Grundschule aktuell 115
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www.grundschulverband.de · September 2011 · D9607F<br />
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>115</strong><br />
Schulanfänge 2011
Grundschrift: Notwendige Klarstellungen<br />
Der Grundschulverband schlägt als Schrift für die Grundschulkinder die Grundschrift vor.<br />
Die lebhafte Diskussion um diesen Vorschlag ist immer wieder von Missverständnissen geprägt.<br />
Mit sechs Klarstellungen möchte der Grundschulverband zur Versachlichung der Diskussion beitragen und die Aufmerksamkeit<br />
auf das eigentliche Ziel seines Projekts lenken: Grundschrift – damit Kinder besser schreiben lernen!<br />
1. Klarstellung:<br />
Die Grundschrift ist keine neue Schrift.<br />
Die Grundschrift ist die Schrift, die Kinder täglich in ihrer Lebenswelt<br />
sehen und erleben – die Schrift mit Druckbuchstaben.<br />
Mit nachgeahmten Druckbuchstaben fangen die meisten<br />
Kinder auch schon an zu schreiben, bevor sie in die Schule<br />
kommen. Praktisch alle Kinder können damit zum Beispiel bei<br />
Schul eintritt schon ihren Namen schreiben.<br />
Sie lernen also das Lesen und das Schreiben in ein und<br />
derselben Schrift, weil das Erschreiben von Wörtern auch die<br />
Lesefähigkeit und das Erlesen von Wörtern auch die Schreibfähigkeit<br />
schult.<br />
2. Klarstellung:<br />
Die Grundschrift ist eine Schreibschrift.<br />
Häufig wird der Begriff »Schreibschrift« als eine Schrift verstanden,<br />
die jeden Buchstaben in einem Wort miteinander verbindet.<br />
Das ist eine irrige Auffassung:<br />
Schon bei der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) wurden<br />
nicht mehr alle Buchstaben im Wort miteinander verbunden.<br />
Schon viele Dritt- und die meisten Viertklässler, erst recht alle<br />
Erwachsenen tun dies bei ihrer eigenen Schrift auch nicht mehr.<br />
Dennoch sind solche Schriften Schreibschriften.<br />
Nach zwei, drei, höchstens vier sichtbar verbundenen<br />
Buch staben heben Kinder wie Erwachsene häufig kurz den<br />
Stift vom Blatt, auch im Wort, wenn auch nur für Millisekunden:<br />
So entspannen sie die Muskulatur und vermeiden unöko nomische<br />
Hin- und Her-Bewegungen auf dem Papier.<br />
Das übrigens ist nicht nur gängige Alltagserfahrung, sondern<br />
durch wissenschaftliche Studien belegt.<br />
3.<br />
Klarstellung: Die Grundschrift ergibt eine<br />
flüssige, gut zu schreibende Handschrift.<br />
Mit der Grundschrift werden alle Buchstaben so geübt, dass sie<br />
»mit Schwung«, locker und flüssig geschrieben werden.<br />
Das geht mit einer kleinen, aber bedeutsamen und hilf reichen<br />
Wendung: Bei Kleinbuchstaben, die mit einem Abstrich enden<br />
(z. B. a, d, g, m), wird der Abstrich unten mit einem Wende bogen<br />
versehen. Das bringt Bewegung in die Schrift: Die Schreibweise<br />
wird dynamisch und Verbindungen zum folgenden Buchstaben<br />
im Wort werden gut möglich. Ausführlich werden Verbindungen<br />
von Buchstaben von den Kindern ausprobiert, geübt und in ihre<br />
eigene Schrift übernommen.<br />
4.<br />
Klarstellung: Die Grundschrift verdrängt kein<br />
wichtiges Kulturgut, sondern sie bewahrt es.<br />
Zurzeit gibt es an deutschen <strong>Grundschule</strong>n drei normierte<br />
verbundene Ausgangsschriften: die Lateinische (LA),<br />
die Vereinfachte (VA) und die Schul-Ausgangsschrift (SAS).<br />
Davor gab es bis 1953 die Deutsche Normalschrift,<br />
bis 1941 die Sütterlin-Frakturschrift. Bei dieser Vielfalt der<br />
Schriftformen kann von dem einen »Kulturgut« ernsthaft keine<br />
Rede sein. Das zu bewahrende Kulturgut ist die überlieferte<br />
Lateinschrift: die großen und kleinen Druckbuch staben, die<br />
»Gemischt-Antiqua« genannt wird.<br />
Ihre klaren Buchstabenformen eignen sich Kinder unverfälscht<br />
mit dem Grundschrift-Abc an.<br />
5. Klarstellung:<br />
Mit der Grundschrift schreiben Kinder gut lesbar.<br />
Die Grundschrift ist eingebettet in ein didaktisches Konzept der<br />
Schreiberziehung. Dabei gelten zum Beispiel durch gehend vom<br />
ersten Buchstaben bis zu den Texten der Viertklässler (und<br />
darüber hinaus) drei Kriterien:<br />
● Jeder Buchstabe muss klar erkennbar sein (Formklarheit).<br />
● Die Schrift muss geläufig, also flüssig geschrieben sein<br />
(Geläufigkeit).<br />
● Die Schrift muss gut leserlich sein (Lesbarkeit).<br />
Die Kinder üben von Anfang an, ihre und andere Schriften nach<br />
diesen drei Kriterien zu beurteilen und die eigene Schrift daran<br />
auszurichten. Das gilt auch, wenn sie Verbindungen von Buchstaben<br />
erproben. Dies entspricht auch den Vorgaben der<br />
Kultusminister. In ihren »Bildungsstandards Deutsch für die<br />
Primarstufe« fordern sie – verbindlich für alle Bundesländer – für<br />
das Ende der Grundschulzeit: Alle Kinder sollen »eine gut lesbare<br />
Handschrift flüssig schreiben«.<br />
6.<br />
Klarstellung: Die Grundschrift ist eine<br />
Konsequenz aus 30 Jahren Schulpraxis.<br />
Früher waren Lesen- und Schreibenlernen zwei getrennte<br />
Lehrgänge. Für den Anfang des Schreibenlernens wurden die<br />
normierten Schul-Ausgangs-Schriften erfunden.<br />
Seit den achtziger Jahren hat sich die Pädagogik des Lesenund<br />
Schreibenlernens geändert: Viele Kinder schreiben schon<br />
vor ihrer Schulzeit Buchstaben, viele ihren Namen und auch<br />
schon einzelne Wörter. Diese Art selbstständiger Eroberung<br />
unserer Schrift greift die Schule auf, regt sie bei allen Kindern an<br />
und entwickelt sie weiter. Lesen- und Schreibenlernen sind<br />
damit nicht mehr getrennte Lehrgänge, sondern eine Einheit.<br />
Das Schreiben ist dabei an den Buchstabenformen der Leseschrift<br />
orientiert. Genau dies macht die Grundschrift. Mit ihr<br />
können die Kinder dann ihre eigene gut lesbare flüssig geschriebene<br />
Handschrift im Laufe der Jahre entwickeln.<br />
Die Grundschrift ist die logische und überfällige Konsequenz<br />
aus den Veränderungen des Anfangsunterrichts in den letzten<br />
drei Jahrzehnten. Damit haben die normierten Schulschriften<br />
aus früherer Zeit ihre Funktion verloren.<br />
Die Konsequenz lautet:<br />
Grundschrift – damit Kinder besser schreiben lernen.<br />
132 Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong><br />
Grundschrift<br />
Damit Kinder besser schreiben lernen<br />
Horst Bartnitzky<br />
Ulrich Hecker<br />
Christina Mahrhofer-<br />
Bernt (Hg.)<br />
Kartei zum Lernen und Üben<br />
Teil 1<br />
Die Buchstaben<br />
Ausführliche Erläuterungen und Praxismaterialien<br />
finden sich in der soeben erschienenen Publikation:<br />
H. Bartnitzky / U. Hecker / Ch. Mahr hofer-Bernt:<br />
Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben lernen.<br />
Grundschulverband, Frankfurt a. M. 2011. Für (Nach-)<br />
Bestellungen: Buch mit Karteien 1 + 2: 39 € (für Mitgl.:<br />
26 €), Karteien 1 + 2 separat: 29 € (f. Mitgl.: 19 €)<br />
Kartei zum Lernen und Üben<br />
Teil 2<br />
Schreiben mit Schwung<br />
© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />
© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de
Inhalt<br />
Editorial<br />
Tagebuch<br />
S. 2 Qualität und <strong>Grundschule</strong>n (M. v. Saldern)<br />
Thema: Schulanfänge 2011<br />
S. 3 Mit dem Taxi zur Inklusion (Ph. Riedel)<br />
S. 7 Auf dem Weg zur Inklusion (E. Bohn)<br />
S. 8 Schulanfänge 2011: Situation in den Ländern<br />
(A. Speck-Hamdan)<br />
S. 13 Muss jedes Kind schulfähig sein oder die Schule<br />
kindfähig? (H. Bartnitzky)<br />
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
S. 18 Herausforderung der Kinder? Ja bitte!<br />
Förderhysterie? Nein danke! (R. Köhler)<br />
S. 22 Ein guter Start – Kindergarten und Schule<br />
gestalten den Übergang (C. Cremer)<br />
S. 25 Schulanfang mit der Grundschrift (T. Pätzold)<br />
S. 28 LuKS – Gemeinsame Lernumgebung für Kindergarten-<br />
und Grundschulkinder (E. Odersky)<br />
Aktuell …<br />
… aus dem Bundesvorstand<br />
S. 32 Rolf Kielblock verabschiedet (R. Schmitt)<br />
S. 33 Das verflixte siebte Jahr von VERA (M. Lassek)<br />
… aus den Landesgruppen, u. a.<br />
S. 34 Baden-Württemberg: Der Wechsel beginnt<br />
S. 35 Berlin: Gute <strong>Grundschule</strong> ist machbar –<br />
aber nicht umsonst<br />
S. 38 NRW: Gespräch mit der Schulministerin<br />
Impressum<br />
GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />
erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />
kostet 7,50 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 3,00 €.<br />
Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />
60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />
www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />
Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />
in Zusammen arbeit mit Dr. Horst Bartnitzky<br />
Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />
Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />
Fotos: Bettina Matthiessen, Weil am Rhein, www.mfotografie.de<br />
(S. 3 – 6); Bert Butzke, Mülheim/Ruhr (Titel, S. 10, 11); Sonja Erpenbach,<br />
Moers (S. 20, 21); Baldur Bertling, Dinslaken (S. 32); Autorinnen und<br />
Autoren<br />
Zeichnung: Wilhelm Nüchter, Moers (S. 9)<br />
Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />
Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />
Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />
Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />
Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />
Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />
ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6050<br />
Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage;<br />
Prospekt der Arnulf Betzold GmbH<br />
»Die ganz normale Vielfalt«<br />
war der Beitrag überschrieben, den Philipp Riedel in der ZEIT<br />
(Nr. 21, Mai 2011) veröffentlichte. Aus der Sicht und dem Erleben<br />
eines Vaters schilderte er, wie der Erstklässler Tilman ausprobiert,<br />
wie das funktioniert: Behinderte Kinder sollen an jeder<br />
Schule lernen können. Eindrucksvolle Fotos dazu hatte Bettina<br />
Matthiessen gemacht. Wir freuen uns, dass Philipp Riedel zum<br />
Auftakt dieses Heftes nun noch ausführlicher als in der ZEIT<br />
von seinen und Tilmans Erfahrungen berichtet, und dass Bettina<br />
Matthiessen ihre Fotos gern dafür zur Verfügung stellt. Auch<br />
ein neuer Schul-Anfang für dieses Schuljahr und die kommenden:<br />
Auf dem Weg zur Inklusion! S. 3 ff.<br />
»Teilweise hohe Zurückstellungsquoten« …<br />
und ein »im internationalen Vergleich hohes durchschnittliches<br />
Einschulungsalter« der Kinder in Deutschland veranlasste die<br />
Schul- und Kultusministerien in den sechzehn Bundesländern<br />
zu recht unterschiedlichen Maßnahmen. Angelika Speck-Hamdan<br />
analysiert den <strong>aktuell</strong>en Stand in den Bundesländern – ein<br />
wichtiger Beitrag dazu, sich Durchblick im Dschungel des Bildungsföderalismus<br />
zu verschaffen. S. 8 ff.<br />
Unterschiedlicher Blick auf Schule und Kinder<br />
Für die Gestaltung der rechtlichen Grundlagen des Übergangs<br />
von der Kita in die <strong>Grundschule</strong> wie des pädagogischen Konzepts<br />
der Schuleingangsphase ist der Blickwinkel entscheidend.<br />
Geht der Blick von der Schule auf die Kinder, ist die entscheidende<br />
Frage zum Schulstart: »Sind die Kinder fähig für die Schule?«<br />
Anders beim Blick von den Kindern auf die Schule, schreibt<br />
Horst Bartnitzky: »Die Schule akzeptiert die Verschiedenheit<br />
der Kinder und entwickelt eine integrative Pädagogik der Vielfalt<br />
und Gemeinsamkeit in einer anregungsreichen Lernumgebung.<br />
Die entscheidende Frage beim Schulstart lautet hier: Ist die<br />
Schule fähig für die unterschiedlichen Kinder? S. 13 ff.<br />
Hier schließt sich dann auch der Kreis zum Eröffnungsbeitrag<br />
von Philipp Riedel, zum pädagogisch klugen und selbstverständlichen<br />
Umgang mit der »ganz normalen Vielfalt«.<br />
Über VERA im Gespräch<br />
Maresi Lassek, die Vorsitzende des Grundschulverbandes, wurde<br />
zu einem Fachgespräch im »Institut für Qualitätsentwicklung<br />
(IQB)«, das für die Entwicklung der VERA-Aufgaben zuständig<br />
ist, eingeladen. Gut, dass das Institut das Gespräch mit den<br />
VERA-Kritikern sucht. Zum »verflixten siebten Jahr von VERA«<br />
schreibt Maresi Lassek. S. 33.<br />
Ulrich Hecker<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
1
Tagebuch<br />
Qualität und <strong>Grundschule</strong>n<br />
Matthias von Saldern<br />
Die Diskussion um die Qualität von <strong>Grundschule</strong>n will<br />
nicht enden. Auf der einen Seite ist dies verständlich,<br />
weil wir immer noch zu wenig empirische Grundlagen<br />
zur Beantwortung dieser Frage haben, zum anderen<br />
wünscht man allen Schulen, dass langsam eine gewisse<br />
Ruhe eintritt, die die Schulen wieder zu ihren Kernaufgaben<br />
kommen lassen. Sicher spielt es auch eine Rolle,<br />
dass Bildungspolitik Ländersache ist und damit eines<br />
der wenigen Politikfelder, die auf dieser Ebene überhaupt<br />
noch entschieden werden können. Dies hat zudem einen<br />
gewissen Aktionismus zur Folge, der eher kritisch betrachtet<br />
werden muss.<br />
Positiv ist sicher zu vermerken, dass die Diskussion um<br />
die gute <strong>Grundschule</strong> überhaupt geführt wird und unter<br />
anderem zu Qualitätsrastern geführt hat, die zumindest<br />
ein gutes Fundament für weitere Wege zur Verfügung<br />
stellt. Allerdings übersehen Qualitätsraster häufig, dass<br />
ein Merkmal einer guten <strong>Grundschule</strong> auch ein sehr individuelles<br />
Profil sein kann, was auf die Schülerschaft<br />
gut adaptiert ist, aber dennoch im Raster nicht auftaucht.<br />
Auffällig ist zudem, dass in diesen Qualitätsübersichten<br />
die Merkmale fehlen, die politisch-administrativ zu verantworten<br />
sind, wie zum Beispiel die Klassengröße, die<br />
Lehrerstundenzuweisung usw. Man tut also so, als ob die<br />
einzelne Schule alleine für die gesamte Qualität verantwortlich<br />
ist.<br />
Derzeit gibt es unterschiedliche Maßnahmen, die die<br />
Qualität der Einzelschule erhöhen sollen. Einer dieser<br />
Wege ist die so genannte Schulinspektion. Grundsätzlich<br />
gilt, dass der fremde Blick und der kritische Freund die<br />
Qualität der eigenen Schule erhöhen können. Schulinspektionen<br />
müssen aber auf Augenhöhe stattfinden, sie<br />
müssen auch die Verantwortung der politisch-administrativen<br />
Ebenen einbeziehen sowie zu Konsequenzen führen,<br />
bei denen die Schule nicht allein gelassen wird.<br />
Eine weitere Maßnahme sind die so genannten Vergleichsarbeiten.<br />
Diese führen nur dann zu besserem Unterricht,<br />
wenn sie lehrer- und klassenbezogene Interpretationen<br />
der Ergebnisse ermöglichen. Außerdem muss<br />
klar herausgearbeitet werden, warum es zu Unterschieden<br />
zwischen Klassen bzw. Schulen gekommen ist. Angemessener<br />
wäre es, den Lehrkräften diagnostische Verfahren<br />
für jedes Fach zur Verfügung zu stellen, die weniger<br />
unter Vergleichsgesichtspunkten als vielmehr unter individualdiagnostischen<br />
Gesichtspunkten eingesetzt werden<br />
können. Gerade vor dem Hintergrund der Inklusion<br />
wäre dies eine sinnvolle Maßnahme. Zwei weitere Punkte<br />
sind noch wichtig: Vergleichsarbeiten verfestigen das<br />
Arbeiten mit der kritisch zu diskutierenden Jahrgangsklasse,<br />
weil diese eine der Auswertungsebenen ist. Allerdings<br />
ist manche Kritik an den Vergleichsarbeiten dort<br />
nicht gerechtfertigt, wo die Kritiker noch Klassenarbeiten<br />
in ihren Klassen schreiben lassen. Aus Schülersicht ist<br />
es nämlich ziemlich gleichgültig, ob man eine Vergleichsarbeit<br />
oder eine Klassenarbeit schreibt.<br />
Als letzter Punkt sei das Ranking erwähnt. Veröffentlichte<br />
Ergebnisse eines Rankings führen nicht zu einer<br />
höheren Schulqualität, sondern produzieren so genannte<br />
Schereneffekte: Durch das Schulwahlverhalten der Eltern<br />
werden gute Schulen immer besser, weniger gute immer<br />
schlechter. Rankings bilden zudem eher das ökonomische<br />
Einzugsgebiet einer Schule ab. Sie sind sinn- und<br />
nutzlos. Viel wichtiger wäre zu fragen: Wo steht eine<br />
Schule heute? Wo wird sie in fünf Jahren stehen?<br />
Die genannten Maßnahmen lenken eher von einer Flexibilisierung<br />
von Schule ab, die für einzelne Schüler sehr<br />
viel besser wäre. Immer noch ist unser Schulsystem zu<br />
sehr darauf fixiert, als Maßstab des Handelns die Gruppierung<br />
sowie die Gleichzeitigkeit pädagogischer Schritte<br />
anzunehmen. Immer noch werden Klassenarbeiten mit<br />
gleichen Anforderungen für alle Schüler gleichzeitig geschrieben.<br />
Immer noch erhalten Schüler die gleiche Anzahl<br />
von Fachstunden, egal wie leistungsstark oder leistungsschwach<br />
sie sind. Immer noch werden Abschlüsse<br />
im Schulsystem nach einer festgelegten Anzahl von Jahren<br />
vergeben.<br />
Mehr Flexibilisierung für die <strong>Grundschule</strong> bedeutet:<br />
Einführung von jahrgangsübergreifenden Lerngruppen,<br />
Aufnahme aller Schülerinnen und Schüler, unterschiedliche<br />
Zeitläufe, in denen die Schülerinnen und Schüler<br />
die <strong>Grundschule</strong> durchlaufen können, Vermeidung der<br />
Notengebung unter Anwendung zum Beispiel von Kompetenzrastern.<br />
Dr. Matthias von Saldern ist Professor an der Leuphana<br />
Universität Lüneburg und Mitglied im Fachausschuss<br />
Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission.<br />
2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Philipp Riedel<br />
Mit dem Taxi zur Inklusion<br />
Ein inklusiver Tag an der Anne-Frank-Schule Freiburg<br />
Es ist Montagmorgen. Blondschopf Tilman steht gestiefelt und gespornt vor<br />
der Haustür und wartet auf das Taxi. Tilman hat das Downsyndrom, genauso<br />
wie sein Freund Ludwig. Zusammen mit einem Mädchen, das entwicklungsverzögert<br />
ist, gehen sie seit dem 17. September 2010 in die Familienklasse F1 der<br />
Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong> in Freiburg.<br />
Die Anne-Frank-Schule liegt<br />
nicht wohnortsnah, sondern<br />
sieben Kilometer entfernt. Die<br />
<strong>Grundschule</strong> in Tilmans Stadtteil war<br />
nicht bereit, Tilman und seinen Freund<br />
Ludwig aufzunehmen: »Wir haben keine<br />
Ressourcen. Wir können die Kinder<br />
nicht betreuen. Wir haben keine Räume<br />
für die Außenklasse. Die Kinder laufen<br />
weg. Wir sind nicht dafür ausgebildet.«<br />
Diese Argumente wiederholen sich<br />
an anderen Schulen. Sie sind eine Mischung<br />
aus Klischee, Unkenntnis und<br />
der Angst, den Aufgaben nicht gerecht<br />
werden zu können.<br />
Als die Anfrage vom Schulamt an<br />
die Anne-Frank-Schule kam, zögerte<br />
Schulleiter Edgar Bohn keine Sekunde:<br />
»Ich stehe voll hinter diesem Konzept.<br />
Der vollständige Einbezug der Kinder<br />
in die Klasse entspricht dem, was wir<br />
unter Inklusion verstehen. Inklusion<br />
erfordert erst einmal keine zusätzlichen<br />
Räume, sonst wäre es keine Inklusion.<br />
Tilman fühlt sich in der Familienklasse sehr wohl<br />
Zieldifferenziert unterrichten wir mit<br />
unserem reformpädagogischen Konzept<br />
schon lange.«<br />
Das Taxi ist da. Ludwig wurde bereits<br />
im Nachbarstadtteil aufgenommen und<br />
sitzt erwartungsfroh auf seinem Sitz.<br />
»Hallo Ludwig«, Tilman steigt fröhlich<br />
in das Taxi ein. Auf dem Weg zur<br />
Anne-Frank-Schule steht das Taxi im<br />
allmorgendlichen Stau. Vor ihm warten<br />
drei weitere Taxis: Kinder, die von<br />
ihrem Wohnort in eine weiter entfernte<br />
Schule gebracht werden. Es ist ein Dilemma:<br />
Es stehen bundesweit Milliarden<br />
an Euro aus öffentlichen Mitteln zu<br />
Verfügung, um Kinder an Förderschulen<br />
zu bringen. Andererseits fehlt dieses<br />
Geld für eine wohnortnahe inklusive<br />
Unterstützung, und die Kinder müssen<br />
ihr soziales Umfeld dafür verlassen. Für<br />
ein unterstützendes inklusives System<br />
müssten die Geldtöpfe völlig neu gefüllt<br />
werden beziehungsweise neue geschaffen<br />
werden. Das ist ein großes Rad, das<br />
gedreht werden muss.<br />
Auf dem Parkplatz bei der Anne-<br />
Frank-Schule wartet bereits Mirjam<br />
Ketterer auf Tilman und Ludwig. Sie<br />
macht ein Freiwilliges Soziales Jahr und<br />
wird über die Eingliederungshilfe der<br />
Stadt Freiburg bezahlt. Ihre Aufgabe:<br />
Den Schulalltag so zu begleiten, dass die<br />
Lehrkräfte in der Klasse sich vollständig<br />
auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren<br />
können.<br />
Mirjam begleitet die Kinder in die<br />
Schule.<br />
Endlich angekommen<br />
Tilman erklimmt die zweite Etage der<br />
Schule – viermal 12 Stufen, eine gute<br />
tägliche Übung für einen Jungen, dessen<br />
Körper chronisch unterspannt<br />
ist. »Guten Morgen, Tilman. Schön,<br />
dass du da bist.« Klassenlehrer Stefan<br />
Schmidt-Riese steht an der Klassentür<br />
und begrüßt jedes Kind. Selbständig<br />
zieht Tilman seine Jacke aus, stopft sie<br />
in sein Schließfach, stellt seine Schuhe<br />
in das Schuhregal und schlüpft in seine<br />
Hausschuhe. Dann schnappt er sich<br />
seinen Schulranzen und geht an seinen<br />
Sitzplatz im Klassenraum.<br />
Birgitta Wilhelm bereitet Unterrichtsmaterialien<br />
vor. Als sonderpädagogische<br />
Fachkraft mit Montessoriausbildung<br />
ist sie von der Schule für<br />
Menschen mit geistiger Behinderung<br />
für drei Tage an die Anne-Frank-Schule<br />
als zweite Lehrkraft abgeordnet. Ihre<br />
Stammschule bleibt die Förderschule.<br />
An den zwei übrigen Tagen übernimmt<br />
Grundschullehrer Olivier Greiner ihren<br />
Platz. »Merkwürdig ist das schon«, sagt<br />
Klassenlehrer Schmidt-Riese, »als ob<br />
die Kinder mit sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf an den zwei Tagen keinen<br />
Förderbedarf hätten.« Mehr sonderpädagogische<br />
Deputatsstunden konnte die<br />
Schulverwaltung nicht bereitstellen.<br />
Frau Wilhelm ist teamintern für alle<br />
acht Erstklässler hauptverantwortlich<br />
und entlastet so Stefan Schmidt-Riese.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
3
Thema: Schulanfänge 2011<br />
»Der Abstimmungsaufwand im<br />
Team ist dabei schon anstrengend. Ich<br />
muss mich nach 15 Jahren Unterrichtspraxis<br />
beim Teamunterricht teilweise<br />
völlig umstellen. Übertrieben gesagt:<br />
Jeder Handgriff, der aus sich heraus gut<br />
funktionierte, muss plötzlich im Team<br />
abgestimmt werden, denn jeder von<br />
uns hat natürlich seinen eigenen, ganz<br />
individuellen Stil. Das müssen wir erst<br />
einmal miteinander abgleichen. Aber<br />
missen möchte ich keine Stunde mehr.<br />
Da passiert viel Neues, von dem wir alle<br />
profitieren«, sinniert Schmidt-Riese.<br />
IQ, sondern hat soziale, kulturelle oder<br />
persönliche Anteile. Was für eine Herausforderung<br />
für die Lehrer! Wie lässt<br />
sich diese Vielfalt, die so normal ist,<br />
unter einen Hut bringen? Was ist das<br />
optimale Modell? Welche Unterrichtsform<br />
kommt jedem Kind am ehesten<br />
entgegen?<br />
Edgar Bohn, Schulleiter der Anne-<br />
Frank-Schule: »An unserer Schule ist es<br />
mehr oder weniger täglich Thema, wie<br />
wir allen Kindern gerecht werden können.<br />
Aber mit einem Helferstamm von<br />
derzeit 123 Personen und sehr vielen<br />
zusätzlichen Schulangeboten entsteht<br />
ein Schulgeist, mit dem sich arbeiten<br />
lässt.<br />
Für mich besteht das System »Anne-<br />
Frank-Schule« aus vielen Bausteinen:<br />
Kinder, die Erfolge in der Schule haben<br />
wollen und sollen; Eltern, die uns auf<br />
diesem Weg aktiv begleiten; ein Kollegium,<br />
das sich offensiv der Aufgabe<br />
stellt und – in Kenntnis der strukturellen<br />
und auch der eigenen Grenzen –<br />
sein Möglichstes gibt; Unterstützer,<br />
die uns besonders an unseren Grenzen<br />
helfen; eine Verwaltung, die zu einer<br />
guten Aufgabenbewältigung dem Kollegium<br />
den Rücken frei hält; und eine<br />
Schulleitung, die versucht, durch offene<br />
Kommunikation und Transparenz<br />
nach allen Seiten möglichst viele mit<br />
ins Boot zu holen. Über allem steht die<br />
wohlwollend-förderliche Hinwendung<br />
zum Kind.« Das ist der Nährboden für<br />
inklusive Haltung und Praxis.<br />
Beim Morgenkreis darf jedes Kind von<br />
seinen Wochenenderlebnissen erzählen:<br />
Dieses Mal haben sich Geburtstagsfeiern<br />
in den Familien angehäuft – vier Kinder<br />
erzählen von ihrer Oma, gutem Essen<br />
und Verwandtschaft. Tilman hört aufmerksam<br />
zu und gibt über sein Wochenende<br />
bekannt: »Geburtstag, Feiern, Essen<br />
gemacht, Papa.« Es ist ganz still. Alle<br />
hören zu. Syndrombedingt nuschelt und<br />
stottert Tilman viel. Das Verstehen fällt<br />
schwer. Klassenlehrer Schmidt-Riese<br />
fragt in die Runde der Kinder: »Wer hat<br />
Tilman verstanden? Wer mag das mal<br />
sagen?« Henry meldet sich: »Sein Papa<br />
hat auch am Wochenende Geburtstag<br />
gefeiert.« Gut zugehört. Obwohl Tilmans<br />
Papa gar nicht Geburtstag gefeiert hat.<br />
Aber Tilman gibt gerne das wider, was<br />
er selber gehört hat und macht es sich zu<br />
eigen. Das ist typisch für sein Lernverhalten:<br />
Er imitiert und kopiert perfekt.<br />
Hinhören, Abschreiben und Abgucken.<br />
Tilman lernt inklusiv.<br />
Der Stuhlkreis ist zu Ende. Die Kinder<br />
begeben sich an ihre Tischgruppen. Die<br />
Viertklässlerin Lisa hilft Tilman, seinen<br />
Stuhl zurückzutragen, obwohl Tilman<br />
das gar nicht will. Das schafft er selber!<br />
Lisa lächelt und lässt ihn machen.<br />
Freiarbeit<br />
Acht Uhr dreißig. Freiarbeit. In der<br />
Klasse setzt eine geheimnisvolle Dynamik<br />
ein. Ein stilles Geraschel und Geraune<br />
erfüllt den Klassenraum. Hefte<br />
Heterogenität – Vielfalt ist normal<br />
Der Montag fängt um acht Uhr im<br />
Stuhlkreis mit einem Lied an. Die<br />
Begeisterung beim Mitsingen ist gemischt.<br />
In den Gesichtern der Kinder<br />
leuchten Augen, manche beobachten<br />
