Die Privatisierung im deutschen Strafvollzug - E-cademic
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<strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Strafvollzug</strong>
Susann Barisch<br />
<strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Strafvollzug</strong><br />
unter Einbeziehung des Jugendstrafvollzuges und<br />
unter Berücksichtigung entsprechender Entwicklungen<br />
in Großbritannien, Frankreich und den USA<br />
Waxmann 2010<br />
Münster / New York / München / Berlin
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in<br />
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />
Daten sind <strong>im</strong> Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
Internationale Hochschulschriften, Bd. 538<br />
<strong>Die</strong> Reihe für Habilitationen und sehr gute<br />
und ausgezeichnete Dissertationen<br />
ISSN 0932-4763<br />
ISBN 978-3-8309-2255-1<br />
© Waxmann Verlag GmbH, Münster 2010<br />
www.waxmann.com<br />
info@waxmann.com<br />
Umschlaggestaltung: Christian Averbeck, Münster<br />
Druck: Hubert & Co., Göttingen<br />
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier,<br />
säurefrei gemäß ISO 9706<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Printed in Germany
meiner Mutter,<br />
meinem Mann<br />
und meinen Kindern
Vorwort<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit wurde <strong>im</strong> Sommersemester 2009 von der juristischen Fakultät<br />
der Universität Passau als Dissertation angenommen.<br />
Ich danke zunächst meinem geschätzten Doktorvater Prof. Dr. Werner Beulke für<br />
die umfassende Betreuung der Arbeit sowie sein offenes Interesse für die bearbeitete<br />
Thematik. Mein ganz besonderer Dank gilt auch Prof. Dr. Bernhard Haffke, der<br />
das Zweitgutachten für diese Dissertation übernahm.<br />
Für das akribische Korrekturlesen bedanke ich mich ganz herzlich bei meiner langjährigen<br />
Freundin Gisela Weber.<br />
Ebenfalls danke ich dem Leiter der JVA Hünfeld Dr. Werner Päckert, der mir das<br />
Titelbild – ein Bild der JVA Hünfeld – unkompliziert zur Ablichtung aus dem Archiv<br />
der JVA Hünfeld zur Verfügung gestellt hat.<br />
Ganz besonders zu Dank verpflichtet bin ich aber meiner Familie. So trug mein<br />
Mann Dr. Kai Thorsten Barisch ganz erheblich zum Gelingen dieser Arbeit bei.<br />
Ihm danke ich für die Unterstützung in jeglicher Phase dieser Dissertation, insbesondere<br />
für zahlreiche fruchtbare Diskussionen und wertvolle Anregungen sowie<br />
für die kritische Durchsicht der Arbeit. Ebenso möchte ich meinen Kindern Anna-<br />
Sophia und Magnus danken, die zugunsten meiner intensiven Beschäftigung mit<br />
diesem Thema auf mich nicht unerhebliche Zeit verzichten mussten und die dennoch<br />
stets bester Laune waren und deren sonniges Gemüt mich motiviert hat. Des<br />
Weiteren schulde ich meiner Schwiegermutter Heide Marie Barisch aufrichtigen<br />
Dank. Sie hat mich ebenfalls sehr unterstützt und mir vor allem in der Endphase<br />
dieser Dissertation <strong>im</strong>mer wieder den Rücken freigehalten. Schließlich gilt mein<br />
tiefster Dank meiner Mutter Gisela Findeisen, die mich mein Leben lang unterstützt<br />
und motiviert hat und ohne die diese Arbeit letztlich nicht möglich gewesen wäre.<br />
Ihr, meinem Mann und meinen Kindern ist diese Arbeit daher gewidmet.<br />
Ferner gebührt mein aufrichtiger Dank Frau Dr. Sabine Swoboda, Herrn Dr. Tobias<br />
Witzigmann, Herrn Dr. Frank Braun, Herrn RA Jörg Holtmann, Frau Anne Paschke<br />
und Herrn Dr. Christoph Warga.<br />
Heilsbronn, <strong>im</strong> Oktober 2009 Susann Barisch
Inhalt<br />
Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. 14<br />
A. Einführung ..................................................................................................... 19<br />
I. Das Phänomen der <strong>Privatisierung</strong>.................................................................... 19<br />
II. Gang der Untersuchung ................................................................................... 19<br />
III. Begrifflichkeiten .............................................................................................. 20<br />
1. Der Begriff des <strong>Strafvollzug</strong>s .......................................................................... 20<br />
2. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> ............................................................................................ 20<br />
a) <strong>Privatisierung</strong>sformen...................................................................................... 21<br />
b) Public Private Partnership................................................................................ 25<br />
c) <strong>Privatisierung</strong>smodelle .................................................................................... 26<br />
IV. Bisherige Entwicklung hinsichtlich der <strong>Privatisierung</strong> des <strong>Strafvollzug</strong>s<br />
in Deutschland ................................................................................................. 29<br />
1. Möglichkeiten der Beteiligung Privater .......................................................... 29<br />
2. Beginnende <strong>Privatisierung</strong> in Deutschland Ende des 20. Jahrhunderts .......... 33<br />
3. Von der Einführung des elektronischen Hausarrests über den privat<br />
finanzierten Bau bis hin zur Teilprivatisierung von Justizvollzugsanstalten .. 36<br />
a) Der elektronisch überwachte Hausarrest ......................................................... 36<br />
b) Bewährungs- und Gerichtshilfe in freier Trägerschaft.................................... 37<br />
c) Das Nachsorgeprojekt „Chance“ ..................................................................... 38<br />
d) Investorenmodelle............................................................................................ 39<br />
e) Einsatz privater Sicherheitskräfte in Abschiebehaftanstalten ......................... 40<br />
f) Erster Einsatz privater Sicherheitskräfte in <strong>Strafvollzug</strong>sanstalten................. 42<br />
g) <strong>Die</strong> JVA Hünfeld: Deutschlands erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt . 43<br />
h) Weitere <strong>Privatisierung</strong>sprojekte in der Bundesrepublik.................................. 47<br />
V. Ausländische Vorbilder ................................................................................... 52<br />
1. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> des <strong>Strafvollzug</strong>s in den USA ........................................... 53<br />
a) Ausgangssituation und Gründe für die <strong>Privatisierung</strong>swelle .......................... 53<br />
