchnupperworkshop bot nicht nur Raum, um dieerste Skepsis zu überwinden, sondern eröffneteebenfalls die Möglichkeit sich gegenseitig besserkennen zu lernen und gemeinsam die relevantenFragestellungen zu definieren. Als Ergebnis desSchnupperworkshops ergab sich die Leitfrage: „Wiegewinnen wir neue und aktive Mitglieder“? Geradezu diesem Zeitpunkt war durch die Mülhe<strong>im</strong>erPresse gegangen, dass ein Bürgerverein sich aufgelösthatte, weil es nicht möglich war, die Vorstandspostenzu besetzen. Daneben existieren sehr vieleVereine, die sehr stark durch die ältere Generationgeprägt sind. Neben der Festlegung der Fragestelllungwurde <strong>im</strong> Schnupperworkshop vereinbart, dassdas Qualifizierungsseminar für jeden Verein einzelnangeboten werden soll.Die Konzeption des Fortbildungsworkshops sah fürdie Suche nach neuen Wegen und Schritten dieBerücksichtigung der besonderen Situation desjeweiligen Vereins vor. Trotz individueller Vorgehensweisebasierte der Workshop auf einem rotenFaden, der sich durch die gesamte Workshop-Reihezog. Unter der Leitfrage, wie gewinnen wir neue undaktive Mitglieder, wurden zum Einstieg Fragen auseiner fremden Perspektive erörtert (z. B.: Wie wirdeigentlich bisher gearbeitet? Wie arbeiten Sie?).Über diese Fragen gerieten die Anwesenden ineinen Dialog über ihre Ziele, über ihre Arbeitsverteilungund auch über ihre Außenwirkung. Als zweitesbrachte ich meist Beispiele von Erfahrungen inanderen Organisationen mit in das Gespräch ein. Ineinem dritten Schritt ging es darum, was die Bürgervereinekonkret umsetzen wollen. Manche Vereinehatten sich einen ganzen Tag, also sechs Stundenfür die Veranstaltung Zeit genommen. Andere Vereinebegnügten sich mit einem dreistündigen Workshop.Abseits der normalen Tagesordnung wurdeaber auch die Frage, wozu arbeiten wir eigentlichzusammen und was ist daran richtig, thematisiert.In diesem Zusammenhang wurden die Vereinsideenund die Ziele noch einmal neu hinterfragt.Im Verlauf der Workshops konnte man feststellen,dass sich die anfängliche Skepsis gegenüber einemsolchen Workshop eher in Neugierde und Offenheitverwandelte. Darüber hinaus schuf der Workshopdurch die Moderation eines unparteiischen DrittenEntlastung in Vereinen, die durch vereinsinterneSpannungen gekennzeichnet waren. Ein weitererwichtiger Punkt war ferner, die Klärung des Selbstbildes,die mit den folgenden Fragen verbundenwar: „Wie offen sind wir wirklich? Wie attraktiv istes in unserem Bürgerverein mitzuarbeiten und sindunsere Ziele überhaupt erkennbar für die Außenwelt?Wie transparent gestalten wir unsere Arbeit?Haben wir vielleicht Postenfesthalter, die die Integrationvon neuen, motivierten Mitgliedern behindernund ähnliches?“ Letztlich haben die Workshopsteilweise auch dazu gedient, die vorhandene diffuseUnzufriedenheit in konkrete Ziele und Schritte zuverwandeln.Bürgervereine können Motoren sein. Es sind sehrgroße Ressourcen, selbstbewusste und mündigeBürgerinnen und Bürger mit genauer Ortskenntnis,mit großem historischen Wissen über Besonderheitenvon Stadtteilen, mit einem breiten Erfahrungssspektrum,wie man beispielsweise Feste organisiert,vorhanden. Es existiert eine Vielzahl von Bürgerinnnenund Bürger, die sich Zeit nehmen für ihr Engagementund die in ihre ehrenamtliche Tätigkeit ihreganze Fachkompetenz einbringen. Menschen dieandere zu ehrenamtlichen Engagement vor Ortbegeistern und anstiften können.Zum zweiten sind Bürgervereine Organisationen, dieein Stück He<strong>im</strong>at und Zugehörigkeit bieten.Sie ermöglichen einen Weg aus der Anonymität hinzu einem gemeinsamen Miteinander, das keine religiösenoder parteipolitischen Grenzen kennt. Bürgervereineeröffnen Felder für sinnstiftende Tätigkeiten,für die ein großer Bedarf besteht.Letztlich sind Bürgervereine in Zeiten der fortschreitendenGlobalisierung handlungsfähige, lokaleAkteure, die die Lebensbedingungen vor Ort für Kinder,Jugendliche, Erwachsene, Familien und alteMenschen, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinn-57


nen und lokale Arbeitgeber <strong>im</strong> Blick haben, weil sienämlich dort mitarbeiten. Lokale Akteure die erfahrbarmachen, dass man nicht ohnmächtig einer großenPolitik ausgeliefert ist, sondern dass man dieDemokratie auch mitgestalten kann.Was gehört eigentlich zu einem Motor? Was ist daseigentlich und wie kann die Metapher des Motorsauf Bürgervereine übertragen werden?Erst einmal ist da die Elektrik, Anlasser und Zündkerzen.Bürgervereine können aktuelle, zündendeAnlässe und Ärgernisse aufgreifen. Sie leben vonFesten und von Konflikten, denn daran zeigt sich,dass es sich lohnt zusammenzuarbeiten.Dann ist bei einem Motor die Verbrennung, Kolbenund Kurbelwelle, wichtig, also das, was dauerhaftarbeitet. Bürgervereine <strong>im</strong> Unterschied zu punktuellenBürgerinitiativen zeichnen sich aus durchihren langen Atem und ihr dauerhaftes Engagement.Allerdings ist es oft bei dauerhaftem Engagementnotwendig, dass sie ein breites Programm entwickeln,dass sie verschieden Interessen <strong>im</strong> Stadtteilwiderspiegeln und dass sie dieses Programm auch<strong>im</strong>mer wieder erneuern. Und genau an diesen Fragenwerden Konflikte deutlich, weil das mehr oderweniger gut gelingt.Zu einem Motor gehört weiterhin die Schmierung.Die Bürgervereine können zentrale Motoren sein fürein wachsendes Netz, für eine persönlich geprägteöffentliche Beziehung. Das ist etwas ganz anderesals private Freundschaften und auch etwas anderesals schmieriges Vitamin B. Gemeint ist jener Typ vonöffentlicher Beziehung, der ermöglicht, dass überPartei-, Milieu- und Religionsunterschiede hinweg,gemeinsames Handeln für gemeinsame Interessenmöglich wird – geradeso wie das in den Satzungenvon Bürgervereinen vorgesehen ist.Als letztes gehört zum Motor die Kühlung, der Ventilator.Die Bürgervereine laufen gut, wenn sie esschaffen, offen zu bleiben. Offen für neue, für zugezogeneMenschen, für Menschen aus anderenMilieus, wenn sie mit anderen Organisationenkooperieren und wenn die Erfolge der Arbeit sichtbarsind.Bürgervereine die Motoren sind, brauchen einenqualifizierten Kundendienst. Die Workshops des Projektes<strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ haben in diesemZusammenhang einen ersten Schritt in die richtigeRichtung gemacht. Ich bin überzeugt davon, dass essich lohnt, gemeinsam mit den Bürgervereinen undvielleicht auch anderen lokalen Organisationen weitereBausteine zur Organisation, Unterstützung undBegleitung dieser wichtigen Vor-Ort-Arbeit des bürgerschaftlichenEngagements zu entwickeln.Podiumsdiskussion„Wie weiter mit dem bürgerschaftlichenEngagement in Mülhe<strong>im</strong> an derRuhr, Essen und Oberhausen?“Frau Beate Kowollik: Jetzt sollten wir mit unsererNachmittagsveranstaltung beginnen.Erst einmal möchte ich Sie recht herzlich begrüßenhier in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr Ich finde es ganz toll,dass Sie gekommen sind, um mit uns über bürgerschaftlichesEngagement zu diskutieren. Sie habenja heute morgen schon eine ganze Menge erfahren.Sie haben gehört, welches Engagement hier <strong>im</strong><strong>Ruhrgebiet</strong> gerade in der Region Essen, Mülhe<strong>im</strong>,Oberhausen stattfindet. Sie haben positive Beispielegehört, wenn ich da zum Beispiel an den Klassensprecherdenke oder auch an den Bäcker, der heutemorgen doch sehr eindrucksvoll erzählt hat, wasbürgerschaftliches Engagement für ihn bedeutet,auch für das Unternehmen, aber natürlich auch fürdie Gesellschaft und um so erstaunlicher finde icheigentlich, dass dieses bürgerschaftliche Engagement<strong>im</strong>mer noch nicht – weder in der Gesellschaft,noch bei den Unternehmen, noch bei vielen Kommmunalpolitikern,noch bei vielen Politiker auch <strong>im</strong>Land – nicht genügend Anerkennung und nichtgenügend Beachtung findet und deshalb finde ichdas noch interessanter heute Nachmittag darüberzu diskutieren, wie kann dieses bürgerschaftlicheEngagement denn unterstützt werden? Wie kann esweiter nach vorne gebracht werden und vor allemDingen, was wir heute ja auch ganz oft gehörthaben, es muss qualifiziert und es muss unterstütztwerden und darüber wollen jetzt diskutieren.Und Grundlage dieser Diskussion werden Thesensein, die Reinhild Hugenroth von der Uni Duisburg-Essen uns jetzt vortragen wird.Reinhild Hugenroth: Vor einem Jahr haben wir unserProjekt Lernallianzen <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>, bürgerschaftlichesEngagement, dargestellt. Heute können wireinige Ergebnisse präsentieren: Wir haben viel erlebtinnerhalb dieses Prozesses in den drei Städten Mülhe<strong>im</strong>an der Ruhr, Essen und Oberhausen. Wir sindnäher zusammengerückt, was das bürgerschaftlicheEngagement betrifft – das können Ihnen die Vertreterder Städte gleich selbst erläutern. Hier nun einigeThesen, die illustrieren, dass wir ein Stück weitergekommen sind, <strong>im</strong> Bestreben Erfolgsstrategien zuverfolgen, um das bürgerschaftliche Engagement zuaktivieren und zu qualifizieren:• Bürgerschaftliches Engagement professionellunterstützen.Bürgerschaftliches Engagement muss durch fachkundigeBegleitung, Beratung und Bildungsangeboteprofessionell unterstützt werden. Es ist eineInvestition in die Selbstorganisationskraft derGesellschaft.• Bürgerschaftliches Engagement in der ganzenBreite sichtbar machen.58