eher still, auch traurige Augen gibt<br />
es. Die Klasse spiegelt wider, was die<br />
Schule charakterisiert: Schülerinnen<br />
und Schüler mit über 70 Prozent Migrationsanteil,<br />
mit einem breiten sozialen<br />
Hintergrund, Akademikerkinder,<br />
Hartz-IV-Kinder, hochbegabte Kinder,<br />
Kinder mit besonderem Förderbedarf.<br />
– Jedes Kind mit seiner persönlichen<br />
Geschichte, einem kleinen oder großen<br />
Päckchen an Erlebnissen, Bedürfnissen,<br />
Wünschen, Sehnsüchten sitzt in<br />
diesem Stuhlkreis versammelt. Heterogenität<br />
definiert sich nicht nur mittels<br />
Ludwig, Yachja und Tilman bei der konzentrierten Freiarbeit<br />
4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Philipp Riedel<br />
ist Forstwissenschaftler und PR-Berater.<br />
In dieser Kombination arbeitet er für<br />
die Waldbranche.<br />
Mit mindestens ebensoviel Leidenschaft<br />
setzt er sich als Vater von drei<br />
Kindern für eine offene und tolerante<br />
Gesellschaft ein.<br />
und Arbeitsmappen wandern auf die<br />
Tische, manche Kinder stehen auf, gehen<br />
zum Regal und holen sich Arbeitsmaterial,<br />
das sie auf den Teppichboden<br />
legen, und knien sich daneben. Andere<br />
verlassen den Klassenraum und<br />
bauen einen Tisch im Flur auf. Eine<br />
Dreiergruppe setzt sich an einen anderen<br />
Tisch, zu dem sich Schmidt-Riese<br />
gesellt und das »Perlenmaterial« nach<br />
Montessori einführt.<br />
Tilman hat zusammen mit Mirjam<br />
und zwei Mitschülern den Tisch im<br />
Flur mit einer Kasse sowie vier durchsichtigen<br />
Schraubdosen bestückt:<br />
Knabberbrezeln und Knabberfische<br />
1 Cent das Stück. Kekse 2 Cent. »Der<br />
Kaufladen ist geöffnet!« Wie im richtigen<br />
Leben schauen immer wieder »Käufer«<br />
vorbei. Jeder darf für höchstens 10<br />
Cent einkaufen. »Ich nehme 2 Brezeln<br />
und 2 Kekse. Tilman, was muss ich bezahlen?«<br />
Ein längeres Schweigen. Henry<br />
hilft ihm: »2 Kekse kosten 4 Cent und<br />
2 Brezeln 2 Cent.« Tilmans Finger helfen.<br />
»6 Cent.« Zufrieden setzt er sich<br />
wieder hin.<br />
Schmidt-Riese: »Frau Wilhelm bringt<br />
als Sonderpädagogin so viele praktische<br />
Impulse in die Klasse hinein. Der<br />
Kaufladen. Den hätte ich selber nie eingeführt.<br />
Aber jetzt, wo er da ist, interessieren<br />
sich alle Kinder der Klasse dafür.<br />
Das bringt eine Anschaulichkeit in den<br />
Unterricht, wovon alle profitieren. Das<br />
ist Win-Win.«<br />
An einem anderen Tisch im Flur residiert<br />
die »Bank«. Ludwig sortiert zusammen<br />
mit Birgitta Wilhelm Geld,<br />
zählt es, bildet Mengen und legt es in<br />
eine Geldkassette. Zuweilen wandert<br />
Wechselgeld zum Kaufladen, und vom<br />
Kaufladen wird eingenommenes Geld<br />
zur Bank gebracht. Anschaulicher kann<br />
das Arbeiten mit Mengen und Teilmengen<br />
nicht sein.<br />
Konzentration und Entspannung,<br />
Arbeiten und Träumen, Lernen und<br />
Tuscheln. Dieser Wechsel bestimmt die<br />
Freiarbeit und gehört zu jedem Unterrichtsrhythmus<br />
dazu. Kein Kind arbeitet<br />
durchgehend.<br />
Zum Konzept der Freiarbeit gehört<br />
sehr viel: Vertrauen in die Kinder, dass<br />
sie selber weiter kommen wollen, dass<br />
ihr Wissensdurst sie bei dem Thema<br />
hält. Der Überblick über den Lernstand<br />
jedes Kindes. Die dosierte Aufmerksamkeit<br />
für jedes Kind.<br />
Wann es »Klick« macht, bestimmt<br />
die Entwicklung des Kindes. Egal, ob<br />
mit IQ 120 oder 80; egal, ob mit Muttersprache<br />
deutsch oder russisch, egal, ob<br />
Mädchen oder Junge.<br />
Erzähltheater<br />
Nach der Pause versammeln sich die<br />
Kinder zweier Klassen in einem Klassenzimmer.<br />
Ein ausladender Korbstuhl,<br />
umschlungen von einem exotisch gemusterten<br />
Riesentuch, bestimmt die<br />
Atmosphäre des Raumes. Ein großer<br />
Stuhlkreis um ihn herum wartet auf<br />
seine aufmerksamen Zuhörer. Die Kinder<br />
kennen und lieben diese Stunde.<br />
Die Schauspielerin Nicola Hübsch, offensichtlich<br />
direkt aus Tausendundeiner<br />
Nacht entsprungen, sitzt mit geheimnisvoll<br />
blitzenden Augen im Korbstuhl<br />
und wartet, bis alle Kinder ihre Plätze<br />
eingenommen haben.<br />
Erstes Kapitel: Nacherzählung. Wer<br />
traut sich, das vergangenen Montag gehörte<br />
Märchen nachzuerzählen? Quer<br />
durch den Kreis wandert die Märchenfeder,<br />
geführt von der Schauspielerin.<br />
Ein Satz gibt den anderen. Zum Schluss<br />
hat die Gruppe das Märchen perfekt<br />
wiedererzählt. Viele Kinder, auch stillere,<br />
kommen zu Wort.<br />
Zweites Kapitel: Regelübungen. Die<br />
Kinder dürfen ihre Anspannung in Bewegung<br />
gießen. Die Schauspielerin exerziert<br />
mit den Kindern Regeln durch.<br />
Jede »Regel« ist durch einen kleinen Bewegungsablauf<br />
definiert: »Regel Nr. 1:<br />
Kopf nicken«, »Regel Nr. 3: Hände auf<br />
den Boden«. Dasjenige Kind, das nicht<br />
sofort die richtige Bewegung zur ausgerufenen<br />
Regel ausführt, wird auf seinen<br />
Stuhl geschickt. Ludwig und Tilman<br />
machen wie alle anderen Kinder begeistert<br />
mit. Längst haben auch sie die Regeln<br />
verinnerlicht und reagieren sofort<br />
mit der richtigen Bewegung. Ab und zu<br />
ist der Bruchteil einer seitlich gerichteten<br />
Vergewisserung notwendig, dass es<br />
auch die richtige Bewegung ist. Aber sie<br />
sind mitten drin und scheiden bei weitem<br />
nicht als erste aus.<br />
Letztes Kapitel: Ein neues Märchen.<br />
Ein Phantasie-Regen ergießt sich über<br />
die Kinder. Da rauscht das Meer, klingen<br />
silberne Glocken, schluchzt die<br />
Meerjungfrau, fleht der Königssohn.<br />
Die orientalische Schauspieldame hat<br />
längst ihren Stuhl verlassen, beschwört<br />
und bezirzt, bannt und verzaubert die<br />
Kinder. Ein großer Sog zieht die Kinder<br />
in die Geschichte hinein.<br />
Ludwig und Tilman sitzen auf der<br />
vordersten Stuhlkante und hören fasziniert<br />
zu. Sicherlich können sie nicht<br />
alles verarbeiten. Aber auch bei ihnen<br />
bleibt viel hängen.<br />
Das Spiel mit Worten und Bewegung,<br />
die Anregung von Phantasie und Kreativität,<br />
die Aktivierung des eigenen<br />
Wortschatzes – jedes Kind profitiert<br />
vom Erzähltheater und nimmt Anregungen<br />
mit.<br />
Beflügelt laufen die Kinder wieder<br />
zurück in ihre Klassen.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
5
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Morgenkreis mit dem »Happy«-Lied (mit Tilman, Celine und Lisa)<br />
Baustelle Inklusion<br />
Inklusion bleibt eine große Herausforderung.<br />
Eine offene Haltung zur Inklusion<br />
ist der erste wichtige Baustein – auf ihm<br />
lässt sich aufbauen. Die inklusive Schule<br />
ist aus vielen Bausteinen gebaut. Ein inklusiver<br />
Lehrer ist immer Manager. In<br />
der Vorbereitung ist er Komponist und<br />
Drehbuchautor, im Unterricht Moderator<br />
und Berater, sagt Professor Hans<br />
Wocken von der Universität Hamburg.<br />
Im Team zu unterrichten, unterschiedliche<br />
Leistungsstände managen<br />
zu können, Leistung an sich anders zu<br />
bewerten, das sind große Bildungsaufgaben<br />
auch für die Universitäten und<br />
Pädagogischen Hochschulen.<br />
Tilman geht nach wie vor gerne in die<br />
Schule. Er hat ein ausgeprägtes Interesse<br />
an Zahlen und Buchstaben. Er zählt,<br />
lautiert und buchstabiert. Er singt gerne,<br />
kickt Fußball und wird zu Geburtstagen<br />
eingeladen.<br />
Auf einem Elternabend zum Schuljahresende<br />
wussten die Eltern nichts<br />
Außergewöhnliches über Erzählungen<br />
ihrer Kinder aus der Klasse zu berichten:<br />
»Nein, da ist alles normal. Sie sagen<br />
höchstens: Es ist lustiger geworden bei<br />
uns in der Klasse.«<br />
Wenn diese schulische Normalität in<br />
jedem Dorf und jedem Stadtteil normal<br />
ist, wenn Kinder nicht mehr Taxis benötigen,<br />
um zur Schule transportiert<br />
werden zu müssen – dann ist Inklusion<br />
mittendrin.<br />
Anzeige<br />
BüZ und GSV geben Kindern das Wort –<br />
auch bei der Schulentwicklung<br />
Der »Blick über den Zaun (BüZ)« bietet Mitgliedern des Grundschulverbands die Möglichkeit, die im<br />
Schulverbund »Blick über den Zaun« entwickelten »Standards für Kinder« kostenlos zu erproben.<br />
Der Text »Unsere Standards«, der die reformpädagogisch orientierten Grundüberzeugungen<br />
des Schulverbunds konkretisiert, wurde zu diesem Zweck in eine Fassung in besonders einfacher<br />
Sprache übertragen.<br />
Mit Kindern können so vielfältige Bereiche der Schulentwicklung besprochen werden: zugleich eine<br />
Form der internen Schulevaluation.<br />
Das Material kann kostenlos beim BüZ angefordert werden:<br />
blickueberdenzaun@uni-siegen.de<br />
Weitere Informationen: www.blickueberdenzaun.de<br />
6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Edgar Bohn<br />
Auf dem Weg zur Inklusion<br />
oder: der lange Weg der Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong><br />
Mit mir kam 2001 ISEP an die<br />
Anne-Frank- <strong>Grundschule</strong>.<br />
Das entsprach meinem<br />
Wunsch, gemeinsamen Unterricht von<br />
Kindern mit und ohne Behinderung zu<br />
erproben.<br />
ISEP steht – inzwischen muss ich<br />
schrei ben stand – für Integratives Schulentwicklungs-Projekt.<br />
Mit diesem Projekt<br />
sollten in Baden-Württemberg Erfahrungen<br />
zum gemeinsamen Unterricht<br />
von Kindern mit und ohne Behinderung<br />
gemacht werden.<br />
Mein Vorgänger, Wolfgang Küchler,<br />
hatte dieses Projekt an die Schule geholt.<br />
Von 2001 bis 2009 setzte sich das Kollegium<br />
mit der Frage des gemeinsamen<br />
Unterrichts intensiv auseinander.<br />
Als wir 2005 unser erstes Schulprogramm<br />
schrieben, legten wir darin fest,<br />
dass uns dieser gemeinsame Unterricht<br />
an unserer Schule wichtig ist.<br />
Entsprechend setzten wir uns für die<br />
Fortsetzung des Projektes nach 2009<br />
frühzeitig ein. Allerdings – der Behördenwind<br />
blies uns ziemlich ins Gesicht.<br />
Erste Kontakte 2007 mit der Schulaufsicht<br />
machten rasch deutlich: ein weiteres<br />
ISEP war nicht gewünscht.<br />
So wollten wir das nicht hinnehmen,<br />
da wir im Verlauf unserer Erfahrungen<br />
zu der Erkenntnis gekommen waren: vorausgesetzt,<br />
dass das Projekt mit ausreichend<br />
personellen Ressourcen unterfüttert<br />
ist, wird der gemeinsame Unterricht<br />
zur Win-Win-Situation für alle. Alle Kinder,<br />
die Eltern und das Kollegium profitierten<br />
von diesem Projekt und setzten<br />
sich gemeinsam für die Fortführung ein.<br />
Unsere Diskussionen mündeten in<br />
einem Konferenzbeschluss, in welchem<br />
die Lehrkräfte der Schule sich einstimmig<br />
für die weitere Durchführung des<br />
gemeinsamen Unterrichts aussprachen.<br />
Jede Ja-Stimme war an die Voraussetzung<br />
geknüpft, auch selbst solchen<br />
gemeinsamen Unterricht zu übernehmen.<br />
Diese Beschlusslage teilten wir der<br />
Schulaufsicht mit.<br />
Parallel dazu hatten sich auch die Eltern<br />
in den Klassenpflegschaften und<br />
auch im Elternbeirat zu der Frage positioniert.<br />
Auch die Elternschaft der Schule<br />
machte sich für die Fortführung des gemeinsamen<br />
Unterrichts stark.<br />
Ende 2008 erhielten wir die definitive<br />
Absage von der unteren Schulaufsichtsbehörde.<br />
Die Absage wurde mit<br />
pädagogischen Argumenten begründet,<br />
die eine vorliegende Untersuchung der<br />
ISEP-Projekte ergeben hätte. Dies überraschte<br />
uns, da unsere drei Durchgänge<br />
zu keinem Zeitpunkt in eine Evaluation<br />
einbezogen waren. Wir fragten nach und<br />
wollten die Untersuchung gerne einsehen.<br />
Bis heute konnte uns niemand diese<br />
Untersuchung vorlegen bzw. mitteilen,<br />
wo wir die einsehen könnten!<br />
In einem Brief wandte sich das Kollegium<br />
direkt an den damaligen Kultusminister<br />
und lud ihn zu einem Besuch<br />
vor Ort ein. Lange mussten wir auf eine<br />
Antwort warten und wurden schließlich<br />
zu einem Gespräch ins Regierungspräsidium<br />
eingeladen. Dabei wurde deutlich,<br />
dass aus Ressourcengründen keine weiteren<br />
ISEPs mehr genehmigt würden.<br />
Parallel zu unseren Bemühungen hatten<br />
sich Eltern der Schule inzwischen engagiert<br />
und die Vertreter/innen aus dem<br />
Landtag direkt angesprochen. Da deren<br />
Auskünfte nicht sehr ermutigend waren,<br />
beschlossen sie weitere Aktionen und<br />
sandten u. a. zahlreiche »gelbe« Postkarten<br />
an das Ministerium. Obwohl diese<br />
Aktion dem Ministerium offensichtlich<br />
missfiel (ich erhielt einen Anruf aus dem<br />
Ministerium mit der dringenden Bitte,<br />
diese Aktion zu beenden), verblieb auch<br />
diese ohne sichtliche Reaktion.<br />
So kam es, dass wir im Schuljahr<br />
2009/2010 keinen gemeinsamen Unterricht<br />
durchführen konnten.<br />
Inzwischen hatten die Aktionen der<br />
Eltern der Schule in der Stadt Freiburg<br />
für eine erhöhte Sensibilität der Öffentlichkeit<br />
– auch der Politik in der Stadt –<br />
für den gemeinsamen Unterricht gesorgt.<br />
Dies ermutigte vor allem die Eltern zweier<br />
Kinder mit Behinderung dazu, die inklusive<br />
Beschulung ihrer Kinder für das<br />
Schuljahr 2010/2011 zu beantragen und<br />
schließlich zu erkämpfen.<br />
Inzwischen – wir schreiben das Ende<br />
des Jahres 2009 – war der Kultusverwaltung<br />
offensichtlich klar geworden, dass<br />
die Unterzeichnung der UN-Konvention<br />
auch Auswirkungen auf die badenwürttembergische<br />
Schullandschaft haben<br />
würde. Für konkret drei Elternpaare<br />
wurde in Freiburg eine Regelschule gesucht,<br />
die diese Kinder inklusiv beschulen<br />
würde.<br />
Nach einigem Hin und Her und nachdem<br />
keine andere Schule zu finden war,<br />
wandte sich die Schulaufsicht schließlich<br />
an die Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong>. Auf<br />
Grund der Beschlusslage und der Zusage<br />
entsprechender Ressourcen konnten wir<br />
kurzfristig zusagen. An der Schule selbst<br />
ergab sich für die Durchführung im<br />
Schuljahr 2010/2011 ein »Edelproblem«:<br />
vier Lehrkräfte der Schule hatten sich<br />
um die Klasse beworben und nur eine<br />
konnte berücksichtigt werden.<br />
Wir freuen uns sehr, dass nun wieder<br />
drei Kinder mit besonderem Förderbedarf<br />
in einer Inklusionsklasse an der<br />
Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong> unterrichtet<br />
werden können. Wir freuen uns, dass<br />
uns von der Schulverwaltung sowie von<br />
Seiten der Stadt Freiburg ausreichend<br />
Ressourcen zur Verfügung gestellt werden<br />
konnten. Ich freue mich vor allem,<br />
dass alle Beteiligten mit Freude an unserem<br />
Inklusionsprojekt mitwirken. Wir<br />
hoffen, dass unser Beispiel Mut macht<br />
und weitere inklusive Klassen mit vernünftiger<br />
Ausstattung eingerichtet werden<br />
können.<br />
Edgar Bohn<br />
Dipl.-Päd., Rektor der Anne-Frank-<br />
<strong>Grundschule</strong>, Geschäftsführender<br />
Schulleiter GHS der Stadt Freiburg,<br />
im Vorstand der Landesgruppe Baden-<br />
Württemberg seit Gründung.<br />
www.annefrankgrundschule.de<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
7
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Angelika Speck-Hamdan<br />
Schulanfänge – Situation in den Ländern<br />
In ihren Empfehlungen zum Schulanfang von 1997 sah sich die Kultusministerkonferenz<br />
angesichts der »teilweise hohen Zurückstellungsquoten« und »des<br />
im internationalen Vergleich hohen durchschnittlichen Einschulungsalters der<br />
Kinder in Deutschland« veranlasst, die bis dahin geltenden Regelungen zum<br />
Stichtag in Richtung einer höheren Flexibilität zu verändern. Die Bundesländer<br />
setzten die Empfehlungen zur Vorverlegung des Stichtags sowie zur erweiterten<br />
Möglichkeit einer frühen Einschulung in den folgenden Jahren mit unterschiedlichen<br />
Fristgebungen um.<br />
Im Band 111 des Grundschulverbandes<br />
verfasste Hans-Günther<br />
Rossbach auf Grundlage einer Befragung<br />
aller Bundesländer eine Synopse<br />
der rechtlichen Regelungen, die<br />
Ende 2000 / Anfang 2001 bestanden. 1)<br />
Damals war in einigen Ländern von<br />
der Flexibilisierung Gebrauch gemacht<br />
worden, in anderen nicht; vielfach war<br />
ein Hinweis auf geplante Veränderungen<br />
enthalten.<br />
Die Situation hat sich angesichts der<br />
dann erst aufflammenden PISA-Debatte<br />
geändert. Bekanntermaßen richtete<br />
sich das Augenmerk der Bildungspolitik<br />
nach dem schlechten Abschneiden<br />
der 15-Jährigen in besonderer Weise<br />
auf den Elementar- und Primarbereich;<br />
selbst die positiven IGLU-Ergebnisse<br />
änderten daran wenig. Der Bildungscharakter<br />
der vorschulischen Erziehung<br />
wurde durch die Schaffung von<br />
Bildungsplänen für den Elementarbereich<br />
untermauert. Die konkrete Bildungsaufgabe<br />
der Sprachförderung<br />
wurde an der Nahtstelle zwischen Elementar-<br />
und Primarbereich angesiedelt<br />
und verstärkt ausgebaut. Eine Reihe<br />
von Modellprojekten und Initiativen<br />
mit dem Ziel einer stärkeren Verzahnung<br />
der beiden Bereiche wurde initiiert;<br />
genannt seien hier beispielhaft das<br />
Verbundprojekt »TransKiGS« (an dem<br />
insgesamt fünf Bundesländer beteiligt<br />
waren), das Projekt »ponte« (mit Standorten<br />
in vier Bundesländern), das Projekt<br />
»Brückenjahr« in Niedersachsen,<br />
das Projekt »KiDZ« (Kindergarten der<br />
Zukunft) in Bayern sowie das Modell<br />
»Bildungshaus 3 – 10« in Baden-Württemberg.<br />
Ziel all dieser Projekte war neben<br />
der engeren Verknüpfung des Kindergartens<br />
und der <strong>Grundschule</strong> auch<br />
die Steigerung der Bildungsqualität in<br />
beiden Bereichen. Die Erfahrungen in<br />
allen Projekten wurden in etlichen Tagungen<br />
multipliziert und sind in zahlreiche<br />
Veröffentlichungen und Handreichungen<br />
eingeflossen; durchwegs ist<br />
ein ungemein hohes Engagement der<br />
Akteure erkennbar, und es ist zu hoffen,<br />
dass sich davon wenigstens ein Teil in<br />
die Breite hat übertragen lassen.<br />
Auf einer gemeinsamen Tagung der<br />
Kultusministerkonferenz und der Jugend-<br />
und Familienministerkonferenz<br />
im Dezember 2008 2) wurde eine Bilanz<br />
all der Anstrengungen zur Verbesserung<br />
der Kooperation zwischen KiTa<br />
und <strong>Grundschule</strong> gezogen. Die Diskussionen<br />
mündeten in einem gemeinsamen<br />
Beschluss der beiden genannten<br />
Konferenzen mit dem Titel »Den Übergang<br />
von der Tageseinrichtung für Kinder<br />
in die <strong>Grundschule</strong> sinnvoll und<br />
wirksam gestalten – Das Zusammenwirken<br />
von Elementarbereich und Primarstufe<br />
optimieren«, der im Juni 2009<br />
verabschiedet wurde. 3) Zum Einen ist es<br />
bemerkenswert, dass sowohl die Tagung<br />
als auch der Beschluss von den beiden<br />
verantwortlichen Institutionen des jeweiligen<br />
Bereichs gemeinsam gestaltet<br />
bzw. verabschiedet wurden. Davon geht<br />
eindeutig ein Signal zur Zusammenarbeit<br />
und zur gegenseitigen Wertschätzung<br />
aus. Zum Anderen ist es denkwürdig,<br />
dass es in dem Beschluss gelungen<br />
ist, sich auf gemeinsame Grundsätze,<br />
Leitsätze und Handlungsempfehlungen<br />
zu verständigen. Im Vordergrund steht<br />
eindeutig das Verbindende, nämlich die<br />
Verantwortung für einen gelingenden<br />
Übergang für jedes einzelne Kind. In<br />
der Schlussbemerkung werden die Länder<br />
aufgefordert, rechtliche und sonstige<br />
Rahmenbedingungen und entsprechende<br />
Instrumentarien zu schaffen,<br />
die diesem Ziel dienen.<br />
Der Grundschulverband hat angesichts<br />
der neuen Entwicklungen im<br />
Bereich des Schulanfangs in den verantwortlichen<br />
Ministerien der Bundesländer<br />
in der ersten Jahreshälfte 2011 um<br />
Auskünfte über die derzeitigen Regelungen<br />
zum Schulanfang gebeten. Bis<br />
zur Drucklegung dieser Ausgabe von<br />
»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« waren leider<br />
noch nicht alle Fragebögen wieder eingegangen.<br />
Die nachfolgenden Darstellungen<br />
beziehen sich auf die Antworten<br />
von 14 Grundschulreferentinnen und<br />
Grundschulreferenten. Wo es möglich<br />
war, wurden die Daten über die im Internet<br />
veröffentlichten Rechtsgrundlagen<br />
ergänzt. Da nicht alle Fragebögen<br />
in derselben Ausführlichkeit beantwortet<br />
wurden, ist es möglich, dass die<br />
Zusammenstellung auch Lücken oder<br />
interpretative Fehlschlüsse enthält.<br />
Diese gehen zu Lasten der Autorin, die<br />
um entsprechende Rückmeldung bittet.<br />
Aufgrund der Unvollständigkeit und<br />
der möglichen Fehlbewertungen einzelner<br />
Antworten enthält die nachfolgende<br />
Zusammenstellung nur Tendenzen und<br />
Hauptergebnisse.<br />
Einschulungsalter<br />
Das Einschulungsalter beträgt in der<br />
Regel sechs Jahre; doch sind die Stichtage<br />
durchaus unterschiedlich. Die Hälfte<br />
der Bundesländer (Bremen, Hamburg,<br />
Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt,<br />
Schleswig-Holstein) ist beim Stichtag<br />
30. 6. geblieben. Von den übrigen Bundesländern<br />
haben sich vier (Brandenburg,<br />
Baden-Württemberg, Bayern,<br />
Nordrhein-Westfalen) auf den Stichtag<br />
30. 9. festgelegt; ein weiteres Bundesland<br />
(Niedersachsen) beabsichtigt, im<br />
nächsten Schuljahr auch den 30. 9. als<br />
Stichtag festzusetzen. Im Moment liegt<br />
der Stichtag in Niedersachsen ebenso<br />
wie in Rheinland-Pfalz auf dem 31. 8.<br />
Thüringen geht über die alte Stichtagsregelung<br />
um einen Monat hinaus und<br />
schult die Kinder ein, die am 31. 7. das<br />
8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
sechste Lebensjahr vollendet haben.<br />
Am weitesten bewegt hat sich Berlin;<br />
dort werden die Kinder schulpflichtig,<br />
die bis zum 31. 12. des Jahres sechs Jahre<br />
alt werden. Die Angaben über Möglichkeiten<br />
einer vorzeitigen Aufnahme<br />
sind sehr unterschiedlich. Einige Länder<br />
weisen nur darauf hin, dass diese<br />
Möglichkeit besteht und machen Angaben<br />
darüber, wer über die Aufnahme<br />
zu entscheiden hat und ob unter Umständen<br />
ein schulpsychologisches oder<br />
schulärztliches Gutachten vorgelegt<br />
werden muss. In den meisten Ländern<br />
werden keine präzisen Angaben zu einem<br />
weiteren Stichtag für die vorzeitige<br />
Aufnahme gemacht. Das kann so interpretiert<br />
werden, dass es hier für die<br />
vorzeitige Aufnahme keine Begrenzung<br />
hinsichtlich des Alters gibt. Niedersachsen<br />
präzisiert, es könnten auch Vierjährige<br />
eingeschult werden, wenn sie als<br />
schulfähig eingeschätzt werden. Baden-<br />
Württemberg und Thüringen geben als<br />
Stichtag für die vorzeitige Aufnahme<br />
den 30. 6. des Jahres nach der Einschulung<br />
an; Brandenburg und Bremen halten<br />
den 31. 12. des Einschulungsjahres<br />
für angemessen. Bayern unterscheidet<br />
zwischen Kindern, die bis zum 31. 12.<br />
das sechste Lebensjahr vollenden werden<br />
und solchen, die noch später geboren<br />
sind; erstere können auf Antrag<br />
der Erziehungsberechtigten vorzeitig<br />
eingeschult werden, und bei letzteren<br />
ist zusätzlich ein schulpsychologisches<br />
Gutachten vorzulegen. In Berlin gilt der<br />
31. 3. des Folgejahres als Grenze.<br />
Zurückstellungen sind in fast allen<br />
Bundesländern möglich; nur in Schleswig-Holstein<br />
sind sie grundsätzlich ausgeschlossen.<br />
Viele Länder betonen aber,<br />
dass diese Maßnahme nur in Ausnahmefällen<br />
angewendet werden sollte. Es<br />
sollte beispielsweise eine medizinische<br />
Indikation vorliegen. Mehrere Länder<br />
(z. B. Niedersachsen oder auch Brandenburg)<br />
wollen eine entsprechende<br />
Förderung der zurückgestellten Kinder<br />
gewährleistet sehen, um sie überhaupt<br />
zuzulassen. Hamburg hält als letztes<br />
Bundesland Vorklassen für zurückgestellte<br />
Kinder bereit. Hürden werden in<br />
manchen Ländern auch dadurch aufgebaut,<br />
dass für die Entscheidung über die<br />
Zurückstellung, die in den allermeisten<br />
Fällen die Schulleitung trifft, nicht nur<br />
Anträge der Erziehungsberechtigten<br />
vorliegen müssen, sondern auch zusätzlich<br />
»medizinische Diagnosen« (Bremen)<br />
oder schulärztliche und schulpsychologische<br />
Gutachten (Mecklenburg-<br />
Vorpommern) einzuholen sind.<br />
Seit Erscheinen der KMK-Empfehlungen<br />
zum Schulanfang von 1997<br />
lässt sich in der Tat eine Tendenz hin<br />
zu einer stärkeren Flexibilisierung des<br />
Einschulungsalters konstatieren. Sie<br />
bezieht sich weniger auf die erweiterte<br />
Stichtagsregelung, die nur von der Hälfte<br />
der Länder aufgegriffen wurde, als<br />
vielmehr auf die erweiterten Möglichkeiten<br />
zur vorzeitigen Aufnahme in die<br />
Schule. Zusammen mit der zurückhaltenderen<br />
Handhabung von Zurückstellungen<br />
hat dies insgesamt zu einer »Verjüngung«<br />
der Schulanfänger geführt.<br />
Laut dem Bildungsbericht von 2010<br />
sind im Jahr 2008 etwa 60 Prozent der<br />
Kinder, die im Einschulungsjahr sechs<br />
Jahre alt wurden, in der Schule. In den<br />
Bundesländern, die eine Vorverlegung<br />
des Einschulungsalters vorgenommen<br />
haben, ist der Anteil höher. Dort haben<br />
allerdings auch die Zurückstellungen<br />
wieder leicht zugenommen, während<br />
sie insgesamt zurückgegangen sind. 4)<br />
Bildungspolitisch wird diese Entwicklung<br />
begrüßt. Dass sie im Alltag der<br />
<strong>Grundschule</strong> nicht immer nur auf Begeisterung<br />
gestoßen ist, hat möglicherweise<br />
mit dem Aufeinandertreffen weiterer<br />
Herausforderungen in dieser Zeit<br />
zu tun.<br />
Kooperation mit dem<br />
Elementarbereich<br />
Eines der wichtigsten bildungspolitischen<br />
Anliegen der vergangenen Jahre<br />
war die Kooperation der <strong>Grundschule</strong><br />
mit dem Elementarbereich. An diese<br />
Kooperation sind vor allem Erwartungen<br />
