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.... Der Prozess um das Werk des Galileo Galilei - G/Geschichte

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www.g-geschichte.de.... <strong>Der</strong> <strong>Prozess</strong> <strong>um</strong> <strong>das</strong> <strong>Werk</strong> <strong>des</strong> <strong>Galileo</strong> <strong>Galilei</strong>Am 22. Juni 1633 wird der fast 70-jährige Forscher in einem Bußgewand und auf einemMaultier reitend zur Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom geführt. Dort muss er sichvor dem Heiligen Offizi<strong>um</strong>, der höchsten Instanz der Inquisition, niederknien, sein Urteilanhören und öffentlich seinem Lebenswerk abschwören. Wie konnte es zu diesemdramatischen Moment kommen? Welche Rolle spielten die Kirchenvertreter, welche Fehlerbeging <strong>Galilei</strong>? Ging es dabei <strong>um</strong> einen Kampf zwischen Kirche und Wissenschaft? VieleFragen und Mythen ranken sich <strong>um</strong> diesen Fall, <strong>des</strong>sen Ausgang noch Jahrhunderte späterfür Wirbel sorgte.Als der geniale Erfinder, Mathematiker und Physiker im Sommer 1610 nach Florenz an den Hof<strong>des</strong> Großherzogt<strong>um</strong>s Toskana ging, konnte er sich intensiv der Publikation seiner Forschungenwidmen, denn er erhielt eine lebenslange Anstellung ohne Lehrverpflichtungen. SeineSchmeichelei der Medici-Familie gegenüber verhalf ihm nicht nur dazu, sondern sie sollte auch inder Zukunft von großen Nutzen sein. Seit seiner ersten Publikation „Siderus Nuncius“(„Sternenbote“) vom März 1610 war die Fachwelt von seinen Beobachtungen undSchlussfolgerungen überzeugt. <strong>Galilei</strong> wollte jedoch auch die gebildete Bevölkerung ansprechen,so <strong>das</strong>s er in der Folge öffentliche Vorträge in Florenz und Rom hielt. Dabei verhöhnte er seinearistotelischen Widersacher im Wissen <strong>um</strong> ihre Arg<strong>um</strong>ente und stellte sie öffentlich bloß. Er warlängst davon überzeugt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Weltbild <strong>des</strong> Kopernikus <strong>das</strong> richtige war und glaubte sogar, denBeweis dafür zu kennen.Es war abzusehen, <strong>das</strong>s ihm dieses Vorgehen eine Menge Feinde schaffen würde und schon 1611befasste sich <strong>das</strong> Collegi<strong>um</strong> Roman<strong>um</strong>, die päpstliche Universität, mit einer Anfrage zu fünf seinerKernaussagen. Seine Erkundungen wurden bestätigt, doch mahnte ihn Kardinal Bellarmin dazu,unwiderlegbare Beweise zu erbringen und seine Theorien vorerst als Hypothese darzustellen, was<strong>Galileo</strong> <strong>Galilei</strong> jedoch ablehnte. Die Bestätigung der Nichtrichtigkeit <strong>des</strong> aristotelischenWeltbil<strong>des</strong> implizierte nämlich nicht automatisch die Richtigkeit <strong>des</strong> kopernikanischen Weltbil<strong>des</strong>.<strong>Galilei</strong> glaubte, den Beweis in seiner Erklärung der Gezeiten gefunden zu haben, die jedoch falschwar.Die Feststellung <strong>des</strong> Collegi<strong>um</strong> bedeutete, <strong>das</strong>s die noch vielfach vorhandenen Aristoteliker inNorditalien keine Arbeitsgrundlage mehr hatten. Schon 1610 hatte sich in Florenz eine Ligagegründet, deren einziges Ziel die Bekämpfung von <strong>Galilei</strong> war. Seit dem Winter 1612 begannenangestiftete Priester in Florenz damit, <strong>Galilei</strong> von der Kanzel herab und in Diskussionen zudenunzieren und zu behaupten, <strong>das</strong>s seine Ideen im krassen Widerspruch zur Heiligen Schriftstünden. Als Folge der Reformation war es Laien seit dem Konzil von Trient verboten, die Bibeleigenständig auszulegen.


