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In den Un-Ruhestand versetzt - Porsche

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Seite 30<br />

Christophorus 306<br />

Christophorus 306<br />

<strong>In</strong> <strong>den</strong> <strong>Un</strong>-<strong>Ruhestand</strong> <strong>versetzt</strong><br />

Text<br />

Michael Sönke<br />

Hand aufs Herz, Männer:Wäre dieser <strong>Porsche</strong> 908, so wie er hier<br />

vor uns steht, gut genug für <strong>den</strong> Run<strong>den</strong>rekord auf der klassischen<br />

Targa-Florio-Rennstrecke? Gerhard Küchle, Dieter Leibold und<br />

Hans Eckert verziehen keine Miene. Sie wissen, was sie in <strong>den</strong><br />

letzten Monaten an Restaurierungsarbeit geleistet haben. „Na<br />

klar“, antworten der Motorspezialist, der Rennmonteur und der<br />

Leiter der Rennwerkstatt im Kanon. Eckert setzt hinzu: „Vic<br />

Elford in der Form von 1969 wäre mit diesem Auto heute mindestens<br />

fünf Sekun<strong>den</strong> schneller als bei seiner Rekordrunde damals –<br />

allein schon wegen der besseren Reifen.“ Vic Elford bewältigte<br />

Fotografie<br />

Christoph Bauer<br />

Mit dem <strong>Porsche</strong> 908/2, der die Targa Florio 1969 gewann, holte sich <strong>Porsche</strong><br />

erstmals die Markenweltmeisterschaft. 35 Jahre lang schlummerte der Star<br />

aus der Vergangenheit, ehe die Legende von <strong>den</strong> Experten aus der Weissacher<br />

Rennabteilung wieder zum Leben erweckt wurde. Ein glanzvolles Comeback.<br />

Seite 31<br />

Historie<br />

damals die 72 Rennkilometer in 35:08,2 Minuten, das entspricht<br />

einem Schnitt von 122,948 km/h.Wohlgemerkt: auf sizilianischen<br />

Landstraßen.<br />

Die drei Herren und der Rennwagen stehen nicht in Cefalù oder<br />

Cerda, sondern in Weissach. Aber alle drei <strong>den</strong>ken an das große<br />

Rennen auf Sizilien, einen der Klassiker in der Geschichte des Automobilrennsports,<br />

bei dem jener Neunnullacht, der jetzt im Werkstattgebäude<br />

in neuem Glanz erstrahlt, viel Staub aufwirbelte.<br />

Die gedankliche Zeitreise wird vertont, als Eckert im Cockpit A


Seite 32<br />

Christophorus 306<br />

Kreisverkehr: 8400 Umdrehungen beträgt die Maximaldrehzahl Alles im Griff: Der Holzknauf auf dem Schalthebel spart Gewicht<br />

Durchblick: Ein Schlüssel mit Löchern (unten) wiegt weniger<br />

<strong>den</strong> – des obsessiven Leichtbaus wegen – zigfach durchbohrten<br />

Zündschlüssel dreht. Leibolds Hände justieren das Gasgestänge,<br />

dann wacht der Drei-Liter-Achtzylinder mit der rot eingestanzten<br />

Nummer 90803013 grollend auf. So wie am 4. Mai 1969.<br />

Sechs 908 Sypder stehen an jenem Tag bei der Targa Florio am<br />

Start. Die Paarungen: Vic Elford/Umberto Maglioli, Brian Redman/Richard<br />

Attwood, Gerhard Mitter/Udo Schütz, Hans Herrmann/Rolf<br />

Stommelen, Rudi Lins/Gérard Larrousse, Karl von<br />

Wendt/Willi Kauhsen. Bei der Fahrerbesprechung in Cefalù ist<br />

sogar Ferry <strong>Porsche</strong> anwesend, der am Vormittag mit Schwester<br />