hinsichtlich eines besseren Anschlusses<br />
in der Bildungsbiographie eines<br />
jeden Kindes verbunden. Deshalb ist<br />
es nicht verwunderlich, dass alle Bundesländer<br />
diese Aufgabe per Erlass, Gesetz,<br />
Verwaltungsvorschrift oder Ähnlichem<br />
geregelt haben. In den meisten<br />
Fällen ist die Kooperation verpflichtend,<br />
in einigen Fällen auch als Soll-Vorschrift<br />
formuliert. Die Formen der Kooperation<br />
sind vielfältig und lassen den Pädagog/<br />
inn/en der beiden Institutionen gewisse<br />
Freiheiten bezüglich Schwerpunktsetzung<br />
und Ausgestaltung. Einige Länder<br />
machen konkrete Vorschriften zur<br />
Erhöhung der Verbindlichkeit. So wird<br />
beispielsweise in Baden-Württemberg<br />
ein gemeinsam erstellter Jahresplan der<br />
Kooperation gefordert, in Berlin und<br />
Schleswig-Holstein müssen verbindliche<br />
Vereinbarungen geschlossen werden, in<br />
denen Form und Inhalt der Kooperation<br />
festgelegt werden. Bayern hat 120<br />
Grundschullehrkräfte zu Kooperationsbeauftragten<br />
ausgebildet, die in Tandems<br />
mit den Kooperationsbeauftragten<br />
aus dem Kita-Bereich Fortbildungen<br />
für beide Professionen durchführen und<br />
die Kooperation auf regionaler Ebene<br />
koordinieren. Diese gemeinsamen Fortbildungen<br />
sind vielen Ländern ein Anliegen,<br />
vermutet man doch durch den<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
9
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Wissens- und Erfahrungsaustausch einen<br />
gegenseitigen Gewinn hinsichtlich<br />
der Anschlussfähigkeit von Bildungsprozessen.<br />
Ein Thema, das sich durch<br />
viele Angaben zur Kooperation zieht,<br />
ist der Informationsaustausch über die<br />
künftigen Schulanfänger/innen. Um ein<br />
datenschutzrechtlich korrektes Handeln<br />
zu ermöglichen, wird auf unterschiedliche<br />
Verfahren verwiesen. In Bayern<br />
wurde ein eigener einheitlicher Informationsbogen<br />
entwickelt, der von den<br />
pädagogischen Fachkräften des Elementarbereichs<br />
zusammen mit den Eltern<br />
ausgefüllt wird und von den Eltern bei<br />
der Schuleinschreibung an die Schule<br />
(freiwillig) übergeben wird. In Bremen<br />
sind Übergabegespräche vorgesehen;<br />
in Hamburg sind die Kitas verpflichtet,<br />
einen individuellen Entwicklungsbericht<br />
über die Viereinhalbjährigen zu<br />
erstellen, der mit Einverständnis der<br />
Eltern bei der Überprüfung der Kinder<br />
in den <strong>Grundschule</strong>n herangezogen<br />
wird. Baden-Württemberg benennt die<br />
Beobachtung der Kinder hinsichtlich<br />
ihrer Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen<br />
ohne näheren Hinweis auf<br />
die datenschutzrechtlichen Probleme als<br />
Feld der Zusammenarbeit.<br />
Zusätzlich zur Regelung der Kooperationen<br />
vor Ort haben die meisten Länder<br />
Projekte initiiert, die der Intensivierung<br />
und Vertiefung der Kooperation dienen<br />
sollen. Baden-Württemberg verweist<br />
auf die Projekte »Schulreifes Kind« und<br />
»Bildungshaus 3 – 10«. Im erstgenannten<br />
Projekt geht es primär um die Förderung<br />
von Kindern mit ungünstigeren<br />
Lernausgangslagen; sie sollen vor Schuleintritt<br />
ihre Entwick lungsrückstände<br />
aufholen können. Im zweiten Projekt<br />
geht es direkt um die Anschlussfähigkeit<br />
zwischen den beiden Bildungsbereichen,<br />
die hier bewusst als »ein Haus« zusammengefasst<br />
werden. Kitas und <strong>Grundschule</strong>n<br />
bilden je einen pädagogischen<br />
Verbund, der eine flexible Handhabung<br />
des Übergangs erlaubt. In Bayern wurde<br />
das Projekt »KiDZ« (Kindergarten<br />
der Zukunft) ins Leben gerufen, das<br />
ebenfalls auf eine enge Verzahnung von<br />
Kindergarten und <strong>Grundschule</strong> setzt.<br />
Niedersachsen stärkt die Kooperation<br />
der beiden Bildungsbereiche durch das<br />
Projekt »Das letzte Kindergartenjahr als<br />
Brückenjahr zur <strong>Grundschule</strong>«, das vor<br />
allem die Beratung und Qualifizierung<br />
des pädagogischen Personals im Fokus<br />
Beliebtes Ritual: »Rausschmiss« aus dem Kindergarten<br />
hat. Nordrhein-Westfalen setzt auch auf<br />
Netzwerke; Kitas und <strong>Grundschule</strong>n<br />
erproben seit dem Schuljahr 2010/2011<br />
freiwillig die »Grundsätze zur Bildungsförderung<br />
für Kinder von 0 – 10«. Ebenfalls<br />
seit dieser Zeit erprobt das Saar land<br />
das »Kooperationsjahr zwischen dem<br />
Kindergarten und der <strong>Grundschule</strong>«.<br />
Lehrkräfte der <strong>Grundschule</strong> arbeiten<br />
bis zu vier Wochenstunden in den Kooperationskindergärten.<br />
In den beteiligten<br />
Bundesländern ist das Projekt<br />
»TransKiGS« zwar abgeschlossen, aber<br />
muss noch weiter in die Breite gebracht<br />
werden.<br />
Eine besondere Form der Zusammenarbeit<br />
stellt der Versuch eines gemeinsamen<br />
Bildungsplans dar. Ein solches Projekt<br />
hat Hessen als erstes Bundesland<br />
erfolgreich unternommen. Thüringen<br />
folgte mit dem »Thüringer Bildungsplan<br />
für Kinder bis 10 Jahre«. Beide Pläne<br />
liegen vor und müssen im Moment mit<br />
Leben erfüllt werden. Nordrhein-Westfalen<br />
hat im Jahr 2010 »Grundsätze zur<br />
Bildungsförderung für Kinder von 0 – 10<br />
Jahren« formuliert, mit dem Ziel der<br />
Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses<br />
für Kindergarten<br />
und <strong>Grundschule</strong>. Dieser Plan wird momentan<br />
auf seine Praxis tauglichkeit hin<br />
überprüft. In Bayern entstehen gerade<br />
gemeinsame Leitlinien für die Bildungsund<br />
Erziehungs arbeit in Kindertageseinrichtungen<br />
und Schulen.<br />
Die Kooperation zwischen dem Elementar-<br />
und dem Primarbereich des<br />
Bildungssystems ist in allen Bundesländern<br />
fest verankert. Zahlreiche Maßnahmen<br />
wurden administrativ angestoßen.<br />
Die Erfahrung aber lehrt, dass die<br />
Umsetzung Zeit braucht und dass sie<br />
angesichts der sehr unterschiedlichen<br />
Bedingungen vor Ort nicht eins zu eins<br />
erfolgen kann. Der vielfach eingeschlagene<br />
Weg über Tandems scheint vielversprechend,<br />
da so weitgehend sicher<br />
gestellt werden kann, dass alle am Prozess<br />
Beteiligten mitgenommen werden.<br />
Positiv anzumerken ist, dass die allermeisten<br />
der Projekte wissenschaftlich<br />
begleitet werden, allerdings mit recht<br />
unterschiedlichen Methoden und in<br />
unterschiedlichem Umfang, so dass die<br />
Ergebnisse schwierig werden miteinander<br />
verglichen werden können.<br />
10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Sprachstandserhebungen<br />
vor der Einschulung<br />
Die Brisanz der ungleichen Bildungsund<br />
Lernvoraussetzungen aufgrund<br />
mangelnder Kompetenz in der deutschen<br />
Sprache ist seit einigen Jahren klar<br />
erkannt worden. Als erste Maßnahme<br />
wurde gefordert, den Sprachstand von<br />
Kindern mit nicht-deutscher Herkunftssprache<br />
schon vor Schulbeginn zu erheben,<br />
um als zweite Maßnahme rechtzeitig<br />
Sprachförderung anbieten zu können.<br />
Die konkreten Maßnahmen in den Ländern<br />
unterschieden sich jedoch relativ<br />
stark voneinander. Das betrifft zunächst<br />
den Zeitpunkt, zu dem der Sprachstand<br />
überhaupt festgestellt wird. Ein Großteil<br />
der Länder knüpft die Erhebung des<br />
Sprachstands an die Schuleinschreibung,<br />
zu der ohnehin alle Kinder in der Schule<br />
vorgestellt werden. Zu diesen Ländern<br />
gehören Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz,<br />
das Saarland und Schleswig-<br />
Holstein, wobei manchmal diese Untersuchung<br />
just wegen dieser zusätzlichen<br />
Aufgabe vorverlegt wurde. Andere<br />
Länder erfassen die sprachlichen Kompetenzen<br />
noch früher, nämlich Bayern<br />
(ab 3,5 Jahre), Hamburg (4,5 Jahre), Niedersachsen<br />
(2 Jahre vor Schuleintritt),<br />
Nordrhein-Westfalen (2 Jahre vor Schuleintritt)<br />
und Sachsen-Anhalt (ab 4. Lebensjahr).<br />
Bremen erfasst den Sprachstand<br />
aller Fünfjährigen, was mit dem<br />
Datum mancher Schuleinschreibungen<br />
zusammenfallen dürfte. Berlin setzt<br />
eine Frist: Alle Kinder müssen bis zum<br />
31. 5. des Einschulungsjahres auf ihre<br />
Sprachfähigkeit hin untersucht worden<br />
sein. Hinsichtlich der Verbindlichkeit<br />
lassen sich drei Modelle unterscheiden.<br />
Das erste Modell schreibt verbindlich für<br />
alle Kinder eine Sprachstanderhebung<br />
vor; dazu gehören Baden-Württemberg,<br />
Bayern, Berlin, Bremen, Niedersachsen,<br />
Nordrhein-Westfalen und Sachsen-<br />
Anhalt. Beim zweiten Modell greift die<br />
Verbindlichkeit nur, wenn ein Förderbedarf<br />
zu vermuten ist; das trifft zu für<br />
Hamburg, für Rheinland-Pfalz und für<br />
Schleswig-Holstein. Andere Länder wieder<br />
vertreten ein drittes Modell: Sie setzen<br />
auf Freiwilligkeit wie das Saarland,<br />
oder sie machen keine verbindlichen<br />
Vorschriften hinsichtlich dieser Frage,<br />
wie etwa Hessen, Mecklenburg-Vorpommern<br />
oder auch Thüringen.<br />
Die größte Vielfalt aber zeigt sich in<br />
den verwendeten Instrumenten. Lediglich<br />
ein Instrument wird verbindlich<br />
in zwei Ländern eingesetzt: Delfin 4<br />
wird in Nordrhein-Westfalen und in<br />
Sachsen-Anhalt für die Vierjährigen<br />
eingesetzt, in Nordrhein-Westfalen allerdings<br />
ergänzt um weitere Instrumente<br />
bei der zweiten Untersuchung, die ein<br />
Jahr vor Schuleintritt vorgesehen ist.<br />
Alle anderen Länder verwenden eigene<br />
Instrumente, teils Beobachtungsinstrumente,<br />
teils Tests. Bayern schreibt die<br />
Beobachtungsbögen PERIK, SISMIK<br />
und SELDAK vor; diese Bögen werden<br />
in der Kita eingesetzt und von den Erzieherinnen<br />
geführt. Sie erlauben eine<br />
Beobachtung über eine längere Zeit hinweg,<br />
während die ansonsten eingesetzten<br />
Verfahren eher Momentaufnahmen<br />
sind. Zu den von den Grundschulreferenten<br />
und Grundschulreferentinnen<br />
genannten Instrumenten gehören außer<br />
den bereits genannten das »Heidelberger<br />
Auditive Screening in der Einschulungsuntersuchung<br />
(HASE)« und der<br />
»Sprachentwicklungstest für drei- bis<br />
fünfjährige Kinder (SETK 3 – 5)« (beide<br />
Baden-Württemberg), der Sprachtest<br />
von CITO (Bremen), »Bildimpuls« und<br />
HAVAS (Hamburg), »Fit in Deutsch«<br />
(Niedersachsen), »Früh Deutsch lernen«<br />
(Saarland), die »Qualifizierte Statuserhebung«<br />
und »Deutsch Plus 4« (Berlin).<br />
Der größte Teil dieser Instrumente sind<br />
als Screenings zu bezeichnen; sie liefern<br />
lediglich Anhaltspunkte für eine differenziertere<br />
Diagnose. Sie sind nicht<br />
normiert. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein<br />
schreiben zwar bei vermutetem<br />
Förderbedarf in der Sprache<br />
eine Feststellung des Sprachstandes vor,<br />
legen die <strong>Grundschule</strong>n aber nicht auf<br />
ein bestimmtes Verfahren fest. In den<br />
meisten Ländern liegt die Aufgabe der<br />
Erhebung in Händen der Schule, auch<br />
wenn sie – wie in NRW und in Sachsen-<br />
Anhalt – in der Kita erfolgt. In Bayern<br />
ist der Kindergarten damit in die Pflicht<br />
genommen, der die Ergebnisse (mit<br />
Einverständnis der Eltern) an die Schule<br />
kommuniziert. In einigen Ländern<br />
wird bei vermutetem Förderbedarf auf<br />
die Expertise von Fachkräften zurückgegriffen,<br />
z. B. in Schleswig-Holstein.<br />
Auf die Notwendigkeit der Verknüpfung<br />
dieser Erhebungen mit entsprechenden<br />
Fördermaßnahmen wird in<br />
sehr vielen Antworten aus den Ministerien<br />
hingewiesen. Es ist den Antworten<br />
zu entnehmen, dass die Aufgabe der<br />
Sprachförderung einen hohen Stellenwert<br />
in der Bildungspolitik der Länder<br />
hat. Doch ist es schwer nachvollziehbar,<br />
warum die Länder hier so unterschiedlich<br />
vorgehen. Eine Vergleichbarkeit ist<br />
damit kaum zu erwarten, weil weder der<br />
Zeitpunkt noch die Instrumente einen<br />
gemeinsamen Bezugsrahmen haben.<br />
Vorschulische Förderangebote<br />
Eine noch so gute Diagnose hätte pädagogisch<br />
keinen Sinn, wenn sie nicht in<br />
eine entsprechende Förderung mündete.<br />
Dies sehen die Bundesländer ebenso<br />
und geben – bis auf Mecklenburg-Vorpommern<br />
– alle auf die Frage nach Förderangeboten<br />
Sprachfördermaßnahmen<br />
vor Schuleintritt an. Einige Länder<br />
verweisen zusätzlich auf sonderpädagogische<br />
Frühförderung bei einem festgestellten<br />
sonderpädagogischen bzw.<br />
einem erhöhten Förderbedarf; wieder<br />
andere Länder verweisen außerdem<br />
auf ihre Bildungspläne für den Elementarbereich,<br />
in dem das Thema Sprache<br />
umfassend und in der Regel als Kernbereich<br />
akzentuiert wird.<br />
Was die Sprachförderung betrifft,<br />
ergibt sich ein ebenso heterogenes Bild<br />
wie bei der Feststellung des Sprachstandes.<br />
In der Regel erfolgt die Förderung<br />
im Jahr vor der Einschulung, in einigen<br />
Ländern über ein ganzes Jahr hinweg,<br />
in anderen über ein halbes Jahr hin-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
11
Thema: Schulanfänge 2011<br />
weg, oder es heißt nur »im Jahr vor der<br />
Einschulung«. Einige Länder geben den<br />
Umfang sehr genau an. So sind in Bayern<br />
für jedes Kind 240 Stunden insgesamt<br />
garantiert, im Saarland bis zu 10<br />
Stunden pro Woche für jedes Kind und<br />
in Schleswig-Holstein für die Dauer von<br />
20 Wochen täglich bis zu zwei Stunden.<br />
In Niedersachsen wird eine Stunde<br />
pro Kind und Woche angesetzt, was<br />
bei einer Gruppe von fünf Kindern zu<br />
fünf Wochenstunden Förderung führt.<br />
Einige Länder rechnen auf der Basis<br />
von Geldsummen; so gibt Nordrhein-<br />
Westfalen pro Kind und pro Jahr für die<br />
Sprachförderung 340 € aus, eine Summe,<br />
die im nächsten Schuljahr um 5 €<br />
angehoben werden soll.<br />
Vorrangig findet die Förderung in<br />
den Kitas statt, manchmal in Kita oder<br />
Schule oder auch in Kita und Schule. Die<br />
Förderung wird von Erzieher/inne/n,<br />
von Sozialpädagog/inn/en, von Lehrer/<br />
inne/n und auch von »Sprachförderlehrkräften«<br />
(Saarland) durchgeführt. In<br />
Bayern besteht die Vereinbarung einer<br />
hälftigen Aufteilung zwischen pädagogischen<br />
Fachkräften des Elementarbereichs<br />
und den Lehrpersonen der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Im Saarland begleiten die Sprachförderlehrkräfte<br />
die Schulanfänger/innen auch<br />
noch ein halbes Jahr in der Schule. In<br />
vielen Ländern wird auf die Zusatzausbildung<br />
des Personals, das die Sprachförderung<br />
durchführt, hingewiesen.<br />
Die Maßnahmen sind sowohl qualitativ<br />
als auch quantitativ äußerst unterschiedlich.<br />
Auch ihre Verbindlichkeit<br />
ist unterschiedlich geregelt. Am weitesten<br />
geht Niedersachsen mit der Absicht,<br />
künftig die Nichtteilnahme an der<br />
Sprachförderung mit Bußgeld zu ahnden.<br />
Kein Land erwähnt in der Befragung<br />
eine wissenschaftliche Überprüfung<br />
seiner Maßnahmen. Angesichts der<br />
nicht unbeträchtlichen Summen, die in<br />
sie fließen, wäre die Frage nach der Effizienz<br />
aber sicherlich nicht uninteressant.<br />
Angelika Speck-Hamdan<br />
Professorin für Grundschulpädagogik<br />
an der Universität München,<br />
Fachreferentin für Bildungsgerechtigkeit<br />
im Grundschulverband<br />
Flexible Eingangsstufe<br />
Der Grundschulverband hat sich seit vielen<br />
Jahren für die flexible Eingangsstufe<br />
eingesetzt. Im programmatischen Band<br />
»Die Zukunft beginnt in der <strong>Grundschule</strong>«<br />
5) heißt es: »Nach der Konzeption der<br />
›integrativen <strong>Grundschule</strong>‹ müssen nicht<br />
mehr die Kinder ›schulfähig‹, sondern<br />
die Schulen kindgerecht werden« (S. 143).<br />
Vorgeschlagen wird die Aufnahme aller<br />
Sechsjährigen in eine jahrgangsübergreifende<br />
Schulanfängerlerngruppe, die<br />
erstens nicht zu groß und zweitens mit<br />
zusätzlichem Förderpersonal ausgestattet<br />
ist. Das ist der Kerngedanke der in den verschiedenen<br />
Umsetzungen auch mit unterschiedlichen<br />
Bezeichnungen versehenen<br />
Eingangsstufe. Als erstes Bundesland startete<br />
Brandenburg schon im Jahr 1992 mit<br />
einem Pilotprojekt zu einer veränderten<br />
Schuleingangsstufe in diesem Sinn. Was ist<br />
nun, nachdem die Diskussionen sich verändert<br />
haben, aus der »Neuen« oder »Flexiblen«<br />
Eingangsstufe geworden?<br />
Die meisten Länder haben eine<br />
flexible Schuleingangsstufe eingeführt.<br />
Lediglich Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Rheinland-Pfalz bilden<br />
eine Ausnahme. Das Saarland bereitet<br />
die flexible Schuleingangsstufe vor und<br />
erprobt sie in einigen Versuchschulen.<br />
Bayern hat im Schuljahr 2010/2011<br />
mit einem groß angelegten Versuch in<br />
20 Schulen begonnen. Auch Bremen befindet<br />
sich noch im Schulversuchsstadium.<br />
Die Jahrgangsmischung als ein Element<br />
der flexiblen Eingangsstufe ist in<br />
Baden-Württemberg, in Bayern, in Berlin,<br />
in Brandenburg, in Hessen, in Niedersachsen,<br />
in Nordrhein-Westfalen, in<br />
Schleswig-Holstein und in Thüringen<br />
möglich, teils sogar verbindlich. Sachsen<br />
und Sachsen-Anhalt gestalten die<br />
Schuleingangsphase ohne Jahrgangsmischung.<br />
Die flexible Verweildauer<br />
von einem Jahr bis zu drei Jahren kennzeichnet<br />
alle als solche ausgewiesenen<br />
flexiblen Schuleingangsstufen.<br />
Die flexible Schuleingangsstufe hat<br />
sich als Organisationsform in den meisten<br />
Ländern durchgesetzt, entweder als<br />
Option oder als Regelform. Sie passt<br />
insofern in die heutige Bildungspolitik,<br />
als sie für Heterogenität und für individuelle<br />
Förderung ausgelegt ist und damit<br />
zwei Grundanliegen bedient. Sie hat<br />
Unterrichtsformen entwickelt, die der<br />
Vielfalt der Lernvoraussetzungen und<br />
Lernbedingungen der verschiedenen<br />
Kinder gerecht werden und individuelle<br />
Förderung erlauben. Dass die zusätzlich<br />
nötigen personellen Ressourcen dafür<br />
aber vielfach nicht gegeben sind oder<br />
nur über die geschickte Verquickung<br />
mit Inklusions-Bedarfen zu einem Teil<br />
gedeckt werden, ist ein Mangel, der das<br />
Modell der flexiblen Eingangsstufe im<br />
Grunde gefährdet.<br />
Ausblick<br />
Die Regelungen zum Schulanfang im<br />
Jahr 2011 spiegeln die Herausforderungen<br />
unserer Zeit. Bildungsangebote<br />
müssen individuell passen, müssen<br />
aufeinander aufbauen, sich auf die Verschiedenheit<br />
der Kinder einstellen und<br />
ihnen Wege eröffnen, nicht verschließen.<br />
Anmerkungen<br />
(1) Rossbach, Hans-Günther (2001):<br />
Die Einschulung in den Bundesländern.<br />
In: Faust-Siehl, Gabriele/ Speck-Hamdan,<br />
Angelika (Hrsg.) Schulanfang ohne Umwege.<br />
Frankfurt: Grundschulverband, S. 144 – 174.<br />
(2) Bericht unter: http://www.kmk.org/<br />
fileadmin/pdf/Bildung/AllgBildung/<br />
TagungsberichtNEU.pdf (aufgerufen am<br />
14. 7. 2011).<br />
(3) www.kmk.org/fileadmin/veroeffentli<br />
chungen_beschluesse/2009/2009_06_18-<br />
Uebergang-Tageseinrichtungen-Grund<br />
schule.pdf (aufgerufen am 14. 7. 2011).<br />
(4) Siehe: Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />
im Auftrag der Ständigen Konferenz<br />
der Kultusminister der Länder in der<br />
Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung<br />
(Hrsg.) (2010): Bildung in Deutschland<br />
2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit<br />
einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens<br />
im demografischen Wandel. Bielefeld:<br />
Bertelsmann, S. 58 f.<br />
(5) Faust-Siehl, Gabriele u. a. (1996): Die Zukunft<br />
beginnt in der <strong>Grundschule</strong>. Empfehlungen<br />
zur Neugestaltung der Primarstufe.<br />
Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag.<br />
12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Horst Bartnitzky<br />
Muss jedes Kind schulfähig sein<br />
oder die Schule kindfähig?<br />
Janine kann bei ihrer Einschulung zwar Buchstaben nachmalen, aber eine Beziehung<br />
zu Lauten ist ihr fremd. Überhaupt: Ihr fehlt die Wahrnehmung, dass<br />
Sprache aus lautlichen Einheiten besteht. Es fehlt ihr die »phonologische Bewusstheit«,<br />
wie es in der Fachliteratur heißt. Die aber ist eine wichtige Bedingung<br />
für den Erwerb der Schriftsprache.<br />
Was also ist zu tun?<br />
●●<br />
Ist Janine vielleicht noch nicht entwickelt<br />
genug für die schulischen Anforderungen<br />
und sollte deshalb vom<br />
Schulbesuch noch ein Jahr zurückgestellt<br />
werden?<br />
●●<br />
Ist hier der Kindergarten in der<br />
Pflicht, solche »Vorläuferfähigkeiten«,<br />
wie es in der Literatur heißt, zu schulen,<br />
etwa durch Reime und Sprachspiele?<br />
●●<br />
Muss die Schule das Fehlende durch<br />
»gezielte Förderung« ausgleichen, früher<br />
in Schulkindergärten oder Vorklassen,<br />
in die Kinder eingeschult wurden,<br />
heute eher in Lernstudios oder in Förderstunden,<br />
zusätzlich zum regulären<br />
Unterricht?<br />
●●<br />
Können die Kinder solche Teilfähigkeiten<br />
in einer anregungsreichen Lernumgebung<br />
der Eingangsklasse auch integrativ<br />
erwerben? Aber was heißt dann<br />
»anregungsreiche Lernumgebung«?<br />
●●<br />
Müssen sich Kitas und Schulen auf<br />
ein Bildungsprogramm verständigen,<br />
das auch den Schriftspracherwerb einschließt?<br />
Sollen Kinder in den Kitas<br />
ihre ersten Schritte in die Schrift auch<br />
gehen können, durch kompetente Lernbegleitung<br />
ermutigt und unterstützt?<br />
Hinter diesen Fragen stecken unterschiedliche<br />
Konzepte und Organisationsformen,<br />
mit deren Hilfe auch Kinder<br />
wie Janine erfolgreich lernen sollen.<br />
Jedes dieser Konzepte ist von einem<br />
spezifischen Blick auf die Schule und<br />
auf die Kinder bestimmt.<br />
Der Blick von der Schule auf die Kinder:<br />
Setzt die Schule ein bestimmtes<br />
Anforderungsprofil an alle Schulanfänger<br />
voraus, dann müssen die geforderten<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten zuvor<br />
erworben sein. Eine Möglichkeit dazu<br />
ist, die notwendigen Fähigkeiten zu<br />
identifizieren und sie als »Vorläuferfähigkeiten«<br />
vorschulisch zu entwickeln.<br />
Eine andere ist die »gezielte Förderung«<br />
in den ersten Wochen der Schulzeit. Die<br />
entscheidende Frage zum Schulstart<br />
lautet hier: Sind die Kinder fähig für die<br />
Schule?<br />
Anders beim Blick von den Kindern<br />
auf die Schule: Die Schule akzeptiert<br />
die Verschiedenheit der Kinder und<br />
entwickelt eine integrative Pädagogik<br />
der Vielfalt und Gemeinsamkeit in einer<br />
anregungsreichen Lernumgebung.<br />
Konsequenter über den Tellerrand der<br />
Institution Schule hinaus gedacht: Es<br />
wird ein gemeinsames Bildungsprogramm<br />
für den Elementar- und Primarbereich<br />
erstellt, ohne für den Zeitpunkt<br />
des Schuleintritts eine Schwelle einzubauen.<br />
Die entscheidende Frage beim<br />
Schulstart lautet hier: Ist die Schule<br />
fähig für die unterschiedlichen Kinder?<br />
Kerns Diagnose<br />
(1951, S. 35):<br />
Links: Kopffüßler,<br />
etwa 4. Lebensjahr,<br />
nicht schulreif.<br />
Mitte: durchgegliederte<br />
Gestalt, also<br />
schulreif.<br />
Rechts Gestalt mit<br />
Einzelheiten, etwa<br />
8. Lebensjahr.<br />
Schon 1999 hatte Sigrun Richter diese<br />
verschiedenen Sichtweisen auf Kind und<br />
Schule mit der Alternative formuliert:<br />
»Schulfähigkeit des Kinder oder Kindfähigkeit<br />
der Schule?« (Richter 1999).<br />
In diesen Zusammenhängen geistert<br />
immer noch ein dritter Begriff in der<br />
Schullandschaft: die »Schulreife«.<br />
Ich gehe im Folgenden diesen verschiedenen<br />
Begriffen und dem damit jeweils<br />
verbundenen Bild vom Kind und von der<br />
Schule nach. Am Ende soll eine Perspektive<br />
für die weitere Entwicklung stehen.<br />
Von der Schulreife zur Schulfähigkeit,<br />
zur Kindfähigkeit der Schule<br />
Schulreife: Die biologistische Theorie<br />
Auch in der ersten Nachkriegszeit gab es<br />
ein Erschrecken darüber, wie viele Kinder<br />
im Laufe ihrer Schulzeit scheitern: 25<br />
bis 40 Prozent der Schüler blieben nach<br />
diversen Angaben im Laufe ihrer Schulzeit<br />
wenigstens einmal sitzen. Die höchste<br />
Quote sei nach Klasse 1 festzustellen,<br />
so Artur Kern 1951 (S. 12). »Sitzenbleiberelend<br />
und Schulreife« titelte er 1951<br />
seine im Weiteren pädagogisch wie politisch<br />
einflussreiche Schrift. Würden Kinder,<br />
die bestimmte Voraussetzung für<br />
den Anfangsunterricht noch nicht haben,<br />
vom Schulbesuch zurückgestellt, dann<br />
könnten sie ihren Reifeprozess ohne Versagenserlebnisse<br />
weiterhin durchlaufen<br />
und im Jahr darauf mit besseren Voraussetzungen<br />
eingeschult werden.<br />
Kern hatte die hohe Sitzenbleiberquote<br />
mit der biologistischen Entwicklungspsychologie<br />
zusammengebracht.<br />
Grundlage war die Annahme, dass sich<br />
die verschiedenen Kompetenzen und<br />
Persönlichkeitsmerkmale beim Kind<br />
jeweils koordiniert entwickeln und<br />
dass dies endogen gesteuert werde. »Jedes<br />
Kind, extrem schwache Begabung<br />
ausgenommen«, so Kern (1951, S. 67),<br />
»erreicht im Laufe seiner Entwicklung<br />
einmal die Entwicklungsphase, der jenes<br />
Leistungsgefüge zugeordnet ist, das<br />
als Voraussetzung für ein erfolgreiches<br />
Durchlaufen der Schule angesetzt wer-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
13
Thema: Schulanfänge 2011<br />
den muss. Das eine Kind kommt lediglich<br />
früher, das andere später zu diesem<br />
Entwicklungspunkt. Insofern ist die<br />
schulische Leistung primär von der<br />
Entwicklung abhängig.«<br />
Da Kern annahm, dass die Fähigkeiten<br />
und Persönlichkeitsmerkmale sich<br />
koordiniert entwickeln, reichten einige<br />
wenige Testaufgaben aus, um auf den<br />
Reifestand zu schließen. Im kognitiven<br />
