Die Wirtschaft August 2015
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Branchen & Betriebe: <strong>Die</strong><br />
Welt des guten Farbtons<br />
Seite 12/13<br />
Geld & Geschäft: Schutz vor<br />
windiger Geldanlage<br />
Seite 17<br />
Leben & Wissen: Im Takt<br />
der guten alten Zeit<br />
Seite 28/29<br />
DIE WIRTSCHAFT<br />
Ausgabe 4/15<br />
Münster | Münsterland<br />
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Achtung,<br />
Baustelle!<br />
Beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur<br />
mangelt es an Geld und gutem Willen<br />
Diskussionen über die chronisch<br />
unterfinanzierte Verkehrsinfrastruktur<br />
haben hin und wieder den<br />
Charakter eines Kartenspiels. <strong>Die</strong><br />
Verantwortung für das Wohl und<br />
Weh eines Projekts wird wie der<br />
„Schwarze Peter“ hin- und hergeschoben.<br />
In jüngster Zeit besonders<br />
gut an den Schaukämpfen über die<br />
Verteilung von EU- und Bundeszuschüssen<br />
abzulesen. Das Ärgerliche:<br />
Auch im Münsterland wartet die<br />
<strong>Wirtschaft</strong> auf die Umsetzung mehrerer<br />
wichtiger Projekte.<br />
<strong>Die</strong> Schubladen der Planer<br />
fast leer, kaum baureife<br />
Straßenbauprojekte in<br />
NRW. Folge: Das Land<br />
werde im Ländervergleich<br />
abgehängt. So düster beschreibt<br />
der CDU-Verkehrspolitiker<br />
Klaus Voussem die Lage<br />
unter Rot-Grün und verweist<br />
darauf, dass vom 2,7 Milliarden<br />
Euro schweren<br />
Investitionspaket des<br />
Bundes nur 128 Millionen<br />
nach NRW<br />
tröpfeln. Stimmt alles<br />
nicht, hält Verkehrsminister<br />
Michael<br />
Groschek dagegen: NRW<br />
werde von Bundesverkehrsminister Alexander<br />
Dobrindt absichtlich und mutwillig<br />
benachteiligt.<br />
Fortsetzung auf Seite 2<br />
OFFEN GESAGT<br />
Los jetzt!<br />
<strong>Die</strong> Verkehrsinfrastruktur in<br />
Deutschland ist auf den<br />
Hund gekommen. Das muss<br />
man wohl so sagen. Straßen<br />
kaputt, Brücken marode und<br />
zu wenig Geld da für die Sanierung<br />
oder den nötigen Neubau.<br />
Das ist ein Trauerspiel.<br />
Mindestens genauso schlimm<br />
aber sind in diesem Kontext<br />
drei andere Aspekte. Da ist<br />
zum einen der Faktor Zeit, die<br />
mangelnde Kooperation und<br />
die Ebbe in der Projektmappe.<br />
Dass beispielsweise die Planungen<br />
für den Ausbau der B67n<br />
bis in das Jahr der ersten<br />
Mondlandung 1969 zurückgehen<br />
– und noch immer nichts<br />
passiert ist, zeugt nicht gerade<br />
von effektiver Arbeit. Dass<br />
beim sechsspurigen Ausbau der<br />
A1 zwischen dem Kamener<br />
Kreuz und dem Kreuz Lotte/<br />
Osnabrück sowohl Bund als<br />
auch Land Ja sagen, bei der<br />
Frage des Wie jedoch an den<br />
entgegengesetzten Enden des<br />
Seiles ziehen ist widersinnig.<br />
Geradezu grotesk wird das<br />
Ganze, wenn in Berlin dann<br />
doch ein paar Milliarden für<br />
neue Verkehrsprojekte auf der<br />
hohen Kante liegen und NRW<br />
gerade keine planungsreifen<br />
Projekte in der Schublade hat.<br />
Also: Gas geben bei der Planung,<br />
Schulterschluss bei Vorhaben,<br />
die unstrittig sind –<br />
schließlich eignet sich das Thema<br />
Verkehrsinfrastruktur nicht<br />
für parteipolitisches Fingerhakeln<br />
– und endlich nicht nur<br />
auf Sicht, sondern vorausschauend<br />
fahren, heißt: frühzeitig<br />
für die Zukunft planen.<br />
All das darf man wohl erwarten.<br />
er<br />
<strong>Die</strong> besten Arbeitgeber<br />
Wettbewerb „Great Place to Work“ geht im Münsterland in eine neue Runde<br />
Sparkasse Münsterland Ost, Apetito,<br />
Zeb, Orderbase Consulting,<br />
Erdgas Münster Gruppe und WL<br />
Bank haben eines gemeinsam: Sie<br />
tragen jeweils die Auszeichnung<br />
„Great Place to Work“.<br />
4 198869 002009<br />
2 0 0 3 5<br />
Auch in diesem Jahr können<br />
sich Unternehmen<br />
wieder an der Initiative<br />
„Beste Arbeitgeber im<br />
Aünsterland“<br />
M<br />
beteiligen.<br />
Ziel der 2012 ins Leben gerufenen<br />
Initiative ist es, Unternehmen<br />
und Arbeitgeber der Region nachhaltig<br />
darin zu unterstützen, ihre Arbeitgeberattraktivität<br />
auf Basis zuverlässiger<br />
Standards zu messen, zu vergleichen<br />
und weiterzuentwickeln. Zugleich<br />
soll das Münsterland als attraktiver<br />
Arbeits- und <strong>Wirtschaft</strong>sstandort<br />
gestärkt werden.<br />
Denn: Aus Mitarbeitersicht nachweislich<br />
sehr gute Arbeitgeber haben engagiertere<br />
Beschäftigte und sind damit<br />
leistungsfähiger und innovativer.<br />
Sie zeigen durchschnittlich eine um<br />
bis zu 50 Prozent geringere Zahl an<br />
Krankheitstagen, eine nur halb so hohe<br />
Fluktuationsrate und eine signifikant<br />
bessere <strong>Wirtschaft</strong>lichkeit. Zugleich<br />
haben attraktive Arbeitgeber<br />
deutliche Vorteile bei der Gewinnung<br />
und Bindung von Fachkräften. Münsterland<br />
e.V. und der Bundesverband<br />
mittelständische <strong>Wirtschaft</strong> (BVMW)<br />
sind Partner der Initiative.<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmer profitieren von der<br />
Analyse und der Entwicklungsunterstützung.<br />
<strong>Die</strong> besten Arbeitgeber der<br />
Region zeichnet das internationale<br />
Forschungs- und Beratungsinstitut<br />
mit dem international anerkannten<br />
„Great Place to Work“-Qualitätssiegel<br />
aus, welches die Preisträger automatisch<br />
für den Landeswettbewerb „Beste<br />
Arbeitgeber in NRW“ qualifiziert.<br />
Mitmachen können große, mittlere<br />
und kleine Unternehmen (ab zehn Beschäftigten)<br />
sowie Non-Profit-Organisationen,<br />
öffentliche Einrichtungen<br />
und weitere Arbeitgeber aller Art. Informationen<br />
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<strong>Die</strong> Teilnahme an einer Benchmark-<br />
Befragung „Beste Arbeitgeber im<br />
Münsterland“ ist auch ohne Wettbewerbsteilnahme<br />
möglich. Ansprechpartner<br />
ist Georg Reckersdrees, Telefon<br />
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2 MACHER & MÄRKTE<br />
AUS DEM INHALT<br />
„Wir müssen ganz massiv gegensteuern“ – Interview mit Michael<br />
Radau, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Westfalen-Münsterland<br />
Seite 4/5<br />
Ein Land verändert sein Gesicht – <strong>Die</strong> Folgen der Landflucht und<br />
des demografischen Wandels Seite 6<br />
„Berufsausbildung braucht eine noch stärkere Lobby“ – Interview<br />
mit Michael von Bartenwerffer, Vorsitzender der WIN <strong>Wirtschaft</strong>sinitiative<br />
Münster Seite 7<br />
Das Haus von heute denkt mit – In der Smart-Home-Technik steckt<br />
ein großes Potenzial Seite 10/11<br />
Seife für die Semper-Oper – <strong>Die</strong> Firma ulticom aus Ahaus engagiert<br />
sich erfolgreich auf dem Hygienemarkt Seite 14<br />
Wie damals auf der Walz – Immer mehr Auszubildende im Handwerk<br />
gehen zeitweise ins Ausland Seite 15<br />
Einen guten Rat gibt es nicht umsonst – Honorarberatung und Provisionsberatung<br />
in der Diskussion Seite 19<br />
Vererbt wird nach dem Landesrecht im Ausland – Europäische Erbrechtsverordnung<br />
bringt gravierende Änderungen Seite 18<br />
Der weite Weg zur perfekten Schicht – Das Netzwerk Oberfläche<br />
NRW ist im Münsterland zu Hause Seite 20/21<br />
Beim Recruiting punkten wie die Metropolen – Kreis Warendorf<br />
startet über die <strong>Wirtschaft</strong>sförderung einen „Willkommens-Service“<br />
für Fachkräfte Seite 22<br />
Für gute Mitarbeiter muss man brennen – 1. Westfälischer Kongress<br />
für Mitarbeiter-Begeisterung Seite 23<br />
Kaum Fortschritte in NRW – Kommunaler Finanzreport sieht Kommunen<br />
und Kreis in der Bredouille Seite 24<br />
Benehmen ist schon lange nicht mehr Glückssache – Von Tischmanieren<br />
und Taktgefühl: Eltern haben eine wichtige Vorbildfunktion<br />
Seite 25/26<br />
Na, das ist ja wieder so ein Zufall – Wissenschaftler machen sich<br />
daran, das Dauer-Rätsel zu lösen. Seite 27<br />
Der Mann, der alles konnte – Im Kunstmuseum Pablo Picasso rivalisiert<br />
Jean Cocteau freundschaftlich mit dem Namensgeber<br />
Seite 30<br />
Ein Schlips mit Elementarteilchen – Zwei IT-Berater haben eine Lösung<br />
zum Stabilisieren von Krawatten gefunden Seite 31<br />
Dichter Verkehr schiebt sich durch eine<br />
Stadt.<br />
Foto: dpa<br />
Politik spielt<br />
Ping-Pong<br />
Kritik am abnehmenden Personalbestand<br />
Andere Länder hätten auch<br />
keine fertigen Pläne in der<br />
Lade, bekämen aber Bau-<br />
Millionen zugeschoben,<br />
Aonierte m Groschek. Im Übrigen<br />
hätten frühere CDU-Verkehrsminister<br />
von 2005 bis 2010 rund 700 Stellen<br />
bei Straßen NRW abgebaut. „Da haben<br />
wir viele exzellente Planungsingenieure<br />
verloren.“<br />
Ein solches Polit-Ping-Pong begleitet seit<br />
Jahren die Debatten zur Verkehrsinfrastruktur.<br />
Es ist wohl an allen Positionen<br />
etwas dran. Tatsache ist, dass der für die<br />
Planung zuständige Landesbetrieb Straßen<br />
NRW in seinem jüngsten Jahresbericht<br />
selbst Alarm schlägt: Ziel sei es, immer<br />
einen „Grundstock“ baureifer Planungen<br />
in der Schublade zu haben. „Allerdings<br />
führt der abnehmende Personalbestand<br />
dazu, dass für die Zukunft ein<br />
ausreichender Bestand an baureifen Planungen<br />
nicht mehr sichergestellt werden<br />
kann.“<br />
<strong>Die</strong>se Lage ist eigentlich nicht neu, doch<br />
Groscheks Amtsvorgänger Harry Kurt<br />
Voigtsberger änderte nichts daran. Mit<br />
dem grünen Verkehrsstaatssekretär<br />
Horst Becker hatte er sich zwischen 2010<br />
und 2012 in ein Patt hineinmanövriert.<br />
Das gipfelte vor vier Jahren in einer sogenannten<br />
Prioritätenliste, bei der vor allem<br />
ein Großteil der Projekte tatsächlich<br />
eingefroren wurde – gemäß dem inzwischen<br />
bundesweit gültigen Motto „Erhalt<br />
geht vor Neubau“.<br />
Den 2011 quasi verhängten Planungsstillstand<br />
hat Groschek aufgelöst, indem er<br />
externe Planungsbüros unter Vertrag<br />
nahm. „Wir werden bis 2017 wieder baureife<br />
Planungen in Höhe von zwei Milliarden<br />
Euro in der Schublade haben“, kündigte<br />
der NRW-Verkehrsminister Anfang<br />
<strong>August</strong> an. Aber eigentlich fordert er<br />
einen Systemwechsel: Statt die Länder<br />
für die Schublade planen zu lassen, müsse<br />
der Bund relevante Vorhaben definieren<br />
und dann finanzieren. <strong>Die</strong> großen<br />
Bahnprojekte – vom RRX, dem Ausbau<br />
der Strecke Münster-Lünen bis zur Sanierung<br />
von 270 Brücken – stehen auf einem<br />
weiteren Blatt.<br />
Der frühere CDU-Verkehrsminister Oliver<br />
Wittke, jetzt im Bundestag, warf seinem<br />
Nachfolger vor, ihm fehle der Mut ,<br />
auch umstrittene Projekte baureif zu machen.<br />
„Jetzt regnet´s Brei, und NRW fehlen<br />
die Löffel.“<br />
Groschek indes wird die Planer nur in Teilen<br />
mit Neubauprojekten befassen können:<br />
Sein größtes Infrastrukturproblem<br />
sind die maroden Brücken, 6600 müssen<br />
auf ihre Statik überprüft werden. Das<br />
raubt ihm viele Ressourcen.<br />
Dabei wartet das Münsterland auf die<br />
Realisierung verschiedener Großprojekte<br />
wie A1-Ausbau und B 64 n. Letztere soll<br />
jetzt möglicherweise abgespeckt realisiert<br />
werden. Eine Vorgehensweise, die<br />
Befürworter dieser schon lange geforderten<br />
West-Ost-Verbindung höchst kritisch<br />
sehen. Als Klein-Klein-Projekt gerate das<br />
Vorhaben deutlich ins Hintertreffen.<br />
Und nächste „Baustellen“ kündigen sich<br />
schon an: Münsters Wachstum braucht<br />
auch eine ergänzte innerstädtische Infrastruktur.<br />
Schon heute muss das Oberzentrum<br />
täglich 500 000 Kfz-Fahrten verkraften<br />
Eine Stadt, die derart wachse,<br />
dürfe beim Straßenbau nicht die Hände<br />
in den Schoß legen, formulierte kürzlich<br />
Joachim Brendel, Verkehrsexperte der<br />
IHK Nord Westfalen, die Sicht der <strong>Wirtschaft</strong>.<br />
hir/wk<br />
IMPRESSUM<br />
DIE WIRTSCHAFT Münster | Münsterland<br />
Verlag und Herausgeber: Aschendorff Verlag GmbH & Co.<br />
KG, Geschäftsbereich: Media & Sales, Soester Str. 13,<br />
48155 Münster, Telefon: 0251.690-0, Telefax: 0251.690-<br />
804801<br />
Redaktion: Claudia Bakker (verantw.)<br />
Anzeigen: Anzeigenleitung: Herbert Eick, E-Mail: anzeigen@die-wirtschaft-muensterland.de<br />
Objektleitung: Katharina Heidmann, Telefon: 0251.690-<br />
4701, Telefax: 0251.690-804801<br />
Gestaltung/Layout: Lisa Stetzkamp<br />
Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, An der<br />
Hansalinie 1, 48163 Münster, Telefon: 0251.690-0, Telefax:<br />
0251.690-215; Auflage: 17.000 Exemplare<br />
www.die-wirtschaft-muensterland.de<br />
Kernnetze stehen im Fokus<br />
Brüssel hat die Prioritäten bei der europäischen Verkehrsförderung neu gesetzt<br />
Europäische Infrastrukturprogramme<br />
leisten einen wertvollen<br />
Beitrag für die Mitfinanzierung<br />
von Straße,<br />
Schiene und Wasserstraße in<br />
Deutschland. Gegenüber dem letzten Finanzierungszeitraum<br />
erhöhte die Europäische<br />
Union laut Dr. Markus Pieper die<br />
Mittel für die sogenannte „Connecting<br />
Europe Facility „(CEF) von 2014 bis 2019<br />
von acht auf 24 Milliarden Euro.<br />
„Mit diesem Geld fördert Brüssel vorrangig<br />
Investitionen entlang verkehrlicher<br />
Langstreckenkorridore. Der Ausbau<br />
eines transeuropäischen Verkehrsnetzes<br />
(TEN) soll – in Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten<br />
– für definierte Verkehrsachsen<br />
und Ausbauplanungen bis 2030<br />
(Kernnetz) bzw. 2050 (Gesamtnetz) erfolgt<br />
sein“, so der münsterländische<br />
CDU-Europaabgeordnete, Mitglied im<br />
Verkehrsausschuss des Europäischen<br />
Parlaments.<br />
<strong>Die</strong> Umstellung der europäischen Verkehrsförderung<br />
von der prioritären Anbindung<br />
abgelegener Regionen auf ein<br />
europäisches Kernnetz mit hoher Verkehrsdichte<br />
eröffnet nach seinen Angaben<br />
gute Chancen für deutsche und hier<br />
insbesondere nordrhein-westfälische Infrastrukturprojekte.<br />
„<strong>Die</strong> TEN-Verordnung<br />
regelt das Achsenkonzept und definiert<br />
Ausbauplanungen. <strong>Die</strong> CEF-Verordnung<br />
bestimmt den Einsatz der Zuschussund<br />
Finanzinstrumente für die europäisch<br />
relevanten Investitionsvorhaben in<br />
Verkehrs- sowie – in geringerem Umfang<br />
– Energie- und IT-Netze.“<br />
Zusätzlich kann auch NRW vom <strong>2015</strong><br />
aufgelegten Europäischen Fonds für strategische<br />
Investitionen (EFSI) profitieren.<br />
Mit dem EFSI akquiriert die Europäische<br />
Investitionsbank auf der Basis eigener<br />
und von Garantien aus dem EU-Haushalt<br />
private Gelder für tragfähige Projekte.<br />
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MACHER & MÄRKTE 3<br />
RICHTUNG<br />
BREMEN<br />
2. Abschnitt<br />
Abfahrt Lengerich bis<br />
Dortmund-Ems-Kanal<br />
(Höhe FMO), Planfeststellungsbeschluss<br />
steht aus.<br />
Baubeginn frühestens <strong>2015</strong>.<br />
3. Abschnitt<br />
Dortmund-Ems-Kanal<br />
bis Abfahrt Greven, Planfeststellungsverfahren<br />
2014<br />
eingeleitet. Ende nicht absehbar.<br />
1. Abschnitt<br />
Lotte/Osnabrück bis zur Abfahrt<br />
Lengerich, Planfeststellungsbeschluss<br />
steht aus. Baubeginn<br />
frühestens <strong>2015</strong>.<br />
LOTTE<br />
A1<br />
1<br />
OSNABRÜCK<br />
Freie Fahrt statt<br />
Kriechverkehr<br />
Der Bund entscheidet über den Bundesverkehrswegeplan,<br />
im Münsterland gibt es drei zentrale Projekte.<br />
RICHTUNG<br />
DORTMUND<br />
ASCHEBERG<br />
GREVEN<br />
WERNE<br />
9. Abschnitt<br />
Hamm-Bockum/Werne<br />
bis Autobahnkreuz Kamen,<br />
Planfestellungsverfahren<br />
<strong>2015</strong> eingeleitet.<br />
MÜNSTER<br />
KAMEN<br />
A1<br />
LADBERGEN<br />
4. Abschnitt<br />
Abfahrt Greven bis Münster-<br />
Nord, Planfeststellungsverfahren<br />
2013 eingeleitet, 800 Einwände<br />
liegen vor. Ende nicht absehbar.<br />
5. Abschnitt<br />
Münster-Nord bis -Süd,<br />
Autobahnabschnitt sechsspurig<br />
ausgebaut.<br />
6. Abschnitt<br />
Münster-Süd bis Dortmund-<br />
Ems-Kanal, Autobahnabschnitt<br />
sechsspurig ausgebaut.<br />
<br />
7. Abschnitt<br />
Dortmund-Ems-Kanal bis<br />
Ascheberg, Planfeststellungsverfahren<br />
<strong>2015</strong> eingeleitet.<br />
8. Abschnitt<br />
Ascheberg bis Hamm-Bockum/<br />
Werne, Planfeststellungsverfahren<br />
<strong>2015</strong> eingeleitet.<br />
LENGERICH Mobilität ist einer<br />
der zentralen Begriffe<br />
der Gegenwart. Weil das so<br />
ist, kommt der Verkehrsinfrastruktur<br />
eine immer größere<br />
Bedeutung zu.<br />
Bald hat das<br />
Warten ein<br />
Ende: In wenigen<br />
Wochen<br />
wird<br />
Berlin den Bundesverkehrswegeplan<br />
<strong>2015</strong><br />
verabschiedet und damit<br />
die Entscheidung getroffen<br />
haben, wo in Deutschland<br />
in den nächsten Jahren wie<br />
viel Geld in die Verkehrsinfrastruktur<br />
investiert wird.<br />
Im Münsterland sind es drei<br />
Projekte, die nach Jahren des<br />
Wartens jetzt umgesetzt werden<br />
könnten: der sechsspurige Ausbau der<br />
A 1 zwischen dem Kamener Kreuz<br />
und dem Kreuz Lotte/Osnabrück, der<br />
zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke<br />
Münster-Lünen und der Neu- und<br />
Ausbau der B 64 zwischen Münster<br />
und Bielefeld, die sogenannte B 64n.<br />
Der A1-Ausbau<br />
<strong>Die</strong> Hansalinie ist eine der wichtigsten<br />
Autobahnen in Deutschland,<br />
ihre durchgängige Sechsspurigkeit<br />
wäre eigentlich zwingend<br />
nötig. Das sieht NRW-Verkehrsminister<br />
Michael Groschek genauso<br />
wie der parlamentarische<br />
Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium,<br />
Enak Ferlemann.<br />
„Das Nadelöhr muss weg.“ – Selbst<br />
in der Wortwahl gleichen sich die beiden.<br />
Über das Wie aber sind Bund und Land<br />
geteilter Meinung. Berlin befürwortet<br />
eine Öffentlich-Private-Partnerschaft<br />
(ÖPP), meint: Das Bauvorhaben wird in<br />
private Hände gegeben, der Investor refinanziert<br />
sich über Mauteinnahmen. <strong>Die</strong><br />
Landesregierung hält dagegen an der<br />
konventionellen Ausschreibung fest.<br />
Bahnstrecke Münster-Lünen<br />
Modern geht anders: <strong>Die</strong> Bahnstrecke zwischen Münster und Lünen ist eingleisig. Begegnen sich zwei Züge,<br />
muss einer von ihnen auf ein kurzes Ausweichgleis – und wieder mal warten.<br />
Foto: Jürgen Peperhowe<br />
Warten, stehen, Zeit vergeuden. Wer von<br />
Münster mit dem Zug über Lünen nach<br />
Dortmund fährt, muss in der Regel viel<br />
Zeit mitbringen: <strong>Die</strong> Strecke ist eingleisig.<br />
Ein zusätzliches Bett mit zweitem<br />
Gleis kommt teuer. Letzter Stand: <strong>Die</strong><br />
Kosten belaufen sich auf über 400 Millionen<br />
Euro. Da zuckt auch die Bahn. Bei<br />
dieser Summe ist<br />
die nachzuweisende<br />
<strong>Wirtschaft</strong>lichkeit<br />
nur mit<br />
Mühe darstellbar.<br />
Zumindest war<br />
das in frühen Berechnungen<br />
so.<br />
Zunächst hatte es<br />
darum geheißen,<br />
Bahn und Bund<br />
seien geneigt, den Daumen zu senken.<br />
Nach massiven Protesten – auch aus der<br />
Region – scheint die Chance pro Ausbau<br />
jedoch wieder gestiegen zu sein.<br />
TELGTE<br />
MÜNSTER<br />
EVERSWINKEL<br />
<strong>Die</strong> B 64n<br />
„Der konventionelle Ausbau der<br />
A 1 mittels Ausschreibung ist der<br />
kostengünstigere Weg.“<br />
Michael Groschek, NRW-Verkehrsminister<br />
B64<br />
Das Münsterland und Ostwestfalen, wirtschaftliche<br />
boomende Regionen, die eher<br />
getrennt als richtig<br />
miteinander<br />
verbunden sind.<br />
Das soll der geplante<br />
Neu- und<br />
Ausbau verbessern.<br />
Drei Spuren,<br />
kreuzungsfrei inklusive<br />
der drei<br />
Ortsumgehungen<br />
in Warendorf,<br />
Beelen und Herzebrock-Clarholz. Das<br />
Vorhaben ist inzwischen über 40 Jahre alt<br />
– so langsam könnte es da jetzt mal etwas<br />
werden.<br />
Elmar Ries<br />
WARENDORF<br />
FRECKENHORST<br />
BEELEN<br />
HERZEBROCK-<br />
CLARHOLZ<br />
RHEDA-WIEDENBRÜCK<br />
B64<br />
GÜTERSLOH<br />
A2<br />
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„Wir müssen ganz massiv gegens<br />
Michael Radau, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Westfalen-Münsterland, wünscht sich eine größere Wertschätzung<br />
Schulterschluss auf. Entwicklungen abmildern und Rahmenbedingungen verbessern –die Kommunen im Münsterland sin<br />
Brennt für den Handel: Michael Radau<br />
Das Konsumklima im Land<br />
ist gut. Und doch erlebt der<br />
Handel einen Wandel, der<br />
sich am Bild vieler Innenstädteund<br />
Ortszentren ablesen<br />
lässt: <strong>Die</strong> Zahl der Fachgeschäfteist<br />
rückläufig. Online-Handel und Filialisierung<br />
befördern die Strukturveränderung.<br />
Muss man sich damit abfinden? Michael<br />
Radau, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes<br />
Westfalen-Münsterland,<br />
plädiert für einen Schulterschluss<br />
auf kommunaler Ebene. „Das Wegbrechen<br />
von Handel wird sich fortsetzen,<br />
wenn wir nicht ganz massiv gegensteuern“,<br />
erklärt er in einem Gespräch mit<br />
Wolfgang Kleideiter.<br />
Vor einigen Tagen hat NRW-Wissenschaftsministerin<br />
Svenja Schulze<br />
bei Ihnen im Markt in Münster<br />
einen Praktikumstag absolviert.<br />
PR-Gag einer Politikerin?<br />
Radau: Nein, wir haben ihr ermöglicht,<br />
als Hilfskraft in der Frühschicht von7bis<br />
14 Uhr in unseren Tagesablauf einzutauchen,<br />
inklusive Schleppen und Nachräumen.<br />
Das warfür die Ministerin aus meiner<br />
Sicht eine guteErfahrung, weil sie die<br />
Leistung des Handels und der dort Beschäftigten<br />
einmal aus einer neuen Perspektivekennenlernen<br />
konnte. Es ist sehr<br />
wichtig, dass gerade auch die Politik den<br />
Handel stärker wertschätzt und ein offenes<br />
Ohr für unsereThemen hat. Für einen<br />
schnellen PR-Auftritt hätten wir uns nicht<br />
hergegeben.<br />
Gibt es aus Ihrer Sicht im Verständnis<br />
der Politik für den Handel denn<br />
ein Defizit?<br />
Radau: Ja, ich sehe großen Nachholbedarf.<br />
Politik, Verwaltung, Gesellschaft<br />
müssen wieder stärker erkennen, wie<br />
wichtig der stationäre Handel für das<br />
Stadtleben ist. Und wir müssen hier intensiver<br />
und auf vielen Feldern den Dialog<br />
führen. Auch durch solche Aktionen<br />
wie den Praktikumstag einer Ministerin,<br />
die schon im Vorfeld ein offenes Ohr für<br />
uns hatte.<br />
Schauen wir ins weite Münsterland.<br />
Man wird den Eindruck nicht los,<br />
als hätten manche Orte sich damit<br />
abgefunden, dass der Handel nach<br />
und nach aus den Innenstädten verschwindet.<br />
Man darf doch nicht<br />
ernsthaftdie Hände in den Schoß legen?<br />
Radau: Wir erleben eine bedrückende<br />
Nachlässigkeit bei der Betrachtung dieser<br />
Situation in vielen Klein- und Mittelstädten.<br />
Kaum einer in den verantwortlichen<br />
Positionen in Politik und Verwaltung hat<br />
wirklich erkannt, was daauf Dauer auf<br />
die Orte zukommt. Das Wegbrechen von<br />
Handel wird sich fortsetzen, wenn wir<br />
nicht ganz massiv gegensteuern. Dabei<br />
gibt es nicht den einen Schuldigen. Ich<br />
plädiere dafür, dass sich all Kräfte gemeinsam<br />
die Situation anschauen und<br />
dann entscheiden, wie sie Entwicklungen<br />
abmildern und Rahmenbedingungen<br />
verbessern können.<br />
Was kann ein Bürgermeister im<br />
Münsterland konkret tun?<br />
Radau: Er muss mit dem Handel, den<br />
Handelnden, den Gremien und Verbänden<br />
sprechen und nach gemeinsamen Lösungen<br />
suchen. Aber er muss auch offen<br />
sein für Veränderungen.<br />
MICHAEL RADAU<br />
Der gebürtige Münsteraner Michael Radau ist seit den 1980er Jahren im Naturkosthandel<br />
aktiv. Nach dem Abitur und einem Studienaufenthalt inden USA<br />
leistete er1983 Pionierarbeit im Bioladen „Kornblume“ in Münster, den er 1985<br />
übernahm. ImJahr darauf eröffnete ereine zweite Filiale. Infolge der Fusion<br />
mit der Biogarten Naturkost Handels GmbH im Jahr 1992 verantwortete Radau<br />
als geschäftsführender Gesellschafter vier Filialen.<br />
Michael Radau erkannte frühzeitig die Bedürfnisse der Kunden abseits des klassischen<br />
Bioladenklischees. Daher entwickelte er das Konzept des SuperBioMarktes<br />
als Bio-Vollsortimenter und eröffnete 1993 den ersten SuperBioMarkt in<br />
Münster. Inden folgenden Jahren entwickelte Radau seine Idee zu einem Filialkonzept<br />
mit mehr als 20 Märkten und 600 Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen<br />
und Niedersachsen weiter. Radau leitet das Unternehmen, das 2001 in die SuperBioMarkt<br />
AG umfirmiert wurde, als Vorstandsvorsitzender.<br />
Ehrenamtlich ist Michael Radau seit 2004 Vorsitzender des Einzelhandelsverbands<br />
Westfalen-Münsterland. Seit 2013 steht er als Präsident dem Handelsverband<br />
NRW vor. Seit einem Jahr ist er zudem Vizepräsident des Handelsverbands<br />
Deutschland (HDE). Den Vorsitz Handelsausschuss der IHK Nord Westfalen<br />
hat er seit 2007 inne.<br />
Aber viele Kommunen verfügen<br />
doch bereits über Einzelhandelskonzepte<br />
...<br />
Radau: Viele haben sie nicht. Und jene,<br />
die über sie verfügen, schreiben sie oft<br />
nicht in dem notwendigen Maße fort beziehungsweise<br />
handeln nicht danach. Es<br />
gibt Fälle, in denen ein Investor mit<br />
einem Einkaufszentrum winkt und neue<br />
Arbeitsplätze verspricht. Schon wird das<br />
Konzept in der Auslegung gedehnt.<br />
Wie wäre es mit kleinen Schritten,<br />
um Strukturen zu verändern?<br />
Radau: Tatsächlich gibt es viele Ansätze<br />
–von der Erschließung über die Parksituation<br />
bis hin zu verkaufsoffenen Sonntagen.<br />
Eine Umsetzung garantiert nicht,<br />
dass der Handel in einem Ort sich wieder<br />
richtig beleben wird. Aber wenn ich all<br />
das nicht beachtete, dann nimmt garantiert<br />
die Geschwindigkeit der Erosion<br />
massiv zu. Also auch im Kleinen gegensteuern,<br />
stets an die Attraktivität der<br />
Stadt oder des Stadtteils denken.<br />
Händler berichten häufig von behördlichen<br />
Zwängen und Einengung.<br />
Ist das so?<br />
Radau: Versuchen Sie einmal als Schuhhändler<br />
vorder Tür ein Schild aufzustellen,<br />
um auf besondereAngeboteinIhrem<br />
Geschäft hinzuweisen. <strong>Die</strong>se einfache Sache<br />
wirdmanchmal zu einem komplexen<br />
Vorgang hochstilisiert. Oder denken sie<br />
an die Debatten über einen freien WLAN-<br />
