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Mongolen in Persien - G/Geschichte

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www.g-geschichte.de<strong>Persien</strong> unter den <strong>Mongolen</strong> und TimuridenDie Schädelpyramiden von IsfahanDie islamische Welt des Jahres 1256 zittert. Überflutungen, Erdbeben undFeuersbrünste halten die Arabische Halb<strong>in</strong>sel <strong>in</strong> Atem. S<strong>in</strong>d dieNaturereignisse vielleicht sogar Vorzeichen für politische Umwälzungen?Sterndeuter sagen e<strong>in</strong>e düstere Zukunft voraus. Der Damaszener ChronistAbu Sama glaubt nicht daran. Doch nur zwei Jahre später muss er se<strong>in</strong>eMe<strong>in</strong>ung revidieren: „Brände im Hedschas, <strong>in</strong> Flammen die Moschee, und vonden Fluten ganz verheert die Stadt des Friedens! E<strong>in</strong> Jahr noch g<strong>in</strong>g dah<strong>in</strong> unddann e<strong>in</strong> halbes, und Bagdad wurde Opfer der Tatarenhorden“, dichtet er se<strong>in</strong>bitteres Resümee.Die „Tatarenhorden“ s<strong>in</strong>d die Truppen des mongolischen Feldherrn Hülegü.Der Enkel des 1227 verstorbenen „Welteroberers“ Dsch<strong>in</strong>gis Khan hatteBagdad 1258 nach knapp e<strong>in</strong>wöchiger Belagerung im Sturm genommen. DieSterndeuter haben Recht behalten. Der letzte Kalif der Abbasiden stirbtvermutlich durch Fußtritte, e<strong>in</strong>gehüllt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sack. Die abergläubischen<strong>Mongolen</strong> wollen so verh<strong>in</strong>dern, dass Blut auf den Boden gelangt undRachegeister die Mörder des Kalifen verfolgen.Bagdad ist gefallen. Die Stadt ist aber nur e<strong>in</strong> Teil e<strong>in</strong>es großen Plans der<strong>Mongolen</strong>. Nachdem bereits Dsch<strong>in</strong>gis Khan weite Teile des heutigen Iranserobert hatte, vere<strong>in</strong>igt Hülegü 1256 die von verschiedenen Fürsten regiertenTeilgebiete unter se<strong>in</strong>er Herrschaft. Der Bruder des amtierenden GroßkhansMöngke begründet dort die Dynastie der Il-Khane. De facto besteht dasMongolische Reich zu diesem Zeitpunkt aus vier eigenständigen, „Ulus“genannten Gebieten. Neben Hülegüs Il-Khanat herrschen <strong>Mongolen</strong> vonOsteuropa bis Ch<strong>in</strong>a.Der heutige Nahe Osten rückt jetzt <strong>in</strong> den Fokus der erfolgsverwöhntenEroberer. Die letzte islamische Großmacht Ägypten kann den Angriff Hülegüs1260 allerd<strong>in</strong>gs abwehren. Am Goliathquell <strong>in</strong> Paläst<strong>in</strong>a müssen sich diegefürchteten mongolischen Reiter geschlagen geben. Die Herrschaft über<strong>Persien</strong> wird allerd<strong>in</strong>gs nahezu e<strong>in</strong> Jahrhundert lang von Täbris aus <strong>in</strong> denHänden von Hülegü und se<strong>in</strong>en Nachfolgern bleiben.E<strong>in</strong>er dieser Nachfolger, Ghazan, weiß sich Mitte des 13. Jahrhunderts nur