Bereich war dies vor allem die Gliederungsfähigkeit,<br />
erkennbar zum Beispiel,<br />
wenn Formen nachgezeichnet werden,<br />
beim Männchen- oder Baummalen. Ein<br />
Kind, das einen Menschen als Kopffüßler<br />
zeichnete, war danach noch nicht<br />
schulreif (vgl. Abb. auf S. 13).<br />
Wer nach den Tests nicht schulreif<br />
war, wurde zurückgestellt, um sich<br />
weiter zu entwickeln. Bis in die siebziger<br />
Jahre hinein wurden entsprechend<br />
flächendeckend Schulanfänger getestet<br />
und dann je nach Ergebnis aufgenommen<br />
oder zurückgestellt.<br />
Schulfähigkeit:<br />
Die Instruktionstheorie<br />
In den sechziger Jahren wurde die Reifetheorie<br />
durch die Instruktionstheorie<br />
abgelöst. »Bereits 1962 konnten Kemmler<br />
und Heckhausen nachweisen, dass<br />
die Gliederungsfähigkeit durch Training<br />
verbessert werden kann. Es wurde damit<br />
erkannt, dass diese als bisher sehr<br />
bedeutsam angesehene Fähigkeit keine<br />
stabile Persönlichkeitseigenschaft ist und<br />
auch nicht reifungsabhängig ist, sondern<br />
durch Lernvorgänge beeinflusst werden<br />
kann« (Kammermeyer 2001, S. 98). Mithin<br />
kann die Schulreife des Kindes gefördert<br />
werden. Untersuchungen zum Schulerfolg<br />
bestärkten die Erkenntnis, dass die<br />
Auslese mit Hilfe der Schulreifetests ein<br />
Irrweg war. Brügelmann resümiert die<br />
Untersuchungsergebnisse (2005, S. 67):<br />
»Von Kindern, die nach einschlägigen<br />
Tests als ›nicht schulreif‹ eingestuft und<br />
nicht eingeschult wurden, bleiben bis<br />
zum 9. Schuljahr immerhin 13 % sitzen.<br />
Aus der Kontrollgruppe, die trotzdem<br />
eingeschult wurde, sind es mit 28 % zwar<br />
doppelt so viele. Individuell bedeutsamer<br />
aber ist der Kehrwert: Mit 72 % schafft die<br />
große Mehrheit die Pflichtschulzeit ohne<br />
Wiederholung einer Klasse, wenn sie entgegen<br />
der Testempfehlung eingeschult<br />
wurden. Der Schulreifetest produziert<br />
also fast drei Viertel Fehlprognosen.« In<br />
den 70er- bis 80er-Jahren begründeten<br />
solche Ergebnisse das Ende der flächendeckenden<br />
Schulreifetests.<br />
Dafür setzte unter dem Zeichen der<br />
Instruktionstheorie eine heftige Vorschulerziehung<br />
ein, die wichtige Fähigkeiten<br />
der Kinder trainierte, die ihnen<br />
in der Schule nutzen konnten. Vorschulmappen<br />
mit vielen Übungen zu Buchstaben<br />
und Formen, zu Mengenbegriffen<br />
und Zahlen waren in den Kindergärten<br />
verbreitet, Bücher für Eltern und Materialien<br />
für Kinder gab es überall im Handel.<br />
»Mappenpädagogik«, so wurde diese<br />
Spielart vorschulischer Arbeit ironisch<br />
genannt. (Ähnliche Tendenzen sind im<br />
Übrigen wieder verbreitet, seitdem die<br />
ersten PISA-Ergebnisse eine neue Bildungsdebatte<br />
erzeugt haben.)<br />
Damals, in den Siebzigern und Achtzigern<br />
wurden in nahezu allen Ländern<br />
der alten Bundesrepublik Vorklassen<br />
oder Schulkindergärten eingerichtet, die<br />
dem Alter nach schulpflichtige Kinder<br />
mit Entwicklungsverzögerungen aufnahmen<br />
und förderten (siehe im Einzelnen<br />
Portmann 1988, S. 18ff.). Der Begriff<br />
Schulreife wurde von nun an wegen<br />
seiner Konnotation zum biologistischen<br />
Reifekonzept weniger verwendet; an seine<br />
Stelle trat der Begriff der »Schulfähigkeit«<br />
oder »Schuleignung« im Sinne von:<br />
Fähigkeit des Kindes, den schulischen<br />
Anforderungen gerecht zu werden.<br />
Ähnliche Entwicklungen gab es etwa<br />
zeitgleich auch in der damaligen DDR<br />
(siehe Richter 1999, S. 9).<br />
Schulfähigkeit als Wirkungszusammen<br />
hang:<br />
das ökologisch-systemische Modell<br />
In den achtziger Jahren entwickelte Horst<br />
Nickel ein ökologisch-systemisches<br />
Schulfähigkeitsmodell. Schulfähigkeit<br />
ist danach nicht nur in den Fähigkeiten<br />
des Kindes zu orten, sondern Ergebnis<br />
der wechselseitigen Einflussnahme aus<br />
verschiedenen Systemen: dem Kind und<br />
seiner Familie, der Kindertagesstätte,<br />
der <strong>Grundschule</strong> mit ihren jeweiligen<br />
Einflussgrößen. »Diese Wechselbeziehung«,<br />
so Nickel, »wird ganz besonders<br />
in ökologischen Übergangssituationen<br />
deutlich, in denen sich das Individuum<br />
mit veränderten Lebensumständen konfrontiert<br />
sieht, die von ihm eine aktive<br />
Anpassung erfordern« (1988, S. 47).<br />
Das bedeutet: Tests oder andere Formen<br />
der Feststellung von Leistungen<br />
oder -fähigkeiten vor der Schule oder<br />
zu Beginn der Schulzeit können zwar<br />
einzelne Teilaspekte als besondere Förderaufgaben<br />
erkennen lassen, sie lassen<br />
aber keine verlässliche Prognose über<br />
die Schulfähigkeit des Kindes zu. Vielmehr<br />
wirken in der schulischen Situation<br />
vielfältige Faktoren miteinander, wie<br />
die Einstellung der Eltern zu Kind und<br />
Schule, die pädagogische Zuwendung<br />
der Lehrkraft, ihr didaktisches Konzept,<br />
das sich entwickelnde Schulklima,<br />
der individuelle Erfolg des Kindes und<br />
dessen Würdigung durch Klasse, Lehrkraft,<br />
Eltern, organisatorische Gegebenheiten<br />
der Schule, das Anregungspotential<br />
der Lernumgebung … Diese<br />
neue Sichtweise hatte schulpolitisch<br />
zur Folge, dass Vorschulen oder Schulkindergärten<br />
aufgegeben und nunmehr<br />
alle Kinder, sofern kein medizinischer<br />
14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
Vorbehalt vorliegt, in die Schule aufgenommen<br />
werden.<br />
Statt Schulfähigkeit des Kindes:<br />
Kindfähigkeit der Schule<br />
In den letzten zwanzig Jahren hat sich<br />
die Sicht auf das Kind in zweierlei Hinsicht<br />
geändert: Stärker ins Bewusstsein<br />
geriet die Heterogenität der Kinder und<br />
ihr Recht auf ihre Verschiedenheit, ja<br />
auf die pädagogischen Chancen, die<br />
sich aus dieser Verschiedenheit anbieten<br />
(z. B. Speck-Hamdan 2009, S. 258 ff.).<br />
Hierauf fußt der eine pädagogische<br />
Grundsatz: »Chancengleichheit und<br />
Achtung vor dem anderen« (Grundschulverband<br />
2002). Damit ist der Auftrag<br />
formuliert, die Verschiedenheit der<br />
Kinder zu respektieren und sie in ihrer<br />
Verschiedenheit zu fördern. Durch den<br />
völkerrechtlichen Auftrag an die deutsche<br />
Schulpolitik, die inklusive Schule,<br />
also die Schule ohne Ausgrenzung, zu<br />
realisieren, hat dieser pädagogische<br />
Grundsatz schulpolitische Schärfe erhalten<br />
(UN-Konvention 2006).<br />
Hinzu kam die Einsicht, dass Lernen<br />
ein aktiver Vorgang ist. Dieses pädagogische<br />
Axiom wird <strong>aktuell</strong> gestützt durch<br />
die Psychologie des Konstruktivismus<br />
und die moderne Hirnforschung (z. B.<br />
Speck-Hamdan 2009, S. 174 ff.). Hieraus<br />
folgt der zweite Grundsatz: »Lernen<br />
als Selbstaneignung von Welt« (Grundschulverband<br />
2002). Lernen geschieht<br />
nicht durch passives Aufnehmen von<br />
Unterrichtsstoff, sondern ist ein Prozess<br />
eigenaktiver Aneignung von Welt.<br />
Das ökologisch-systemische Modell<br />
hat, auf die Schule und die Klasse bezogen,<br />
seine didaktische Realisierung in der<br />
gestalteten anregungsreichen Lernumgebung.<br />
Sie gibt den Kindern die Anregungen,<br />
die ihrem individuellen Entwicklungsniveau<br />
entsprechen und die sie über<br />
dieses Niveau hinausführen können.<br />
Ein Beispiel zum Schriftspracherwerb:<br />
In der Eingangsklasse wird eine anregungsreiche<br />
Schreib- und Lesewerkstatt<br />
entwickelt, mit Schreibmaterialien,<br />
Schreibanregungen, Schreibtabellen,<br />
mit Büchern unterschiedlicher Art,<br />
Lesezeiten und Leseorten, kommunikativen<br />
Situationen mit Büchern und<br />
Texten. Die Lehrkraft und möglichst<br />
Lesepaten lesen vor, schauen Bilderbücher<br />
an und kommunizieren mit den<br />
Kindern darüber, sie lassen sich vorlesen.<br />
Briefkasten, Klassentagebuch,<br />
Klassenzeitung geben dem Schreiben<br />
und Lesen einen erfahrbaren Sinn.<br />
Bereits am ersten Schultag schreiben<br />
die Kinder ihren Namen und beschriften<br />
damit zum Beispiel ein Selbstporträt.<br />
Sie können ihren Namen vom<br />
Tischreiter abmalen, aber auch auswendig<br />
aufschreiben, jeweils in Großbuchstaben<br />
oder schon mit großem<br />
Anfangsbuchstaben und dann kleinen<br />
Druckbuchstaben. Im weiteren Verlauf<br />
erschreiben schriftentwickelte Kinder<br />
Texte lautentsprechend bereits selber,<br />
auch mit Hilfe einer Schreib- oder Anlauttabelle.<br />
Andere Kinder schreiben<br />
zunächst noch gar nicht. Sie nehmen<br />
aber die Funktion von Schrift und<br />
erste Laut-Buchstaben-Verbindungen<br />
wahr beim Vorlesen, beim Notieren der<br />
Hausaufgaben, beim Artikulieren der<br />
Namen in der Klasse, beim Auffinden<br />
von Namen, die mit M anfangen, in denen<br />
A vorkommt, bei der Zusammenarbeit<br />
mit schreibenden Kindern usw.<br />
Hierdurch beginnen auch sie mit ihrem<br />
Weg in die Schrift.<br />
Der Begriff »Schulfähigkeit« als<br />
Fähig keitsprofil, das Kinder mitzubringen<br />
haben, ist hier nicht mehr tauglich.<br />
Es ist die Kindfähigkeit der Schule,<br />
die darüber entscheidet, ob die Kinder<br />
erfolgreich ihren Lernweg gehen<br />
können.<br />
Zu Diagnostik und Förderung<br />
Mit den schwachen Ergebnissen der<br />
deutschen 15-Jährigen in der PISA-Studie<br />
von 2000, veröffentlicht 2001, wurde<br />
eine neue »empirische Wende« in der<br />
Schulpädagogik ausgerufen. Die jährlichen<br />
flächendeckenden Vergleichsarbeiten<br />
VerA sind eine Maßnahme dieser<br />
Wende. Überhaupt gibt es seit den<br />
zehn Jahren die schulpolitisch gestützte<br />
Annahme, dass man Leistungsstände<br />
genau diagnostizieren und mit Hilfe<br />
der Ergebnisse die Kinder dann »passgenau«<br />
individuell fördern müsse. Eine<br />
Maßnahme in diesem Zusammenhang<br />
sind die Sprachtests bei Vierjährigen<br />
und die dann folgenden Förderkurse<br />
für Kinder, die bei den Tests schwach<br />
abgeschnitten haben.<br />
Unter dem Leitgedanken der Kindfähigkeit<br />
der Schule ist auch über die<br />
Qualität und den Stellenwert von Diagnose<br />
und Förderung für eine erfolgreiche<br />
individuelle schulische Entwicklung<br />
der Kinder nachzudenken.<br />
Zur vorschulischen Sprachförderung<br />
Nachdem bei den internationalen Leistungsstudien<br />
als besondere Risikogruppe<br />
die Kinder mit Migrationshintergrund<br />
erkannt wurden, belebte sich<br />
wieder die Diskussion um die Fähigkeit<br />
dieser Kinder in der deutschen Sprache.<br />
Hieraus entstanden die politischen<br />
Entscheidungen, vor Schuleintritt die<br />
Sprachfähigkeiten der Kinder zu testen<br />
und dann Kinder mit mangelnder<br />
sprachlicher Kompetenz im Deutschen<br />
vorschulisch in externen Sprachkursen<br />
zu fördern. Diese Kurse dauern<br />
zwischen einigen Monaten und einem<br />
Jahr. Die Erwartung, dass dadurch die<br />
Sprachfähigkeiten der Kinder so entwickelt<br />
sind, dass sie im deutschsprachigen<br />
Unterricht auch ohne weitere besondere<br />
Sprachförderung erfolgreich mitarbeiten<br />
können, ist irrig. Sprachförderung<br />
im Deutschen bei Kindern mit nicht<br />
ausreichenden Sprachkompetenzen ist<br />
ein Prozess, der in der Regel auch über<br />
die Grundschulzeit hinaus fortgeführt<br />
werden muss (siehe im Einzelnen: Bartnitzky<br />
/ Speck-Hamdan 2005).<br />
Um mehr Zeit für die Sprachförderung<br />
zu gewinnen, werden in Nordrhein-Westfalen<br />
schon alle Vierjährigen<br />
von Grundschullehrkräften auf ihren<br />
Sprachstand hin getestet. In die Arbeit<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
15
Thema: Schulanfänge 2011<br />
der Kindertagesstätten soll dann die<br />
weitere Sprachförderung einbezogen<br />
werden; für Kinder, die keine Kita besuchen,<br />
werden externe Kurse eingerichtet.<br />
An diesem Beispiel wird zum einen<br />
deutlich, wie die Arbeit in der Kindertagesstätte<br />
von den schulischen Anforderungen<br />
her gedacht wird, bis dahin sogar,<br />
dass die Vierjährigen von Lehrkräften<br />
der <strong>Grundschule</strong> getestet werden,<br />
als seien die Erzieher in den Kitas dazu<br />
nicht in der Lage. Insgesamt dominiert<br />
bei den vorschulischen »Crash-Kursen«<br />
in deutscher Sprache der Gedanke, die<br />
Kinder schulfähig zu machen.<br />
Die kindfähige Kindertagesstätte<br />
und die kindfähige <strong>Grundschule</strong> würden<br />
aber anders vorgehen: Sie würden<br />
sprachliche Bildung auch in Bezug auf<br />
diese Kinder miteinander abgestimmt<br />
definieren. Sie würden sprachliche Situationen<br />
schaffen, in denen die Kinder<br />
sich sprachlich entwickeln können,<br />
und zusätzlich gesteuerte strukturierte<br />
Sprachförderung in kleinen Gruppen<br />
arrangieren. Die Kinder würden dabei<br />
weniger getestet, als vielmehr in Situationen<br />
ihrer Sprachverwendung auf ihre<br />
Sprachentwicklung hin beobachtet.<br />
Zur Schuleingangsdiagnostik<br />
Schuleingangsdiagnostik soll helfen, bei<br />
Schulanfängern Defizite in ihrem Fähigkeitsprofil<br />
zu erkennen, das einen erfolgreichen<br />
Schulanfang gefährdet. Hieraus<br />
sollen dann gezielte Maßnahmen abgeleitet<br />
werden. Häufig geraten »Schulspiele«<br />
oder »Schultests« im Vorfeld des<br />
Schulbeginns aber zu einer sich selbst genügsamen<br />
Veranstaltung. Ihr diagnostischer<br />
und erst recht ihr prognostischer<br />
Aussagewert ist nämlich gering. Abgesehen<br />
von der künstlichen Testsituation,<br />
auf die Kinder unterschiedlich reagieren,<br />
entwickeln sich Kinder bis zum ersten<br />
Schultag weiter und der ökologisch-systemische<br />
Wirkzusammenhang im schulischen<br />
Feld ist zum Testzeitpunkt überhaupt<br />
nicht zu erfassen.<br />
Ein Beispiel: Da wird die Aussagekraft<br />
eines diagnostischen Verfahrens<br />
damit belegt, dass Kinder, die in einem<br />
Bereich als leistungsschwach identifiziert<br />
wurden, auch nach einer gewissen<br />
Schulzeit in diesem Bereich immer noch<br />
leistungsschwach sind. Das Resümee<br />
lautet: »Von 26 Kindern, die am Ende<br />
des zweiten Schuljahres zu den 15 %<br />
schwächsten Lesern oder Rechtschreibern<br />
gehörten, konnten schon 10 Monate<br />
vor der Einschulung 21 richtig klassifiziert<br />
werden« (Scheerer-Neumann<br />
nach Kammermeyer 2001, S. 127).<br />
Solche prognostischen Aussagen sind<br />
unter zwei Aspekten zu relativieren:<br />
Erstens müssen sie immer auf die<br />
Qualität des Unterrichts bezogen werden,<br />
an dem die untersuchten Schülerinnen<br />
und Schüler teilgenommen haben.<br />
Kinder können in einem anregungsreichen<br />
Unterricht erfolgreich sein, während<br />
sie im Fall des rigiden Frontalunterrichts<br />
scheitern; sie können sich in<br />
einem von Zuneigung, Kooperation und<br />
Fröhlichkeit bestimmten Klassenklima<br />
anders entwickeln als in einem angespannten<br />
stressbestimmten Klima.<br />
Zweitens ist die Aussage für sich<br />
noch kein Hinweis darauf, dass Kinder<br />
im Unterricht nichts gelernt haben. Die<br />
Feststellung, dass schon vorschulisch<br />
leistungsschwächere Kinder auch nach<br />
einem Schuljahr zu den schwächsten<br />
Schülerinnen und Schülern gehören,<br />
sagt nur aus, dass diese Kinder in der<br />
Leistungshierarchie nach wie vor weiter<br />
unten rangieren. Es sagt aber nichts darüber<br />
aus, ob diese Kinder in dem einen<br />
Jahr nicht dazu gelernt haben. Und dies<br />
ist die didaktisch entscheidende Frage.<br />
Brügelmann berichtet über die Entwicklung<br />
grundlegender Leseleistungen<br />
auf der Datengrundlage von 18.083<br />
Kindern der Klassen 2, 3 und 4 (2006,<br />
S. 171 ff.). Als Test diente der Stolperwörter-Lesetest<br />
von Metze. Ein Ergebnis war,<br />
dass die meisten Schülerinnen und Schüler<br />
erhebliche Fortschritte machten, auch<br />
die aus den unteren Leistungsgruppen.<br />
»Pädagogisch gesehen«, so resümiert<br />
Brügelmann, »sind die Fortschritte jeder<br />
Teilgruppe bedeutsamer als die Abstände<br />
innerhalb der Gesamtgruppe. Das gilt<br />
für leistungsschwache SchülerInnen generell<br />
und es gilt im Besonderen auch für<br />
Migrantenkinder … Bei einer Karawane<br />
verwundert es niemanden, wenn der, der<br />
zuletzt auf die Reise gegangen ist, auch<br />
als letzter ankommt. Bedeutsamer ist der<br />
Weg, den jeder Einzelne und die Karawane<br />
als Ganze geschafft haben« (2006,<br />
S. 183). Brügelmann spricht deshalb vom<br />
»Karawaneneffekt« bei der Leistungsentwicklung.<br />
Schuleingangsdiagnostik kann den<br />
Blick für die Unterschiedlichkeit in<br />
den Entwicklungsständen der Kinder<br />
schärfen und auf besondere Fördernotwendigkeiten<br />
aufmerksam machen.<br />
Dies ist besonders dann auch für Lehrerinnen<br />
und Lehrer hilfreich, wenn sie<br />
Entwicklungen verdeutlichen können.<br />
Beispiele und Anregungen für eine<br />
Diagnostik, die Entwicklungsprozesse<br />
in der Schuleingangsstufe begleitet und<br />
in den Unterricht integriert ist, legte der<br />
Grundschulverband in seinem Projekt<br />
»Pädagogische Leistungskultur« vor<br />
(Bartnitzky u. a. 2005).<br />
Zu Fördermaßnahmen<br />
Die Rede von der »gezielten« oder »passgenauen«<br />
Förderung findet sich in offiziellen<br />
Verlautbarungen und verstärkt in<br />
der Werbung der Schulmedien-Verlage<br />
für ihre Produkte. Das dort angebotene<br />
Material folgt häufig einem elementistischen<br />
Konzept von Förderung, wie dies<br />
mit dem Begriff der »gezielten Förderung«<br />
formuliert wird: Diagnostisch<br />
wird ein Defizit in einer Teilfertigkeit<br />
festgestellt, darauf wird mit einer darauf<br />
bezogenen Fördermaßnahme reagiert.<br />
Ein Beispiel: Viele Schulanfänger, wie<br />
Janine im Eingangsbeispiel, haben noch<br />
keine phonologische Bewusstheit entwickelt.<br />
Elementistische Förderung sucht<br />
nach Übungen, um diese Teilfähigkeit<br />
der Schriftsprache isoliert zu üben:<br />
Reimwörter suchen, Silbenklatschen, um<br />
kurze und lange Wörter zu unterscheiden,<br />
Wörter mit gleichem Anfangsbuchstaben<br />
sammeln. Diese Übungen sind<br />
durchaus zweckmäßig, doch fehlt ihnen<br />
der sinnhafte Bezug, der sie für Kinder<br />
in den Zusammenhang mit Lesen und<br />
Schreiben bringt. Es fehlt der systemische<br />
Zusammenhang: Ihn schafft zuallererst<br />
die wichtigste Lernvoraussetzung<br />
für den Schriftspracherwerb. Nämlich,<br />
dass Kinder gute Gründe haben, sich der<br />
Mühsal des Erschreibens und Erlesens<br />
zu unterziehen.<br />
Gute Gründe erwerben sie durch erwachsene<br />
Vorbilder, denen Lesen und<br />
Schreiben wichtig ist, durch Vorgelesen-<br />
Bekommen, durch eigenes Verschriften<br />
mit den verschiedenen Strategien im<br />
Schriftspracherwerbsprozess, durch<br />
Funktionen, die das eigene Verschriften<br />
hat, nämlich eine Botschaft für andere,<br />
ein Einkaufszettel, eine Merknotiz und<br />
anderes mehr. Systemische Förderung<br />
hat hier ihren ersten und tragenden<br />
Schwerpunkt.<br />
Anstelle isolierten Übens von Teilfähigkeiten<br />
gestaltet eine ökologisch-<br />
16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Thema: Schulanfänge 2011<br />
systemische Förderung eine anregende<br />
Lernumgebung, hier: eine Lese-Schreibkultur<br />
in der Klasse, und vermittelt<br />
gute Gründe für das Schreiben und Lesen.<br />
Die Teilfähigkeiten sind dann eine<br />
Funktion im systemischen Zusammenhang<br />
schriftsprachlichen Handelns.<br />
Das Ganze ist eben auch hier mehr als<br />
die Summe seiner Teile. Und auf das<br />
Ganze, nämlich die schriftsprachliche<br />
Handlungsfähigkeit der Kinder, muss<br />
schließlich alles abzielen.<br />
Der Grundschulverband entwickelt<br />
derzeit für ein solches integratives<br />
Förderkonzept Materialien und Anregungen.<br />
Für die Eingangsstufe wird es<br />
unter dem Titel »Individuell fördern<br />
– Kompetenzen stärken« 2012 als Mitgliederband<br />
erscheinen.<br />
Perspektiven<br />
Dass Kinder als Persönlichkeit verschieden<br />
und in ihren Fähigkeiten heterogen<br />
sind, dass Kinder bei gleichem<br />
Lebensalter um mehrere Entwicklungsjahre<br />
auseinander sein können, all das<br />
ist inzwischen allgemein anerkannt.<br />
Ebenso ist die Sichtweise zu erkennen,<br />
dass der Unterschiedlichkeit der Kinder<br />
zum Schulbeginn durch einen differenzierten<br />
Unterricht Rechnung zu tragen<br />
ist. Soweit die generelle Tendenz.<br />
Dann aber sind die Möglichkeiten,<br />
die schulpolitisch der Schule gegeben<br />
werden, oft nur halbherzig, wie das Beispiel<br />
der Schuleingangsstufe zeigt. Die<br />
Sichtweise ändert sich zwar, die zur<br />
Realisierung notwendigen Ressourcen<br />
und Unterstützungen für die Eingangsklassen<br />
bleiben aber zumeist aus.<br />
Das Bildungsverständnis wird oft<br />
noch von einem Schulfähigkeitsprofil geleitet<br />
statt von langfristigen kontinuierlichen<br />
Bildungsprozessen und Abstimmungen<br />
zwischen den Institutionen.<br />
Zum Beispiel wird von Vorläuferfähigkeiten<br />
gesprochen, die »phonologische<br />
Bewusstheit« ist das prominenteste Beispiel<br />
dafür. Aber welche Sichtweise auf<br />
den Elementarbereich beinhaltet ein solcher<br />
Begriff: Schafft die Kita nur die Vorläufer,<br />
bis dann in der Schule das eigentliche<br />
Lernen beginnt? Definiert sich also<br />
die Kita von den schulischen Anforderungen<br />
her? Tatsächlich beginnt für viele<br />
Kinder der Weg in die Buchstabenschrift<br />
und in die Zahlen und in vieles andere<br />
schon in der Familie und sollte professionell<br />
in der Kita begleitet bzw. angeregt<br />
werden. Auch hier kommt es auf eine anregungsreiche<br />
Lernumgebung an, in der<br />
Kinder auch mit Sprache experimentieren,<br />
erste Schritte in die Schrift machen,<br />
Erwachsene als Lese- und Schreibvorbilder<br />
erfahren. Das sind nicht Vorübungen<br />
für die Schule, sondern eigenständige<br />
Entwicklungen der Kompetenzen, die<br />
Kinder dann in der Schule weiterführen.<br />
Die kindfähige <strong>Grundschule</strong> braucht<br />
andere Strukturen und ein neues Bildungsverständnis:<br />
●●<br />
ein Bildungsverständnis, das zumindest<br />
mit dem Eintritt in die Kindertagesstätte<br />
beginnt und das Bildung als<br />
einen langfristig wirksamen, individuellen<br />
Prozess begreift, wie dies zum<br />
Beispiel die Bildungspläne in Thüringen<br />
und Hessen formulieren (weitere sind<br />
in Arbeit, so in Bayern und Nordrhein-<br />
Westfalen);<br />
●●<br />
Abstimmungen zwischen den so verstandenen<br />
kindfähigen Kindertagesstätten<br />
und <strong>Grundschule</strong>n;<br />
●●<br />
eine Schuleingangsstufe, jahrgangsübergreifend,<br />
mit kleineren Lerngruppen<br />
als die heutigen Klassengrößen und<br />
der Zusammenarbeit von Lehrkraft,<br />
sozialpädagogischer und sonderpädagogischer<br />
Fachkraft;<br />
●●<br />
den pädagogisch abgestimmten<br />
Ganztag, der Kindern mehr Zeit zum<br />
Literatur<br />
Bartnitzky, H. / Brügelmann, H. / Hecker, U. /<br />
Schönknecht, G. (2005) (Hrsg.): Pädagogische<br />
Leistungskultur: Materialien für die Klasse 1<br />
und 2. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />
Bartnitzky, H. / Speck-Hamdan, A. (2005)<br />
(Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache lernen.<br />
Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />
Brügelmann, H. (2005): Schule verstehen und<br />
gestalten. Konstanz: Libelle.<br />
Brügelmann, H. (2006): Grundlegende<br />
Leseleistungen und der »Karawanen-Effekt«<br />
in der <strong>Grundschule</strong>. In: Bartnitzky, H. u. a.<br />
(Hrsg.): Lesekompetenz. Frankfurt a. M.:<br />
Grundschulverband.<br />
Grundschulverband (2002): Neun Prinzi pien<br />
zeitgemäßer Grundschularbeit. Wieder<br />
abgedruckt in: Bartnitzky, H. / Hecker, U.<br />
(Hrsg.) (2010): Allen Kindern gerecht werden.<br />
Aufgabe und Wege. Frankfurt a. M.: Grundschulverband,<br />
S. 2002 – 2005.<br />
Kammermeyer, G. (2001): Schulfähigkeit. In:<br />
Faust-Siehl, G. / Speck-Hamdan, A. (Hrsg.):<br />
Schulanfang ohne Umwege. Frankfurt a. M.:<br />
Grundschulverband, S. 96 – 118.<br />
Kern, A. (1951): Sitzenbleiberelend und Schulreife.<br />
Freiburg: Herder.<br />
Dr. Horst Bartnitzky<br />
Grundschulpädagoge, Autor von<br />
Schul- und Fach büchern, Ehren -<br />
mitglied des Grundschulverbandes<br />
Lernen, zum Miteinandersprechen,<br />
zum Spielen, zum angeleiteten und<br />
zum freien Arbeiten, zur Anspannung<br />
und Entspannung bietet als die heutige<br />
Stundentafel oder die Zweiteilung von<br />
Unterricht und Betreuung;<br />
●●<br />
eine Schuldidaktik, die die zurzeit<br />
viel besprochenen »guten Aufgaben« in<br />
eine anregungsreiche Lernumgebung<br />
einbetten und Förderung als eine integrative<br />
Kernaufgabe von allem Unterricht<br />
versteht;<br />
●●<br />
auch in der weiteren Grundschulzeit<br />
eine pädagogische Leistungskultur, die<br />
alle Kinder in ihren individuellen Entwicklungen<br />
wahrnimmt, würdigt und<br />
fördert sowie eine längere Zeit gemeinsamen<br />
Lernens.<br />
Nickel, H. (1988): Die »Schulreife«. Kriterien<br />
und Anhaltspunkte für Schuleingangsdiagnostik<br />
und Einschulungsberatung. In:<br />
Portmann, R. (Hrsg.): Kinder kommen zur<br />
Schule. Frankfurt a. M.: Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>.<br />
Portmann, R. (1988): Überblick über Richtlinien<br />
und Regelungen der Bundesländer<br />
zur Einschulung. In: Portmann, R. (Hrsg.):<br />
Kinder kommen zur Schule. Frankfurt a. M.:<br />
Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>.<br />
Richter, S. (1999): »Schulfähigkeit des<br />
Kindes« oder »Kindfähigkeit der Schule«?<br />
In: Brügelmann, H. u. a. (Hrsg.): Jahrbuch<br />
<strong>Grundschule</strong>. Fragen der Praxis – Befunde<br />
der Forschung. Frankfurt a. M. : Grundschulverband<br />
1999, S. 7 – 29.<br />
Speck-Hamdan, A. (2009): In: Bartnitzky, H.<br />
u. a. (Hrsg.) (2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>.<br />