Die ganze Breite des bürgerschaftlichen Engagementsist noch nicht sichtbar. Gute Beispiele sollteman noch besser darstellen, denn sie laden zuNachahmung ein. Habe Sie heute morgen nichtauch gespürt, dass es Lust macht sich bürgerschaftlichzu engagieren?• Qualifikation schafft Motivation.Lust und Frust für bürgerschaftliches Engagementliegen nah beieinander. Die Frustrationstoleranzkann durch Qualifikationsangebote für bürgerschaftlichesEngagement erhöht werden. Frustrationenbleiben auch dann aus, wenn ich weiß, wieich mich geschickter und besser engagieren kann.• Einmischung erwünscht.Wir leben mit einer hochpolitischen Politikverleumdunggrade junger Menschen, so die Problemformeleines Kongresses. Partizipation mussjungen Menschen ermöglicht werden, insbesondereauch auf kommunaler Ebene. Die Teilhabe isthier konkret umsetzbar. Wie Studien zeigen, sindjunge Menschen hoch interessiert sich zu engagierenund das muss gefördert werden.• Kompetenz fördern und fordern.Die Bereitschaft zum Engagement hängt nichtvom Bildungsniveau ab. Dies zeigte die Erfahrungmit den Workshops für Klassensprecher, zum Beispielin den Hauptschulen. Hier trafen wir aufunglaublich engagierte Jugendliche, die allerdingsauch froh über eine Unterstützung waren. Kompetenzfordern, kann man nur, wenn man bereitist, sie zu fördern. Heute morgen hatten wir dasgute Beispiel der Gustav-Heinemann-Gesamtschulevon Frau Becker.• Bürgergesellschaft aktiv vernetzen.Es wird noch zu wenig vernetzt in der Bürgergesellschaft.Wir brauchen nicht nur Macher, sondernauch Makler und Mittler. Es muss Menschengeben, die gute Ideen zu guten Projektpartnernbringen, sei es in die Wirtschaft oder auch Verbändeund Institutionen.• Rein in die Mitte der Gesellschaft.Das bürgerschaftliche Engagement muss raus ausder engen Nische und rein in die Mitte der Gesellschaft.Es ist relevant für alle Teile der Gesellschafteinschließlich der Wirtschaft.• Dominoeffekte nutzen.Ein kleiner Anstoß genügt häufig für ein langfristigesEngagement. Es muss Klick machen, damitein Engagement mir und der Gesellschaft Sinngibt. Bürgervereine können mehr als Maibäumeaufstellen. Sie sind <strong>im</strong> Viertel präsent, kennen dieProbleme und Hoffnungen <strong>im</strong> Quartier – FrauRichers hat das heute morgen sehr anschaulichdargestellt.• Unternehmer als Bürger sehen.Den Unternehmen muss man helfen Gutes zutun. Mit adäquater Ansprache und guten Ideenfür ein Engagement kann man noch sehr vieleUnternehmen davon überzeugen, sich als guterBürger zu engagieren und ihre Potentiale, Kompetenzen,Know-How etc. in die Bearbeitung gesellschaftlicherProblemstellungen einzubringen. Aufgut neudeutsch heißt das corporate citizenship.• Würdigung und Wertschätzung.Die Anerkennungskultur bleibt eine öffentlicheAufgabe, d. h. eine Aufgabe der Politik undgewählter Repräsentanten – so verstehen wirjetzt auch hier Ihren Besuch bei einer Abschlusskonferenz.Es ist das ureigenste Interesse derGesellschaft bürgerschaftliches Engagement zuunterstützen. Es ist eine strategische Weichenstellung,dass die Staatskanzlei diese Aufgabeübernommen hat.Applaus.Kowollik: Ja, vielen Dank Frau Hugenroth. Wir habenja jetzt schon einige Thesen gehört und vor allenDingen, was ich sehr gut fand, Einmischungerwünscht, das ist natürlich auch das, was wir vonIhnen gleich wünschen. Also, machen Sie sich schonmal Notizen, wenn Sie Fragen haben, wenn SieAnregungen haben, wenn Sie vielleicht Ideen haben,denn, wenn Ministerpräsident Peer Steinbrück jetztzu uns reden wird, wird er uns ja auch darstellen,wie das Land sich vorstellt vielleicht, dieses bürgerschaftlicheEngagement zu unterstützen und fallsda Fragen aufkommen, gleich in der Diskussionkönnen wir die sicherlich lösen.Und damit begrüße ich den Ministerpräsident PeerSteinbrück.ApplausRede Ministerpräsident Steinbrück, siehe Anlage.Kowollik: Wir wollen diese Runde jetzt ein bisschenvergrößern, wir wollen ja miteinander diskutierenund deshalb begrüße ich jetzt auch Dagmar Mühlenfeld,Oberbürgermeisterin hier aus Mülhe<strong>im</strong> ander Ruhr, vielleicht nehmen Sie hier neben Platz,dann möchte ich gerne nach oben bitten KlausWehling, Bürgermeister von Oberhausen, dannmöchte ich Prof. Pankoke von der Uni Duisburg-Essen nach oben bitten und Prof. Zechlin, Rektor derUni Duisburg-Essen und Dr. Oliver Scheytt, Kulturdezernentder Stadt Essen. Während sich der letztePodiumsgast noch setzt, fällt mir grade ein, Siehaben grade gesagt, Sie haben den Daumen dadrauf, wenn man an Geld will. Wie kommt denn beiIhnen an Geld ran? Nach welchen Kriterien sortierenSie denn aus?59


MP Steinbrück: Indem man mir schlicht und einfacheinen Brief schickt. Jeder Brief, der namentlich anmich adressiert wird, kommt auf meinen Schreibtisch.Die meisten Menschen in NRW haben den Eindruck,da sitzt vor meinem Büro so eine Art Zerberusund sortiert diese ganzen Briefe aus, dass ist definitivnicht der Fall. Die sortieren nur anonyme Briefeund Heiratsanzeigen aus.Kowollik: Aber dennoch werden Sie Kriterienhaben?MP Steinbrück: Ja, sicher, man setzt sich dann mitdenen in Verbindung und findet heraus, wo ist dieNot und berichtet mir, welchen Eindruck hat man,aber ich habe in dem Sinn keine Vergabekriterien,weil ich da völlig flexibel sein möchte. Der normaleund bisherige Weg ist derjenige gewesen, dass ichtatsächlich viele Einrichtungen besucht und dannbin ich da wieder weggefahren und dann habe ichdafür Sorge getragen, dass die anschließend Geldgekriegt haben, um das in Gang zu bringen, was siegerne wollten.Kowollik: Wird denn alles ausgeschöpft? Dasgesamte Geld, was Sie zur Verfügung stellen?MP Steinbrück: Ja, glauben Sie, dass ich dem FinanzministerHaushaltsreste überlasse? Nö, ich war malselber Finanzminister.Kowollik: Prof. Pankoke, wir haben ja heute morgenüber Lernallianzen gesprochen, würden Sie sagen,mit den Lernallianzen haben Sie das Ziel erreicht,was Sie erreichen wollten?Prof. Dr. Pankoke: ...die stehen oft vor schweren Problemenund da können diese Menschen (nicht, dasswir da als Uni da hereinreden, sondern wir könnenvermitteln und moderieren) da können sie sozusagenwechselseitig von Vereinen, die Kompetenzerfahrunghaben, diese Kompetenz etwa auch <strong>im</strong> Austausch,in Begegnung,übernehmen. Also, Lernallianzenist eine Netzwerkstruktur der Bürgergesellschaft<strong>im</strong> Sinne von Teilen des Wissens.Kowollik: Und das hat ja auch unhe<strong>im</strong>lich gut funktioniert,wie Sie heute morgen ja ziemlich gut darstellenkonnten.Prof. Dr. Pankoke: Das hat funktioniert, das hatfunktioniert, das hat Begegnungen gegeben, desAustausches von Kompetenzen und heute morgenhaben wir gehört, dass die Sportvereine, die ganz fitsind <strong>im</strong> Umgang mit Geld und Recht und die Ausländervereine,die sich schwer tun mit und vor großenAufgaben stehen, da haben die Sportvereineden Ausländervereinen beigebracht in einer Lernallianz,wie man das macht, mit Steuern und mit Rechtund mit Geld.Kowollik: Und um das weiterzuführen, was ist dazunotwendig?Prof. Dr. Pankoke: Um das weiterzuführen ist es notwendig,diese Anfänge aufzugreifen und dazu beizutragen,dass dieses Netzwerk, was wir geschaffenhaben, keine Eintagsfliege bleibt, sondern sich aufDauer stellt.Kowollik: Wie stellen Sie sich das vor?Prof. Dr. Eckart Pankoke: Das Ziel sind nicht die Lernallianzen,die Lernallianzen sind der Weg...Kowollik: ... richtig ...Prof. Dr. Pankoke: Die Lernallianzen sind der Wegund das Ziel ist, dass unsere Gesellschaft, geradehier der Ballungsraum <strong>Ruhrgebiet</strong> mit seinen vielenProblemen, aber auch auf dem Weg zur KulturhauptstadtEuropas, sich entwickelt zu einer aktivenGesellschaft mit, kulturellem und öffentlichemLeben, zur Kulturhauptstadt und zur Kultur gehörtentscheidend die politische Kultur und wir denken,dass das ehrenamtliche Engagement und das freieEngagement ein ganz entscheidender Aktivpostenfür eine politische Kultur ist. Und die Lernallianzenist eine Hilfestellung. Leute, die sich engagieren,brauchen Kompetenz ...Kowollik: ...und das heißt...Prof. Dr. Pankoke: Das stelle ich mir zum einen vor,dass vielleicht angestoßene Steine produktivweiterrollen, ich stell es mir zum anderen vor, dasswir vorhaben, die Aktivitäten, die in Richtung Internetgehen, dass die weiter ausgebaut werden,wobei meine Überzeugung ist, dass Internet alleineviel zu abstrakt ist, wir brauchen gewissermaßenLernallianzen zum anfassen und hier <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>,wo die Vereine sich nahe sind, sich kennen, wo derKontakt <strong>im</strong>mer auch persönlich mitlaufen kann, indieser Kombination von Präsenz und Medien, seheich eine besondere Chance und ist dieser dichte undkommunikativ starke Ballungsraum ein spannendesExper<strong>im</strong>entierfeld.Kowollik: Das heißt, man muss ständig drüberreden, man muss es ständig weitertransportieren.Prof. Zechlin, was kann denn von Seiten der Unidazu getan werden, um das eben auch wirklich inGang zu halten?Prof. Dr. Lothar Zechlin: Zunächst einmal kann dieUni was dafür tun, dass Herr Pankoke, dass alles60