durch e<strong>in</strong>en Kniff vor se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>nenpolitischen Fe<strong>in</strong>den zu retten: Der Il-Khantritt zu dem <strong>in</strong> der Region verbreiteten Islam über. Damit will er die Positionse<strong>in</strong>er Dynastie festigen, und die Muslime <strong>in</strong> den umliegendenHerrschaftsgebieten sollen Gazan und se<strong>in</strong>e Parteigänger gegen etwaigeGegner unterstützen. Der Konvertit sucht sogar Sufi-Gelehrte auf, um sichüberirdischen Beistand zu erbitten. Das hält ihn und die übrigen <strong>Mongolen</strong> desIl-Khanats allerd<strong>in</strong>gs nicht davon ab, ihrem Reich bald auch das muslimischeSamarkand e<strong>in</strong>zuverleiben.Der Islam braucht etwas Zeit, um von den <strong>Mongolen</strong> <strong>in</strong> <strong>Persien</strong> anerkannt zuwerden. Die „Jasa“ genannte, traditionelle mongolische Rechtsordnung warzuvor e<strong>in</strong>facher anzuwenden als die immer wieder verschiedenen gedeutetenWorte des Propheten Mohammed. Schließlich setzt sich die neueGlaubensrichtung aber durch.Neben der Religion verändert sich allmählich auch der Alltag der neuenHerrscher <strong>Persien</strong>s. Die Steppennomaden <strong>in</strong>tegrieren sich als Fürsten und„Sultane des Islams“ <strong>in</strong> das bestehende bürokratisierte Staatswesen: DerSattel weicht dem Thron. Statt bewaffneten Wanderhirtenverbänden tragennun besoldete Berufssoldaten Konflikte für die Il-Khane aus. Nach dem Toddes Il-Khans Abu Said 1335 zerbricht die von Hülegü begründete Dynastie <strong>in</strong>den Wirren der Nachfolge. Wenig später tritt e<strong>in</strong> Feldherr auf den Plan, derunter verschiedenen Namen bekannt ist, aber unter jedem von ihnenSchrecken verbreitet: Timur Lenk. Der Eroberer, der se<strong>in</strong>e eigene Dynastieder Timuriden begründt, ist auch unter dem Namen Tamerlan bekannt. DerName „Lenk“, lahm, spielt auf körperliche Gebrechen des Herrschers an:Offenbar h<strong>in</strong>kte Timur.Die ersten Lebensjahre des „Schrecklichen“ liegen im Nebel der <strong>Geschichte</strong>verborgen. In Transoxanien, nordöstlich <strong>Persien</strong>s gelegen, schw<strong>in</strong>gt sich Timurzum Sultan auf. Wichtige Leitbilder des turk-mongolischen Kriegsherrn s<strong>in</strong>ddie Verehrung von Dsch<strong>in</strong>gis Khan und dessen Nachfolgern und die Befolgungdes Islam. Dem gläubigen Muslim gel<strong>in</strong>gt es sogar, se<strong>in</strong>e Familie mitNachkommen des verehrten Glaubensgründers zu verb<strong>in</strong>den.Bekannt ist Timur aber nicht für se<strong>in</strong>e Heiratspolitik; vor allem ebensoerfolgreiche wie grausame Feldzüge haben den Transoxanier berüchtigtgemacht. Besonders das Massaker von Isfahan im November 1387 brennt sich<strong>in</strong>s kollektive Gedächtnis von Freund und Fe<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>: Nach der siegreichenEroberung der Stadt ergeht der Befehl an die Soldaten, Schädel zu sammeln.Außerhalb der Stadtmauern werden die abgetrennten Köpfe der Bevölkerung<strong>in</strong> Pyramiden gestapelt. „Auf der e<strong>in</strong>en Seite zählten wir achtundzwanzig ausKöpfen errichtete Pyramiden, deren jede mehr als e<strong>in</strong>tausend Schädel enthielt– bis zu zweitausend. Und auf der anderen Seite der Stadt war es genauso“,berichtet e<strong>in</strong> Zeuge. Nicht alle Soldaten Timurs teilten ansche<strong>in</strong>end dieKaltblütigkeit ihres Anführers: Die abgeschlagenen Köpfe werdenuntere<strong>in</strong>ander gehandelt. Zu Anfang der Mordaktionen kostet e<strong>in</strong> Kopf noch20 D<strong>in</strong>are; als alle Soldaten versorgt s<strong>in</strong>d, werden die besonders eifrigenSchlächter ihre überzählige Beute nicht e<strong>in</strong>mal für e<strong>in</strong>en halben D<strong>in</strong>ar los.Solche Aktionen heben Timur selbst unter den nicht weniger zimperlichenFeldherren se<strong>in</strong>er Epoche hervor. Anders als andere Heerführer setzte erderartige Mittel kühl berechnend und absolut gnadenlos immer wieder e<strong>in</strong>. So


wird se<strong>in</strong> Ruf e<strong>in</strong>er der mächtigsten Pfeile im Köcher des Fürsten.Bis nach Indien und Moskau dr<strong>in</strong>gt er mit se<strong>in</strong>en Kriegern vor. Und auch mitKrieger<strong>in</strong>nen. Diese verrichten genau wie die Männer den Dienst an Lanze,Schwert und Bogen – und noch mehr, wie Timurs Biograf Ibn Arabsahbeschreibt: „Wenn e<strong>in</strong>e von ihnen schwanger ist, verlässt sie den Weg undgebiert, sitzt wieder auf und holt ihre Leute e<strong>in</strong>.“An der Spitze se<strong>in</strong>er schlagkräftigen Truppen reißt Timur das Erbe der Il-Khane an sich. Mit List und harter Hand zerschlägt er die im Iran wiedere<strong>in</strong>mal konkurrierenden Kle<strong>in</strong>dynastien und etabliert e<strong>in</strong>e neue Ordnung. „DerLahme“ hat ke<strong>in</strong>e große Mühe, die Herrschaft über die teils hoffnungslosunterlegenen Gebiete zu übernehmen. Diese werden allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>eStiefk<strong>in</strong>der des Reiches. Zwar residiert Tamerlan <strong>in</strong> Samarkand, doch auchTäbris bleibt von Bedeutung.1405 stirbt Timur Lenk. Während die blutrünstigen Legenden den Tod desFeldherrn überdauern, zerfällt se<strong>in</strong> Reich <strong>in</strong> <strong>Persien</strong> mit dem Ende se<strong>in</strong>erHerrschaft. Nur im Osten des heutigen Iran kann sich die Dynastie derTimuriden noch etwa e<strong>in</strong> Jahrhundert lang halten. Im Westen herrschenturkmenische Reiterverbände. Aus den großen Reichen auf persischem Bodenist kurzzeitig wieder e<strong>in</strong>e Steppe geworden, die von Nomaden durchzogenwird – Nomaden wie die Vorfahren Hülegüs und Timurs.Christoph KoitkaLesetippJürgen Paul: Zentralasien. Fischer 2012, € 29,99

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