Louise Piëch und Chauffeur angereist war.<br />

1100 Kurven hatte eine Targa-Runde, die Strecke führte durch<br />

drei Ortschaften. Hans Herrmann erinnert sich mit leichtem<br />

Schaudern an die Verkehrsführung: „Nur auf der Gera<strong>den</strong> am<br />

Meer blieb etwas Zeit zum Verschnaufen. <strong>Un</strong>d nie wusste man,<br />

ob hinter der nächsten Ecke ein Esel, ein Privatwagen oder ein<br />

Konkurrent stehen würde, der sich gedreht hat.“ Vorjahressieger<br />

Vic Elford und Gerhard Mitter tragen bei der Targa 1969 einen<br />

Prestigekampf aus. Manchmal liegen ihre Run<strong>den</strong>zeiten nur um<br />

eine halbe Sekunde auseinander. <strong>Un</strong>d das nach eintausendein-<br />

Fußarbeit: „Halbe“ Pedale (unten) sind leichter<br />

hundert Kurven! Mitter/Schütz siegen mit 2:45 Minuten Vorsprung<br />

auf Elford/Maglioli. Dann folgen Herrmann/Stommelen<br />

und Wendt/Kauhsen. Es war der letzte große Sieg von Mitter und<br />

Schütz. Mitter verunglückte am 1. August 1969 auf dem Nürburgring<br />

mit einem BMW Formel-2-Rennwagen tödlich. Schütz<br />

überstand wenig später in Le Mans unverletzt einen Feuerunfall<br />

bei Tempo 250 km/h, stieg aber nie wieder in einen Rennwagen.<br />

Der Spyder von Mitter/Schütz, Chassisnummer 908/02.006,<br />

wanderte nach dem Sieg bei der Targa Florio in <strong>den</strong> Bestand des<br />

<strong>Porsche</strong>-Museums. Vier Jahrzehnte beschränkten sich dort die<br />

Wartungsarbeiten aufs Abstauben. Ab und zu war der 908 auf<br />

Ausstellungen als Zeuge des womöglich wichtigsten Jahres in<br />

<strong>Porsche</strong>s Rennsport-Historie zu sehen, <strong>den</strong>n mit dem 908 gewann<br />

<strong>Porsche</strong> die erste Marken-WM. „Aus der David-Rolle wuchs<br />

<strong>Porsche</strong> in die des Goliaths“, umschreibt Museumschef Klaus<br />

Bischof <strong>den</strong> Beginn einer Ära. Markenweltmeister zu wer<strong>den</strong><br />

gegen Ferrari, Ford, Lola, Alfa Romeo, Mirage oder Matra – das<br />

war das Ziel des umfangreichsten aller <strong>Porsche</strong>-Werkseinsätze.<br />

Ferdinand Piëch forderte der kleinen Rennmannschaft von vielleicht<br />

40 Leuten schier unglaubliche Leistungen ab: Für je<strong>den</strong><br />

WM-Lauf wur<strong>den</strong> neue Rennwagen gebaut!<br />

Christophorus 306<br />

Comeback: Der <strong>Porsche</strong> 908 ⁄ 2 präsentiert sich nach seiner<br />

Renovierung in Weissach wieder von seiner besten Seite<br />

Die Rennwagen mussten wie am Fließband produziert wer<strong>den</strong>.<br />

Immer leichter mussten sie wer<strong>den</strong>, damit sie immer schneller<br />

wur<strong>den</strong>. Eine Kunststoffkarosserie wurde mit dem Rahmen verklebt.<br />

Ein zweiter Sitz wurde nur eingebaut, weil das Reglement<br />

es verlangte. Der Fahrer übernahm <strong>den</strong> rechten Platz, weil die<br />

meisten Rennkurse dem Uhrzeigersinn folgten. Der Schalthebel<br />

wanderte nach rechts außen, ihn zierte ein Holzknauf. Nicht der<br />

Eleganz wegen, „sondern weil das von Piëch ausgesuchte Holz<br />

weniger wog als Aluminium“, wie Bischof noch weiß. Die Pedale<br />

von Gas, Bremse und Kupplung wur<strong>den</strong> der Länge nach halbiert.<br />

Sie waren dadurch leichter. Ohne Fahrer und Benzin zeigte die<br />

Waage für <strong>den</strong> <strong>Porsche</strong> 908 nur noch 630 Kilogramm an.<br />

<strong>Porsche</strong>s Motorenkonstrukteur Hans Mezger ergänzte für <strong>den</strong><br />