macht, ihn dabei unterstützen und danken, dass erals Professor unserer Universität diese Initiativenmitunterstützt. Darüber hinausgehend ist dasThema Lernallianz natürlich für eine Universität, dieja eine Organisation des Lernens ist, von erstrangigerBedeutung, man können eine Menge machen,um auch <strong>im</strong> Eigenen etwa der Didaktik, der Formdes Lernens, dafür zu Sorgen, dass das nicht einfacheine Einweginformation ist, einer erzählt und vierhunderthören und sperren die Ohren auf undmüssen das am Ende des Semesters wiederkäuen,sondern dass sozusagen, natürlich erstklassige Wisssensweitergabeund Information in der Universitäterfolgt, dass aber gleichwohl auch Arbeitsgruppen,die die Verarbeitung dieses Wissens, vornehmen,dass die gebildet werden, dass Studierende sichuntereinander unterstützen, dass sie eben Lernallianzenbilden und so etwas frühzeitig einüben.Kowollik: Innerhalb der Uni, verstehe ich das jetztrichtig, ja?Prof. Dr. Zechlin: Das wäre eine Beispiel, was die, umauf ihre Frage, was kann die Uni tun um Lernallianzenzu unterstützen.Kowollik: Ja. Kann sie das vielleicht auch noch weiterdarüber hinaustragen? Ich meine, dann bleibt esja innerhalb des Gebäudes, was best<strong>im</strong>mt sehrlobenswert ist, aber was wir hier gesehen haben, istja wirklich eine Vernetzung gewesen weit darüberhinaus, wie kann das denn eigentlich weitergeführtwerden?Prof. Dr. Zechlin: Ja, Sie sagen es ja, sie haben es jagrade hier gesehen, die Vernetzung darüber hinaus,da ist die Universität ja dran beteiligt, das ist eingutes Beispiel dafür, dass die Uni eben nicht nur einElfenbeinturm ist und sich mit sich selbst beschäftigt,sondern dass das, was in der Uni entwickeltwird, auch aktiv nach außen transportiert undkommuniziert wird.Kowollik: Da bin ich mal gespannt. Frau Mühlenfeld,wie denken Sie dass gerade hier, dass grade dieseRegion Mülhe<strong>im</strong>, Essen, Oberhausen, wie hier dieseVernetzung weiterlaufen muss?OB Dagmar Mühlenfeld: Also, es sind ja grade eineganze Reihe Bilder gebraucht worden, eines gefälltmir besonders: Ein Stein ins Rollen bringen. Es gibtauch <strong>im</strong>mer Phasen in solchen Prozessen, wo so einStein liegen bleibt und da muss irgendjemand dasein, der dem wieder Schwung gibt, wenn wir unseben mit Freude vergewissert haben, dass der HerrMinisterpräsident das Thema bürgerschaftlichesEngagement auf der Agenda der Landesregierungso weit oben platziert, dann ist das eine gute Sache,aber wenn er als Person, dafür nicht stehen würde,dann hätte es nicht die Wirkung. Und so versteheich also die Tatsache, dass mir das Thema bürgerschaftlichesEngagement von Anfang an meinerpolitischen Arbeit und die geht lange zurück, bevorich Oberbürgermeisterin gewesen bin, gewordenbin, einen solchen hohen Stellenwert einn<strong>im</strong>mt. Ichverstehe mich als Oberbürgermeisterin dieser Stadt,die dafür gelobt wird, dass das <strong>CBE</strong> hier ist, auch einstückweit als Lokomotive, oder als diejenige, die ggf.den Stein wieder in Schwung bringt, damit das wasan Potentialen da ist, <strong>im</strong> Bewusstsein bleibt, damitich überall, wo ich mit Bürgern, Bürgerinnen rede,einerseits diese Anerkennungskultur fordere, verstärke.Kowollik: Haben Sie eigentlich was davon gespürt,Herr Steinbrück sagte ja grade auch, dass er überallhinfahren würde und würde erzählen, wenn ihrirgendwas machen wollt, erkundigt euch be<strong>im</strong> <strong>CBE</strong>,sind Anfragen gekommen?OB Mühlenfeld: Das kriegen wir mit über dieZugriffe auf das Internet. Heut morgen habe icheine Mail verlesen können, wo jemand sich dafürbedankt hat, dass die Ergebnisse der Lernallianzen,dass diese Module kostenlos zur Verfügung stehen.Es ist manchmal gar nicht so eine große Summe diebenötigt wird, aber wenn man zum Beispiel so wasaufrecht erhalten kann und wenn es nur ein paarCD s sind die gebrannt werden müssen und ich binnatürlich auch ganz begeistert, wenn der Ministerpräsidentsagt, er hat da so einen Fond, dafür mussman kämpfen, ja also werd ich jetzt dafür malkämpfen, dass ich auch so einen Fond kriege in dieserStadtKowollik: Ja, wir haben grade gehört, das ist eigentlichganz einfach, man muss ihm nur schreiben, ermöchte nur einen Brief von Ihnen vorliegen haben.MP Steinbrück: Es ist ja nicht nur von einem Fonddie Rede, es ist auch von eigenen Fonds für dieOberbürgermeister oder Bürgermeister gesprochenworden.Kwollik: Sie haben sich ja schon sehr engagiert indiesem Bereich. Herr Steinbrück hat eben schon malkurz die Unternehmen angesprochen. Ist das etwas,wo man sehr schwer rankommt, an die Unternehmer,sich da zu engagieren oder läuft das rechtzügig?OB Mühlenfeld: Ich war ganz erstaunt, als wir <strong>im</strong>Rahmen der Lernallianz <strong>im</strong> vergangenen Herbst einerstes Treffen arrangiert haben mit Unternehmen,von denen wir wissen, dass sie sich in der Stadtengagieren. Und die Bereitschaft war groß und sehrschnell kam auch das Eingeständnis, ja wisst ihr, wirmöchten auch wissen, was wir tun können.Auf Seiten der Unternehmen ist eine große Bereitschaftda bis hin, was der Ministerpräsident ebengesagt hat, das Unternehmen ihre Mitarbeiter frei-61