b) Entwicklung der Gefängnisprivatisierung ....................................................... 56<br />
2. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> des <strong>Strafvollzug</strong>s <strong>im</strong> Vereinigten Königreich ................... 58<br />
3. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> des <strong>Strafvollzug</strong>s in Frankreich......................................... 61<br />
4. Zwischenergebnis ............................................................................................ 63<br />
VI. Der „Gefängnismarkt“ ..................................................................................... 64<br />
1. Das Börsenwunder........................................................................................... 64<br />
2. <strong>Die</strong> „Global Players“ der Sicherheitsbranche.................................................. 64<br />
9
B. <strong>Die</strong> frühen Wurzeln der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> ........................... 69<br />
I. Beginn der Geschichte der modernen Freiheitsstrafe...................................... 69<br />
II. Verfallserscheinungen und weitere Reformen <strong>im</strong> 17. und 18. Jahrhundert .... 74<br />
1. <strong>Die</strong> Verdrängung des Ziels der Resozialisierung durch Gewinnstreben......... 74<br />
2. Reformbestrebungen <strong>im</strong> Zuge der Aufklärung................................................ 77<br />
III. Reformen in den USA ..................................................................................... 78<br />
1. Das Pennsylvanische System („solitary system“) ........................................... 79<br />
2. Das Auburn’sche System („silent system“)..................................................... 80<br />
3. Jugendliche Straftäter ...................................................................................... 81<br />
IV. Entwicklung der <strong>Strafvollzug</strong>ssysteme in England......................................... 81<br />
V. Der französische <strong>Strafvollzug</strong> des 19. Jahrhunderts........................................ 83<br />
VI. Reformen in Deutschland <strong>im</strong> 19. Jahrhundert ................................................. 85<br />
VII. „<strong>Privatisierung</strong>smodelle“ <strong>im</strong> 19. Jahrhundert .................................................. 87<br />
1. Betrieb durch Unternehmer für deren Rechnung ............................................ 87<br />
2. Betrieb durch die Anstalt für Rechnung des Unternehmers............................ 91<br />
3. Betrieb durch die Anstalt für eigene Rechnung............................................... 91<br />
4. Benthams „Panopticon“................................................................................... 92<br />
VIII. <strong>Strafvollzug</strong> <strong>im</strong> Kaiserreich und in der We<strong>im</strong>arer Republik........................... 94<br />
IX. <strong>Strafvollzug</strong> <strong>im</strong> Dritten Reich.......................................................................... 95<br />
X. Schlussfolgerungen in Hinblick auf die aktuelle <strong>Privatisierung</strong>sdiskussion... 97<br />
C. <strong>Die</strong> rechtliche Zulässigkeit der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> .............. 101<br />
I. Rechtsphilosophische und kr<strong>im</strong>inologische Erwägungen ............................. 101<br />
1. Das Z<strong>im</strong>bardo-Exper<strong>im</strong>ent: der Mensch und die Macht ............................... 101<br />
2. <strong>Die</strong> Symbolwirkung der Strafe sowie des <strong>Strafvollzug</strong>s............................... 105<br />
3. Das Gewaltmonopol ...................................................................................... 106<br />
a) Allgemeines zum Gewaltmonopol ................................................................ 106<br />
b) <strong>Die</strong> Sicherheitsphilosophie Thomas Hobbes: Legit<strong>im</strong>ation der<br />
staatlichen Existenz durch die Gewährleistung von Sicherheit ..................... 108<br />
c) <strong>Die</strong> Freiheitsphilosophie John Lockes: Sicherheit und Freiheit <strong>im</strong><br />
Einklang ......................................................................................................... 110<br />
d) Schlussfolgerungen........................................................................................ 112<br />
II. Weitere verfassungsrechtliche Vorgaben für die <strong>Privatisierung</strong> ................... 118<br />
1. Vereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 4 GG ............................................................ 118<br />
a) Einleitende Bemerkungen zu dieser Norm.................................................... 119<br />
b) Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse ............................................. 120<br />
10
c) Grenzen des Funktionsvorbehalts.................................................................. 130<br />
d) Zwischenergebnis .......................................................................................... 136<br />
2. Vereinbarkeit mit dem Demokratie-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip 137<br />
a) Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip.................................................... 137<br />
b) Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip................................................... 141<br />
c) Vereinbarkeit mit dem Sozialstaatsprinzip.................................................... 156<br />
3. Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 3 GG ............................................................ 162<br />
4. <strong>Die</strong> Problematik des Einsatzes von „Notrechten“ ......................................... 165<br />
5. Zwischenergebnis .......................................................................................... 169<br />
III. Vereinbarkeit der <strong>Privatisierung</strong> mit dem einfachgesetzlichen Recht .......... 169<br />
1. <strong>Die</strong> Föderalismusreform ................................................................................ 169<br />
a) Allgemeines zur Föderalismusreform ........................................................... 169<br />
b) Pro und Contra............................................................................................... 170<br />
c) <strong>Die</strong> Entwicklung bis zur Entstehung des <strong>Strafvollzug</strong>sgesetzes ................... 174<br />
d) <strong>Die</strong> Schaffung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes ........................................ 176<br />
