Unser Geldsystem unddas „eine Prozent“Warum Inflation die Armen ärmer und die Reichenreicher macht – von Dominic FrisbyIch stimme mit George Orwells Ansicht überein,dass „Menschen im Allgemeinen gut seinmöchten, aber nicht zu gut und nicht die ganzeZeit“. Aber wenn die Menschen meistensgut sind, frage ich mich, wieso es so vieles aufder Welt gibt, das offensichtlich falsch läuft?Kriege, Umweltverschmutzung, Hunger inder einen Hälfte der Welt, Fettsucht in deranderen, übermäßiger Konsum, ein Finanzsystem,das außer Rand und Band geraten ist– und so weiter.Ein besonderer Dorn im Auge ist für mich dieungleiche Verteilung des Wohlstands, die sichauf ganz unterschiedliche Weise ausdrückt.Wir sehen es zwischen Generationen: zumersten Mal in der Geschichte ist meine unddie nächste Generation ärmer als die unsererEltern. Wie kann das sein, obwohl der technischeFortschritt weitergeht? Die meistenMenschen in London unter 30 glauben, dasssie niemals im Leben ein Haus ihr Eigentumnennen werden – das ist entsetzlich.40
SCHWERPUNKTWir sehen es zwischen den Nationen: diereichsten 400 Menschen haben soviel Vermögenwie die ärmsten 140 Millionen.Wir sehen es auch innerhalb der Nationen: dasreichste Prozent der Amerikaner kassiert einViertel der Einkommen des Landes. Betrachtetman sowohl Sachwerte und Bankkontenals auch Investments und Kunst, verfügen sieüber rund die Hälfte aller Vermögenswerte inden USA. Dieser Anteil hat sich in den letztenvier Jahrzehnten verdoppelt.Wir sehen es sogar innerhalb von Organisationen,wo zum Beispiel der Vorstand einerBank das Tausendfache von dem verdient,was einer seiner kleinen Angestellten erhält.Wenn der Mensch, wie Orwell sagt, „überwiegendgut“ ist, wieso gibt es bei der Verteilungdes Wohlstands dann eine solche Schieflage?Ich bin der Auffassung, dass unsere Systemedaran Schuld sind. Und der größte Schurkevon allen ist das Geldsystem.Viele Menschen machen sich eine Menge Gedankendarüber, wie sie mehr Geld verdienenkönnen. Doch nur wenige machen sich Gedankendarüber, wie unser Geldsystem überhauptfunktioniert.Als Gold und Silber noch offiziell als Geldverwendet wurden, waren die Preise konstant.Wenn man den Index der Großhandelspreisebetrachtet, fielen sie im 19. Jahrhundert sogar,in einer Zeit, in der die westliche Zivilisationein hohes Wirtschaftswachstum und einensteigenden Wohlstand genoss. Die Preiseblieben konstant bis zum Beginn des ErstenWeltkriegs, als die kriegführenden Staatenden Goldstandard aussetzten, um den Kriegmit ungedecktem Papiergeld zu finanzierten.1971 wurde der Goldstandard dann von PresidentNixon endgültig abgeschafft. Bis dahinwar zumindest der Dollar als Leitwährungnoch durch Gold gedeckt. Das aktuelle Systemstaatlichen Fiat-Geldes (nach lateinisch:Fiat, „es werde“) wurde zur weltweiten Norm.Das war nicht unbedingt so geplant, es passierteeinfach aus politischer Zweckmäßigkeit.Die USA hatten, um den Vietnamkrieg zufinanzieren, mehr Dollars ausgegeben als sieGold zur Deckung besaßen, und befürchteteneinen Ansturm auf ihr Gold.Wie haben sich die Preise seitdem verändert?Wenn ich 1971 mit meinem Sohn zum Fußball-Pokalfinalegegangen wäre, hätte michdas zwei Pfund gekostet – heute sind es über100 Pfund. Der Schokoriegel in der Halbzeithätte mich zwei Pence gekostet – jetzt sind es60 Pence. Ein Bier für mich selbst hätte damalself Pence gekostet – heute verlangt manin Wembley für ein Bier fünf Pfund. Die GalloneBenzin, die ich gebraucht hätte, um hinundzurückzufahren, hätte mich 33 Pence gekostet– heute: sieben Pfund. Und das Haus,in das wir zurückgekehrt wären, hätte etwazwei Prozent seines heutigen Preises gekostet.Man vergisst leicht, in welchem Umfang manberaubt wird!Die Durchschnittseinkommen sind seitdemzwar auch gestiegen, aber nicht im selbenMaße. Sie haben sich von etwa 1.500 bis2.000 Pfund pro Jahr auf etwa 25.000 Pfunderhöht. Die Differenz wird durch mehr Schulden,längere Arbeitszeiten, mehr Frauenarbeit(also: zwei Verdiener pro Haushalt) gedeckt.Warum wird alles – außer massenproduzierteWaren – auf so unerbittliche Weise teurer? Esliegt am System des Fiat-Geldes. Es gibt sogut wie keine Grenze, wieviel davon geschaf-41