stellen, dass sie sie befähigen auch in ihrem privatenBereich ehrenamtlich tätig zu sein, bis hin zu derTatsache, dass sie dann tatsächlich auch Geld einsetzen.Aber die Frage, was können wir denn sinnvolltun, um hinterher auch die Ströme des eingesetztenGeldes oder der Personalressource verfolgenzu können, die fehlen teilweise und da sind wir alsKommune doch gerne zu bereit, d. h. wir müssenuns <strong>im</strong> Grunde so einen Projektkataster anlegen,was gibt es in dieser Stadt, dafür muss man wissen,wer auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen ist. Dannkann man das vermitteln.Kowollik: Aber man muss schon <strong>im</strong>mer von sich ausauf die Unternehmen zugehen, es ist selten, dass esumgekehrt ist?OB Mühlenfeld: Nein, die Unternehmen kommen jaauch von sich aus. In dem Fall, von dem wir heutemorgen gesprochen haben, das ein Unternehmer zumir gekommen ist und hat zu mir gesagt: „MeinerUnternehmensphilosophie entspricht es, dass ichjährlich eine Summe x z.B. 20.000 Euro für irgendeinnachhaltiges Projekt einsetze möchte“. Den gibtes auch auf jeden Fall.Kowollik: Ja, aber das bezieht sich dann auf dieFinanzen, wahrscheinlich weniger so dass man sichpersönlich engagiert?OB Mühlenfeld: ... nein, nein ... Der wollte eine Mitarbeiterin,eine Mitarbeiterin seines Unternehmensin ein solches Projekt geben, da ist schon eine hoheinhaltliche Identifikation da, aber das war der Weg,der direkt zu mir geführt hat, wo wir nicht werbenmussten und dann hat man natürlich besonders vielFreude, wenn dann so etwas wie ein Schneeballefffekteintritt, wenn der sich von der Idee so begeistertzeigt, dass er dann eine Ergänzungsfinanzierungbereitstellt.Kowollik: Dass ist, dass ist eben genau das, was manbezwecken will, diese Vernetzung, diesen Schneeballeffekt,diesen Stein ins Rollen bringen, wo alleBeteiligten hier von sprechen. Herr Steinbrück, Siehaben eben auch davon gesprochen, die Unternehmenmit ins Boot zu holen, wie sind denn da dieResonanzen? Wir haben von dem Unternehmerheute Morgen gehört, er hat gesagt, Unternehmerfragen <strong>im</strong>mer, wie kann ich mich engagieren, wokann ich mich engagieren und was habe ich davon,wo liegt der Nutzen?MP Steinbrück: Es ist <strong>im</strong>mer unterschiedlich, ich habne ganze Reihe von Unternehmern, die bereit sind,sich völlig altruistisch, ohne jeden ökonomischenNebengedanken einzubringen, weil die sagen,genauso wie Frau Oberbürgermeisterin sagt, dasentspricht meiner Unternehmensphilosophie. Ichhabe in dem Bereich am meisten Unternehmenkennen gelernt, wo es um die Förderung der Ausbildungvon jungen Menschen geht bishin zu der Tatsache,dass sich ein Unternehmer, der aber von sichaus auf mich zukam und sagte, wenn Sie mal30.000 Euro brauchen, um einem jungen Mannoder einer jungen Frau zu helfen mit Blick auf Ausbildung,kommen Sie auf mich zu – das gibt es. Soetwas anderes ist Sponsoring, wir reden jetzt hiernicht über Sponsoring, Es ist sehr viel schwerergeworden für Sportvereine oder andere, denn dawollen die Unternehmen auch eine klare Gegenleistunghaben <strong>im</strong> Sinne von Marketing oder Auftrittoder wie <strong>im</strong>mer die neuhochdeutschen Begrifflichkeitendazu alle lauten, da sagen sie, Sponsoring istkein Mäzenatentum, ist nicht die Förderung vonEhrenamt, sondern da wollen wir eine klare Gegenleistungfür haben, da muss man genau unterscheiden.Kowollik: Herr Wehling, kann man das denn in derheutigen wirtschaftlichen Lage den Unternehmenüberhaupt noch zumuten, sich bürgerschaftlich zuengagieren?B Wehling: Ich meine schon aus ökonomischenGründen, denn das ist ja auch eine Form von Eigenwerbung,zunehmend mehr Unternehmen gehen jadazu über, die typischen Weihnachtsgeschenkeabzuschaffen und stattdessen die Gelder für sozialeZwecke zu verwenden.Kowollik: Was erwarten Sie denn, wie das Projektweitergeführt wird? Wie sich bürgerschaftlichesEngagement über Oberhausen, über Mülhe<strong>im</strong> undauch in Essen weiterentwickelt?B Wehling: Also, zunächst einmal glaube ich, habenwir mit dem heutigen Tag in Oberhausen eine sehrgute Voraussetzung geschaffen, ich hatte die Freudeeinen Mitarbeiter, der als Ansprechpartner jetzt festeingestellt ist, der Öffentlichkeit vorzustellen. DerHerr Elke, der jetzt also der Ansprechpartner für bürgerschaftlichesEngagement ist, der hat nur mitschönen Dingen zu tun, mit Leuten die helfen wolllenKowollik: Herr Wehling, Sie haben jetzt seit 1. Julieine Koordinierungsstelle?B Wehling: Ja.Kowollik: Was macht die genau?Was kann man da ...?B Wehling: Da bin ich natürlich hoffnungslos überfragt,die Stelle ist ja jetzt erst zum 1. Juli eingerichtetworden, also ich kann mir sehr wohl vorstellen,weil wir in der Vergangenheit sehr viele Ansprachenschon hatten, wo wir dann sagen mussten, ja, da62


gibt es unterschiedliche Bereiche, die zuständigsind, dass wir eine ganz große Hilfe dadurch haben,dass wir einen Ansprechpartner haben, der also entsprechendkoordinierend tätig sein wird. Ich glaubeschon, dass also, dass das bisher vorhandene ehrenamtlicheEngagement noch sehr stark erhöht werdenkann. Lassen Sie mich vielleicht noch einenAspekt in die Diskussion mit einbringen, der mirganz, ganz wichtig erscheint, ich glaube bürgerschaftlichesEngagement ist mit auch ein Gradmesserfür die St<strong>im</strong>mung in der Bevölkerung undwenn also die Bürger einer Stadt mit ihrer Stadtzufrieden sind, dann sind sie auch bereit, sich entsprechendstark zu engagieren und da glaube ich,haben wir in den drei MEO-Städten eine ganz, ganzengagierte Bevölkerung.Kowollik: Ja, aber mit einer engagierten Bevölkerungschafft man sich natürlich auch Gegner, alsodadurch, dass Bürger sich engagieren können, könnnensie auch irgendwo mitmischen.B Wehling: Ja, das ist ne Frage, wie man Demokratieauffasst, ja, wenn man also von vornherein sagt, ichbin für Bürgerorientierung, dann kann ich dem nurzust<strong>im</strong>men.Kowollik: Sie haben auch gerade gesagt, richtig?jemand engagiert hat be<strong>im</strong> Roten Kreuz, bei derCaritas, be<strong>im</strong> Paritätischen Wohlfahrtsverband, derartund so weiter und dies mit eingereicht wird beiden Bewerbungsunterlagen und da finde ich esdaneben halt ganz, ganz, ganz wichtig, dass bei denEinstellungsgesprächen ganz bewusst gefragt wird,„Warst Du denn über Dein persönliches Wohl hinausauch bereit, Dich für die Gemeinschaft zu engagieren?“Für mich wäre dies ein ganz wichtiges Kriterium,um junge Menschen einzustellen.Kowollik: Da möchte ich doch noch einmal ganzgerne einhaken, denn es ist ja schon ganz oft in derVergangenheit über diese Ehrenamtkarte gesprochenworden. Ist das so etwas, was Sie dann weiternoch vorantreiben würden?MP Steinbrück: Ja, zunächst einmal das, was angesprochenworden ist von Herrn Wehling mit der Zertifizierung.Ich stelle fest, dass Unternehmen zunehmenddanach fragen, und zwar nach dem Stichwort,welche soziale Kompetenz liegt vor und die ist häufigerwichtiger <strong>im</strong> Vergleich zu der Frage, ob nunjemand in Mathematik eine 3 oder 4 gemacht hat.Kowollik: Aber das müsste doch dem Land auchsehr wichtig sein, dass das bei den Jugendlichenauch honoriert wird, in welcher Art und Weise?MP Steinbrück: Ja, sicher, es kann passieren, dass Sieeine Bürgerinitiative haben, die plötzlich was andereswill als Sie. Ja, aber das ist so und da darf mansich aber nicht drüber beschweren, sondern dasmuss man sportlich nehmen.Kowollik: Also, das ist genau Sinn und Zweck derganzen Sache? Was würden Sie den persönlich inihrer Stadt tun, um zum Beispiel auch Unternehmen,um Jugendliche mit ins Boot zu holen?B Wehling: Also ich bin ja noch Berufsschullehrerund ich hoffe, Frau Mühlenfeld hat es ja angesprochen,das vielleicht ab dem 26. September eventuellab dem 10. Oktober dann in eine andere Rolleschlüpfen kann und dann nur noch einen Job ausübendarf. Bezogen auf meine jetzige Position, kannich mir vorstellen, dass den Schulen eine sehr großeBedeutung zukommt <strong>im</strong> Hinblick auf die Förderungehrenamtlichen Engagements. Ich kenne das ausanderen Berufskollegs, in Mülhe<strong>im</strong> ist das nochnicht ganz so ausgeprägt, dass das ehrenamtlicheEngagement ganz bewusst gefördert wird und auchzertifiziert wird.Kowollik: In welcher Art und Weise?B Wehling: Ja, dass zum Beispiel neben den ZeugnissenZertifikate ausgestellt werden, die jetzt nichtnur berichten, wie gut Computerkurse zum Beispielabsolviert worden sind, sondern auch wie sichMP Steinbrück: Ja, einige tun das ja und für einigeist das auch wichtig. Das muss man weiter befördern,es wird nicht plötzlich in einer Art Urknallüberall stattfinden, aber da langsam hinzukommen,über solche Zertifizierungen, über die Tatsache, dasso etwas auch in Zeugnisse aufgenommen wird, ichglaube das ist ein ganz richtiger Ansatz.Kowollik: Aber Sie, von Seiten des Landes, würdendas nicht so gerne unterstützen, also zum Beispielmit einer Zertifizierung oder mit einer Card, wo zumBeispiel Vergünstigungen dann damit verbundensind?MP Steinbrück: Nee, das kann ich nicht garantieren,ich kann keine Vergünstigungen be<strong>im</strong> Einkauf dannbei der Firma Lidl oder bei Aldi oder bei Saturn dabeiverbinden, das funktioniert nicht.Kowollik: Aber Sie fänden das zum Beispiel schön,wenn das in den Kommunen zum Beispiel stattfindenwürde, wenn die beispielsweise freien Eintritt indie Bäder hätten, freien Eintritt bei best<strong>im</strong>mten Veranstaltungen?MP Steinbrück: Ja, da sind wir an der Grenze, ich willhier nicht die kommunale Finanzlage noch dramatischergestalten, die Kommunen sollen ihre Einnahmenerzielen. Und noch einmal, diejenigen, die sichehrenamtlich engagieren, die tun das ja nicht ummaterieller Vorteile willen.63