2. <strong>Die</strong> Rechtmäßigkeit der Funktionalprivatisierung ........................................ 181<br />
a) Vereinbarkeit der Funktionalprivatisierung mit dem<br />
Bundesstrafvollzugsgesetz............................................................................. 181<br />
b) Vereinbarkeit der Funktionalprivatisierung mit den neuen<br />
Landesstrafvollzugsgesetzen <strong>im</strong> Hinblick auf den Erwachsenenvollzug...... 187<br />
IV. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse <strong>im</strong> Hinblick auf rechtliche<br />
Vorgaben für eine Vollzugsprivatisierung .................................................... 189<br />
D. <strong>Die</strong> Vor- und Nachteile der Vollzugsprivatisierung ................................. 191<br />
I. Kostenfaktor .................................................................................................. 191<br />
1. Kosteneinsparungspotenzial be<strong>im</strong> Bau von Justizvollzugsanstalten durch<br />
Private ............................................................................................................ 192<br />
2. Kosteneinsparungspotenzial be<strong>im</strong> Einsatz von Privaten <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> ..... 195<br />
a) Allgemeines zum Einsparungspotenzial........................................................ 195<br />
b) Einsparungen durch Wettbewerb................................................................... 197<br />
c) Einsparungen <strong>im</strong> Personalbereich.................................................................. 202<br />
d) Ausbeutung der Arbeitskraft der Gefangenen ............................................... 208<br />
e) Sonstige Einsparungspotenziale und zu berücksichtigende Faktoren ........... 211<br />
f) Aussagekraft bisheriger Studien.................................................................... 211<br />
3. Zwischenergebnis .......................................................................................... 219<br />
II. Einsparungen nur auf Kosten der Qualität?................................................... 220<br />
1. „Corner Cutting“............................................................................................ 220<br />
11
a) Darstellung der Problematik.......................................................................... 220<br />
b) Erfahrungen in den USA ............................................................................... 221<br />
c) Erfahrungen <strong>im</strong> Vereinigten Königreich ....................................................... 224<br />
d) Erfahrungen in Frankreich............................................................................. 225<br />
e) Übertragung auf die Situation in Deutschland .............................................. 225<br />
f) Qualitätssteigerungen durch <strong>Privatisierung</strong>................................................... 229<br />
g) Zwischenergebnis .......................................................................................... 238<br />
2. „Cream Sk<strong>im</strong>ming“ ....................................................................................... 238<br />
3. Fluktuation be<strong>im</strong> Personal ............................................................................. 241<br />
4. Öffentliche Kontrolle..................................................................................... 242<br />
5. Aussagekraft bisheriger Studien.................................................................... 243<br />
6. Zwischenergebnis .......................................................................................... 243<br />
III. Quantität: Abbau der Überbelegung durch Gefängnisneubauten?................ 243<br />
IV. Flexibilität ..................................................................................................... 246<br />
V. Sicherheit ...................................................................................................... 248<br />
1. Sicherheit <strong>im</strong> engeren Sinn............................................................................ 240<br />
2. Spannungsverhältnis von Sicherheit und Resozialisierung ........................... 249<br />
3. Flucht ............................................................................................................. 250<br />
4. Streikgefahr .................................................................................................. 251<br />
5. Insolvenz ....................................................................................................... 252<br />
VI. Korruption ..................................................................................................... 254<br />
VII. Ergebnis ........................................................................................................ 255<br />
E. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug ................................................ 256<br />
I. Einleitung .................................................................................................. 256<br />
1. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong> auf dem Gebiet des Jugendstraf- und<br />
Jugendarrestvollzugs <strong>im</strong> Ausland.................................................................. 257<br />
a) In den USA .................................................................................................. 257<br />
b) In Großbritannien........................................................................................... 259<br />
2. <strong>Die</strong> Beteiligung Privater in der <strong>deutschen</strong> Jugendstrafrechtspflege.............. 260<br />
a) Teen Courts .................................................................................................. 260<br />
b) <strong>Die</strong> Unterbringung in einem He<strong>im</strong> der Jugendhilfe ...................................... 262<br />
c) <strong>Die</strong> Einbindung Privater bei der Durchführung ambulanter Sanktionen ...... 263<br />
d) Der Vollzug in freien Formen........................................................................ 264<br />
II. <strong>Die</strong> Zweckmäßigkeit der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug ................... 281<br />
1. <strong>Die</strong> Geltung des Erziehungsauftrags <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug......................... 281<br />
2. Kostenerwägungen <strong>im</strong> Hinblick auf die <strong>Privatisierung</strong>sbestrebungen.......... 282<br />
12
3. <strong>Die</strong> erzieherische Wirksamkeit jugendstrafrechtlicher stationärer<br />
Sanktionen ..................................................................................................... 285<br />