Zugang in den Innenstädten. Dafür gibt<br />
es jetzt einen Gesetzesentwurf, der realitätsfern<br />
ist, weil er wieder deutliche Hürden<br />
bei der Anmeldung vorsieht. Im Ergebnis<br />
wird dadurch ein Zentrum, das<br />
man beleben will, für die junge Generation<br />
nicht attraktiver.<br />
Aber der Handel entscheidet doch<br />
auch selbst, ob er an den Ortsrand<br />
oder in die Innenstadt geht.<br />
„Man<br />
ganz<br />
Radau: Bedingt, denn die F<br />
tion in den Innenstädten läss<br />
Geschäfte gar nicht zu. Ein<br />
kommt heuteoft nicht mehr<br />
dratmetern aus. <strong>Die</strong> Aufgabe<br />
munen besteht hier darin, m<br />
tümern gemeinsam Flächen<br />
tren zusammenzubringen,<br />
siedlungen oder Erweiterun<br />
zu machen. Aber auch die ö<br />
nungen, die Bauordnung<br />
und gegebenenfalls<br />
Brandschutzaspekte<br />
müssen flexibler<br />
gehand-<br />
Michael<br />
habt werden. Am<br />
Anfang muss der<br />
Wille stehen, dieses<br />
Ziel zu erreichen – un<br />
Furcht vor den Hürden.<br />
Sollten Kommunen also<br />
ein Unternehmen denke<br />
Radau: Absolut, sie haben<br />
klientel und müssen ihr Han<br />
sen Bedürfnisse ausrichten.<br />
sen auch bereit sein zu inve<br />
kann dadurch geschehen, d<br />
Förderung des Handels im O<br />
mit entsprechender person<br />
wortlichkeit versteht. Das g<br />
Dezernat Xoder Ymit einer<br />
den-Stelle, sondern man be<br />
Budget und personelle Ress<br />
braucht einen Kümmerer,de<br />
sungen und die richtigen L<br />
menbringt.<br />
Gibt es Beispiele, wo so e<br />
funktioniert?<br />
Radau: Bei einem Treffen d<br />
delsausschusses in Billerbe<br />
das Gefühl, dass man sich<br />
lich für den Handel stark ma<br />
darum bemüht, verschiede<br />
bedingungen zu verbessern<br />
Also auch eine Taktik
MÄRKTE<br />
5<br />
teuern“<br />
für den stationären Handel und ruft zum<br />
gefordert.<br />
EINZELHANDELSVERBAND WESTFALEN-MÜNSTERLAND<br />
Der Einzelhandelsverband Westfalen-Münsterland ist als Arbeitgeber-, Berufs- und <strong>Wirtschaft</strong>sverband<br />
die Interessenvertretung der Betriebe des Einzelhandels in den Städten Dortmund, Hamm und<br />
Münster sowie den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt, Unna und Warendorf. Er fördert und vertritt<br />
die Interessen der 1300 Mitglieder in den Innenstädten, den Stadtteilzentren und auf der „grünen<br />
Wiese“. Der Verband wirkt meinungsbildend, informierend, schafft Kontakte und versteht sich als ein<br />
moderner und kompetenter <strong>Die</strong>nstleister. Erist Ansprechpartner für Medien, für die Politik und für<br />
die interessierte Öffentlichkeit.<br />
Zu den Schwerpunktaufgaben gehört die Beratung der Mitglieder in nahezu allen berufsspezifischen<br />
Fragen mit dem Schwerpunkt Arbeits-, Tarif- und Wettbewerbsrecht sowie der Prozessvertretung vor<br />
den Arbeits- und Sozialgerichten. Er kümmert sich um Ansiedlungsfragen und ist in einer Vielzahl<br />
von Gremien im Interesse des Einzelhandels tätig.<br />
Der Einzelhandelsverband Westfalen-Münsterland ist Bestandteil einer Verbandsorganisation, die aus<br />
dem Handelsverband Nordrhein-Westfalen (HVNRW), dem Handelsverband Deutschland -Der Einzelhandel<br />
(HDE) und den Bundesfachverbänden besteht. Damit können die mehr als 400 000 angeschlossenen<br />
Unternehmen auf die vernetzten Angebote eines leistungsstarken Zusammenschlusses<br />
für Unternehmen des Einzelhandels zurückgreifen.<br />
<strong>Die</strong> Mitgliedschaft im Verband ist freiwillig. Möglich ist eine Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung.<br />
lächensituatoft<br />
größere<br />
Fachgeschäft<br />
mit 80 Quafür<br />
die Komit<br />
den Eigenin<br />
den Zenum<br />
Neuangen<br />
möglich<br />
rtlichen Plad<br />
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stärker wie<br />
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Und sie müsstieren.<br />
Das<br />
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hatte ich<br />
ort tatsächcht<br />
und sich<br />
ne Rahmen-<br />
.<br />
der kleinen<br />
Schritte?<br />
Radau: Ja, man muss sich auch Quartiere<br />
genau anschauen. Am Bahnhof in<br />
Münster gibt es eine entsprechende Initiative,<br />
die für eine sichtbare Attraktivitätssteigerung<br />
gesorgt hat. Wirbrauchen<br />
vielerorts ein neues Verständnis dafür,<br />
dass ein funktionierender Handel für die<br />
Städte sowichtig ist wie der Bürgersteig<br />
oder die Schulen.<br />
Handel in den<br />
muss sich auch Quartiere<br />
enau anschauen.“<br />
Radau<br />
Kernengehört zur<br />
Infrastruktur.<br />
Wenn der Handel<br />
schwächelt, leidet<br />
das gesamte städtische<br />
Leben.<br />
Müssen Kommunen sich wieder<br />
mehr auf ihre Zentren konzentrieren?<br />
Muss auch der Handel dortzusammenrücken?<br />
Radau: Aus Kundensicht eindeutig ja,<br />
denn dieser will nicht von einem Geschäft<br />
zum nächsten fahren. Es will das<br />
Einkaufserlebnis im Ort. Hier leiden viele<br />
Gemeinden unter den Planungsfehlern<br />
der Vergangenheit. Sie sollten überlegen,<br />
wie sie Zentrenbildung an den Ortsrändern<br />
auf Dauer wieder zurückdrehen<br />
können.<br />
Womit kann der Handel selbst<br />
punkten?<br />
Radau: Mitarbeiter, die man gut ausbildet<br />
und denen man eine hohe Wertschätzung<br />
entgegenbringt, werden für den<br />
Handel insgesamt immer wichtiger. Auf<br />
diesem Gebiet muss ich als Unternehmer<br />
investieren, wohl wissend, dass sich dies<br />
nicht von heute auf morgen auszahlen<br />
wird.<br />
Was bieten Sie konkret einem Auszubildenden<br />
an, der bei Ihnen den<br />
Handel lernt?<br />
Radau: Wir beginnen mit einer Einführungsveranstaltung,<br />
bei der ich mir Zeit<br />
nehme, die jungen Mitarbeiter kennenzulernen<br />
und ihnen das Unternehmen intensiv<br />
vorzustellen. Wirbesuchen Produzenten<br />
und Herstellerbetriebe, damit sie<br />
sehen, wie Bioprodukte entstehen. Sie<br />
kommen hier in die Zentrale, umauch<br />
hier die Mitarbeiter und die Abläufekennenzulernen.<br />
Und sie kommen früh in<br />
den Kontakt zu Kunden, wo sie sich natürlich<br />
als Auszubildende deklarieren.<br />
Entspricht die überbetriebliche<br />
Ausbildung auch diesen höheren<br />
Ansprüchen?<br />
Radau: Ich bin ein glühender Verfechter<br />
unseres dualen Systems. Wir haben aber<br />
die übliche schulische Ausbildung bewusst<br />
um weitere fachbezogene Komponenten<br />
erweitert. <strong>Die</strong> Auszubildenden<br />
bei uns legen zum Schluss zusätzlich vor<br />
der IHK eine anspruchsvolle Prüfung mit<br />
der Zusatzqualifikation Naturkost ab.<br />
Dafür sind 200 zusätzliche Unterrichtsstunden<br />
erforderlich, in denen Fragen<br />
der Käseherstellung ebenso behandelt<br />
werden wie glutenfreies Getreide. Wer<br />
besteht, ist in kaufmännischer, handelstechnischer<br />
und fachlicher Hinsicht richtig<br />
gut. Und wir fördern mit Unterstützung<br />
einer Akademieagentur in einigen<br />
Fällen auch die Persönlichkeitsentwicklung,<br />
um eigene Führungskräfte heranzubilden.<br />
Sollte die duale Ausbildung für die<br />
Handelsberufe verbessert werden?<br />
Radau: Ich verwende hier gerne den Begriff<br />
der Wertschätzung. Wenn ich einen<br />
Auszubildenden oder einen Mitarbeiter<br />
im Unternehmen habe, muss sich mir<br />
auch Gedanken darüber machen, wie ich<br />
ihn entwickeln und fördern kann. <strong>Die</strong>s<br />
kommt meines Erachtens oft noch zu<br />
kurz. Hier sind in allererster Linie die Betriebe<br />
gefordert. Aber das lohnt sich,<br />
denn der Beruf ist grundsätzlich sehr<br />
spannend und bietet tolle Zukunftsperspektiven.
6 MACHER & MÄRKTE<br />
„<strong>Die</strong> Bevölkerung wird sich zunehmend<br />
an kürzeren Wegen zu ihren<br />
Arbeitsplätzen orientieren – und<br />
auch an dem besseren kulturellen<br />
Angebot in den Städten.“<br />
Ein Land verändert<br />
sein Gesicht<br />
Eine sich verschärfende Landflucht und der demografische Wandel beeinflussen das Lebensumfeld<br />
der Menschen in Nordrhein-Westfalen stärker als bisher gedacht<br />
Der Trend zur Urbanisierung verstärkt<br />
sich – und das vor dem Hintergrund<br />
des demografischen Wandels.<br />
Auch deswegen stellt die Dimension<br />
der Wanderungsbewegung weg vom<br />
Land und in die Stadt ungeheute Herausforderungen<br />
an alle Entscheidungsträger.<br />
Das Stadt-Land-Gefälle verstärkt<br />
sich: Während<br />
Münster, Köln, Düsseldorf<br />
und auch Bonn in den<br />
kommenden Jahren deutliche<br />
Bevölkerungszuwächse verzeichnen<br />
können, verliert der ländliche Raum<br />
weiter. Münster gilt nach einer Studie der<br />
Bertelsmann-Stiftung als großer Profiteur.<br />
Danach wird das regionale Oberzentrum<br />
neben München und Unterföhring<br />
eine der jüngsten Städte<br />
in Deutschland sein.<br />
„<strong>Die</strong> arbeitende Bevölkerung<br />
wird sich zunehmend<br />
an kürzeren Wegen<br />
zu ihren Arbeitsplätzen<br />
orientieren – und<br />
auch an dem besseren<br />
kulturellen Angebot in den<br />
Städten“, sagte Leo Krüll,<br />
Sprecher des Statistischen<br />
Landesamtes<br />
IT.NRW.<br />
<br />
<strong>Die</strong> Landflucht<br />
<br />
spielt sich vor einer<br />
<br />
sich verschärfenden<br />
demografischen<br />
Entwicklung<br />
ab. <strong>Die</strong> Bevölkerung<br />
in<br />
NRW schrumpft<br />
bis 2030 deutlich<br />
stärker als im<br />
bundesweiten<br />
Schnitt. Laut einer<br />
Modellrechnung<br />
schrumpfen bis 2040 mehr als zwei Drittel<br />
aller 373 kreisangehörigen Städte und<br />
Gemeinden in NRW. <strong>Die</strong> Gesamtbevölkerung<br />
des Landes geht um 0,5 Prozent auf<br />
17,49 Millionen Menschen zurück.<br />
Als Negativbeispiel<br />
dient Altena<br />
im Märkischen<br />
Kreis sowie Steinheim<br />
und Lügde<br />
in Ostwestfalen.<br />
Hier sollen in 15<br />
Jahren zwischen<br />
16 und 23 Prozent<br />
Leo Krüll, Sprecher von IT.NRW<br />
weniger Menschen<br />
als noch<br />
2012 leben. Besser<br />
sieht es in den<br />
Regionen rund<br />
um Düsseldorf, Köln, Bonn und Münster<br />
aus. So ist in den Münsterland-Kreisen<br />
der Bevölkerungsrückgang nicht so dramatisch<br />
wie zum Beispiel in Ostwestfalen<br />
oder dem Sauerland. Zuwächse verzeich-<br />
Grundlagen der Statistik<br />
Grundlage für die Bevölkerungsprognose der Stiftung ist<br />
die Internet-Plattform „Wegweiser Kommune“. Das Angebot<br />
stellt für deutsche Gemeinden und Städte ab 5000<br />
Einwohnern (2941 Kommunen und 323 Landkreise) eine<br />
Fülle von Daten zu den Bereichen Demografischer Wandel,<br />
Finanzen, Soziales und Integration zur Verfügung. Als<br />
Datenquellen werden unter anderen Angaben vom Statistischen<br />
Bundesamt, den Statistischen Landesämtern, der<br />
Bundesagentur für Arbeit und dem Ausländerzentralregister<br />
(AZR) genutzt. An den Berechnungen sind mehrere<br />
Universitäten beteiligt.<br />
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<strong>Die</strong> Zahl der Hochbetagten steigt<br />
<strong>Die</strong> Zahl der über 80-Jährigen steigt in Nordrhein-Westfalen um über 36 Prozent<br />
auf 1,27 Millionen Menschen an. Bundesweit ist der Anstieg bei den Hochbetagten<br />
mit 47,2 Prozent deutlich größer. Mit den höchsten Prozentanstieg<br />
muss die Stadt Meckenheim im Rhein-Sieg-Kreis rechnen. Hier soll sich die<br />
Zahl der Menschen, die älter als 80 Jahre sind, innerhalb von 15 Jahren mehr<br />
als verdoppeln. Laut einer Modellrechnung des Statistischen Landesamtes<br />
IT.NRW wird in allen Kommunen Nordrhein-Westfalens der Altersdurchschnitt<br />
steigen. In 27 Kommunen werde sich der Anteil der Einwohner ab 65 Jahren sogar<br />
mehr als verdoppeln. Auch im südlichen Niedersachsen ist eine ähnliche<br />
Entwicklung zu beobachten.<br />
nen sogar Regionen rund um die boomenden<br />
Städte Köln und Düsseldorf. Im<br />
bundesweiten Vergleich liegt Nordrhein-<br />
Westfalen bei der Bevölkerungsentwicklung<br />
im Mittelfeld. <strong>Die</strong> Wissenschaftler<br />
warnen deshalb vor Versorgungslücken<br />
gerade für ältere Menschen im ländlichen<br />
Raum.<br />
<strong>Die</strong> Kommunen müssten sich wegen der<br />
zunehmenden Alterung auch auf einen<br />
erhöhten Pflegebedarf einstellen. 2030<br />
soll die Hälfte der Menschen in NRW älter<br />
als 47,4 Jahre alt sein (Medianalter).<br />
2012 lag dieser Wert bei 44,9 Jahren.<br />
Aber auch hier gibt es große Schwankungen.<br />
Zu den jüngsten Städten zählen –<br />
gemessen an den Altersgruppen – Münster<br />
und Aachen.<br />
Frank Polke<br />
<strong>Die</strong> Stadt Münster lockt viele junge Menschen<br />
an.<br />
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OFFEN GESAGT<br />
Nicht nur Gewinner<br />
<strong>Die</strong> Wanderungsströme werden den<br />
Alltag, das Lebensumfeld und<br />
auch die Zukunft der Menschen stärker<br />
verändern als bisher gedacht. Immer<br />
mehr junge Menschen zieht es in die<br />
Stadt. <strong>Die</strong> damit verbundene steigende<br />
Nachfrage nach <strong>Die</strong>nstleistungen lässt<br />
die Metropolen weiter wachsen. Doch<br />
der Run auf die Städte hat natürlich<br />
auch seine Schattenseiten. Bezahlbarerer<br />
Wohnraum gerade in wachsenden<br />
Oberzentren wie Münster oder Düsseldorf<br />
ist schon jetzt knapp.<br />
Und natürlich wird es angesichts einer<br />
schrumpfenden Gesamtbevölkerung<br />
auch Verlierer geben. Da sind vor allem<br />
die ländlichen Regionen wie das<br />
Sauerland oder Ostwestfalen zu nennen,<br />
die nicht von der Attraktivität<br />
eines erreichbaren Oberzentrums profitieren.<br />
Aber auch wenn die Kreise des<br />
Münsterlandes keine Einbrüche zu befürchten<br />
haben: Das Münsterland als<br />
Region ist dennoch aufgerufen, sich<br />
stärker um eine gemeinsame Raumund<br />
Strukturplanung zwischen den<br />
Kreisen und der Stadt Münster zu bemühen.<br />
Frank Polke
MACHER & MÄRKTE 7<br />
„Berufsausbildung braucht<br />
eine noch stärkere Lobby“<br />
WIN-Vorsitzender Michael von Bartenwerffer: Ungebremster Trend ins Studium hat eine Schattenseite<br />
Der Trend zu höherer Bildung<br />
wird gründlich missverstanden:<br />
Junge Menschen<br />
drängen ins Studium,<br />
das Erfolgsmodell<br />
der beruflichen Ausbildung mit Praxis im<br />
Betrieb und Theorie in der Schule leidet.<br />
Mit der Veranstaltung „Hidden Champions“<br />
hat die WIN <strong>Wirtschaft</strong>sinitiative<br />
Münster gemeinsam mit dem Adolph-<br />
Kolping-Berufskolleg eine Lanze für die<br />
duale Ausbildung gebrochen. Ob dies gefruchtet<br />
hat, wollte jetzt Wolfgang Kleideiter<br />
von Michael von Bartenwerffer,<br />
Vorsitzender der WIN <strong>Wirtschaft</strong>sinitiative<br />
Münster, wissen.<br />
Hatte Ihre Veranstaltung einen Nachhall?<br />
Michael von Bartenwerffer: Ja, durchaus!<br />
Von mancher Seite wurden wir gebeten,<br />
weiterzumachen und nicht nur mit<br />
dieser ersten Veranstaltung einen Gegenpol<br />
zur Überbetonung des Studiums zu<br />
setzen. Wir überlegen zurzeit, im Frühjahr<br />
2016 ein weiteres Forum mit einer<br />
noch deutlicher fokussierten Themenstellung<br />
zu organisieren.<br />
Im Mai hatten Sie auch Landes-, Kreisund<br />
Kommunalpolitiker zum Forum<br />
eingeladen. <strong>Die</strong> Resonanz aus der Politik<br />
war eher verhalten. Wie sieht die Bilanz<br />
rund vier Monate später aus?<br />
von Bartenwerffer: Ich hatte in der Veranstaltung<br />
den schwachen Rücklauf aus<br />
diesem Kreis kritisch angesprochen. Inzwischen<br />
haben sich aber mehrere Parteien<br />
gemeldet. Sie haben von uns als Anstoß<br />
die „Münsteraner Thesen zur beruflichen<br />
Bildung“ erhalten. Gerade die Landespolitik<br />
muss sich abseits jeglicher<br />
Ideologie intensiver als heute mit einer<br />
deutlicher ausgeprägten Förderung der<br />
beruflichen Bildung befassen.<br />
Was läuft momentan in der Bildungspolitik<br />
nicht in der richtigen Bahn?<br />
von Bartenwerffer: Wir erleben seit Jahren,<br />
dass das Abitur als Schulabschluss<br />
und das Studium in der Bildungspolitik<br />
unverhältnismäßig stark in den Vordergrund<br />
gerückt werden. <strong>Die</strong>s mündet inzwischen<br />
in der Überzeugung vieler<br />
Menschen im Land, dass man ohne eine<br />
akademische Ausbildung nichts werden<br />
kann. <strong>Die</strong> Abiturientenzahlen steigen<br />
dementsprechend seit Jahren rasant.<br />
Hier wurden alle Hürden nach und nach<br />
abgeschafft. <strong>Die</strong> Zahl der sehr guten Abschlüsse<br />
hat sich geradezu inflationär<br />
entwickelt.<br />
Das sollte doch eine Bildungs- und Wissensnation<br />
wie die unsere freuen?<br />
von Bartenwerffer: Natürlich brauchen<br />
wir auch die akademische Bildung, aber<br />
wir dürfen den Stellenwert einer guten<br />
und qualifizierten beruflichen Ausbildung<br />
nicht vernachlässigen. Der laute Jubel<br />
über die hohe Zahl der Studierenden<br />
hat eine Schattenseite: Ein Drittel der<br />
Studierenden wechselt während des Studiums<br />
das Fach, ein weiteres Drittel<br />
bricht das Studium ab. Nur ein Drittel<br />
kommt auf direktem Weg ans Ziel. Das<br />
bedeutet unterm Strich eine enorme Verschwendung<br />
von Ressourcen – und dies,<br />
obwohl die jungen Menschen ein an vielen<br />
Stellen durchgängiges Schulsystem<br />
durchlaufen und sich im Vorfeld auch anders<br />
orientieren könnten.<br />
Was muss passieren, damit Eltern und<br />
Schüler wieder mehr den hohen Wert<br />
einer beruflichen Ausbildung erkennen?<br />
von Bartenwerffer: Alle Beteiligten, dazu<br />
zähle ich auch die Lehrer, müssen<br />
grundsätzlich mehr über die <strong>Wirtschaft</strong><br />
und wirtschaftliche Zusammenhänge erfahren.<br />
Es ist falsch, dass wir bis heute<br />
kein entsprechendes Unterrichtsfach in<br />
der schulischen Ausbildung haben. Auch<br />
Schüler selbst beklagen immer wieder,<br />
dass es an einer „ökonomischen Grundbildung“<br />
mangelt. Eltern müssen wieder<br />
mehr darauf aufmerksam gemacht werden,<br />
wie umfassend und fundiert heute<br />
eine berufliche Ausbildung ist, welche<br />
Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten<br />
ihr Kind nach so einer Ausbildung hat.<br />
<strong>Die</strong> Lehrer wiederum dürfen bei ihrer Beratung<br />
nicht das Studium allein in den<br />
Mittelpunkt stellen, sondern sie sollten<br />
gleichwertig über Ausbildungsberufe<br />
und duale Ausbildungswege informieren.<br />
Weiterführende Schulen sind heute<br />
häufig über Patenschaften mit der realen<br />
<strong>Wirtschaft</strong> verbunden. Reicht dies<br />
nicht aus?<br />
von Bartenwerffer: <strong>Die</strong>se Kontakte sind<br />
positiv. Viele Unternehmen, gerade auch<br />
mittelständische, sind auf diesem Feld<br />
bereits sehr aktiv. Eine erste Vorentscheidung<br />
wird aber schon beim Schulwechsel<br />
nach der Grundschule getroffen. Deshalb<br />
muss schon im Vorfeld mehr als heute<br />
passieren. Eltern und Lehrer müssen früh<br />
Unternehmen kennenlernen, um auch<br />
unmittelbar vor Ort zu sehen, welch hohes<br />
Qualitätsniveau die berufliche Ausbildung<br />
hat und welche berufsnahen<br />
schulischen Bildungsgänge angeboten<br />
werden. Wir dürfen nicht in einem frommen<br />
Selbstbetrug für jedes Kind im Land<br />
das Abitur anstreben. <strong>Die</strong> PISA-Gläubigkeit<br />
hat in der Bildungspolitik zu völlig<br />
falschen Schlussfolgerungen geführt.<br />
Auch der OECD-Vergleich zum Grad der<br />
Akademisierung hinkt, weil in manchen<br />
Ländern ein Hochschulstudium unseren<br />
Ausbildungsberufen gleichgesetzt ist.<br />
Wer für einen beruflichen Ausbildungsweg<br />
werben will, muss die Jugend von<br />
heute erreichen. Was empfehlen Sie<br />
einem Unternehmen?<br />
von Bartenwerffer: Es sollte jede Gelegenheit<br />
nutzen, um Kontakt zu jungen<br />
Menschen zu bekommen. <strong>Die</strong> sozialen<br />
Medien bieten hier eine Fülle von Möglichkeiten,<br />
im Austausch zu informieren.<br />
Auszubildende aus dem eigenen Betrieb<br />
können als Multiplikatoren mitwirken,<br />
denn sie sind der Zielgruppe am nächsten.<br />
Es gibt bereits viele Netzwerke, die<br />
Entscheider in Betrieben auf diesem Feld<br />
unterstützen.<br />
Droht in unserer Region ein schärferer<br />
Fachkräftemangel, wenn nicht vereint<br />
gegengesteuert wird?<br />
von Bartenwerffer: Auf jeden Fall.<br />
Michael von Bartenwerffer<br />
Schon jetzt klagen Unternehmen darüber,<br />
dass sie zu wenige Auszubildende<br />
finden. <strong>Die</strong>se Azubis sind aber die Fachund<br />
Führungskräfte von morgen. <strong>Die</strong> Gesellschaft<br />
sollte insgesamt ein größeres<br />
Maß an Interesse für diese Thematik entwickeln.<br />
<strong>Die</strong> Botschaft muss nach<br />
draußen. <strong>Die</strong> berufsnahen schulischen<br />
Bildungsgänge und Ausbildungsmöglichkeiten<br />
brauchen eine noch stärkere Lobby.<br />
MÜNSTERANER THESEN ZUR BERUFLICHEN BILDUNG<br />
„Im Rahmen des Forums „Hidden Champions – Das Berufskolleg als unterschätztes<br />
System“ der WIN <strong>Wirtschaft</strong>sinitiative Münster in Kooperation mit<br />
dem Adolph-Kolping-Berufskolleg sind die folgenden Thesen entstanden, mit<br />
denen wir einen Anstoß für die intensivere Wahrnehmung der beruflichen Bildung<br />
geben und dabei die wichtige Arbeit der Berufskollegs unterstreichen wollen:<br />
– Berufskollegs fördern eine umfassende Qualifikation ihrer Schüler für viele<br />
aktuelle (Mangel-)Berufe und bereiten sie effizient auf den Ausbildungs- und<br />
Berufseinstieg vor.<br />
– Berufskollegs ermöglichen echte und „marktgängige“ Alternativen zum klassischen<br />
Studium und fördern damit die Chancen vieler Jugendlicher auf dem<br />
Arbeitsmarkt.<br />
– Berufskollegs fördern die internationale Verständigung und „leben“ eine umfassende<br />
Integration in vielen gesellschaftlichen (Problem-)Bereichen.<br />
– Berufskollegs stärken die Ausbildungsfähigkeit und Motivation von Jugendlichen<br />
mit geringen Schulabschlüssen.<br />
– Berufskollegs sind eng vernetzt mit der jeweiligen lokalen und regionalen<br />
<strong>Wirtschaft</strong> als Bedarfsträger für den Berufsnachwuchs und mit sonstigen relevanten<br />
Gruppierungen.<br />
Deshalb will das Forum alle an der beruflichen Bildung beteiligten Institutionen,<br />
die verantwortlichen Politiker, die Schulträger, aber auch die interessierte<br />
Öffentlichkeit und vor allem Eltern und Lehrer ermuntern, in einer modernen<br />
Berufsausbildung eine erstklassige Alternative zu einem Studium zu erkennen.“<br />
Stolze – Dr. <strong>Die</strong>rs – Beermann GmbH<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sprüfungsgesellschaft · Steuerberatungsgesellschaft<br />
Unser Angebot umfasst eine breite Spanne von <strong>Die</strong>nstleistungen insbesondere<br />
für mittelständische Unternehmen und deren Gesellschafter von der Einkommensteuererklärung<br />
über die Abschlusserstellung bis zur Jahresabschluss- und Konzernabschlussprüfung.<br />
Weiterhin beraten wir in Fragen des Steuerrechts – insbesondere<br />
im Bereich des Umwandlungsteuerrechts, des internationalen Steuerrechts<br />
und der Unternehmensnachfolge. Zu unserem <strong>Die</strong>nstleistungsspektrum<br />
Geschäftsführer:<br />
Prof. Dr. Fritz-Ulrich <strong>Die</strong>rs<br />
Dr. Philipp <strong>Die</strong>rs<br />
Dr. Marie-Theres Stolze<br />
Heinz Stolze<br />
Wilfried Beermann<br />
Johannes Fink<br />
zählt auch die betriebswirtschaftliche Beratung. Jeder Mandant hat bei uns einen<br />
persönlichen Ansprechpartner, der das Unternehmen langjährig betreut. Über<br />
unsere örtlichen Niederlassungen in Emsdetten und Rheine hinaus kooperieren<br />
wir im Rahmen der CW & S mit anderen Praxen und sind Mitglied des internationalen<br />
Netzwerks von <strong>Wirtschaft</strong>sprüfern und Steuerberatern „AGN“, um auch<br />
überregional und grenzüberschreitend unsere Mandanten betreuen zu können.<br />
CW&S<br />
Cooperation von<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sprüfern & Steuerberatern<br />
www.cw-s.de<br />
Neubrückenstraße 5<br />
48282 Emsdetten<br />
Telefon (0 2572) 40 85<br />
Telefax (0 2572) 8 56 47<br />
Stolze-<strong>Die</strong>rs@stodibe.de<br />
Timmermanufer 142<br />
48429 Rheine<br />
Telefon (0 59 71) 8 08 22-6<br />
Telefax (0 59 71) 8 08 22-75<br />
info@stodibe.de
8 MACHER & MÄRKTE<br />
Investition in<br />
die Zukunft<br />
Weniger Azubis, weniger Standorte: Berufsschulen<br />
müssen sich wandeln. Unterstützung ist gefragt.<br />
Eine beeindruckende Zahl: Über 84<br />
000 junge Menschen besuchen im<br />
Regierungsbezirk Münster eines der<br />
38 öffentlichen und 17 freien Berufskollegs.<br />
Dann funktioniert das duale<br />
System doch prima, könnte man meinen<br />
– schließlich wird so die praktische<br />
und theoretische Qualifizierung<br />
einer großen Schülerzahl sichergestellt.<br />
Doch Experten warnen:<br />
Berufsschulen seien nicht „zukunftsfest“.<br />
Weil Schülerzahlen sinken,<br />
entziehe die Politik ihnen die Mittel,<br />
die sie dringend brauchen, um zum<br />
Beispiel die Ausstattung auf dem<br />
neuesten Stand zu halten.<br />
Für die duale Ausbildung kann<br />
nicht genug Werbung gemacht<br />
werden.“ Ingo Hoeper,<br />
Geschäftsführer beim münsterischen<br />
Großhandelsunternehmen<br />
Mosecker, ließ kürzlich in einem<br />
Forum in Münster keinen Zweifel daran,<br />
dass Betriebe zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses<br />
unbedingt Jugendliche<br />
und junge Erwachsene brauchen, die<br />
neben der schulischen Bildung auch ordentlich<br />
Unternehmensluft schnuppern.<br />
Über 70 Auszubildende hat Mosecker. In<br />
den Nachwuchs wird stark investiert. Als<br />
Service-Partner des Handwerks weiß<br />
man, dass Kommunikation und Können<br />
gleichermaßen gefragt sind.<br />
Für die Berufsschulen eine Herausforderung,<br />
denn sie müssen mit den Anforderungen<br />
aus Handwerk, Handel und Industrie<br />
Schritt halten. Das bedeutet: In<br />
den Fachklassen muss die Ausbildungsqualität<br />
durchweg stimmen, die Lehrkräfte<br />
müssen möglichst auf dem neuesten<br />
Stand sein.<br />
Doch die Problematik der zurückgehenden<br />
Schülerzahlen hat inzwischen in Teilen<br />
Deutschlands dazu geführt, dass auch<br />
die Zahl der Berufsschulen rückläufig ist.<br />
<strong>Die</strong> Folge: ein Konzentrationsprozess ist<br />
im Gange, der manchem Auszubildenden<br />
einen langen Weg zu seiner Schule abfordert.<br />