Kowollik: Aber um Anerkennung und Anerkennungkann vielleicht auch über diese Art und Weise laufen,oder?MP Steinbrück: Nee, nee, Einspruch euer Ehren,Anerkennung läuft nicht darüber, dass monetäretwas fließt, sondern die Anerkennung läuft darüber,dass sie in der Tat herausgehoben werden, dasssie Bestätigung bekommen, dass ihnen geholfenwird, das, das hat dann eine materielle Grundlage,aber nicht in dem Sinne, dass die plötzlich eine Aufwandentschädigungvon 200 Euro kriegen. DieseEntwicklung wäre sehr deutsch, nach dem Mottound nun versuchen wir noch mal noch ein Gesetzeinzubringen und die Aufwandsentschädigung wirdmit 2-prozentigen Jahressteigerungen auf 200 Eurofestgelegt, so funktioniert das nicht und die meistensehen das auch nicht so.Kowollik: Dr. Scheytt, ich würde doch ganz gernewissen, wie das denn in der Stadt Essen gesehenwird? In welcher Art und Weise Sie denn da weiterdiese Region nach vorne treiben wollen, was bürgerschaftlichesEngagement betrifft?Dr. Oliver Scheytt: Wir freuen uns über die Aktivitätenunserer Universität und wir freuen uns auchüber das, was in Mülhe<strong>im</strong> passiert. Die Stadt Essenhat einen Ratsbeschluss und will gemeinsam mitder Stiftung Fairnetzen auch eine Freiwilligenagenturaufbauen <strong>im</strong> Laufe des nächsten Jahres. Ichdenke, dass wir sehr gut noch mal hinschauen sollten,ob wir da nicht auch noch mehr voneinanderprofitieren können in dieser Lernallianz auch mitdem <strong>CBE</strong>.Kowollik: Eine Freiwilligenagentur aufbauen, in welcheRichtung, mit welchen Aufgaben?Dr. Scheytt: Ja, mit den Aufgaben, in den Bereichen,die wir alle kennen, Ökologie, Soziales, Kultur, Bildungusw. Ich finde aber wir sollten uns noch einmal,wir haben uns ja jetzt hier viele positive Beispielebenannt und auch auf die Schulter geklopft,aber ich denke, wir sollten noch einmal zwei Problemkreiseansprechen: Das eine ist, dass das <strong>Ruhrgebiet</strong>,finde ich jedenfalls – das ist mein Eindruck –weit hinterherhinkt bei der Frage Ehrenamtlichkeit,Freiwilligenarbeit, gegenüber anderen Regionen inder Bundesrepublik. Und zwar aus folgendem Grunde,weil hier eine Mentalität, jedenfalls in vielenKreisen noch <strong>im</strong>mer da ist, dass man das dem Staatüberlassen sollte. Ich erlebe das zumindest, ich habehier Kopfschütteln gesehen, das gilt natürlich nichtfür die Anwesenden, das ist ganz klar, aber wenn ichin süddeutschen Ländern auftrete und erzähle überunsere Kultureinrichtungen, wie die organisiert sindoder aber auch über die Bildung, sind die <strong>im</strong>merganz bass erstaunt und sagen, „Wir machen dasdoch alles mit Vereinen und da ist was los“ Ich glaube,wir haben einen Nachholbedarf und das solltenwir auch offen benennen.Kowollik: Aber das müsste genau Sie doch auf denWeg bringen und sagen, so jetzt müssen wir aberrichtig loslegen.Dr. Scheytt: Wir haben ein großes Potential auf diesemGebiet, und deshalb freue ich mich ja über dieInitiative von Ministerpräsident Steinbrück, ich willes nur einmal benennen.Kowollik: Ja, aber wie kann man dieses Potentialdann nutzen? Wir wollen ja in die Zukunft guckenund nicht in die Vergangenheit sehen und sagen,wo ist es schiefgelaufen ....Dr. Scheytt: Richtig ... richtig deswegen sind dieseInitiativen sehr wichtig, das Thema generell anzupackenund nicht nur einen einzelnen Verein in denBlick zu nehmen...Aber wir müssen einen anderen Punkt nehmen unddas ist der, das die Verwaltungen zum Beispiel dieKommunalverwaltung Essen, für die ich hier ja nunwirklich sprechen kann, nicht nur für Kultur auch fürBildung, einen großen Vorbehalt haben, gegenüberehrenamtlichen Institutionen. Ich könnte hier sehrausführlich darstellen, was in meiner eigenenBibliothek, mit Mitarbeitern der Bibliothek passiertist, als plötzlich gesagt wurde, da können wir dochEhrenamtliche gewinnen, um auch <strong>im</strong> Bibliothekswesenmitzuhelfen. Da war eine ganz große Blockade,bei meinen Kollegen in der Stadtverwaltung,weil die Angst hatten, dass die hauptamtlicheArbeit durch ehrenamtliche ersetzt wird und deswegenfinde ich das sehr wichtig mir der Ergänzung.Kowollik:. Das ist ja genau das was Herr MinisterpräsidentSteinbrück gesagt hatte.Dr. Scheytt ... Und deswegen finde ich das sehr wichtigmit der Ergänzung, was Herr Steinbrück gesagthat. Aber zweite Bemerkung, wir müssen unsereeigenen Leute, ob das in Museen, in Sozialeinrichtungen,wo auch <strong>im</strong>mer ist, die hauptamtlich tätigsind, das ist ein – finde ich jedenfalls – der ganz entscheidenderPunkt der Schulung und Fortbildung. Essind nicht so sehr die Vereine, die sind auch wichtig,aber wie man verhindert, dass diejenigen die hauptamtlichtätig sind, dass die blockieren. Sonst wird eseine maßlose Enttäuschung bei den Ehrenamtlerngeben.Kowollik: Aber dazu kann Herr Pankoke best<strong>im</strong>mtetwas zu sagen, ich meine Sie haben ja genau dieseErfahrung in der ganzen Zeit gemacht, Sie habenmit vielen Leuten zusammengearbeitet, die sichderart engagieren und auch ihre Vorbehalte hatten,Prof. Pankoke.64


Prof. Dr. Eckart Pankoke: Der dritte Sektor ist, wieman sagt, zwischen Markt und Staat, d. h. er kannnicht die Marktgesellschaft und den Arbeitsmarktersetzen, soll er auch nicht. Und er kann auch nichtden Wohlfahrtsstaat ersetzen, aber er kann zwischendiesen beiden ganz wichtigen staatstragendenInstitutionen, kann er Leistungen erbringen,Entwicklungen nach vorn bringen, was vielleicht derStaat so nicht kann und auch auf dem Markt sonicht zu erringen sind. Zu dem angesprochenenPunkt, dass es öffentliche Institutionen gibt, geradedas <strong>Ruhrgebiet</strong> ist stolz darauf ein ganz breites Netzvon Bibliotheken, von Weiterbildungseinrichtungen,von öffentlicher soziokultureller Infrastruktur zuhaben und dazu gehört eine gewisse Professionalitäthin und gerade die Bibliothekare sind stolz aufdiese Professionalität und lassen sich nicht verdrängen.Kowollik: Da würde ich ganz gerne Herrn Steinbrücknoch mal eben fragen, wer soll da schulen, wer solldas dann weitertransportieren, wer soll fördern?MP Steinbrück: Ja, das können Kommunen sein, daskönnen freie Träger sein, die bereits selber ehrenamtlichtätig sind, ich bin zum Beispiel ziemlichsicher, dass bei der Caritas oder bei anderen, bei derAWO erheblich Schulungsmaßnahmen durchgeführtwerden, das kann dezentral laufen, ich binnicht der Auffassung, dass das alles von oben nachunten staatlich verordnet werden soll.Kowollik: Aber was erwarten Sie denn zum Beispielvon den Kommunen, wenn wir über bürgerschaftlichesEngagement reden? Welche Aktivität sollte vonSeite der Kommunen kommen?MP Steinbrück: Da mache ich den Kommunen keineVorschriften. Ich bin nicht der Oberstudienrat, dermit dem pädagogischen Zeigefinger nun rumfuchteltund genau weiß, was die Kommunen machen,wahrscheinlich machen es viele Kommunen unterschiedlichvor dem Hintergrund ihrer Erfahrung unddas finde ich auch ganz gut so. Ich finde es gut, dasssich viele Kommunen sich engagieren, völlig in Ordnung,aber ich mache denen da keine Vorschriften,sondern sehe mit Respekt, die kommunale Souveränitätauch auf diesem Felde.Kowollik: Dann formuliere ich das anders, was wünschenSie sich denn von den Kommunen?MP Steinbrück: Ja, dass die sich ähnlich engagierenwie das in diesem Falle die Landesregierung <strong>im</strong> Rahmenihrer Möglichkeiten macht, aber wie die dasmachen, das ist in der Tat ganz salopp formuliert ihrBier und da hab ich nicht die Auffassung, dass dairgendwelche Spielregeln aufgemacht werden sollten,schon gar nicht vom Land, die würden sich auchziemlich lautstark darüber beschweren, wie ichfinde auch zurecht.Kowollik: Fällt Ihnen eigentlich auf, wenn es einGebiet gibt, wo sich überhaupt nicht engagiertwird?MP Steinbrück: Nein, ach, bei den Reisen oder„Ehrenamtstouren“, die ich mache ist das in der Tatunterschiedlich. Ich hab <strong>im</strong> Augenblick keineGefühlslage dafür, ob wirklich der Hinweis richtigist, dass <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> das ehrenamtliche Engagementgeringer ist als zum Beispiel in ländlich strukturiertenRäumen. Ich bin da vorsichtig. Ich glaube,dass man sehen muss, dass in den ländlich strukturiertenRäumen viele Strukturen einfach intaktersind und dass man deshalb dem Ballungsraum nichteinfach einen Vorwurf machen kann. Die Menschensind dort anders als von mir aus zum Beispiel innordwestlichen Westfalen, also sprich in Teilen desMünsterlandeskreises Borken, Coesfeld oder Steinfurtoder was <strong>im</strong>mer man n<strong>im</strong>mt, da sind vieleStrukturen einfach die funktionieren noch besserund da sind auch Nachbarschaften, die anders funktionierenals zum Beispiel in einem sozialgefährdetenStadtviertel, das kurz vorm Abstürzen ist.Dr. Scheytt: Ja, ich wollte, ich wollte gern noch malauf diesen Punkt der Hauptamtlichkeit hinweisen,es gibt Herr Steinbrück aber ein Bild, einem Punkt,wo wir zusammenwirken, Land und Städte: Das sinddie Schulen und bei den Schulen, wenn Sie malsehen, was Elternpflegschaft, Klassenpflegschaftvorsitzende,was die aufführen, was die für Schulfestegestalten mit den Kindern auch auch zusätzlicheAktivitäten entfalten und ähnliches mehr, so vermisseich schon, dass wir ein Konzept haben, wieauch Lehrer, Lehrkräfte, mit diesem Thema wirklichkonfrontiert werden und sagen, wie können wir esschaffen, dass eine Anerkennungskultur gegenüberden Eltern auch <strong>im</strong> Bezug auch auf deren ehrenamtlicheTätigkeit entfaltet wird.Kowollik: ... Aber Herr Dr. Scheytt – Sie sitzen docheigentlich an der richtigen Stelle, Sie könnten dasdoch eigentlich in ihrer Stadt umsetzen....Dr. Scheytt: Ja, das ist richtig, wir können natürlichden ganzen Tag ständig was tun. Ich sage nur mal,ich lege den Finger in die Wunde, in meinem Zeitbudgetist das noch viel zu wenig drin, man müssteda viel mehr tun.Kowollik: Ich würde Sie aber trotzdem nicht aus derVerantwortung entlassen, wenn Sie sagen, ich willdie Finger in die Wunde legen, dann mache ich dasnämlich auch, in dem Sinne, dass ich sage, wenn Siekein Zeitbudget haben, wer hat es denn dann?Dr. Scheytt: Frau Kowollik, Sie wissen, dass wir zumBeispiel <strong>im</strong> Bildungsforum Ruhr gerade das ThemaElternbildung angesprochen haben, in einem der65