4. Zwischenergebnis .......................................................................................... 286<br />
III. <strong>Die</strong> rechtliche Zulässigkeit der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug.......... 287<br />
1. <strong>Die</strong> Vereinbarkeit der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug mit dem JGG<br />
nach alter Rechtslage ..................................................................................... 287<br />
2. Näheres zu den Regelungen der Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder,<br />
welche die <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug vorsehen .......................... 289<br />
3. <strong>Die</strong> Vereinbarkeit der <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug mit dem<br />
Verfassungsrecht, insbesondere mit Art. 33 Abs. 4 GG................................ 291<br />
a) <strong>Die</strong> hoheitsrechtlichen Befugnisse ................................................................ 291<br />
b) Das Regel-Ausnahme-Prinzip ....................................................................... 293<br />
c) Zwischenergebnis .......................................................................................... 297<br />
IV. Ergebnis ......................................................................................................... 298<br />
F. Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung .............................. 299<br />
Literaturverzeichnis .................................................................................................. 302<br />
Stichwortverzeichnis ................................................................................................. 331<br />
Anhang: Übersicht über die einzelnen zum Vollzug in freien Formen<br />
getroffenen Regelungen ............................................................................ 334<br />
13
Abkürzungsverzeichnis<br />
a.A. andere(r) Ansicht<br />
a.F. alte Fassung<br />
Abs. Absatz<br />
ACA American Correctional Association<br />
ACLU American Civil Liberties Union<br />
AG Amtsgericht, Aktiengesellschaft<br />
Alt. Alternative<br />
ÄndG Änderungsgesetz<br />
Art. Artikel<br />
Aufl. Auflage<br />
AuslG Ausländergesetz<br />
Az. Aktenzeichen<br />
BayOblG Bayerisches Oberstes Landesgericht<br />
BayStVollzG Bayerisches <strong>Strafvollzug</strong>sgesetz<br />
BayVBl. Bayerisches Verwaltungsblatt<br />
BbgJStVollzG Brandenburgisches Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
Bd. Band<br />
Begr. Begründung<br />
BewHi Bewährungshilfe (Fachzeitschrift für Bewährungs-, Gerichts-<br />
und Straffälligenhilfe)<br />
BGB Bürgerliches Gesetzbuch<br />
BGBl. Bundesgesetzblatt<br />
BGH Bundesgerichtshof<br />
BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen<br />
BlStVK Blätter für <strong>Strafvollzug</strong>skunde<br />
BMJ Bundesministerium der Justiz<br />
BremJStVollzG Bremer Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe<br />
BritJCr<strong>im</strong> British Journal of Cr<strong>im</strong>inology<br />
BRRG Beamtenrechtsrahmengesetz<br />
BSBD Bund der <strong>Strafvollzug</strong>sbediensteten in Deutschland<br />
BT-Drs. Bundestags-Drucksache<br />
BtMG Betäubungsmittelgesetz<br />
BVerfG Bundesverfassungsgericht<br />
BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts<br />
BVerwG Bundesverwaltungsgericht<br />
BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts<br />
bzw. beziehungsweise<br />
ca. circa<br />
CanadJCr<strong>im</strong> Canadian Journal of Cr<strong>im</strong>inology<br />
CCA Corrections Corporation of America<br />
CDU Christliche Demokratische Union<br />
CJD Christliches Jugenddorfwerk Deutschland<br />
d.h. das heißt<br />
14
DBH Deutsche Bewährungshilfe<br />
DCMF Designed, Constructed, Managed and Financed<br />
ders. derselbe<br />
dies. dieselbe(n)<br />
DÖV <strong>Die</strong> Öffentliche Verwaltung<br />
DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt<br />
DVJJ-J Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen<br />
– Journal<br />
e.V. eingetragener Verein<br />
f. folgende<br />
Fa. Firma<br />
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
FDP Freie Demokratische Partei Deutschlands<br />
FEVG Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen<br />
ff. fortfolgende<br />
FG Festgabe<br />
Fn. Fußnote<br />
FoR Forum Recht<br />
Frankfurt/M. Frankfurt am Main<br />
FS Forum <strong>Strafvollzug</strong> (bis 31.12.2006 Zeitschrift für <strong>Strafvollzug</strong><br />
und Straffälligenhilfe) oder Festschrift<br />
G 10 Vereinheitlichtes, in zehn Bundesländern (Berlin, Brandenburg,<br />
Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,<br />
Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein,<br />
Thüringen) geltendes Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht<br />
GAO General Accounting Office<br />
GewArch Gewerbearchiv<br />
GG Grundgesetz<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
GS Gedächtnisschrift<br />
GVBl. Gesetzes- und Verordnungsblatt<br />
h.L. herrschende Lehre<br />
h.M. herrschende Meinung<br />
HessJStVollzG Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
HmbStVollzG Hamburgisches <strong>Strafvollzug</strong>sgesetz<br />
HMP Her Majesty’s Prison<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
i.E. <strong>im</strong> Ergebnis<br />
i.e.S. <strong>im</strong> engeren Sinn<br />
i.S.d. <strong>im</strong> Sinne des/der<br />
15
i.V.m. in Verbindung mit<br />
Inc. Incorporated<br />
INS Immigration and Naturalization Service<br />
IP Internationale Politik<br />
IPSE Institut für Projektevaluation und sozialwissenschaftliche<br />
Datenerhebung<br />
JGG Jugendgerichtsgesetz<br />
JR Juristische Rundschau<br />
JStVollzG Bln Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
JStVollzG BW Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Baden-<br />
Württemberg<br />
JStVollzG LSA Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Sachsen-<br />
Anhalt<br />
JStVollzG M-V Jugendstrafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern<br />
JStVollzG NRW Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen<br />
JStVollzG Sch-H Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-<br />
Holstein<br />
JuS Juristische Schulung<br />
JVA Justizvollzugsanstalt<br />
JZ Juristenzeitung<br />
Kap. Kapitel<br />
KG Kammergericht<br />
KJ Kritische Justiz<br />
KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />
Kr<strong>im</strong>J Kr<strong>im</strong>inologisches Journal<br />
Kr<strong>im</strong>Päd Kr<strong>im</strong>inalpädagogische Praxis<br />
KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und<br />
Rechtswissenschaft<br />
LG Landgericht<br />
LJStVollzG Rh-P Jugendstrafvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz<br />