Eine weitere Schwächung des hoch<br />
gelobten dualen Systems, das europaweit<br />
als Vorbild gilt, um zum Beispiel auch die<br />
Probleme der Jugendarbeitslosigkeit in<br />
den Griff zu bekommen.<br />
Zukunftstaugliche Lösungen sind gefragt,<br />
damit große Arbeitgeber nicht erst<br />
eigene Ausbildungszentren schaffen<br />
müssen oder allgemein und wenig hilfreich<br />
die Qualität bemängeln. Berufsschulen<br />
brauchen, wie Michael von Bartenwerffer,<br />
Vorsitzender der WIN <strong>Wirtschaft</strong>sinitiative<br />
Münster, es formuliert,<br />
Praxisnah: Schüler des Berufskollegs in Rheine präsentierten bei „Jugend forscht“ einen Kamerakran mit vielen<br />
technischen Finessen.<br />
Foto: Matthias Ahlke<br />
eine größere Lobby. Und sie brauchen ein<br />
ausgeprägtes Profil, um ihre Attraktivität<br />
zu erhalten.<br />
Auch im Münsterland arbeitet man schon<br />
seit langer Zeit mit sogenannten Bezirksfachklassen.<br />
Wer zum Beispiel Fotograf<br />
werden will, hat die Wahl zwischen zwei<br />
Standorten: das Adolph-Kolping-Berufskolleg<br />
in Münster oder die Berufsschule<br />
für Technik und Gestaltung in Gelsenkirchen.<br />
<strong>Die</strong> Fachklassenbildung ist kompliziert,<br />
wird aber möglichst mit dem Ausbildungsplatzangebot<br />
einer Region verknüpft.<br />
Kreis- und Stadtgrenzen sollen<br />
am Ende keine Rolle mehr spielen, wenn<br />
ein Berufszweig nur noch wenige Lehrlinge<br />
hat. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag<br />
(DIHK), der rund 12 000<br />
Betriebe zur Berufsschulsituation in ihrer<br />
Region befragt hat, schlägt vor, Teile des<br />
Fachunterrichts mit Unterstützung neuer<br />
Kommunikationstechnik nach dem Muster<br />
Fern-Uni zu organisieren. Gerade im<br />
ländlichen Raum würde dies manchem<br />
Azubi einen langen Weg zur Berufsschule<br />
ersparen.<br />
22 Prozent der Befragten hatten beklagt,<br />
dass es in ihrer Region schon heute kein<br />
bedarfsgerechtes Berufsschulangebot<br />
mehr gebe. „Wir dürfen nicht riskieren,<br />
dass diese Betriebe die Ausbildung aufgeben“,<br />
so DIHK-Präsident Eric Schweitzer.<br />
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01.09.<br />
bis 29.11.<strong>2015</strong>
9 BRANCHEN & BETRIEBE<br />
Drehscheibe für den Dünger<br />
Agravis füttert eine Biogasanlage in Dorsten bis zu 80 Prozent mit Mist und Gülle und erntet wertvolle<br />
Gärreste. Das Pilotprojekt könnte sich als wichtiger Baustein im Nährstoffprozess erweisen.<br />
Kein Grund, die Nase zu rümpfen.<br />
Mist und Gülle sind wertvoll. Bei intensiver<br />
Tierhaltung kann der Dünger<br />
aber zur Last werden. „Wohin<br />
mit den Überschüssen?“, lautet dann<br />
die Herausforderung. Begrenzte Flächenkapazitäten<br />
und Verordnungen<br />
machen es immer schwerer, den<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sdünger unterzubringen.<br />
Doch in Dorsten keimt die Hoffnung:<br />
Agravis und Odas betreiben dort seit<br />
Jahresbeginn in einem Joint Venture<br />
eine große Biogasanlage, die bis zu<br />
80 Prozent mit Gülle und Mist gefüttert<br />
werden kann. Bei einem Erfolg<br />
des Pilotprojekts haben Landwirte<br />
eine Sorge weniger – und die Unternehmen<br />
ein Geschäftsmodell mehr.<br />
Eine Win-win-Situation.<br />
Schon seit Jahren zerbrechen<br />
sich Experten der Agravis<br />
Raiffeisen AG den Kopf darüber,<br />
wie man dem Landwirt<br />
über das Futter- und Düngemittelgeschäft<br />
hinaus auch bei der Nährstoffverwertung<br />
helfen kann. Ganzheitliche,<br />
praktikable und wirtschaftlich tragfähige<br />
Lösungen sind gefragt. „Wir lassen<br />
den Landwirt auch bei diesem Thema<br />
nicht allein“, betont Dr. Philipp Spinne,<br />
Bereichsleiter Agrarzentren bei der Agravis<br />
und einer der Geschäftsführer der TerraSol<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sdünger GmbH. In Dorsten<br />
hat die Agravis mit der Odas GmbH<br />
einen Partner für das breite Feld des Nähstoffmanagements<br />
gefunden.<br />
Dass die gemeinsame Biogasanlage inmitten<br />
des interkommunalen Industriegebiets<br />
Dorsten-Marl betrieben wird, hat<br />
mit einem vorausgegangenen Insolvenzfall<br />
der EnDi AG zu tun. <strong>Die</strong>ses Unternehmen<br />
aus Halle hatte das Großprojekt<br />
einer sehr großen, konventionellen Biogasanlage<br />
im „Indu-Park“ entwickelt und<br />
begonnen. Doch es gab Verzögerungen<br />
beim Bau, ungeplante Kostensteigerungen<br />
und Streitigkeiten mit dem spanischen<br />
Anlagenbauer. 2013 musste EnDi,<br />
nachdem sich zuvor auch ein Großaktionär<br />
zurückgezogen hatte, Insolvenz anmelden.<br />
Zurück blieb eine in Teilen nur<br />
halbfertige Biogasanlage, in der neben<br />
Gülle und Mist in allererster Linie Mais,<br />
Ganzpflanzensilage, Getreide und Corn-<br />
Cob-Mix einsetzt werden sollte, um Biogas<br />
zu produzieren. <strong>Die</strong>ses Biomethan<br />
sollte wiederum entsprechend angereichert<br />
ins RWE-Erdgasnetz eingespeist<br />
werden.<br />
Im März 2014 erwarb die Agravis die Anlage<br />
und nahm zunächst einmal das 716-<br />
Kilowatt-Blockheizkraftwerk in Betrieb.<br />
Dann wurde unter anderem in die Prozesssteuerung,<br />
den Weg der Substrate<br />
und die Gaseinspeisung investiert. Nach<br />
<strong>Die</strong> Gasaufbereitung der Biogasanlage in Dorsten<br />
Blick auf die Biogasanlage im Dorstener Industriegebiet. In den acht großen Fermentern werden überwiegend Gülle und Mist vergoren.<br />
und nach wurde die Biogasanlage hochgefahren.<br />
Das Blockheizkraftwerk wurde<br />
erweitert.<br />
Inzwischen, so berichtet Stefan Schirmacher-Rohleder,<br />
Geschäftsführer der<br />
Odas GmbH, läuft die Anlage auf voller<br />
Leistung. Und es zeigt sich, dass das Gemeinschaftsunternehmen<br />
dem ehrgeizigen<br />
Ziel, möglichst viel Gülle, separierte<br />
Gülle und Mist einzusetzen, schon sehr<br />
nahe kommt. Im Schnitt liegt der Anteil<br />
bei über 70 Prozent. <strong>Die</strong> Zielmarke lautet<br />
80 Prozent. Gelingt dies, wird die Veredlungsregion<br />
um etwa 90 000 Tonnen organischen<br />
Dünger entlastet. Gleichzeitig<br />
können pro Jahr 50 000 bis 60 000 Tonnen<br />
Mais und Getreide für andere Zwecke<br />
eingesetzt werden. <strong>Die</strong> Dorstener Anlage<br />
soll nebenbei jährlich etwa 3,5<br />
Megawatt leisten – rund 2,8 Megawatt<br />
aus der Gaseinspeisung und weitere 0,7<br />
Megawatt aus den drei Blockheizkraftwerken.<br />
<strong>Die</strong> Gülle für die Anlage, die ein Einzugsgebiet<br />
von 50 Kilometern im Radius hat,<br />
kommt vornehmlich aus dem Westmünsterland.<br />
Etwa 200 Tonnen werden pro<br />
Tag angeliefert.<br />
<strong>Die</strong> bei der Biogasproduktion anfallenden<br />
Gärreste wiederum werden in die<br />
Ackerbauregionen geliefert. Im Rheinland,<br />
in der Soester Börde und in Ostwestfalen<br />
kommen sie als wertvoller<br />
Dünger auf Feld. „<strong>Die</strong> Landwirte wissen<br />
ganz genau, was drin ist“, erklärt Schirmacher-Rohleder<br />
und verweist auf die regelmäßige<br />
Prüfung der Inhaltsstoffe. Um<br />
die Anlage noch flexibler betreiben zu<br />
können, wird zurzeit geprüft, wo ein Lagerraum<br />
für die Gärreste entstehen könnte.<br />
Auf dem Grundstück in Dorsten wäre<br />
noch Platz.<br />
Das Gesamtkonzept könnte Schule machen,<br />
wenn die Nähstoffverwertung aus<br />
den Gärresten der Biogasanlage noch<br />
weiter optimiert wird. Der Versuch in<br />
Dorsten, eine Biogasanlage zu einer<br />
wichtigen Drehscheibe im Nährstoffprozess<br />
zu machen, ist aus Sicht der Beteiligten<br />
bisher sehr erfolgreich gelaufen.<br />
Grund genug, eine ähnliche Lösung auch<br />
für Schleswig-Holstein ins Auge zu fasen.<br />
Erste Gespräche darüber laufen. wk<br />
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10 BRANCHEN & BETRIEBE<br />
Das Haus von heute denkt mit<br />
Smart-Home-Technik erweist sich in vielerlei Beziehung als hilfreich. Auch Sicherheit spielt eine große Rolle.<br />
Intelligente Häuser denken nicht nur<br />
mit, sie sind auch immer in der Nähe:<br />
Wenn der Mieter einer Ferienimmobilie<br />
auf Norderney die Türklingel im<br />
Radius der Videoüberwachung<br />
drückt, checkt der Eigentümer via<br />
Klingelton und Bildübertragung auf<br />
seinem Smartphone, ob die Urlauber<br />
die richtigen sind. Obwohl der Vermieter<br />
in Münster sitzt, kann er den<br />
Türsummer auf der Insel betätigen,<br />
seine Gäste mit eigener Stimme aus<br />
dem Off willkommen heißen, indem<br />
er zu Hause in sein Smartphone<br />
spricht und ihnen über Lautsprecher<br />
mitteilt, wo der Schlüssel liegt.<br />
WirhabenschondieungewöhnlichstenWünsche<br />
erfüllt, und die<br />
Verwaltung von Ferienwohnungen<br />
via<br />
SmartHomeTechnik wird immer stärker<br />
nachgefragt“, erklärt Dominik Möllers<br />
von Gedike und Döpper, Lichthaus<br />
undElektroinstallateurinLüdinghausen.<br />
Zusammen mit Systemintegrator Michael<br />
Freudenreich aus Senden machen<br />
die beiden Elektrotechnikmeister, die<br />
sichschonaufderMeisterschulegemeinsamfürdasThemabegeisterthaben,den<br />
Alltag ihrer Kunden komfortabler.<br />
Im Smart Home beginnt die elektronischeSteuerungbeimAufstehen:Aufdem<br />
Weg vom Bett zum Bad lassen sich die<br />
Vorlaufzeit des Kaffeevollautomaten<br />
unteninderKücheundderOfenmitden<br />
Aufbackbrötchenmiteinem Knopfdruck<br />
starten.<br />
Das moderne Haus programmiert FreudenreichvonderHeizungübervernetzte<br />
SzenarienvonLicht,Außenjalousien,TV<br />
undMusikanlagebiszurWaschmaschine<br />
so, dass es die Arbeit kurz vor dem Weckerklingeln<br />
seiner Bewohner aufnimmt<br />
und Feierabend macht, wenn sie sich in<br />
den ersten nächtlichen Träumen räkeln.<br />
Das heißt, so richtig Feierabend macht<br />
das Smart Home nie, es ist immer in<br />
Alarmbereitschaft. Der Sicherheitsfaktor<br />
wird in den Technikpaketen großgeschrieben:<br />
„Der Panikschalter am Bett<br />
lässt uns nachts viel ruhiger schlafen“,<br />
weißeineKundin.Wasskurrilklingt,bedeutet<br />
ausgeklügelte EinbrecherAbschreckung.<br />
„Ein Knopfdruck, und in<br />
einerSekundegehenrundumsHausund<br />
drinnenalleLampengleichzeitiganund<br />
ausderMusikAnlageertönenlauteBässe“,<br />
erläutert die Hausherrin in einem<br />
münsterländischen Neubaugebiet.<br />
Überwachung und Anwesenheit vortäuschen:<br />
Abwehr von Einbrechern ist ein<br />
wichtiges Argument. Aber wie sicher ist<br />
die Sicherheit, da die netzbasierte Kommunikation<br />
von Hackern geknackt und<br />
als Vehikel dienen könnte, besonders<br />
Komfortabel: Beim Smart-Home lassen sich vom Licht bis zur Heizung viele Techniken aus der Ferne steuern.<br />
smart auf Beutezug zu gehen?<br />
Für den Verband für Elektrotechnik,<br />
Elektronik und Informationstechnik<br />
Deutschland(VDE)stelltsichdieseFrage<br />
inderdigitalisiertenWeltaufSchrittund<br />
Tritt:„SmartHomeistetwasBesonderes,<br />
weilesdirektdieeigenenvierWändebetrifft“,räumtVDEPressechefWalterBörmann<br />
ein.<br />
Deshalb arbeiten sein Verband und die<br />
Deutsche Kommission Elektrotechnik,<br />
Elektronik und Informationstechnik<br />
(DKE) daran, hohe SicherheitsStandardszusetzen,auchaufinternationaler<br />
Ebene. „Das VDEPrüfinstitut prüft und<br />
zertifiziert auf seiner SmartHomeTestplattform<br />
unter anderem die ITSicherheit<br />
im SmartHomeBackend und vergibt<br />
dafür ein Sicherheitslabel“, erklärt<br />
Börmann. „ITSicherheit ist und bleibt<br />
ein prozessuales Querschnittthema mit<br />
höchster Prioritätsstufe.“<br />
DerVDEistmit36000Mitgliederneiner<br />
der größten Branchenverbände Europas<br />
undmachtsichseitzweiJahren,gemeinsam<br />
mit dem Partnerverband ZVEI (Zen<br />
tralverbandElektrotechnikundElektronikindustrie<br />
Deutschland) mit der Kampagne<br />
„Vernetzt wohnen und leben ist<br />
smart“ für das schlaue Gebäude stark.<br />
Doch wer ist der Adressat? Ob die größten<br />
Wachstumsraten bei der jungen GenerationimOnlineZeitalter,derwohlbetuchten<br />
mittleren Altersgruppe oder bei<br />
älterenMenschenliegt,dieimintelligenten<br />
Haus eher Hilfe als Komfort suchen,<br />
ist nicht sicher. „Für die einen ist Smart<br />
Home eine Frage des Lifestyles, für die<br />
anderen ein hilfreiches Mittel für mehr<br />
Sicherheit,KomfortundEffizienz,fürdie<br />
älteren fast schon ein medizinisches<br />
Hilfsmittel. Damit stellen sich auch Fragenwie:WofürsetztderGesetzgeberAnreize?<br />
Und was übernehmen die Krankenkassen<br />
im Bereich technikgestützter<br />
Assistenzsysteme?“,fragtsichVDESprecher<br />
Börmann.<br />
EineAntwortausderPraxisgibtElektrotechnikmeisterMöllers:„UnsereAuftraggeber<br />
im SmartHomeBereich sind oft<br />
Kunden, die das zweite Mal bauen. Erstens,<br />
weil sie dann ganz genau wissen,<br />
mitwievielKomfortsielebenwollenund<br />
zweitens, weil sie beim zweiten Haus<br />
nichtmehrsoaufdenCentschauenmüssen.“<br />
Rund60SmartHomeProjektebetreuen<br />
Möllers und Freudenreich europaweit<br />
proJahrundfungierenwährendderBauphase<br />
als Schnittstelle zwischen Architekt,<br />
Bauherr und Gewerken.<br />
ImintelligentenHausimMünsterland ist<br />
derjungeFamilienvaterderTechnikAffine.<br />
So hat sich die Familie bei der Planung<br />
des Einfamilienhauses als Smart<br />
Homeeinwenigüberzeugenlassen.Was<br />
die Ehefrau nicht bereut: „Das Handling<br />
viaTabletoderSmartphoneistbedienerfreundlich<br />
und mittlerweile genieße ich<br />
denKomfortinvollenZügen.“Alsdächte<br />
dieTechnikmit,schaltetsichdieGartenbeleuchtung<br />
in der Abenddämmerung<br />
an.FläztsichdiejungeFamilieamAbend<br />
aufdemSofa,reichteinKnopfdruck:Der<br />
Fernseher schaltet sich ein, die Lampen<br />
dimmen ab und die Jalousien fahren<br />
runter.<br />
So viel Kommunikation der einzelnen<br />
Geräte ist möglich, weil hinter jedem<br />
Schalter ein kleiner Computer mit eigener<br />
IPAdresse sitzt. Programmiert vom<br />
SendenerSystemintegratornichtnurmit<br />
Foto: ma/ homeTec solution<br />
Augenmerk auf den Komfort, sondern<br />
auch mit Blick auf die Energiebilanz.<br />
Durch Sensoren initiiert, heben, senken<br />
oderneigensichdieLamellenderJalousien.DassorgtfürLichtimHausundAusnutzen<br />
der Außentemperatur, die Heizung<br />
fährt runter. Ein Aspekt, der die<br />
Elektrotechnikbranche hoffen lässt.<br />
Maike Harhues<br />
OFFEN GESAGT<br />
Mehr mit Grips<br />
Nicht allein der schöne Schein, sondern das technologische<br />
Sein zählen. Für Häuslebauer kommt es mehr<br />
denn je auf die inneren Werte an. Wer will, kann seine<br />
Haustechnik dirigieren – mit dem bloßen Griff zum Handy.<br />
Das SmartHaus bietet riesige Chancen, Komfort und Sicherheit<br />
zu steigern und Ressourcen zu schonen. <strong>Die</strong> Wohnqualität<br />
steigt und die Betriebskosten können sinken. Das<br />
Gebäude punktet mit seiner Ausstattung zusätzlich auf dem<br />
Immobilienmarkt.<br />
Angesichts dieser Vorteile wundert, dass der Boom beim<br />
SmartHome noch aussteht. Furcht vor Tücken der Technik<br />
und hohe Investitionskosten bremsen bislang die IntelligenzOffensive.<br />
Bauherrn sind gut beraten, sich frühzeitig in<br />
die Hände von Profis zu begeben, die sich mit Hardware,<br />
Programmierung und den Standards bei der Sicherheit auskennen.<br />
Sonst entpuppt sich die Digitalisierung als trojanisches<br />
Pferd, mit dem EinbrecherBanden zu Beutezügen aufbrechen.<br />
Smarte Häuser brauchen aufgeschlossene Bewohner<br />
und schlaue Planer, damit die Technik dauerhaft begeistert.<br />
Betriebe, die sich jetzt fit machen, können ein ordentliches<br />
Stück von diesem UmsatzKuchen ergattern. Gerade<br />
mit Blick auf den demografischen Wandel wächst das Kundenpotenzial<br />
noch sprunghaft an.<br />
Knowhow und der innere Ruck, Hirnschmalz in die Gebäude<br />
mit Grips zu stecken, fehlen aber offenbar noch in einigen<br />
Firmen.<br />
Maike Harhues<br />
J<br />
.g .<br />
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11 BRANCHEN & BETRIEBE<br />
„Hier schlummert ein riesiges Potenzial“<br />
Handwerkspräsident Hans Hund ermuntert die Betriebe, sich mit Smart-Home-Technik vertraut zu machen.<br />
Für die Handwerksbetriebe<br />
stellt die neue Smart-Home-<br />
Technologie gleichermaßen<br />
eine Chance und eine Herausforderung<br />
dar. Unsere Mitarbeiterin<br />
Maike Harhues sprach darüber<br />
mit dem Präsidenten der Handwerkskammer<br />
Münster, Hans Hund.<br />
Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer<br />
Münster: Smart-Home im<br />
Einfamilienhaussektor ist längst keine Vision<br />
mehr. <strong>Die</strong> intelligente Nutzung von<br />
selbst produziertem Strom durch PV-Anlagen,<br />
das Steuern von Jalousien und<br />
Sonnenschutzanlagen bei starker Sonneneinstrahlung<br />
oder Dunkelheit, das<br />
Schalten und Dimmen, je nach Helligkeit<br />
gesteuert oder in Lichtszene gesetzt, gesteuert<br />
durch intelligente Gebäudetechnik<br />
via Visualisierungssoftware und Server,<br />
Kamera und Alarmüberwachung, all<br />
das wird auch im Privathaus immer mehr<br />
nachgefragt. Natürlich ist das alles nicht<br />
zum Nulltarif zu haben, aber der Wohnwert,<br />
der Komfort wird wesentlich gesteigert.<br />
<strong>Die</strong> Anwendungsmöglichkeiten sind<br />
sehr vielfältig.<br />
Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer<br />
Münster<br />
Foto: Kleideiter<br />
Ist das Smart Home schon Realität<br />
oder eine bloße Vision, die bei den<br />
privaten Eigenheimen noch in den<br />
Kinderschuhen steckt?<br />
Hat das Handwerk im Münsterland<br />
die vorhandene oder sich abzeichnende<br />
Nische entdeckt und bringen<br />
die Betriebe das Know-how mit, intelligente<br />
Häuser zu planen und die<br />
Technik darin zu installieren?<br />
Hund: Es gibt viele Betriebe, die sich mit<br />
den neuen Techniken intensiv beschäftigen.<br />
<strong>Die</strong> Anforderungen an den Meisterbetrieb<br />
sind in den vergangenen Jahren<br />
enorm gewachsen. Hierin schlummert<br />
ein riesiges Potenzial für zusätzlichen<br />
Umsatz. Es sind aber nach meiner Wahrnehmung<br />
noch nicht alle dabei, da die<br />
Betriebe zunächst erhebliche Investitionen<br />
in Köpfe und Ausstattung zu leisten<br />
haben. Letzteres ist somit so gar nicht<br />
„smart“, aber sehr spannend. <strong>Die</strong> Handwerkskammer<br />
führt in ihrem HBZ zu dem<br />
Thema viele Weiterbildungsmaßnahmen<br />
durch. Ich kann die Betriebe nur dazu ermuntern,<br />
diese Angebote wahrzunehmen<br />
und zu nutzen, zum Wohle des eigenen<br />
Betriebes und der Mitarbeiter.<br />
Sollten sich Bauherrn bemühen, die<br />
Alles unter Kontrolle: Sämtliche Funktionen lassen sich zentral im Haus oder per Smartphone steuern.<br />
zusätzliche Kosten für vernetzte<br />
Haustechnik aufzubringen, weil<br />
sich der Mehraufwand amortisiert?<br />
Wenn ja, mit welchen Zeiträumen<br />
müssen Häuslebauer dabei rechnen?<br />
Hund: Bei Smart Home steht der Einspargedanke<br />
nicht unbedingt im Vordergrund.<br />
Obwohl durch Optimierung der<br />
Energienutzung, zum Beispiel in<br />
Schwachlastzeiten Wäsche waschen, gibt<br />
es diesen Effekt natürlich auch. In erster<br />
Linie bedeutet Smart Home aber ein<br />
Mehr an Komfort, ein Mehr an Sicherheit.<br />
<strong>Die</strong>se Gedanken sind bei vielen Hausund<br />
Wohnungseigentümern schon sehr<br />
weit verbreitet. Hier passt vielleicht der<br />
Vergleich mit einem gut ausgestattetem<br />
Bad oder einem Top-Entertainment-Paket.<br />
Schließlich kann man nicht sagen,<br />
dass sich eine Regendusche oder eine<br />
Dolby-digital-Anlage mit UHD-Fernseher<br />
einmal amortisieren. Der enorme Mehrwert<br />
ist es, der hier ausschlaggebend sein<br />
dürfte. Mein Fazit: Mehrwert an Komfort<br />
und Sicherheit mit der Möglichkeit, Energie<br />
einzusparen – das ist Smart Home.
12 BRANCHEN<br />
<strong>Die</strong> Welt des guten Tons<br />
Im „Color Design Studio Europe“ der BASF Coatings in Münster entwickeln Designer mit hoher<br />
Sensibilität für Strömungen und Stimmungen die automobilen Farben von morgen.<br />
Kein Trödelmarkt, sondern Material- und Farbtonsammlungen im Arbeitsraum der Designer. Dinge des täglichen Lebens können entscheidend für die Suche nach einem guten Farbton sein.<br />
Fotos: Jürgen Peperhowe<br />
Wie ein Zauberlehrling greift der Laborant<br />
beherzt in die Kiste, fördert<br />
Pigmente zutage, mischt Aluminiumteilchen<br />
unter,hier noch ein Effekt<br />
– und schwups: fertig ist der<br />
neue schimmernde Metallic-Lack.<br />
Irrtum: Fahrzeuglacke haben, bevor<br />
sie in die Produktion gehen, eine lange<br />
Vorgeschichte. <strong>Die</strong>se beginnt sehr<br />
häufig am Klosterwald in Münster,<br />
wo das Team des „Color Design Studio<br />
Europe“ der BASF Coatings automobilen<br />
Farbtrends von morgen auf<br />
der Spur ist. Ein kreativer Prozess<br />
mit Tiefgang –entscheidend für den<br />
späteren Umsatz des Lackproduzenten.<br />
Mark Gutjahr –Bart, Brille,<br />
karierte Schiebermütze<br />
–strahlt an diesem<br />
Morgen inHiltrup<br />
Urlaubslaune aus. Er<br />
freut sich, denn am anderen Taggeht`s<br />
nach Italien. „Es ist Sommer. Dawird es<br />
auf der Expo Milano nicht so voll sein“,<br />
erzählt er beiläufig. Mailand. Expo. Passt<br />
dies zum Jahresurlaub? Der „Leiter Design<br />
BASF Europa“ fühlt sich ertappt.<br />
„Na, ja. Der Blick geht nie aus“, sagt der<br />
42-jährigeChefdesigner.<strong>Die</strong> Suche nach<br />
Inspiration, nach Anregungen, Strömungen<br />
und Stimmungen endet nicht am<br />
Freitag und richtet sich nicht nach dem<br />
Kalender.<br />
Mark Gutjahr, Chefdesigner und „Trenddetektiv“, präsentiert einen Lack aus der XSpark-Kollektion. Der Hingucker<br />
enthält feinste Glaspartikel.<br />
Wer den kreativen und für Kunden normalerweise<br />
nicht zugänglichen Arbeitsbereich<br />
der Designer in der ersten Etage<br />
des Studios in der Villa am münsterischen<br />
Stadtrand betritt, bekommt einen<br />
kleinen Eindruck davon, wie das Team<br />
sich einer neuen Farbe nähert. Als wäre<br />
gerade Trödelmarkt, liegen auf einem<br />
weißen Schrank in einem flachen Kasten<br />
dunkelgrüne Kreidestücke, grün schimmerndes<br />
Metall, moosigeSteine, ein hellgrüner<br />
Buchdeckel, eine zartgrüne Libelle,<br />
grüne Verpackungen, Stofffetzen …<br />
Grün in unendlich vielen Nuancen. Ein<br />
Fest für das Auge –eine Fundgrube für<br />
die Farbtonsucher.<br />
Farben mit allen Sinne spüren und wahrnehmen<br />
–für die Designer ist dies ein Teil<br />
der Tätigkeit. Ihr Blick erfasst aber auch<br />
gesellschaftliche Veränderungen, Umbrüche,<br />
kulturelle oder mediale Angebote,<br />
technische Entwicklungen, Zukunftsvisionen.<br />
Nicht umsonst wird Mark<br />
Gutjahr auf der Homepage des<br />
„Color Design Studio Europe“ als<br />
„Trenddetektiv“ bezeichnet.<br />
Denndie Suche nach dem richtigen<br />
und erfolgreichen Farbton<br />
führt ihn in alle nur denkbaren<br />
Themenfelder.<br />
Farbtrends werden zwar gesetzt.<br />
Sie fallen aber nicht<br />
vom Himmel, sondern sind<br />
das Ergebnis intensiver<br />
Gruppenarbeit. Auch am<br />
Klosterwald geht es Jahr für<br />
Jahr nicht um die eine Farbe,<br />
es geht stets um Farbwelten,<br />
die in der Zukunft regional<br />
und global eine Rolle spielen<br />
sollen.<br />
Fünf Jahre können vergehen,<br />
bis Farben einer Kollektion nach<br />
vielen Debatten und technischen<br />
Prüfungen tatsächlich im Straßenbild<br />
zu sehen sind. Ein schickes<br />
Braunmetallic, in Hiltrup entwickelt,<br />
tat sich vor Jahren im Markt zunächst<br />
schwer. Doch als BMW das Marrakeschbraun<br />
für den X 1einsetzte, zogen andere<br />
Hersteller nach. Mark Gutjahr: „Heute<br />
sieht man viele Brauntöne auf den Straßen<br />
dieser Welt. VorJahren undenkbar.“<br />
Münster, Yokohama, Shanghai, Southfield<br />
– andiesen vier Orten arbeiten die<br />
Design-Teams im Konzern. Marktstrategisch<br />
über den Globus verteilt, sind sie für<br />
verschiedene Regionen zuständig. In Hiltrup<br />
hat man Europa im Blick –die skandinavischen<br />
Länder genauso wie Spanien.<br />
„Auch hier gibt es Unterschiede, die<br />
wir berücksichtigen müssen. Im Licht des<br />
Nordens wirkt ein Farbton ganz anders<br />
als unter der südlichen Sonne“, erläutert<br />
der Chefdesigner.<br />
Zweimal im Jahr treffen sich die Teams<br />
zum Workshop. Dann strömt all das zusammen,<br />
was man bei der Trendsuche<br />
ans Licht geholt hat, wird analysiert, bewertet,<br />
geclustert. „Anstrengende Tage“,<br />
verrät Gutjahr, denn mit einem knappen<br />
5:4-Ergebnis bei der Bestimmung einer<br />
Trendfarbe geht man nicht auseinander.<br />
Ein Farbtrend will gut überlegt sein.<br />
Konzentrierteman sich früher bei den gefragten<br />
Trendbüchern<br />
allein auf<br />
die jeweiligen<br />
großen Regionen<br />
und Märkte wie<br />
Nordamerika,<br />
Europa, China<br />
Chefdesigner Mark Gutjahr<br />
und Asien, so entwickelt<br />
BASF<br />
Coatings seit fünf<br />
Jahren ein globales Trendbuch für Fahrzeuglacke.<br />
Bezeichnend ist trotz der<br />
„Heute sieht man viele Brauntöne<br />
auf den Straßen dieser Welt. Vor<br />
Jahren undenkbar.“<br />
weltumfassenden Fahrzeugproduktion<br />
die Unterschiedlichkeit. Durch die<br />
Außenhaut mit ihrer nicht einmal millimeterdicken<br />
Farbschicht bekommt das<br />
Fahrzeug einen erkennbar regionalen<br />
Akzent. In Mitteleuropa ist ein Auto mit<br />
einem asiatischen Gelbton ein Hingucker,<br />
inAsien fällt der Wagen nicht auf.<br />
<strong>Die</strong> Trend-Kollektion 15/16trägt den Titel<br />
„RAW“. „Gemeint ist hier Ursprünglichkeit,<br />
Originalität, das Pure, das Klare“,<br />
erläutert Mark Gutjahr.65Farben gehören<br />
zur neuen „Coatings Color Collection“.<br />
Europas Farbenzukunft trägt den Titel<br />
„no status quo“. <strong>Die</strong>s deutet auf die vielen<br />
Veränderungen hin, die der Kontinent<br />
zurzeit erlebt.<br />
wk<br />
EFFEKTTYPEN<br />
Metallic –ein Metalliceffekt wird durch feine oder gröbere<br />
Aluminiumteilchen, die dem Lack beigemischt werden,<br />
hervorgerufen. Er bewirkt einen metallisch anmutenden<br />
Farbeindruck.<br />
Perleffekt –hierbei handelt essich ebenfalls um ein<br />
Effektpigment, welches mehrfarbig schimmernde Effekte<br />
bewirkt. <strong>Die</strong> Beimischung von Perlglanzpigmenten zum<br />
Lack ist für dieses perlmutthafte helle Schimmern verantwortlich.<br />
Uni –bei einer Unilackierung wird auf jegliche Effektpigmente<br />
verzichtet.
