Einsatzbericht80 Prozent der Strömung kann so aufgehaltenwerden. Das reicht, um erneut mit biszu neun Hubschraubern gleichzeitig vonBundespolizei und Bundeswehr Bigbags andie Bruchstelle zu bringen und das Loch sonach und nach zu verschließen. „Es war eineextrem schwierige und gewagte Aktion“,sagte Sachsen-Anhalts MinisterpräsidentReiner Haseloff gegenüber Medienvertreten.„Aber wir mussten handeln und dasMenschenmögliche versuchen.“ Auch dieKosten, die nicht exakt beziffert wurden,seien angesichts weiterer drohender Schäden„lächerlich gering“, heißt es aus demInnenministerium.Weitaus weniger spektakulär, aber nichtminder dramatisch stellt sich unter anderemdie Lage in Halle (ST) dar. Der Pegel der Saaleklettert auf über acht Meter, normal sindhier deutlich unter drei Meter. Am 5. Juni forderndie Behörden rund 30M000 Menschenzum Verlassen ihrer Häuser auf, in mehrerenStadtteilen schwappt das Wasser bereits anund in die Gebäude. Keller laufen voll, einigeStraßen sind nicht mehr passierbar. Vergeblichversuchen <strong>Feuerwehr</strong>en, darunter vieleauswärtige Kräfte, mit Pumpen den Wasserstandzu kontrollieren. Am Gimritzer Dammsickert das Wasser durch. Schulen und Kitaswerden geschlossen, Strom und Gaszufuhrin Teilen der Stadt abgeschaltet.Studenten nähenSandsäckeAber nicht nur organisierte Einsatzkräftehelfen, auch die Bürger selbst. So versuchendie Studenten einer Kunsthochschulemit einem selbstgebauten Damm ihre Gebäudezu verteidigen. Zumindest teilweisegelingt das, allerdings wird die Hochschuldruckereiüberflutet. Weil keine Sandsäckezu bekommen sind, nähen Studenten undStudentinnen kurzerhand die Säcke in ihrenWerkstätten aus verschiedenen Materialienselbst. Dafür gehen sogar Stoffspenden ausder Bevölkerung ein. Insbesondere an denSandsackfüllstationen können – unter anderemdank Aufrufen im Internet – viele freiwilligeHelfer mobilisiert werden. Vor allemjunge Leute packen mit an. Andere kümmernsich aus eigenem Antrieb um Speisenund Getränke.Die Meldungen aus dem Katastrophengebietentlang der Elbe und den nahen Flüssenwie Mulde, Weiße Elster, Spree, Chemnitzoder Lausitzer Neiße ähneln sich. Überflu- ▷Ohne Mampf kein Kampf... Die KreisfeuerwehrbereitschaftNienburg wird bei ihremHochwassereinsatz verpflegt. Foto: Henkel/<strong>Feuerwehr</strong>Schlafen in einer Turnhalle: Die Unterkunft in Gruppenquartierenzwischen Schnarchgeräuschen und ominösenKörpergerüchen – hier in Wörlitz (ST) – ist nichtjedermanns Sache. Die meisten Helfer sind jedoch soerschöpft, dass ihnen das egal ist.Foto: PatzeltProvisorisches Vorratslager von Berliner<strong>Feuerwehr</strong>leuten für die kleinen Notlagen:Anti-Mücken-Spray, Blasenpflaster,Mückenstich-Gel, Kugelschreiberund Handschuhe.Foto: Beneke/<strong>Feuerwehr</strong>Ein Sandsackfüllplatz bei Lauenburg aus derLuft gesehen. Bei den <strong>Feuerwehr</strong>fahrzeugenrechts ist zu erkennen, dass eine Einheit geradeeine Essenspause absolvieren kann. Foto: Jann
„ Die Exoten habenimmer mehr Präsenz“Obwohl die <strong>Feuerwehr</strong> den größten Teil der Kräftebeim Hochwasser stellte, prägten andere Einheitendas Bild in den Medien. Wir sprachen mit SönkeJacobs (Foto), dem Bundesgeschäftsführer und Leiterder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen<strong>Feuerwehr</strong>verbandes, über das Thema Selbstdarstellung.FM: Wie bewerten Sie dieDarstellung des <strong>Feuerwehr</strong>einsatzesin den Medien? Sind die<strong>Feuerwehr</strong>en ausreichend zurGeltung gekommen?Jacobs: In den Medien istdie große Vielfalt der Engagierten,der Einsatz auch nichtorganisierterHelfer gut abgebildetworden, da sollte manauch nicht ehrpusselig sein.Nicht zufrieden sind wir mitder Berücksichtigung von Interviewpartnernin Nachrichten-oder Sondersendungenim Fernsehen. Das ist primäresFeld des DFV. Da waren wirschon weiter – und das werdenwir auch nacharbeiten.FM: