Donau_Tagebuch_gross.pdf
Donau_Tagebuch_gross.pdf
Donau_Tagebuch_gross.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
entscheide ich mich in Novi Slankamen zu einem Abstecher an die <strong>Donau</strong> hinunter nach Stari Slankamen.<br />
Die mächtigen Lösswände sind voll Löchern, wahrscheinlich verlassene Nesthöhlen von Bienenfressern.<br />
Schade, dass diese bunten Vögel schon wieder unterwegs nach Süden sind. Ausser der als<br />
Kurbad genutzten Salzwasserquelle und dem <strong>Donau</strong>ufer gibt es in diesem verträumten Ort nichts besonderes<br />
zu sehen, den Glacé-Halt verschiebe ich auf später, und so folgen eben schon wieder 100 m Steigung<br />
zurück auf die Hauptroute. Fahrtrichtung und Wind haben etwas gewechselt, und so geht es nun<br />
endlich lockerer und fast verkehrsfrei durch Felder mit Obst, Reben, Mais und Sonneblumen und ab und<br />
zu kleine Dörfer weiter. Allmählich macht sich die Stadtnähe durch zunehmenden Verkehr bemerkbar.<br />
Den erhofften direkten Weg der <strong>Donau</strong> entlang gibt es auch nach Meinung diverser Einheimischer nicht,<br />
so dass ich wohl oder übel den offiziellen Radweg über Batajnica wählen muss, und das heisst nun wieder<br />
Hauptstrasse Novi Sad – Belgrad. Es ist mittlerweile etwa 18 Uhr, also voller Abendverkehr. Zum<br />
Glück wird dieser ab und zu durch ein Lichtsignal unterbrochen, so habe ich immer mal wieder etwa eine<br />
Minute Ruhe. Aber sonst rollt neben mir fast pausenlos der motorisierte Verkehr. Auf diesem Abschnitt ist<br />
man nur mit Schielen halbwegs sicher: ein Auge linker Spiegel, ein Auge rechter Spiegel, ein Auge auf<br />
die Strasse wegen Löchern, ein Auge auf den Gegenverkehr wegen überraschenden Uebrholmanövern,<br />
die Ohren dazu nach hinten...--irgendwie geht das auch so nicht auf. Lastwagen und Busse fahren<br />
manchmal so nahe vorbei, dass ich schliesslich den linken Seitenspiegel einklappe.<br />
Erleichtert komme ich in der Dämmerung in den <strong>gross</strong>en Parkanlagen von Novi Beograd an finde<br />
schliesslich auch die richtige Brücke über die Save und hinein nach Belgrad. Und im dichten Fussgängertreiben<br />
auf der Knias Mihailov Strasse finde ich zudem einen hilfreichen Serben, der mich zu Fuss eine<br />
Viertelstunde zu einem guten Hotel unweit des Zentrums führt. Statt der 35 Euro pro Nacht gemäss Liste<br />
aus der <strong>Donau</strong>-Info im internet kostet es zwar nun tatsächlich 62 Euro. Wahrscheinlich liegt dies an der<br />
eben erst abgeschlossenen Erneuerung. Das Bad ist nun so modern, dass ich mich statt zu duschen<br />
zuerst nochmals an die Rezeption hinunter begeben muss, um Instruktionen für deren Bedienung zu holen.<br />
Mein Fahrrad kann ich in einer Nische des Speisesaals abstellen. Ein erster Rundgang durch die<br />
pulsierende Fussgängerzone gibt Vorfreude auf den Ruhetag in dieser Stadt. Aber zuerst kommt die<br />
<strong>gross</strong>e Wäsche, und dann in einem Strassenrestaurant eine gute Pizza inmitten von Basketballfans, die<br />
lautstark den Match der Nationalmannschaft um den Einzug in den EM-Final verfolgen (Serbien gewinnt,<br />
die Welt ist in Ordnung).<br />
8. September, Dienstag<br />
Den Tag habe ich mir ganz für Erholung und Sightseeing reserviert. Mit einer Stadtrundfahrt bekommt<br />
man am schnellsten eine Übersicht. Als einziger Gast wird die geführte 2-stündige Rundfahrt zu einer<br />
eigentlichen Privatführung mit sehr netter Führerin und vielen Informationen. Belgrad ist abgesehen von<br />
schlimmen Hochhäusern in den Aussenquartieren sehr schön. Neben der pulsierenden Innenstadt mit<br />
den modernen Geschäften, <strong>gross</strong>en Fussgängerzonen und zahlreichen Gebäuden aus dem frühen 20.<br />
Jahrhundert faszinieren vor allem die gewaltige Festungsanlage Kalemegdan, die <strong>Donau</strong> und Save<br />
überwachte, das Parlamentsgebäude, das Rathaus, das Ivo Andric Museum, die <strong>gross</strong>en Parks sowie<br />
die mächtige St.Sava Kirche. Deren Bau wurde 1931 neben der bisherigen Kirche begonnen, bis heute<br />
aber immer wieder durch Kriege unterbrochen. Das monumentale Gebäude im Stile der Hagia Sophia<br />
von Konstantinopel soll nun aber demnächst fertig werden und mit Platz für 10‘000 Besucher die grösste<br />
orthodoxe Kirche werden. Auf Grund der hervorragenden Akustik wird es bereits heute an hohen Festtagen<br />
für musikalische Feiern genutzt. Erste Muster der mit Goldmosaik geschmückten Kuppeln können<br />
bereits bewundert werden.<br />
An die NATO-Bombardierungen 1999 erinnern heute noch einerseits die Ruinen von Milosevics Villa und<br />
des ehemaligen Verteidigungsministeriums, andererseits die aus Furcht vor Anschlägen zubetonierten<br />
Fenster der amerikanischen Botschaft. Auf der Rückfahrt ins Zentrum begegnen wir plötzlich einem Tram<br />
im vertrauten Grün des Basler "Drämmli"; tatsächlich, die Inschrift an der Seite bestätigt, dass die Stadt<br />
Basel eine Anzahl dieser immer noch elegant wirkenden ausgedienten Kompositionen der Stadt Belgrad<br />
geschenkt hat. Auch ein kleines Zeichen europäischer Integration!<br />
Nach gutem Essen mit Wein und natürlich einem, nein zwei Gläschen Šlivovic (total 1850 Dinar, ca. 32<br />
Franken) in einem der zahlreichen Beizli in der Kralja Petra spaziere ich nochmals durch die ausgedehnten<br />
Anlagen des Kalemegdan. Neben den eindrücklichen Mauern und Toren aus frühserbischen und tür-<br />
9