908 einen 911-Motor um zwei Zylinder. Der Achtzylinder-Boxer<br />

hatte 2997 Kubikzentimeter Hubraum. Leichtmetall wie Titan,<br />

Magnesium oder Chromal drückte das Motorgewicht auf 190<br />

Kilogramm. Die Ventile wur<strong>den</strong> von vier Nockenwellen angetrieben.<br />

Klar: der Motor blieb luftgekühlt. „Der stärkste 908-Motor<br />

erreichte 382 PS“, erinnert sich Gerhard Küchle. Der spätere<br />

Spezialist für die Formel-1-TAG-<strong>Porsche</strong>-Motoren im McLaren<br />

von 1983 bis 1986 gehörte schon 1969 zur Rennmannschaft.<br />

Seite 33<br />

Küchle kennt daher auch <strong>den</strong> Spitznamen des Triebwerks: „Wir<br />

nannten ihn <strong>den</strong> Schüttler.“ Grund: Der Massenausgleich ohne<br />

entsprechende Wellen ist bei einem Achtzylinder weniger gut als<br />

bei einem Sechs- oder Zwölfzylinder. Das hatte Folgen. Beim<br />

ersten Lauf zur Markenweltmeisterschaft 1969, <strong>den</strong> 24 Stun<strong>den</strong><br />

von Daytona, warf der Motor ungewollt Ballast ab: Auspuffrohre<br />

gehörten dazu, Krümmer brachen. Abgase drangen ins<br />

Cockpit der 908 Langheck. Aschfahl hievten sich die Fahrer aus<br />

<strong>den</strong> Wagen. Auch die Motoren hielten nicht durch. Die riesige<br />

<strong>Porsche</strong>-Streitmacht verlor Speerspitze um Speerspitze. So gewann<br />

am Ende ein Lola T 70, obwohl dieser mehr als zwei Stun<strong>den</strong> an<br />

der Box verloren hatte.<br />

Im Laufe der Saison 1969 verhalf eine geänderte Zündfolge dem<br />

908 zu mehr Laufruhe, allerdings auf Kosten der Spitzenleistung.<br />

„Als die Motoren für die Targa Florio nur 346 PS abgaben, war<br />

Piëch richtig sauer“, sagt Küchle lächelnd. Also musste weiteres<br />

Gewicht eingespart wer<strong>den</strong>. Erst nach Sebring begann die Siegesserie<br />

der <strong>Porsche</strong> 908 – Siffert/Redman in Brands Hatch, Siffert/<br />

Redman in Monza, Mitter/Schütz bei der Targa Florio, Siffert/<br />

Redmann in Spa-Francorchamps. Siffert/Redman siegten auch<br />

auf dem Nürburgring vor Stommelen/Herrmann und Elford/ A


Seite 34<br />

Zukunft: Hans Eckert, Gerhard Küchle und Dieter Leibold<br />

(oben, von links) brachten <strong>den</strong> 908 wieder auf die Straße zurück<br />

Ahrens. Das bedeutete <strong>den</strong> Endstand in der Markenweltmeisterschaft<br />

1969: 1. <strong>Porsche</strong> 77 Punkte, 2. Ford 25 Punkte, 3. Lola-<br />

Chevrolet 21 Punkte, 4. Ferrari 15 Punkte.<br />

Nach dem Spurt durch die (ruhm-)reiche Vergangenheit geht es<br />

jetzt wieder vorwärts mit dem 908. Hans Eckert legt in Weissach<br />

<strong>den</strong> ersten Gang ein, beschleunigt hinaus auf die Versuchsstrecke.<br />

Dieter Leibold und Gerhard Küchle beobachten gebannt die<br />

Probe aufs Exempel: „Wir haben <strong>den</strong> 908 erst bis auf die letzte<br />

Schraube zerlegt und von Grund auf restauriert.“ Das betrifft <strong>den</strong><br />