Frankfurt a. M.: Grundschulverband. Stichwörter:<br />
Entwicklung und Lernen, S. 170 – 211.<br />
Heterogenität und Integration, S. 258 – 289.<br />
UN-Konvention über die Rechte von Menschen<br />
mit Behinderungen (2006), in Deutschland<br />
durch Ratifizierung 2008 in Kraft getreten.<br />
(Siehe z. B. den Eintrag bei Wikipedia)<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
17
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Rosemarie Köhler<br />
Herausforderung der Kinder? Ja bitte!<br />
Förderhysterie? Nein danke!<br />
»Sei gefälligst leise, du störst mich, ich bin die Gymnasialempfehlung«, sagt Isabelle<br />
(Kl. 4) zu ihrem Klassenkameraden. Die Rivalisierung der Kinder spiegelt<br />
die Befürchtung vieler Eltern wider, dass ihre Kinder im Wettbewerb um einen<br />
guten Ausbildungs- und Arbeitsplatz keine gute Ausgangsposition haben und<br />
unterliegen könnten.<br />
Rosemarie Köhler<br />
Grund-, Haupt- und Förderschullehrerin,<br />
Fortbildungsbeauftragte<br />
bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde,<br />
Lehrbeauftragte<br />
an der TU Braunschweig.<br />
In ihrem Buch »Arme Superkinder –<br />
Wie unsere Kinder der Wirtschaft<br />
geopfert werden« analysiert Felicitas<br />
Römer, welch ungeheurer Druck auf<br />
Kinder und Eltern ausgeübt wird und<br />
wie die allseitigen Interessen am Kind<br />
den Alltag von Familien heute prägen.<br />
Sie kritisiert den elterlichen »Förderwahn«,<br />
der z. T. bereits als »pränatale<br />
Frühförderung« beginnt und sich in<br />
schulischen und außerschulischen Institutionen<br />
fortsetzt. Ihr Buch macht<br />
Eltern Mut, der zunehmenden Instrumentalisierung<br />
des Kindes entgegenzuwirken<br />
und den eigenen Intuitionen<br />
und dem eigenen gesunden Menschenverstand<br />
zu vertrauen. 1)<br />
»Frühförderung kann Kindern schaden«,<br />
sagt Elsbeth Stern, Lehr- und<br />
Lernforscherin an der ETH Zürich. »Eltern<br />
sind nicht die Architekten des Kindergehirns.<br />
Kinder sind eigenständige<br />
Persönlichkeiten. Negative psychische<br />
Folgen sind möglich, wenn Kinder von<br />
Eltern in eine Rolle gezwängt werden.« 2<br />
Der Zwiespalt – einerseits die Gelassenheit,<br />
ihre Kinder unbeschwert aufwachsen<br />
zu lassen, und andererseits die Unsicherheit,<br />
dass ihre Kinder den Anforderungen<br />
der Zukunft nicht gewachsen<br />
sein könnten – lässt viele Eltern<br />
im Konfliktfall eher an ihren Kindern<br />
zweifeln als an den Anforderungen<br />
und den Umständen. Viele Kinder, die<br />
den Anforderungen inklusive »Förderwahn«<br />
3) nicht in der geforderten Weise<br />
nachkommen können, werden »behandelt«.<br />
Der schmale Grat zwischen<br />
Herausforderung und Überforderung<br />
bzw. »Überförderung«<br />
Nicht nur in seinem letzten Buch »Lasst<br />
eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn<br />
in der Erziehung« schlägt der<br />
kürzlich verstorbene Kinder- und Familientherapeut<br />
Wolfgang Bergmann<br />
vor, dass Eltern Zeit mit ihren Kindern<br />
verbringen und spielen, vorlesen, sich<br />
bewegen, Quatsch machen, Spaß haben<br />
und vor allem miteinander sprechen.<br />
Förderprogramme haben Lernziele.<br />
»Das Erkunden des Gegenstandes<br />
ist immer auch ein Finden der eigenen<br />
Fähigkeiten. Ein dynamischer, kein<br />
starrer Vorgang.« 4) Der innere Impuls<br />
eines Kindes erfährt keine Bestätigung,<br />
wenn die Aufmerksamkeit, mit der es<br />
sich neugierig einem Gegenstand nähert<br />
und dabei vielleicht auch Angst<br />
überwindet, auf das von Erwachsenen<br />
vorgesehene Ziel gelenkt wird. Gut gemeinte<br />
frühe Förderung eines Bereiches<br />
kann zugleich eine Reduzierung der<br />
Vielseitigkeit der Kinder bedeuten.<br />
Statt Lenkung und Kontrolle gilt<br />
es, Kinder liebevoll und vertrauensvoll<br />
zu begleiten, wenn sie sich den<br />
Menschen und Dingen zuwenden. So<br />
gemachte Erfahrungen bewirken ein<br />
starkes Selbstwertgefühl und sicheres<br />
Körpergefühl. Eine Lehrerin hat ihre<br />
Aufgabe insbesondere am Schulstart<br />
so beschrieben: »Schulfähigkeit ist das<br />
Glück, das ein Kind braucht, um Lehrerinnen<br />
und Lehrer zu treffen, die dem<br />
Kind wohl gesonnen sind, Geduld und<br />
einen langen Atem haben und die das<br />
Kind ermutigen« (Brigitte Walkling).<br />
Schulfähigkeit bezieht sich so gesehen<br />
auf die Haltung und Fähigkeiten der<br />
Lehrerinnen und Lehrer und könnte<br />
auch als »Kinderfähigkeit« bezeichnet<br />
werden.<br />
Gesunde Sinnesentwicklung –<br />
eine Voraussetzung für<br />
erfolgreiches Lernen<br />
Neben den wichtigen Grundvoraussetzungen<br />
»Emotionale Stabilität« und<br />
»Bindungs fähigkeit« gilt auch eine gesunde<br />
Sinnesentwicklung als Kriterium<br />
für erfolgreiches Lernen. Selbstachtung,<br />
Selbstkontrolle und Selbstvertrauen<br />
entwickeln sich in dem Bewusstsein,<br />
dass der Körper als ein zuverlässiges<br />
sensomotorisches Gebilde existiert,<br />
was wiederum von einer guten sensorischen<br />
Integration des Nervensystems<br />
herrührt. Und umgekehrt sind Motivation,<br />
ein ausgeglichenes Gefühlsleben,<br />
Lernfreude, Neugier, Ausdauer und<br />
Selbstvertrauen sowie die altersangemessene<br />
Entwicklung in den Bereichen<br />
Wahrnehmung, Motorik und Sprache<br />
Voraussetzungen für erfolgreiches<br />
Lernen. 5)<br />
Unsere Sinnesorgane nehmen aus dem<br />
eigenen Körper und der Umwelt Reize<br />
auf und ordnen diese. Das wird als<br />
sensorische Integration bezeichnet. Unser<br />
Gehirn stellt fest, woher die Reize<br />
kommen, sortiert und reguliert ihren<br />
Verlauf und kann dann daraus Wahrnehmungen<br />
ableiten. 6) Jean Ayres unterscheidet<br />
die – uns meist gut bekannten<br />
– Fernsinne: Hören und Sehen und<br />
die – uns meist weniger gut bekannten<br />
– Basissinne bzw. körpernahen Sinne:<br />
Gleichgewichtssinn, Eigenwahrnehmung<br />
und Haut. 7)<br />
Vor mehr als 2000 Jahren hat Aristoteles<br />
die sinnliche Wahrnehmung<br />
eines Dinges als ersten Schritt auf dem<br />
18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Weg zur Erkenntnis bezeichnet und die<br />
fünf Sinne Sehen, Hören, Schmecken,<br />
Riechen und Tasten definiert. Erst vor<br />
ca. 100 Jahren wurde der »Körpersinn«<br />
(Gleichgewicht und Eigenwahrnehmung)<br />
definiert. Dadurch wurde erklärbar,<br />
dass Blinde die Lage und die<br />
Bewegung ihres Körpers wahrnehmen<br />
und zielgerichtet agieren können.<br />
Die Basissinne (körpernahe Sinne)<br />
●●<br />
Vestibuläres System, d. h. Wahrnehmung<br />
der Schwerkraft, der Drehbewegungen<br />
und der horizontalen und vertikalen<br />
Beschleunigung (Gleich gewichtsorgan<br />
im Innenohr)<br />
Unser Gleichgewichtssinn liegt im<br />
Innenohr und besteht aus der so genannten<br />
Schnecke und den drei Bogengängen.<br />
Durch das mit Flüssigkeit<br />
gefüllte Innenohr können wir Schwingungen<br />
wahrnehmen, die an unser Gehirn<br />
weitergeleitet werden. Vom Gehirn<br />
wiederum erhalten unsere Muskeln<br />
und Gelenke entsprechende Botschaften,<br />
mit welchen Bewegungen wir unser<br />
Gleichgewicht halten können. Wenn<br />
wir nach einer längeren Schifffahrt<br />
wieder festen Boden unter den Füßen<br />
haben, haben wir dennoch die Wahrnehmung,<br />
nicht im Gleichgewicht zu<br />
sein und nehmen den festen Boden als<br />
schwankend wahr. Kindern mit Beeinträchtigungen<br />
des Gleichgewichtssinns<br />
kann es z. B. schwerfallen, ruhig auf<br />
einem Stuhl zu sitzen oder Roller zu<br />
fahren. Klettern, Rutschen, Schaukeln,<br />
etc. stellen für Kinder mit Schwerkraftbeeinträchtigungen<br />
kein Vergnügen<br />
dar.<br />
● ● Propriozeptives System oder Tiefensensibilität<br />
oder Eigenwahrnehmung<br />
(Rückmeldung über Muskeln, Sehnen<br />
und Bänder)<br />
Durch unsere Eigenwahrnehmung,<br />
d. h. die Rückmeldung über Muskeln,<br />
Sehnen und Bänder, wissen wir, wo sich<br />
unsere Körperteile befinden und können<br />
uns angemessen bewegen. Wenn<br />
wir z. B. beim Treppensteigen bereits<br />
oben angekommen sind, allerdings<br />
glauben, noch eine Stufe gehen zu müssen,<br />
stolpern wir mehr oder weniger, obwohl<br />
es keine Unebenheiten gibt. Unser<br />
Gehirn hatte gemeldet »Bein anheben«,<br />
und als die entsprechende Antwort<br />
»Treppenstufe« ausblieb, kamen wir ins<br />
Stolpern. Es kann sein, dass Kinder mit<br />
Beeinträchtigungen der Eigenwahrnehmung<br />
z. B. öfter auf ihrem Stuhl hinund<br />
herrutschen, da sie sich erst durch<br />
diese Bewegungen spüren können.<br />
●●<br />
Taktiles System, Berührungs- oder<br />
Empfindungssinn (Haut)<br />
Das taktile System – unsere Haut – ist<br />
das ausgedehnteste Sinnesorgan unseres<br />
Körpers. Es ist das erste sensorische<br />
System, das sich im Mutterleib entwickelt<br />
und das bereits voll funktioniert,<br />
wenn optische und akustische Systeme<br />
sich erst zu entwickeln beginnen. Verschiedene<br />
Kinder brauchen verschieden<br />
intensive Hautreize. Einige benötigen<br />
eher leichte, oberflächliche Berührungen,<br />
und andere benötigen Berührungen,<br />
die fester sind und mehr in die<br />
Tiefe gehen (siehe auch: Eigenwahrnehmung).<br />
Der Tastsinn – das »Begreifen«<br />
– ist eine wichtige Grundlage für<br />
motorische Handlungen. Eine wichtige<br />
Funktion des taktilen Systems ist die<br />
Wahrnehmung von Temperatur und<br />
Schmerz, die individuell sehr verschieden<br />
ist.<br />
Fernsinne<br />
●●<br />
Auditives oder akustisches System<br />
(Ohren)<br />
Geräusche erzeugen in der Luft Wellen.<br />
Diese Schallwellen treffen auf unser<br />
Ohr und werden über das Trommelfell<br />
zum Innenohr weitergeleitet. Von dort<br />
gelangen die Informationen über den<br />
Gehörnerv zum Gehirn. Kindern mit<br />
Beeinträchtigungen des auditiven Systems<br />
kann es schwerfallen festzustellen,<br />
woher die Geräusche kommen und<br />
wie weit sie entfernt sind. Es kann auch<br />
sein, dass diese Kinder Schwierigkeiten<br />
haben, aus mehreren gleichzeitigen und<br />
verschieden intensiven Geräuschen das<br />
zurzeit wichtigste Geräusch »herauszufiltern«,<br />
z. B. die Stimme einer Mitschülerin<br />
oder eines Mitschülers im Klassenraum.<br />
●●<br />
Visuelles oder optisches System<br />
(Augen)<br />
Die Netzhaut unseres Auges nimmt<br />
die Lichtwellen aus unserer Umwelt<br />
wahr. Die Nervenzellen der Netzhaut<br />
leiten diese Informationen über den<br />
Sehnerv an das Gehirn weiter. Im Gehirn<br />
werden diese Impulse verarbeitet<br />
und in Beziehung gesetzt zu anderen<br />
Typen von Sinnesinformationen, besonders<br />
denen der Muskeln, Bänder<br />
und Gelenke sowie des Gleichgewichtssystems.<br />
8) Die Netzhautbilder beider<br />
Augen sind geringfügig verschieden.<br />
Durch die Verschmelzung in der<br />
Sehrinde entsteht ein räumliches Bild<br />
(binokulares Sehen). Funktionen des<br />
primären Sehfeldes der Sehrinde sind<br />
das Farben sehen, die Richtungslokalisation<br />
sowie die Feststellung der Konturen<br />
und inneren Strukturierung des<br />
Wahrgenommenen. Die visuelle Wahrnehmung<br />
erfolgt erst in den sekundären<br />
Sehfeldern. In ihnen sind beide Gesichtshälften<br />
repräsentiert, sie stehen<br />
über Fasern des so genannten Balkens<br />
des Gehirns (Corpus callosum) miteinander<br />
in Verbindung.<br />
Ein weiterer Fernsinn ist Riechen bzw.<br />
Schmecken.<br />
Die gesunde Entwicklung der Basissinne<br />
ist eine wichtige Voraussetzung<br />
für die gesunde Entwicklung der<br />
Fernsinne.<br />
Natürlich hat unser Körper Kompensationsmöglichkeiten,<br />
z. B. »lesen« blinde<br />
Menschen mit Hilfe ihres Tastsinns.<br />
Und doch gilt: »Das nächste Entwicklungsniveau<br />
wird erreicht, wenn die<br />
drei Grundsinne – vestibulär, propriozeptiv<br />
und taktil – in das Wahrnehmungsschema<br />
des Körpers einbezogen<br />
sind und wenn die Koordination der<br />
beiden Körperhälften, die motorische<br />
Planung, die Aufmerksamkeitsspanne,<br />
konstantes Aktivitätsniveau und<br />
Gefühlsstabilität erreicht sind.« 9) »Das<br />
Kind kann sehen und hören, aber die<br />
Grundordnung seines Nervensystems<br />
beruht mehr auf den grundlegenden<br />
Sinneseinwirkungen, die von den vestibulären,<br />
propriozeptiven und taktilen<br />
Sinnesreizen ausgehen.« 10) Auditive<br />
und visuelle Empfindungen werden erst<br />
später mit den drei Basissinnen in Beziehung<br />
gebracht, und so wird unter anderem<br />
z. B. die Entwicklung der Auge-<br />
Hand-Koordination möglich, die für<br />
das Schreiben eine so wichtige Voraussetzung<br />
ist.<br />
Wenn ein Kind nicht über eine altersangemessene<br />
Wahrnehmungsfähigkeit<br />
verfügt, ist es u. a. wichtig herauszufinden,<br />
inwieweit die drei Basissinne ent-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
19
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Alltägliche Möglichkeiten,<br />
Kinder herauszufordern und zu begleiten<br />
Sicherheit gewinnen im<br />
grob motorischen Bereich<br />
Gleichgewicht bewahren –<br />
Bewegungen koordinieren –<br />
Geschicklichkeit erwerben<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
balancieren<br />
Treppen hinauf- und hinuntergehen,<br />
vorwärts und rückwärts<br />
hüpfen<br />
laufen<br />
Ballspiele: Fangen und Werfen<br />
Fangspiele<br />
Überspringen von Hindernissen<br />
Sicherheit gewinnen im<br />
fein motorischen Bereich<br />
Hand- und Augenbewegungen steuern<br />
und koordinieren – Geschicklichkeit<br />
erwerben<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
mit Sand spielen<br />
kneten<br />
ausschneiden<br />
Papier reißen, falten, flechten<br />
Perlen auffädeln<br />
mit Bausteinen Türme so hoch wie<br />
möglich bauen; Bauen von Brücken,<br />
Hütten, Häusern, Zäunen, Möbeln,<br />
Fahrzeugen usw.<br />
bauen ohne Vorlagen<br />
Mikado<br />
Fingerspiele, selbst Fingerspiele<br />
erfinden<br />
backen, abwiegen, schütten, Obst<br />
und Gemüse schneiden<br />
Taktile Wahrnehmungsfähigkeit<br />
●●<br />
verschiedene Gegenstände tastend<br />
erkennen, fühlen und benennen<br />
●●<br />
zuordnen nach Kriterien,<br />
z. B. alles was glatt, rau, rund,<br />
viereckig usw. ist<br />
Auditive Wahrnehmungsfähigkeit<br />
●●<br />
Geräusche erkennen<br />
●●<br />
Geräuschquellen erkennen und<br />
die Richtung zuordnen<br />
●●<br />
hohe und tiefe Töne unterscheiden<br />
●●<br />
verschieden gefüllte Flaschen<br />
geben unterschiedliche Klänge:<br />
sortieren<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
beim Singen den Rhythmus<br />
klatschen<br />
Takt klopfen, hopsen, gehen<br />
Reime hören und selbst finden<br />
Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit<br />
● ● »Ich sehe was, was du nicht siehst.«<br />
●●<br />
Wie sieht der andere aus?<br />
●●<br />
sortieren nach Farbe, Form, Größe<br />
●●<br />
Puzzle mit und ohne Vorlage<br />
●●<br />
Muster erfinden und übertragen<br />
●●<br />
Finden von Spiegelbildern, von<br />
Unterschieden in ähnlichen Bildern<br />
Sprach- und Sprechfähigkeit<br />
sowie Begriffsbildung<br />
Sprechfähigkeit bedeutet verständlich<br />
und laut-treu sprechen zu können.<br />
Sprachfähigkeit bedeutet sich selbst<br />
zunehmend grammati kalisch richtig<br />
äußern zu können.<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
Zungenbrecher, Reime, Abzählverse<br />
Erzählen von Erlebnissen<br />
Gehörtes mit eigenen Worten<br />
nacherzählen<br />
Nacherzählen von kurzen<br />
Geschichten<br />
Mitteilen von Spielaktivitäten,<br />
Spielvorhaben und Spielgeschehen<br />
Was hat dich geärgert?<br />
Warum bist du traurig?<br />
Was war dein schönstes Tageserlebnis?<br />
Mengenverständnis<br />
●●<br />
Vergleichen, Abzählen, Aufteilen<br />
von Mengen<br />
●●<br />
Domino<br />
●●<br />
Würfelspiele<br />
●●<br />
Sortieren von Kugeln, Knöpfen,<br />
Wollfäden, Blättern und anderem<br />
Material nach Länge, Farbe, Dicke<br />
usw.<br />
Konzentration, Ausdauer<br />
und Merkfähigkeit<br />
●●<br />
Figuren nachzeichnen<br />
●●<br />
Bilderlotto<br />
●●<br />
Sortier-, Geduld- und Merkspiele<br />
(Memory, »Ich packe meinen<br />
Koffer« etc.)<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
Kim-Spiele: Eine Menge von<br />
Gegenständen wird angeschaut,<br />
verdeckt und verändert:<br />
Was fehlt?<br />
Was hat sich geändert?<br />
Murmelspiele<br />
Such- und Zuordnungsbilder<br />
20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
wickelt sind. Es ist sinnlos, Kinder etwas<br />
»üben« zu lassen, was sie nicht können.<br />
Es gilt stattdessen, ihnen Möglichkeiten<br />
zu geben, die entsprechenden Fähigkeiten<br />
zu entwickeln. Wenn ein Kind z. B.<br />
beim Schreiben die einzelnen Zeilen<br />
nicht beachtet, sollte versucht werden zu<br />
klären, welche anderen Wahrnehmungssysteme<br />
eventuell nicht adäquat entwickelt<br />
sind und welcher Zusammenhang<br />
zu anderen Systemen besteht. Es könnte<br />
sein, dass das Kind als Kleinkind keine<br />
altersangemessene Auge-Hand-Koordination<br />
ausbilden konnte, da es z. B. auch<br />
über Taktile Abwehr verfügt und schon<br />
als kleines Kind nicht gern nach Spielsachen<br />
gegriffen hatte. Eine Möglichkeit<br />
der Förderung besteht darin, dem Kind<br />
in der Schule Situationen zu bieten, die<br />
das Zusammenspiel von Auge und Hand<br />
notwendig machen, z. B. Wörter- und<br />
Bildkarten angeln, Ballfangen und Ballwerfen<br />
etc. Hilfreich für Kinder mit Beeinträchtigungen<br />
in diesem Bereich ist<br />
ein Verzicht auf das Liniensystem und<br />
Hefte im Format DIN A4.<br />
Zur genauen Diagnostik insbesondere<br />
der Basissinne und vor allem von<br />
deren Zusammenwirken ist oft die Hilfe<br />
einer Fachfrau bzw. eines Fachmannes<br />
notwendig.<br />
Selbstwahrnehmung und Verhalten<br />
Die körperliche Selbstwahrnehmung<br />
spiegelt sich auch in Verhaltensweisen<br />
wider. Nur Kinder, die über eine adäquate<br />
Eigenwahrnehmung verfügen,<br />
können auch eine Wahr nehmung für<br />
ein Gegenüber aufbauen. Es gilt also,<br />
den Eigenwahrnehmungssinn zu stärken,<br />
damit Kindern die Wahrnehmung<br />
ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler<br />
besser gelingen kann. Die Betrachtung<br />
von so genannten abweichenden<br />
Verhaltensweisen als Folge einer nicht<br />
gesunden Sinnesentwicklung ist oft<br />
hilfreicher als die Zuschreibung dieses<br />
Verhaltens als Wille eines Kindes. Das<br />
physische Gleichgewicht korrespondiert<br />
mit dem psychischen Gleichgewicht.<br />
Jean Ayres beschreibt den Gleichgewichtssinn<br />
als »das alles vereinende<br />
Bezugssystem. Der Gleichgewichtssinn<br />
formt die Grundbeziehungen, die ein<br />
Mensch zur Schwerkraft und seiner<br />
physischen Umwelt hat. Alle anderen<br />
Arten von Empfindungen werden unter<br />
Bezug auf diese grundlegende vestibuläre<br />
Information verarbeitet.« 11)<br />
Auch in Verhaltensweisen von Erwachsenen<br />
spiegelt sich die körperliche<br />
Selbstwahr nehmung wider. Möglicherweise<br />
hatten Menschen, die häufig zu<br />
spät kommen, nicht immer die Chance,<br />
Sinneseindrücke während ihrer Entwicklung<br />
adäquat zu verarbeiten. Ihnen<br />
fehlt die Fähigkeit, Raum und Zeit und<br />
deren Grenzen angemessen zu erfassen.<br />
Alltägliche Möglichkeiten, Kinder<br />
herauszufordern und zu begleiten<br />
Viele psychomotorische Übungen bilden<br />
die Natur nach. Wir richten in<br />
Turnhallen schiefe Ebenen ein und ahmen<br />
so die »Besteigung« eines Hügels<br />
nach. Kinder balancieren auf Holzbänken<br />
und könnten dies auch auf Holzstämmen<br />
etc. Erfahrungen aus erster<br />
Hand in der Natur, wie es z. B. Waldkindergärten<br />
praktizieren, sind anregend<br />
und sinnvoll.<br />
In diesem Sinn hat eine Mutter und<br />
Elternvertreterin einer <strong>Grundschule</strong> in<br />
eine Debatte über die beste Förderung<br />
eingegriffen und Mut gemacht, Kinder<br />
nicht mit der »Defizitbrille« zu betrachten,<br />
sondern ihnen »die Welt zu überlassen«:<br />
Kinder<br />
Kinder lernen<br />
Kinder lernen immer<br />
Kinder lernen immer und überall<br />
(Annemarie Krause)<br />
Im Kasten auf Seite 20 finden Sie Möglichkeiten,<br />
die unser Alltag den Kindern<br />
bietet, um Entdeckungen zu machen<br />
und ihre Sinnesentwicklung und<br />
Selbstwahrnehmung zu unterstützen.<br />
Diese Zusammenstellung kann gut<br />
auf einem Informationsblatt oder Flyer<br />
Eltern von Schulneugierigen als Orientierungshilfe<br />
an die Hand gegeben werden.<br />
Anmerkungen<br />
(1) s. Felicitas Römer: Arme Superkinder –<br />
Wie unsere Kinder der Wirtschaft geopfert<br />
werden, Weinheim/Basel 2011 (Klappentext)<br />
(2) s. Interview mit Elsbeth Stern »Ich warne<br />
vor Ego-Problemen« in: BEOBACHTER, 8021<br />
Zürich, 06.03.2009, http://www.educ.ethz.ch/<br />
ls/Fruehfoerderung.pdf (30.06.2011)<br />
(3) Wolfgang Bergmann, Lasst eure Kinder in<br />
Ruhe! Gegen den Förderwahn in der<br />
Erziehung, München 2011<br />
(4) vgl. Wolfgang Bergmann, ebd., S. 99<br />
(5) vgl. Jean Ayres, Bausteine der kindlichen<br />
Entwicklung, Berlin 2002, S. 105<br />
(6) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 103<br />
(7) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 56 ff.<br />
(8) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 57<br />
(9) s. Jean Ayres, ebd. S. 104<br />
(10) s. Jean Ayres, ebd., S. 105<br />
(11) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 65<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
21
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Cornelia Cremer<br />
Ein guter Start<br />
Vor und nach der Einschulung – Kindergarten und Schule gestalten gemeinsam den Übergang<br />
Einen guten Start ins Schulleben wünschen sich wohl alle Beteiligten. So wird<br />
der erste Schultag sorgfältig vorbereitet. Die Kinder erscheinen herausgeputzt<br />
und ausgestattet mit Schultaschen nach neuestem anatomischem Standard und<br />
mit hippem Outfit, die Lehrkräfte haben eine schöne Feier organisiert und jede<br />
Menge Namenskärtchen und Listen geschrieben. Alles ist gut vorbereitet!<br />
Wirklich alles? Geschieht der<br />
Übergang vom Elementarin<br />
den Primarbereich, die<br />
Entwicklung vom Kindergarten- zum<br />
Schulkind so plötzlich und ausschließlich<br />
am ersten Schultag? Oder handelt<br />
es sich hierbei um einen längeren Werdegang,<br />
einen Prozess des Hineinwachsens<br />
und Größerwerdens?<br />
Keine Frage: die Auswahl der Schulsachen<br />
und die Vorbereitung der Einschulungsfeier<br />
sind wichtige Dinge, die<br />
Schullage<br />
Unsere Schule am Pfälzer Weg liegt im<br />
Bremer Stadtteil Tenever. Die Bevölkerung<br />
wird als arm, bunt und jung beschrieben.<br />
Mehr als 20 verschiedene<br />
Nationen mischen sich hier und für über<br />
90 % der Grundschulkinder ist Deutsch<br />
eine Fremdsprache. Sehr viele Kinder<br />
des Stadtteils müssen mit besonderen<br />
Belastungen zurechtkommen. Dazu<br />
zählen unter anderem eingeschränkte<br />
Möglichkeiten, kulturelle Angebote<br />
und Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen,<br />
gute qualitätsvolle Kinderbücher,<br />
Arbeitsmaterialien, Spielsachen und Bekleidung<br />
anzuschaffen. Die Erfahrungsräume<br />
der Kinder sind zum Teil sehr eingeschränkt.<br />
Kindern wesentliche Erfahrungen<br />
zu ermöglichen und Eltern die Bedeutung<br />
ihrer Rolle bei der Gestaltung<br />
des Bildungsprozesses aufzuzeigen,<br />
ist eine besonders wichtige Aufgabe<br />
für Bildungseinrichtungen an diesem<br />
Standort. An der Nahtstelle Schulanfang<br />
stehen Eltern – auch bildungsfernere<br />
und in unserer Kultur unerfahrenere<br />
Eltern – noch in engerem Kontakt<br />
zu den Institutionen als im späteren<br />
Sekun darbereich. Ein Gelingen der Zusammenarbeit<br />
von Kita und Schule bietet<br />
die große Chance, die Eltern beim<br />
Übergang mitzunehmen und den Kindern<br />
damit mehr Möglichkeiten und<br />
Chancen zu eröffnen.<br />
auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Für<br />
einen guten Schulstart gibt es noch andere<br />
Aspekte zu berücksichtigen.<br />
Übergänge sind Nahtstellen, die sich<br />
leicht zu Bruchstellen entwickeln können.<br />
Damit dies nicht geschieht und sie<br />
erst gar nicht zu drücken anfangen, ist<br />
es ratsam, mit Sorgfalt und Behutsamkeit<br />
vorzugehen und sich dafür Zeit zu<br />
nehmen. Eine Naht verbindet zwei Seiten<br />
miteinander und beide sind für einen<br />
guten Zusammenhalt wichtig.<br />
So beginnen wir besser etwas früher<br />
und umfassender mit der Übergangsgestaltung.<br />
Neben Kind und Schule sind<br />
auch Kindertagesstätte und Eltern an<br />
einem Gelingen des Schulstarts beteiligt<br />
und mitverantwortlich.<br />
Unsere Schule am Pfälzer Weg steht<br />
deswegen in enger Kooperation mit<br />
dem Elementarbereich, um den Übergang<br />
gemeinsam vorzubereiten. Im<br />
Vordergrund stehen die gemeinsamen<br />
Aktionen zur Beteiligung der Kinder<br />
und es gibt gemeinsame Aktionen zur<br />
Information der Eltern.<br />
Damit beginnen wir nicht erst kurz<br />
vor der Einschulung. Durch immer<br />
wiederkehrende erst kurze und mit der<br />
Zeit immer intensivere und dichtere<br />
Schnupperkontakte werden die Kinder<br />
vom Anfang ihrer Kitazeit langsam an<br />
den Raum Schule herangeführt. Ein<br />
Rahmen, der den Kindern Zeit und<br />
Raum gibt für Entwicklung, für Hineinwachsen<br />
und Größerwerden.<br />
Zur Situation unserer Schule<br />
Die meisten unserer Schulanfangskinder<br />
besuchen vor ihrem Schuleintritt<br />
das Kindertagesheim Regenbogenhaus,<br />
die Kita ist mit dem Schulgebäude<br />
räumlich verbunden. Dies sind hervorragende<br />
Bedingungen für eine Zusammenarbeit,<br />
und so verbindet uns mit<br />
dieser Institution eine besonders enge<br />
Kooperation.<br />
Allerdings hat das Regenbogenhaus<br />
Außengruppen, die räumlich getrennt<br />
