GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 3/4Konstruktion und Gießtechnik des Aluminium-Kurbelgehäuses der neuen Spitzenmotorisierungdes BMW M550xd unter Einsatzder anorganischen Sandkernfertigung *)The New Top Diesel Engine for the BMW M550xd:Design and Casting Technology of the Aluminum Crankcase by Application of anorganic Core Production.Dr.techn. Emmerich Weissenbek,Fachprojektleitung QualitätsmanagementAntrieb, BMW AG MünchenMitautoren:Bernhard Zabern und Johann Stastny,BMW Steyr, DieselmotorenentwicklungDr. Andreas Fent und Christian Högl, BMW Werk Landshut,LeichtmetallgießereiSchlüsselwörter: anorganische Sandkernfertigung, GießtechnikKurbelgehäuse, ZentralspeiserkonzeptKurzfassungWesentliche Ziele für die Entwicklung des Motors warenein Leistungs-, Drehmoment- und Komfortangebot mindestensauf Niveau von 8-Zylinder Wettbewerbern, jedochgleichzeitig einen für bisherige BMW 6-ZylinderDieselmotoren typisch niedrigen Kraftstoffverbrauch undniedriges Leistungsgewicht beizubehalten. Die Vision, dieBMW Strategie „EfficientDynamics“ im Bereich der Dieselmotorendurch Weiterentwicklung der BMW TwinPowerTurbo-Technologie mit drei Abgasturboladern auf einneues Niveau zu heben, führt natürlich auch für die triebwerksseitigeDarstellung der Dauerhaltbarkeit zur Notwendigkeit,neue Lösungsansätze zu entwickeln. DieKonstruktion des Kurbelgehäuses basiert auf dem 6-ZylinderBasismotor, optimiert mit einer Fülle von festigkeitssteigerndenMaßnahmen für 200 bar Spitzendruckund auf dem Einsatz eines Zugankerkonzeptes zur Vermeidungvon Direktverschraubungen im Aluminium.Die BMW Leichtmetallgießerei nutzt die Erkenntnisseder anorganischen Sandkernfertigung und löst die gestiegenenAnforderung im Bereich des Lagerstuhles und spezielldes Zylindersteges durch den Einsatz des neuartigenZentralspeiserkonzeptes. Es basiert auf den Vorteilen deranorganischen Sandkernfertigung und bringt massiveFunktions- und Kostenvorteile. Der neue Motor setzt erstmalsin den betont sportlichen BMW M-Performance-Automobilen der X5/X6- sowie der 5er und 7er-Baureiheein.1. EinleitungDie BMW Dieselmotoren sind ein fester Bestandteil derBMW Strategie „EfficientDynamics“ und stellen mit der*) Vorgetragen von E. Weissenbek auf der VDI-Tagung „Gießtechnikim Motorenbau – Potenziale für die nächste Generationvon Fahrzeugantrieben“, Magdeburg, 5./6. Februar 2013 (s.a,VDI-Berichte 2189, Rezension auf Seite 104 dieses <strong>Heft</strong>es)erstmaligen Einführung der Stufenaufladung aus demJahr 2004 den Benchmark im Wettbewerbsumfeld dar [1].Die konsequente Weiterentwicklung der TwinPower TurboTechnologie ermöglicht einerseits die Verbindung von8-zylindertypischer Leistung mit 6-zylindertypischemVerbrauch und Gewicht, stellt aber andererseits durch dienotwendige Erhöhung des Zünddruckes die Konstruktiondes Triebwerks und die Gießtechnologieentwicklungfür das Aluminium-Kurbelgehäuse vor neue Herausforderungen.Der Entwicklungsprozess der Motorkernbauteile Zylinderkopfund Kurbelgehäuse stand immer in enger Abstimmungzwischen der Bauteilkonstruktion und derGießprozessentwicklung. Die ursprünglich eher versuchsorientierteGeometrie- und Verfahrensoptimierungist heute einer fast vollständig numerischen Produkt- undProzessauslegung gewichen. Im Jahr 2005 wurden die bisdahin im Dieselmotor üblichen und teilweise heute nochverwendeten Graugusskurbelgehäuse von BMW erstmalsdurch deutlich leichtere Aluminiumbauteile aus derBMW Leichtmetallgießerei ersetzt [2, 3].Parallel zur leichtbauorientierten Produktentwicklunghat die BMW Leichtmetallgießerei 2006 begonnen, systematischund flächendeckend die Sandkernfertigung imKokillenguss auf anorganisch gebundene Sandkerne umzustellen.Diese nachhaltige („sustainable“) Prozessinnovationführte, passend zur BMW Philosophie „CleanProduction“,zu Vorteilen für Mitarbeiter und Umwelt sowiezur Qualitätsverbesserung und zur Kostenreduktion. Inder folgenden Dieselmotorgeneration [4] ist diese Prozess -innovation im (dem klassischen Gießprozess) vorgelagertenBereich