Viele <strong>Feuerwehr</strong>leutehatten den Eindruck, dassTechnisches Hilfswerk undBundeswehr – obwohl mit vielweniger Kräften vor Ort – deutlichmehr in den Medien präsentwaren. Wie sehen Sie das?Jacobs: Klar, die „Exoten“haben in einer solchen Lagegerade bei Nachrichtenbildernimmer mehr Präsenz.Das ist keine neue Erkenntnis.Aber natürlich enttäuscht unsdas alle immer wieder, dennwir <strong>Feuerwehr</strong>en möchten alsdie Basis der ganzen Hilfsoperationja nicht links liegengelassen werden.FM: Wo liegt der Unterschied?Macht etwa die Bundeswehreine bessere Pressearbeit?Oder sind die einfach nur„spannender“?Jacobs: Blau und Olivehaben die Signalwirkung:„Jetzt ist es wirklich schlimm.“Einsatzkräfte stellen sich in Lauenburg (SH) bei einer Pressekonferenzden Fragen der Medienvertreter.Foto: Jann<strong>Feuerwehr</strong> ist Alltag, istselbstverständlich. An demPunkt werden wir auch mitder besten Pressearbeit nichtvorbeikommen. Durch diezentrale Führung gelingt esder Bundeswehr und der BundesanstaltTHW mit professionellenPressestrukturen aberauch, Informationen besser zugewinnen und zu platzieren.FM: Machen auch <strong>Feuerwehr</strong>enFehler bei ihrem Auftretenoder ihrer Pressearbeit?Jacobs: Ja, das ist derandere Teil der Wahrheit: Wirschaffen es bei solchen Lagenimmer noch nicht, der Öffentlichkeitsarbeitdie notwendigeBedeutung, die Manpowerund den Entfaltungsraum zugeben und über den Kirchturmhinaus zu denken.FM: Wie sollte eine gute,effektive Pressearbeit der <strong>Feuerwehr</strong>enbei einem solchenEinsatz denn aussehen?Jacobs: Es gibt positiveBeispiele: Etwa den sehrleistungsfähigen Pressestabin Lauenburg, mit PR-Profis,übrigens auch aus dem DFV-Team, geleitet vom Geschäftsführerdes Landesfeuerwehrverbandes.Pressearbeitist keine Hexerei, sondernHandwerk: Dienstleistungund Kontaktaufbau im Tagesgeschäft,ausreichend Kräfte,Technik und Arbeitsraum inder Lage – und die Vernetzungmit den Nachbarn.FM: Wo sind die Grenzen?Es mag doch auch kontraproduktivsein, wenn jede<strong>Feuerwehr</strong> ihren eigenen Pressesprechermitbringt – und derStab beziehungsweise die Einsatzleitungdamit übergangenwerden?Jacobs: Der Aufbau einesgemeinsamen Teams, imKreis zum Beispiel, mit klarerEinbindung in die Krisenkommunikationder Verwaltung,ist das Optimum. Dafür gibtes bewährte Modelle. Vorteil:Auch im Tagesgeschäft könnendie beteiligten Sprecherinnenund Sprecher gleichmäßigErfahrungen sammelnsowie Kontakte knüpfen. UndÜberlastungen werden vermieden.FM: Vom Deutschen <strong>Feuerwehr</strong>verbandsind die Zahlender Helfer erfasst und veröffentlichtworden. Gibt es nichtnoch mehr Möglichkeiten derPressearbeit als bundesweitesSprachrohr der <strong>Feuerwehr</strong>en?Jacobs: Selbstverständlich– und das haben wir auchgetan. Bei solchen Lagen lebtdie Bundesgeschäftsstellezwei Wochen im Takt derKatastrophe: Recherchen zurLagedarstellung, Vermittlungvon Gesprächspartnern undHintergrundwissen, Anstoßenvon Medienthemen, etwa zumThema Gaffer, Zusammenstellenvon Servicematerial. Hinweisean Politik und Behördenbeim Bund, wer da draußendie Arbeit macht. Angebotean Leitmedien, dass fachkompetenteInterviewpartner zurVerfügung stehen. Vieles hatgeklappt, einiges nicht. Mancheskönnen wir nicht an diegroße Glocke hängen.FM: Kam eigentlich dasInfomobil des Deutschen <strong>Feuerwehr</strong>verbandesvor Ort zumEinsatz?Jacobs: Den Einsatz desInfomobils haben wir in derTat erwogen. Wir wollten abernicht in einen Besuchswettbewerbmit der politischenProminenz eintreten. Dafürhatten die Kameradinnen undKameraden vor Ort bereitsgenug Stress. Wer meint, eineinzelnes, mobiles Teamkönnte die PR für mehr als80M000 Einsatzkräfte richten,der hat nicht verstanden,welche Aufgabe immer nochvor uns liegt.Interview: Michael KlöpperFoto: DFV■9 | <strong>2013</strong> <strong>Feuerwehr</strong>-<strong>Magazin</strong> | 29