untergebracht sind. Das ist für die betroffenen<br />
Gruppen kein Hinderungsgrund<br />
für die intensive Zusammenarbeit.<br />
Der Kontakt zu den anderen Kindertagesstätten,<br />
die unsere Schulanfangskinder<br />
besuchen bzw. besuchten,<br />
fällt nicht ganz so intensiv aus. Dafür<br />
gibt es dort gegebenenfalls intensivere<br />
Kontakte zu einer anderen Schule. Und<br />
natürlich werden auch immer wieder<br />
Kinder aus anderen Einzugsgebieten<br />
oder ohne Erfahrungen aus einer Kindertagesstätte<br />
bei uns eingeschult. Ein<br />
Kennenlernen der Räumlichkeiten unseres<br />
Schulhauses und der zukünftigen<br />
Lerngruppe gehören aber auch hier zu<br />
unserem Programm.<br />
Zusätzlich zum Kindertagesheim ist<br />
an unsere Schule ein Hort räumlich<br />
angebunden. Diese drei Institutionen<br />
arbeiten als »Drei unter einem Dach«<br />
zusammen.<br />
Und noch eine wichtige Gegebenheit<br />
darf nicht unerwähnt bleiben, da sie für<br />
einen fließenden Übergang der Kinder<br />
ganz erhebliche Auswirkungen hat:<br />
Die Schule am Pfälzer Weg arbeitet in<br />
jahrgangsübergreifenden Lerngruppen<br />
1/2 und 3/4. Das erleichtert das Hineinwachsen<br />
der Schulanfangskinder zunächst<br />
dadurch, dass sie altersgemischte<br />
Gruppen aus der Kita kennen. Des<br />
Weiteren haben die Neuen von Anfang<br />
an ein großes Schulkind zur Seite, von<br />
dem sie beim Zurechtfinden und Einleben<br />
in den Schulalltag Unterstützung<br />
bekommen können. Die Kinder akzeptieren<br />
diese Rollenverteilung und es<br />
ergibt sich ein weiterer positiver Effekt:<br />
der Rollenfindung in der Gruppe wird<br />
eine Menge an Brisanz genommen.<br />
Auch am Hospitationstag kurz vor<br />
den Sommerferien in der zukünftigen<br />
Lerngruppe und natürlich in den ersten<br />
Schulwochen sind Lehrkraft und neue<br />
Kinder nicht allein auf sich gestellt.<br />
Die »alten« Schulanfangskinder leben<br />
die Abläufe und Regeln im Schulall-<br />
22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
tag vor und die neuen wachsen schnell<br />
und ohne großen zusätzlichen Einführungsaufwand<br />
hinein. Die Schulanfangskinder<br />
sind nicht so sehr auf die<br />
eine Person, hier die Lehrkraft fixiert –<br />
eine Entlastung für alle Beteiligten.<br />
Zudem freuen sich die »alten« auf<br />
ihre Rolle als Große und stehen als Helferinnen<br />
und Helfer gerne zur Verfügung.<br />
Ihr Lernvorsprung – und sei es<br />
das Auskennen im Schulgebäude – wird<br />
ihnen an dieser Stelle sehr bewusst, das<br />
stärkt das Selbstbewusstsein und gibt<br />
neue Motivation.<br />
Patengruppen<br />
Wir haben feste Patenschaften zwischen<br />
den jahrgangsgemischten Lerngruppen<br />
1/2 und den Gruppen im Kindertagesheim.<br />
Über das Schuljahr verteilt gibt<br />
es einzelne oder auch regelmäßige Anlässe<br />
für gemeinsame Aktivitäten. Zum<br />
Teil erwachsen diese Anlässe aus dem<br />
Unterrichtsgeschehen, sodass keine große<br />
zusätzliche Vorbereitung anfällt und<br />
die Aktionen mit relativ wenig Aufwand<br />
organisiert werden können. Dies kann<br />
zum Beispiel eine Projektpräsentation<br />
sein oder die Generalprobe einer geplanten<br />
Aufführung, zu der die Patengruppe<br />
eingeladen wird. Bewährt haben sich<br />
auch regelmäßige Aktionen, die durch<br />
ihre Ritualisierung nicht ständig neuer<br />
Absprachen bedürfen und ein Minimum<br />
an zusätzlichem Zeitaufwand brauchen.<br />
Als Beispiel sei hier die regelmäßige Vorleseaktion<br />
genannt: an einem festgelegten<br />
Wochentag lesen zwei Schulkinder<br />
der Kitagruppe vor, dies kann in den<br />
Räumlichkeiten der Kita stattfinden oder<br />
genauso in der Schule. Diese Aktion ist<br />
sehr begehrt bei den Schulkindern. Sie<br />
Einladungsschreiben<br />
sind sehr motiviert, ihre Lesekünste vorzutragen<br />
und auch dafür zu üben. Diese<br />
Aktivitäten finden noch im Schonraum<br />
der Kitagruppe statt. Alle Kitakinder<br />
können hierbei beteiligt werden und die<br />
ersten Kontakte zu Schule bekommen.<br />
Ein weiterer Schritt ist die Teilnahme<br />
am Unterricht. Die zukünftigen<br />
Schulkinder besuchen ab Weihnachten<br />
etwa einmal im Monat die Patengruppe<br />
und nehmen für zwei bis drei Stunden<br />
am Unterricht teil. Hierbei haben<br />
wir verschiedene Varianten aufgrund<br />
der unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten<br />
der Kitagruppen (s. oben).<br />
Entweder werden die Kinder von einer<br />
vertrauten Erzieherin begleitet, die auch<br />
während des Unterrichts dabei bleibt.<br />
Das ist für ängstlichere Kinder eine gute<br />
Möglichkeit. Oder die Kinder werden<br />
in gemeinsamer Absprache morgens<br />
direkt von den Eltern in die Schulgrup-<br />
Am Hospitationstag – ich helf dir gern<br />
pe gebracht und nach der vereinbarten<br />
Unterrichtszeit von einer Erzieherin abgeholt.<br />
So werden Eltern auch schon in<br />
den Schulkontakt einbezogen.<br />
●●<br />
Aktivitäten mit den Patengruppen<br />
im Lauf des Schuljahres<br />
– Schulkinder gehen regelmäßig zum<br />
Vorlesen in die Kita<br />
– Kitakinder kommen regelmäßig zum<br />
Vorlesen in die Schule<br />
– Kitakinder werden zur Präsentation<br />
eines Projektes eingeladen<br />
– Schulutensilien werden von den<br />
Schulkindern in der Kita vorgestellt<br />
– Schulkinder beantworten in der Kita<br />
die Fragen der zukünftigen Schulkinder<br />
– Unterrichtsteilnahme der zukünftigen<br />
Schulkinder<br />
●●<br />
Aktivitäten mit allen Schulanfangskindern<br />
– Besichtigung des Schulhauses am<br />
Nachmittag<br />
– Teilnahme an der Hofpause<br />
– Hospitationstag in der zukünftigen<br />
Lerngruppe<br />
– Einladungsschreiben, von den »großen«<br />
Kindern unterschrieben<br />
Gemeinsame Informationsarbeit<br />
von Erzieherinnen und Lehrkräften<br />
Die Kita-Gruppe ist zu einer Vorführung in die Schule eingeladen<br />
Im Lauf des Schuljahres gibt es zusätzlich<br />
feste Punkte, an denen das pädagogische<br />
Personal gemeinsame Aktivitäten<br />
veranstaltet.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
23
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Zunächst lädt die Kindertagesstätte<br />
noch vor der Schulanmeldung zu einem<br />
gemeinsamen Elterninformationsabend<br />
ein. Auch Eltern fühlen sich im bekannten<br />
Rahmen der Kita sicherer und<br />
können mit eventuellen Ängsten besser<br />
umgehen, zumal an unserem Standort<br />
Sprachbarrieren ein Hemmnis sein<br />
können. Neben der Vorbereitungszeit<br />
in den Kitagruppen und der Vorstellung<br />
der Schule werden die Aktivitäten<br />
zum Übergang gemeinsam vorgestellt<br />
und die Fragen der Eltern beantwortet.<br />
Die Informationen für den Schuleintritt<br />
sind zwischen den Institutionen abgestimmt,<br />
Missverständnissen kann vorgebeugt<br />
werden und die Eltern erfahren<br />
Informationssicherheit.<br />
Eine sehr bewährte Aktion ist die<br />
Beteiligung der Erzieherinnen an der<br />
Einteilung der zukünftigen Schulkinder<br />
in die Lerngruppen. Die Kolleginnen<br />
der Kita werden gebeten, ihre Schulanfangskinder<br />
in kleine Gruppen einzuteilen<br />
(die Gruppengröße richtet sich nach<br />
der Anzahl der abzugebenden Kinder).<br />
Die Erzieherinnen kennen ihre Kinder<br />
und können folgende Absprache bei der<br />
Einteilung berücksichtigen: Kinder, die<br />
sich gut verstehen und gerne zusammen<br />
in eine Lerngruppe kommen möchten,<br />
bleiben zusammen. Kinder, die häufig<br />
miteinander Konflikte haben oder sich<br />
gegenseitig hemmen, kommen in verschiedene<br />
Lerngruppen. Dies geschieht<br />
etwa Ende April / Anfang Mai.<br />
Diese Kleingruppen aus den verschiedenen<br />
Kitas werden den künftigen<br />
Lerngruppen 1/2 so zugeordnet, dass<br />
Gruppengröße und Mädchen-Jungen-<br />
Verhältnis stimmig sind.<br />
Cornelia Cremer<br />
Lehrerin in einer jahrgangsüber -<br />
greifen den Lerngruppe 1/2 an der<br />
Grund schule am Pfälzer Weg, Mitarbeit<br />
in der JÜL-Werkstatt an der Schule<br />
(Fortbildungen und Beratungen)<br />
Am Hospitationstag –<br />
Erklärungen mit Geduld und Stolz<br />
Kurz vor den Sommerferien lädt die<br />
Schule die abgebenden Kolleginnen aus<br />
den Kitas zu einem Austauschnachmittag<br />
ein. Die abgebenden und die aufnehmenden<br />
Kolleginnen oder Kollegen<br />
führen zu den einzelnen Kindern Übergabegespräche<br />
durch. Das Einverständnis<br />
der Eltern natürlich vorausgesetzt,<br />
dies wird in der Regel bei der Schulanmeldung<br />
eingeholt.<br />
Positiv hierbei wirkt neben dem Austausch<br />
wichtiger Hintergrundinformationen<br />
auch die Tatsache, dass Erzieherin<br />
und Lehrkraft sich spätestens bei<br />
dieser Aktion persönlich kennenlernen.<br />
Eine gute Basis für einen gegenseitigen<br />
Austausch und ein Rahmen zur gegenseitigen<br />
Würdigung der Arbeit.<br />
●●<br />
Aktivitäten mit dem pädagogischen<br />
Personal von Kita und Schule<br />
––<br />
Gemeinsamer Informationsabend für<br />
die Eltern vor der Schulanmeldung<br />
––<br />
Einteilung der Schulanfangskinder<br />
für die Lerngruppen in der Schule<br />
wird von den Tageseinrichtungen<br />
vorbereitet<br />
––<br />
Übergabegespräche zum einzelnen<br />
Kind, mit dem Einverständnis der<br />
Eltern oder gemeinsam mit den Eltern<br />
––<br />
Teilnahme der Kita-Mitarbeiterinnen<br />
an der Einschulung<br />
Besonderheiten an unserer Schule<br />
Die folgenden Absprachen bzw. Aktivitäten<br />
beziehen an unserem Standort<br />
durch die räumliche Angliederung<br />
auch den Hort mit ein.<br />
Gemeinsame Regeln und Rituale<br />
zum Umgang miteinander erleichtern<br />
das friedliche Auskommen in Kita,<br />
Hort und Schule ungemein. Vor allem,<br />
wenn Kinder so früh wie möglich einheitliche<br />
Grundregeln wie den Einsatz<br />
des »Stopp« kennenlernen und beim<br />
Übergang mitnehmen können und<br />
nicht gänzlich neue Formen erlernen<br />
müssen.<br />
Zu guter Letzt feiern Schule, Kindertagesheim<br />
und Hort ein gemeinsames<br />
Fest. Jedes Jahr kurz vor den Sommerferien<br />
findet unser Spielefest statt.<br />
Auch das ist im vierten Jahr schon lange<br />
ritualisiert, d. h. der Ablauf immer<br />
gleich, die Zuständigkeiten unter den<br />
Kolleginnen und Kollegen geklärt und<br />
die Vorbereitung daher minimal. Die<br />
Lehrkräfte aus den Gruppen 1/2 erfahren<br />
hier noch ein besonderes Highlight<br />
der gemeinsamen Arbeit: die jüngsten<br />
Schulkinder kennen Ablauf und Organisation<br />
des Festes schon aus ihrer Kitazeit<br />
und bedürfen keiner langen Erklärungen<br />
mehr.<br />
●●<br />
Aktivitäten zwischen Kita Regenbogenhaus,<br />
Schule am Pfälzer Weg und<br />
Hort St. Petri<br />
––<br />
Gemeinsame Regeln, die im Haus<br />
und auf dem Freigelände gelten (z. B.<br />
das Anwenden und Einhalten der<br />
Stopp-Regel bei Konflikten)<br />
––<br />
Austausch der Kolleginnen und Kollegen<br />
in einer übergreifenden Arbeitsgruppe,<br />
Leitungssitzungen, Kollegiumsveranstaltungen<br />
––<br />
Organisation und Durchführung einer<br />
gemeinsamen Projektwoche<br />
––<br />
Veranstaltung gemeinsamer Feste<br />
(z. B. Fasching, Spielefest)<br />
Nach der Einschulung<br />
Und wie heißt es in einem bekannten<br />
Kinderlied so passend: »Und dann, und<br />
dann fängt das Ganze schon wieder von<br />
vorne an.« Nach der Einschulung ist<br />
auch gleich wieder vor der Einschulung.<br />
Hier schließt sich der Kreis: Die<br />
»Neuen« verlieren durch die gemeinsamen<br />
Aktivitäten auch nach der Einschulung<br />
nicht ganz den Kontakt zur<br />
Kita, die Lösung vollzieht sich behutsam<br />
und sie werden schrittweise in ihre<br />
Rolle als Große hineinwachsen und<br />
ihre Erfahrungen an die nachfolgenden<br />
Kinder gerne und stolz weitergeben.<br />
24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Tina Pätzold<br />
Schulanfang mit der Grundschrift<br />
Die Schule<br />
»Vor der Schule hatte ich ganz große<br />
Angst. Ich dachte, ich mache alles<br />
falsch!«, sagte Dominic. Ich fragte ihn:<br />
»Wie ist es jetzt?« Er lächelt: »Jetzt habe<br />
ich keine Angst mehr.«<br />
Die Sorgen und Befürchtungen der<br />
Kinder vor dem Schuleintritt sind real<br />
und dürfen auch am Anfang dazugehören.<br />
Sie ihnen zu nehmen, ist dennoch<br />
eine vordringliche Aufgabe der ersten<br />
Wochen. Eine wirksame Strategie dabei<br />
ist für mich, Sicherheit und Vertrauen<br />
durch feste Rituale zu schaffen.<br />
Der Raum<br />
Wir beginnen in der Regel jeden Morgen<br />
mit einem Kreisgespräch, in dem wir gemeinsam<br />
die Gestaltung des Schulvormittages<br />
besprechen. Der Kreis ist für<br />
mich eine gute Form: Die Konzentration<br />
und Aufmerksamkeit wird gebündelt,<br />
jeder sieht jeden. Der Kreis als geschlossenes<br />
System symbolisiert Zusammengehörigkeit<br />
und schafft Verbundenheit.<br />
Wichtig war, den Raum so zu gestalten,<br />
dass unkompliziert und schnell ein<br />
Stuhlkreis gestellt werden kann. Nicht<br />
umsonst spricht man auch vom Raum<br />
als »drittem Pädagogen«. »Der ganze<br />
Raum ist ja voll mit unseren Sachen!«,<br />
meinte Sophie, als ich die entstandenen<br />
Bilder zum Thema »Jahreskreis«<br />
anbrachte. »Aber das ist doch dein<br />
Geburtstagskalender und<br />
Regal mit »Lernstraße«<br />
Raum!?«, sah sie mich erstaunt an. Der<br />
Klassenraum ist im besten Fall der Ort,<br />
an dem alle Menschen, die dort leben<br />
und arbeiten, sich wohl fühlen und eine<br />
zweite Heimat finden. Das bedeutet, einen<br />
Raum zu schaffen, wo den Kindern<br />
die Möglichkeit der Mitgestaltung gegeben<br />
wird. Kinder brauchen Luft und<br />
Platz. In unserem Raum befindet sich so<br />
viel wie nötig und so wenig wie möglich<br />
an Mobiliar und auch an Material. Auf<br />
eine Wandgestaltung habe ich zu Schuljahresbeginn<br />
bewusst verzichtet. Gestaltet<br />
wird gemeinsam. »Und jetzt brauchen<br />
wir noch einen Zeiger«, stellte Larissa<br />
fest. Entstanden war ein eindrucksvoller<br />
Geburtstagskalender. Begleitet vom<br />
Nachdenken über Fragen: »Wann habe<br />
ich Geburtstag?«, »Wie folgen die Monate<br />
aufeinander?«, »Wer hat im Frühling,<br />
im Sommer, im Herbst und im Winter<br />
Geburtstag?« oder: »Warum ist Nina<br />
ein Jahr älter als Theo, obwohl beide am<br />
10. Juli geboren sind?«, sind wir im Lernen<br />
schon mittendrin. Neben dem Platz<br />
für den Stuhlkreis gibt es in unserem<br />
Raum noch eine Leseecke, halbhohe<br />
Regale für die »Lernstraße«, zwei Computerarbeitsplätze<br />
sowie zwei robuste<br />
Werkbänke, die je nach Bedarf einzeln<br />
oder zusammen Arbeits- und Präsentationsfläche<br />
bieten, einen runden Teppich,<br />
der schnell ausgerollt werden kann, und<br />
ein paar Matten, die gern in der Lesezeit<br />
genutzt werden. So ist der Fußboden<br />
auch Arbeitsebene. Kinder nehmen<br />
hier andere (Lern-) Haltungen ein: Sie<br />
liegen auf dem Bauch, knien oder sitzen<br />
auf dem Boden. Funktionale Lernräume<br />
brauchen flexibles Mobiliar, welches<br />
auch von Kindern bewegt werden kann.<br />
»Wir teilen uns die Arbeit: Einer stellt die<br />
Saurier hin, einer faltet das Schild und<br />
einer schreibt auf, wie sie heißen«, lautete<br />
Maximilians Vorschlag. Er hatte am<br />
Vortag die Idee, eine Saurierausstellung<br />
zu machen. Hierfür und für alle anderen<br />
Themen nutzen wir die Oberflächen der<br />
Regale als wechselnden »Thementisch«.<br />
Der Rhythmus<br />
Leben heißt Rhythmus. Die Natur folgt<br />
ihrem eigenen Rhythmus von Sommer<br />
und Winter, Tag und Nacht … Jedes<br />
Lebe wesen, so auch der Mensch,<br />
hat seinen eigenen, ganz individuellen<br />
Rhythmus. Dem Bedürfnis nach Bewegung<br />
folgt das Bedürfnis nach Ruhe,<br />
dem Bedürfnis nach Kontakt, Verbindung<br />
und Teilhabe folgt das Bedürfnis<br />
nach Zurückgezogenheit. So unterstützen<br />
Schulstrukturen die Bedürfnisse<br />
aller Menschen, die dort leben, lernen<br />
und arbeiten. Lernen in guter Qualität<br />
setzt voraus, dass das Kind seinem<br />
eigenen Rhythmus folgen kann. Dies<br />
gelingt, wenn der bisherige nach 45-Minuten-Einheiten<br />
strukturierte und nach<br />
Fächern gegliederte Schulvormittag ersetzt<br />
wird durch ein Konzept, welches<br />
durch die veränderten Zeitstrukturen<br />
Platz lässt für die Individualisierung<br />
des Lern- und Arbeitsrhythmus. Die<br />
Abkehr vom 45-Minuten-Takt ist nicht<br />
nur eine zeitliche, sondern vor allem<br />
auch eine inhaltlich-didaktische Frage.<br />
Zwingt man dem Kind einen starren<br />
Plan auf, kann es seine Fähigkeiten<br />
nicht optimal entwickeln. Dennoch ist<br />
für erfolgreichen Unterricht eine Abstimmung<br />
der Lernprozesse notwendig.<br />
Dieser Widerspruch kann durch<br />
geeignete Formen der Rhythmisierung<br />
gelöst werden. Wir beginnen den Tag<br />
mit einer Gleitzeit, gefolgt von Lernblöcken<br />
und Bewegungspausen. Dabei<br />
sind Länge und Anzahl der Lernzeiten<br />
unter Berücksichtigung der Leistungskurve<br />
der Kinder im Konzept Schule /<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
25
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Hort begründet. Innerhalb dieser gibt<br />
es variable zeitliche Strukturen, welche<br />
die Möglichkeit bieten, dem eigenen<br />
Rhythmus zu folgen. Das Bedürfnis<br />
der Kinder nach Sicherheit wird gestärkt<br />
durch Rituale und wiederkehrende<br />
Strukturen, geregelte Übergänge<br />
und transparente Tagesgestaltung. Lena<br />
fragt: »Können wir zuerst Buchstabenzeit<br />
machen und danach Freie Lernzeit?«<br />
Wenn alle einverstanden sind,<br />
natürlich. Jeden Morgen bringt ein Kind<br />
den Tagesplan an. Er ist unser roter<br />
Faden, wobei den Kindern erst allmählich<br />
klar wurde, dass die Abschnitte<br />
nicht gleichzusetzen sind mit Unterrichtsstunden.<br />
Denn diese Abschnitte<br />
sind mal länger und mal kürzer und<br />
beugen sich den kindlichen Bedürfnissen.<br />
Meine Idee war, bestimmte Zeiten<br />
einzuführen – Schreibzeit, Buchstabenzeit,<br />
Freie Lernzeit, Lesezeit, Rechenzeit<br />
–, in denen immer ganz bestimmte<br />
Materialien und Arbeitsmittel benutzt<br />
werden. So wissen die Kinder, wenn z. B.<br />
Freie Lernzeit ist. Dann holen sie ihre<br />
Lernpässe, entscheiden sich für ein Programm,<br />
überlegen noch, ob sie dies mit<br />
einem Partner bewältigen wollen oder<br />
allein und beginnen selbständig mit der<br />
Arbeit. Sie wissen auch, wie sie ihre Lernfortschritte<br />
dokumentieren und dass sie<br />
nach getaner Arbeit ihr Lernen reflektieren.<br />
Manchmal in ganz kurzer Form<br />
an der Tafel, ein anderes Mal ausführlicher<br />
im Auswertungsgespräch. Sich den<br />
Schulvormittag frei einzuteilen, bedeutet<br />
auch eine Abkehr von Hetze und Getriebensein.<br />
Unser Motto lautet: »Entschleunigung.«<br />
Und das tut nicht nur den Kindern<br />
gut! So frage ich häufig zu Beginn<br />
des Tages: »Schau dich genau um, was<br />
hat sich verändert?« Sie bemerken kleine<br />
Dinge: »Deine Haare sind anders!« Und<br />
auch große: »Wo ist eigentlich Annika?«<br />
Achtsamkeit und Sensibilität, zwei aus<br />
der Mode gekommene Tugen den, erleben<br />
hier ihre Renaissance.<br />
Die Grundschrift<br />
Die Kinder haben im ersten Jahr nach<br />
dem Konzept und dem Vorbild der<br />
Grundschrift geschrieben. Am Anfang<br />
stand die Überzeugung der Eltern – was<br />
einfacher war, als ich dachte. Sie waren<br />
der Grundschrift gegenüber sehr aufgeschlossen<br />
und konnten der Argumentation<br />
sehr gut folgen. Entscheidend dabei<br />
war, dass die Eltern ihre eigene Handschrift<br />
betrachteten, um festzustellen,<br />
dass sie innerhalb eines Wortes häufig<br />
»Luftsprünge« machten. Sie erkannten,<br />
dass es der Lesbarkeit keinen Abbruch<br />
tut, wenn nicht alle Buchstaben sichtbar<br />
auf dem Papier miteinander verbunden<br />
sind. Während sich die Erwachsenen viele<br />
Gedanken um die neue Schrift machten,<br />
kümmerte es die Kinder weniger: Sie<br />
schrieben ganz selbstverständlich nach<br />
dem Vorbild der handgeschriebenen<br />
Druckbuchstaben mit den Wendebögen.<br />
Erwartungsgemäß benutzten die<br />
Kinder lange Zeit vorrangig die Großbuchstaben<br />
zum Schreiben. Es gibt<br />
immer noch einzelne Kinder, die nur<br />
Großbuchstaben verwenden. Dies ist<br />
legitim, braucht doch Feinmotorik<br />
auch Entwicklungszeit. Nach den ersten<br />
Wochen begann ich eine regelmäßige<br />
Buchstabenzeit einzurichten. Es war<br />
mir wichtig, dass die Kinder auch die<br />
Kleinbuchstaben entdecken, verbunden<br />
mit der Hoffnung, dass sie diese<br />
beim Schreiben häufiger verwenden.<br />
Ich bereitete zu diesem Zweck für jedes<br />
Kind ein Buchstabenheft vor. Ich<br />
nahm Blanko-Hefte, die ich mit einem<br />
Umschlag versah, auf dem alle Großund<br />
Kleinbuchstaben abgebildet waren.<br />
Außerdem hielt ich Zeilenblätter in den<br />
zwei zur Verfügung stehenden Größen<br />
bereit, welche die Kinder zum Unterlegen<br />
benutzten. Bevor im Heft geschrieben<br />
wurde, übten sie den gewählten<br />
Buchstaben in einer vorbereiteten Lernumgebung<br />
in vielfältiger Weise: So gab<br />
es die Möglichkeit, den Buchstaben zu<br />
kneten, ihn mit Muggelsteinen auszulegen,<br />
mit dem Buchstabentaxi nachzufahren,<br />
ihn mit verbundenen Augen<br />
zu erfühlen, Buchstabennudeln mit der<br />
Lupe zu untersuchen, ihn mit Stempeln<br />
zu drucken, im Sand oder mit Kreide<br />
an die große Tafel zu schreiben. Nach<br />
und nach kamen noch mehr Angebote<br />
hinzu. Es gab Gänsefedern mit Tintenfässchen,<br />
Schiefertafeln mit Griffel und<br />
selbst hergestellte Kleinbuchstaben zum<br />
Erfühlen. Nach so vielen abwechslungsreichen<br />
Übungen konnte dann im Heft<br />
geschrieben werden. Da die »Buchstabenzeit«<br />
in vielfältiger Weise die Sinne<br />
ansprach, jedes Kind seinem eigenen<br />
Lerntempo folgen konnte, war diese<br />
Zeit meist sehr entspannend, und der<br />
Schultag konnte ruhig ausklingen.<br />
Nach gut einem halben Jahr waren<br />
auch die letzten Kinder mit allen Buchstaben<br />
»durch«. Es gab nicht wenige, die<br />
den Wunsch hatten, die, wie sie es nannten,<br />
»richtige« Schreibschrift zu lernen.<br />
Diese Kinder, meist waren es Mädchen,<br />
erlernten die lateinische Schulausgangsschrift<br />
absolut autonom. Dafür stellte<br />
ich ein handelsübliches Schreiblernheft<br />
und Unterrichtszeit zur Verfügung.<br />
Während ich beobachten konnte, dass<br />
einige Kinder sehr geschickt und hoch<br />
motiviert diese Schrift erlernten, habe<br />
ich mir das Heft von anderen Kindern<br />
(vorläufig) zurückgeben lassen. Es gab<br />
deutliche Anzeichen der Überforderung.<br />
Die Schrift war quasi unlesbar, die Einteilung<br />
der Zeilen in Grund-, Ober- und<br />
Unterlinie für einige Kinder noch unbeherrschbar.<br />
Ich bat sie, sich wieder auf<br />
die Grundschrift zu besinnen.<br />
Wir sind nach einem Jahr an dem<br />
Punkt angekommen, wo ca. ein Drittel<br />
Tagesplan, Lernpässe, Lernreflexion<br />
26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Ina Pätzold<br />
arbeitet als Lehrerin an der »Barfüßerschule«,<br />
<strong>Grundschule</strong> 17, und ist<br />
Beraterin für Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />
des Staatlichen Schul -<br />
amtes Erfurt. Auf ihrer Homepage<br />
www.tina-paetzold.de hat sie<br />
verschiedenste Unterrichtsmaterialien<br />
zum Download bereitgestellt.<br />
der Kinder die lateinische Schulausgangsschrift<br />
verwendet, während die<br />
meisten bei der Grundschrift geblieben<br />
sind. Einige Kinder schreiben weiterhin<br />
fast ausschließlich nur Großbuchstaben,<br />
andere Groß- und Kleinbuchstaben.<br />
Ich möchte im zweiten Jahr in<br />
Lerngesprächen die Kinder ermutigen,<br />
damit zu beginnen, Buchstaben dort<br />
miteinander zu verbinden, wo es sinnvoll<br />
ist, und Verbindungsmöglichkeiten<br />
zu erproben. Die konsequenten<br />
»Großbuchstabenschreiber« rege ich an,<br />
zunehmend Kleinbuchstaben zu verwenden,<br />
denn nur hier können Verbindungen<br />
entstehen. Zusätzlich zum Teil<br />
2 der Grundschrift-Kartei könnte den<br />
Kindern ein Grundschrift-Schreiblernheft<br />
mit entsprechenden Buchstaben-<br />
Verbindungsvorschlägen nützlich sein.<br />
Die Kinderfragen<br />
Kinder stellen große, alte Fragen der<br />
Menschheit: Wer bin ich? Wo komme<br />
ich her? So fragte Leon einmal: »Wenn<br />
eine Mutter ein liebes Kind auf die Welt<br />
bringt, kann das später als Erwachsener<br />
trotzdem böse werden?« Einmal diskutierten<br />
sie darüber, ob es einen Gott<br />
gibt oder nicht. »Es gibt keinen Gott«,<br />
rief Leonard. Marvin konterte: »Es gäbe<br />
keine Welt, wenn Gott sie nicht erschaffen<br />
hätte, und auch kein Weihnachten.<br />
Weihnachten feiern wir nur, weil das<br />
Jesuskind geboren ist.« Leonard fragte<br />
aufgebracht. »Wo ist denn dein Gott,<br />
dann zeig ihn mir doch mal!« – »Überall!«,<br />
erwiderte Marvin, und so ging es<br />
noch eine Weile hin und her. Schließlich<br />
bildeten sich zwei Lager. Irgendwann<br />
fragte mich dann Emilie: »Frau<br />
Pätzold, wer hat denn nun recht?« Nun,<br />
meine Antwort war: »Es gibt Menschen,<br />
die an Gott glauben. Für diese gibt es<br />
Gott. Dann gibt es Menschen, die glauben<br />
nicht an Gott. Für diese gibt es Gott<br />
nicht.« Aber die Kinder ließen nicht locker:<br />
»Und du?«<br />
Kinder stellen Fragen, auf die auch<br />
Erwachsene keine abschließenden Antworten<br />
oder Erklärungen haben bzw.<br />
geben dürfen. Und doch ist es wichtig,<br />
dass wir den Interessen der Kinder<br />
Raum und Zeit geben. Meine Vision<br />
von Schule ist, dass die Kinder mit ihren<br />
Fragen im Mittelpunkt des Unterrichts<br />
stehen. So lernen sie auch, dass<br />
Schule ein Ort ist, an dem ihre Themen<br />
ernst genommen werden, ein Ort, der<br />
