8100 Jahre LutherchorEvangelische Erwachsenenbildung Worms-Wonnegau33100. Jubiläum des Lutherchores 1913-2013Am 3. November 2013 begeht derLutherchor mit einem festlichen Gottesdienstund einem Festkonzert sein100. Jubiläum.Der Lutherchor ist also schon längstin die Jahre gekommen, in denenMenschen ihre Arbeit aus der Handlegen, sich zur Ruhe setzen und aufvergangene Jahrzehnte zurückschauen.Zurückschauen, das gehört wohlauch zu diesem 100. Geburtstag dazu.Aber die Arbeit aus der Hand legenund sich zur Ruhe setzen, davonkann keine Rede sein. Dafür ist der indie Jahre gekommene Jubilar viel zuvital. Nach 100 Jahren immer nochoder immer wieder im Frühling seinerExistenz, immer noch begeistertvon der gemeinsamen Sache, singendGottes Wort zu verkündigen, immernoch überzeugt von der gemeinsamenAufgabe, mit der Musik Menschenzu erfreuen.Deshalb wird dieses Jubiläum nichtin erster Linie ein Ort der Rückschauauf vergangene Tage und Jahre sein,auf Erfolge und Durststrecken. Esgilt lediglich, einen Moment innezuhaltenauf einem langen Weg, dernoch nicht zu Ende ist. Denn die Luthergemeindebraucht die singendeVerkündigung, die Glauben stiftetund Gemeinschaft bildet, sie brauchtdie Musik ihres Kirchenchores, dieEmpfindungen ausdrückt und Lebensgeisterweckt.Im Jahr 1913, ein Jahr nach der Einweihungder Lutherkirche, wurde derLutherchor gegründet. Sein ersterChorleiter war der Lehrer HeinrichDeboben, welcher 40 Jahre lang biszum Jahr 1953 den Chor geleitet hatte.Die Chorleiter des Lutherchores seitseiner Gründung:1913-1953 Heinrich Deboben, Lehrer1953-1963 Lothar Hechler, Kirchenmusiker1963-1968 Christine Fussan, Pädagogikstudentin1968-1972 Hildegard Hasenfratz1972-1979 Waltraud Bechthold,Pfarrfrau1979-1987 Volker Truschel, Theologiestudent1987-1993 Walter Ritter, Pfarrer1994-2002 Hartmut Müller, Kirchenmusiker2002-2003 Tobias Koriath, Kirchenmusiker2003-2004 Franziska Geyerab 2004 <strong>Christian</strong> <strong>Schmitt</strong>, KirchenmusikerHöhen und Tiefen hat der Lutherchorin den 100 Jahren seines Bestehenserlebt. Einschränkungen und Bedrückungengab es wie in allen Chörenin den Zeiten der Kriege und des„Dritten Reiches". Und auch schon infrüheren Jahren war gelegentlich daskritische Klagen zu hören: „Es fehlenjunge Stimmen."Aber mit den dreißig Sängerinnenund Sängern heute (11 Sopran, 8 Alt,6 Tenor, 5 Bass) bleibt der Lutherchorseiner Berufung treu und nimmtseine Aufgabe wahr. Ob er im Got-Besuch der St.-Hedwigs-Stiftung in Morawaweil sie 1937 an den hiesigen GärtnerKonrad Springer verkauft wordenwar, der außerdem der Besitzer desjüdischen Friedhofs wurde und sie imJuni 1945 der jüdischen Gemeindewieder übergab.Da Peter Yorck Graf von Wartenburgzu den führenden Persönlichkeitendes Kreisauer Kreises zählt, bot essich an, sein Schloss in Klein Öls(Olesnica Mala) aufzusuchen, dassich leider in einem sehr schlechtenbaulichen Zustand befindet. In Brieg(Brzeg) sahen wir uns schließlich dasSchloss der Piasten, einer mittelalterlichenpolnischen Herrscherdynastie,an.Bei unseren Begegnungen in Polenhaben wir erfahren dürfen, dass dasKreisauer Erbe lebendig ist, verankertim christlichen Glauben sich mitMut, Zivilcourage und Bereitschaftzum Risiko für die erkannte Wahrheitsowie für das Recht und die Freiheitdes Einzelnen zu engagieren.Prof. Dr. Werner Zager