m.w.N. mit weiteren Nachweisen<br />
Mio Millionen<br />
MJAE Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa in Schleswig-<br />
Holstein<br />
MSchrKr<strong>im</strong> Monatsschrift für Kr<strong>im</strong>inologie und Strafrechtsreform<br />
NJ Neue Justiz<br />
NJVollzG Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz<br />
NJW Neue Juristische Wochenschrift<br />
NK Neue Kr<strong>im</strong>inalpolitik<br />
No. Number<br />
Nr. Nummer<br />
NRW Nordrhein-Westfalen<br />
NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht<br />
16
NStZ-RR Neue Zeitschrift für Strafrecht - Rechtsprechungsreport<br />
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht<br />
NwVBl. Nordrheinwestfälisches Verwaltungsblatt<br />
NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht<br />
OLG Oberlandesgericht<br />
PFI Private Finance Initiative<br />
plc Public L<strong>im</strong>ited Company<br />
PPP Public Private Partnership<br />
PPRI Prison Privatisation Report International<br />
Rn. Randnummer<br />
S. Satz, Seite<br />
SächsJStVollzG Sächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
SGB Sozialgesetzbuch<br />
SJStVollzG Saarländisches Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
sog. so genannt<br />
StGB Strafgesetzbuch<br />
StPO Strafprozessordnung<br />
StV Strafverteidiger<br />
StVollzG <strong>Strafvollzug</strong>sgesetz<br />
sub Sozialarbeit und Bewährungshilfe<br />
SZ Süddeutsche Zeitung<br />
Thür-JStVollzG Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz<br />
u.a. unter anderem<br />
u.Ä. und ähnliches<br />
UL The Urban Lawyer<br />
Urt. Urteil<br />
US Vereinigte Staaten (United States)<br />
USA Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America)<br />
usw. und so weiter<br />
v. von, vom<br />
Var. Variante<br />
VerwArch Verwaltungsarchiv<br />
VG Verwaltungsgericht<br />
vgl. vergleiche<br />
Vol. Volume<br />
vs. versus<br />
VVJug Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug<br />
VwGO Verwaltungsgerichtsordnung<br />
YSI Youth Services International<br />
17
z.B. zum Beispiel<br />
ZfJ Zentralblatt für Jugendrecht<br />
ZfStrVo Zeitschrift für <strong>Strafvollzug</strong> und Straffälligenhilfe (ab 1.1.<br />
2007 Forum <strong>Strafvollzug</strong>)<br />
ZJJ Zeitschrift für Jugendkr<strong>im</strong>inalrecht und Jugendhilfe<br />
ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik<br />
ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft<br />
18
A. Einführung<br />
I. Das Phänomen der <strong>Privatisierung</strong><br />
Schon längst hat weltweit ein <strong>Privatisierung</strong>strend in den verschiedensten Lebens-,<br />
Politik- und Wirtschaftsbereichen eingesetzt, der nicht länger vor den letzten staatlichen<br />
Bastionen Halt machen will. Auch „Privatgefängnisse“ sind keine Fiktion<br />
mehr. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit sprießen nun auch in Deutschland<br />
nach ausländischem Vorbild teilprivatisierte Justizvollzugsanstalten wie Pilze aus<br />
dem Boden. Immer häufiger greift der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben aus<br />
den unterschiedlichsten Gründen und in den verschiedensten Bereichen auf Private<br />
zurück. Durch den Einsatz von Privatpersonen sollen die Leistungen billiger,<br />
schneller und besser erbracht werden. Zudem will man auf das Know-how privater<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsanbieter <strong>im</strong> fachlichen und betriebswirtschaftlichen Bereich zurückgreifen.<br />
Doch auf dem Gebiet des <strong>Strafvollzug</strong>s ist eine strenge Prüfung der Rechtund<br />
Zweckmäßigkeit der <strong>Privatisierung</strong> besonders geboten, da die Empfänger der<br />
Leistungen und sonstiger Handlungen – die Gefangenen – dem System gänzlich<br />
ohne Entweichungsmöglichkeit ausgeliefert sind. Über das „Ob“ und das „Wie“<br />
einer möglichen <strong>Privatisierung</strong> wird dabei trefflich gestritten. Nahezu einig ist man<br />
sich nur insoweit, als es in Deutschland keine <strong>Privatisierung</strong> „des <strong>Strafvollzug</strong>s“,<br />
sondern nur „<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>“ 1 geben kann. Bei aller Diskussion um den Sinn und<br />
Unsinn der Vollzugsprivatisierung gilt es eines <strong>im</strong> Auge zu behalten: Man kann nur<br />
dann zu einem sachgerechten Ergebnis gelangen, wenn man nicht nur die Schwächen<br />
oder Stärken der privaten Gefängnisse aufzeigt, sondern sie <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
ihrem staatlichen Antipode bewertet.<br />
II. Gang der Untersuchung<br />
Es ist Ziel dieser Arbeit, unter Abwägung aller Argumente in rechtlicher ebenso<br />
wie in faktischer Hinsicht zu untersuchen, ob die <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> in<br />
Deutschland rechtlich zulässig (vgl. Kapitel C) und zweckmäßig (vgl. Kapitel D)<br />
ist. Gerade <strong>im</strong> Hinblick auf die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorhabens soll ein<br />
Blick sowohl in die Vergangenheit (vgl. Kapitel B) als auch in die Gegenwart – <strong>im</strong><br />
In- und Ausland – dienen. Besonders hilfreich ist ein Rückgriff auf die gegenwärtigen<br />
ausländischen Erfahrungen mit der Vollzugsprivatisierung, wenn es um die<br />
Bewertung ihrer Vor- und Nachteile (vgl. Kapitel D) geht, da einige Länder, insbesondere<br />
die USA, Großbritannien und Frankreich, insoweit als Avantgardisten zu<br />
begreifen sind. <strong>Die</strong> auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse sollen <strong>im</strong> Anschluss<br />
auch bei der Frage, ob der Jugendstrafvollzug einer <strong>Privatisierung</strong> zugänglich ist<br />
(vgl. Kapitel E), fruchtbar gemacht werden. Dabei wird die Vereinbarkeit der Pri-<br />
1 Bonk, JZ 2000, 435 (437).<br />
19
vatisierung <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Strafvollzug</strong> mit dem Verfassungsrecht der einzelnen<br />
Bundesländer einer weiteren Dissertation überlassen.<br />
III. Begrifflichkeiten<br />
Doch was genau ist eigentlich unter der „<strong>Privatisierung</strong>“ <strong>im</strong> bzw. des „<strong>Strafvollzug</strong>s“<br />
zu verstehen?<br />
1. Der Begriff des <strong>Strafvollzug</strong>s<br />
Unter <strong>Strafvollzug</strong> versteht man die Vollziehung – d.h. die Art und Weise der<br />
Durchführung – der freiheitsentziehenden Kr<strong>im</strong>inalsanktionen, von der Aufnahme<br />
des Verurteilten in die Vollzugsanstalt bis zu seiner Entlassung. 2 Damit beschreibt<br />
der Terminus die Verwirklichung des Urteilsinhaltes in der stationären Durchführung<br />
und ist folglich von der Strafvollstreckung zu unterscheiden, welche die einzuleitende<br />
und zu überwachende Realisierung des Urteilsspruchs beinhaltet. Während<br />