In den folgenden Jahren gingen drei Anzeigen beim Heiligen Offizi<strong>um</strong> ein, die letzte von 1616führte schließlich zu einem Dekret. Im Beratungsgremi<strong>um</strong> waren nur Theologen und Philosophenvertreten und keine Naturwissenschaftler. Nach damaliger Sicht stand die Theologie über allenanderen Wissenschaften. Sie stellten fest, <strong>das</strong>s die Aussagen „Die Sonne steht im Mittelpunkt derWelt und bewegt sich nicht“ sowie „Die Erde ist weder <strong>das</strong> Zentr<strong>um</strong> der Welt noch unbeweglich,sondern bewegt sich und dreht sich <strong>um</strong> sich selbst“ als „d<strong>um</strong>m und absurd“ zu bezeichnen seien.Zudem wurde die kopernikanische Lehre als „formal häretisch“ bezeichnet. Es gab jedoch keinedirekte Erwähnung <strong>Galilei</strong>s noch seines <strong>Werk</strong>es. Auch war dies nicht die offizielle Meinung derKirche, sondern ihrer Berater.Kardinal Bellarmin mahnte <strong>Galilei</strong> nochmals eindringlich, <strong>das</strong>s er seine Überzeugungen alsHypothese darzulegen habe, da sonst ernste Konsequenzen drohen würden. Die in derÖffentlichkeit entstandenen Gerüchte, <strong>das</strong>s <strong>Galilei</strong> vor der Inquisition abschwören musste,widerlegte Bellarmin mit einer schriftlichen Stellungnahme. Auch Papst Paul V. war noch immervon der Integrität und Leistung <strong>des</strong> Forschers überzeugt und empfing ihn freundlich in einerPrivataudienz, nur wenige Tage nach dem Dekret.<strong>Galilei</strong> arbeitete in der Folge weiter an der Entwicklung einer neuen Physik, hielt jedoch in seinenmit sehr spitzer Feder geschriebenen Briefen an der Lehre <strong>des</strong> Kopernikus fest und leugnete diesenur formal. Ende 1629 lag <strong>das</strong> Manuskript für den sogenannten „Dialog“ vor, an dem er über 20Jahre lang gearbeitet hat. Inhaltlich war es eindeutig eine Rechtfertigung <strong>des</strong> kopernikanischenWeltbil<strong>des</strong> und eine Widerlegung der aristotelischen Lehre. Die literarische Form <strong>des</strong> Dialogs warein zeitgemäßer Trick, <strong>um</strong> eigene Meinungen wiedergeben zu können. Um die Druckerlaubnis zubekommen, schmeichelte er dem neuen Papst Urban VIII. und ging auch auf <strong>des</strong>senÄnderungswunsch <strong>des</strong> Titels ein.<strong>Der</strong> für die Imprimatur, die Druckerlaubnis, zuständige Hoftheologe Riccardi war ein alter Freund<strong>Galilei</strong>s. Er hatte wohl als einziger <strong>das</strong> <strong>Werk</strong> vollständig gelesen und erkannte die Brisanz einerVeröffentlichung. Formal hielt sich der Autor an die Regeln <strong>des</strong> Dekrets von 1616,augenscheinlich verteidigte er jedoch weiterhin die untersagte und auf dem Index stehende Lehre<strong>des</strong> Kopernikus. Riccardi spielte auf Zeit, z<strong>um</strong>al der Druck wegen der Pest und <strong>des</strong> Versterbens<strong>des</strong> Mitherausgebers nach Florenz verlegt wurde. Im Februar 1632 war <strong>das</strong> <strong>Werk</strong> endlich fertiggedruckt und fand sehr schnell Verbreitung in weiten Teilen Europas.