Einsatzbericht„ Kommunikation darf nichtnebenbei laufen“FM: Bislang waren perInternet mobilisierte Massen inDeutschland eher im negativenoder spaßigen Kontextin den Medien wahrzunehmen.Etwa bei so genannten„Flashmobs“ oder auch beieskalierenden Partys. BeimHochwasser standen plötzlichteils Hunderte Helfer parat,die nach Internet-Aufrufenernsthaft helfen wollten und esauch getan haben. War es daserste Mal, dass in Deutschlandin solchem Umfang etwas Positivesbewegt werden konnte?Höhn: Das glaube ich nicht.So etwas passiert oft im kleinenRahmen, das bekommtdie breite Bevölkerung garnicht mit. Medien berichtenhäufig über große Dinge.Flashmobs mit den bewegtenBildern oder auch negativeSachen sind dabei ein gefundenesFressen. Über kleineund positive Dinge wird eherselten berichtet.FM: Zu beobachten war teilweiseeine Art „Guerilla-Information“.Da haben sich etwabei Facebook engagierte undsicher gut gemeinte Gruppenaus privater Hand gebildet, diepermanent Infos aus Medienund Medienmitteilungen weiterverbreitetund auch Helferper Aufruf zu Einsatzstellendirigiert haben. Die Gruppenhatten einen rasanten Fan-Zulauf. Lässt sich so etwasüberhaupt in irgendeinerForm positiv beeinflussen odersteuern – und wenn ja, wie?Höhn: Ich glaube, dasist der Punkt, um den mansich künftig kümmern muss.Soziale Netzwerke haben in bisher unbekanntem Maßdie Bewältigung der Katastrophe beeinflusst. Wirsprachen darüber mit dem Diplom-Soziologen MarcoHöhn (Foto) vom Zentrum für Medien-, KommunikationsundInformationsforschung an der Uni Bremen.Rettungskräfte müssen unbedingtmitsteuern und mitspielen,um aktiv mitzugestalten.Dafür braucht man Spezialisten.Normale Pressestellenoder Pressesprecher könnenda schnell an ihre Grenzenstoßen. Im Social Media-Bereichgilt es auch den richtigenTon der Nutzer zu treffen.Man kann nicht mit einemalthergebrachten PR-Denkendaherkommen. Soziale Medienmüssen als Kommunikationsmittelauf Gegenseitigkeitverstanden werden, nichtals starre Website oder Pinnwand.Und eine solche Kommunikationbedeutet richtigArbeit. Ein gutes Beispiel istda die Polizei Niedersachsen,die sich bei Facebook engagiertund das Projekt richtigernstgenommen hat – mitFahndungen, aber auch anderenDingen. Das kam nachmeiner Einschätzung bei derCommunity ziemlich gut an.FM: Viele Pressestellen, zumBeispiel von den Einsatzstäbender Landkreise, haben aberwährend des Einsatzes nachwie vor konventionell gearbeitet– also eben nur Infos perWebsite und Pressemitteilungverbreitet…Höhn: Eine Pressemitteilungist eben schnell geschriebenund verteilt. Ich glaubeaber, dass man an sozialenNetzwerken nicht mehr vorbeikommt.Es bieten sichmit Social Media eben nochandere Möglichkeiten, geradeetwa um Menschen zu mobilisieren.Aber wer sich daraufeinlässt, muss auch mehr Zeitdafür investieren. Einfach nureine Pressemitteilung bei Facebookzu posten, das reichtnicht aus.FM: Teilweise findet die PRvon <strong>Feuerwehr</strong>en längst insozialen Netzwerken statt. EinBeispiel: Eine <strong>Feuerwehr</strong> hattevon der Abfahrt ihrer Helferzum Hochwasser bei Facebookein Video an ihre etwa 900Fans gepostet. Nach kurzerZeit war es schon über 50M000Mal angesehen worden. Wirdso nur die menschliche Neugierbefriedigt und mit einemschnellen Klick „belohnt“ oderist das