die Strafvollstreckung folglich das „Ob“ der Sanktionsverwirklichung betrifft,<br />
bezieht sich der <strong>Strafvollzug</strong> auf das „Wie“. 3<br />
Da sich der <strong>Strafvollzug</strong> auf den stationären Vollzug der die Freiheit entziehenden<br />
Kr<strong>im</strong>inalsanktionen beschränkt, schließt er schon begrifflich Untersuchungs-,<br />
Abschiebe- und Zivilhaft sowie die Unterbringung Geisteskranker und die stationäre<br />
Erziehungshilfe aus. 4 Demnach verbleiben für den <strong>Strafvollzug</strong> nur noch die<br />
Freiheitsstrafe, die freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, 5<br />
die Jugendstrafe und der militärische Strafarrest. 6 Vorrangig geht es hier um die<br />
<strong>Privatisierung</strong> des Vollzugs der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe. Am Rande<br />
soll jedoch auch die <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzugs, insbesondere der Abschiebehaft,<br />
gestreift werden.<br />
2. <strong>Die</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />
Aus den bereits genannten Gründen hat sich die öffentliche Hand aus vielen Sektoren<br />
zurückgezogen und ist dazu übergegangen, die Aufgabenerfüllung lediglich zu<br />
gewährleisten, indem sie ihre privaten Partner auf die öffentlichen Ziele verpflich-<br />
2 Kaiser/Schöch, <strong>Strafvollzug</strong>, § 1 Rn. 1.<br />
3 Laubenthal, Rn. 12; Näheres zum Begriff der Strafvollstreckung bei Kötter, S. 7 ff.; siehe<br />
auch Kötter, S. 1 ff. zu privaten Elementen in der Strafvollstreckung.<br />
4 Kaiser/Schöch, <strong>Strafvollzug</strong>, § 1 Rn. 2.<br />
5 Zu diesen gehören die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt<br />
sowie in der Sicherungsverwahrung. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der<br />
<strong>Privatisierung</strong> des Maßregelvollzugs siehe z.B. Willenbruch/Bischoff, NJW 2006, 1776<br />
(1776 ff.); Näheres zur <strong>Privatisierung</strong> des Maßregelvollzugs bei Pollähne, in: Dessecker,<br />
S. 139 ff. sowie Strohm, in: Dessecker, S. 175 ff.<br />
6 Kaiser/Schöch, <strong>Strafvollzug</strong>, § 1 Rn. 4.<br />
20
tet und öffentliche Bindungen durchsetzt. 7 <strong>Die</strong>s versucht sie auf die unterschiedlichste<br />
Art und Weise zu erreichen: z.B. durch den Einsatz von Beliehenen und<br />
Verwaltungshelfern oder <strong>im</strong> Rahmen von sog. Public Private Partnerships (PPP).<br />
Häufig fällt auch der facettenreiche Begriff „<strong>Privatisierung</strong>“, was <strong>im</strong> Allgemeinen<br />
so viel bedeutet wie „Entstaatlichung“, Wechsel vom öffentlichen Sonderrecht zum<br />
Privatrecht oder Übergang von staatlicher Hoheitsgewalt auf gesellschaftliche Freiheit.<br />
8 Genauer betrachtet, kennt dieser schillernde Terminus viele Spielarten, denn<br />
hinter ihm verbergen sich verschiedene Sachverhalte und Erscheinungsformen. Aus<br />
diesem Grund ist eine inhaltliche Darstellung und Abgrenzung dieser Begrifflichkeiten<br />
umso erforderlicher.<br />
a) <strong>Privatisierung</strong>sformen<br />
Zunächst einmal unterscheidet man vier <strong>Privatisierung</strong>sarten: die Vermögensprivatisierung,<br />
die formelle oder auch formale <strong>Privatisierung</strong> bzw. Organisationsprivatisierung,<br />
die funktionale <strong>Privatisierung</strong> bzw. Funktionalprivatisierung sowie die<br />
materielle <strong>Privatisierung</strong> bzw. Aufgabenprivatisierung. Eine genaue Definition<br />
dieser Begriffe ist schon deshalb unerlässlich, weil sich dahinter ein uneinheitlich<br />
gebrauchter „Begriffswirrwarr“ 9 verbirgt. Gemeinsam ist diesen Begriffen lediglich,<br />
dass eine staatsbezogene Aufgabe in den privaten Bereich verlagert wird. 10<br />
aa) <strong>Die</strong> Vermögensprivatisierung<br />
Eine der <strong>Privatisierung</strong>sformen ist die Vermögensprivatisierung. 11 <strong>Die</strong>se ist rechtlich<br />
weitgehend unproblematisch, da es hierbei zu keinem unmittelbaren öffentlichen<br />
Aufgabenentzug, 12 sondern lediglich zu einer Übertragung bestehenden staatlichen<br />
Eigentums auf private Rechtssubjekte 13 kommt. <strong>Die</strong> Vermögensprivatisierung<br />
umfasst all jene Projekte, bei denen die öffentliche Hand <strong>im</strong> Privateigentum<br />
von Zivilpersonen stehende und bleibende Liegenschaften wie Grundstücke oder<br />
Gebäude anstelle eines Erwerbs lediglich anmietet oder pachtet. 14 Da der Bestand<br />
7 Hetzel/Früchtl, BayVBl. 2006, 649 (649).<br />
8 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585).<br />
9 Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (317); siehe auch Peine, DÖV 1997, 353 (354), der statt<br />
dessen von einer „Begriffsverwirrung“ spricht.<br />
10 Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (317); ähnlich Buddäus, in: Gusy, S. 16.<br />
11 Gusy, in: Gusy, S. 338 nennt diese Form auch materielle <strong>Privatisierung</strong>, wobei er für die von<br />
der Autorin als materielle <strong>Privatisierung</strong> bezeichnete <strong>Privatisierung</strong>sform den Begriff Aufgabenprivatisierung<br />
wählt.<br />
12 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585); Sterzel, in: Blanke/Trümmer, Rn. 162.<br />
13 Augenreich, S. 11; Bonk, JZ 2000, 435 (436); Di Fabio, JZ 1999, 585 (585); Ehlers, S.47f.;<br />
Müther, in: Herrfahrdt, <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges, S. 14; Strauß, S. 198;<br />
Schmidt/Vollmöller-Vollmöller, S. 142.<br />
14 Bonk, JZ 2000, 435 (436).<br />
21
der öffentlichen Aufgaben hierdurch nicht tangiert wird, werden insoweit auch auf<br />
dem Gebiet des <strong>Strafvollzug</strong>s keine Bedenken geäußert.<br />
bb) <strong>Die</strong> formelle bzw. Organisationsprivatisierung<br />
<strong>Die</strong> formelle <strong>Privatisierung</strong>, die zuweilen auch Organisations-, Verfahrens- oder<br />
Scheinprivatisierung genannt wird, verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie<br />
sich lediglich auf die Modalitäten der Organisation und des Verfahrens bezieht,<br />
wohingegen die Sachentscheidung weiterhin den Anforderungen des öffentlichen<br />
Rechts unterliegt. 15 Anstatt sich der öffentlichen Aufgabe gänzlich zu entledigen,<br />
bedient sich der Staat lediglich zu ihrer Erfüllung privater Rechts- und Organisationsformen,<br />
beispielsweise durch Gründung einer GmbH oder AG, wobei die öffentliche<br />
Hand entweder alle oder zumindest genügend Geschäftsanteile zwecks<br />
Sicherung ihrer Einflussnahme behält. Damit wird die Aufgabe privatrechtlich<br />
organisiert, verbleibt aber „materiell“ be<strong>im</strong> Staat, der weiterhin die Erfüllungsverantwortung<br />
trägt. 16 Letztlich handelt es sich dabei, trotz erweiterter Handlungs- und<br />