Motor ebenso wie die Karosserie und das Fahrwerk. Safety first<br />

ist nach so vielen Jahren im <strong>Ruhestand</strong> die erste Pflicht.<br />

Der Rohrrahmen wurde Millimeter um Millimeter auf Risse<br />

geprüft. Neue Bremsleitungen mussten gebogen wer<strong>den</strong>, der<br />

Hauptbremszylinder wurde ersetzt. Die Karosserie aus glasfaserverstärktem<br />

Kunststoff (GfK) war brüchig gewor<strong>den</strong> und erhielt<br />

dank neuen, aufgeklebten Glasfasermatten wieder die notwendige<br />

Festigkeit. Der Motor und das Getriebe wur<strong>den</strong> in Zuffenhausen<br />

renoviert. Nach dem Zusammenbau musste der Motor wieder<br />

auf <strong>den</strong> Prüfstand. „Mehr als 350 PS, wie 1969“, konnte Küchle<br />

zufrie<strong>den</strong> dem Protokoll entnehmen.<br />

Einen Klassiker pro Jahr restauriert<br />

die Weissacher Mannschaft neben<br />

dem laufen<strong>den</strong> Renngeschäft im Cup-<br />

und Langstreckensport.<br />

Etwa drei Monate an reiner Arbeitszeit<br />

stecken allein im 908 Spyder.<br />

Geschichte: Beim Rennklassiker Targa Florio 1969 trumpfte<br />

der <strong>Porsche</strong> 908 mit der Startnummer 266 groß auf<br />

Christophorus 306<br />

Ersatzteilprobleme? „Wir haben alles aufgetrieben“, sagt Dieter<br />

Leibold ganz gelassen. <strong>Un</strong>d verschweigt dabei beschei<strong>den</strong> die<br />

großen Anstrengungen der Rennwagen-Restaurateure. Ein Beispiel:<br />

Die hochelastischen „Giubo-Kupplungen“ zur Dämpfung<br />

der Antriebswellen konnten nur noch in Nordamerika aufgetrieben<br />

wer<strong>den</strong>. Passende Sicherheitsgurte gab es dagegen gar nicht<br />

mehr. „Wir haben dann andere so lange gekürzt, bis sie passten“,<br />

verrät Leibold. Auch in Sachen Sitzbezug musste man schließlich<br />

Farbe bekennen. Weil trotz intensiver Suche kein dem Original<br />

ähnlicher weinroter Stoff zu fin<strong>den</strong> war, entschie<strong>den</strong> sich die<br />

Restaurateure zu einem schwarzen Bezug.<br />

Runde um Runde dreht Eckert auf der Versuchsbahn. Als er aussteigt,<br />

steht der Schleppzeiger des Drehzahlmessers bei über 8000<br />

U/min – 8400 U/min beträgt die Maximaldrehzahl. „Ich hab<br />

halt’ <strong>den</strong> Fünften ausgedreht, kein Problem, der Wagen lässt sich<br />

ganz leicht fahren“, erklärt Eckert.<br />

Einen Klassiker pro Jahr restauriert die Weissacher Mannschaft<br />

neben dem laufen<strong>den</strong> Renngeschäft im Cup- und Langstreckensport.<br />

Etwa drei Monate an reiner Arbeitszeit stecken allein im<br />

908 Spyder. Das ist rekordverdächtig und geht nur in dieser<br />

Christophorus 306<br />

Rücksicht: Der <strong>Porsche</strong> 908 ⁄ 2 blickt auf eine bewegte<br />

Vergangenheit zurück – und er hat wieder glänzende Aussichten<br />

knappen Zeit, weil Experten wie Gerhard Küchle, Dieter Leibold<br />

und Hans Eckert mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung genau<br />

wissen, wie’s gemacht wird.Während der 908 wieder das Laufen<br />

lernt, stehen immer wieder junge Mechaniker aus der Ära der<br />

Kohlefaserchassis staunend um <strong>den</strong> Rohrrahmen des 908 herum.<br />

„Mann, das ist ja eigentlich nur ein Motor mit Rädern ...“<br />

Klaus Bischof plant bereits die Zukunft für <strong>den</strong> Star aus der<br />

Vergangenheit. Die erscheint schon jetzt glanzvoll. Bei Oldtimer-<br />

Veranstaltungen sind besondere <strong>Porsche</strong>-Rennwagen immer gefragt.<br />

<strong>Un</strong>d der <strong>Porsche</strong> 908/2 ist ein ganz besonders wichtiger in<br />

der Renngeschichte des Hauses. Oder als erster Markenweltmeister<br />

vielleicht sogar der wichtigste von allen?<br />

B

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