DISCUSSION PAPER Leibniz Institute of Agricultural ... - IAMO
DISCUSSION PAPER Leibniz Institute of Agricultural ... - IAMO
DISCUSSION PAPER Leibniz Institute of Agricultural ... - IAMO
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
22<br />
Katja Bruisch<br />
von Familienwirtschaften und landwirtschaftlichen Genossenschaften wissenschaftlich zu<br />
legitimieren. Dabei werden vor allem ihre Widerstandsfähigkeit in Zeiten wirtschaftlicher Krisen<br />
sowie die für Familienbetriebe charakteristische Verbindung von Unternehmens- und Familieninteressen<br />
hervorgehoben (KUDRJAŠČOV).<br />
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Lohnarbeitern in Fermer-Betrieben und ihrer zunehmenden<br />
Marktorientierung (KOZLOV, 2004) scheint das Čajanovsche Haushaltsmodell als<br />
Analyserahmen für die Erforschung von Fermer-Betrieben aber kaum angebracht. Es wäre zu<br />
untersuchen, ob dieses nicht viel eher auf die Haus-/Nebenwirtschaften anwendbar ist: Deren<br />
Produktion ist deutlich stärker am Eigenbedarf ausgerichtet. Zudem sind sie angesichts ihrer<br />
schlechten technischen Ausstattung auf den Anbau arbeitsintensiver Kulturen wie Gemüse<br />
oder Kart<strong>of</strong>feln spezialisiert (LAJTOS, 2006), was der von Čajanov beschriebenen "bäuerlichen<br />
Familienwirtschaft" sehr nahe kommt.<br />
Die Argumente, die in der russischen Diskussion zur Verteidigung von Fermer-Betrieben angeführt<br />
werden, sind sehr vielfältig. Die wirtschaftliche Überlegenheit von Familienbetrieben<br />
wird üblicherweise durch den Hinweis auf ihre hohe Produktivität unterstrichen. Mit Blick<br />
auf die Entwicklung in den industrialisierten Staaten wird zudem argumentiert, dass die Etablierung<br />
von landwirtschaftlichen Familienbetrieben ein natürlicher Prozess in der Marktwirtschaft<br />
sei (KOLIRIS, 2004).<br />
Auf Russland ist diese Argumentation jedoch kaum anwendbar. Das schlechte Funktionieren<br />
des Marktes im landwirtschaftlichen Sektor hat die Entwicklung einer breiten Schicht mittelständischer<br />
Bauern bisher behindert und zu einem stabilen Nebeneinander von Großbetrieben<br />
und Haus-/Nebenwirtschaften geführt.<br />
Neben den meist aus der westlichen agrarwissenschaftlichen Diskussion übernommenen wirtschaftlichen<br />
Argumenten für die Bedeutung von Fermer-Betrieben werden diese auch anhand<br />
ihrer demographische Funktion bewertet; angesichts des erheblichen Bevölkerungsrückgangs<br />
in der Russischen Föderation wird die Tatsache, dass in Fermer-Familien überdurchschnittlich<br />
viele Kinder geboren werden, als ein Argument für ihre Unterstützung durch den Staat angeführt<br />
(BASMAČNIKOV, 2007). Sogar die Siedlerrolle von Fermern in entvölkerten, grenznahen Gebieten<br />
fand Eingang in die Diskussion (BASMAČNIKOV, 2005). Während solche Argumente zwar<br />
Aufschluss über die in Russland derzeit weit verbreitete Wahrnehmung des Untergangs des<br />
"sowjetischen Imperiums" geben, sind sie für die Beurteilung der Rolle landwirtschaftlicher<br />
Familienbetriebe wenig dienlich.<br />
Wird nach der Bedeutung von Fermer-Betrieben für die russische Landwirtschaft und für die<br />
Entwicklung ländlicher Regionen gefragt, sollten unter Anderem folgende Aspekte berücksichtigt<br />
werden:<br />
1. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln: Zu Beginn der 1990er galten Fermer-<br />
Betriebe als sinnvolle Ergänzung zum Kolchosen-/Sowchosensystem. Ausgehend von der<br />
Annahme, dass Fermer-Betriebe durch ihre Einbindung in marktwirtschaftliche Prozesse<br />
effektiver wirtschafteten, glaubte man, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Überwindung<br />
der landwirtschaftlichen Krise und zur Herstellung der russischen Versorgungssicherheit<br />
leisten könnten (LOZOVIK, 1991; BASMAČNIKOV, 1991). Fermer-Betriebe sind jedoch<br />
auf gut funktionierende Märkte angewiesen, um ihr ökonomisches Potential zu entfalten<br />
zu können. Da der russische Agrarmarkt bis heute schlecht entwickelt ist, stellt<br />
auch der Fermer-Sektor nur eine Nische in der russischen Landwirtschaft dar: 2005<br />
wurden in Fermer-Betrieben nur 5,7 % der gesamten landwirtschaftlichen Produktion