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DISCUSSION PAPER Leibniz Institute of Agricultural ... - IAMO

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1 EINLEITUNG 1<br />

Entwicklungstendenzen landwirtschaftlicher Familienunternehmen in Russland seit 1990 7<br />

Die "Implosion" der Sowjetunion rief Wissenschaftler, Politiker und Ideologen aus der ganzen<br />

Welt auf den Plan: Das ungewöhnlich leise Verschwinden einer Weltmacht von der politischen<br />

Landkarte verlangte nach Interpretationen. Bis heute ist deren Bandbreite immens: Deutungen,<br />

welche auf die Zwangsläufigkeit dieses Ereignisses abheben, setzen die Auflösung der Sowjetunion<br />

mit dem Untergang einer Ideologie gleich, die sich mit der Realität nicht vereinbaren<br />

ließ. Offenere Interpretationen beschäftigen sich eher mit dem Phänomen des "real existierenden<br />

Sozialismus" und fragen nach Weichenstellungen und Alternativen in Schlüsselmomenten der<br />

sowjetischen Geschichte. Als ein wesentlicher Grund für den Untergang der Sowjetunion<br />

wird in solchen Darstellungen deren mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angeführt<br />

und argumentiert, dass sich mit der zunehmenden Integration der Sowjetunion in globale politische<br />

und ökonomische Prozesse ihr Entwicklungsrückstand nicht länger verheimlichen ließ.<br />

Der damit verbundene Verlust der Glaubwürdigkeit im In- und Ausland habe dann erheblich<br />

zur Zersetzung der Sowjetunion beigetragen (HILDERMEIER, 2001).<br />

Die Transformation der russischen Wirtschaft wurde von einer intensiven Diskussion in der<br />

ganzen Welt begleitet: Nicht nur, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion die Überlegenheit<br />

des westlichen Modells scheinbar bewiesen hatte und Anlass gab, das "Ende der Geschichte"<br />

(Fukuyama) zu feiern. Die ehemalige Planwirtschaft bot sich zudem als Experimentierfeld für<br />

ambitionierte Wirtschaftsreformer an. Dass man es in Russland jedoch nicht mit einer tabula<br />

rasa zu tun hatte, sollte sich schnell zeigen: Die Krise der russischen Wirtschaft in der zweiten<br />

Hälfte der 1990er Jahre versah die globale Durchsetzung einheitlicher Entwicklungsstrategien<br />

mit einem Fragezeichen und forderte zu einer Anpassung der Reformstrategien an die historischen<br />

Gegebenheiten heraus.<br />

Die Agrarreform war ein zentraler Bestandteil der russischen Transformation. Mit der Einführung<br />

marktwirtschaftlicher Prinzipien in der Landwirtschaft verbanden sich weitreichende<br />

H<strong>of</strong>fnungen: Die Agrarkrise, welche die Russische Föderation praktisch als "sowjetische Altlast"<br />

übernommen hatte, sollte durch die Privatisierung des Bodens und die Etablierung eines Bodenmarktes<br />

überwunden und die russische Landwirtschaft international konkurrenzfähig werden.<br />

Die Reformer orientierten sich dabei hauptsächlich an den Erfahrungen der entwickelten Industriestaaten<br />

und gingen davon aus, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe an die Stelle der<br />

sowjetischen Großbetriebe treten und den Aufschwung der Landwirtschaft vorantreiben würden<br />

(AMELINA, 2000). Auch wenn es in den ersten Jahren der Reform eine Gründungswelle sogenannter<br />

Fermer-Betriebe 2 gegeben hat, sind diese bis heute eher eine Randerscheinung und<br />

die Landwirtschaft wird noch immer wie ein "Sorgenkind" von der russischen Regierung<br />

behandelt.<br />

Im vorliegenden Discussion Paper werden zunächst die für die Entstehung des Fermer-Sektors<br />

relevanten Aspekte der russischen Agrarreform nachvollzogen sowie das jüngste Projekt der russischen<br />

Agrarpolitik, das Nationale Projekt "Entwicklung der Landwirtschaft", hinsichtlich<br />

seiner Bedeutung für die Entwicklung des Fermer-Sektors hinterfragt. Anschließend wird auf<br />

1 Ein herzlicher Dank gilt meinen Gutachtern Dr. Martin Petrick und Dr. Michael Kopsidis.<br />

2 Unter Fermer-Betrieben werden im Folgenden private landwirtschaftliche Familienbetriebe verstanden, deren<br />

Produktion in bedeutendem Maße über den Eigenbedarf hinausgeht. Die Kategorie "Familienbetrieb"<br />

schließt dabei die Anstellung von Lohnarbeitern nicht aus. Diese Definition entspricht der in der <strong>of</strong>fiziellen<br />

russischen Statistik gebrauchten Definition. Genauer wird auf die Charakterisierung der einzelnen Betriebstypen<br />

in der russischen Landwirtschaft in den methodischen Erläuterungen auf der Homepage des Russischen<br />

Statistischen Dienstes eingegangen: Metodologičieskie pojasnenija .

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