&BETRIEBE<br />
13<br />
Nicht viel dicker als ein<br />
menschliches Haar<br />
Kleine Lackkunde –von der KTL bis zum Klarlack<br />
Fundgrube für Farbtonsucher: Für den Fotografen greift Mark Gutjahr zu.<br />
Ein Autolack besteht in der Regel aus<br />
vier verschiedenen Lackschichten:<br />
der Grundierungsschicht KTL, dem<br />
Füller, dem farbgebenden Basislack<br />
und dem versiegelnden Klarlack. Mit<br />
einem Zehntel Millimeter ist der<br />
Lackaufbau nicht dicker als ein<br />
menschliches Haar und muss dennoch<br />
den hohen Belastungen und<br />
Anforderungen standhalten können.<br />
Zuerst wird die Karosse in der<br />
Kathodischen Tauchlackierung<br />
(KTL) mit einer sogenannten<br />
Grundierungsschicht<br />
versehen. <strong>Die</strong>se<br />
nimmt vornehmlich die Aufgabe des Korrosionsschutzes<br />
wahr und stellt zudem<br />
eine exzellenteOberflächenvorbereitung<br />
für die darauf folgenden Aufbauten dar.<br />
In diesem ersten Lackierschritt muss die<br />
Karosse sprichwörtlich baden gehen: Im<br />
Bad mit kathodischem Tauchlack werden<br />
die Lack-Partikel mit Hilfe von elektrischem<br />
StromamStahlblech aufgetragen.<br />
Anschließend wird die Karosse gespült<br />
und es folgt die Ofenphase, in der der<br />
Lack bei etwa 180 Grad Celsius eingebrannt<br />
wird.<br />
Der Füller deckt als zweite Funktionsschicht<br />
die KTLab. Füller haben, wie der<br />
Name ausdrückt, die Aufgabe, Unebenheiten<br />
auszugleichen und zur Glättung<br />
ihrer Oberfläche beizutragen.<br />
Als Zwischenschicht zwischen der<br />
KTL und den Decklacken realisiert<br />
der Füller zudem einen Steinschlagschutz<br />
und bietet der KTL Schutz<br />
vor UV-Strahlung.<br />
Der Basislack ist für die Farbe verantwortlich.<br />
Durch die Zusammensetzung<br />
mit verschiedensten Pigmenten<br />
und Effektstoffen werden die<br />
Farben realisiert.<br />
So trägt er wesentlich zum optischen<br />
Eindruck der lackierten Karosse bei.<br />
Das Portfolio der BASF Coatings besteht<br />
sowohl aus wasserlöslichen sowie aus<br />
konventionellen, lösemittelhaltigen Basislacken.<br />
Aus ökologischen Gesichtspunkten<br />
ist ein Trend zu wasserbasierenden<br />
Technologien zu verzeichnen und<br />
wird von der BASF vorangetrieben.<br />
Der Klarlack bildet das Dach der Lackschichten.<br />
<strong>Die</strong> alles versiegelnde letzte<br />
Schicht ist in der Regel pigmentfrei und<br />
transparent. Sie muss besonderen Herausforderungen<br />
wie beispielsweise Beständigkeit<br />
gegenüber Sonnenlicht und<br />
anderen Witterungsbedingungen, aber<br />
auch gegenüber Chemikalien aus Industrie<br />
und natürlichen, biologischen Einflüssen<br />
(Vogelkot etc.) gewachsen sein.<br />
Des Weiteren liegt der Fokus im Klarlacksegment<br />
auf einer sehr hohen Kratzfestigkeit.<br />
Quelle: BASF Coatings<br />
Sparkasse ist, wenn man tut, was man versteht.<br />
Und versteht, was man tut.<br />
Fokusthema: generationenübergreifende Beratung<br />
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14 BRANCHEN & BETRIEBE<br />
Seife für die Semper-Oper<br />
ulticom aus Ahaus engagiert sich seit vielen Jahren auf dem Hygienemarkt. <strong>Die</strong> Inhaber sind<br />
überzeugt: Gute Ausstattung wirkt sich positiv auf den Krankenstand einer Firma aus.<br />
„Viele Unternehmen setzen heute<br />
auf Hightech. Das aber vor allen in<br />
Büros. Da gibt es die modernsten<br />
Ausstattungen, mit Flachbildschirmen<br />
und allem, was das Herz begehrt.<br />
Nur Waschraum und Toilette,<br />
die sehen oft noch grausam aus. Pflege<br />
und Hygiene im Mitarbeiter-Bereich<br />
ist für einige Unternehmen mitunter<br />
noch ein Fremdwort.“ Andreas<br />
Kosmann (50) und Christian Coché<br />
(35) wollen gerade in diesem Sektor<br />
mit ihrer Firma ulticom ein Stück<br />
Missionarsarbeit leisten.<br />
Mit einem Eigenprodukt im Hygienemarkt erfolgreich: <strong>Die</strong> ulticom-Geschäftsführer Christian Coché (l.) und Andreas Kosmann bekennen sich zum Standort<br />
Ahaus.<br />
Seit 1997 stattet das Ahauser<br />
Unternehmen öffentliche Sanitärräume<br />
mit Desinfektions-,<br />
Handreinigungs-, Pflege-<br />
und Trocknungsprodukten<br />
aus. Zunächst in der Gastronomie, inzwischen<br />
aber auch in der Industrie ebenso<br />
wie im Handel, Verwaltungs- und Veranstaltungsbereich.<br />
Zum Kundenstamm<br />
zählen neben den Flughäfen Dortmund<br />
und Münster-Osnabrück auch die Semperoper<br />
in Dresden, Zentis in Aachen,<br />
ebenso Tankstellen, Kinos oder Lebensmittelbetriebe.<br />
Eines ist allen gemein:<br />
Sauberkeit und Pflege bei Mitarbeiterhänden<br />
gehört dort zum Standard.<br />
„Manch ein Arbeitgeber ist zwar heute<br />
immer noch der Meinung: Zum Klo gehen<br />
sollten die Angestellten zu Hause“,<br />
schüttelt Andreas Kosmann über diese<br />
Einstellung den Kopf, aber „viele haben<br />
inzwischen erkannt, dass sich durch ein<br />
hohes Maß an Hygiene auch der Krankenstand<br />
senken lässt. Und schon alleine<br />
aus diesem Grund wird das Thema Toilette<br />
und Waschraum nicht mehr tabuisiert,<br />
sondern stärker in den Fokus gerückt.<br />
Mitarbeiter verbringen so viel Zeit am<br />
Arbeitsplatz, da kann es an ein paar Cent<br />
für Reinigung und Pflege nicht scheitern.<br />
An der Außen-Wirkung der Unternehmen<br />
wird ja auch nicht gespart.“<br />
Als positives Beispiel nennt sein Partner<br />
Christian Coché Daimler in Sindelfingen:<br />
„<strong>Die</strong> haben von April bis September ganz<br />
normale Seife in ihren Spendern. Von Oktober<br />
bis März aber, während der Grippezeit,<br />
werden ruck, zuck 14 000 Kartuschen<br />
ausgetauscht und durch Desinfektionsseife<br />
ersetzt. <strong>Die</strong>se Kosten sind<br />
nichts gegen einen sonst erhöhten Krankenstand,<br />
verbunden mit Verzögerung<br />
bei der Produktion oder gar Produktionsausfall.“<br />
Bei etlichen anderen Unternehmen<br />
hätte während der letzten Grippewelle<br />
„der halbe Betrieb flach gelegen.<br />
Darauf hat man jetzt mit veränderten Hygienemaßnahmen<br />
reagiert“.<br />
Angefangen haben die beiden Geschäftsführer<br />
von ulticom übrigens in einer ganz<br />
anderen Branche: im Tabakgroßhandel.<br />
„Daran waren damals auch Handwaschautomaten<br />
gekoppelt“, erklärt Andreas<br />
Kosmann. Und so kam es zur Segmentumstellung.<br />
Christian Coché übernahm<br />
die ulticom West GmbH, Kosmann die ulticom<br />
Münsterland. „Zwei Betriebe, die<br />
wir aber als einen sehen“, erklären die Inhaber.<br />
Und: „Viele fragen, ob wir ein<br />
Franchise-Unternehmen seien. Dazu ein<br />
klares ‚Nein‘. Wir zwei sind Mitgesellschafter<br />
von ulticom Deutschland und<br />
aktiv im Geschäftsführungsbeirat. <strong>Die</strong> ulticom-Linie<br />
ist ein Eigenprodukt, da<br />
steckt unser Gehirnschmalz drin.“ Schon<br />
alleine dieser Entwicklungsschritt sei in<br />
der Branche recht ungewöhnlich. Christian<br />
Coché: „Wir lassen alle Kunststoffteile<br />
in Deutschland fertigen. Sicherlich ließen<br />
sie sich in Asien günstiger pressen,<br />
aber wir bieten ja keinen Abreißkasten<br />
an, sondern sensorgesteuerte, berührungsfreie<br />
Spender. Und die müssen fehlerfrei<br />
funktionieren.“<br />
Dabei setzen die Ahauser auf ein aufeinander<br />
abgestimmtes Hygienesystem<br />
von Desinfektion, Reinigung, Pflege und<br />
Trocknung. Ergänzt durch Raumduft und<br />
Damenhygiene. Andreas Kosmann: „Wir<br />
setzen seit vielen Jahren auf Produktverkauf<br />
und Service. Wir gewähren beispielsweise<br />
eine immer währende Funktionsgarantie.<br />
Wir wollen unsere Kunden<br />
ja nicht nur ein halbes Jahr, sondern auf<br />
Dauer an uns binden. Da ist dann zudem<br />
auch viel Aufklärungsarbeit gefragt.“ Wie<br />
etwa bei der Umstellung von luftbetriebenen<br />
Händetrocknern auf Handtuchspender.<br />
Kosmann erklärt: „Durch die<br />
Luftreinigung werden oftmals unendlich<br />
viele Bakterien hochgewirbelt. Das Wasser<br />
tropft unten auf den Boden oder in<br />
einen unter dem Gerät stehenden Eimer.<br />
Das ist wenig hygienisch.“<br />
Dass sich der Beruf inzwischen auch auf<br />
ihr Privatleben auswirkt, bestätigen die<br />
beiden Ahauser mit einem Lächeln:<br />
„Wenn wir in ein Restaurant gehen,<br />
schauen wir uns zuerst den Waschraum<br />
an. Das hat auch schon auf unsere Kinder<br />
abgefärbt.“ Und auf die festen Mitarbeiter<br />
am Standort Ahaus sowie die freien<br />
Handelsvertreter ebenso. Kosmann und<br />
Coché sind sich sicher: „Ab dem Tag, wo<br />
man hier anfängt, verändert sich der<br />
Blick auf das Klo.“<br />
Susanne Menzel<br />
<strong>Die</strong> Lagerkapazität des Unternehmens wurde in diesem Jahr auf<br />
1000 Quadratmeter erweitert, außerdem wurde eine Import- und<br />
Versandabteilung aufgebaut.<br />
Foto: Susanne Menzel<br />
WELTTAG DES HÄNDEWASCHENS<br />
Zugegeben, es gibt mitunter kuriose Welt- und Gedenktage,<br />
deren Sinn sich auch bei längerer Nachforschung<br />
nicht erschließt. Sie nicht zu kennen, wird garantiert<br />
nicht als Bildungslücke ausgelegt. Andere dagegen sind<br />
kaum präsent – bei genauerem Hinsehen aber durchaus<br />
plausibel. Zu Letzteren zählt sicherlich auch der Welttag<br />
des Händewaschens, 2008 ins Leben gerufen und seitdem<br />
rund um den Erdball auf den 15. Oktober festgesetzt.<br />
Zeigt her eure Hände: <strong>Die</strong> Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) hat den Welttag des Händewaschens zusammen<br />
mit der Unicef, der Weltbank und den Centers for Disease<br />
Control and Prevention in den USA installiert, um dadurch<br />
ein größeres Bewusstsein für Hygiene durch das<br />
Reinigen der Hände zu schaffen. Laut aktueller Statistiken<br />
sterben auf der Erde jährlich 3,5 Millionen Kinder durch<br />
Infektionen, die durch mangelnde Handhygiene hervorgerufen<br />
wurden.<br />
Wissenschaftler sprechen davon, dass das Risiko einer<br />
Durchfallerkrankung durch regelmäßiges Händewaschen<br />
(mehr als eine halbe Minute einseifen, anschließend<br />
gründlich abspülen) um knapp 50 Prozent und das von<br />
Atemwegsinfektionen um etwa ein Viertel gesenkt werden<br />
könnte.<br />
In Krankenhäusern gibt es inzwischen eine bundesweite<br />
Kampagne „Aktion saubere Hände“, um so eine Verbreitung<br />
der gefürchteten Krankenhauskeime einzudämmen.<br />
Übrigens gibt es zur Handhygiene mit dem „Welthändehygienetag“<br />
am 5. Mai noch ein zweites Event. Auch hier<br />
verbunden mit der klaren Botschaft: Durchs Händewaschen<br />
und -desinfizieren schützt man sich und andere vor<br />
Infektionskrankheiten. Der 5.5. steht dabei als Synonym<br />
für die zwei Mal fünf Finger an jeder Hand.<br />
Susanne Menzel
15 BRANCHEN & BETRIEBE<br />
Wie damals<br />
auf der Walz<br />
Immer mehr Azubis gehen zeitweise ins Ausland<br />
„So ein Aufenthalt bringt jeden<br />
Azubi weiter.“<br />
Ein Drittel aller Studierenden geht<br />
ins Ausland. Bei Auszubildenden<br />
liegt die Quote gerade bei vier Prozent.<br />
Woran liegt das? Schließlich<br />
hätte jeder Azubis die Möglichkeit<br />
zum Auslandsaufenthalt, dies steht<br />
seit 2004 sogar im Berufsbildungsgesetz:<br />
Bis zu ein Viertel der Ausbildung<br />
kann im Ausland absolviert<br />
werden. Anita Urfell arbeitet daran,<br />
dass Azubis häufiger ins Ausland gehen.<br />
Sie ist Mobilitätsberaterin bei<br />
der Handwerkskammer Münster und<br />
vermittelt Auszubildende an einen<br />
Betrieb im Ausland.<br />
Neue Arbeitspraktiken,<br />
fremde Orte kennenlernen,<br />
Lebenserfahrung<br />
sammeln – das waren jahrhundertelang<br />
für Gesellen<br />
gute Gründe, auf die Walz zu gehen. <strong>Die</strong><br />
Gründe gelten noch heute, doch die Wanderjahre<br />
absolviert kaum noch jemand.<br />
Anita Urfell und ihre Kollegen haben ein<br />
ehrgeiziges Ziel: Im Jahr 2020 sollen<br />
mindestens zehn<br />
Prozent aller Azubis<br />
einen Teil<br />
ihrer Ausbildung<br />
im Ausland absolvieren.<br />
Anita Urfell, Handwerkskammer Münster<br />
Eindrücke von<br />
außen und eine<br />
andere Perspektiven<br />
sind wichtig in einer Arbeitswelt, die<br />
sich rasch wandelt, aber auch verdichtet.<br />
Berufsschultage, Lehrgänge, überbetriebliche<br />
Unterweisungen – Azubis sind<br />
oft wochenlang nicht im Betrieb. Und<br />
dann auch noch ein Auslandsaufenthalt,<br />
von dem der Betrieb auf den ersten Blick<br />
gar nichts hat? „Es gibt natürlich Chefs,<br />
die der Meinung sind: Das ist Quatsch,<br />
das brauchen wir nicht“, sagt Anita Urfell.<br />
Im Gegenzug kennt die Kontaktstelle<br />
Ausland der Handwerkskammer aber<br />
auch „Stammkunden“.<br />
2003 haben Anita Urfell und ihre Kollegen<br />
begonnen, die Kontaktstelle aufzubauen.<br />
Es gab Vorbehalte. Doch der Vorstand<br />
hat das Projekt unterstützt. Anfangs<br />
war es als Programm gedacht für<br />
Auszubildende, deren Betrieb eine Niederlassung<br />
im Ausland hat. „Doch wir haben<br />
schnell festgestellt, dass so ein Aufenthalt<br />
jeden Azubi weiterbringt“. Seitdem<br />
steigen die Austausch-Zahlen kontinuierlich.<br />
Auch aus dem Ausland kommen<br />
viele Auszubildende ins Münsterland.<br />
Markus Köster ist Geschäftsführer einer<br />
Tischlerei in Altenberge. Er hat bereits<br />
viele seiner Auszubildenden ins Ausland<br />
gehen lassen, meist für einige Wochen.<br />
Für ihn stellt der Auslandsaufenthalt eine<br />
Investition in die Zukunft dar. Nicht nur<br />
in die eines einzelnen Mitarbeiters, sondern<br />
des gesamten Betriebes. Und es ist<br />
für ihn ein Instrument zur Nachwuchswerbung.<br />
„Wir wollen attraktiv für Auszubildende<br />
sein“, sagt Köster. <strong>Die</strong> Aussicht<br />
auf einen Auslandsaufenthalt wirkt<br />
verlockend.<br />
Felix Terbrock lernt das Tischlerhandwerk<br />
in Kösters Möbelwerkstätten. Der<br />
24-Jährige ist im zweiten Lehrjahr und<br />
kürzlich von einem dreiwöchigen Aufenthalt<br />
in Finnland zurückgekehrt. Dort hat<br />
er ebenfalls auf Vermittlung der Kontaktstelle<br />
in einer Tischlerei gearbeitet. Für<br />
ihn war der Aufenthalt eine spannende<br />
Zeit. Vor allem, weil den deutschen Azubis<br />
ein guter Ruf vorauseilt. Das finnische<br />
Unternehmen arbeitet viel mit Teakholz.<br />
Und obwohl Terbrock wenig Erfahrung<br />
mit diesem Material hatte, durfte er direkt<br />
Verantwortung übernehmen. „<strong>Die</strong><br />
haben gesehen, was ich im zweiten Ausbildungsjahr<br />
kann“, sagt er. „Um das duale<br />
System beneiden uns die Betriebe im<br />
Ausland“, bestätigt Anita Urfell.<br />
Azubis, die ins Ausland gehen wollen,<br />
brauchen das Okay ihres Chefs. Ein Austausch<br />
etwa während des Urlaubs ist<br />
nicht erlaubt, der Arbeitsplatz wird für<br />
eine Zeitspanne ins Ausland verlagert. Ist<br />
betriebsintern alles geregelt, begleitet die<br />
Kontaktstelle die Azubis bei der Vorbereitung.<br />
<strong>Die</strong>se müssen ihren Aufenthalt aber<br />
weitgehend selbst organisieren: Bewerbungen<br />
schreiben, Unterlagen einreichen,<br />
Anträge stellen. Für Anita Urfell ist<br />
diese kleine bürokratische Hürde auch<br />
Felix Terbrock ist Tischler-Azubi bei der Köster Möbelwerkstätten GmbH in Altenberge und hat einen Teil seiner<br />
Ausbildung in einer finnischen Tischlerei absolviert.<br />
Foto: Engelbert Hagemeyer<br />
ein Test. „Wir sehen rasch, wer wirklich<br />
ins Ausland will. Viele merken spätestens<br />
dann, dass dies keine Pauschalreise ist“,<br />
sagt die Vermittlerin. <strong>Die</strong> Kammer hilft<br />
bei der Suche nach dem passenden Betrieb,<br />
sie hat Kontakte zu vielen Unternehmen<br />
in ganz Europa geknüpft. Ein<br />
länderübergreifendes Netzwerk gibt es<br />
für den Austausch allerdings noch nicht.<br />
<strong>Die</strong> deutschen Azubis gehen meist nach<br />
Norwegen, Finnland oder England.<br />
Manchmal reisen sie alleine, häufiger<br />
aber in der Gruppe. Gerade erst sind 15<br />
Azubis aus dem Münsterland gemeinsam<br />
nach Norwegen geflogen, es ist der<br />
Gegenbesuch im Ausland. „Das ist fast<br />
wie ein Schüleraustausch und eignet sich<br />
auch für minderjährige Auszubildende<br />
oder jene, die nicht alleine reisen wollen“,<br />
sagt Anita Urfell. <strong>Die</strong> Deutschen<br />
arbeiten dort für drei Wochen in unterschiedlichen<br />
Betrieben. Drei Wochen ist<br />
die Mindestreisedauer, die die Handwerkskammer<br />
empfiehlt. „Wir versuchen,<br />
möglichst lange Aufenthalte zu erreichen“,<br />
sagt Urfell. Dann wird die Organisation<br />
umfangreicher. <strong>Die</strong> Azubis brauchen<br />
zum Beispiel einen Lehrplan für den<br />
Stoff, den sie in der Berufsschule verpassen.<br />
Der Besuch der Berufsschule im Zielland<br />
hat sich nicht bewährt, die Sprachhürden<br />
sind zu groß. Aber dank moderner<br />
Technik gibt es E-Learning-Materialen<br />
oder Skype-Konferenzen mit den<br />
deutschen Lehrern. Auch um die Unterkunft<br />
muss sich der Azubis zunächst<br />
selbst kümmern, die Kontaktstelle unterstützt<br />
ihn dabei. Felix Terbrock hat in<br />
Finnland in einer Pension gewohnt, andere<br />
Unternehmen stellen ein Apartment<br />
oder finden eine Gastfamilie. Da das Ausbildungsverhältnis<br />
fortbesteht, bekommen<br />
die Azubis ihre Vergütung weiterhin<br />
vom deutschen Betrieb. <strong>Die</strong> Kosten für<br />
Reise und Unterkunft müssen sie selbst<br />
tragen.<br />
„Aber es gibt Fördermöglichkeiten“, sagt<br />
Anita Urfell. Im Rahmen des Erasmus-<br />
Programms bekommen die Auslands-<br />
Azubis zwischen 23 und 36 Euro pro Tag.<br />
Der Eigenanteil für einen dreiwöchigen<br />
Aufenthalte in Norwegen liegt bei etwa<br />
300 Euro. Viele Chefs geben Zuschüsse,<br />
auch wenn sie selbst auf finanzielle<br />
Unterstützung verzichten müssen. „Dafür<br />
kommt ein begeisterter Lehrling zurück,<br />
der viel gelernt hat, sich dem Betrieb<br />
zugehörig fühlt und Spaß an seinem<br />
Handwerk hat“, sagt Anita Urfell.<br />
. Engelbert Hagemeyer<br />
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FINKE – Münster – das TOP-Einrichtungshaus<br />
In Kürze auch in Hamm!<br />
Wir schließen die Lücke am „Rande“ des Münsterlandes zwischen Paderborn und Münster!<br />
Hochbetrieb herrscht auf der Großbaustelle des „finke-Centers“<br />
an der Autobahnauffahrt in Hamm-Rhynern. Täglich arbeiten<br />
300 Menschen daran, dass das Einrichtungshaus „finke. Das<br />
Erlebnis-Einrichten“ und der trendige Mitnahmemarkt „Carré“<br />
möglichst schnell ans Netz gehen und die ersten Kunden<br />
empfangen können. Vor den Türen der beiden Verkaufshäuser<br />
sind die Pflasterarbeiten für die Kundenparkplätze weit vorangeschritten,auchdieZufahrtsstraßensindbereitsasphaltiert.In<br />
KürzewerdendieBaucontainerabgebautunddieAußenanlagen<br />
bepflanzt. Gesamtgeschäftsführer Dr. Rudolf Christa informierte<br />
jetzt die heimischen Medien über den Stand der Bauarbeiten.<br />
Auch im Außenbereich der Verkaufshäuser geht es zügig voran:<br />
<strong>Die</strong> Dachbegrünungen sind fast fertiggestellt, die Werbeanlagen<br />
anderNordseitebereitsmontiert.Parallelläuftinnenschonin<br />
allen Abteilungen der Aufbau, die Verkaufsflächen werden im<br />
Detail geplant und umgesetzt. Dazu gehört ein ausgefeiltes<br />
Beleuchtungskonzept für die einzelnen Warengruppen. „Alles<br />
läuft Hand in Hand, wir gehen sehr strukturiert vor“, betonte Dr.<br />
Christa. Hohe logistische Anforderungen bringt insbesondere<br />
der Gastronomiebereich mit sich, der zum Erlebnis-Einrichten<br />
made by Finke zukünftig einen entscheidenden Beitrag leisten<br />
wird.AuchderDialogmitdenBehördenläuftwiegeplant,im<br />
<strong>August</strong> stehen die Sachverständigenabnahmen für die einzelnen<br />
Gewerke an. Ein energetisches Highlight wird die Photovoltaik-<br />
Anlage auf dem großen Dach des Einrichtungshauses, die<br />
parallel mit den Verkaufshäusern an den Start gehen und<br />
wertvolle Energie liefern wird. Auch in personeller Hinsicht sind<br />
die Weichen für das neue „finke-Center“ bestens gestellt.<br />
Insgesamt schafft Finke in Hamm rund 250 sozialversicherungspflichtige<br />
Arbeitsplätze. Neben hoch qualifizierten Bewerbern<br />
aus der Branche werden zahlreiche branchenfremde Arbeitskräfte<br />
aus der Region auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. <strong>Die</strong><br />
Quereinsteiger schließen ihre Ausbildung bei dem bundesweit<br />
tätigen Bildungs- und Schulungsinstitut (BSI) Schweinfurt in<br />
absehbarer Zeit ab und werden zukünftig den regionalen Geist<br />
in den Verkaufshäusern verkörpern.<br />
DerBaufortschrittistenorm:InnerhalbwenigerWochenhaben<br />
dievielenHandwerkeraufderGroßbaustellefürdas„finke-<br />
Center“ in Hamm-Rhynern ganze Arbeit geleistet. <strong>Die</strong> beiden<br />
Gebäude für das Einrichtungshaus „finke. Das Erlebnis-Einrichten“<br />
und den ersten Mitnahmemarkt für trendiges Wohnen „Carré“<br />
werden immer besser erkennbar.<br />
Schon jetzt lässt sich erahnen, welche<br />
Dimensionen das Projekt mit einer<br />
Gesamtverkaufsfläche von ca.<br />
44.000m 2 hat. <strong>Die</strong> spezielle, besonders<br />
hochwertige Fassade, die ansonsten<br />
die Porsche-Autohäuser und<br />
andere Top-Gebäude zieren wird,<br />
verleiht den beiden Baukörpern<br />
einen außergewöhnlichen Glanz.<br />
Auf dem ca. 109.000 m 2 großen<br />
Grundstücksindzudembereitsdie<br />
ersten von insgesamt ca. 800<br />
kostenfreien Parkplätzen angelegt.<br />
Und auch die Wegeführung auf dem<br />
Gelände nimmt konkrete Formen an.<br />
Wertiger,schöner,individueller–mit<br />
diesen Attributen wird das „finke-<br />
Center“denMarktetwa75Kilometer<br />
rund um den Standort bereichern.<br />
MiteinerVerdichtungimbestehenden<br />
Geschäftsgebiet schließt die Finke-<br />
Gruppe in Hamm-Rhynern (direkt an der Autobahn 2) eine<br />
Marktlücke und macht ihren Anspruch der regionalen Marktführerschaft<br />
deutlich. Mehr Eigenmarken und alle wichtigen<br />
High-End-Marken werden die Ausstellungen prägen. Standort,<br />
Architektur, Warenpräsentation und Kundenbetreuung setzen im<br />
„finke-Center“ neue Maßstäbe! „Es geht mit Riesenschritten<br />
voran: <strong>Die</strong> Bauarbeiten für unser neues ‚finke-Center‘ in Hamm<br />
liegen voll im Zeitplan. Im Zuge der größten Investition in der<br />
Geschichte der Finke-Unternehmensgruppe entstehen unmittelbar<br />
an der Autobahn 2 (Ausfahrt Hamm-Rhynern) für ca. 70 Millionen<br />
Euro ein klassisches Einrichtungshaus ‚finke. Das Erlebnis-<br />
Einrichten‘ (Verkaufsfläche: ca. 36.000m 2 ) und der erste<br />
Mitnahmemarkt für trendiges Wohnen ‚Carré‘ (Verkaufsfläche:<br />
ca. 8.000m 2 ).“<br />
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15A32MS
17 GELD & GESCHÄFT<br />
Schutz vor windiger Anlage<br />
<strong>Die</strong> schwarz-rote Bundesregierung erhöht mit ihrem neuen Kleinanlegerschutzgesetz<br />
die Sicherheit bei schwer durchschaubaren Finanzprodukten<br />
Mit rentabler Geldanlage in Windkraftprojekte hat Prokon geworben –und das Versprechen nicht gehalten.<br />
Foto: dpa<br />
OFFEN GESAGT<br />
Gelungene Balance<br />
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz<br />
hat die Bundesregierung den<br />
dringend notwendigen Schutz der Sparer<br />
und die mindestens ebenso wichtige<br />
kreative Finanzierung von zukunftsweisenden<br />
Unternehmerideen geschickt<br />
unter einen Hut gebracht – ein großer<br />
Wurf.<br />
Weil wichtige Geldbeschaffungsinstrumente<br />
wie das Crowdfunding<br />
durch die neuen Regeln kaum eingeschränkt<br />
werden, kann der staatliche<br />
Eingriffe als milde betrachtet werden.<br />
Dubiose Geschäfte, wie sie jüngst im<br />
Falle des Windkraftunternehmens Prokon<br />
wieder einmal einer breiten Öffentlichkeit<br />
bekannt wurden, haben die<br />
Politik allerdings zum schnellen Eingreifen<br />
gezwungen.<br />
<strong>Die</strong> Finanzierung von innovativen<br />
Unternehmen kann langfristig nur gelingen,<br />
wenn der Gesetzgeber die ausgewogene<br />
Balance findet zwischen<br />
dem nötigen Verbraucherschutz und<br />
einem möglichst freien Zugang zu den<br />
Kapital- und Geldmärkten. Mit dem<br />
neuen Gesetz ist dieser schmale Grat<br />
nicht verlassen worden. <br />
Wann sind Finanzprodukte gefährlich,<br />
wann muss der Gesetzgeber einschreiten?<br />
Mit dieser Frage hat sich<br />
die deutsche Politik befasst. Ergebnis:<br />
ein Kleinanlegerschutzgesetz.<br />
Aufgerüttelt hatte Verbraucherschützer<br />
und Politiker<br />
der Fall des Windkraftunternehmens<br />
Prokon. Prokon<br />
Aatte h zur Finanzierung seiner<br />
Projekte Kommandit- und Genussrechtkapital<br />
bei Privatanlegern erworben, wobei<br />
die Tochter Prokon Regenerative Energien<br />
GmbH die Emittentin der Genussrechte<br />
war. Am 22. Januar 2014 stellte diese Prokon-Tochter<br />
beim Amtsgericht Itzehoe<br />
einen Insolvenzantrag. Folge für 75 000<br />
Sparer, die dem Unternehmen insgesamt<br />
die gewaltige Summe von 1,4 Milliarden<br />
Euro geliehen hatten: Rund die Hälfte des<br />
Geldes ist unwiederbringlich verloren. Dabei<br />