<strong>Der</strong> Papst fühlte sich vom Erscheinen <strong>des</strong> <strong>Werk</strong>es allerdings vor den Kopf gestoßen, von allengetäuscht und hintergangen. Es ist gut möglich, <strong>das</strong>s er durch die alten Gegner <strong>Galilei</strong>s auf denwahren Inhalt <strong>des</strong> Buches hingewiesen worden ist. Urbans Reaktion war heftig: <strong>Galilei</strong> habe sichals Laie in theologische Fragen eingemischt, den Heiligen Vater getäuscht, dem HoftheologenRiccardi die Imprimatur abgenötigt und die Änderungswünsche <strong>des</strong> Papstes seien nicht wievereinbart gedruckt worden. Er fühlte sich persönlich in höchstem Maße enttäuscht und verletzt.Urban VIII. war davon überzeugt, <strong>das</strong>s der menschliche Verstand nicht in der Lage sei, diegöttliche Schöpfung zu verstehen. Zudem war die allgemeine Lage <strong>des</strong> kirchlichen Oberhaupts zudieser Zeit schwierig: er sah sich persönlichen Verle<strong>um</strong>dungen ausgesetzt, der DreißigjährigeKrieg tobte und die Gläubigen in Frankreich machten ihm Probleme. Er fühlte sich dahergezwungen, hart durchzugreifen, <strong>um</strong> höheren Schaden von der Kirche abzuwenden. <strong>Der</strong> Fallwurde zunächst einer Untersuchungskommission übergeben, welche zwar nur sein <strong>Werk</strong> (undnicht seine Person!) untersuchen sollte, ihm aber nicht wohlgesonnen war.Kurz darauf tauchten vermeintliche <strong>Prozess</strong>akten von 1616 auf, welche inhaltlich weder denspäteren Aussagen <strong>Galilei</strong>s noch dem Brief <strong>des</strong> Bellarmin entsprachen und auch wegen ihresäußeren Aufbaus berechtigte Zweifel an ihrer Echtheit nähren. Nach diesen Akten sei es <strong>Galilei</strong>


seit dem Dekret generell untersagt gewesen, sich über Kopernikus´ Theorien zu äußern, auch nichthypothetisch. Dies veränderte <strong>Galileo</strong> <strong>Galilei</strong>s Lage dramatisch, denn dadurch hätte er gegenAnweisungen der Inquisition verstoßen, was ein ungleich schwereres Delikt bedeutete.Im Oktober 1632 wurde er schließlich vor <strong>das</strong> Heilige Offizi<strong>um</strong> geladen. Aufgrund seinesGesundheitszustan<strong>des</strong> erreichte er Rom erst im Januar 1633, wo er im Haus <strong>des</strong> Botschafters derToskana untergebracht wurde. Er genoss milde Bedingungen und war nur zweimal für kurze Zeitin Haft, dabei über einen persönlichen Diener und Essen aus der Botschaft verfügend. <strong>Der</strong>Großherzog war ihm weiterhin wohlgesonnen und setzte sich für ihn ein. Wieder und wieder fragteihn die Inquisition in den folgenden Monaten nach den Umständen der Druckerlaubnis und war<strong>um</strong>er die (vermeintlichen) Anweisungen von 1616 dabei nicht erwähnte.Eine weitere Kommission <strong>des</strong> Heiligen Offizi<strong>um</strong>s war nach erneutem Studi<strong>um</strong> <strong>des</strong> „Dialog“ derAnsicht, <strong>das</strong>s <strong>Galilei</strong> gegen <strong>das</strong> Dekret verstoßen hatte, auch nach der Auslegung <strong>des</strong> Briefes vonBellarmin. Die Fadenscheinigkeit seiner hypothetischen Darstellung wurde ihm zur Last gelegt.