persönliche Bedeutung erhält. Ein Ort,<br />
an dem sie Antworten bekommen, die<br />
zum Glück natürlich wieder neue Fragen<br />
aufwerfen. So habe ich mir angewöhnt,<br />
zu Beginn eines neuen Themas<br />
zunächst das Vorwissen der Kinder zu<br />
visualisieren, um anschließend zu fragen:<br />
»Was interessiert dich am meisten?<br />
Was willst du wissen?« Zum Thema<br />
»Vögel« interessierte die Kinder beispielsweise:<br />
»Wie weit kann der Adler<br />
in einer Stunde fliegen?«, »Wie hoch<br />
können Adler fliegen?«, »Wie groß sind<br />
Mäusebussardflügel?«, »Verlassen manche<br />
Eltern ihre Eier, wenn sie in den<br />
Süden fliegen?«, »Warum können Pinguine<br />
nicht fliegen?« Alle Fragen schreibe<br />
ich in einem Elternbrief auf mit der<br />
Bitte um die Unterstützung, gemeinsam<br />
nach Antworten und Erklärungen zu<br />
suchen. So können die Eltern von zu<br />
Hause aus wirksam den Lernprozess<br />
begleiten. In den Tagen darauf wächst<br />
unser Thementisch und bietet viele Anregungen,<br />
sich in den Lernzeiten mit<br />
den Fragen auseinanderzusetzen.<br />
Die Standardfrage des Pädagogen:<br />
»Was muss ich tun, um den Stoff zu vermitteln?«<br />
wird abgelöst von der Überlegung:<br />
»Was kann das Kind bereits<br />
selbst unternehmen, um sich Inhalte zu<br />
erschließen?« Das Kind ist nicht Objekt<br />
von Belehrungen, sondern Subjekt seiner<br />
eigenen vielfältigen Aktivitäten. Mit<br />
ihrem Weltwissen und ihrer Sicht auf<br />
die Dinge überraschen die Kinder mich<br />
jeden Tag aufs Neue. Auf meine Idee,<br />
Schneeglöckchen in seine Einzelteile zu<br />
zerlegen, folgte lautstarker Protest: »Aber<br />
das sind doch auch Lebewesen!«<br />
Thementisch. Die Fragen wurden auch in<br />
einem Elternbrief mit der Bitte um Hilfe<br />
bei der Beantwortung gestellt<br />
Mit den Buchstaben vertraut werden<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
27
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Staatliches Schulamt<br />
in der Landeshauptstadt München<br />
Lernwerkst_A3_RZ.indd 1 06.04.11 15:12<br />
Eva Odersky<br />
LuKS: Lernwerkstätten als<br />
Brücken beim Übergang<br />
Eine gemeinsame Lernumgebung für Kindergarten- und Grundschulkinder<br />
»Ich hab’ eine Idee und noch eine Idee und noch eine Idee – ich hab’ ganz viele<br />
Idees!« Wer schon einmal Gelegenheit hatte, Kinder in einer Lernwerkstatt zu<br />
beobachten, ihren Eifer, ihre Konzentration und ihre soziale Kompetenz dort<br />
zu erleben, wird solche und ähnliche Ausrufe kennen. Immer mehr Lernwerkstätten<br />
werden zurzeit sowohl in <strong>Grundschule</strong>n als auch in Kindergärten eingerichtet.<br />
Was liegt da näher, als diese »Schnittstelle« für die Kooperation zu<br />
nutzen?<br />
Das zurzeit in 30 Kommunen<br />
laufende Bundesprogramm<br />
»Lernen vor Ort« verfolgt als<br />
ein wesentliches Ziel, die Übergänge<br />
zwischen den einzelnen Bildungsphasen<br />
zu verbessern. In einem von<br />
12 »Lernen vor Ort«-Teilprojekten<br />
in München<br />
werden an 10 Standorten<br />
kooperative Lernwerkstätten<br />
unter dem Namen<br />
LuKS eingerichtet: »Lernumgebungen<br />
für Kindergarten<br />
und Schule«. 1)<br />
Gestartet wurde dieses<br />
Projekt im November 2009<br />
mit der Vorbereitung und<br />
kooperativen Einrichtung,<br />
im Lauf des Schuljahres<br />
2010/11 begann dann an<br />
allen beteiligten Standorten<br />
die gemeinsame Arbeit in der<br />
Lernwerkstatt, im kommenden Schuljahr<br />
2011/12 werden nun die ersten Kinder,<br />
die mit ihrem Kindergarten in der<br />
Lernwerkstatt waren, eingeschult – und<br />
zum Teil die gleiche Lernwerkstatt als<br />
Erstklässler wieder besuchen.<br />
Ziele und Voraussetzungen<br />
In den LuKS-Lernwerkstätten<br />
●●<br />
können Kindergarten- und Grundschulkinder<br />
den Mehrwert von Lernwerkstätten<br />
erfahren und nutzen,<br />
●●<br />
müssen die beteiligten Pädagog/inn/<br />
en des Elementar- und Primarbereichs<br />
eine Kooperations- und Kommunikationskultur<br />
entwickeln,<br />
●●<br />
ist Anschlussfähigkeit gewährleistet.<br />
Um solche Ziele realisieren zu können,<br />
gibt es zwei Bedingungen: Es muss<br />
sich ein Team von Erzieherinnen und<br />
Lehrerinnen aus einer <strong>Grundschule</strong><br />
und einem Kindergarten zusammenfinden<br />
und es muss an einer der bei -<br />
»In einer Lernwerkstatt<br />
haben die Lernenden die<br />
Aufgabe und die Chance,<br />
selbstbestimmt und eigenverantwortlich<br />
zu handeln<br />
und die dazu erforderlichen<br />
Fähigkeiten zu entwickeln.<br />
Sie lernen und üben Fragen<br />
zu stellen und ihr eigenes<br />
Lernen zu beobachten.«<br />
den Institutionen<br />
ein Raum vorhanden<br />
sein, in dem<br />
eine Lernwerkstatt<br />
eingerichtet werden<br />
kann.<br />
Im Projekt LuKS<br />
bestehen die Teams<br />
aus jeweils mindestens<br />
einem Kindergarten<br />
und einer<br />
<strong>Grundschule</strong>, z. T.<br />
sind sie erweitert<br />
um einen Hort<br />
bzw. ein Tagesheim<br />
oder einen weiteren (integrativen) Kindergarten.<br />
Selbstverständlich sollten<br />
sich die Einrichtungen räumlich nahe<br />
sein, damit nicht zu viel Zeit durch<br />
lange Wege verloren geht und möglichst<br />
viele Kindergartenkinder auch<br />
tatsächlich in die Schule wechseln, die<br />
sie über die Lernwerkstatt schon kennenlernten<br />
– denn darum geht es bei<br />
LuKS in erster Linie: Kindergartenkinder<br />
lernen schon lange vor ihrer<br />
Einschulung Lehrerinnen, viele Schulkinder<br />
und die Schule mit ihren spezifischen<br />
Abläufen (Wo sind die Toiletten?<br />
Warum gongt es hier? Jetzt haben<br />
die Schulkinder Pause …) kennen, und<br />
das ganz »behütet« von ihren Erzieherinnen<br />
und gemeinsam mit anderen<br />
Kindergartenkindern.<br />
(Verbund europäischer<br />
Lernwerkstätten e. V., 2009, S. 7)<br />
Landeshauptstadt München, Referat für Bildung und Sport, Zentrale Öffentlichkeitsarbeit, Bayerstraße 28, 80335 München<br />
Lernwerkstatt<br />
Das Projekt „Lernen vor Ort“ wird gefördert von:<br />
Lernumgebungen für Kindergarten und Schule<br />
Partner des Projektes LuKS:<br />
Referat für<br />
Bildung und Sport<br />
Eine Lernwerkstatt für Kindergarten-<br />
und Grundschulkinder<br />
Am Anfang jeder Kooperation steht die<br />
Verständigung über Inhalte, so auch bei<br />
LuKS: Die Teilnehmer/innen hatten unterschiedlich<br />
viel Erfahrung mit Lernwerkstätten<br />
und mussten sich zunächst<br />
über ihre Erfahrungen mit und ihre<br />
Vorstellungen von Lernwerkstattarbeit<br />
austauschen, um eine gemeinsame<br />
Grundlage für die Zusammenarbeit zu<br />
schaffen. Nötig ist dies auch, weil man<br />
dem Begriff Lernwerkstatt seit einigen<br />
Jahren in unterschiedlichsten Zusammenhängen<br />
immer häufiger begegnet;<br />
zum einen ist das natürlich positiv zu<br />
bewerten, zum anderen besteht die<br />
Gefahr einer gewissen Unschärfe, was<br />
denn nun unter »Lernwerkstattarbeit«<br />
zu verstehen sei. Der Verbund europäischer<br />
Lernwerkstätten sah sich deswegen<br />
veranlasst, ein Positionspapier zur<br />
Beschreibung zentraler Qualitätsmerkmale<br />
zu veröffentlichen, denen wir im<br />
LuKS-Projekt zu entsprechen versuchen<br />
und das auch diesen Ausführungen zugrunde<br />
liegt (VeLW 2009).<br />
28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Gemeinsam eine Lernumgebung<br />
schaffen<br />
Eine Lernwerkstatt ist dann sinnvoll geplant<br />
und ausgestattet, wenn sich beim<br />
Betreten sofort das Gefühl einstellt:<br />
»Hier will ich arbeiten und etwas ausprobieren!«<br />
– eine »Please-touch-me-<br />
Atmosphäre« nennt es Hartmut Wedekind<br />
treffend (Wedekind 2011, S. 8).<br />
Doch selbst wenn Konsens über dieses<br />
Ziel besteht, treffen schon bei der Planung<br />
des Raums und der Auswahl der<br />
Materialien die oft ganz unterschiedlichen<br />
Vorstellungen und Erfahrungen<br />
der Pädagog/inn/en aus Kindergärten<br />
und <strong>Grundschule</strong>n aufeinander – die<br />
Auseinandersetzung mit Arbeitsweise<br />
und Strukturen der jeweils anderen<br />
Berufsgruppe nimmt hier ihren Anfang<br />
und ist für die spätere gemeinsame<br />
Arbeit der Kinder in der Lernwerkstatt<br />
eine wesentliche Voraussetzung.<br />
Die Raumsituation ist an den LuKS-<br />
Standorten ganz unterschiedlich: Von<br />
großzügigen hellen Klassenräumen, die<br />
über einen Außenbereich oder einen<br />
Nebenraum verfügen, reicht die Bandbreite<br />
über sehr kleine Räume, die bisher<br />
dem Hausmeister als Lager dienten,<br />
bis zu »trocken gelegten« Kellerräumen.<br />
In einem Fall wird die Lernwerkstatt<br />
sogar vorübergehend mobil in »Rollwägen«<br />
betrieben, ergänzt durch eine<br />
mehrwöchige Lernwerkstattaktion in<br />
der Aula.<br />
Auch inhaltlich können Lernwerkstätten<br />
ganz unterschiedlich ausgerichtet<br />
sein – im LuKS-Projekt z. B. sind<br />
einige ausschließlich mathematisch<br />
und/oder naturwissenschaftlich ausgerichtet,<br />
die Mehrzahl widmet sich allen<br />
Lernbereichen. Unabhängig davon<br />
gibt es einige Kriterien, die eine »gute«<br />
Lernwerkstatt ausmachen:<br />
●●<br />
Die Materialien haben einen (hohen)<br />
Aufforderungscharakter.<br />
●●<br />
Die Materialien sind für die Kinder<br />
offen zugänglich. Bewährt haben sich<br />
offene Regale, die nicht zu hoch sind.<br />
●●<br />
Es sind Materialien vorhanden, die<br />
zum Experimentieren und Forschen<br />
auffordern.<br />
●●<br />
So genannte »Lernspuren« sind sichtbar:<br />
Als »Staun-Anlass« und Anregung<br />
für andere Kinder, die in die Lernwerkstatt<br />
kommen, und als Bestätigung,<br />
selbst etwas geleistet und hinterlassen<br />
zu haben.<br />
Eine der wichtigsten Aufgaben, die<br />
Erzieher/innen und Lehrer/innen in der<br />
Lernwerkstatt haben, ist die Gestaltung<br />
und Vorbereitung dieses Raums, wobei<br />
man grundsätzlich zwischen offenen<br />
und geschlossenen Lernumgebungen<br />
unterscheidet. In einer offenen Lernumgebung<br />
sind die Kinder ganz frei in<br />
der Wahl der Inhalte und Materialien,<br />
in der geschlossenen Lernumgebung<br />
wird ein Thema vorab festgelegt – Kinder<br />
können dabei durchaus einbezogen<br />
sein – und benötigtes Material bereitgestellt;<br />
Themen in LuKS-Lernwerkstätten<br />
waren schon »Schwimmen und<br />
Sinken«, »Formen und Muster«, »Tierfelle<br />
und ihre Muster«, »Luft«, »Wasser«,<br />
»Erde«, »Spiegelungen« und viele mehr.<br />
Gemeinsame Lernbegleitung durch<br />
Erzieher/innen und Lehrer/innen<br />
Das Lernen der Kinder in den LuKS-<br />
Lernwerkstätten wird immer von Pädagog/inn/en<br />
aus Kindergarten und<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
29
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
Schule kooperativ begleitet. Für<br />
das zentrale Anliegen dieses Projekts<br />
– die Gewährleistung der<br />
Anschlussfähigkeit – ist das von<br />
entscheidender Bedeutung:<br />
●●<br />
Erzieher/innen und Lehrer/innen<br />
planen und gestalten das<br />
Lernen gemeinsam, beobachten<br />
sich im Alltag gegenseitig und<br />
haben die Chance, über- und<br />
voneinander zu lernen.<br />
●●<br />
Die Kindergartenkinder lernen nicht<br />
nur ihre neue Umgebung, sondern auch<br />
die Menschen dort kennen, die Schulkinder<br />
und Lehrer/innen.<br />
●●<br />
Lehrer/innen lernen einen Teil der<br />
künftigen Schulanfänger kennen und<br />
erleben, wie sie arbeiten und denken,<br />
was sie interessiert, was sie schon können,<br />
wie sie kooperieren usw.<br />
Vor allem Lehrer/innen müssen oft in<br />
eine ungewohnte Rolle schlüpfen, um<br />
das Lernen der Kinder in der Lernwerkstatt<br />
sinnvoll zu begleiten. Manch andere<br />
Kriterien als im »normalen« Unterricht<br />
sind wichtig, wenn es darum geht<br />
●●<br />
das forschende Lernen der Kinder<br />
fördernd zu begleiten,<br />
●●<br />
sich auf gemeinsames Denken mit<br />
den Kindern einzulassen,<br />
●●<br />
Fragen zu initiieren,<br />
●●<br />
Impulse zu geben,<br />
●●<br />
mit den Kindern gemeinsam nach<br />
Lösungswegen zu suchen,<br />
●●<br />
Umwege der Kinder zuzulassen und<br />
auszuhalten.<br />
Immer wieder berichten die an LuKS<br />
beteiligten Lehrer/innen, wie sehr sie<br />
inzwischen den Rollenwechsel in der<br />
Lernwerkstatt genießen, wie »neu« sie<br />
Eva Odersky<br />
ist Autorin und Redakteurin und<br />
betreut zusammen mit Sonja Dollinger<br />
als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
das LuKS-Projekt (Projektleitung<br />
Prof. Angelika Speck-Hamdan) an der<br />
LMU München.<br />
»Die Rolle der Lehrenden besteht darin,<br />
dem Lernenden Raum und Zeit zu geben<br />
sich einem Lerngegenstand in der für ihn<br />
geeigneten Weise zu nähern. Sie begleiten<br />
sein Lernen fördernd und tragen anschließend<br />
Sorge dafür, dass Lernwege und<br />
Lern ergebnisse dokumentiert werden.«<br />
(Verbund europäischer Lernwerkstätten e. V., 2009, S. 8)<br />
die Kinder erleben, wie sich dort ganz<br />
andere soziale Strukturen ausbilden,<br />
wie selbstverständlich die Schul- mit<br />
den Kindergartenkindern zusammenarbeiten<br />
oder wie im Unterricht verhaltensauffällige<br />
Kinder dort völlig unauffällig<br />
und in die Gruppe integriert<br />
sind – für Kinder wie Lehrer/in enorm<br />
wichtige gemeinsame Erfahrungen,<br />
die natürlich auch Auswirkungen auf<br />
den »normalen« Schul- und Unterrichtsalltag<br />
haben.<br />
Auf dieser Ebene sehen die LuKS-Beteiligten<br />
denn auch den Mehrwert einer<br />
Lernwerkstatt für sich als Erzieher/in<br />
oder Lehrer/in:<br />
●●<br />
Raum und Zeit für (freie) Beobachtung,<br />
● ● (neue) Stärken und Schwächen<br />
erkennen,<br />
●●<br />
Interessen (der Kinder) entdecken,<br />
●●<br />
Lernprozesse beobachten,<br />
●●<br />
gemeinsames Nachdenken und<br />
Forschen,<br />
●●<br />
bessere Anknüpfung an die Lernvoraussetzungen<br />
der Kinder durch<br />
Kooperation zwischen Kindergarten<br />
und Schule,<br />
●●<br />
neue Rollen einnehmen: Beobach -<br />
ter/in, Fragende/r, Ideengeber/in.<br />
Lerndokumentation für<br />
kleine und »große« Kinder<br />
An dieser Auflistung wird schon deutlich:<br />
Das Beobachten der Kinder hat<br />
in einer Lernwerkstatt einen hohen<br />
Stellenwert. Im LuKS-Projekt versuchen<br />
die Beteiligten dabei insbesondere<br />
festzuhalten, wie Kindergarten- und<br />
Grundschulkinder zusammenarbeiten,<br />
wie sich diese Zusammenarbeit im Laufe<br />
der Zeit verändert, ob und wie sich<br />
das Verhalten der Kinder gegenüber<br />
den Pädagogen aus der jeweils anderen<br />
Einrichtung entwickelt und – falls die<br />
gemeinsame Lernwerkstatt in der Schule<br />
ist – wie sich die Kindergartenkinder<br />
in der für sie zunächst fremden Schulumgebung<br />
zurechtfinden.<br />
Auch Arbeitsergebnisse werden festgehalten,<br />
die Kinder wollen und sollen<br />
das Gefühl haben, dass ihre Arbeit<br />
wertgeschätzt wird – eine Lernwerkstatt<br />
lebt von den Lernspuren, die in ihr<br />
hinterlassen werden. Die Bandbreite der<br />
Möglichkeiten ist groß und muss den<br />
Gegebenheiten (Alter der Kinder, Art<br />
der Arbeit, Einrichtung der Lernwerkstatt<br />
usw.) angepasst werden:<br />
●●<br />
Hefte oder Portfolios,<br />
●●<br />
Fotos (ideal ist ein Fotodrucker in<br />
der Lernwerkstatt),<br />
●●<br />
Filme,<br />
●●<br />
Präsentation in der Lernwerkstatt<br />
(auf Regalen, an der Wand, von der<br />
Decke),<br />
●●<br />
Präsentation außerhalb der Lernwerkstatt<br />
im Kindergarten oder in der<br />
Schule.<br />
Über das Lernen<br />
in der Lernwerkstatt<br />
Lernen in einer Lernwerkstatt folgt<br />
manchmal anderen Gesetzmäßigkeiten<br />
und ist anderen Grundgedanken<br />
verpflichtet als der »normale« Unterricht<br />
im Klassenzimmer: Es richtet sich<br />
nach den Interessen jedes Kindes, es<br />
ist forschend-entdeckendes Lernen, es<br />
ist ko-konstruktives Lernen, denn in<br />
einer Lernwerkstatt lernt das Kind nie<br />
allein, sondern immer umgeben von<br />
anderen Interessierten, Beobachtenden,<br />
Zweifelnden, und das Lernen erfolgt inzidentell,<br />
es gibt also keine didaktisch<br />
ausgearbeiteten kleinen Schritte, sondern<br />
überraschenden Lernwünschen<br />
kann genauso nachgegangen werden<br />
wie Lernwegen, die sich unter Umständen<br />
nicht als zielführend erweisen,<br />
denn Umwege müssen manchmal sein.<br />
Inzidentelles Lernen ist eben auch unsystematisches<br />
Lernen.<br />
Ziel ist, dass die Kinder lernen, eigene<br />
Fragen zu entwickeln und eigene Interessen<br />
zu erspüren und beidem nachzu-<br />
30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
Praxis: Schulanfänge 2011<br />
gehen, es geht also um nichts Geringeres<br />
als darum, das Lernen zu lernen.<br />
Kinder, die regelmäßig in einer Lernwerkstatt<br />
lernen,<br />
●●<br />
können dort Interessen entwickeln<br />
und verfolgen,<br />
●●<br />
lernen Fragen zu stellen und (eigenen!)<br />
Fragen nachzugehen,<br />
●●<br />
lernen in selbst gewählter Sozialform,<br />
●●<br />
lernen in der individuell benötigten<br />
Zeit,<br />
●●<br />
lernen nach eigenem Lernweg,<br />
●●<br />
bauen Reflexionskompetenz auf,<br />
●●<br />
haben Zeit, sich mit Alltäglichem zu<br />
beschäftigen,<br />
●●<br />
lernen eine neue Lernumgebung<br />
kennen,<br />
●●<br />
lernen oft in altersgemischten,<br />
manch mal sogar in »institutionsübergreifenden«<br />
Lerngruppen,<br />
●●<br />
nehmen unterschiedliche Rollen ein:<br />
Helfer/in, Wissende/r, Ideengeber/in,<br />
Zweifler/in …<br />
In den LuKS-Lernwerkstätten erleben<br />
wir oft selbst erstaunt, wie selbstverständlich<br />
und produktiv Kindergarten-<br />
mit Grundschulkindern zusammenarbeiten<br />
– und zwar nicht nur mit<br />
Erstklässlern, auch in der Kooperation<br />
mit Drittklässlern bringen viele der<br />
»Kleinen« ihre Ideen, ihr Wissen und<br />
ihre Vermutungen<br />
ganz selbstbewusst<br />
ein, und ihre Meinung<br />
wird von den<br />
»Großen« durchaus<br />
»Die Fragen sind es,<br />
aus denen das, was<br />
bleibt, entsteht.«<br />
(Erich Kästner)<br />
ernst genommen.<br />
Umgekehrt ist es für<br />
alle – und natürlich v. a. für die langsamer<br />
lernenden – Grundschulkinder<br />
eine wertvolle Erfahrung, selbst einmal<br />
in die Rolle des Helfers und Tutors zu<br />
schlüpfen, und sei es nur beim Vorlesen<br />
einer kurzen Anweisung, beim Notieren<br />
eines Ergebnisses oder bei der Orientierung<br />
im Schulhaus.<br />
Ausblick<br />
Spannend wird für alle am Projekt Beteiligten<br />
der nun bevorstehende Schulanfang:<br />
Wird den LuKS-Kindergartenkindern<br />
der Übergang in die Schule<br />
wirklich viel leichter fallen? Wie werden<br />
sie sich in der Lernwerkstatt gegenüber<br />
den neuen »Kleinen« verhalten? Wie gegenüber<br />
ihren ehemaligen Erzieherinnen,<br />
nun, nach dem »Rollenwechsel«?<br />
Begegnen ihre Eltern der Schule mit<br />
weniger Vorbehalten und Ängsten?<br />
Erzieherinnen wie Lehrerinnen erwarten<br />
sich positive Effekte – und<br />
haben dafür auch viel investiert:<br />
Der organisatorische Aufwand<br />
einer solchen Kooperation ist<br />
hoch, Kindergärten und Schulen<br />
sind vollkommen unterschiedlich<br />
strukturiert und es erfordert von<br />
allen Beteiligten gerade zu Beginn viel<br />
Kooperationsbereitschaft und Toleranz,<br />
sich auf die Bedingungen des anderen<br />
einzustellen.<br />
In den LuKS-Lernwerkstätten beginnt<br />
die Kooperation Alltag zu werden<br />
– die nächste Herausforderung steht mit<br />
der personellen Organisation des neuen<br />
Schuljahrs an. An zwei Standorten<br />
ergeben sich mit der Eröffnung eines<br />
Ganztagszweigs neue Perspektiven und<br />
damit einhergehend neue (v. a. zeitliche)<br />
Möglichkeiten der Zusammenarbeit.<br />
Insgesamt sind sich aber schon zum<br />
jetzigen Zeitpunkt alle einig, dass das<br />
Projekt einen so intensiven Austausch<br />
auf ganz verschiedenen Ebenen initiierte,<br />
wie er bisher undenkbar war, und<br />
davon profitieren alle: Erzieherinnen,<br />
Lehrerinnen und Kinder.<br />
Anmerkung<br />
(1) Das Projekt LuKS ist ein Teilprojekt<br />
im Rahmen des Projekts »Lernen vor Ort«<br />
der Landeshauptstadt München, das vom<br />
Bundes ministerium für Bildung und<br />
Forschung, vom Europäischen Sozialfonds<br />
für Deutschland sowie von der Europäischen<br />
Union gefördert wird. Es wird von der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität in<br />
Kooperation mit dem Referat für Bildung<br />
und Sport sowie dem Staatlichen Schulamt<br />
in der LH München geleitet.<br />
Literatur<br />
VeLW (2009): Verbund europäischer Lernwerkstätten<br />
(Hrsg.): Positionspapier zu<br />
Qualitätsmerkmalen von Lernwerkstätten<br />
und Lernwerkstattarbeit, Berlin.<br />
Wedekind, Hartmut (2011): Eine Geschichte<br />
mit Zukunft. 30 Jahre Lernwerkstatt. In:<br />
<strong>Grundschule</strong> H. 6, S. 6 – 10<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
31
<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />
Rudolf Schmitt zum Abschied von Rolf Kielblock<br />
»Über 25 Jahre im Einsatz für den Grundschulverband«<br />
Am 31. Mai beendete Rolf Kielblock<br />
seine Tätigkeit als Geschäftsführer des<br />
Grundschulverbands. Mehr als 25 Jahre<br />
lang begleitete er an entscheidender<br />
Stelle die Geschicke des Verbandes.<br />
Bis 1984 war die Geschäftsstelle des<br />
damals noch jungen Arbeitskreises<br />
<strong>Grundschule</strong> e. V. mehr oder weniger ein<br />
Provisorium. Erst mit der Schaffung einer<br />
hauptamtlichen Geschäftsstelle mit Rolf<br />
Kielblock an der Spitze konnte sich im<br />
DIPF, Schloß straße 29, eine Geschäftsstelle<br />
entwickeln, die diesen Namen<br />
verdiente, allerdings zunächst unter<br />
schwierigen Arbeits bedingungen.<br />
Der Flur vor der Aula war im Sommer<br />
unerträglich heiß, im Winter zu kalt.<br />
Die offene Bühne der Aula diente als<br />
Lagerstätte für Bücher und Schriften.<br />
Der allmähliche menschenwürdige<br />
Ausbau dieser Räumlichkeiten war das<br />
ausschließliche Verdienst Rolf Kielblocks.<br />
Mehr als 10 Jahre lang verwaltete Rolf<br />
Kielblock die Geschäftsstelle allein. Rückblickend<br />
muss man zugeben, dass dieser<br />
Zeit durchaus ein wenig der Geruch<br />
der Ausbeutung anhaftet. Mit Geduld,<br />
Beharrlichkeit, einem hohen Grad an<br />
Leidensfähigkeit und großem Optimismus,<br />
stets unterlegt mit einem Schuss<br />
Ironie und Fröhlichkeit überstand Rolf<br />
Kielblock dieses schwierige Jahrzehnt.<br />
Was ein Geschäftsführer alles zu leisten<br />
hat, beschrieb Rolf Kielblock selbst bereits<br />
im Jahr 1984 vor seinem Amtsantritt:<br />
1. Allgemeine Verwaltungsaufgaben<br />
Die gesamte Korrespondenz, die Vorbereitung<br />
der Vorstands- und (damaligen)<br />
Professor Rudolf Schmitt<br />
(Vorsitzender von 1986 bis 2000)<br />
Beiratssitzungen, Organisation<br />
bundesweiter und<br />
lokaler Veranstaltungen.<br />
2. Finanzverwaltung<br />
Obwohl es das Amt des<br />
Schatzmeisters gibt, liegt<br />
die alltägliche Verwaltung<br />
der Finanzen auschließlich<br />
beim Geschäftsführer.<br />
3. Mitgliederwerbung<br />
und -betreuung<br />
Dies war für Rolf Kielblock<br />
eine der wichtigsten Aufgaben<br />
der Geschäftsstelle.<br />
Von 1986 bis 1996 stieg<br />
die Mitgliederzahl kontinuierlich<br />
von 5.000 auf fast<br />
16.000.<br />
4. Zentrale und<br />
Koordinationsstelle<br />
Der damals noch wichtige<br />
Telefondienst. Die sachgerechte Beantwortung<br />
von Anfragen. Diese Sparte<br />
der Geschäftsstelle verlangte inhaltliche<br />
Kompetenz, die sich, bezogen auf die<br />
<strong>Grundschule</strong>, Rolf Kielblock nach und<br />
nach erwerben musste. Kontakte zu<br />
bildungspolitischen Institutionen mussten<br />
aufgebaut und gepflegt werden,<br />
ebenso die Kontakte zu Verlagen.<br />
Kennen muss der Geschäftsführer die<br />
Schul- und Bildungspolitik der Länder,<br />
die Programme und Aktivitäten anderer<br />
Organisationen.<br />
Eigentlich hätte der Vorstand damals<br />
schon erkennen können, dass diese<br />
Mammut-Aufgabe einen Einzelnen<br />
überfordert. Deutlich wurde bei der<br />
Vorbereitung des Bundesgrundschulkongresses<br />
1989, dass die Geschäftsführung<br />
des Arbeitskreises <strong>Grundschule</strong> mit nur<br />
einer hauptamtlich angestellten Person<br />
nicht mehr zu bewältigen war. Nicht nur<br />
das Alltagsgeschäft, sondern gerade auch<br />
die monatelange Vorbereitung dieses<br />
Großereignisses mit 3.000 Anmeldungen<br />
und 4.000 Teilnehmenden offenbarte die<br />
Unterbesetzung der Geschäftsstelle.<br />
Barbara und Rolf Kielblock wurden auf der Delegiertenversammlung<br />
verabschiedet<br />
Seit 1992 gilt die neue Satzung mit der<br />
Gründung von 16 Landesgruppen und<br />
2 × jährlich Delegiertenversammlungen.<br />
Schlagartig erhöhte sich die Verwaltungsarbeit,<br />
zumal die Landesgruppen finanziell<br />
nicht selbstständig sind. Trotzdem<br />
blieb es bei der Minigeschäftsstelle. Erst<br />
1996, nach der Vorstandswahl, setzte sich<br />
die Meinung durch, dass die Geschäftsstelle<br />
doppelt hauptamtlich besetzt sein<br />
müsste.<br />
Inzwischen hatte sich allerdings Dramatisches<br />
ereignet: Anfang September<br />
erleidet Rolf Kielblock eine schwere Herzattacke.<br />
Er fällt über Monate aus.<br />
Erst im Frühjahr 1997 kann Rolf Kielblock<br />
stundenweise wieder den Dienst übernehmen.<br />
Dieses Ereignis forcierte die<br />
Suche nach einer zweiten Kraft.<br />
Mit der Einstellung von Sylvia Reinisch<br />
als hauptamtliche Mitarbeiterin kam die<br />
Lösung vieler Probleme. Die regelmäßige<br />
Mitarbeit von Barbara Kielblock auf einer<br />
halben Stelle ergänzte das Team.<br />
Bewährungsproben waren die Bundesgrundschulkongresse<br />
1999 und 2009, die<br />
von dem Dreier-Team blendend gemanagt<br />
wurden. Unauffällig, aber genauso<br />
wichtig war die jahrelange, kontinuierliche<br />