eine echte Chance, einpositives Stimmungsbild in einerbreiten Masse zu erzeugen?Höhn: Irgendwie arbeitenwir doch alle mit der menschlichenNeugier bei Facebook.Das ist aber nicht unbedingtnur negativ einzuschätzen.Man muss jedoch aufpassen,wenn man es gezielt einsetzenwill. Auch hier gilt: einfach ontop, so mal eben nebenbei, dasfunktioniert nicht. Ich glaubeaber auch, dass eine <strong>Feuerwehr</strong>gar nicht so viel Energiereinstecken muss, um einpositives Bild zu erzeugen. Diemeisten Menschen finden esdoch gut, was die Einsatzkräfteda leisten. Die positive Resonanzkommt von ganz alleine.FM: Diese positive Resonanzist aus unterschiedlichenGründen so wichtig für die<strong>Feuerwehr</strong>en. Etwa um dieMannschaft zu motivieren,anspornendes Lob zu erhaltenund neue freiwillige Mitgliederzu gewinnen. Ist ein Katastropheneinsatzüberhauptdas richtige Umfeld, um sichmedial „gut zu verkaufen“,oder könnte der Schuss auchnach hinten losgehen? Woraufsollten etwa die Pressesprecherdabei achten?Höhn: Wer sich im Umfeldvon Katastrophen positivverkaufen will, brauchtFingerspitzengefühl. Bei derKrisen-Kommunikation kannman sich vergaloppieren,etwa wenn man sich selbst alsHeld darstellt. Die Bevölkerungkommt da selbst drauf.Wie gesagt, die wissen um denWert der Arbeit der <strong>Feuerwehr</strong>en.Lieber sollte manim Nachgang aktiv werden,aber auch dann ist Vorsichtangebracht. Ich denke dabeian den 11. September 2001.Die New Yorker <strong>Feuerwehr</strong>selbst hatte sich damals inder Selbstdarstellung zunächstzurückgehalten. Eswar die Öffentlichkeit, die daauf die <strong>Feuerwehr</strong> zukam,dann erst kamen die Mediendazu. Ein negatives Beispielaus der <strong>Feuerwehr</strong>branchefällt mir nicht ein, wohl aberaus Firmenbereichen. Etwavon einem Fall, als ein sogenannter „Shitstorm“, alsoeine Negativ-Resonanz-Welleder Fans, nicht vernünftigbearbeitet, sondern einfachausgesessen wurde. Grundsätzlichgilt: Man kann einenNegativ-Effekt verhindern,indem man transparent,natürlich, offen und ehrlichagiert und vor allem mit denNutzern kommuniziert. Fängtman an zu mauern und zuschweigen oder gar Dinge zuverdrehen, wird man schnelldurchschaut und die Problemefangen erst an.Interview: Michael KlöpperFoto: privat■32 | <strong>Feuerwehr</strong>-<strong>Magazin</strong> 9 | <strong>2013</strong>
sprecher des Kreisfeuerwehrverbandes Aurich,auf Anfrage.Als problematisch für die Stäbe erweisensich auch in Norddeutschland die variierendenVorhersagen. Während anfangs voneiner sich ständig zuspitzenden Lage miterheblichen Folgen ausgegangen werdenmuss, stehen alle Zeichen wenig später aufEntspannung. So werden in der akuten PhaseSandsackfüllmaßnahmen gestoppt undEinsatzkräfte nach Hause geschickt – weil diePrognosen nach unten geschraubt werden.Doch nur einen Tag später deuten die Prognosenauf eine dramatische Lageverschärfunghin, weitere Kreisfeuerwehrbereitschaftenmachen sich auf den Weg an die Elbe.Am Ende geht das Hochwasser in Niedersachsenvergleichsweise glimpflich aus –auch durch den frühzeitigen Material- undPersonaleinsatz. Einzelne Sickerstellen undDeichabrutschungen können frühzeitig erkanntund bearbeitet werden, die Dämmehalten. In der Gemeinde Neu Darchau hilftein provisorischer Deich als Schutz