war eine üppige Renditen von bis zu<br />
acht Prozent versprochen worden.<br />
<strong>Die</strong> Bundesregierung hat wegen solcher<br />
Fälle das neue Kleinanlegerschutzgesetz<br />
erarbeitet. Es wurde inzwischen in Bundestag<br />
und Bundesrat beschlossen. Es<br />
trat am 9. Juli <strong>2015</strong> in Kraft. Grundlage<br />
des neuen Kleinanlegerschutzgesetzes ist<br />
das Vermögensanlagengesetz, das durch<br />
die Neuregelung verschärft wurde. Betroffen<br />
sind von der neuen Regelung<br />
Unternehmensbeteiligungen, Beteiligungen<br />
an Treuhandvermögen, Genussrechte<br />
und Namensschuldverschreibungen.<br />
Zukünftig sollen zudem auch partiarische,<br />
also gewinnabhängige, Darlehen<br />
und Nachrangdarlehen sowie sämtliche<br />
wirtschaftlich vergleichbare Anlagen<br />
unter die geänderten Regelungen fallen.<br />
Der Gesetzgeber hat aber auch Anlageformen<br />
von den Änderungen ausgenommen:<br />
Dazu zählen Aktien, Rentenpapiere<br />
und Investmentfonds. „Bei diesen Wertpapieren<br />
sind Anlegerinnen und Anleger<br />
bereits heute hinreichend geschützt“, erklärte<br />
das Bundesfinanzministerium.<br />
Wesentliche Säule des Anlegerschutzes<br />
ist weiterhin der Verkaufsprospekt. „Der<br />
Prospekt soll dem Anleger ein umfassendes<br />
Bild von Anlagegegenstand und Anbieter<br />
vermitteln, um diesem eine zutreffende<br />
Abwägung von Vorteilen und Risiken<br />
einer Investition zu ermöglichen“,<br />
heißt es. Das galt aber prinzipiell auch<br />
bisher schon. Doch Schwarz-Rot hat diese<br />
Vorschriften nunmehr ergänzt:<br />
Fälligkeit: <strong>Die</strong> Fälligkeit bereits begebener,<br />
noch laufender Vermögensanlagen<br />
ist künftig anzugeben, um dem Anleger<br />
die Einschätzung zu erleichtern, in welchem<br />
Umfang eine Anlage dazu genutzt<br />
wird, früher eingegangene Verpflichtungen<br />
zu bedienen. Damit soll der Vorspiegelung<br />
einer nicht vorhandenen wirtschaftlichen<br />
Produktivität und unzulässigen<br />
„Schneeballsystemen“ entgegengewirkt<br />
werden.<br />
Konzern-Abschluss: Firmen, die zur<br />
Aufstellung eines Konzern-Abschlusses<br />
verpflichtet sind, müssen diesen in jedem<br />
Fall in den Prospekt aufnehmen, sodass<br />
sich Anleger auch ein Bild von der finanziellen<br />
Situation des Konzerns machen<br />
und bei ihrer Anlageentscheidung etwaige<br />
Risiken in anderen Konzernbereichen<br />
berücksichtigen können.<br />
Kapitalfluss-Rechnung: Um einen genaueren<br />
Einblick in die Zahlungsströme<br />
zu ermöglichen und so die wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit des Anbieters besser<br />
nachvollziehbar zu machen, haben<br />
größere Unternehmen künftig eine Kapitalfluss-Rechnung<br />
offenzulegen.<br />
Personelle Verflechtungen: Pflicht ist es<br />
künftig, die an Begebung und Vertrieb<br />
von Vermögensanlagen beteiligten<br />
Unternehmen offenzulegen. Auch personelle<br />
Verflechtungen im Umfeld des Anbieters<br />
müssen für den Anleger transparent<br />
gemacht werden.<br />
Leichterer Zugang zu Informationen:<br />
Der Zugang der Anleger zu Informationen<br />
über Finanzprodukte muss optimiert<br />
werden.<br />
Verbraucherschutz wird Aufsichtsziel<br />
der BaFin: Zur Aufsichtstätigkeit der<br />
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen<br />
(BaFin) gehört ab sofort auch der kollektive<br />
Verbraucherschutz. Kollektiv<br />
heißt in diesem Zusammenhang, dass die<br />
BaFin dem Schutz der Verbraucher in<br />
ihrer Gesamtheit verpflichtet ist. <strong>Die</strong> Aufsichtsbehörde<br />
kann bestimmte Finanzprodukte<br />
und Finanzpraktiken verbieten.<br />
Fortsetzung auf Seite 18<br />
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18 GELD & GESCHÄFT<br />
Kaum neue Hürden beim Crowdfunding<br />
Das neue Kleinanlegerschutzgesetz schränkt<br />
nicht alle modernen Finanzierungschancen<br />
ein – Verbraucherschützer sind zufrieden<br />
Auch Firmen und Berater, die Geldanlagen<br />
anbieten und vermitteln,<br />
müssen sich auf das neue Kleinanlegerschutzgesetz<br />
einstellen.<br />
Und was ändert sich mit dem<br />
neuen Kleinanlegerschutzgesetz<br />
für Unternehmen<br />
mit Kapitalbedarf und Finanzvermittler?<br />
<strong>Die</strong> neue Definition der Vermögensanlagen<br />
umfasst jetzt auch gewinnabhängige<br />
Darlehen, Nachrangdarlehen sowie sonstige<br />
Anlagen, die einen Anspruch auf Verzinsung<br />
und Rückzahlung gewähren<br />
oder im Austausch für die zeitweise Überlassung<br />
von Geld einen vermögenswerten,<br />
auf Barausgleich gerichteten Anspruch<br />
vermitteln, so heißt es im Gesetz.<br />
Darüber hinaus müssen alle Anbieter vor<br />
Beginn des öffentlichen Angebots ausnahmslos<br />
ein kurzes, übersichtliches und<br />
leicht verständliches Vermögensanlagen-<br />
Informationsblatt erstellen, das insbesondere<br />
die angesprochene Anlegergruppe<br />
sowie die Laufzeit und Kündigungsfrist<br />
der Vermögensanlage enthalten<br />
muss. <strong>Die</strong> erste Seite dieses Blattes muss<br />
auch einen Warnhinweis beinhalten.<br />
Für Finanzanlagenvermittler ist die Vermittlung<br />
von Direktinvestments künftig<br />
nicht mehr erlaubnisfrei, Vermittler, die<br />
auch in Zukunft Direktinvestments vermitteln<br />
wollen, müssen eine solche Erlaubnis<br />
bis spätestens zum 15. Oktober<br />
<strong>2015</strong> erteilt bekommen haben.<br />
Crowdfunding-Projekte sind von dem<br />
neuen Gesetz aber weitgehend nicht betroffen.<br />
Kapitalsuchende Unternehmen<br />
unterliegen künftig erst ab einem Betrag<br />
von 2,5 Millionen Euro einer Prospektpflicht.<br />
Ursprünglich war in Gesetzesentwürfen<br />
eine Grenze von einer<br />
Million Euro vorgesehen. Auch<br />
größere Projekte können so per<br />
Crowdfunding finanziert werden –<br />
ohne dass ein zeit- und kostenintensiver<br />
Verkaufsprospekt erstellt werden<br />
muss.<br />
Genossenschaftliche Vorhaben fallen<br />
ebenfalls grundsätzlich nicht unter die<br />
neue Regelung.<br />
Trotz der massiven Vorkehrungen zum<br />
Schutz der Sparer sind die Verbraucherschützer<br />
noch nicht ganz zufrieden. Immerhin<br />
räumt Markus Feck, Finanzjurist<br />
der Verbraucherzentrale Nordrhein-<br />
Westfalen in Düsseldorf, im Gespräch mit<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Wirtschaft</strong>“ ein: „Das Gesetz ist ein<br />
Schritt in die richtige Richtung.“ Feck<br />
lobt vor allem die gewachsende Kompetenz<br />
der BaFin. Bei den großzügigen Ausnahmeregelungen<br />
für das Crowdfunding<br />
und für Genossenschaften ist der Verbraucherschützer<br />
aber skeptisch. „Trotz<br />
der eigenen Prüfungsverbände hatten<br />
Genossenschaften in Ostdeutschland öfter<br />
schon Probleme“, merkt<br />
Feck an.<br />
Besonders wichtig ist für<br />
Feck, dass das neue Gesetz<br />
eine deutlich bessere<br />
Qualität der In<br />
tionen in den V fsprospekten<br />
„Letztlich muss der ch<br />
für oder gegen ein bes<br />
ko entscheiden.“<br />
Aber: So krasse<br />
fehler, wie sie bei Prokon gemacht worden<br />
seien, etwa indem dort langfristige<br />
Investitionen kurzfristig finanziert wurden,<br />
könne auch das neue Gesetz – trotz<br />
all seiner Vorzüge – letztlich nicht verhindern,<br />
so Feck.<br />
<br />
Das neue Kleinanlegerschutzgesetz spannt über das Vermögen der Sparer quasi einen Schutzschirm.<br />
Vererbt wird nach dem<br />
Landesrecht im Ausland<br />
Europäische Erbrechtsverordnung bringt gravierende Änderungen<br />
Knapp zwölf Millionen Europäer leben<br />
in einem EU-Staat, der nicht<br />
ihrer Staatsangehörigkeit entspricht.<br />
Sie alle, darunter auch Hunderttausende<br />
Deutsche, sind von der<br />
Europäischen Erbrechtsverordnung<br />
betroffen.<br />
Foto: Colourbox.de<br />
Egal ob Mallorca-Rentner,<br />
Auswanderer oder internationale<br />
Patchwork-Familien –<br />
für alle Erbfälle, die ab dem<br />
17. <strong>August</strong> <strong>2015</strong> eintreten,<br />
wird der gesamte Nachlass nach dem<br />
Recht des Landes abgewickelt, in dem der<br />
Erblasser seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“<br />
hatte. <strong>Die</strong> Staatsangehörigkeit<br />
spielt dann keine Rolle mehr.<br />
Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person<br />
wird nach den Lebensumständen des<br />
Erblassers vor seinem Tod und zum Zeitpunkt<br />
des Todes betrachtet. <strong>Die</strong> Dauer<br />
und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie<br />
eine enge und feste Bindung zum jeweiligen<br />
Staat spielen hierbei eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
Der Gesetzgeber hat den Erblassern eine<br />
Wahlmöglichkeit gegeben. Ab sofort können<br />
Betroffene das Recht des Staates<br />
wählen, dessen Staatsangehörigkeit sie<br />
besitzen. <strong>Die</strong> Verordnung lässt eine<br />
Rechtswahl nur für das gesamte Vermögen<br />
zu, außerdem muss die Wahl ausdrücklich<br />
erfolgen, z.B. mit einem Testament.<br />
Betroffene, die ihren Nachlass bereits<br />
geregelt haben, sollten ihre Testamente<br />
bei einem Notar überprüfen lassen<br />
und unter Umständen eine Rechtswahlklausel<br />
ergänzen.<br />
Ohne Testament passiert nach der neuen<br />
Erbrechtsverordnung Folgendes: Stirbt<br />
ein Deutscher zum Beispiel in Frankreich,<br />
wo er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt<br />
hatte, wird sein Nachlass nach<br />
den dortigen Vorschriften abgewickelt.<br />
Dabei spielt es keine Rolle, wo sich Vermögenswerte<br />
wie Geld, Spar- und Depotvermögen,<br />
Schmuck und Immobilien<br />
zum Zeitpunkt des Todes befinden.<br />
Deutsche, die sich zukünftig länger im<br />
Ausland aufhalten, sollten bedenken,<br />
dass sich die ausländischen Regelungen<br />
zur gesetzlichen Erbfolge vom deutschen<br />
Erbrecht erheblich unterscheiden. <strong>Die</strong>jenigen,<br />
die bereits mit einem gemeinschaftlichen<br />
Testament oder Erbvertrag<br />
vorgesorgt und sich gegenseitig zu Alleinerben<br />
eingesetzt haben, sollten wissen,<br />
dass diese Verfügungen beispielsweise in<br />
Spanien, Frankreich und Italien nicht anerkannt<br />
werden.<br />
<strong>Die</strong> Erbrechtsverordnung betrifft den gesamten<br />
Bereich der Europäischen Union<br />
mit Ausnahme von Irland, Dänemark und<br />
dem Vereinigten Königreich sowie Ländern<br />
mit Einzel- oder Sonderrechten,<br />
zum Beispiel Spanien.<br />
Im Zuge der Erbrechtsreform wird auch<br />
das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt.<br />
Das Dokument dient als zusätzlicher<br />
Erbnachweis für Erben, Testamentsvollstrecker,<br />
Vermächtnisnehmer und<br />
Nachlassverwalter und soll helfen, grenzüberschreitende<br />
Erbfälle leichter und<br />
schneller anzuerkennen. Das Europäische<br />
Nachlasszeugnis hat eine Gültigkeit<br />
von sechs Monaten, kann aber auf Antrag<br />
verlängert werden. Einen deutschen Erbschein<br />
ersetzt das Dokument jedoch<br />
nicht.<br />
Wer sich von einem Notar über die Folgen<br />
der Europäischen Erbrechtsverordnung<br />
beraten lassen möchte, findet diese im<br />
Internet unter www.notar.de.<br />
Quelle: Westfälische Notarkammer<br />
TERMINE +++ TERMINE +++ TERMINE +++<br />
27. <strong>August</strong> <strong>2015</strong>: Kostensenkung durch Ressourcen- effizienz,<br />
Beginn der vierteiligen Veranstaltungsreihe von<br />
IHK, Handwerkskammer VDI und Effizienzagentur NRW,<br />
Termine im gesamten Münsterland (Infos unter 0251-<br />
48449643)<br />
31. <strong>August</strong> <strong>2015</strong>: Digitale <strong>Wirtschaft</strong> in NRW, Infoveranstaltung<br />
des NRW-<strong>Wirtschaft</strong>sministeriums, 10 bis 12 Uhr,<br />
IHK Nord Westfalen, Münster<br />
2. September <strong>2015</strong>: Meister-Bafög, Infoabend, 17 Uhr,<br />
Handwerkskammer Münster (mit Voranmeldung)<br />
4. September <strong>2015</strong>: „Zukunftsmodell berufliche Bildung“,<br />
Bildungskongress der IHK NRW, 13 Uhr, Turbinenhalle der<br />
Stadtwerke Düsseldorf AG (www.ausbildung-nrw.net)<br />
21./22. September <strong>2015</strong>: Forum Via Münster, Kongress<br />
für Nachwuchs der Veranstaltungs- und Hotelbranche,<br />
Messe- und Congress-Centrum Halle Münsterland, Münster<br />
(www.forum-via-muenster.de)<br />
23./24. September <strong>2015</strong>: vocatium Münsterland, Fachmesse<br />
für Ausbildung und Studium, 8.30 bis 14.45 Uhr,<br />
Messe- und Congress-Centrum Halle Münsterland<br />
23./24. September <strong>2015</strong>: Herbstmesse der Agravis Raiffeisen<br />
AG, ab 10 Uhr, Messe- und Congress-Centrum Halle<br />
Münsterland, Münster<br />
14. Oktober <strong>2015</strong>: „Lab-Supply“, Fachmesse für Labortechnik,<br />
9.30 bis 15.30 Uhr, Messe- und Congress-Centrum<br />
Halle Münsterland, Münster (nur für Fachbesucher)<br />
28. Oktober <strong>2015</strong>: 1. Westfälischer Kongress für Mitarbeiter-Begeisterung,<br />
Messe- und Congress-Centrum Halle<br />
Münsterland, Münster (www.begeisterungs-kongresse.de)<br />
16. bis 20. November <strong>2015</strong>: „Münster gründet!“, Seminare<br />
und Workshops, <strong>Wirtschaft</strong>sförderung Münster<br />
(www.muenster-gruendet.de)
GELD & GESCHÄFT 19<br />
Einen guten Rat gibt<br />
es nicht umsonst<br />
Mögliche Einflüsse der Vergütung auf die Beratung sollen transparent gemacht werden.<br />
<strong>Die</strong> Honorarberatung fristet hierzulande nach wie vor ein Nischendasein.<br />
<strong>Die</strong> Neujustierung der EU-Richtlinie<br />
Mifid II sorgt für steigendes Interesse<br />
an der Honorarberatung. Doch solange<br />
die Mehrheit der Kunden nicht<br />
bereit ist, direkt für Finanzberatungen<br />
zu bezahlen und das Berufsbild<br />
des Honorarberaters unreguliert<br />
bleibt, kommt der Honorarberatung<br />
neben der vorherrschenden Provisionsberatung<br />
allenfalls eine Nischenrolle<br />
zu.<br />
Wie sollen Geldanlageberater<br />
entlohnt werden?<br />
Auch künftig<br />
gibt es zwei Modelle:<br />
<strong>Die</strong> Provisionsberatung<br />
und die Honorarberatung. <strong>Die</strong> Provisionsberatung<br />
ist zunächst für den Kunden<br />
kostenlos. Kauft er aber ein Anlageprodukt,<br />
so erhält sein Vermittler dafür<br />
zur Belohnung vom Emittenten des Produkts<br />
eine Provision. Für die Honorarberatung<br />
hingegen zahlt der Kunde seinem<br />
Berater einen vereinbarten Satz, die Anlageempfehlung<br />
setzt er danach entweder<br />
selbst um – oder sein Berater tut es<br />
für ihn. Sollte der Berater dafür eine Provision<br />
bekommen, reicht er diese an seinen<br />
Kunden eins zu eins weiter. Er lässt<br />
sich also nicht vom Emittenten, sondern<br />
vom Kunden für seine Arbeit bezahlen.<br />
<strong>Die</strong>sen Weg wählten beispielsweise Inge<br />
Schäfer-Schmidbauer und Isolde Regensburger.<br />
2011 haben sich die beiden Ex-<br />
Bankerinnen mit Büros in Münster und<br />
Berg am Starnberger See als unabhängige<br />
Vermögensverwalter mit einer Zulassung<br />
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(BaFin) selbstständig<br />
gemacht. Laut Schäfer-Schmidbauer haben<br />
sie dem Geschäftsgebaren in Banken<br />
bewusst den Rücken gekehrt, um provisionsunabhängig<br />
und frei von Vertriebsinteressen<br />
gegen ein Stundenhonorar<br />
von 180 Euro vermögende Anleger zu deren<br />
Depotstruktur zu beraten. Auf<br />
Wunsch bieten sie auch eine individuelle<br />
Vermögensverwaltung an, die die Kunden<br />
jährlich ein Prozent des Depotwertes<br />
kostet oder performanceabhängig entgolten<br />
wird. „Bei der Vermögensverwaltung<br />
reichen wir sämtliche Produktprovisionen<br />
dem Kunden weiter. Dadurch sind<br />
unsere Kosten transparent. Das schafft<br />
Vertrauen. Denn nur wer die Kosten<br />
kennt, kann die Gesamtrendite seines Investments<br />
tatsächlich beurteilen“, sagt<br />
Isolde Regensburger.<br />
Zwar sind Schäfer-Schmidbauer und Regensburger<br />
kein Einzelfall. Weil die breite<br />
Masse der Anleger aber nicht bereit<br />
Hand drauf: Wenn eine Beratung für beIde Seiten positiv verläuft, darf zu Recht gestrahlt werden.<br />
oder in der Lage ist, Honorare für Finanzberatungen<br />
zu bezahlen, fristet die Honorarberatung<br />
hierzulande ein Nischendasein.<br />
<strong>Die</strong> Provisionsberatung hingegen ist weit<br />
verbreitet. <strong>Die</strong> überarbeitete europäische<br />
Finanzmarkt-Richtlinie „Markets in Financial<br />
Instruments Directive“ – kurz Mifid<br />
II – lässt weiterhin beide Beratungsmodelle<br />
zu. Im Europaparlament und im<br />
EU-Finanzministerrat wurde lange über<br />
Details eines Vorschlags der EU-Kommission<br />
gerungen. Es zeichnete sich der politische<br />
Wille ab, die Honorarberatung<br />
gegenüber der hierzulande vorherrschenden<br />
Provisionsberatung zu stärken.<br />
Denn die Provisionsberatung ist umstritten.<br />
„Berater haben den Anreiz, vor allem<br />
jene Produkte anzupreisen und zu verkaufen,<br />
mit denen sie die höchsten Provisionen<br />
erzielen – und nicht die, die für die<br />
Kunden am besten wären“, kritisiert Eckhard<br />
Benner von der Verbraucherzentrale<br />
Baden-Württemberg. „<strong>Die</strong> Anleger<br />
wähnen sich in einem Beratungsgespräch,<br />
in Wirklichkeit handelt es sich<br />
aber um ein Verkaufsgespräch. Ein Bankberater<br />
beispielsweise muss Produkte seiner<br />
Bank verkaufen, daran wird er gemessen<br />
und vergütet“, fügt Regensburger<br />
hinzu. „Er befindet sich also in einem Interessenkonflikt<br />
zwischen seinen eigenen<br />
und den Interessen des Kunden.“<br />
Dem hält Norman Wirth, geschäftsführender<br />
Vorstand beim AfW – Bundesverband<br />
Finanzdienstleistung e.V. die soziale<br />
Rolle des Provisionsmodells entgegen.<br />
Schließlich diene es auch zur Altersvorsorge<br />
und Risikoabsicherung von breiten<br />
Bevölkerungsschichten, die sich eine Honorarberatung<br />
nicht leisten könnten.<br />
„Beide Beratungen müssen in Deutschland<br />
ihren Platz haben, denn sie werden<br />
von unterschiedlichen Kundengruppen<br />
nachgefragt“, sagt auch Herbert Jütten,<br />
Geschäftsführer Finanzmärkte des Bankenverbandes.<br />
Bei der Provisionsberatung<br />
sei vorgeschrieben, dass die Berater<br />
darauf hinweisen, dass und in welcher<br />
Höhe sie Provisionen bekommen. Das<br />
sorge für Transparenz. „Man kann ein guter<br />
Honorar- und ein guter Provisionsberater<br />
sein, man kann aber auch beides<br />
sehr schlecht machen“, ergänzt Wirth.<br />
Ein anderer Ansatz bei der Vergütung bedeute<br />
noch keinen Qualitätssprung, auch<br />
gegen Honorar könne ein Anleger<br />
schlecht und falsch beraten werden.<br />
Interessenkonflikte gibt es auch bei Honorarberatern.<br />
Wer zu fixen Stundensätzen<br />
berät, könnte versucht sein, möglichst<br />
viel Zeit für wohlhabende Kunden<br />
aufzuwenden. Problematisch ist auch,<br />
dass das Berufsbild des Honorarberaters<br />
nicht reguliert ist. Es fehlen Standards<br />
und eine Gebührenordnung wie etwa<br />
Steuerberater sie haben. „Mit Blick auf<br />
Mifid II überlegen natürlich auch Banken<br />
und Finanzdienstleister, ob sie verstärkt<br />
Honorarberatung auch für Retailkunden<br />
anbieten. Bevor der gesetzliche Rahmen<br />
aber nicht mehr Konturen angenommen<br />
hat, wird sich niemand festlegen“, sagt<br />
Jütten. Mit dem Retailgeschäft ist das<br />
standardisierte Massenkundengeschäft<br />
gemeint, bei dem der Vertrieb von Standardprodukten<br />
im Vordergrund steht.<br />
ph<br />
Foto: Picture-Factory
20 GELD &<br />
EARLY<br />
BIRD<br />
muenster.business de<br />
Das erfolgreiche <strong>Wirtschaft</strong>sportal<br />
Der weite Weg zur perfekten<br />
Das Netzwerk Oberfläche NRW ist im Technologiehof in Münster zu Hause. Auch Forschungs- und Entwicklungsthemen w<br />
hier gemeinsam bearbeitet, denn die internationale Konkurrenz schläft nicht.<br />
Es gibt heute kaum noch ein technisches<br />
Produkt, das nicht in irgendeiner<br />
Weise an der Oberfläche behandelt<br />
wird. Das betrifft technisch –<br />
funktionelle Eigenschaften (Härte,<br />
Korrosions- und Verschleißbeständigkeit)<br />
ebenso wie die ästhetischen<br />
Komponenten (Farbe, Haptik oder<br />
Glanz). Durch Weiterentwicklungen<br />
von Werkstoffen und Schichten mit<br />
innovativen elektronischen, katalytischen<br />
oder biologischen Eigenschaften<br />
werden viele Produkte erst einsetzbar<br />
und marktfähig gemacht.<br />
Das Netzwerk Oberfläche<br />
NRW mit Sitz im Technologiehof<br />
in Münster versteht<br />
sich dabei als zentrale Anlauf-<br />
und Koordinationsstelle<br />
für die gesamteWertschöpfungskette<br />
–von den Rohstoffherstellern, Lackund<br />
Klebstoffformulierern über das breite<br />
Feld der Anwenderbranchen bis hin zum<br />
Anlagenbau, den <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen<br />
sowie den Universitäten und wissenschaftlichen<br />
Instituten. Das Netzwerk<br />
bündelt seine Aktivitäten dazu in den drei<br />
Handlungsfeldern: Innovation &Technik,<br />
Markt &Management, Bildung &Qualifizierung.<br />
Das Netzwerk Oberfläche NRW startete<br />
im Herbst 2009 als Verbundprojekt der<br />
regionalen <strong>Wirtschaft</strong>sförderungsgesellschaft<br />
WiN Emscher-Lippe GmbH, der<br />
Deutschen Forschungsgesellschaft für<br />
Oberflächenbehandlung (DFO) und der<br />
Technologieförderung Münster GmbH<br />
(TFM). <strong>Die</strong> TFM betreut die Aktivitäten<br />
im Raum Münsterland und Ostwestfalen/<br />
Lippe.<br />
Bis 2014 wurde das Netzwerk aus Mitteln<br />
des Landes NRW und des Europäischen<br />
Fonds für regionale Entwicklung finanziert.<br />
Nach ausgelaufener Förderung<br />
gründetesich 2014 das Netzwerk Oberfläche<br />
als Verein. Vorstandsvorsitzender<br />
wurde TFM-Geschäftsleiter Matthias<br />
Günnewig. Mit im Vorstand arbeiten Dr.<br />
Hans-Joachim Weintz von J.W.Ostendorf<br />
inCoesfeld und Harald Dekkers von<br />
EMSA inEmsdetten. „<strong>Die</strong> Vereinsgründung<br />
war enorm wichtig, um die Arbeit<br />
des Netzwerks langfristig zu sichern“, betont<br />
Günnewig im Gespräch mit der<br />
WIRTSCHAFT den Wert des Branchenbündnisses.<br />
„Im Mittelpunkt der Netzwerkarbeit stehen<br />
zunächst die Ausweitung vonKooperationen<br />
und Forschungsaktivitäten sowie<br />
die Sicherung von Fachkräften und<br />
des Nachwuchses“, erklärt Geschäftsführer<br />
Martin Gründkemeyer, der weitere<br />
Schwerpunkte indem breit angelegten<br />
Kompetenzspektrum der Gründungsmitglieder<br />
sieht. Insgesamt hat das Netzwerk<br />
aktuell 19 Mitglieder. Ein wichtiger Baustein<br />
sind regelmäßige Innovations-<br />
Workshops. Als eines seiner Spezialthemen<br />
beleuchtet Gründkemeyer die Entwicklung<br />
von Forschungskooperationen<br />
und Projektinitiierung. <strong>Die</strong> allgemeinen<br />
Ziele definieren Dr.Hans-Joachim Weintz<br />
und Martin Gründkemeyerso: „Das Netzwerk<br />
will den fachlichen Austausch zwischen<br />
den regionalen Akteuren aus <strong>Wirtschaft</strong>,<br />
Wissenschaft, Bildung und Politik<br />
erweitern, Innovationsthemen<br />
anstoßen und begleiten.<br />
Auf diesem<br />
Weg soll gemeinsam<br />
die<br />
Wettbewerbsfähigkeit<br />
aller<br />
Netzwerkteilnehmer<br />
verbessert<br />
werden.“ Im Rahmen<br />
des Projektes<br />
werden dazu<br />
nachhaltige<br />
Strukturen aufgebaut, mit dem Ziel, die<br />
öffentliche Wahrnehmung der Oberflächentechnologie<br />
und den Standort Münsterland<br />
zu stärken.<br />
Da es bis zur perfekten Beschichtung<br />
einer Oberfläche ein weiter Weg ist, auf<br />
dem nichts schiefgehen darf–denn Qualität<br />
ist entscheidend und die internationale<br />
Konkurrenz schläft nicht –,ist es unerlässlich,<br />
dass Rohstoffhersteller, Lackhersteller,<br />
Galvaniseure und Anwender<br />
wie ein Uhrwerk ineinandergreifen.<br />
Vorstand und Geschäftsführung vom Netzwerk Oberfläche: (v.l.)<br />
Matthias Günnewig (Geschäftsleiter Technologieförderung Münster),<br />
Martin Gründkemeyer (Geschäftsführer Netzwerk Oberfläche NRW)<br />
und Dr. Hans-Joachim Weintz (J.W. Ostendorf, Coesfeld). Nicht im<br />
Bild: Harald Dekkers (EMSA).<br />
Foto: Peter Sauer<br />
„Im Mittelpunkt der Netzwerkarbeit<br />
stehen zunächst die Ausweitung<br />
von Kooperationen und Forschungsaktivitäten<br />
sowie die Sicherung<br />
von Fachkräften und des<br />
Nachwuchses.“<br />
Geschäftsführer Martin Gründkemeyer<br />
Das Netzwerk Oberfläche beschäftigt<br />
sich in Veranstaltungen und Beratungen<br />
mit praktischen und nachhaltigen Fragestellungen.<br />
Wie erhöht man die Qualität?<br />
Was macht<br />
die moderne<br />
Oberflächenanalytik<br />
auch international<br />
konkurrenzfähig?<br />
Welche<br />
Daten kann<br />
sie liefern?<br />
Neben BASF Coatings,<br />
Brillux, Osmo<br />
und Ostendorf<br />
sind überwiegend<br />
kleine<br />
und mittelständische<br />
Unternehmen in der münsterländischen<br />
Oberflächentechnologie tätig. <strong>Die</strong><br />
gesamteWertschöpfungsketteder Oberflächentechnik<br />
in der Region soll langfristig<br />
vernetzt werden. Neben der Stärkung<br />
