FORUM RUSSISCHE KULTUR GUTERSLOH e.V.
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RUSSLAND-KONTAKTE FÜR ZWEI STUDENTINNEN<br />
Drei Monate in Taganrog<br />
Von August bis Oktober 2010 habe<br />
ich Taganrog besucht. Der Kontakt<br />
war über das Forum Russische Kultur<br />
Gütersloh und dessen Partnerorganisation<br />
in Taganrog zustande<br />
gekommen. Ganz besonders möchte<br />
ich an dieser Stelle Natalia<br />
Petrovskaja nennen, die auf der russischen<br />
Seite alles von Kontakten<br />
bis zu gesetzlichen Formalitäten<br />
geregelt hat und trotz vieler anderer<br />
Arbeit in der Universität Taganrog<br />
ein ganzes Jahr regelmäßig und<br />
sehr zuverlässig mit mir in Kontakt<br />
stand, um meinen Aufenthalt vorzubereiten.<br />
Im Garten<br />
Es war nicht so einfach und ziemlich<br />
spannend, nach Russland zu fahren<br />
und dort zu leben. Ich hatte erst ein<br />
Jahr vorher angefangen, die Sprache<br />
zu lernen, und war noch nie im<br />
Land gewesen. Es gab jedoch viele<br />
Leute und Faktoren, die mir den Aufenthalt<br />
zu einer der schönsten Zeiten<br />
meines Lebens gemacht haben.<br />
Das wichtigste war wohl, dass ich<br />
bei der Familie des Inhabers der<br />
Firma gewohnt habe, bei der ich<br />
gearbeitet habe. Ich hatte ein eigenes<br />
Zimmer in einem großzügigen<br />
Haus, und der Garten war ein kleines<br />
Paradies. Viel bedeutender war<br />
jedoch das herzliche Verhältnis zu<br />
meinen Gasteltern, die mir sehr viel<br />
Aufmerksamkeit geschenkt haben<br />
und mich nach einigen Wochen ihre<br />
Tochter aus Deutschland nannten.<br />
Auch bei der Arbeit waren die Leute<br />
sehr freundlich, und ich habe einige<br />
Freunde gefunden. Das Wetter hat<br />
perfekt mitgespielt: Im ersten Monat<br />
war es beinahe durchgehend 40°C<br />
heiß, und auch danach blieb es<br />
lange warm. Es war perfektes Wetter<br />
für den Strand und um im Garten<br />
im Schatten zu liegen oder zu grillen.<br />
Das Unternehmen, in dem ich arbei-<br />
tete, ist eines der größten und<br />
modernsten Unternehmen der Stadt<br />
und beschäftigt ca. 1000 Mitarbeiter.<br />
Die Produkte werden immer wieder<br />
mit verschiedenen lokalen und russlandweiten<br />
Preisen ausgezeichnet.<br />
Ein weiterer Aspekt ist die Mitarbeiterkultur.<br />
Durch Medaillen und Prämien<br />
für besondere Verdienste oder<br />
längere Mitarbeit wird ein gutes<br />
Betriebsklima und eine Identifikation<br />
mit dem Unternehmen geschaffen.<br />
Für besondere Anlässe gibt es<br />
Theater- und Tanzgruppen. Außerdem<br />
bestehen betriebseigene Fußball-<br />
und Volleyballmannschaften.<br />
Mehrmals im Jahr werden mehrtägige<br />
Ausflüge unternommen, zu<br />
denen die Mitarbeiter im Wechsel<br />
eingeladen werden. So waren viele<br />
schon mit ihren Kollegen auf dem<br />
Elbrus, dem höchsten Berg<br />
Europas, am Schwarzen Meer oder<br />
in einem Salzmuseum in der Ukraine.<br />
Ich habe viele Abteilungen kennen<br />
gelernt, von der Produktion und<br />
Lagerung der Waren über die Vermarktung<br />
von Produkten bis zum<br />
Qualitätsmanagementsystem. Die<br />
Herzlichkeit, das Interesse und die<br />
Geduld der Mitarbeiter sowie die<br />
Wertschätzung meiner Arbeit haben<br />
mich immer wieder beeindruckt. Ein<br />
Höhepunkt für mich war der Ausflug<br />
zum Schwarzen Meer.<br />
Russisches Essen<br />
In Taganrog und Umgebung<br />
haben mich die<br />
Menschen in der Regel<br />
sehr zuvorkommend<br />
behandelt. Manchmal<br />
hatte ich sogar einige<br />
Vorrechte, z.B. durfte<br />
ich vieles fotografieren,<br />
obwohl die durch das<br />
Sowjetregime geprägte<br />
Bevölkerung häufig<br />
Angst vor Fotos hat. Ich<br />
hatte das Gefühl, dass<br />
unser Land das große<br />
Auf dem Markt<br />
Vorbild für die Russen ist: Gute Qualität,<br />
Zuverlässigkeit gepaart mit<br />
Ordnung und Pünktlichkeit, außerdem<br />
Bildung und Wohlstand. Deutsche<br />
Produkte werden in Russland<br />
als die besten geschätzt, ob Autos,<br />
Waschmaschinen oder Medikamente.<br />
Aber… ein Mädchen, das mit<br />
Anfang zwanzig noch nicht verheiratet<br />
ist und allein durch die Welt reist?<br />
Viele junge Russen fanden das gut,<br />
manche ältere waren sich nicht so<br />
sicher, was sie davon halten sollten.<br />
Beim Thema Begegnungen hat es<br />
mich ganz besonders gefreut, dass<br />
ich auch Zigeuner kennen gelernt<br />
habe. Leider werden diese Leute<br />
von der Gesellschaft weitgehend<br />
ausgegrenzt, sie sind aber genau so<br />
gastfreundlich wie die meisten anderen<br />
Russen.<br />
Oft wollten die Leute wissen, was<br />
mir an ihrem Land gefällt. Meine<br />
erste Antwort war normalerweise<br />
"die Leute". Im Gegensatz zu dem<br />
Vorurteil, dass Russen am Anfang<br />
zurückweisend sind, hatte ich mit<br />
sehr vielen freundlichen Menschen<br />
zu tun, sowohl bei den unzähligen<br />
Gästen, die wir im Haus hatten, als<br />
auch bei der Arbeit oder bei Spaziergängen<br />
durch unsere Stadt. Leider<br />
trifft man aber auch manchmal auf<br />
das Gegenteil in der Form von mürrischen<br />
VerkäuferInnen, die sich<br />
weigern, jemanden zu bedienen, der<br />
sich umständlich ausdrückt oder auf<br />
FlughafenmitarbeiterInnen, die kein<br />
Wort Englisch sprechen.<br />
Abgesehen davon, dass meine<br />
Tätigkeit auf mein Studium angerechnet<br />
wird, hat mich der Aufenthalt<br />
dazu bewogen, einen Masterstudiengang<br />
im Bereich "Russian and<br />
East European Studies" zu absolvieren.<br />
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