vor demElbwasser. Er muss von den Einsatzkräftenständig kontrolliert und ausgebessertwerden, unter anderem mit der Hilfe vonTauchern. In Hitzacker wird mit etwa 8,10Metern ebenfalls ein neuer Rekordpegel gemessen– doch die Spundwand, bis zu 8,96Meter Wasserstand ausgelegt – hält demDruck stand. Die Altstadt bleibt trocken.Der Deichbruch in Sachsen-Anhalt unddas Fluten von Poldern an der Havel hatden Niedersachsen vermutlich zumindestteilweise geholfen. Experten schätzen, dassdadurch der Pegel im Oberlauf um zehn bis15 Zentimeter gesenkt worden ist.Pegelvorhersagefährt AchterbahnDie wechselnden Pegelprognosen stellensich auch im schleswig-holsteinischenLauenburg als problematisch dar. Am 6.Juni wird auch hier noch die Evakuierungvon rund 300 Einwohnern vorbereitet. Stattdes Normalwertes von 4,35 Metern soll dasWasser auf einen Stand von 10,35 Meternsteigen – heißt es am Anfang. Dabei wird eineenorme Fließgeschwindigkeit befürchtet,auch ein möglicher Einsturz der Altbautenwird später in Erwägung gezogen. „Das wirdlebensgefährlich“, warnt <strong>Feuerwehr</strong>chef LarsHeuer an jenem Tag. Doch die Prognosenwechseln auch hier. Die vom HochwasserlagezentrumMagdeburg – zuständig fürdie Elbanrainer – übermittelten Werte fahrenin den folgenden Stunden und TagenAchterbahn: 10,60 Meter, 9,20 Meter, 10,15Meter, 9,40 Meter, 9,30 Meter. Tatsächlichwird später ein Höchstpegel von 9,64 Meterngemessen. Die Folge: Auch die Taktikder <strong>Feuerwehr</strong> und des THW wird angepasst.Zeitweilig geben die Einsatzkräfte diePumpversuche für den Schutz der AltstadtAus Paletten mit Sandsäckenformen örtliche Helfer undAnwohner in Altgarge (NI) dasWort „Danke“.Foto: Schmidt/<strong>Feuerwehr</strong>Ein ganz besonderesDankeschönfür dieHelfer der <strong>Feuerwehr</strong>Bremenin Jerichow(ST): Gemeinsammit ihrenErzieherinnensingen Kinderden Kräften einStändchen.Foto: Patzeltauf – nur um sie wenige Stunden später wiederaufzunehmen. Ein Einsatz der Pumpenist nur bis zu einem bestimmten Punkt sinnvoll.Die Elbstraße mit ihren historischenHäusern wird tatsächlich vom Wasser erfasst,gravierende Folgen wie die befürchtetenEinstürze bleiben aber aus.Die Zahl der Todesopfer der Hochwasserkatastrophewird unterschiedlich hochangegeben. Vermutlich kamen alleine inDeutschland 25 Menschen ums Leben. Daruntersind auch Menschen, die indirekteOpfer wurden – etwa in Folge eines Herzinfarktesbeim Sandsackfüllen.<strong>Feuerwehr</strong>leute ausDelitzsch schaffenan der Mulde zwischenLöbnitz undPouch (SN) nacheiner Sprengungder Bundeswehr mitWasserkraft eineÖffnung. Damit kanndas Wasser aus einerüberfluteten Ortslagezurück in das Flussbettströmen.Foto: Brettner/<strong>Feuerwehr</strong>Nach einer Schätzung des Bundesfinanzministeriumsbeläuft sich der Gesamtschadenauf rund acht Milliarden Euro. Darinsind auch die Einsatzkosten des Bundes(THW, Bundeswehr) enthalten. FinanzministerDr. Wolfgang Schäuble beantragte am24. Juli <strong>2013</strong> finanzielle Unterstützung ausdem Solidaritätsfonds der EuropäischenUnion (EUSF). Deutschland hatte bereitsnach der Flutkatastrophe 2002 und demOrkan Kyrill (2007) Hilfen aus dem EUSFerhalten.Text: Michael Klöpper■9 | <strong>2013</strong> <strong>Feuerwehr</strong>-<strong>Magazin</strong> | 33