der gerade für den internationalen<br />
Markt wichtigen Innovationsfähigkeit<br />
will das Netzwerk die Wissens- und Technologietransfers<br />
beschleunigen, auch um<br />
Forschung, Entwicklung und Förderung<br />
besser voranzutreiben. Gemeinsam werden<br />
Forschungs- und Entwicklungsthemen<br />
bearbeitet, um dadurch schneller<br />
und effizienter innovativeOberflächen zu<br />
gestalten. Das geschieht durch Workshops<br />
und Messen, Einzel- und Verbundprojekten,<br />
Identifikation und Akquise von<br />
Fördermitteln für Innovations- und Netzwerkprojekten,<br />
Unterstützung bei der<br />
Entwicklung vonbestehenden und neuen<br />
Ausbildungs- und Studiengängen sowie<br />
gezielte Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Dr. Hans-Joachim Weintz (J.W. Ostendorf)<br />
erläutert im Gespräch die Philosophie<br />
des Netzwerks Oberfläche: „Es ist<br />
wichtig, über den Tellerrand hinwegzuschauen.<br />
Es entwickelt sich stets alles weiter.<br />
Man darf auf keinen Fall stehen bleiben.<br />
Ich selbst habe nie aufgehört zu lernen.<br />
Auch weil der Spaßfaktor einfach<br />
Geschützt durch eine Eloxalschicht: Produkte wie dieses Sicherheitsventil w<br />
groß ist.“ Geschäftsführer Martin Gründkemeyer<br />
arbeitet täglich als Brückenbauer:<br />
„Nicht ganz einfach ist es zwischen<br />
allen Mitgliedern, auf gleicher Augenhöhe<br />
zu kommunizieren, besonders wenn es<br />
um die Sorgen bei Geheimhaltung und<br />
Verschwiegenheit geht. <strong>Die</strong> Konkurrenzgedanken<br />
unter den Wettbewerbern sind<br />
stark ausgeprägt.“<br />
Ob bei Betriebsbesuchen, bei der Akquise<br />
am Telefon oder auf Tagungen: Der 35-<br />
jährige Ingenieur für Beschichtungs- und<br />
Oberflächentechnik bleibt stets am Ball,<br />
denn für ihn ist klar: „Mehr Kooperationen<br />
sind die Zukunft! In Kooperation<br />
kann gemeinsam viel mehr erreicht werden,<br />
als wenn jeder für sich agiert.“.<br />
Auch für Weintz, der gleichermaßen in<br />
<strong>Wirtschaft</strong> wie Wissenschaft zu Hause ist,<br />
ist Netzwerkarbeit immer konstruktiv angelegt:<br />
„Mit Mitbewerbern gibt es eigentlich<br />
keine Konkurrenz. Ich habe da durchwegguteErfahrungen<br />
gemacht.“ Eitelkeiten<br />
hätten keinen Platz, w<br />
gehe, gemeinsam nachha<br />
chentechnologien nach v<br />
gen.Wichtig ist es, in der B<br />
und Schnelligkeit zu zeig<br />
chancen zu ergreifen“, b<br />
„Ich muss mich vielmehr fr<br />
te ich, damit der potenzie<br />
mir zusammenarbeitet?“<br />
ergänzt: „Ich glaube dara<br />
Firma stärker wird, werde<br />
Partner auch stärker.Ich se<br />
ken, dass die Gleichung 1<br />
Boole'schen Wert ‚Wahr‘ er<br />
Ideenfindung bis zur Verm<br />
Netzwerk Oberfläche aktiv<br />
uns als Spezialist mit ge<br />
ein, um Potenziale, Grenze<br />
tionen auszuloten. Wir fi<br />
moderieren, bewerten Sp<br />
sind Trendscout und viele<br />
Tägliches Pflichtprogram<br />
schäftsführers ist daher au
GESCHÄFT<br />
21<br />
Schicht<br />
erden<br />
Fachkräfte gehen<br />
so nicht verloren<br />
Farb- und Lacktechniker –Weiterbildung neben dem Job<br />
Eines der Leuchtturmprojekte des<br />
Netzwerks Oberfläche NRW ist der<br />
bundesweit einmalige Bildungsgang<br />
zum staatlich geprüften Farb- und<br />
Lacktechniker in Teilzeit. Eingerichtet<br />
wurde er in der Fachschule Technik<br />
am Adolph-Kolping-Berufskolleg<br />
in Münster.ImVergleich zum bereits<br />
bestehenden Vollzeitangebot ist die<br />
Teilzeitformaus Sicht von Studierenden<br />
und Unternehmen von deutlich<br />
höherem Wert. Denn: Dem Betrieb<br />
gehen die Fachkräfte nicht verloren.<br />
<strong>Die</strong>se können sich ohne Kündigung<br />
des Arbeitsplatzes und Aufgabe des<br />
Lebensstandards weiterbilden.<br />
Das Netzwerk Oberfläche<br />
NRW hatte den richtigen<br />
Riecher. Ein wahrer Run<br />
setzte ein. Auf 35Studienplätze<br />
kamen zum Start<br />
2013 rund 70 Anmeldungen. <strong>Die</strong> Zahl der<br />
Studienplätze wurde aufgestockt. <strong>Die</strong><br />
Nachfragestieg weiter.<strong>2015</strong>folgten über<br />
150Anmeldungen auf 70 Plätze (in zwei<br />
Klassen).<br />
Matthias Günnewig erläutert den großen<br />
Vorteil: „Betriebe können sehr gezielt<br />
Personalentwicklung betreiben und alle<br />
Potenziale ihrer Mitarbeiter fördern.“<br />
Und mit Blick auf die demografische Entwicklung<br />
ergänzt er: „<strong>Die</strong> Teilzeitweiterbildung<br />
ist ein aktives Steuerungsinstrument<br />
gegen Fachkräftemangel.“<br />
Und wie sind die Berufsaussichten für<br />
Teilzeitstudierende? „Sie könnten kaum<br />
besser sein“, erwidert Martin Gründkemeyer.<br />
Denn die Unternehmen hätten ein<br />
konkretes Interesse an deren Entwicklung.<br />
„Dank Stipendien und sonstiger Anreizsysteme<br />
können die Fachkräfteinder<br />
Firma gehalten werden.“<br />
Bei seiner Aussage verlässt er sich auf<br />
zahlreiche Rückmeldungen aus der Branche.<br />
Unternehmen wie BASF,Brillux, Osmo,<br />
Ostendorfund BYKsowie Anwender<br />
wie Schmitz Cargobull, Claas und Kaldewei<br />
haben schon Bedarf anStudienplätzen<br />
angemeldet. Mehr noch: Nicht wenige<br />
Industriepartner wollen sich am Curriculum<br />
beteiligen, schicken Experten, die<br />
am Unterricht mitwirken.<br />
Das Teilzeitangebot bietedie Option, Beruf,<br />
Karriereund finanzielle Absicherung<br />
gut zu vereinbaren, meint Ingo Hörsting,<br />
Leiter Forschung und Entwicklung bei<br />
Brillux. Als zeitgemäße und inhaltlich<br />
sinnvolle Weiterbildung stuft Wolfram<br />
Schier, Leiter Personalentwicklung und<br />
Ausbildung bei BASF, den berufsbegleitenden<br />
Bildungsgang ein.<br />
ps<br />
Foto: J.W.Ostendorf<br />
erden sodauerhaft versiegelt.<br />
enn es darum<br />
ltige Oberfläorne<br />
zu brinranche<br />
Agilität<br />
en, um Marktetont<br />
Weintz.<br />
agen: Wasbielle<br />
Partner mit<br />
Gründkemeyer<br />
n: Wenn eine<br />
nalle anderen<br />
he in Netzwer-<br />
+1 =3oft den<br />
hält.“. Vonder<br />
arktung ist das<br />
:„Wirmischen<br />
nerellem Blick<br />
nund Konzepltern,<br />
beraten,<br />
arringspartner,<br />
smehr.“<br />
m des Gech<br />
die 60- bis<br />
Foto: TKOberfläche.<br />
OBERFLÄCHENTECHNOLOGIE<br />
Oberflächen sind Teil des persönlichen Wohnstils.<br />
Klassisch oder modern, durchgehend oder unterteilt,<br />
glatt oder gerahmt. Allein bei den Küchen,<br />
die zum Beispiel in Warendorf produziert werden,<br />
gibt es über 300 Oberflächen- und über 2000<br />
Farbvarianten. <strong>Die</strong> dabei angewandte Technik ist<br />
vielfältig: Anstrich, Lackierung, Tauchen oder Härten,<br />
Oxidierung und Lasermarking. Zwischen zwei<br />
grundlegenden Verfahren wird unterschieden:<br />
einerseits die Beschichtung von Oberflächen, andererseits<br />
die Veränderung der materialtypischen<br />
Oberflächeneigenschaften.<br />
In Münster ist die Branche geprägt von großen<br />
90-minütige aktuelle Lektüre der Fachzeitschriften.<br />
Wasihn antreibt? „<strong>Die</strong> technische<br />
Machbarkeit, Unternehmen erfolgreicher<br />
zu machen; den Weg zuebnen,<br />
zu vereinfachen, Networking,<br />
Marktbeobachtung, das Matching zwischen<br />
<strong>Wirtschaft</strong> und Wissenschaft auf<br />
Augenhöhe.“ Denn: „Wir betrachten die<br />
Dinge nicht oberflächlich, sondern oberflächIG.“<br />
Das Netzwerk nehme gemeinsam die<br />
Hürden, etwabei bürokratischen Fragen.<br />
„Sonst sitzt immer einer allein wie das Kaninchen<br />
vorder Schlange“ So ist das Netzwerk<br />
„ein Zusammenbringen an kritischen<br />
Massen und grauen Zellen“. Nachhaltigkeit<br />
ist dabei ein wichtiger Baustein.<br />
Matthias Günnewig nennt das Beispiel<br />
Farben: „Früher hieß es immer ´Farbe<br />
muss stinken, sonst ist es nicht neu´. Heute<br />
geht es darum, Wandfarbe zu entwickeln,<br />
die Gerüche absorbiert und keine<br />
gesundheitlichen Nebenwirkungen hat.“<br />
Als ein wesentliches Instrument hat das<br />
Netzwerk den Oberflächenatlas NRW<br />
entwickelt. Er führt Unternehmen und<br />
Einrichtungen aus den Themenfeldern<br />
Lohnbeschichtung, Rohstoffe und Halbzeuge,<br />
Anlagen und Peripherie, Forschung<br />
und Entwicklung sowie <strong>Die</strong>nstleister<br />
auf. Regionale Ansprechpartner<br />
finden per Mausklick wirtschaftliche und<br />
wissenschaftliche Kompetenz vor der<br />
Haustür. Esgeht auch um kurze Wege,<br />
Nachfolgerfragen und Antworten auf<br />
technische Fragestellungen.<br />
Peter Sauer<br />
Im Labor wird ein Lack exakt eingewogen.<br />
Lack- und Farbproduzenten wie BASF und Brillux.<br />
<strong>Die</strong>se stellen Lacke und Farben für unterschiedliche<br />
Anwendungen her und gehören zu den Marktführern<br />
ihrer Branche. Mit insgesamt mehr als 4500 Beschäftigten<br />
und einem Jahresumsatz von drei Milliarden<br />
Euro stellen diese Unternehmen die größte<br />
Industriebranche in der Stadt dar. Mit der Oberflächenanalytik<br />
im Mikro- und Nanobereich hat sich in<br />
Münster in den vergangenen Jahren ein Schwerpunkt<br />
im Bereich der technologischen <strong>Die</strong>nstleistung<br />
herausgebildet. Im Umfeld der Forschungen am<br />
Center for Nanotechnology (CeNTech) und den Fachbereichen<br />
Chemie und Physik der Universität hat<br />
sich eine hoch innovative Szenerie kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen entwickelt. <strong>Die</strong>se befassen<br />
sich vor allem mit Technologien zur nanound<br />
mikroskaligen Analyse und Beeinflussung von<br />
Oberflächeneigenschaften.<br />
<strong>Die</strong> Unternehmen der Oberflächentechnologie bilden<br />
eine Kernbranche im Münsterland. Wegen der<br />
zahlreichen, sehr erfolgreichen Akteure ist Münster<br />
der beschäftigungsstärkste Lackproduktionsstandort<br />
inDeutschland, zumal aus dem Münsterland<br />
zwei der größten Dispersionsfarbenhersteller<br />
Europas kommen: Brillux und Ostendorf. Mit BASF<br />
Coatings in Münster-Hiltrup findet sich in der Region<br />
auch der größte zusammenhängende Lackproduktionsstandort<br />
der Welt.<br />
ps<br />
Foto: J.W.Ostendorf.<br />
BEST OF<br />
business<br />
muenster.business de<br />
Das erfolgreiche <strong>Wirtschaft</strong>sportal
22 GELD & GESCHÄFT<br />
Beim Recruiting punkten<br />
wie die Metropolen<br />
Kreis Warendorf startet über die <strong>Wirtschaft</strong>sförderung einen „Willkommens-Service“ für Fachkräfte<br />
Wegen 1500 blühender Pflaumenbäume<br />
oder 52 Hofläden verlegt niemand<br />
den beruflichen und privaten<br />
Lebensmittelpunkt in den Kreis Warendorf.<br />
Aber Fach- und Führungskräfte<br />
sind dort gern gesehen und<br />
müssen her. Mit einem „Willkommens-Service“<br />
will die Gesellschaft<br />
für <strong>Wirtschaft</strong>sförderung im Kreis<br />
Warendorf (gfw) jetzt mehr qualifizierte<br />
Fach- und Führungskräfte für<br />
den <strong>Wirtschaft</strong>sstandort gewinnen.<br />
<strong>Wirtschaft</strong>lich hat der<br />
Kreis Warendorf<br />
Arbeitgeber zu bieten,<br />
die in ihrem Segment<br />
weltweit führend<br />
sind. Zum Beispiel die ThyssenKrupp Industrial<br />
Solutions in Neubeckum, die<br />
800 Ingenieure beschäftigt und im Großanlagen-<br />
und Maschinenbau zu Hause<br />
ist. Oder die Beumer Group, international<br />
führender Hersteller von Förder- und<br />
Verladetechniken. Viele sind Global Player,<br />
bieten innovative Produkte und<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen.<br />
Wie überzeugt aber ein Unternehmen<br />
einen Wunschkandidaten davon, sich<br />
fürs Münsterland und den Kreis Warendorf<br />
zu entscheiden und BMW, Siemens<br />
oder Bosch, Bayern oder Baden-Württemberg<br />
links liegen zu lassen?<br />
Frisch im <strong>August</strong> gestartet, greift die gfw<br />
den Personalern der ansässigen Unternehmen<br />
mit dem „Willkommens-Service“<br />
unter die Arme. Ein Rundum-Service,<br />
der Bewerbern den Kreis nicht nur<br />
schmackhaft machen<br />
soll, sondern<br />
auch die Bedürfnisse<br />
von<br />
Kind und Kegel<br />
im Hinterkopf behält.<br />
„Mit dem Willkommens-Service<br />
geben wir potenziellen<br />
Fachkräften<br />
einen Überblick zu Themenfeldern<br />
wie Familienleben, Kultur und Freizeit,<br />
Wissenschaft oder Wohnen und bieten<br />
ihnen einen persönlichen Beratungsservice<br />
an“, fasst Petra Michalczak-Hülsmann,<br />
Geschäftsführerin der gfw, die<br />
Service-Module zusammen.<br />
Vier Stück gibt es. Das Basis-Modul dient<br />
als Einstieg in den Willkommens-Service<br />
– sozusagen als „Infotour“ durch den<br />
Kreis Warendorf. Berater der gfw treffen<br />
sich mit den Wunschkandidaten und stellen<br />
den Status quo fest: Single, Paar oder<br />
Familie? Wie sehen die Wünsche zum<br />
Wohnen und Leben aus, welche Hobbys<br />
„Jedes Unternehmen kann uns<br />
ansprechen, egal ob große Maschinenbaufirma<br />
oder kleiner Handwerksbetrieb.“<br />
Petra Michalczak-Hülsmann<br />
Heißen Fach- und Führungskräfte willkommen: Petra Michalczak-Hülsmann, Geschäftsführerin der Gesellschaft für <strong>Wirtschaft</strong>sförderung im Kreis Warendorf<br />
mbH (gfw), und Landrat Dr. Olaf Gericke.<br />
Fotos: Maxi Krähling<br />
müssen möglich sein? Steht das fest, präsentiert<br />
die gfw individuell zugeschnittene<br />
Angebote.<br />
Im VIP-Modul gibt es zusätzlich Informationen<br />
zu unterschiedlichen Wohnmöglichkeiten.<br />
Darf es ein Haus oder eine<br />
Wohnung sein, Eigentum oder Miete?<br />
Auch Informationen zum Schul- und Betreuungsangebot<br />
im Kreis Warendorf<br />
werden geliefert. „All dies wird berücksichtigt,<br />
damit sich die Bedürfnisse der<br />
Wunschkandidaten und die Angebote,<br />
die der Kreis bietet, miteinander decken“,<br />
so Michalczak-Hülsmann.<br />
Damit nicht genug: Wenn schon der<br />
Hausstand umzieht, dann nach Möglichkeit<br />
auch der Job des Partners. Auch hier<br />
hilft die <strong>Wirtschaft</strong>sförderung und klopft<br />
die beruflichen Perspektiven in der Region<br />
ab. „Der Dual Career Service bietet<br />
Informationen zu Branchen und potenziellen<br />
Arbeitgebern und stellt auf<br />
Wunsch den Kontakt zu den passenden<br />
Netzwerkpartnern her“, verspricht der<br />
neue Internetauftritt.<br />
<strong>Die</strong> gfw stellt den Service den Unternehmen<br />
kostenlos zur Verfügung. „Jedes<br />
Unternehmen kann uns ansprechen, egal<br />
ob große Maschinenbaufirma oder kleiner<br />
Handwerksbetrieb,“ so Michalczak-<br />
Hülsmann. Im Münsterland sucht der<br />
„Willkommens-Service“ derzeit seinesgleichen.<br />
„Es gibt Vorbilder aus großen<br />
Metropolen wie Berlin, aber hier sind wir<br />
die ersten mit diesem Angebot“, so Michalczak-Hülsmann.<br />
Dass der Service für<br />
einen kompletten Kreis angeboten werde,<br />
sei ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal.<br />
Aber die gfw setzt nicht allein auf<br />
den Willkommensservice. „Wir haben<br />
eine konkrete Strategie und Lösungsansätze,<br />
um Unternehmen bei dem Recruiting<br />
von Fach- und Führungskräften zu<br />
unterstützen“, verdeutlicht Michalczak-<br />
Hülsmann. So werden das Hochschul-<br />
Kompetenz-Zentrum „studieren & forschen“<br />
(HOKO) und die Studienorte Ahlen,<br />
Beckum und Oelde der FH Münster<br />
mit einbezogen.<br />
Wie viele zukünftige Fach- und Führungskräfte<br />
das Angebot in Anspruch<br />
nehmen werden, kann die gfw noch nicht<br />
absehen. „<strong>Die</strong> angebotene individuelle<br />
Beratung von Wunschkandidaten ist ein<br />
Experiment“, sagt die Geschäftsführerin.<br />
<strong>Die</strong> Unternehmen aus der Region müssen<br />
also zuarbeiten und den Service bei der<br />
gfw buchen. Der Impuls, einen solchen<br />
<strong>Die</strong>nst einzurichten, kam von den Firmen<br />
aus der Region. Außerdem sind die Bürgermeister<br />
der 13 Städte und Gemeinden<br />
mit im Boot. Es ist ein gemeinsames Angebot.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Wirtschaft</strong>sförderungen vor<br />
Ort vermitteln den Kontakt zum Willkommens-Service<br />
der gfw. „Vor allem bei<br />
den Elektro- und Maschinenbauingenieuren<br />
sowie in der Gesundheitswirtschaft<br />
ist es für die Unternehmen schwierig,<br />
geeignete Fachkräfte in der Region zu<br />
finden. Deshalb liegt den Unternehmen<br />
viel daran, Bewerber für den Kreis zu akquirieren“,<br />
erklärt Michalczak-Hülsmann.<br />
Mehr als 15 000 Menschen arbeiten<br />
im Kreis Warendorf im Maschinenund<br />
Anlagenbau. „Hier finden sich beste<br />
Voraussetzungen, die Karriere zu starten<br />
oder in Schwung zu bringen. Wie der<br />
Willkommens-Service angenommen<br />
wird, hängt auch von der Konjunkturentwicklung<br />
ab. Aber die oft mittelständischen<br />
und familiengeführten Unternehmen<br />
planen langfristig und setzen die<br />
Instrumente der Personalentwicklung<br />
gezielt ein. Arbeitgeberattraktivität ist<br />
kein Fremdwort“, erklärt Landrat Dr. Olaf<br />
Gericke. Der Anreiz für Bewerberinnen<br />
und Bewerber sollte da sein. Jetzt müssen<br />
sie noch zugreifen.<br />
www.willkommensservice-waf.de<br />
Maxi Krähling<br />
NACHGEFRAGT<br />
Warum fällt es den Unternehmen schwer, geeignete Fachkräfte zu finden?<br />
Landrat Dr. Olaf Gericke, Vorsitzender des Aufsichtsrates der gfw: Heute entscheidet nicht mehr alleine<br />
der finanzielle Anreiz darüber, ob man eine neue Stelle annimmt oder nicht. Heute wird das vor<br />
allem zu Hause am Küchentisch entschieden. <strong>Die</strong> Lebenspartner und Kinder reden mit. Wenn man die<br />
Wahl hat zwischen München oder Warendorf, ist die Wahl unter Umständen schnell gefallen. Deshalb<br />
müssen wir nicht nur die Bewerber, sondern die ganze Familie von den Vorteilen des ländlichen Raumes<br />
und vor allem des Kreises Warendorf überzeugen.<br />
Der Willkommens-Service könnte das schaffen?<br />
<strong>Die</strong> Willkommensseite der Gesellschaft für <strong>Wirtschaft</strong>sförderung im Kreis Warendorf mbH.<br />
Gericke: Ja. Der Willkommens-Service bietet die größtmögliche Unternehmensnähe und damit die optimale<br />
Anpassung an die Bedürfnisse der Unternehmen. Wir können die Unternehmen individuell dabei<br />
unterstützen, Fach- und Führungskräfte zu gewinnen. Bislang konnten wir den Bewerbern zwar<br />
Informationsmaterial an die Hand geben – von den Städten und Gemeinden, von den Unternehmen,<br />
von verschiedenen Freizeitangeboten – aber nichts Gebündeltes, was den Kreis Warendorf als Ganzes<br />
darstellt und speziell auf sie zugeschnitten ist. Deshalb bieten wir diese <strong>Die</strong>nstleistung seit <strong>August</strong><br />
als Teil unserer Fachkräftestrategie an, um die Wunschkandidaten an die Hand zu nehmen und ihnen<br />
gezielt zu zeigen, was den Kreis Warendorf so attraktiv macht. Warum es sich lohnt, hier zu leben.<br />
Wir heißen sie willkommen.<br />
Maxi Krähling
23 GELD & GESCHÄFT<br />
Für gute Mitarbeiter<br />
muss man brennen<br />
1. Westfälischer Kongress für Mitarbeiter-Begeisterung – Experten verraten ihre Erfolgsideen<br />
Begeisterung steckt an. Nicht nur im<br />
Stadion oder in der Konzertarena –<br />
auch im Arbeitsleben wirken Menschen,<br />
die für eine Sache brennen,<br />
wie ein Motor. Begeisterung, die an<br />
ein Unternehmen bindet und antreibt,<br />
Aufgaben optimal zu erfüllen,<br />
fällt aber nicht vom Himmel. Sie<br />
muss entwickelt und gelebt werden.<br />
In Münster findet am 28. Oktober der<br />
„1. Westfälische Kongress für Mitarbeiter-Begeisterung“<br />
statt, der<br />
aufzeigen wird, wie man im „War for<br />
Talents“ die klugen Köpfe und engagierten<br />
Bewerber gewinnt.<br />
Michael Groß ist der<br />
zweiterfolgreichste<br />
deutsche Schwimmsportler<br />
aller Zeiten.<br />
Der „Albatros“, wie er<br />
wegen seiner großen Spannweite der Arme<br />
respektvoll genannt wird, ist heute<br />
Kommunikationsmanager und Lehrbeauftragter<br />
an der „Frankfurt School of Finance<br />
& Management“ im Fachbereich<br />
Personalführung und Unternehmenskultur.<br />
Groß, der unter anderem ein Buch<br />
mit dem Titel „Siegen kann jeder“ verfasst<br />
hat, gehört Ende Oktober im Messeund<br />
Congress-Zentrum Halle Münsterland<br />
zu den Top-Referenten des vor allem<br />
für den Mittelstand konzipierten Personalkongresses.<br />
„Das Kapital Mitarbeiter<br />
Dr. Michael Groß<br />
Foto: dpa<br />
mobilisieren“ – zum diesem Thema<br />
spricht der Weltklasse-Athlet. Eine seiner<br />
Kernbotschaften lautet: Führungskraft<br />
ist, wer andere erfolgreich macht.<br />
Beim 1. Westfälischen Kongress für Mitarbeiter-Begeisterung<br />
vermitteln 14 Top-<br />
Referenten der Personalszene Strategien<br />
und Ideen, damit kleinere und mittlere<br />
Unternehmen beim Recruiting erfolgreich<br />
sein können. „Praxisorientiert und<br />
fokussiert auf kleine und mittlere Budgets.<br />
Alles für ein gutes Arbeitgeber-<br />
Image und bessere Sichtbarkeit auf dem<br />
Arbeitsmarkt. Um dann mit dem richtigen<br />
Mix an Recruiting-Maßnahmen die<br />
engagierten Bewerber zu finden – und<br />
diese genau wie bestehende Mitarbeiter<br />
langfristig für Ihr Unternehmen zu begeistern“,<br />
heißt es in einer Ankündigung.<br />
Schon um 8.45 Uhr wird Christiane Stein,<br />
Moderatorin der ntv-News, das Programm<br />
einläuten. Für die Unternehmensgruppe<br />
Aschendorff, die mit der<br />
Zeitungsgruppe Münster Strategie-Partner<br />
des Kongresses ist, wird Geschäftsführer<br />
und Verleger Dr.<br />
Eduard Hüffer ein kurzes<br />
Grußwort sprechen.<br />
„In Zukunft überzeugen<br />
Arbeitgeber die Bewerber“ –<br />
so lautet die These von Prof.<br />
Dr. Armin Trost, vom „Personalmagazin“<br />
zu einem der führenden<br />
40 Köpfe im Personalwesen gekürt.<br />
Trost, der an der Hochschule Furt ngen<br />
Personalmanagement lehrt, wi ebendig<br />
erläutern, wie man als Unternehmen<br />
zur Marke wird. „Ein Perspektivenwechsel<br />
ist angesagt – es geht um Schnelligkeit,<br />
Transparenz und Wertschätzung.“<br />
Weitere Referenten in Münster sind die<br />
Geschäftsführerin und Bestsellerautorin<br />
Daniela A. Ben Said, „Female Speaker of<br />
the Year 2014“, Fachbuchautor und Verkaufstrainer<br />
Dirk Kreuter, der Osnabrücker<br />
<strong>Wirtschaft</strong>spsychologe Prof. Dr. Uwe<br />
P. Kanning, Prof. Dr. Jörg Knoblauch,<br />
unter anderem Vorstandsmitglied der<br />
Deutschen Management-Gesellschaft,<br />
und Thomas Hans, Präsident des Marketing-Clubs<br />
Münster / Osnabrück e.V.<br />
Ausführliche Informationen und die<br />
Möglichkeit zur Anmeldung finden Interessierte<br />
unter www.begeisterungs-kongresse.de.<br />
wk<br />
STANDORTPORTRÄT: Senden-Bösensell<br />
Senden auf Expansionskurs<br />
Gemeinde punktet mit guter Verkehrsanbindung – Neues Gewerbegebiet „Brocker Feld“ in Bösensell<br />
Mitten im Münsterland, am Autobahnkreuz<br />
A43/A 1, im Zentrum des<br />
Kreises Coesfeld und damit innerhalb<br />
eines stark expandierenden<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sraumes mit hohem Nachfragepotenzial,<br />
liegt Senden.<br />
<strong>Die</strong> Gemeinde fördert aktiv die Ansiedlung<br />
von Unternehmen und unterstützt<br />
sie bei standortbezogenen Planungen<br />
und Umsiedlungs- und Erweiterungsvorhaben.<br />
Dabei legt sie großen Wert auf<br />
eine partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />
mit ortsansässigen Betrieben und auf<br />
eine optimale Infrastruktur in allen Bereichen.<br />
Ein attraktiver Standort für Unternehmen<br />
ist der Sendener Ortsteil Bösensell.<br />
Durch die Lage der Gewerbegebiete – nahe<br />
der Autobahn A 43 und direkt an der<br />
Eisenbahnstrecke Münster-Dülmen-Essen<br />
– ist dieser Standort nicht nur für<br />
Arbeitgeber reizvoll. Auch die Arbeitnehmer<br />
aus der Region wissen die gute Verkehrsanbindung<br />
zu schätzen.<br />
Am exponierten Standort an der A 43 an<br />
der Anschlussstelle Senden entsteht aktuell<br />
ein weiteres, neues Gewerbegebiet<br />
namens Brocker Feld mit neun Hektar Industrie-<br />
und Gewerbefläche. In Kürze soll<br />
mit dem Bau der ersten Unternehmen begonnen<br />
werden. <strong>Die</strong> letzten Erschließungsarbeiten<br />
werden nun durchgeführt,<br />
sollten aber in diesen Tagen abgeschlossen<br />
sein. Interessenten für das Baugebiet<br />
gibt es bereits. Drei Unternehmen<br />
aus der Gemeinde Senden möchten sich<br />
dort ansiedeln.<br />
Zunächst wird der südliche Teil vermarktet.<br />
„Auch im nördlichen Teil hätten wir<br />
schon Grundstücke vermarkten können.<br />
Für diese Flächen wollen wir allerdings<br />
mit wissenschaftlicher Unterstützung der<br />
Fachhochschule Münster ermitteln, welche<br />
Unternehmen aus welcher Branche<br />
am Besten in die Gemeinde passt“, so<br />
Bürgermeister Alfred Holz. Aufgrund der<br />
verkehrstechnisch günstigen Lage und<br />
der künftigen Glasfaser-Versorgung des<br />
Gebiets, „haben wir die besten Voraussetzungen<br />
für die Ansiedlung eines Unternehmens<br />
aus der Hochtechnologie geschaffen“,<br />
so der Bürgermeister weiter.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung der Fachhochschule<br />