Bildungsforen, wo wir ja auch in Essen beispielsweisejetzt eine Menge tun, <strong>im</strong> Bereich Schulehaben wir es also in den Blick genommen, das giltaber auch für die anderen Bereiche. Sie haben völligrecht, wir müssten dafür mehr machen... das wollteich auch sagen.Kowollik: Auch von Seiten der Stadt Essen? FrauMühlenfeld.Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld: Das zuwissen und zu benennen, ist schon mal sehr wichtig,weil das auch die Voraussetzung dafür schafft,hinterher Forderungen stellen zu können. Ich denke,dass man in dem Moment, wo man solche Schwierigkeitenerkennt und definiert, sich auch nichtzuviel vornehmen muss auf einmal, wenn manweiß, man startet von einem best<strong>im</strong>mten Punkt ausund andere sind möglicherweise weiter oder aberich erkenne, wo ich vielleicht ein bisschen zu spätstarte, dann darf man natürlich auch nicht glauben,dass man in ganz kurzer Zeit, alle, alle Wege hintersich bringen kann oder aufholen kann. Vorhin ist javon diesem Thema Zertifizierung die Rede gewesen,der Herr Wehling ist zum jetzigen Zeitpunkt Lehrer,ich war das ja mal und ich weiß noch, wie ichgekämpft habe an meiner Schule, was eben solcheZertifizierungen betrifft, die zu den Zeugnissengelegt worden sind. Ich musste da nicht nur meineKolleginnen und Kollegen von überzeugen, ichmüsste auch die Eltern überzeugen, die das jaeigentlich gar nicht einsahen zu einem Zeitpunkt alsdarüber eben noch nicht geredet würde, ich wollteaber ...Kowollik: ...ist es denn jetzt leichter?OB Mühlenfeld: ... ich denke, dass es jetzt leichterist, es hat sich ja auch durchgesetzt. Es gibt ja jetztmehrere Schulen, die das machen, aber ich weißeben selber noch, wie hart das war, weil man ebennoch nicht darauf zurückgreifen konnte, dassirgendwer das auch gesagt hat, es gab so einen kleinenKonsens überschaubar in der Schule, wo Leutegesagt haben, da muss man was für tun und daswegen,deswegen finde ich, sollten wir auch unsgegenseitig Mut machen. Jeder lange Weg – wieman so schön sagt – beginnt mir einem kleinenSchritt...Kowollik: Prof. Zechlin, Sie nicken gerade so, denkenSie, dass die Anerkennungskultur in der Uni ausreicht,wie sie <strong>im</strong> Moment gerade läuft?Prof. Dr. Lothar Zechlin: Das ist eine heiße Frage undda sag ich mal ich bin noch nicht lange genug in derUni, um jeden Winkel dort zu kennen...Kowollik: ... aber einen Überblick haben Sie sicherlich...Prof. Dr. Zechlin: Ich weiß, es gibt gute Initiativendazu. Ich habe genickt gerade, weil ich es richtigfinde, diese Frage, dass in Schulen Initiativen ja starten,die solche Anerkennungskulturen voranzutreiben...Kowollik: ... und in der Uni?Prof. Dr. Zechlin: Es ist gut, solche Engagements zuzertifizieren. Ich weiß aus eigener Kenntnis zum Beispiel,solche Programme zur Ausbildung von Konfliktschlichternin den Schulen, die halt nicht wartenbis die Lehrer kommen oder am Ende sogar die Polizeikommt, die so etwas selber regeln. So undgenickt habe ich als ich dachte, wir sind jetzt in derUniversität demnächst erstmalig soweit, das derZugang zur Universität bei NC-Fächern, also solchenFächern, wo wir mehr Bewerbungen haben als wirStudienanfänger aufnehmen können, wo wir nichtmehr gezwungen sind nur nach der Abitursnoteund den Wartezeiten zu gehen, sondern wir könnenerstmalig Auswahlgespräche einführen und dabeialso 60% unserer Studierenden in solchen Fächernüber Auswahlgespräche aufnehmen. Es wäre meinesErachtens eine gute Idee zum Beispiel solcheZertifizierungen von den Schulen oder überhauptNachweise solchen Engagements mit zu einemwichtigen Kriterium zu einem solchen Auswahlgesprächzu nehmen.Kowollik: Aha, Prof. Pankoke.Prof. Dr. Pankoke: Ich kann daran gleich anschließen.Ein Projekt, vielleicht das zukunftswirksamste Projektaus unserem Projektverbund ist die Schulungvon Klassensprechern. Die Klassensprecher sind dieZukunftspotentiale der Bürgergesellschaft undderen Kultur der Verantwortung, die sehr früh einsteigen,wird gewissermaßen von uns mit einer Kulturder Anerkennung beantwortet, indem wir ausAnerkennung für diese Verantwortung versuchenein bisschen von den Lern<strong>im</strong>pulsen, von der pädagogisch-didaktischenBegleitung, die diese Klassensprecherfähig macht, etwa mit Konflikten umzugehen,etwa Organisationsfragen zu lösen, in die siesehr früh kommen, sie dort zu begleiten und ichdenke, dass ist eine Form von Auszeichnung und wirhatten heute Morgen ja schon gesagt, dass diejenigen,die sozusagen in jungen Jahren ans Ehrenamtüber die Pfadfinder oder über die Klassensprecherhingeführt werden, dass das Leute sind, die dannauch fähig sind auch <strong>im</strong> Erwachsenenleben Verantwortungzu übernehmen. Ich denke das ist es auchdann in der Phase der Universität – unsere Universitätenkranken ja auch ein bisschen daran, dass<strong>im</strong>mer weniger Leute noch bereit sind sich in derstudentischen Selbstverwaltung zu engagieren.Kowollik: ... also auch da fehlt das Engagement,auch da muss irgendwie noch weiter rangeführtwerden...66