der Sandkernfertigung erstmals auch die Basisfür gießtechnologische Neuerungen in der Kokillenauslegung.Produktseitig führt die anorganische Sandkernfertigungzur Verbesserung der Bauteilqualität undermöglicht Festigkeitssteigerungen der MotorkernbauteileZylinderkopf und Zylinderkurbelgehäuse. Die Umstellungder Sandkernfertigung in der BMW Leichtmetallgießereiauf nachhaltige Bindemitteltechnologie ist abgeschlossen.Der Schwerpunkt der aktuellen Kokillenwerkzeug-,Prozess- und Bauteilentwicklung liegt nun auf derNutzung der beschriebenen Vorteile des VorprozessesKernfertigung zur weiteren Hebung von Kosten- undLeichtbaupotentialen im Folgeprozess Gießen innerhalbdes Wertstromes Gießerei.2. Beschreibung MotorkonzeptZum weiteren Ausbau der Führungsposition im Premiumsegmentwurde als Dieselspitzenmotorisierung eineneue BMW TwinPower Turbo-Variante entwickelt. WesentlicheZiele waren ein Leistungs-, Drehmoment- undKomfortangebot mindestens auf Niveau von 8-ZylinderWettbewerbern, jedoch gleichzeitig ein für bisherige78
HEFT 3/4 GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013)Bild 1: Entwicklung der Leistungsdichtevon BMW Dieselmotoren[5].BMW 6-Zylinder Dieselmotoren typisch niedriger Kraftstoffverbauchund niedriges Leistungsgewicht.Aufladung, Einspritztechnik und die triebwerksseitigeDarstellbarkeit hoher Zylinderdrücke sind Schlüsseltechnologienzur Leistungssteigerung. Der neue BMW Twin-Power Turbo-Dieselantrieb basiert auf den Hauptabmessungender bisherigen 3.0 l 6-Zylinder Reihendieselmotoren[5]. Kernstück des neuen Motors ist ein 2-stufigesAufladesystem, bestehend aus drei Abgasturboladern.Erstmals wird ein Common Rail-Einspritzsystem mit2.200 bar Systemdruck eingesetzt. Das Triebwerk wurdefür einen maximalen Zylinderdruck von 200 bar ausgelegt;innovatives Merkmal ist ein Aluminium-Zylinderkurbelgehäusemit Zugankerverschraubung. Das Kühlsystembeinhaltet eine indirekte zweistufige Ladeluftkühlung[6].Der neue BMW 6-Zylinder TwinPower Turbo-Dieselmotorerreicht eine Nennleistung von 280 kW und einmaximales Drehmoment von 740 Nm. Mit einer spezifischenLeistung von 93,6 kW/l Hubraum nimmt er dieSpitzenposition unter Seriendieselmotoren ein. Durchumfangreiche Reibleistungsmaßnahmen wird trotz höhererZünddruckauslegung das Reibleistungsniveau bisherigerBMW 6-Zylinder Dieselantriebe erreicht. Der BMWX5 M50d erreicht in nur 5,4 s die 100 km/h-Marke undliegt mit einem Normverbrauch von 7,5 l/100km um mindestens18 % unter den Wettbewerbern. Der BMWM550d xDrive ist mit einer Beschleunigung 0 – 100 km/hin 4,7 s und einem Normverbrauch von 6,3 l/100 km inseiner Kategorie konkurrenzlos. In der BMW 5er-Baureihewird der neue Dieselantrieb ausschließlich mit der AbgasstufeEU6 angeboten, die Abgasanlage ist serienmäßigmit einem NOx-Speicherkatalysator ausgerüstet.2.1 Herausforderungen Bauteilfestigkeitdurch AufladungHohe Fahrdynamik verbunden mit niedrigem Kraftstoffverbrauchwar immer schon eine Domäne der BMW Dieselfahrzeuge.Mit diesen Eigenschaften stellen die Dieselantriebewichtige Bausteine der BMW Strategie Efficient-Dynamics dar. Neben einer Vielzahl direkter motorischerVerbrauchsmaßnahmen kommt dabei dem „Upgrading“der Zylinderleistung je Hubraum eine zentrale Bedeutungzu (siehe Bild 1). Dadurch können Fahrleistungen großvolumigerMotoren erreicht werden; gleichzeitig wird derVerbrauchs- und Gewichtsvorteil kleinvolumiger Motorenbewahrt. Mit der Einführung des ersten 2-stufig aufgeladenen6-Zylinder PKW-Seriendieselmotors durch BMWin 2004 wurde diesbezüglich ein neues Kapitel aufgeschlagen[1]. BMW hat diesen Weg in den Folgejahrenkonsequent fortgesetzt. In 2011 lief mit dem 640d bereitsdie vierte Generation der zweistufig aufgeladenen BMW6-Zylinder Dieselmotoren an [5].Mit steigenden Ladedrücken verschieben sich die Optimader Leistungsdichte zu höheren Zylinderdrücken.Gleichzeitig nimmt die Sensitivität der Leistungsdichteauf den maximalen Zylinderdruck deutlich zu (Bild 2).Bild 2: Hauptparameter zur Leistungssteigerung [5].79