solle bis zum Jahresende abgeschlossen<br />
werden.<br />
Aber auch vor der Fertigstellung des neuen<br />
Gewerbegebiets ist die Gemeinde mit<br />
den Gebieten „Im Südfeld“ und „Im<br />
Dorn“ bereits gut aufgestellt. „Schon bei<br />
der Verlagerung des Standortes waren<br />
die gute Autobahnanbindung sowie die<br />
Nähe zu Münster Gründe, die für Senden<br />
sprachen“, sagt beispielsweise Christina<br />
Rüsweg von der Th. Niehues GmbH, die<br />
sich an der Bahnhofstraße angesiedelt<br />
hat. Zudem bot das Gewerbegebiet genügend<br />
Fläche um sich zu vergrößern. „In<br />
den fast 30 Jahren, die die Th. Niehues<br />
GmbH nun in Senden ist, hat sich eine<br />
positive und enge Zusammenarbeit mit<br />
der Kommune entwickelt und es konnte<br />
immer mit Unterstützung gerechnet werden.“<br />
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wird mit großen Plakaten angekündigt.<br />
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24 GELD & GESCHÄFT<br />
Kaum Fortschritte in NRW<br />
Kommunaler Finanzreport sieht Kommunen und Kreise mehr und mehr in der Bredouille<br />
<strong>Die</strong> Haushaltsergebnisse der Städte<br />
und Kreise in Nordrhein-Westfalen<br />
haben sich 2014 dramatisch verschlechtert.<br />
Bewegten sich die Kommunen<br />
in den beiden Vorjahren noch<br />
nahe der schwarzen Null, so stand<br />
2014 ein Defizit von über 1,5 Milliarden<br />
Euro zu Buche. „In keinem anderen<br />
Bundesland gab es einen vergleichbaren<br />
Einbruch“, berichtete<br />
jetzt die Bertelsmann-Stiftung in<br />
ihrem Kommunalen Finanzreport.<br />
<strong>Die</strong> bayerischen Kommunen<br />
verzeichneten gar einen<br />
Überschuss in fast gleicher<br />
Höhe. Verantwortlich für das<br />
Defizit in NRW ist kein Rückgang<br />
der Einnahmen, sondern<br />
ein starker Anstieg der<br />
Ausgaben für Personal und<br />
Soziales.<br />
Folge dieser Entwicklung<br />
seien weiter wachsende<br />
Kassenkredite. <strong>Die</strong>sen Krediten<br />
stünden, sofern sie<br />
nicht aufgrund der<br />
Niedrigzinsphase zur Umschuldung<br />
von Investitionskrediten<br />
genutzt werden, keinerlei Werte<br />
oder Investitionen gegenüber.<br />
„Sie sind – vergleichbar mit Dispo-Krediten<br />
– eine der letzten<br />
Möglichkeiten für notleidende<br />
Kommunen, kurzfristig ihre Zahlungsfähigkeit<br />
zu sichern. Trotz<br />
des ambitionierten Stärkungspakts,<br />
den die nordrhein-westfälische<br />
Landesregierung 2009 aufgelegt<br />
hat, stiegen die Kassenkredite<br />
auf das Rekordniveau von 26,5 Milliarden<br />
Euro. Das sind 1500 Euro pro Einwohner“,<br />
heißt es in einer Mitteilung.<br />
Damit stehe jeder zweite Euro, den Kommunen<br />
in Deutschland als Kassenkredit<br />
aufnehmen, in den Bilanzen einer NRW-<br />
Kommune. In Bayern, Sachsen oder Baden-Württemberg<br />
hingegen seien Kassenkredite<br />
nahezu unbekannt. Allein die<br />
Stadt Essen müsse mit fast 2,1 Milliarden<br />
Euro drei Mal mehr Kassenkredite bedienen<br />
als alle Kommunen Bayerns, Baden-<br />
Württembergs und Sachsens zusammen.<br />
Besonders in der Bredouille sind laut Bertelsmann-Stiftung<br />
Essen, Duisburg, Wuppertal,<br />
Oberhausen, Dortmund, Hagen,<br />
Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Mülheim<br />
und Bochum. Auf sie entfallen 12,5<br />
der 27 Milliarden Euro Kassenkredite.<br />
Mit der Kredithöhe steigen die Zinsrisiken.<br />
Weil Kassenkredite kurze Laufzeiten<br />
haben, würden sich etwaige Zinsanstiege<br />
schnell in den Haushalten niederschlagen.<br />
Bereits heute zahlen die<br />
Kommunen in NRW drei Mal mehr<br />
Zinsen als jene in Sachsen. „Bestehende<br />
Haushaltskrisen verschärfen sich –<br />
trotz insgesamt guter Konjunktur und<br />
eines finanzpolitisch positiven Bundestrends“,<br />
sagte Kirsten Witte, Kommunalexpertin<br />
der Bertelsmann-Stiftung.<br />
In NRW seien die Kassenkredite inzwischen<br />
höher als die Investitionskredite.<br />
Das Bundesland gerate daher<br />
bei Investitionen in die lokale<br />
Infrastruktur mehr und mehr in<br />
Rückstand. <strong>Die</strong> Kommunen in Bayern<br />
und Baden-Württemberg investieren<br />
pro Einwohner 2,5 Mal<br />
mehr als in Nordrhein-Westfalen.<br />
„Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse<br />
ist diese Entwicklung<br />
bedrohlich. <strong>Die</strong> Unterschiede<br />
zwischen den Regionen<br />
werden fortgeschrieben“, sagte<br />
Witte<br />
Kaum einer notleidenden Kommune<br />
gelingt es, entscheidende Faktoren<br />
für finanzielle Handlungsspielräume<br />
mittelfristig wesentlich zu verbessern.<br />
Um das zu belegen, analysierte die Stiftung<br />
erstmals die zeitliche und regionale<br />
Entwicklung von Steuerkraft und Hartz-<br />
IV-Wohnkosten. Letztere sind direkt abhängig<br />
vom Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit<br />
und gelten als klassische kommunale<br />
Sozialleistung.<br />
Dazu<br />
wurden die 398<br />
kreisfreien Städte<br />
und Kreise bundesweit<br />
je nach<br />
Höhe ihrer Hartz-<br />
IV-Ausgaben bzw.<br />
Steuereinnahmen<br />
für 2008 und<br />
2013 in vier Gruppen eingeteilt.<br />
<strong>Die</strong> Steuereinnahmen der nordrheinwestfälischen<br />
Kommunen liegen über<br />
dem Bundesdurchschnitt. Allerdings fiel<br />
die Wachstumsdynamik in Nordrhein-<br />
Westfalen seit 2008 mit 6,5 Prozent relativ<br />
gering aus. Bundesweit stiegen die<br />
Steuereinnahmen in diesem Zeitraum<br />
um elf Prozent. Problematischer sind die<br />
hohen Ausgaben für die Hartz-IV-Wohnkosten.<br />
Nahezu jede zweite Kommune in<br />
Nordrhein-Westfalen befand sich sowohl<br />
2008 als auch 2013 im bundesweit<br />
schlechtesten Viertel. Den Kommunen<br />
gelingt es nicht, diese hohe Ausgabenbelastung<br />
abzubauen. Ein weiteres Ergebnis<br />
der Analysen: Haushaltskrisen sind<br />
oftmals programmiert, weil hohe Ausgaben<br />
für Hartz-IV-Wohnkosten vor allem<br />
in steuerschwachen Kommunen anfallen.<br />
„Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse<br />
ist diese Entwicklung<br />
bedrohlich.“<br />
Kirsten Witte<br />
Das OLB-Firmenkundengeschäft<br />
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25 WISSEN & LEBEN<br />
Benehmen ist längst<br />
nicht mehr Glückssache<br />
Von Tischmanieren und Taktgefühl – Eltern haben eine wichtige Vorbildfunktion. Benimmkurse<br />
können weiterhelfen, denn im Arbeitsleben ist korrektes Verhalten stets ein Gewinn.<br />
Gelernt ist gelernt: Wie hier beim Knigge-Dinner in Tecklenburg, kann man gutes Benehmen trainieren.<br />
Foto: Jürgen Peperhowe<br />
Benehmen ist Glückssache: Ein Satz,<br />
der bei schlechten Manieren schnell<br />
die Runde macht. Laut einer Allensbach-Umfrage<br />
legen 87 Prozent aller<br />
Deutschen Wert auf eine gute Kinderstube.<br />
Eine YouGov-Umfrage<br />
unter 1330 Bürgern zeigt, dass drei<br />
von vier Befragten sogar dafür sind,<br />
„Benehmen“ als Unterrichtsfach einzuführen.<br />
Dagegen kontert der Philologenverband:<br />
Nicht jeder gesellschaftliche<br />
Missstand könne durch<br />
ein neues Schulfach bekämpft werden,<br />
in puncto Benimm dürften Familie<br />
und Umfeld nicht aus der Verantwortung<br />
entlassen werden.<br />
Was also können Eltern<br />
und Familie tun, um<br />
Kindern gutes Benehmen<br />
beizubringen?<br />
Wo gibt es Unterstützung?<br />
Und warum ist gutes Benehmen<br />
eigentlich so wichtig?<br />
Gutes Benehmen bedeutet Kultur und<br />
Niveau. Umgangsformen und Manieren<br />
sind ein wichtiges Kriterium auf dem<br />
Arbeitsmarkt und für zwischenmenschliche<br />
Beziehungen. Gutes Benehmen öffnet<br />
Türen. Außerdem macht es Spaß,<br />
parkettsicher zu sein, manchmal ist dies<br />
sogar ein absolutes Muss. Daher gilt: Egal<br />
wo, egal in welcher<br />
Situation,<br />
„Kinder, die gute Umgangsformen<br />
erworben haben, gehen später<br />
selbstbewusster durch die Welt.“<br />
Benehmen darf<br />
auf keinen Fall<br />
Glücksache bleiben.<br />
Kinder profitieren<br />
für ihre Nicole Knaack<br />
ganze Zukunft,<br />
wenn sie die Regeln<br />
des Miteinanders möglichst früh auf<br />
spielerische Weise erlernen. Kinder, die<br />
in jungen Jahren gute Umgangsformen<br />
erworben haben, gehen später selbstbewusster<br />
durch die Welt, sagt Nicole<br />
Knaack, Pädagogin bei der Techniker<br />
Krankenkasse (TK). Altersangemessen,<br />
durch schrittweise Einführung einfachster<br />
Regeln wie „bitte“ und „danke“ sagen,<br />
können Kinder bereits im Kindergartenalter<br />
die Grundlagen der Höflichkeit erlernen.<br />
Kinder sind eher bereit, gute Umgangsformen<br />
zu übernehmen, wenn sie deren<br />
Sinn verstehen. Warum sollen sie ein bestimmtes<br />
Verhalten an den Tag legen,<br />
was steckt dahinter? Grundregeln und<br />
die Folgen müssen<br />
erklärt werden.<br />
Ein einfaches<br />
„Das macht<br />
man eben nicht“<br />
hilft nicht weiter.<br />
Kindern muss<br />
deutlich werden,<br />
dass es sich bei<br />
guten Manieren nicht nur um eine spießige<br />
Idee der Großen handelt, sondern dass<br />
– wer höflich ist – meist beliebter und erfolgreicher<br />
ist oder dass Tischmanieren<br />
schlicht hygienische Gründe haben – was<br />
Kinder meist spätestens dann verstehen,<br />
wenn jemand ihre Lieblingspuppe mit<br />
schmuddeligen Fingern anfasst.<br />
Eltern müssen vorleben, was sie predigen<br />
– Benehmen fängt in der Familie an. Kinder<br />
schauen sich ihr Verhalten von ihrer<br />
Umgebung ab. Wenn Mama also beim<br />
Autofahren andere als „Vollidioten“ beschimpft,<br />
wird Sohnemann nicht einsehen,<br />
warum er seinen Lehrer nicht ebenso<br />
nennen darf. Und wenn Papa beim Essen<br />
immer die Ellenbogen auf den Tisch<br />
stützt und Opa gern mal nach einem guten<br />
Essen rülpst, können die Kinder keine<br />
vernünftigen Tischmanieren erwerben.<br />
Was zu Hause noch in Ordnung gehen<br />
mag, wird dann womöglich – zur Verlegenheit<br />
aller – auch im Restaurant praktiziert.<br />
Eltern sollten auf keinen Fall tatenlos<br />
zusehen, wenn sich ihre Kinder<br />
schlecht benehmen. Sie tun sich selbst<br />
damit einen Gefallen, von ihren Kindern<br />
gutes Benehmen zu fordern. Freches, penetrantes<br />
oder verletzendes Verhalten<br />
von Kindern fällt immer auch auf die Eltern<br />
zurück, die ihre Kinder „nicht richtig<br />
erziehen“. Andere Menschen fühlen sich<br />
durch den Nachwuchs gestört und ärgern<br />
sich dabei nicht nur über die Kinder, sondern<br />
auch über die Eltern. Im schlimmsten<br />
Fall können sogar Sozialkontakte leiden.<br />
Beate Schräder<br />
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26 WISSEN & LEBEN<br />
Der Finger gehört<br />
nicht in die Nase<br />
Wer seinen Kindern gutes Benehmen beibringen möchte, muss nicht sofort zum Knigge greifen.<br />
Der Nachwuchs lernt am besten, wenn die Eltern gute Vorbilder sind.<br />
Rülpsen, pupsen, popeln – die Möglichkeiten,<br />
sich danebenzubenehmen,<br />
sind vielfältig. Und das betrifft<br />
nicht nur Dinge, die Ekel hervorrufen.<br />
Jemandem etwas wegzunehmen<br />
oder sich bei Missgeschicken nicht<br />
zu entschuldigen, fällt ebenso unter<br />
schlechtes Benehmen. Das muss man<br />
einfach wissen. Dabei sollten gutes<br />
Benehmen und die Regeln des Miteinanders<br />
Kindern nicht „andressiert“,<br />
sondern im Gegenteil ganz<br />
nebenbei spielerisch und selbstverständlich<br />
eingeführt werden. Das<br />
führt dazu, dass Benimmregeln sicher<br />
sitzen und damit auch jederzeit<br />
und in jeder Situation abrufbar, also<br />
automatisiert sind.<br />
Wenn Kinder bereits Regeln<br />
kennen, sollten<br />
Eltern auf deren Einhaltung<br />
achten und<br />
bei Verstößen klare<br />
Grenzen setzen. Das müssen nicht - eher<br />
abstrakt - der Taschengeldentzug oder<br />
das Fernsehverbot sein, sondern je nach<br />
Verstoß Konsequenzen, die mit der konkreten<br />
Situation im Zusammenhang stehen:<br />
„Du ärgerst andere Kinder auf dem<br />
Spielplatz – dann gehen wir jetzt nach<br />
Hause“, „Du quengelst an der Supermarktkasse<br />
– dann kann ich dich beim<br />
nächsten Mal nicht mehr mitnehmen“.<br />
Wichtig ist, den Worten auch wirklich Taten<br />
folgen zu lassen – ansonsten werden<br />
Kinder die Androhungen ihrer Eltern in<br />
Zukunft nicht mehr ernst nehmen.<br />
Viele Eltern neigen dazu, schlechtes Benehmen<br />
bei ihren Kindern sofort zu kritisieren.<br />
Doch anstatt Fehlverhalten zu tadeln,<br />
sollten die Kinder besser für das gelobt<br />
werden, was gut gelaufen ist. Das<br />
stärkt Sicherheit und Selbstbewusstsein.<br />
tern näher, wie sich der Weg ihres Kindes<br />
zum höflichen, rücksichtsvollen Menschen<br />
ebnen lässt. <strong>Die</strong> vorgestellten Tipps<br />
und Tricks sind kreativ, familiengerecht<br />
und vor allem alltagstauglich.<br />
Viele Institute wie Volkshochschulen<br />
oder Familienbildungsstätten bieten Benimmkurse<br />
an, speziell auf Kinder bestimmter<br />
Altersgruppe zugeschnitten. So<br />
hat z.B. das Haus der Familie in Münster<br />
in regelmäßigen Abständen den Kurs<br />
„Knigge für Kids“ im Programm, wo Kindern<br />
zwischen 5 und 10 Jahren die<br />
Grundbegriffe der Tischsitten, Begrüßungsregeln<br />
und allgemeine Umgangsformen<br />
vermittelt werden. Das spätere<br />
„Coaching“ müssen die Eltern zu Hause<br />
übernehmen, dazu gibt es eine entsprechende<br />
Vorbereitung.<br />
Auch zahlreiche Bücher beschäftigen sich<br />
mit dem Thema Benehmen. Eines davon<br />
ist „Knigge kinderleicht“ (Karolin Küntzel,<br />
Compact Verlag, 112 Seiten, 8-10<br />
Jahre, 7,99 Euro). Hier gibt es Tipps<br />
rund um das richtige Verhalten im<br />
Umgang mit anderen Menschen,<br />
sei es in der Schule,<br />
auf Reisen oder als Gast.<br />
Wie lautet die passende<br />
Begrüßung, welches<br />
Besteck verwendet<br />
man für<br />
welchen Gang,<br />
was verrät die<br />
Körpersprache<br />
und was ist<br />
Taktgefühl?<br />
Fallbeispiele, Quizfragen und ein Knigge-<br />
Spiel helfen beim Verinnerlichen. Wie<br />
versprochen, kinderleicht zu lesen, anschaulich<br />
und gut verständlich.<br />
Einen ähnlichen Weg geht der Moses-<br />
Verlag mit seinem Kartenset „50 Benimmtipps<br />
für freche Flegel und kleine<br />
Gören“ (Moses, ab 8 Jahren, 5,95 Euro).<br />
Mit der Kartenbox werden die Grundlagen<br />
des guten Benehmens verständlich<br />
und vor allem witzig erklärt. Warum ist<br />
es wichtig zu wissen, was sich gehört und<br />
was erlaubt ist? <strong>Die</strong> Karten schildern Alltagssituationen,<br />
wie sie jeder schon einmal<br />
erlebt hat, und zeigen höfliche Wege,<br />
sich beispielsweise für schrecklichscheußliche<br />
Geschenke zu bedanken,<br />
einer ungeliebten Kussattacke zu entkommen<br />
oder jemanden dezent darauf<br />
hinzuweisen, dass sein Körpergeruch<br />
problematisch ist. E-Mail- und Handy-<br />
Etikette<br />
werden ebenso thematisiert wie Tischmanieren,<br />
Fleckenmonster, Kaugummikauen<br />
oder das richtige Melden am Telefon.<br />
Was gutes Benehmen ist, wird von Land<br />
zu Land allerdings ganz unterschiedlich<br />
gesehen. Michaela Schonhöft hat in<br />
ihrem Buch „Kindheiten: Wie kleine<br />
Menschen in anderen Ländern groß werden<br />
(Pattloch, 384 Seiten, 19,99 Euro)<br />
untersucht, wie Eltern weltweit ihre Kinder<br />
erziehen und auch, welche Rolle dabei<br />
das Benehmen spielt. „Lieber Vater,<br />
erlauben Sie mir bitte, fernzusehen.“ In<br />
Deutschland klingt so ein Satz merkwürdig.<br />
„Aber in Frankreich gibt es einige Familien,<br />
in denen die Kinder die Eltern mit<br />
Sie anreden“, erzählt Michaela Schonhöft.<br />
<strong>Die</strong> Eltern aus einem Land sind natürlich<br />
nicht alle gleich. Aber es gibt<br />
Trends. „In Frankreich zum Beispiel geht<br />
es insgesamt durchaus strenger zu“, sagt<br />
Michaela Schonhöft. „Gutes Benehmen<br />
am Tisch ist vielen Eltern<br />
dort sehr wichtig“.<br />
Beate Schräder<br />
Unterstützung auf dem Weg, ihren Kindern<br />
gutes Benehmen beizubringen, finden<br />
Eltern in zahlreichen Medien - und<br />
können dabei sogar unter Umständen<br />
selbst noch etwas lernen.<br />
Ob Toben im Supermarkt, Kampf um die<br />
Schaufel auf dem Spielplatz oder Baggy-<br />
Jeans zu Omas 80. Geburtstag – es gibt<br />
unendlich viele Gelegenheiten, sich danebenzubenehmen.<br />
Was gutes Benehmen<br />
ist, müssen Kinder eben erst lernen.<br />
Hilfe dabei verspricht zum Beispiel die<br />
Internet-Seite stil.de: Wie können Eltern<br />
bei Fehlverhalten pädagogisch klug reagieren,<br />
Werte vermitteln und dabei<br />
noch die eigenen Nerven und die anderer<br />
Leute schonen? Unter anderem anhand<br />
eines „Kinder-Knigges“ und eines „1*1<br />
für knifflige Situationen“ bringt stil.de El-<br />
DAS SOLLTEN KINDER LERNEN<br />
Generell:<br />
•„Mein“ und „dein“ unterscheiden<br />
•„Bitte“ und „danke“ sagen<br />
•Grüßen und Zurückgrüßen<br />
•Um Entschuldigung bitten, falls ein Missgeschick passiert<br />
•Andere ausreden lassen<br />
•Hand vor den Mund beim Gähnen<br />
•„Du“ und „Sie“ bei Erwachsenen unterscheiden<br />
•Sich an Abmachungen halten<br />
Bei Tisch:<br />
•Vor dem Essen Hände waschen<br />
•Warten, bis alle anfangen zu essen<br />
•Geräuschlos essen<br />
•Mit Besteck essen<br />
•Nicht mit dem Essen spielen<br />
•Sitzen bleiben, bis alle fertig sind<br />
Quelle: stil.de<br />
Gutes Benehmen wird Kindern nicht in die Wiege gelegt. Eltern sollten deshalb Regeln aufstellen und Grenzen setzen.<br />
colourbox.de
WISSEN & LEBEN 27<br />
Na, das ist ja heute<br />
wieder so ein Zufall<br />
<strong>Die</strong> Komplexität des modernen Alltags lässt einen Großteil des Geschehens als Zufall erscheinen,<br />
sagen Wissenschaftler – und machen sich daran, ein Dauer-Rätsel zu lösen.<br />
Wenn es eine Mannschaft schaffen<br />
kann, dann der FC Bayern. Oder der<br />
FC Barcelona. Es sind vor allem diese<br />
beiden Fußballclubs, die seit Jahren<br />
nach Perfektion streben, die es sich<br />
zum Ziel gesetzt habe dem Fußball<br />
die Zufallsmoment auszutreiben.<br />
Es wird ihn ic gelingen.<br />
Denn Statistiker n usgerechnet:<br />
Der Fußb eradezu<br />
von seiner Un nba<br />
keit, im Durchschn<br />
i<br />
von fünf Toren der ufa .<br />
„Zufälle sind allein Ausdruck des<br />
menschlichen Unvermögens, Dinge<br />
vorherzusehen.“<br />
Prof. Gernot Münster<br />
Auch an d Börsen, on<br />
der Ökono a n Weber,<br />
ist nur w s .<br />
„Aktienk<br />
Aem d Zuf<br />
wie oft schießt jedem von uns<br />
der Gedanke durch den Kopf: Was für ein<br />
Zufall! „Unser Leben<br />
Zufällen bestimmt“, ur<br />
führerin des Zentrums<br />
theorie der Universitä<br />
Dr. Eva-Maria Jung<br />
empfindet sie keinesw u -<br />
gend. Im Gegenteil. U<br />
eine Reihe von Forsche<br />
daran setzen, den Fak<br />
zu überlisten.<br />
Beispielsweise der<br />
Mathematiker Prof. M<br />
as Löwe, der schon in s<br />
frühen Schulzeiten In<br />
se an der Wahrschein<br />
keitsrechnung versp<br />
Aus naheliegenden G<br />
den: „Ich habe beim Ka<br />
spielen sehr oft ve<br />
und wollte einfach w<br />
Spiele ich wirklic<br />
schlecht oder habe ic<br />
fach nur Pech?“ Im Lau<br />
ner Karriere erkann<br />
Stochastiker: „Natürl<br />
es viele Zufälle. Aber<br />
Sicht waschen sich Zu<br />
Zufälle produzieren M<br />
erkennen kann.“<br />
Dabei fängt es für jede<br />
dem Phänomen nähern möc t , a<br />
an. Der Definition zufolge spricht man<br />
von einem Zufall, wenn es für ein Ereignis<br />
keine kausale Erklärung gibt. <strong>Die</strong> große<br />
Masse der Zufälle, unterstreicht der<br />
Direktor des münsterischen Instituts für<br />
Theoretische Physik, Prof. Gernot Münster,<br />
„ist allein Ausdruck des menschlichen<br />
Unvermögens, Dinge vorherzusehen“.<br />
er<br />
zur Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten<br />
– aber mehr auch nicht. Davon unterscheiden<br />
müsse man, erläutert Münster,<br />
die „echten Zufälle“, etwa in der<br />
Quantenphysik. So sei der Zeitpunkt des<br />
Zerfalls eines Atomkerns ein Spontan-Ereignis,<br />
ein „irreduzibler Zufall“.<br />
<strong>Die</strong> wenigen „echten“ Zufälle sind demar,<br />
wird uns immer als Zufall erscheinen,<br />
egal ob es ein echter Zufall ist oder etwas,<br />
das wir uns nicht erklären können.“<br />
Zufälle zu überlisten, ist keineswegs erstrebenswert,<br />
meint der Philosoph Prof.<br />
Reinhold Schmücker. „Ohne Zufälle wäre<br />
das Leben ziemlich langweilig.“ Sein Kollege<br />
Prof. Niko Strobach ist sogar davon<br />
über<br />
te En sc eidung<br />
sein ö -<br />
e , sich durc<br />
stellung, as<br />
etwas Be<br />
ophie gebe<br />
Zufall, re<br />
em Wohl<br />
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ten.<br />
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men,<br />
n ösung<br />
vor Augen führt. Auf dem Schreibtisch<br />
von Reinhard Schmückers Mutter stand<br />
eine Postkarte mit einem Zitat des<br />
deutsch-französischen Arztes Albert<br />
Schweitzer: „Zufall ist das Pseudonym<br />
Gottes, wenn er inkognito bleiben will.“<br />
Norbert Robers, Sprecher<br />
der Universität Münster (WWU)<br />
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30 WISSEN & LEBEN<br />
Der Mann, der alles konnte<br />
Im Kunstmuseum Pablo Picasso rivalisiert Jean Cocteau freundschaftlich mit dem Namensgeber<br />
Zwei Künstler, zwei Freunde: Fotos und Zeitschriften künden im Kunstmuseum Pablo Picasso von der gegenseitigen Inspiration.<br />
Foto: Oliver Werner<br />
Stiere, mythologische Motive, erotische<br />
Details gar: Was von Picasso<br />
stammen könnte, ist in der neuen<br />
Ausstellung des Picasso-Museums<br />
gar nicht von ihm. Es stammt vielmehr<br />
zu einem großen Teil von Jean<br />
Cocteau, dem genialen Franzosen.<br />
Und mancher wird sich fragen: Wieso<br />
Cocteau – war der nicht Schriftsteller?<br />
Er war ein Tausendsassa, der<br />
zu viel konnte“, erklärt Museumsdirektor<br />
Professor Dr.<br />
Markus Müller. Und doch<br />
werde Cocteau gerade in seinem<br />
Heimatland vorwiegend als Autor<br />
verehrt – ein Exponat der Ausstellung<br />
„Cocteau trifft Picasso“ macht es schlagartig<br />
deutlich: Es ist ein Foto der Schauspielerin<br />
Hildegard Knef im Cocteau-<br />
Stück „<strong>Die</strong> menschliche Stimme“.<br />
Ein griechischer Sammler erweitert jetzt<br />
effektvoll den eingeengten Blick auf Cocteau:<br />
Ioannis Kontaxopoulos, Richter<br />
beim Rat der Europäischen Union in<br />
Brüssel, hat in den 90er Jahren in Paris<br />
Picasso verweist mit diesem Blatt auf Jean<br />
Cocteau.<br />
Foto: Oliver Werner<br />
gelebt, Verwandte des 1963 verstorbenen<br />
Jean Cocteau kennengelernt und über<br />
diesen Kontakt Zeichnungen des Universalkünstlers<br />
entdeckt. Was ihn besonders<br />
faszinierte: „Es war die große Ähnlichkeit<br />
der Motive mit den Darstellungen auf alten<br />
griechischen Vasen. <strong>Die</strong> entfernten<br />
Museumsdirektor Prof. Markus Müller (r.) und der griechische Sammler Ioannis Kontaxopoulos<br />
im Picasso-Museum.<br />
Foto: Oliver Werner<br />
Welten des antiken Griechenlands und<br />
des 20. Jahrhunderts waren einander<br />
plötzlich so nah.“<br />
Jean Cocteau, der sich dem antiken Sänger<br />
Orpheus verwandt fühlte, und Pablo<br />
Picasso, der sich selbst als Minotaurus<br />
darstellte – sie wechseln sich in der Ausstellung<br />
freundschaftlich ab. So ist im<br />
ersten Raum lediglich ein Doppel-Selbstbildnis<br />
des „Hausherrn“ zu sehen, während<br />
der Gast aus Frankreich mit nationalen<br />
Symbolen wie der Marianne oder<br />
dem Eiffelturm vertreten ist. Unter seinen<br />
Selbstbildnissen findet sich auch<br />
eine Darstellung, die ihn wie Beethoven<br />
aussehen lässt. Und auch die Porträts anderer<br />
Künstler im zweiten Ausstellungsraum,<br />
etwa von Balzac, dem wuchtigschnauzbärtigen<br />
Nietzsche oder dem<br />
jungen Proust, machen deutlich, welch<br />
präziser und begnadeter Zeichner Jean<br />
Cocteau war.<br />
Markus Müller und Ioannis Kontaxopoulos,<br />
der die Ausstellung im Wesentlichen<br />
gestaltet hat, erwähnen Andy Warhol,<br />
der diese Fähigkeit Cocteaus sehr bewunderte.<br />
Orpheus und Minotaurus: Sie treffen<br />
im nächsten Raum aufeinander. Doch<br />
ganz gleich, ob ihre Schöpfer nun zu ähnlichen<br />
Motiven greifen oder unterschiedliche<br />
Wege gehen: Sie vertragen sich bestens<br />
in der gemeinsamen Schau, und es<br />
spricht für den Maler und Zeichner Cocteau,<br />
dass er sich eben nicht, wie von<br />
Müller zunächst befürchtet, vom monolithischen<br />
Picasso erdrücken lässt. Deshalb<br />
lässt sich auch die Entscheidung nachvollziehen,<br />
nicht Cocteau allein zu präsentieren<br />
– wie es etwa in Wien und<br />
Hongkong der Fall war –, sondern ihn mit<br />
dem Maler zusammenzubringen, den er<br />
vor 100 Jahren in seinem Pariser Atelier<br />
besuchte und dem er freundschaftlich<br />
verbunden blieb. Fotos von gemeinsamen<br />
Stierkampfbesuchen, die das belegen,<br />
verleihen der Ausstellung einen zusätzlichen<br />