Prof. Dr. Pankoke: ... ich denke es ist zum Teil aucheine Frage, dass es da fehlt an einer Kultur der Anerkennung.Eine Kultur der Anerkennung, die ...Kowollik: ...wie würden Sie sich das, wie würden Siesich das denn zum Beispiel vorstellen, eine Kulturder Anerkennung? Herr Steinbrück hat eben ganzklar gesagt, nicht über Materielles, also keine Finanzen,sondern?Prof. Dr. Pankoke: Für mich ist die wichtigste Formder Anerkennung, dass ich Menschen, die sich engagierendadurch ernst nehme, dass ich ihnen bei derKompetenz, die sie be<strong>im</strong> Engagieren, be<strong>im</strong> Engagementbrauchen, dass ich sie da stütze. Wer inschwierige Felder geht, es fiel das Wort Hospiz, weran der Grenze von Leben und Tod arbeitet, der kanndas nicht <strong>im</strong> Blindflug tun und mit seinem gesundenMenschenverstand, sondern der braucht dazugewissermaßen fachliche vielleicht auch seelsorglicheoder auch psychologische Begleitung.Kowollik: Engagieren sich dadurch mehr Leute oderist das eigentlich eine Unterstützung für die, diesich eigentlich schon ehrenamtlich engagieren?Prof. Dr. Pankoke: nein...nein. Die Anerkennung ist,dass man die Leute auf diesem schwierigen Weg inextreme Aufgaben, extreme Verantwortungen, dasssie wissen, dort werde ich begleitet, dort werd ichgestützt durch Bildungsmaßnahmen, durch Beratungsformen,vielleicht sogar durch Supervision unddas ist eine Art der Anerkennung, ich will nichtsagen ideelle Anerkennung, das ist vielleicht zuflach, aber so als eine institutionelle Anerkennung,die Leute, die institutionelle Verantwortung übernehmen,dass die gewissermaßen für diese Verantwortungfähig gemacht werden und geradedadurch in ihrer Verantwortung anerkannt werden.Kowollik: Aber ich denke mal, man wird wahrscheinlichdas, was hier schon an Erfahrung gewonnen ist,auch miteinfließen lassen in Essen?Dr. Scheytt: Ja, ich habe also, heute von diesem <strong>CBE</strong>erfahren und werde das auch bei uns in die StadtEssen hineintragen, aber es gibt wohl auf derArbeitsebene auch schon Kontakte, aber ich denke,ich habe den Eindruck gewonnen, die sind zu intensivieren,da ist noch ein Potential zwischen denStädten, wo man sich noch mehr miteinander austauschenkann.Kowollik: Gibt es jetzt noch Fragen <strong>im</strong> Publikum andie Damen und Herren?Vielleicht stellen Sie sich ganz kurz vor...Richers: Richers. Ich hab Workshops mit Bürgervereinen<strong>im</strong> Rahmen der Lernallianzen gemacht. Fürmich ist jetzt noch einmal eine Frage bei dem, wasich von Ihnen aus Oberhausen und Essen gehörthabe, das klang für mich jetzt, ich bin ja nicht vonhier, ich bin aus Düren, so dass es, so wie ich dasauch aus Düren kenne, dass die Freiwilligenzentralehauptsächlich oder sich auch aus Personalmangeldrauf beschränken muss, zu sagen, wir vermittelnhauptsächlich einzelne Ehrenamtliche oder regenan, also auf dieser individuellen Ebene, dass daserleichtert wird, das ist ja auch schon eine ganzwichtige Aufgabe, eine ganz wichtiger Bereich, dasüberhaupt zu vermitteln, dass Leute tätig werdenkönnen. Aber ich denke, was ich an wirklich Neuemhier erlebt habe bei dem <strong>CBE</strong>, bei diesen Lernallianzenwar jetzt das Angebot an Strukturen für Selbstorganisation,also bei den Vereinen, da wirklichdafür zu sorgen. Das ist ja noch einmal ein völligneues Feld, was auch nicht von einer oder von selbstwenn es zwei, drei Leuten in einem Freiwilligenbürogeleistet werden kann, sondern wo man dauerhaftwas aufbauen muss, also eine Unterstützungsstrukturfür eigene Vereine, für die verschiedenstenGeschichten und da ist mir eine Frage gekommen, inwelche Richtung geht das und da fand ich, was HerrSteinbrück gesagt hat relativ unverbindlich, also soein Fond, wo man mal einen Punsch finanzierenkann, damit kann man Strukturen nicht aufbauen,wenn einem, wenn man wirklich daran interessiertist, Strukturen zu stärken.Kowollik: Also Ihnen ist wirklich wichtig, dass esauch langfristig gesehen wird und nicht nur so kurzfristig.Vielleicht n<strong>im</strong>mt da jemand Stellung, FrauMühlenfeld.OB Mühlenfeld: Ja, das ist so und man muss wissen,was das einem als Stadt wert ist und man musswissen, wo der Mehrwert liegt, wenn wir uns alsodarauf verständigen, zu einer zivilen Bürgergesellschaftwerden zu wollen, die natürlich eine ganzeMenge von Problemen gar nicht erst entstehenlässt, die hinterher richtig viel Geld kosten, da kannman sich das als Stadt ausrechnen. Ich will weiterdafür werben und andere Städte, andere Oberbürgermeisterund Oberbürgermeisterinnen ermunterndiese Rechnung aufzumachen. Wir haben uns soentschlossen, diesen Weg zu gehen, wir werden dengehen, gleichwohl und deswegen habe ich dasheute morgen gesagt, war ich so dankbar dafür,dass Herr Prof. Pankoke auch bereit stand als wir <strong>im</strong>Frühjahr <strong>im</strong> Hauptausschuss berichtet haben überunser <strong>CBE</strong>, denn das gehört doch auch zur kritischenBegleitung, dass die Bürgerinnen und Bürger, dassdie fragen, a) was kostet das, was mir, was passiertmit dem Geld und wie wirkt das weiter, dass ist janicht nur schön, dass es das gibt, sondern es muss jaauch nachweislich erkennbar, ablesbar sein, wasdaraus initiiert wird und wo das zu diesem Netzwerkwird, da war er da, da hat er das auch für diePolitiker, die ihre Aufgabe ja da sehr engagiert wahrgenommenhaben, wahrnehmen müssen, auchdeutlich werden lassen. Wir werden das so weiter67


tun, wir wissen, dass das Geld kostet und wir wissen,dass man dieses Geld auch aufwenden muss,das ist das eine. Ich will aber auch noch mal zweiSätze zu dem Thema Anerkennungskultur sagen,weil wir einerseits ja durchaus schon ein Stück weitersind. Es gibt diese Erklärung der drei Oberbürgermeister,der Oberbürgermeisterin und der beidenOberbürgermeister der Städte, sich in dieser Weiseauf den Weg zu machen zu wollen und ich findealso, wenn Herr Scheytt zurecht <strong>im</strong>mer darauf hinweist,dass es Schwierigkeiten zu überwinden gibt,dann soll man das auch nicht in erster Linie so interpretierenals wenn sich da eine Stadt nicht bewegenwollte. Die realistische Einschätzung dessen, wasman an Hindernissen zu beseitigen hat, ist auchwichtig, gehört auch hinterher zum Erfolgsprogrammund wir wollen jetzt als Stadt Mülhe<strong>im</strong> indem Zusammenhang so etwas wie eine Ehrenamtscardauf den Weg bringen.Kowollik: Wer wird dieses Ehrenamtscard bekommmenund welche Vergünstigungen sind damit verbunden?OB Mühlenfeld: Also, ich würde jetzt gerne einfachFrau Hugenroth das Mikrophon jetzt noch malgeben, wegen der Details...Kowollik: ...dann macht das Frau Hugenroth ...Reinhild Hugenroth: Ja, also die Ehrenamtscardbeinhaltet Vergünstigungen der Kommunen undder Wirtschaft. Das ist das qualitativ Neue. KommunaleVergünstigungen einfach aufzuschreibenund zu sagen „Ermäßigung Theater“ das ist haltrelativ wenig, sondern wir würden auch akquirierenbei der Wirtschaft und sagen „Lieber Kaufhof gibdoch 15 % für bürgerschaftlich Engagierte. Das sindauch interessante Käuferschichten.“ Wir werdenversuchen verschiedenste Vergünstigungen zubekommen.Berechtigt für eine Ehrenamtscard sollen bürgerschaftlichengagierte Menschen aus der RegionMEO sein, die mindestens ein Jahr, mindestens 100Stunden bei einer oder mehreren Organisationen inder MEO-Region tätig waren. Die Gültigkeitsdauersoll zwei Jahre betragen. Die Freiwilligenzentralensollen dann die Ehrenamtscard nach einem schriftlichenNachweis vergeben.Kowollik: Aber das ist genau das, was... ja...aber dasist genau das, was Herr Steinbrück eigentlich nichtso gerne gesehen hätte, dass man da so Vergünstigungenvon Unternehmen, also er sprach eben Lidlan, aber das ist ja jetzt auch egal, ob Lidl oder Kaufhof,Frau Mühlenfeld, auch nicht McDonalds.OB Mühlenfeld: Oder, ob das vielleicht der vergünstigteBesuch bei einer Ausstellung ist oder so, ichwürde mich auch einfach nicht festlegen wollen,was auf der Card drauf steht. Das muss vor Ort, mitdenen die teilnehmen wollen, die unterstützendwirken wollen aus dem Kreis der Wirtschaft, neufestgelegt werden, das ist ja auch ganz spannend,für die die ehrenamtlich tätig sind, wenn die, weißich nicht <strong>im</strong> Jahr 2004 dieses Angebot haben und<strong>im</strong> Jahr 2005 was ganz anderes, also da ist eineMenge auch an Kreativität noch drin, aber wir werden`serproben, und wir werden gern offen darüberberichten, wo man was verändern kann, aber dieErfahrung werden wir jetzt mal sammeln.Kowollik: Ja, ist das so in Ihrem Sinne, Prof. Pankoke?Prof. Dr. Pankoke: Ja, es wäre in meinem Sinne, aberich würde meinen Sinn natürlich noch etwas allgemeinerformulieren, der viel zitierte Satz: „WerEngagement fordert, muss Kompetenz fördern“ –hat noch einen dritten Nachsatz, nämlich – „undKontext“. Und ich glaube worum es geht, ist, dassdas ehrenamtliche Engagement – es fiel gerade dasWort Organisation – dass das einen infrastrukturelllenRahmen hat. In der Uni hatten wir darüber einProjekt, das hieß Herstellung von Verbindlichkeit,dass Verbindlichkeiten geschaffen werden, Kontaktschienen,Netzwerke gebildet werden, über dasdann das ehrenamtliche Engagement auch seineLernallianzen engagieren kann. Für mich ist auchund hier <strong>im</strong> mittleren <strong>Ruhrgebiet</strong>, wir sind <strong>im</strong> Grundegenommen ein zunehmender zusammenwachsenderLebensraum, wir sind mit Universitäten indiese ganze Region abgedeckt und vielleicht müsssenwir uns überlegen, dass vielleicht auch die Förderungvon Ehrenamt bei all der Eigenkultur, (dieStadt Essen eine ganz andere politische und sozialeund künstlerische Kultur hat als vielleicht die StadtOberhausen) aber wir leben in einem gemeinsamenRaum und die Frage ist, ob die Entwicklung desEhrenamtes und die Förderung der Bürgergesellschaftvielleicht eine D<strong>im</strong>ension von Vergesellschaftungganz neu und ganz wichtig, irgendwann zukunftswirksamist. Wir müssen uns fragen, gibt es ...institutionelle Kontexte, der Verlässlichkeit, der Verbindlichkeit,der Vertrautheit in dieser Region miteinanderund um das etwas theoretisch gefasstejetzt praktisch zum Abschluss zu bringen, ich glaubedie Ehrenamtscard, wenn sie eine regionale Weitunghat, ist nicht nur eine Frage, ob man jetzt individuelleVor- und Nachteile abrechnen und sozusagender freie Fahrschein für Schnäppchenjäger ist, sonderndie Ehrenamtscard ist ein Instrument der Kulturder Anerkennung, auch der ideellen und institutionellenAnerkennung und ein Instrument der Vernetzung,wenn in diesem Raum Leute sich engagieren,gewissermaßen über eine solche Karte vernetztsind.Kowollik: Das man sich also <strong>im</strong>mer wieder wiedertrifftund austauschen kann.Prof. Dr. Pankoke: ... und ich denke, wir haben jetztauch die technischen Möglichkeiten, einen Kontext68