Gestaltungsspielräume, lediglich um einen Wechsel der Form, 17 da die Aufgabe<br />
ihren öffentlich-rechtlichen Charakter behält. 18 Demnach verbliebe der <strong>Strafvollzug</strong><br />
<strong>im</strong> Falle einer formellen <strong>Privatisierung</strong> in der Obhut des Staates.<br />
So verstanden, kommt der formellen <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> keine besondere<br />
Bedeutung zu, da sie weder eine entscheidende finanzielle Entlastung des<br />
Staates noch eine Förderung des Wettbewerbs bewirkt. Statt dessen steckt hinter<br />
der Wahl dieser <strong>Privatisierung</strong>sform „meist das Bestreben nach stärkerer Verselbständigung<br />
der Entscheidungsträger bzw. der Wunsch nach Trennung administrativer<br />
und wirtschaftlicher Entscheidungsspielräume sowie eine verstärkte Orientierung<br />
an betriebswirtschaftlichen statt an kameralistischen Grundsätzen“. 19 Aus<br />
diesem Grund wird der formellen <strong>Privatisierung</strong> <strong>im</strong> Folgenden wenig Aufmerksamkeit<br />
geschenkt.<br />
Gerade an dieser Stelle ist aber der bereits beklagte „Begriffswirrwarr“ zu beachten.<br />
So werden die Rechtsfiguren der Beleihung und der Verwaltungshilfe –<br />
entgegen der hier vertretenen Ansicht, die aus Gründen der Unterscheidbarkeit und<br />
Klarheit eine Dreiteilung einer Unterteilung nur in formelle und materielle <strong>Privatisierung</strong><br />
vorzieht – von einigen Autoren 20 der formellen <strong>Privatisierung</strong> zugeordnet.<br />
15 Buddäus, in:Gusy,S.15;Di Fabio, JZ 1999, 585 (588).<br />
16 Von Arn<strong>im</strong>, S. 17; Augenreich, S.12;Bonk, JZ 2000, 435 (436); Di Fabio, JZ 1999, 585<br />
(588); Ehlers, S. 46; Hessische Landesregierung, FG Dahlke, S. 33; Hetzel/Früchtl, BayVBl.<br />
2006, 649 (653); Kutscha, NJ 1997, 393 (393); Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (559); Müther,<br />
in: Herrfahrdt, <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges, S. 14; Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (2);<br />
Schmidt/Vollmöller-Vollmöller, S. 142.<br />
17 Hetzel/Früchtl, BayVBl. 2006, 649 (653); Braum/Varwig/Bader, ZfStrVo 1999, 67 (67).<br />
18 Hessische Landesregierung, FGDahlke, S. 31; Kruis, ZRP 2000, 1 (2).<br />
19 Mösinger, BayVBl. 2007, 417 (418); siehe auch Lange, DÖV 2001, 898 (899).<br />
20 So z.B. Giefers-Wieland, S. 15; Hessische Landesregierung, FG Dahlke, S. 33.<br />
22
Nach Kulas Begriffsverständnis gehört die Beleihung dagegen zur materiellen<br />
<strong>Privatisierung</strong>. 21 Bei diesem Begriffsverständnis spielt die formelle <strong>Privatisierung</strong><br />
selbstverständlich auch für den <strong>Strafvollzug</strong> eine Rolle. Aus diesem Grund gilt es,<br />
diese terminologische Uneinigkeit bei rechtlichen Bewertungen <strong>im</strong> Auge zu behalten,<br />
will man die einzelnen Autoren richtig verstehen.<br />
cc) <strong>Die</strong> materielle bzw. Aufgabenprivatisierung<br />
Den Brennpunkt der Diskussion bildet die materielle <strong>Privatisierung</strong>. <strong>Die</strong> materielle<br />
<strong>Privatisierung</strong> geht weit über die formelle hinaus, denn hierbei entledigt sich der<br />
Staat umfassend einer vormals staatlichen Aufgabe, indem er die Verantwortung<br />
für ihre Erfüllung gänzlich auf Private überträgt und höchstens noch best<strong>im</strong>mte<br />
Kontrollbefugnisse wahrn<strong>im</strong>mt. 22 Folglich zieht er sich dabei aus dem betreffenden<br />
Gebiet vollständig zurück. 23 <strong>Die</strong>ser hoheitliche Verzicht auf eine öffentliche Aufgabe<br />
als Verwaltungsmaterie sowie deren grundsätzliche Überlassung an Private<br />
wird auch häufig als Aufgaben- oder „echte“ <strong>Privatisierung</strong> bezeichnet. 24 Bei der<br />
Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit der Aufgabenprivatisierung geht es <strong>im</strong><br />
Wesentlichen darum, aus welchen Aufgabenkreisen sich der Staat gänzlich zurückziehen<br />
darf (sog. fakultative Staatsaufgaben) und welche Aufgaben er notwendigerweise<br />
selbst wahrzunehmen hat, d.h. solche, die weder zur Disposition der Exekutive<br />
noch der Legislative stehen (sog. notwendige Staatsaufgaben). 25 Folglich hat<br />
die materielle <strong>Privatisierung</strong> auch für den <strong>Strafvollzug</strong> deutlich weitergehende<br />
Konsequenzen als die formelle <strong>Privatisierung</strong>, da in diesem Fall die Zuständigkeit<br />
für den Vollzug dem privaten Sektor übertragen würde.<br />
dd) <strong>Die</strong> funktionale bzw. funktionelle <strong>Privatisierung</strong><br />
Bei der funktionalen <strong>Privatisierung</strong>, die teilweise auch als funktionelle <strong>Privatisierung</strong><br />
oder auch Funktionalprivatisierung bezeichnet wird, 26 handelt es sich um<br />
einen Zwitter aus formeller und materieller <strong>Privatisierung</strong>. 27 Wie bei der formellen<br />
<strong>Privatisierung</strong> bedient sich der Staat zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der<br />
21 Kulas, S.25;ders., in: Stober, S. 37.<br />
22 Augenreich, S. 13; Kruis, ZRP 2000, 1 (1); Kutscha, NJ 1997, 393 (393); Müther, in: Herrfahrdt,<br />
<strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges, S. 15; Peine, DÖV 1997, 353 (354); Tettinger,<br />
NwVBl. 2005, 1 (2); Schmidt/Vollmöller-Vollmöller, S. 142.<br />
23 Braum/Varwig/Bader, ZfStrVo 1999, 67 (67); Burgi, <strong>Privatisierung</strong> öffentlicher Aufgaben,<br />
D 32; Gramm, VerwArch 1999, 329 (331); Hetzel/Früchtl, BayVBl. 2006, 649 (653); Lecheler,<br />
BayVBl. 1994, 555 (559); Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (2).<br />
24 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 f.).<br />
25 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Gramm, VerwArch 1999, 329 (332).<br />
26 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Di Fabio, JZ 1999, 585 (589); Kruis, ZRP 2000, 1 (2); Weiner,<br />
Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (317).<br />
27 Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (2).<br />
23
Hilfe privater Rechtssubjekte, die dann als Beliehene 28 oder Verwaltungshelfer<br />
tätig werden. 29 Bei dieser <strong>Privatisierung</strong>sform verändert die öffentliche Hand jedoch<br />
nicht die Organisations-, sondern lediglich die Verantwortungsstruktur <strong>im</strong><br />
Hinblick auf best<strong>im</strong>mte Staatsaufgaben und zwar insoweit, dass lediglich Teilbereiche<br />
von der umfassenden staatlichen Erfüllungsverantwortung abgespalten und<br />
der Privatwirtschaft anvertraut werden. 30 Da folglich die Aufgabenzuständigkeit<br />
bzw. Gesamtverantwortung und Kontrolle be<strong>im</strong> Träger der öffentlichen Verwaltung<br />
