Weindorfzeitung Speisen & Getränke
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„Für mich ist das Weindorf in Kirchheim<br />
schöner als das in Stuttgart“, bekennt der<br />
Weindorfbarde Lothar Wolf, „es ist familiärer,<br />
bodenständiger“. Und er muss es wissen,<br />
kennterdochbeide„Feschtle“wiekaumein<br />
Zweiter. 1986 vermittelte ihn der Untertürkheimer<br />
Besenwirt Helmut Zaiß als Alleinunterhalter<br />
zum Hamburger Weinfest, und im<br />
gleichen Jahr hatte der Akkordeon-Akrobat<br />
auch sein Debüt auf dem Stuttgarter Weindorf<br />
im „Kleinen Rathaus“, wo er auch dieses Jahr<br />
wieder anzutreffen sein wird.<br />
Seit nunmehr 15 Jahren ist er auch vom<br />
Kirchheimer Weindorf auf dem Rollschuhplatz<br />
nicht mehr wegzudenken. Um in Kirchheim<br />
dabei sein zu können, hat der inzwischen 75-<br />
Jährige, im Jahr 2000 sein Engagement beim<br />
Hamburger Weinfest beendet. „Das waren<br />
immer fast vier Wochen am Stück, da hat<br />
meine Frau dann doch gemeint, das alles<br />
zusammen wäre ein bissle viel“, begründet er<br />
die Entscheidung.<br />
WaseranKirchheimsobesondersmag:„Dass<br />
auch die Jungen Interesse an der volkstümlichen<br />
Musik haben. Da gibt´s sogar welche, die<br />
noch nach den alten Volksliedern fragen.“ Auf<br />
etwa 1000 Titel schätzt der Musiker sein<br />
Repertoire mit einem verschmitzten Lächeln.<br />
„Das Programm richtet sich nach den<br />
Zuhörern“, verrät der Alleinunterhalter. Im<br />
Laufe der Jahre habe er gelernt, es den Leuten<br />
anzusehen, was ihnen gefällt. Vom schwäbischen<br />
Heimatlied, über Seemannsklassiker<br />
und Wiener Schrammelmusik bis zu deutschen<br />
und internationalen Schlagern ist alles dabei.<br />
Bis auf wenige Wiener Melodien begleitet er<br />
alle Stücke auch gesanglich und freut sich über<br />
jeden Mitsänger. Diese Freude macht ihm<br />
regelmäßig der Gesangverein Weilheim, der<br />
gerne auf dem Weindorf in der „Bärenlaube“<br />
einkehrt. Ist doch der Bärenwirt der Sohn eines<br />
der Mitglieder.<br />
Lothar Wolf´s Liebe zur Ziehharmonika ist fast<br />
so alt wie er selbst. Der in Leipzig geborene<br />
Barde bekam bereits kurz nach dem Krieg 1948<br />
als Neunjähriger Akkordeonunterricht. Das<br />
vom Vater übernommene Instrument<br />
begeistertedenKnabensosehr,dasssein<br />
Lehrer nach nur drei Jahren einräumen<br />
musste, dass er diesem Schüler nichts mehr<br />
beibringen konnte. Daraufhin schloss sich der<br />
erst 12-jährige dem Trio „Teddys“ an und<br />
machte mit ihnen Tanzmusik.<br />
Sein junges Alter schränkte diese Karriere aber<br />
doch beträchtlich ein. Also lernte er erst mal<br />
was ‚Anständiges'. Er wurde Dreher. 1960<br />
wechselteervonderDDRindieBRDüber.Die<br />
erste Station war Heilbronn, wo er auch seine<br />
Frau, die ihn noch heute managt, kennen und<br />
lieben lernte und wo er seine Meisterprüfung<br />
ablegte. In dieser Zeit gründete und leitete er<br />
auch einen Akkordeon-Club in dem vor allem<br />
Kinder das Akkordeonspielen lernen konnten.<br />
Der Weg der Wolfs führte 1970 weiter nach<br />
Köngen, weil Lothar in Esslingen eine weitere<br />
Ausbildung zum Maschinenbautechniker<br />
absolvierte. Ein bodenständiges Leben, aber<br />
die Musik ließ ihn nie los.<br />
So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass<br />
Lothar Wolf 1986 dem Ruf zum Weindorfbarden<br />
nicht widerstand. Und seine Erfolge geben<br />
ihm recht. Sogar einen eigenen Fan-Club in<br />
Cannstatt hat er, erzählt Wolf und zeigt stolz<br />
den Club-Wimpel.<br />
Im „5. Kirchheimer Stadtteil“ auf dem<br />
Rollschuhplatz ist er mit seiner Quetsche<br />
Garant für gute Stimmung. Egal ob Altherrentreffen<br />
oder Junggesellinnen-abschied, er<br />
ndet immer den richtigen Ton.<br />
Aber auch außerhalb der Weindorfsaison ist<br />
der Akkordeonspieler permanent gefragt. Ob<br />
bei Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenfeiern.<br />
Über zu viel Freizeit kann er sich auch im<br />
Rentenalter nicht beschweren.<br />
AufdieFrage,wielangeerdasnochmachen<br />
möchte, kommt nach kurzem Nachdenken die<br />
Antwort: „Bis es nimmer geht, wenn ich die<br />
Texte nicht mehr weiß, hör ich auf“. Aber da ist<br />
es noch lange hin, denn der Alleinunterhalter<br />
ist sich sicher: „Wenn ich Musik mache, habe<br />
ich keine Zeit, alt zu werden“.<br />
Text: Angelika Kröninger