zu bieten, dass das ehrenamtliche Engagement, dasEngagement der freien Felder nicht über, irgendwoisoliert oder <strong>im</strong> Raum versackt, sondern dass es sichfinden und begegnen und voneinander lernen kann.Also lange Rede, kurzer Sinn: „Wer Engagement fordert,muss Kompetenz fördern und Kontext bieten“.Kontext bieten, die sozusagen die Netzwerke mitVerbindlichkeiten, mit Vertrautheiten Brauchbarkeitausstatten und ein Medium ist vielleicht die Ehrenamtscard,als ein Symbol ...Kowollik: ... also Sie würden das ganz klar unterstützen?Prof. Dr. Pankoke: ..Ja, als ein Symbol der vernetztenGemeinschaft. Ende der Durchsage.Dr. Scheytt: Ein letztes ist noch, ich finde sehr wichtig,dass generell, dass Politiker von Ehrenamt undbürgerschaftlichen Engagement sprechen, nicht einfachdas als eine hohle Formel aussprechen, so wiedas oft, oft mit Sponsoring gemacht wird, sondernganz genau bei diesem Thema wissen, es geht umergänzen nicht um ersetzen und das ist eine ganzharte Investition in Arbeit und Struktur, um erst einmalEhrenamt zu mobilisieren. Man kann nicht einfachsagen, ja mach’ das doch mal bitte ehrenamtlich.Sie müssen überhaupt in der Lage sein Ehrenamtaufzunehmen, das habe ich ja auch am Beispielder Schulen gerade genannt, wo wir einen großenNachholbedarf haben, das Schulsystem insgesamtdarauf einzustellen, beispielsweise auf eine Ganztagsgrundschule,dass Ehrenamt tatsächlich Anerkennungfindet, eingebunden wird und auch nichtder professionelle Arbeitsplatz ersetzt wird, sonderneben ergänzt wird.Prof. Dr. Pankoke: Ich greif ein Wort von Dr. Scheyttauf: „Struktur“. Es geht nicht nur um die Kultur desEhrenamtes, um die Kultur der Verantwortung, sonderndie Kultur der Verantwortung bleibt nur dannstabil, wenn sie auf Strukturen steht, wenn wirStrukturen schaffen und heute ist das Ehrenamteine schwierige und komplexe und konfliktreicheSache. Das ist nicht mehr die liebe Vereinsmeiereides 19. Jh., sondern es ist hoch anspruchsvoll undprofessionell und dazu braucht es Strukturen diedas auf Dauer stellen. In unserem Tempo desLebens, in unserer bewegten Gesellschaft ist esschwer etwas auf Dauer zu stellen und deshalb versuchenwir uns zu überlegen, wie muss die Infrastrukturaussehen in dieser Region, die das Ehrenamtstark macht und überlebensfähig und handlungsfähigund lernfähig....Kowollik: ...aber nicht nur fragen, sondern dannauch machen, nicht wahr?Prof. Dr. Pankoke: ... ein Versuch ist ja unser ProjektLernallianzen, das wir sozusagen von der Uni ausmoderieren, dass die Vereine wechselseitig ihreErfahrung austauschen. Eine Infrastruktur sind solcheFreiwilligen Zentren, wo eine Anlaufstelle ist, woman sozusagen ein Interesse hat wo ein Bürobesetzt ist. Eine Infrastruktur ist das, wo wir dranarbeiten, gewissermaßen eine Internetpräsentation,dass man über das Internet sich treffen und verabredenkann. Solche Infrastrukturen brauchen wirweil das Ehrenamt anspruchsvoller und zugleichauch riskanter geworden ist und ich denke, auf dieserheutigen Tagung sind eine ganze Menge Ansätzeformuliert worden, die zum Teil ja auch schonlaufen, wir beginnen damit dem Ehrenamt eineInfrastruktur zu schaffen, eine Infrastruktur undeine Kommunikationsstruktur der Bürgergesellschaft.Kowollik: Herr Wehling, Sie werden von der StadtOberhausen weiterhin finanzielle Hilfe leisten, habeich das so richtig verstanden?B Wehling: Ja, wir tun dies ja bereits bei der Übernahmeder Personalkosten, aber wir müssen auchentsprechende andere Voraussetzungen schaffen,dazu sind wir gerne bereit. Der Bereich der Superversion,der von Prof. Pankoke sehr stark angesprochenworden ist, den halte ich für ganz, ganz wichtig.Ich meine aber er muss ergänzt werden um denBereich der öffentlichen Anerkennung. Ich finde esschon wichtig über die Vergünstigungen, die übereine wie auch <strong>im</strong>mer geartete Card hinaus, solltesehr deutlich gemacht werden, das also die Stadtauch ganz verdienten Mitbürgern und Mitbürgerinnendafür dankt, dass sie ehrenamtlich tätig sind,Kowollik: Danke. Frau Mühlenfeld.OB Mühlenfeld: Ich setze auf vorbildhaftes Tun undwie sich das gehört, muss da jeder bei sich selberanfangen: Erstens: Das Thema Bürgergesellschaftund alles was damit zu tun hat, Bürgerorientierung,Partizipation wird den Spitzenplatz auf meiner politischenAgenda behalten; zweitens: Ich werde michdiesem Thema identifizieren und identifizieren lasssen,das weiß jeder, das heißt, dass die Menschendieser Stadt sich daran gewöhnen müssen, dass ichbei jeder sich bietenden Gelegenheit, egal in welchemKontext, das Thema ansprechen werde undvorantreiben werde und drittens: Ich werde michdafür einsetzen, dass das <strong>CBE</strong> eine Zukunft hat,strukturell, finanziell. Dies ist jetzt auch eine Verpflichtung,wenn ein solches Lob für die Einrichtungausgesprochen wurde.Kowollik: Ja, da kann ich mich nur bedanken undkann nur hoffen, dass das wirklich ein Vorzeigebeispielist für die anderen Städte ist und dass dieIhnen das nachmachen und dass Sie viel Gehör findenund viele Nachahmer. Ich bedanke mich beiIhnen, dass Sie heute den Tag so lange ausgehaltenhaben und hoffe, ja, dass sich viele, viele Tätigkeiten,viele Ideen, viele Anregungen in nächster Zeitumsetzen lassen und wenn Sie nicht wissen wie,dann haben Sie ja heute genügend Ansprechpartnergehabt und wenn Sie nicht wissen, wie es finanzierensollen, Sie wissen Herr Steinbrück, StaatskanzleiDüsseldorf, n<strong>im</strong>mt Ihren Brief gerne entgegen.69


Abschlusskonferenz „Engagement zieht Kreise“des Projektes <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> –Bürgerschaftliches Engagement“Mittwoch, 7. Juli 2004in der Stadthalle Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr1. Reihe von links nach rechts:Prof. Dr. Eckart Pankoke, Dr. Bernd Thunemeyer,Theodor Verhoeven (Ministerium für Wirtschaft und Arbeit)Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld <strong>im</strong> Gesprächmit Reinhild Hugenroth70


Die Gruppe „Locomotion Revue“ wird von Ehrenamtlichen trainiert.Hier vor der Stadthalle mit Prof. Dr. Eckart Pankoke, MinisterpräsidentPeer Steinbrück, Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld undTrainerin Ute FuhrmannMinisterpräsident Peer Steinbrück„bei der Arbeit“Podiumsdiskussion„Wie weiter mit dem bürgerschaftlichenEngagement in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr,Essen und Oberhausen?“Von links nach rechts: Beate Kowollik,Ministerpräsident Peer Steinbrück,Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld,Bürgermeister Klaus Wehling,Prof. Dr. Eckart Pankoke; halb <strong>im</strong> Bild:Rektor der Uni Essen, Prof. Dr. LotharZechlin.71

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