verbleiben, 31 werden die Aufgaben nach wie vor als Verwaltungsaufgaben<br />
erfüllt. 32<br />
Da sich die funktionale <strong>Privatisierung</strong> in den vertrauten dogmatischen Figuren<br />
des Verwaltungsrechts vollzieht, soll hier nur in aller Kürze auf deren wesentliche<br />
Unterschiede eingegangen werden. Verpflichtet der Staat natürliche oder juristische<br />
Personen des Privatrechts mit der selbständigen Wahrnehmung best<strong>im</strong>mter Verwaltungsaufgaben<br />
unter Einsatz des öffentlich-rechtlichen Instrumentariums, handelt<br />
es sich um Beliehene. 33 Da die Privatrechtssubjekte mit hoheitlichen Befugnissen<br />
ausgestattet werden, treten sie regelmäßig selbständig und <strong>im</strong> eigenen Namen handelnd<br />
auf. Innerhalb ihres Kompetenzbereiches werden sie folglich funktionell und<br />
organisatorisch als Teil der öffentlichen Verwaltung tätig, wobei sie genau genommen<br />
in den Staatsapparat nicht ein-, sondern ihm lediglich angegliedert sind. 34<br />
Ihre Handlungen werden dem Staat als eigene zugerechnet. 35 <strong>Die</strong> Beleihung unterliegt<br />
nach ganz herrschender Meinung 36 dem Gesetzesvorbehalt. Da auch bei der<br />
Beleihung Staatsaufgaben erfüllt werden, besteht die sog. Erfüllungsverantwortung<br />
des Staates fort, die sich auf die Einhaltung der geltenden verfassungsrechtlichen<br />
Bindungen – namentlich an die Grundrechte – erstreckt. 37<br />
28 Näheres zur Diskussion, warum die Beleihung entgegen anderer Ansicht eine <strong>Privatisierung</strong>sform<br />
darstellt und warum sie der funktionalen <strong>Privatisierung</strong> zuzurechnen ist, bei Roth, S. 23.<br />
29 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Di Fabio, JZ 1999, 585 (589); Lange, DÖV 2001, 898 (900);<br />
Müther, in: Herrfahrdt, <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges, S. 15; Strauß, S. 198.<br />
30 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Hetzel/Früchtl, BayVBl. 2006, 649 (653).<br />
31 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Nitz, NZV 1998, 11 (13); Schmidt/Vollmöller-Vollmöller, S. 142;<br />
Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (317 f.).<br />
32 Von Arn<strong>im</strong>, S. 15; Kruis, ZRP 2000, 1 (2).<br />
33 Müther, in: Herrfahrdt, <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges, S. 15; Burgi, in: Stober, S. 44;<br />
Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (318); Krölls, GewArch 1997, 445 (446).<br />
34 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Hessische Landesregierung, FG Dahlke, S. 33; Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik<br />
2001, 317 (318).<br />
35 Krölls, GewArch 1997, 445 (446).<br />
36 Vgl. statt aller Bonk, JZ 2000, 435 (437); Burgi, in: Stober, S. 49; Gusy/Lührmann, StV 2001,<br />
46 (46); Krölls, GewArch 1997, 445 (446), Müther, in: Herrfahrdt, <strong>Privatisierung</strong> des Haftvollzuges,<br />
S. 19; Nibbeling, S. 259; Nitz, NZV 1998, 11 (14); Peine, DÖV 1997, 353 (361);<br />
Pitschas, S. 66 f. sowie für die Rechtsprechung BVerwG DVBl. 1970, 735 (736); BVerwG<br />
NVwZ 1985, 48 (48); BayObLG DÖV 1997, 601 (602).<br />
37 Burgi, in: Dessecker, S. 59; ders., in: Stober, S. 45.<br />
24
Im Gegensatz zum Beliehenen tritt der Verwaltungshelfer nicht als Behörde <strong>im</strong><br />
funktionalen Sinn <strong>im</strong> Außenverhältnis <strong>im</strong> eigenen Namen auf, sondern unterstützt<br />
die Verwaltungsbehörde lediglich bei der Durchführung best<strong>im</strong>mter Verwaltungsaufgaben<br />
unselbständig 38 in deren Auftrag, in deren Namen und nach deren Weisung.<br />
39 Folglich ist der Verwaltungshelfer unmittelbar in die Befehlshierarchie der<br />
staatlichen Behördenorganisation eingebunden. 40<br />
<strong>Die</strong> Form der funktionalen <strong>Privatisierung</strong> ist für den <strong>deutschen</strong> <strong>Strafvollzug</strong><br />
wohl am praxisrelevantesten, wie noch zu sehen sein wird.<br />
b) Public Private Partnership<br />
Eine besondere Spielart der <strong>Privatisierung</strong> ist die sog. Public Private Partnership,<br />
die <strong>im</strong> Bereich des <strong>Strafvollzug</strong>s auch als „Penitentiary Private Partnership“ oder<br />
als „Penal (Institution) Private Partnership“ bezeichnet wird. 41 Was jedoch genau<br />
unter einer solchen öffentlich-privaten Partnerschaft zu verstehen ist, ist unklar, das<br />
Angebot an Definitionsversuchen reichhaltig. 42 Dem Wortkonglomerat selbst lässt<br />
sich zumindest der kleinste gemeinsame Nenner aller Definitionsversuche entnehmen:<br />
eine Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. 43<br />
Da sich der Staat bei der materiellen <strong>Privatisierung</strong> ganz seiner Aufgaben entledigt<br />
und dazu – <strong>im</strong> Gegensatz zur formellen <strong>Privatisierung</strong> – weiterhin der allein<br />
verantwortliche Träger der Aufgaben bleibt, kann bei beiden <strong>Privatisierung</strong>sformen<br />
von einer Kooperation zwischen privaten und öffentlichen Akteuren keine Rede<br />
sein. Nichts anderes gilt für die Vermögensprivatisierung, bei der ja lediglich staatliches<br />
Eigentum auf Private übertragen wird. Daher kann die Public Private Partnership<br />
nur der funktionalen <strong>Privatisierung</strong> zugeordnet werden, in deren Rahmen –<br />
wie bereits erwähnt – private Wirtschaftssubjekte bei der staatlichen Aufgabenerledigung<br />
unter Aufrechterhaltung der staatlichen Verantwortung hinzugezogen<br />
werden. 44<br />
Da Tettingers Ansicht, dass die Offenheit des Terminus nebulösen Definitionsversuchen<br />
vorzuziehen sei, Zust<strong>im</strong>mung verdient, wollen wir es bei diesen Feststellungen<br />
belassen und die PPP lediglich als „typologischen Sammelbegriff“ „für<br />
jegliche Art des kooperativen Zusammenwirkens von Hoheitsträgern mit privaten<br />
38 Kritisch <strong>im</strong> Hinblick auf dieses Merkmal Burgi, <strong>Privatisierung</strong> öffentlicher Aufgaben, D 36,<br />
der Verwaltungshelfer daher als Private definiert, die mit funktionalem Bezug zu einer<br />
Staatsaufgabe und gegen Entgelt, jedoch außerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation<br />
und ohne öffentlich-rechtliche Befugnisse tätig sind.<br />
39 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Weiner, Kr<strong>im</strong>inalistik 2001, 317 (318); siehe zur Behördeneigenschaft<br />
des Beliehenen auch Burgi, in: Stober, S. 45.<br />
40 Krölls, GewArch 1997, 445 (446).<br />
41 Hetzel/Früchtl, BayVBl. 2006, 649 (650); Stober, in: Stober, S. 2.<br />
42 Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (1 f.) m.w.N.<br />
43 Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (2); zum Begriff auch Ehlers, S. 43.<br />
44 Tettinger, NwVBl. 2005, 1 (2).<br />
25