Reiz. Wer in Münster den Maler<br />
und Zeichner Jean Cocteau für sich<br />
entdeckt, wird sich mit dem Museum<br />
auch über einen schönen Nebeneffekt der<br />
Ausstellung freuen: Ioannis Kontaxopoulos<br />
überlässt dem Haus 50 Cocteau-<br />
Zeichnungen aus seiner Sammlung als<br />
Dauerleihgaben. Harald Suerland<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung „Cocteau trifft Picasso“<br />
ist bis zum 18. Oktober dienstags<br />
bis sonntags und an Feiertagen von<br />
10 bis 18 Uhr zu sehen. Sie wird ergänzt<br />
durch die Schau „Léger trifft<br />
Chaplin“.<br />
| www.kunstmuseumpicasso-<br />
muenster.de<br />
<strong>Die</strong>se Lithografie schuf Jean Cocteau. Sie zeigt sich von Picasso<br />
inspiriert.<br />
Foto: Oliver Werner
WISSEN & LEBEN 31<br />
Ein Schlips mit<br />
Elementarteilchen<br />
Zwei IT-Berater haben eine magnetische Lösung zum Stabilisieren von Krawatten gefunden<br />
Als der IT-Berater Norbert Beetz sich<br />
vor vier Jahren beim Besuch eines<br />
Kunden gerade die Hände wusch,<br />
kam ihm eine Idee. Es müsse doch etwas<br />
geben, das die Krawatte so am<br />
Hemd fixiert, dass sie „nicht im<br />
Waschbecken, der Suppe oder dem<br />
Kaffee hängt“, sagt der ehemalige<br />
Telgter, der heute in Münster lebt,<br />
und fügt an: „Abseits der Krawattenklammer,<br />
denn die ist für viele nicht<br />
das Nonplusultra.“ Beetz lächelt,<br />
wenn er an damals denkt, denn gemeinsam<br />
mit seinem Geschäftspartner<br />
Michael Doths aus Westbevern<br />
glaubt er, die Lösung gefunden zu<br />
haben.<br />
„Sozusagen das Drei-Wetter-Taft<br />
für den Herrn.“<br />
Norbert Beetz<br />
Doch Schlag auf Schlag ging<br />
das nicht. Gemeinsam tüftelte<br />
man an einer Idee,<br />
2011 hatte die beiden<br />
schließlich einen ersten<br />
Prototyp hergestellt. Mitte 2012 ließen<br />
sich die beiden das Gebrauchsmuster<br />
schützen. Fertig war das endgültige Produkt<br />
zu dieser Zeit noch keineswegs. Klar<br />
war nur, wie es ungefähr aussehen sollte:<br />
Ein eingewebter Magnet wird hinter der<br />
Hemdleiste zwischen zwei Knöpfen eingeknöpft.<br />
Ein weiterer mit Stoff ummantelter<br />
Magnet wird an das an der Rückseite<br />
der Krawatte befindliche Schildchen<br />
befestigt – voilà. „<strong>Die</strong> Krawatte sitzt, sozusagen<br />
das Drei-Wetter-Taft für den<br />
Herrn“, scherzt der 43-jährige Beetz.<br />
Doch die Idee ist das eine, die Umsetzung<br />
etwas völlig anderes: „Wir sind erst danach<br />
losgegangen, haben Material hinterfragt<br />
und Produzenten gesucht“ erzählt<br />
Michael Doths (45). Dabei gestalteten<br />
sich die Gespräche bisweilen amüsant<br />
bis schwierig. Aus Angst, die Idee könne<br />
doch noch geklaut werden, redeten die<br />
beiden IT-Berater „um den heißen Brei<br />
Alltagshelfer: Ein kleiner Magnet soll den Schlips halten.<br />
Ideengeber: Computerfachmänner und Erfinder Michael Doths (l.) und Norbert Beetz haben sich einer praktischen und unsichtbaren Hilfe für die perfekt sitzende<br />
Krawatte gewidmet. Foto: Björn Meyer<br />
herum“, wie Beetz mit einem Schmunzeln<br />
gesteht. Doch die Sorge war unbegründet:<br />
Man traf auf einen Produzenten<br />
aus Wuppertal. Und auch wenn dieser<br />
„die Idee so aufnahm und umsetzte, als<br />
sei es seine eigene“, Doths und Beetz<br />
sind stolz darauf, dass alles an dem fertigen<br />
Produkt ihre ganz persönliche<br />
Hirnleistung ist. Das, so sagt Michael<br />
Doths, sei ihnen besonders wichtig.<br />
<strong>Die</strong> Wahl bei der Stoffummantelung der<br />
Magneten fiel letztlich auf das von Etiketten<br />
bekannte Material. „Das ist flexibel,<br />
lässt sich millimetergenau schneiden<br />
und stört nicht beim Tragen. Kurzum, es<br />
erfüllt alle Voraussetzungen“, erklärt<br />
Doths die Entscheidung. Zudem liegt<br />
dem Produkt ein magnetisches Schildchen<br />
bei, das sich auf Wunsch ans Revers<br />
heften lässt. Darauf steht standardmäßig<br />
der Produktname. Ab einer gewissen bestellten<br />
Stückzahl lasse sich aber auch ein<br />
belieber anderer Name auf das Produkt<br />
platzieren, haben die beiden Erfinder für<br />
den Fall eines Großkundenauftrags vorgedacht.<br />
Auffällig ist die relativ große, edel gestaltete<br />
Verpackung für den kleinen unscheinbaren<br />
Alltagshelfer. Das, so erklären<br />
die beiden unisono, sei nicht allein<br />
aus Präsentationszwecken, sondern vor<br />
allem aufgrund der magnetischen Felder<br />
im Inneren erforderlich. „Wir wollen ja<br />
kein Postzentrum lahmlegen“, verdeutlicht<br />
Beetz, was es für die beiden alles zu<br />
bedenken galt.<br />
Um ihr Produkt, das bislang nur im Internet<br />
vertrieben wird, bekannt zu machen,<br />
verschickten die beiden Urheber Exemplare<br />
an Internetshops und Persönlichkeiten<br />
wie Günter Jauch und Oliver Bierhoff.<br />
Doch auch in Geschäften möchte<br />
man demnächst vorstellig werden.<br />
Bis wirklich jeder ein mag´n´tie, so heißt<br />
das Produkt, im Schrank hat, wird aber<br />
wohl noch etwas Zeit vergehen. „Wir<br />
können uns um die Vermarktung nicht jeden<br />
Tag kümmern, wir haben ja auch<br />
noch einen Job“, sagt Norbert Beetz lächelnd,<br />
während die Erfindung, in die er<br />
und Michael Doths unzählige Stunden<br />
gesteckt haben, durch seine Finger kreist.<br />
Björn Meyer<br />
Volkswagen Nutzfahrzeuge von Knubel.<br />
Der T6: der Klassenprimus deutlich aufgewertet<br />
Tradition und Leidenschaft zeichnen den Volkswagen<br />
Transporter seit 65 Jahren als Design-Klassiker, unverzichtbares<br />
Arbeitsvehikel und souveräne Großraumlimousine<br />
aus, welcher inzwischen weltweit über zwölf Millionen<br />
Mal verkauft wurde. Eben „Das Original“!<br />
Mit der sechsten Generation der T-Baureihe beginnt ein<br />
weiteres Kapitel dieser beispiellosen Erfolgsgeschichte.<br />
Der neue Caddy und Caddy Maxi: immer die beste Wahl<br />
Schon der Caddy3 war im Segment der Stadtlieferwagen<br />
weit vor jedem Konkurrenten und hat auch die neuen<br />
Marktteilnehmer souverän abgehängt.<br />
Jetzt schnellt jedoch der neue Caddy4 in seinen beiden<br />
Radständen noch einmal weiter nach vorn. Der neue<br />
Caddy bleibt als eigenständiges Fahrzeug wie auch als<br />
Teamplayer zusammen mit dem T6 der unangefochtene<br />
Spitzenreiter im Stadtlieferwagensegment. Dazu hat ihm<br />
Volkswagen Nutzfahrzeuge insbesondere folgende hochattraktive<br />
Umfänge mit auf den Weg gegeben (teilweise<br />
optional):<br />
l Klar konturiertes Außendesign mit dynamischer<br />
Linienführung und markanten Details wie eine<br />
komplett überarbeitete Heckpartie mit neuer<br />
Damit bilden der neue Caddy und der T6<br />
ein unschlagbares Team durch die Summe ihrer Tugenden:<br />
l Neues, kraftvolles und dynamisches Design<br />
l Maximaler Robustheit und Zuverlässigkeit<br />
l Große Angebotsvielfalt<br />
l Innovative Fahrerassistenzsysteme<br />
l Gesteigerte Effizienz und<br />
l Erhöhte aktive und passive Sicherheit<br />
Transporter, Multivan und Caravelle bleiben sich dort<br />
treu, wo kaum noch etwas verbessert werden kann – u. a.<br />
beim größten und variabelsten Lade- und Fahrgastraum<br />
ihrer Klasse – und sind doch in vielen, vielen Punkten<br />
überarbeitet und auf den modernsten Stand der Technik<br />
gebracht worden.<br />
Einige „Big Points“ (teilweise optional verfügbar):<br />
l Geschärftes und wertig erscheinendes Außendesign,<br />
LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten.<br />
Eine elektrisch betätigte Heckklappe wird in Kürze<br />
angeboten.<br />
l Ein vollständig neu gestaltetes Innendesign,<br />
u. a. mit neuen Schalttafeln.<br />
l Völlig neue Generation von Radio- und<br />
Radio-Navigationssystemen.<br />
l Moderne Fahrerassistenzsysteme bieten ein<br />
Höchstmaß an aktiver Sicherheit während der Fahrt.<br />
l Neueste Motorengeneration mit BlueMotion<br />
Technology für minimierten Kraftstoffverbrauch bei<br />
EU6-Abgasstandard.<br />
Scheibengrafik und neuen Rückleuchten,<br />
einer Dachreling und Seitenschutzleisten.<br />
l Sportliches Frontdesign mit Xenon-Scheinwerfern<br />
und markantem Kühlergrill.<br />
l Modernes, hochwertiges Cockpit mit vielen<br />
durchdachten Ablagemöglichkeiten.<br />
l Viele sinnvolle Ausstattungen wie beheizbare<br />
Frontscheibe, Durchladefunktion, Klapptischen.<br />
l Auch hier wie beim T6: überarbeitete und verbrauchsoptimierte<br />
Motoren mit EU6 in Kombination mit<br />
4motion-Antrieb und neuer Fahrwerksabstimmung.<br />
l Viele sicherheitsrelevante Assistenzsysteme wie beim T6.<br />
l Kraftstoffverbrauch des Caddy<br />
in l/100 km: kombiniert 6,0–4,2,<br />
CO 2 -Emissionen in<br />
g/km: kombiniert 138–109<br />
l Kraftstoffverbrauch des T6<br />
in l/100 km: kombiniert 9,4–5,7,<br />
CO 2 -Emissionen in g/km:<br />
kombiniert 216–149<br />
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stabile Infrastruktur,die die steigenden Datenmengen<br />
zuverlässig und schnell befördert.<br />
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Nach aktuellem Forschungsstand gibt es nur<br />
eine Technologie, die dies vermag: Breitband-<br />
Glasfasernetze. Alle anderen Technologien, ob<br />
über Satellit oder Kupferleitungen, sind in<br />
ihrer Bandbreite begrenzt und somit für den<br />
massiv wachsenden Bedarf ungeeignet. Zudem<br />
ist die Störanfälligkeit der Glasfaser gering,<br />
denn Glasfaserleitungen sind unempfindlich<br />
gegenüber elektromagnetischen Quellen<br />
wie Kupfer- und Stromkabel oder auch Hochspannungsleitungen.<br />
Glasfaser – der Breitband-Ferrari<br />
Im Vergleich zu den aktuell verfügbaren Technologien<br />
wie beispielsweise LTE oder DSL ist<br />
Glasfaser gerade für Unternehmen die erste<br />
Wahl. Aus heutiger Sicht, bietet die Glasfasertechnologie<br />
nahezu grenzenlose Übertragungsreserven,<br />
die im gigabit-Bereich liegen.<br />
Im Vergleich dazu, bieten LTE oder DSL nur bis<br />
zu 50 Megabit. Ein weiterer Vorteil ist, dass jedes<br />
Unternehmen seinen eigenen Glasfaseranschluss<br />
(FTTH) erhält. So muss die Bandbreite<br />
nicht geteilt werden und es entstehen keine<br />
Geschwindigkeitseinbußen.<br />
Glasfaser – Zukunftssicherung<br />
Da in Zukunft kein Unternehmen oder Privathaushalt<br />
auf diese Technologie verzichten<br />
kann, ist die Modernisierung der Infrastruktur<br />
eine gewinnbringende Investition in die Zukunftssicherung<br />
und Werterhaltung der eigenen<br />
Technik und Immobilien. Glasfaser sichert<br />
die Attraktivität des ländlichen Raumes auch<br />
für Industrie und Gewerbe.<br />
In Zeiten des demographischen Wandels sind<br />
die Möglichkeiten der besseren Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf durch leistungsstarke<br />
Homeoffice-Lösungen und durch den Ausbau<br />
der Telemedizin von besonderer Bedeutung.<br />
Glasfaser – fördert Wettbewerbsfähigkeit<br />
Damit Deutschland im internationalen Vergleich<br />
wettbewerbsfähig bleibt, ist der Glasfaserausbau<br />
die notwendige Konsequenz. Gute<br />
Entwicklungen hinsichtlich des Glasfaserausbaus<br />
gab es 2014 vor allem in Rumänien, Spanien,<br />
Frankreich, den Niederlanden und Portugal.<br />
Deutschland schaffte es bundesweit nicht<br />
einmal ein Prozent aller Haushalte mit einem<br />
Glasfaser-Breitbandanschluss (FTTH/B) zu<br />
versorgen, so das Ergebnis des FTTH Councils,<br />
welches im Februar in Warschau vorgestellt<br />
wurde. <strong>Die</strong> Aufgabe für die Zukunft lautet:<br />
Aufholen im Glasfaser-Ausbau.<br />
Wie eine Hauptschlagader<br />
ür uns als IT-<br />
„FUnterneh-<br />
men ist ein<br />
Glasfaserkabel wie<br />
eine Hauptschlagader.<br />
Daran hängt<br />
die Kommunikation<br />
mit unseren<br />
Tochterfirmen, denn mit einem Hochleistungsanschluss<br />
ist es so, als ob Sie<br />
direkt nebenan sitzen. Der Glasfaseranschluss<br />
garantiert uns, dass wir<br />
schnell und flexibel über Produkte und<br />
Leistungen informieren können. Uns<br />
wird sogar die familienfreundliche<br />
Gestaltung von Arbeitsplätzen ermöglicht.<br />
Dank der Bandbreite stehen<br />
Daten überall genauso schnell und sicher<br />
zur Verfügung wie im Büro.“<br />
(Jörg Bentfeld, IT Business Services<br />
Technology, d.velop AG, Gescher)<br />
Unternehmer machen sich fit für die Zukunft /„An Glasfaser führt kein Weg vorbei“<br />
s ist Ziel der Politik, dass jeder an den Chancen der<br />
„EInformationsgesellschaft teilhaben kann. Deshalb<br />
wird 50 MBit/s bis zum Jahr 2018 auch ein politisches<br />
Signal. In dieser Zeit haben wir immer noch die Diskussion<br />
um einen Breitbanduniversaldienst geführt, der<br />
viel geringere Bandbreiten gebracht hätte, dafür aber private<br />
Investitionen bis auf Weiteres abgewürgt hätte. Für<br />
den Ausbau sind die Unternehmen, aber auch Kommunen<br />
vor Ort gefragt. <strong>Die</strong> Ausweisung von Gewerbegebieten<br />
ohne schnelle Breitband-<br />
Internetverbindungen aus Glasfaser darf<br />
es nicht mehr geben. Das schnelle Netz ist<br />
ebenso wichtig wie Strom und Wasser.<br />
Gerade die Unternehmen in Deutschland<br />
brauchen schnelles Internet, sonst besteht<br />
die Gefahr, dass wir den Anschluss an den<br />
Weltmarkt verlieren. Glasfaser ist der<br />
Kern der Infrastruktur, die wir brauchen.“<br />
(Thomas Jarzombek, Sprecher für Digitale<br />
Agenda der CDU/CSU-Fraktion im<br />
Deutschen Bundestag)<br />
eit 1968 gehört unser Unternehmen zu einem<br />
„Sder führenden Anbieter Norddeutschlands im<br />
Bereich der Erstellung von Gutachten über die<br />
Qualität von Asphalt, Bindemitteln, Beton, Fahrbahnmarkierungen<br />
und anderen Baustoffen im Straßenbau.<br />
Besonders die Erstellung von<br />
Gutachten, aber auch von Sanierungsvorschlägen<br />
mit grafischen<br />
Inhalten in digitaler Form können<br />
schnell gewaltige Ressourcen verschlingen.<br />
Da Kupfer aufgrund seiner<br />
physikalischen Eigenschaften<br />
ab einer gewissen Größe als Leiter<br />
für schnelle Datentransfers nicht<br />
geeignet ist, führt kein Weg an Glasfaser,<br />
sprich der Unternehmensgruppe<br />
Deutsche Glasfaser vorbei.“<br />
(Diplom-Ingenieur Ulrich Lüthje,<br />
Geschäftsführer Asphalt-Labor Arno.<br />
J. Hinrichsen GmbH & Co.,<br />
Wahlstedt)<br />
ine schnelle Inter-<br />
ist „Enetverbindung<br />
für mich sehr<br />
wichtig. Als bundesweit<br />
agierendes Unternehmen<br />
im Bereich Becher-, Geschirr-<br />
und Spülmaschinenverleih<br />
für Events,<br />
muss ich oft schnell große<br />
Datenmengen empfangen und versenden<br />
können. <strong>Die</strong>sen Bedarf an großen Bandbreiten<br />
kann mein derzeitiger Anbieter<br />
nicht decken. Einzig die Unternehmensgruppe<br />
Deutsche Glasfaser ist in meiner<br />
Region derzeit in der Lage, ein modernes<br />
Breitbandnetz mit Glasfaser bis ins Haus<br />
zu bauen. Daher habe ich keinen Moment<br />
gezögert, auf diesen Zug aufzuspringen.<br />
(Michael Andresen, Geschäftsführer und<br />
Inhaber cup&more Andresen Mehrweglogistik<br />
e.K., Bad Segeberg)<br />
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28 WISSEN<br />
„Mit 1628 Mark hat die Uhr<br />
1902 schon so viel gekostet<br />
wie damals ein Grundstück.“<br />
Andreas Hidding<br />
Historische Uhren sind meist e<br />
schneller schlagen. Am Schlos<br />
Gefühlt ticken die historischen Zeitmesser<br />
vor der Renaissance-Kulisse von Schloss<br />
Raesfeld einen Tacken beschaulicher. In<br />
Wirklichkeit geht es kaum exakter, auch<br />
wenn einige der mechanischen Prachtexemplare<br />
das schon seit ein paar Jahrhunderten<br />
tun. Allerdings erst, wenn die<br />
Sammlerstücke durch die Hände des Meisters<br />
gegangen, sprich grundüberholt, sind:<br />
Gerade die Ganggenauigkeit und Präzision<br />
der Uhren in der Freiheit 5, dem Geschäft<br />
von Andreas Hidding, üben auf den Uhrmachermeister<br />
die besondere Faszination aus.<br />
Eigentlich ist es natürlich falsch, aus<br />
der eigenen Sammelleidenschaft ein<br />
Geschäftsfeld zu machen“, räumt<br />
der 51-Jährige mit leichtem<br />
Schmunzeln ein. Innerlich tätedoch<br />
das Herz weh, die besonders schönen Uhren zu<br />
verkaufen. Wobei „schön“ zugleich meist noch<br />
extrem selten und höchst kostspielig bedeutet.<br />
Wenn Hidding Glück hat, erzählt das reizvolle<br />
Äußere auch noch eine besondere Geschichte –<br />
wie einige seiner Beobachtungsuhren. Das sind<br />
Präzisionsuhren in größerem Taschenuhrformat,<br />
die –anders als der Schiffschronometer<br />
–anBord beweglich und<br />
auf der Brückefür die Navigation genutzt<br />
wurden. Der Blick des Raesfelders<br />
fällt auf ein besonderes Exemplar<br />
vonLangeund Söhne, das er<br />
am Anfang seines Arbeitstages aus<br />
dem Banktresor geholt hat: Ein Unikat<br />
aus der Uhrenmanufaktur im<br />
sächsischen Glashütte, angefertigt<br />
für „J. vanMitzlaff“, wie ein Auszug<br />
aus den Geschäftsbüchern vonLangeund Söhne<br />
und ein aufwendiges Emaillewappen auf der<br />
Rückseite der Uhr belegen. „Mit 1628 Mark hat<br />
die Uhr 1902 schon so viel gekostet wie damals<br />
ein Grundstück“, weiß der zweifache Familienvater.<br />
Der Wert ist in Relation geblieben, denn<br />
auch heute könnte der Uhrensammler für den<br />
pekuniären Gegenwert einer besonderen Uhr ein<br />
mittelprächtiges Areal Bauland erwerben.<br />
Wer das allerdings schon hat, kann die klassischen<br />
Zeitmesser in der Raesfelder Freiheit<br />
durchaus nicht nur aus Liebe zur Feinmechanik,<br />
sondern auch als Geldanlageerwerben. „Seit der<br />
Immobilienkrise in den USA Ende 2007 beobachteich<br />
eine steigende Nachfrageanhochpreisigen<br />
Sammlerstücken“, resümiert der Händler.<br />
Und anders als er selbst haben viele seiner Kunden,<br />
vondenen etwa80Prozent aus der Region,<br />
der Rest aus Deutschland, Europa und den USA<br />
UHREN-SEMINARE<br />
Blickfang in der Freiheit 5inRaesfeld: <strong>Die</strong>se astronomische Wanduhr mit ihrem beeindruckenden Ziffernblatt stammt aus Portugal.<br />
Männer-Wellness für Fortgeschrittene mit viel Fachsimpelei: Seit zehn Jahren<br />
lässt Reinhold Flüthe Uhrenliebhaber selbst ran andie Werkbank. Einmal pro<br />
Monat nimmt erzusammen mit einem Mitarbeiter höchstens sechs Seminarteilnehmer<br />
ein ganzes Wochenende unter seine Fittiche: Sie veredeln eine eigene<br />
mechanische Flüthe-Uhr, nehmen sie komplett auseinander, verpassen Teilen<br />
des Kalibers einen dekorativen Schliff und setzen das Räderwerk wieder zusammen.<br />
„Es hat noch keiner am Sonntagabend das Seminar ohne eine funktionierende<br />
Uhr am Handgelenk verlassen“, resümiert Flüthe.
&LEBEN 29<br />
ter aus der alten Zeit<br />
ine Herausforderung für einen Uhrmacher –und sie lassen Herzen begeisterter Sammler<br />
s Raesfeld bringt Andreas Hidding alten Zeitmessern wieder den richtigen Takt bei.<br />
Geschichtenerzähler: Der Kommandant hat diese Beoachtungsuhr von Bord gerettet, bevor er auf Geheiß der Nazis vor Kriegsende sein U-Boot versenken musste.<br />
Fotos (3): Maike Harhues<br />
kommen, einen Tresor in ihrem durch Alarmanlagen<br />
gesicherten Zuhause, um die Schätze häufiger<br />
in die Hand zu nehmen und genießen zu<br />
können.<br />
Welcher Zeitmesser in wessen Sammlung der<br />
Nächstrichtige ist, das hat Hidding meist schon<br />
im Hinterkopf, wenn ihm ein Sammlerstück angeboten<br />
wird oder er in die Schweiz zu Auktionen<br />
vonSotheby´s reist. Sein Spezialgebiet sind<br />
Taschenuhren, die etwa 70Prozent des Umsatzes<br />
ausmachen, die restlichen 30 Prozent verdient<br />
er mit klassischen mechanischen Armbanduhren.<br />
Hier schlägt sein Herz wiederum für<br />
Langeund Söhne, Glashütte, Omega, PatekPhilippe<br />
und Longines. „Zwar bieten wir auch einige<br />
Stückeüber das Internet an, aber die meisten Uhren<br />
verkaufe ich hier im Geschäft am Schloss“,<br />
bilanziert der Handwerksmeister. ImGegensatz<br />
zum münsterischen Prinzipalmarkt (den Hidding<br />
als langjähriger Angestellter von Oeding-<br />
Erdel gut kennt) eigentlich eine 3b-Lage –beschert<br />
der Standort als Touristenmagnet eher der<br />
benachbarten Gastronomie Laufkundschaft.<br />
Aber die würde manchmal auch nur stören im<br />
gediegenen Ladenlokal zwischen astronomischer<br />
Wanduhr und zahlreichen Stand- und<br />
Tischuhren: „Für die Verkaufsgespräche nehme<br />
ich mir viel Zeit, die Kunden schätzen dabei die<br />
ruhigeAtmosphäre, undeswärenicht unbedingt<br />
dienlich, wenn andauernd jemand hereinkäme,<br />
der ein neues Uhrarmband oder Ähnliches<br />
möchte“, erläutert Hidding Vorzüge seines Geschäftsstandortes.<br />
Den er 2003 fand und der zum Glück ausbaufähig<br />
war: Unter dem Dach hat der Raesfelder für<br />
sich und seinen Mitarbeiter, ebenfalls Uhrmacher,<br />
eine Werkstatt eingerichtet; und er hat<br />
in zahlreichen, breiten Schubladen seine praktisch<br />
unbezahlbaren Schätze akribisch geordnet:<br />
„Über Jahrehabe ich die Werkstattnachlässe von<br />
Kollegen, die aufgegeben haben oder in Rente<br />
gegangen sind, aufgekauft –viele Originalteile,<br />
Ziffernblätter,angelaufene Zeiger,massiveNeusilberplatinen,<br />
Kronräder und, und, und“, schildert<br />
der Meister. Mit seinem eigenen Zeitmanagement<br />
hadert der Herr über die Zeitmesser<br />
allerdings mitunter. Denn es fehlte ihm bisher<br />
ein Puffer von Arbeitstagen für sein Wanduhr-<br />
Prunkstück im Laden –eine astronomische Uhr<br />
aus dem 19. Jahrhundert aus Portugal: „Dafür<br />
muss ich drei Wochen einplanen, deshalb schiebe<br />
ich das Projekt etwas vor mir her“, gesteht<br />
Hidding. Obwohl ein Kunde sein Herz bereits an<br />
den Hingucker in der Freiheit verloren hat und<br />
bereit ist, dafür den Preis eines mittleren Kleinwagens<br />
hinzublättern. Aber dann dürfen weder<br />
Tierkreiszeichen, Mondphasen, Zeitzonen,<br />
Schaltjahre, Wochentagsanzeige noch das Vollkalendarium<br />
einen Tacken mehr aus dem richtigen<br />
Takt geraten.<br />
Maike Harhues<br />
FAKTEN UND ZAHLEN<br />
<strong>Die</strong> Zunft schrumpft rapide: In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Uhrmacherbetriebe<br />
im Münsterland fast halbiert, von 163 im Jahr 1994 auf aktuell 87. Uhrmachermeister<br />
wie Gesellen werden händeringend gesucht –laut Handwerkskammer Münster kann ein Bewerber<br />
zwischen fünf freien Stellen wählen. Allerdings bilden aktuell nur vier Betriebe im gesamten<br />
Münsterland überhaupt jeweils einen Lehrling aus, für das Ausbildungsjahr <strong>2015</strong> ist<br />
kein einziger neuer Lehrvertrag imUhrmachergewerbe des Münsterlandes geschlossen worden.<br />
„<strong>Die</strong> Ausbildung ist für den Lehrbetrieb sehr aufwendig“, weiß Reinhold Flüthe, der immer<br />
einen Lehrling in seinen Betrieb integriert hat, aus eigener Erfahrung. Bis der Auszubildende<br />
wirklich vollwertig mitarbeiten könne, bräuchte ersehr viel Input durch den Meister.<br />
Zudem sei nicht nur die Armbanduhr Schwerpunkt des Lehrplans, sondern auch die Großuhr.<br />
„Das macht Dreck, da fliegen Metallspäne, das ist nicht unbedingt förderlich, wenn ich als Juwelier<br />
im Nebenraum ein Brillantcollier verkaufen will“, veranschaulicht der Telgter.<br />
<strong>Die</strong>nstleister im<br />
Sommerpalast des Zaren<br />
Fachkreis Historische Uhren Schloss Raesfeld betreut weltweit wertvollste Uhren<br />
<strong>Die</strong> Lieblingsuhr Katharinas<br />
der Großen hat er in St.Petersburg<br />
wieder zum<br />
Ticken gebracht: „Da<br />
weiß man wirklich,<br />
weshalb man morgens aufgestanden<br />
ist“, gesteht Reinhold Flüthe<br />
voller Inbrunst. Der Telgter Uhrmachermeister<br />
ist eines von 49<br />
Mitgliedern aus ganz Deutschland<br />
des Fachkreises Historische<br />
Uhren Schloss Raesfeld.<br />
1996 vonAndreas Hidding mitbegründet<br />
aus einer Zertifikats-Seminarreihe<br />
am Europäischen<br />
Zentrum für Denkmalpflege,<br />
macht sich der Verein stark<br />
für Wahrung, Austausch und Weitergabe<br />
von Kenntnissen und Arbeitstechniken<br />
im Uhrmacherhandwerk.<br />
Zudem strecken die Uhrenspezialisten<br />
ihre ehrenamtlichen Fühler in Sachen<br />
Uhrenrestauration weltweit aus: Seit<br />
2001 reist eine Gruppe von sechs Uhrmachern<br />
aus dem Fachkreis<br />
einmal jährlich<br />
für 14 Tage,<br />
und oft in wechselnder Besetzung, auf<br />
eigene Kosten nach St. Petersburg, um<br />
unentgeltlich die Museumsuhren das Peterhofes<br />
zu überholen und zu reparieren.<br />
Und sogar im Palastmuseum des Maharadschas<br />
von Jodhpur in Indien haben<br />
Mitglieder der Gruppe 2011 und 2012<br />
ehrenamtlich wertvolle Zeitmesser auf<br />
Vordermann gebracht.<br />
Um mehr Liebhaber für historische Uhren<br />
zubegeistern, aber auch die Werbetrommel<br />
für den Uhrmacherberuf zu<br />
rühren, veranstaltet der Fachkreis am<br />
26. und 27. September <strong>2015</strong> eine Messe<br />
im Max-Born-Berufskolleg in Recklinghausen.<br />
ma<br />
Feuervergoldetes Glanzstück im Peterhof: Reinhold Flüthe hat die<br />
Lieblingsuhr Katharinas der Großen restauriert und stellt sie zurück<br />
ins Schlosskabinett.