<strong>Der</strong> Vorsitzende der Kommission ersuchte dar<strong>um</strong>, <strong>das</strong>s man sich außergerichtlich einigen würde,was stattgegeben wurde. <strong>Galilei</strong> galt so nicht als Verurteilter der Inquisition, sondern sollteöffentlich seinen Fehler eingestehen und bekennen, <strong>das</strong>s man seine Schrift falsch, im Sinne <strong>des</strong>Kopernikus, auslegen könnte.Am 10. Mai 1633 legte <strong>Galilei</strong> seine nach den Wünschen der Kommission gestalteteVerteidigungsschrift vor, doch ahnte er nichts von dem, was ihn erwarten würde. <strong>Der</strong> eigentlichbestens informierte toskanische Botschafter, sein Mittelsmann, vermittelte ihm nur die positivenNachrichten. Zwischendurch waren allerdings <strong>Galilei</strong>s alte Gegner aktiv geworden, verbreitetenfehlerhafte Abschriften, angebliche blasphemische Äußerungen und weitere fragwürdigeDok<strong>um</strong>ente, die angeblich von <strong>Galilei</strong> stammen sollten.Papst Urban VIII. hatte mittlerweile genug von der Auseinandersetzung und den Streitigkeiten. Erbefahl <strong>Galilei</strong>, unter Androhung von Folter (welche bei alten Leuten nicht angewandt wurde, auchwurde <strong>Galilei</strong> wohl niemals ein Folterinstr<strong>um</strong>ent zur Einschüchterung gezeigt), seine wahrenGründe für <strong>das</strong> Publizieren <strong>des</strong> „Dialog“ zu nennen. Zudem solle er der kopernikanischen Lehreabschwören, sich dazu nicht mehr äußern, durch <strong>das</strong> Heilige Offizi<strong>um</strong> verhaftet werden und der„Dialog“ auf den Index kommen.<strong>Galilei</strong> wusste davon nichts, als er am 21. Juni vor die Inquisition trat. Er bekam dreimal die selbenFragen zu seinem <strong>Werk</strong> vorgelegt, die er im Sinne der Kirche beantwortete. Mit einem gutenGefühl dürfte er aus dieser Verhandlung gegangen sein. Als er am nächsten Tage <strong>das</strong> Maultier und<strong>das</strong> Bußgewand sah, muss es ein Schock für ihn gewesen sein. <strong>Galileo</strong>, als gläubiger Christ seinerZeit, muss jedoch innerlich einen Weg gefunden haben, sich damit abzufinden und <strong>das</strong> Urteil derKirche demütig und endgültig zu akzeptieren.<strong>Der</strong> Machtmissbrauch der Kirchenvertreter wurde ihm zur Verhängnis, sie ließen sich von seinenGegner instr<strong>um</strong>entalisieren und für ihre Absichten einspannen. <strong>Der</strong> Vorwurf der „Häresie“ trafnicht zu, schließlich hatte <strong>Galilei</strong> nicht gegen ein Dogma verstoßen. Die Abschwörungsformelversuchte zudem, die Auslegung <strong>des</strong> Dekrets von 1616 nachträglich zu Recht zu rücken. <strong>Galilei</strong>blieb bis an sein Lebensende ein Gefangener der Inquisition, allerdings unter angenehmenBedingungen. Er durfte nach einem halben Jahr nach Florenz ziehen und weiter an der neuenPhysik arbeiten. Seine 1638 erschienene Publikation der „Discorsi“ ließ er vorsichtshalber inHolland drucken, doch hatte die Kirche keine Einwände. Zwischen 1637 und 1639 erblindete<strong>Galilei</strong>, konnte dank seiner Mitarbeiter aber bis kurz vor seinem Tod am 8. Januar 1642weiterarbeiten. Er liegt in der Kirche Santa Croce in Florenz begraben. Erst 1728 fand derEngländer James Bradley den konkreten Beweis für die Richtigkeit <strong>des</strong> kopernikanischenWeltbil<strong>des</strong>.


Michael Nehring

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