32 Evangelische Erwachsenenbildung Worms-Wonnegausauer Kreis ab.Dank der Führung durch RenataBardzik wurde der Tag in Breslau(Wroclaw) zu einem besonderen Erlebnis.Im sogenannten Stadtviertelder gegenseitigen Toleranz besichtigtenwir die Synagoge zum WeißenStorch und die evangelische Hofkirche.Wir erfuhren, dass Vertreter dieserGemeinden – hinzu kommennoch eine katholische und eine orthodoxeKirche – eng zusammenarbeitenund gemeinsame Veranstaltungendurchführen. Nach dem Mittagessenim Polnischen Hof besuchten wir dieehemals evangelische Elisabethkirche,vor der eine Kopie des BerlinerMahnmals „Für Dietrich Bonhoeffer“aufgestellt ist. Es hat uns sehr bewegtzu hören, dass man sich in der jüngerenkatholischen Generation in Polenauch mit dem in Breslau geborenenevangelischen Theologen DietrichBonhoeffer beschäftigt. Nicht zuletztdadurch, dass Renata Bardzik aus derletzten Predigt des Pfarrers der Elisabethkirchevor der Vertreibung nachdem Zweiten Weltkrieg zitierte, wurdeuns deutlich, was es heißt seineHeimat zu verlassen. In Kreisau hattenwir dann die Möglichkeit, uns einenFilm anzusehen, der von der Begegnungzwischen den ehemaligendeutschen Bewohnern eines Hausesin Schlesien und den nach Kriegsendedort angesiedelten Polen handelt,und auch mit den Filmdarstellern insGespräch zu kommen. Die im Filmdokumentierte Freundschaft kann unsAnsporn sein für die Weiterentwicklungund Vertiefung der Beziehungenzwischen Polen und Deutschen.Tief erschüttert hat uns der Besuchdes ehemaligen KonzentrationslagersGroß-Rosen, das über zahlreiche Außenlagerverfügte. Zwischen 1940und 1945 waren im KZ Groß-Rosenetwa 130.000 Menschen inhaftiert,wovon ca. 40.000 ermordet wordensind. Als Kontrast im positiven Sinneerlebten wir unseren Aufenthalt inMuhrau (Morawa). Hier begegnetenwir Melitta Sallai (Jahrgang 1927),die 1992 in das Haus ihrer Kindheitzurückgekehrt ist und sich mit großemEnthusiasmus für die deutschpolnischeStiftung „Hl. Hedwig“ engagiert,indem sie in ihrem Haus einenkaritativen Kindergarten betreibt.Beeindruckt hat uns die Friedenskirchein Schweidnitz (Swidnica), einevon protestantischen Schlesiern nachdem Westfälischen Frieden von 1648nur aus Stroh, Lehm und Holz erbauteKirche. Sie gilt als die größteFachwerkkirche Europas.In der Synagoge von Reichenbach(Dzierzoniów) begrüßte uns RafaelBlau, Gründer und Vorsitzender derStiftung Beiteinu Chaj. Die Stiftungverfolgt den Zweck, in der Synagogeein Integrations- und Kulturzentrumzu eröffnen. Blau selbst lebte einst inReichenbach. Er erklärte uns, dassdie Synagoge nur deshalb währendder NS-Zeit erhalten geblieben sei,100 Jahre Lutherchortesdienst liturgische Stücke singtoder ein Konzert gestaltet, ob ermehrstimmige Choräle oder größereChorwerke vorträgt, ob er in Gemeinschaftmit einem benachbartenChor oder zusammen mit dem Chor„Neue Töne", dem weiteren Chor derLuthergemeinde, singt, als Kirchenchorversteht er sich als christlicheGemeinde, die Gott lobt und das Lebenpreist. Er ist ein tragender Kerndes Gemeindelebens der Luthergemeinde.Die Sängerinnen und Sänger des Lutherchoreswissen darum, dass ihrChor von den vielen Stimmen lebt,von vielen verschiedenen Stimmen.Der Lutherchor lebt davon, dass keinersich verrenken muss, um den einengemeinsamen Ton zu treffen,dass keiner sich in seiner Art verändernmuss, um dazu zu gehören. Dietiefen Stimmen und die hohen Stimmenwerden gebraucht: Bass, Tenor,Alt und Sopran. Und die grosseÜberraschung ist, dass diese Vielfalt,diese Mehrtönigkeit am Ende einenZusammenklang ergibt, eine guteHarmonie. Der gute Klang entstehtnur mit den anderen zusammen.Die Freunde der Chormusik könnensich also auf das festliche Jubiläumskonzertam 3. November in der Lutherkirchefreuen. Es steht unter derLeitung von Kantor <strong>Christian</strong><strong>Schmitt</strong>, der seit 2004 mit großemElan, musikalischem Können underfrischendem Mut den Lutherchorwesentlich mitgeprägt und auf einbeachtliches Niveau geführt hat.Zum 100. Jubiläum des Lutherchoresgibt es für seine Sängerinnen undSänger wohl keine bessere Ermutigungfür die Zukunft als diese: DerLutherchor ist eine Bewegung gegendie Eintönigkeit. Dem Chor ist zuwünschen, dass er auch in den kommendenJahren gegen alle Ichbezogenheitdie Erfahrung setzt, dass vieleStimmen erst den richtigen Klangzum Lobe Gottes ergeben.Rolf Niemz9