und verlässliche Alltagsarbeit zum<br />
Wohle des Grundschulverbandes, der den<br />
beiden Scheidenden dafür seine Anerkennung<br />
und seinen tiefen Dank ausspricht.<br />
Nicht unerwähnt soll bleiben die regelmäßige<br />
Pressetätigkeit für den Grundschulverband.<br />
Besonders die Glossierung<br />
mit vielen sehr zutreffenden Sprüchen<br />
haben alle mit Vergnügen gelesen. Dieses<br />
Amüsement wird uns in Zukunft fehlen.<br />
Fehlen werden uns Rolf und Barbara Kielblock<br />
im Grundschulverband, wenn uns<br />
auch bewusst ist, das mit Sylvia Reinisch<br />
die Zukunft der Geschäftsstelle gesichert<br />
ist.<br />
32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />
Das verflixte siebte Jahr von VERA<br />
Im Jahr 2004 wurden die von der Universität<br />
Landau entwickelten Vergleichsarbeiten<br />
(VERA) zur flächendeckenden<br />
Erfassung von Schülerleistungen zum<br />
ersten Mal eingesetzt. Anfangs von<br />
wenigen Bundesländern durchgeführt,<br />
beteiligen sich an VERA 3 zwischenzeitlich<br />
alle Bundesländer. Die Aufgabenentwicklung<br />
liegt seit zwei Jahren beim IQB<br />
(Institut für Qualitätsentwicklung) in<br />
Berlin. Für VERA 3 werden in den Fächern<br />
Deutsch und Mathematik jährlich<br />
wechselnd zwei Kompetenzbereiche der<br />
Bildungsstandards und die Überprüfung<br />
der Lesekompetenz durchgeführt.<br />
Der Grundschulverband begleitet seit<br />
Jahren VERA 3 mit kritischen Analysen<br />
und mahnt Unzulänglichkeiten bei der<br />
VERA-Konzeption an. Neben der Kritik an<br />
der Aufgabenqualität hat immer wieder<br />
die Form der Auswertung Unverständnis<br />
hervorgerufen. Es müssen alle Einzelkomponenten<br />
einer Aufgabe richtig beantwortet<br />
werden, wenn die Aufgabe mit<br />
richtig bewertet werden soll. Kreative und<br />
sachlich richtige Lösungen von Kindern<br />
finden keine Beachtung.<br />
Zum Akzeptanzverlust für VERA trug<br />
darüber hinaus die unterschiedliche<br />
Handhabung und »Verwertung« der<br />
Vergleichsarbeiten in den Bundesländern<br />
bei. Von der Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
(Ranking) über die Einsichtnahme<br />
der Schulaufsicht in die Ergebnisse bis hin<br />
zur Festlegung, dass die Ergebnisse als<br />
»Eigentum« der Schule zur Unterrichtsentwicklung<br />
beitragen sollten, wurden<br />
viele Vorgehensweisen praktiziert. In<br />
unter schied licher Weise wurde VERA als<br />
Controlling-Instrument in Evaluationsund<br />
Rechen schaftsverfahren in den<br />
Ländern eingebunden. Den Bundesländern<br />
ist es nicht gelungen, eine<br />
abgestimmte Zielklarheit bezogen auf<br />
VERA herzu stellen. Letztendlich hat alles<br />
zusammen zu umfassender Ablehnung<br />
und einem Imageverlust der Vergleichsarbeiten<br />
geführt.<br />
Was aber ist der eigentliche Sinn von<br />
VERA? Welchen Nutzen kann VERA<br />
bringen und wem? Wie müssen Vergleichsarbeiten<br />
konzipiert sein, dass<br />
Lehrerinnen und Lehrer für ihre Unterrichtsentwicklung<br />
und Schulen für die<br />
Qualitätsentwicklung davon profitieren<br />
können und wollen? Mit diesen und<br />
anderen Fragen der VERA-Kritiker befasst<br />
sich der Schulausschuss der KMK und ruft<br />
ins Gedächtnis, dass VERA originär dem<br />
Transport der Bildungsstandards in die<br />
Schulen und der innerschulischen<br />
Qualitätsentwicklung dienen sollte.<br />
Maresi Lassek,<br />
Schulleiterin der<br />
<strong>Grundschule</strong><br />
am Pfälzer Weg<br />
Bremen,<br />
Vorsitzende<br />
des Grundschulverbands<br />
Zu einem Austausch im Rahmen eines<br />
Fachgesprächs bin ich als Vorsitzende des<br />
Grundschulverbandes mit den Vorsitzenden<br />
von GEW und VBE für Ende August<br />
eingeladen worden. Lassen sich daraus<br />
für die Diskussion um die Vergleichsarbeiten<br />
ein qualitativer Schritt und ein<br />
Entwicklungsansatz ableiten? Eröffnet<br />
sich die Chance, die Zielklarheit des<br />
Instruments zu erhöhen, die Bedeutung<br />
von VERA einzugrenzen, die Belastung für<br />
Kinder sowie Lehrerinnen und Lehrer zu<br />
verringern und zu verdeutlichen, was<br />
pädagogische Leistungskultur umfasst<br />
und wie sie sich von Testverfahren<br />
unterscheidet? Die Einladung zu dem<br />
Fachgespräch wird ermöglichen, die<br />
Positionen des Grundschulverbandes mit<br />
den KMK-Vertreterinnen und -Vertretern<br />
zu diskutieren und dabei Übereinstimmungen<br />
mit GEW und VBE auszuloten.<br />
Maresi Lassek<br />
»So war der Test nicht gemeint«<br />
Unter diesem Titel veröffentlichte DIE ZEIT<br />
(Nr. 22, 26. 05. 2011) ein Gespräch von Martin<br />
Spiewak mit Prof. Dr. Hans Anand Pant.<br />
Ausgangspunkt die Feststellung:<br />
»Die Vergleichsarbeiten (Vera) an <strong>Grundschule</strong>n<br />
sind in die Kritik geraten.«<br />
Prof. Pant leitet das Berliner Institut zur<br />
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen<br />
(IQB), das für die Entwicklung der<br />
VERA-Aufgaben verantwortlich ist. »Herr<br />
Professor Pant«, fragte Martin Spiewak,<br />
»was läuft da schief?« Zu wichtigen Kritikpunkten<br />
einige Aussagen des IQB-Leiters:<br />
VERA als Kontrollinstrument? Ȇberall dort,<br />
wo Vera zur Überprüfung der Schulen<br />
genutzt wird, gibt es Proteste. (…)<br />
Leider (…) nutzt in vielen Ländern die<br />
Schulaufsicht Vera als Kontrollinstrument<br />
gegenüber den Schulen. So war der Test<br />
jedoch nicht gemeint. Die Daten sollten<br />
zuallererst den Schulen gehören.«<br />
Geschönte Ergebnisse? »In dem Moment,<br />
wo Kontrollen drohen, fangen die Lehrer<br />
an zu schönen. Sie helfen ihren Schülern<br />
oder geben ihnen mehr Zeit. Das verzerrt<br />
die Testergebnisse natürlich.«<br />
Teaching to the test? »Problematisch wird<br />
es, wenn unsere Testformate wochenund<br />
monatelang den Unterricht bestimmen<br />
und den eigentlichen Lehrplan<br />
ersetzen.«<br />
Schulen in sozialen Brennpunkten<br />
In einigen Klassen scheitern die Kinder im<br />
Schnitt an achtzig Prozent der Aufgaben:<br />
»Das stimmt leider. Wir haben deshalb<br />
angeboten, im nächsten Jahr einige sehr<br />
einfache Fragen aufzunehmen.«<br />
Dr. Horst Bartnitzky, Grundschulpädagoge<br />
und bis 2010 Vorsitzender des<br />
Grundschulverbandes, nahm in einem<br />
Leserbrief zu dem ZEIT-Gespräch Stellung.<br />
Er schreibt: »Die angesprochenen Kritikpunkte<br />
sind zutreffend. Ein entscheidender<br />
aber fehlt. Entscheidend, weil er die<br />
Geschäftsgrundlage für die Tests betrifft:<br />
Die VERA-Aufgaben für die Drittklässler<br />
testen eben nicht die Kompetenzen der<br />
Schüler, wie sie die Kultusministerkonferenz<br />
festgelegt hat. Der Grund ist: Die<br />
Aufgabenstellungen sind sehr schlichter<br />
Natur und die Auswertungsvorschriften<br />
sehr eng gefasst. Das muss so sein, weil<br />
alle Lehrkräfte selbst die Ergebnisse mit<br />
einem einfachen Lösungsschlüssel auswerten<br />
sollen. Da verbieten sich Aufgaben,<br />
die verschiedene Lösungen zulassen, die<br />
Kinder zu kreativen Leistungen herausfordern,<br />
die eigenständig von den Kindern<br />
bearbeitet werden. Vom Lösungsschema<br />
abweichende, aber dennoch zutreffende<br />
und kluge Lösungen müssen als falsch<br />
bewertet werden. (…) Um die Kompetenzen<br />
in den Blick zu bekommen, brauchte es<br />
andere, allerdings aufwändigere Verfahren.<br />
Ganz zu schweigen davon, dass sich die<br />
Tests im Frühjahr Klasse 3 auf Standards<br />
beziehen, die für das Ende von Klasse 4<br />
formuliert sind.«<br />
Dies alles ist fachdidaktisch für die<br />
Deutsch- und Mathe-Tests Klasse 3 über<br />
mehrere VERA-Jahrgänge nachgewiesen:<br />
Nachzulesen unter www.grundschul<br />
verband.de, Stichworte Bildungspolitik,<br />
Vergleichsarbeiten). »Die Kompetenzen<br />
der Schüler«, resümiert Horst Bartnitzky,<br />
»kommen bei VERA erst gar nicht in den<br />
Blick, geschweige denn, dass sie so zu<br />
messen wären. Damit allerdings ist die<br />
Geschäftsgrundlage hinfällig. Es fehlen nur<br />
die Einsicht darin und die Konsequenzen<br />
daraus.«<br />
He.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
33
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Baden-Württemberg<br />
Vorsitzende: Erika Brinkmann, erika.brinkmann@ph-gmuend.de;<br />
www.gsv-bw.de<br />
»Der Wechsel beginnt«<br />
So titelt die neue Landesregierung<br />
ihr Regierungsprogramm.<br />
Die schwarz-gelbe<br />
58-jährige CDU-Dominanz im<br />
Ländle wurde von einer<br />
grün-roten Landesregierung<br />
abgelöst, in welcher Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann<br />
von den Grünen die<br />
Verantwortung übernommen<br />
hat.<br />
Neue Ministerin für Kultus,<br />
Jugend und Sport wurde<br />
Gabriele Warminski-Leitheußer<br />
(MdL der SPD). Sie hat<br />
einige bildungspolitische<br />
Veränderungen ins Auge<br />
gefasst, u. a.:<br />
––<br />
intensive frühkindliche<br />
Bildung in Kinderkrippen und<br />
Kindergärten<br />
––<br />
Abschaffung der <strong>Grundschule</strong>mpfehlung<br />
––<br />
Modellschulen, die Kinder<br />
länger gemeinsam lernen<br />
lassen und besser individuell<br />
fördern<br />
––<br />
langfristiges Ziel ist eine<br />
Gemeinschaftsschule für alle<br />
Kinder bis Klasse 10<br />
––<br />
Ausbau echter Gemeinschaftsschulen<br />
mit den dafür<br />
notwendigen Rahmenbedingungen<br />
––<br />
drastische Verringerung<br />
des Unterrichtsausfalls<br />
––<br />
Verstärkung der Schulsozialarbeit<br />
––<br />
mehr zielgenaue Investitionen<br />
im Bildungsbereich.<br />
Die Wissenschaftsministerin<br />
Theresia Bauer (MdL von den<br />
Grünen) wird sich u. a.<br />
einsetzen für<br />
––<br />
die Abschaffung der<br />
Studiengebühren<br />
––<br />
die Wiedereinführung der<br />
verfassten Studierendenschaft<br />
––<br />
die Mitbestimmung an<br />
Hochschulen<br />
––<br />
den Abbau befristeter<br />
Arbeitsverträge<br />
––<br />
die Öffnung der Hochschulen.<br />
Die Landesgruppe wird diese<br />
Änderungsvorschläge<br />
kritisch-konstruktiv begleiten.<br />
Umfrage der<br />
Landesgruppe<br />
Mit einem Fragebogen an die<br />
Mitglieder versucht die<br />
Landesgruppe derzeit, deren<br />
Wünsche und Vorstellungen<br />
besser kennenzulernen. So<br />
wurde u. a. gefragt:<br />
●●<br />
Was erwarten Sie von der<br />
Landesgruppe des Grundschulverbands?<br />
●●<br />
Welche Themenbereiche<br />
sollten bei Grundschultagen<br />
bzw. Fachtagen bevorzugt<br />
aufgegriffen werden?<br />
●●<br />
Wären Sie eventuell bereit,<br />
an Grundschultagen, Fachtagungen<br />
oder Gesprächskreisen<br />
aktiv mitzuarbeiten?<br />
Die Ergebnisse werden<br />
demnächst vorliegen und<br />
damit die Arbeit der Landesgruppe<br />
schärfer akzentuieren.<br />
Dies fällt in eine Zeit, in<br />
der einige wichtige Ziele des<br />
Grundschulverbands auch<br />
politisch umsetzbar erscheinen.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Adolf Messer<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />
www.wl-lang.de<br />
Regionale Fortbildungen<br />
und Studientage<br />
Im ersten Halbjahr bot die<br />
Landesgruppe über ganz<br />
Rheinland-Pfalz verteilt mehr<br />
als 20 regionale Fortbildungsveranstaltungen<br />
und<br />
Studientage an einzelnen<br />
Schulen unter dem Titel<br />
Lernen und Leisten, Beraten,<br />
Beurteilen und Bewerten –<br />
Pädagogische Leistungskultur<br />
auf der Grundlage der Grundschulordnung<br />
an und erhielt<br />
nicht nur sehr guten Zuspruch,<br />
sondern auch viele<br />
positive Rückmeldungen.<br />
Nach einer Einführung zum<br />
Wandel der Lehr- zur Lernkultur<br />
und der mit vielen<br />
Praxisbeispielen angereicherten<br />
Darstellung dessen, was<br />
der Grundschulverband zur<br />
Pädagogischen Leistungskultur<br />
erarbeitet hat, wurde<br />
auf Grundlage der seit 2008<br />
gültigen Grundschulordnung<br />
dargelegt und diskutiert, wie<br />
gruppenbezogene und<br />
individuelle Leistungen<br />
erbracht, beurteilt und<br />
bewertet werden können.<br />
Im Juni konnten sich Interessierte<br />
an der <strong>Grundschule</strong><br />
St. Julian bei einer Nachmittagsveranstaltung<br />
darüber<br />
informieren, wie man dem<br />
Zählenden Rechnen vorbeugen<br />
bzw. begegnen kann.<br />
Fachleiterinnen und Fachleiter<br />
für Grundschulpädagogik<br />
aus den Studienseminaren in<br />
RLP beschäftigten sich im<br />
August an der Universität<br />
Koblenz-Landau (Campus<br />
Koblenz) in Theorie und<br />
insbesondere in Praxis mit<br />
der Dialogischen Gesprächsführung.<br />
Gemeinsam mit<br />
dem dortigen Zentrum für<br />
Lehrerbildung und der GEE<br />
(Gemeinschaft Evangelischer<br />
Erzieher) bot die Landesgruppe<br />
eine entsprechende<br />
ganztägige Tagung zum<br />
professionellen Handeln<br />
im Spannungsfeld von<br />
Beurteilen und Beraten in<br />
der 2. Ausbildungsphase<br />
an.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Werner Lang<br />
Die Landesgruppe<br />
ist auch auf dem<br />
6. Demokratietag<br />
Rheinland-Pfalz<br />
aktiv, der am Donnerstag,<br />
22. September 2011<br />
an der Georg-Forster-<br />
Gesamtschule Wörrstadt<br />
stattfinden und unter dem<br />
Motto »Wege zu einer<br />
demokratischen Lernkultur«<br />
stehen wird.<br />
34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Berlin<br />
Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />
www.gsv-berlin.de<br />
Gute <strong>Grundschule</strong> ist<br />
machbar – aber nicht<br />
umsonst<br />
In Berlin sollten altersgemischte<br />
Lerngruppen in<br />
der Schulanfangsphase<br />
Regelfall sein, aber viele<br />
Pädagog/innen aus Schulen<br />
in den sozialen Brennpunkten<br />
äußern große Zweifel am<br />
Erfolg des Lernens in derart<br />
heterogenen Kindergruppen.<br />
Der rege Widerstand der<br />
Pädagog/innen, die sich mit<br />
den Lernproblemen ihrer<br />
Kinder in den hoch belasteten<br />
Stadtteilen zunehmend<br />
mehr allein gelassen fühlen,<br />
führte zu einem Kurswechsel<br />
unseres Bildungssenators.<br />
Alle, die wieder zur altershomogenen<br />
Klassenbildung<br />
zurückwollen, können nun<br />
einen entsprechenden<br />
Antrag stellen. Alle Antragsteller<br />
müssen aber konzeptionell<br />
nachweisen, wie sie<br />
zukünftig den leistungsschwächeren<br />
Kindern das<br />
pädagogisch sinnvolle<br />
»Verweilen« – drei Jahre statt<br />
zwei in der Schulanfangsphase<br />
– ohne das Stigma des<br />
Sitzenbleibens ermöglichen.<br />
Die Berliner Landesgruppe<br />
des Grundschulverbandes<br />
kritisiert diese schleichende<br />
Abkehr von der Jahrgangsmischung,<br />
liegen doch<br />
gerade in der größeren<br />
Heterogenität der Lerngruppen<br />
große Chancen,<br />
die Unterrichtskultur in den<br />
Klassenzimmern nachhaltig<br />
zu mehr individuellem<br />
Lernen und Fördern zu<br />
verändern.<br />
Wir sehen aber auch die<br />
großen Schwierigkeiten im<br />
Prozess der flächendeckenden<br />
Umsetzung. Es gibt viele<br />
Ursachen für den Widerstand<br />
gegen größere Heterogenität.<br />
Zu nennen sind<br />
●●<br />
überholte Arbeitszeitvorgaben<br />
– Lehrer/innen brauchen<br />
neben der eigent lichen<br />
Unterrichtsverpflichtung<br />
ausreichend Zeit zum Planen<br />
und Reflektieren neuer<br />
Aufgaben. Eine Unterrichtsverpflichtung<br />
von 28 Schulstunden<br />
ist zu hoch.<br />
●●<br />
ungeeignete Räumlichkeiten<br />
– veränderte Unterrichtsformen<br />
brauchen mehr als<br />
die traditionellen Klassenräume.<br />
Berlin hat einen<br />
Investitionsstau, was Schulbauten<br />
angeht, von dramatischem<br />
Ausmaß.<br />
●●<br />
mangelndes Knowhow<br />
– dahinter steht immer auch<br />
das Fehlen von hilfreicher,<br />
schulunterstützender<br />
Fortbildung.<br />
●●<br />
fehlendes Personal – dahinter<br />
verbirgt sich eine nicht<br />
sach- und fachgerechte<br />
Lehrerzuweisung.<br />
Schulreformen können in<br />
Berlin schon deshalb schnell<br />
scheitern, weil es in der<br />
ganzen Stadt nur noch eine<br />
rechnerische Ausstattung an<br />
Lehrerpersonal von 100 %<br />
gibt. 100 % heißt aber nicht,<br />
dass jede Schule zu jeder Zeit<br />
im Schuljahr über eine<br />
100 %ige Lehrerausstattung<br />
verfügt. Der Altersdurchschnitt<br />
der Berliner Lehrerschaft<br />
und entsprechend der<br />
Krankenstand sind hoch.<br />
Vertretungsunterricht wird<br />
weitgehend von unzureichend<br />
ausgebildeten<br />
Lehranfängern erteilt. Wen<br />
wundert es da noch, dass die<br />
Schulentwicklung und die<br />
Kraft für die Umsetzung von<br />
Reformen auf der Strecke<br />
bleiben.<br />
Jede fünfte <strong>Grundschule</strong><br />
kündigt nun an, dass sie aus<br />
dem sogenannten jahrgangsübergreifenden<br />
Lernen<br />
aussteigen will.<br />
Der Berliner Grundschulverband<br />
bedauert sehr,<br />
dass mit der Zurücknahme<br />
der verbindlichen Altersmischung<br />
nun die Berliner<br />
Politiker und damit auch die<br />
Schulverwaltungen der<br />
Verantwortung enthoben<br />
sind, sich intensiver mit den<br />
Gelingensbedingungen von<br />
schulischem Lernen in<br />
heterogenen Kindergruppen<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Wir stellen uns in diesem<br />
Zusammenhang die Frage,<br />
wie es den <strong>Grundschule</strong>n<br />
– eben auch jenen in den<br />
sozialen Brennpunkten der<br />
Stadt – gelingen wird, die<br />
UN-Menschenrechtskonvention<br />
(Eine Schule für alle)<br />
umzusetzen? Die »Ablehner«<br />
müssen noch überzeugt<br />
werden, die »Befürworter«<br />
dürfen nicht durch unzumutbare<br />
Rahmenbedingungen<br />
entmutigt werden. Das der<br />
Berliner Öffentlichkeit nun<br />
vorliegende Gesamtkonzept<br />
zur inklusiven Schule wird<br />
besonders heftig kritisiert, da<br />
es vorgibt, die Umsteuerung<br />
von einer selektiven Schule<br />
zu einer inklusiven Schule<br />
kostenneutral meistern zu<br />
können. Selbst bei den<br />
Politikern im Berliner Abgeordnetenhaus<br />
kamen Zweifel<br />
bei soviel Sparbereitschaft<br />
auf. Das Parlament hat alle<br />
Entscheidungen auf die Zeit<br />
nach der Wahl verschoben.<br />
Zu allem Überfluss hat die<br />
Schulverwaltung zum Ende<br />
des Schuljahres 2010/11 die<br />
Berliner Lehrerschaft noch<br />
einmal »überrascht«, indem<br />
sie – trotz steigendem Anteil<br />
von Kindern mit Behinderungen<br />
in den Regelschulen –<br />
die Zumessung an Lehrerstunden<br />
weiterhin auf<br />
niedrigem Niveau »deckelt«.<br />
Entsprechend erhalten die<br />
Kinder mit Förderbedarf in<br />
vielen integrativ arbeitenden<br />
Schulen weniger Lehrerstunden<br />
zur individuellen<br />
Förderung. Der gleichzeitig<br />
gestiegene Anteil von armen<br />
Kindern, die aufgrund ihrer<br />
prekären Lebensverhältnisse<br />
tagtäglich in den unzureichend<br />
ausgestatteten<br />
Schulen mehr und mehr<br />
Misserfolge erleben, blieb<br />
ebenfalls unberücksichtigt.<br />
Der Grundschulverband<br />
führte in diesem Sinne im<br />
Mai eine Veranstaltung zum<br />
Thema Gute <strong>Grundschule</strong> gibt<br />
es nicht umsonst durch.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
35
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Brandenburg<br />
Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />
www.gsv-brandenburg.de<br />
Auf dem Weg zur Inklusiven<br />
Schule – Regionalkonferenzen<br />
in Brandenburg<br />
Im Mai und Juni 2011 fanden<br />
auf Initiative des Bildungsministeriums<br />
insgesamt<br />
sechs Regionalkonferenzen<br />
in den Schulamtsbereichen<br />
des Landes Brandenburg<br />
statt. An vier der sechs<br />
Konferenzen nahmen<br />
Vertreterinnen des Landesgruppenvorstandes<br />
des<br />
Grundschulverbandes teil.<br />
Die Regionalkonferenzen<br />
boten ein unterschiedliches<br />
Stimmungsbild: die Arbeit<br />
der Pädagogen wertschätzend,<br />
getragen von Ernsthaftigkeit<br />
und sachlich<br />
vorgetragenen vielfältigen<br />
Meinungen aus den Sichten<br />
verschiedenster Beteiligter.<br />
Andererseits waren ein<br />
großer »Erfolgsdruck« und<br />
eine deutliche Anspannung<br />
spürbar. Es besteht ein<br />
großer Bedarf, sich mit<br />
kritisch-konstruktiven<br />
Meinungen einzubringen.<br />
Viel Klärungsbedarf besteht<br />
zur Umsetzung des Vorhabens<br />
der »Schule für alle«<br />
– nicht hinsichtlich des<br />
langfristigen Ziels, sondern<br />
bezüglich der Art und Weise.<br />
Kritisch wurde angemerkt,<br />
dass mit den Regionalkonferenzen<br />
eigentlich ein umfassender<br />
Diskussions prozess<br />
zur Umsetzung der inklusiven<br />
Schulen in Gang gesetzt<br />
werden sollte. Doch es<br />
entstand der Eindruck, dass<br />
das »Wie« der Umsetzung<br />
bereits beschlossene Sache<br />
sei.<br />
Die Reden der Bildungsministerin<br />
Frau Dr. Martina<br />
Münch waren authentisch<br />
vorgetragen, zum Anliegen<br />
informierend, für die Inklusion<br />
werbend, aber wenig<br />
emotional mitnehmend und<br />
auf einer allgemeinen Ebene,<br />
so dass kaum Dissense<br />
möglich waren.<br />
Irritierend waren die Festlegung<br />
eines Zeitplanes mit<br />
einzelnen Maßnahmen<br />
(Schließung der Schulen mit<br />
den Förderschwerpunkten<br />
Lernen, Sprache und Verhalten<br />
bis 2019) und dagegen<br />
relativ vage Aussagen zur<br />
Umsetzung.<br />
So sei eine Fortbildungsinitiative<br />
geplant, eine<br />
konkrete Konzept- und<br />
Maßnahme planung soll im<br />
nächsten halben Jahr<br />
erfolgen.<br />
Anknüpfend an die schon<br />
guten schulischen Erfahrungen<br />
in Brandenburg soll es<br />
Pilotprojekte geben, die<br />
Verständigung soll fortgesetzt<br />
werden. Ressourcen<br />
sollen im System bleiben.<br />
Es fehlten aber konkrete<br />
Aussagen der Ministerin<br />
zum Umgang mit dem<br />
gleich zeitigen Sparauftrag<br />
von etwa 27 Millionen Euro<br />
im Bildungs wesen Brandenburgs.<br />
Die Ministerin betonte<br />
mehrfach, die Inklusion nur<br />
als gemeinsame gesellschaftliche<br />
Aufgabe bewältigen zu<br />
können.<br />
An dieser Stelle fehlten aber<br />
Aussagen, wie sie sich in<br />
parteipolitischen Auseinandersetzungen<br />
für mehr<br />
Bildungsressourcen einsetzen<br />
will und über Partei-<br />
politik hinweg ein gesellschaftlicher<br />
Konsens entstehen<br />
soll.<br />
Verschiedene Praxisbeispiele<br />
aus dem Gemeinsamen<br />
Unterricht und der Flexiblen<br />
Schuleingangsphase (FLEX)<br />
wurden von Schulleiterinnen<br />
und Schulleitern und Schulräten<br />
aus den jeweiligen<br />
Schulamtsbereichen dargestellt.<br />
Bei allen Praxisberichten<br />
wurde deutlich, wie<br />
wichtig eine gemein same<br />
Grundhaltung gegenüber<br />
den Kindern und ein ineinandergreifendes,<br />
abgestimmtes<br />
Vorgehen aller Beteiligten ist.<br />
Erfolge stellen sich nicht<br />
kurzfristig ein, sondern sind<br />
das Ergebnis kontinuierlicher<br />
und langjähriger Entwicklungsprozesse.<br />
Darüber hinaus braucht ein<br />
Reformprojekt wie die<br />
Inklusion besonders im<br />
Anschub weitergehende<br />
Finanzierung und Unterstützung.<br />
Die Einbeziehung weiterer<br />
Professionen und die Zusammenarbeit<br />
von Schule,<br />
Jugend- und Sozialämtern,<br />
Krankenkassen und Schulträgern<br />
sind unerläss liche<br />
Bausteine.<br />
Es gibt viele offene Fragen<br />
und Unklarheiten, und das auf<br />
den unterschiedlichsten<br />
Ebenen. Insgesamt war viel<br />
Aufgeschlossenheit für das<br />
Ziel und die Vision der<br />
Inklusion spürbar.<br />
Die Ängste von Lehrkräften,<br />
die Inklusion unter den<br />
gegebenen Bedingungen<br />
nicht zu schaffen, und die<br />
Sorge von Eltern, dass ihre<br />
behinderten Kinder einen<br />
Schutzraum verlieren,<br />
müssen ernst genommen<br />
werden.<br />
Die Forderung nach einer<br />
Schule für alle, an die sich<br />
auch eine Abiturstufe<br />
anschließt und die mit einer<br />
grundsätzlichen Strukturreform<br />
verbunden ist, bleibt<br />
eine Forderung und wird<br />
noch nicht als langfristiges<br />
Ziel benannt.<br />
Die Heraus forderungen der<br />
Inklusion werden eher auf<br />
<strong>Grundschule</strong>n und Oberschulen<br />
»geschoben«.<br />
Eine gründliche und kompetente<br />
Diagnostik durch<br />
Experten sollte nicht aufgegeben<br />
werden.<br />
Fragen der Finanzierung<br />
dürfen nicht vernachlässigt<br />
werden.<br />
Die Fort- und Ausbildung von<br />
Lehrerinnen und Lehrern<br />
muss verändert werden und<br />
die Zusammenarbeit in<br />
Teams muss etabliert<br />
werden.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Denise Sommer,<br />
Dr. Elvira Waldmann,<br />
Marion Gutzmann<br />
Donnerstag,<br />
8. September 2011,<br />
13 bis 17 Uhr,<br />
LISUM, Ludwigsfelde<br />
Fachtagung<br />
»Grundwortschatz –<br />
Wie gehen wir damit um?«<br />
mit Beate Leßmann<br />
36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Hamburg<br />
Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg, susanne.peters@gsvhh.de<br />
www.gsvhh.de<br />
»Kinder schreiben mit<br />
der Hand – Schrift(en) am<br />
Schulanfang«<br />
Unter dieser Überschrift<br />
stand der Vortrag von Ulrich<br />
Hecker, zu dem die Landesgruppe<br />
Hamburg in Zusammenarbeit<br />
mit dem Fachbereich<br />
Deutschdidaktik der<br />
Universität eingeladen hatte.<br />
Studierende sowie junge und<br />
ältere, erfahrene Grundschullehrkräfte<br />
folgten interessiert<br />
den Ausführungen Heckers,<br />
der nach einem Rückblick auf<br />
die geschichtliche Entwicklung<br />
von Schrift die Gründe<br />
für die Erarbeitung einer<br />
neuen Schriftform, der<br />
Grundschrift, erläuterte.<br />
Besondere Brisanz erhielt<br />
dieses Thema dadurch, dass<br />
die Grundschrift in den<br />
neuen Hamburger Bildungsplänen<br />
neben der Schulausgangsschrift<br />
als verbundene<br />
Schrift zur Auswahl steht.<br />
Nach einem praktischen<br />
Übungsteil stellte sich Ulrich<br />
Hecker den Fragen der<br />
Zuhörerschaft. Trotz einiger<br />
kritischer Stimmen war die<br />
durchweg positive Einstellung<br />
zu der neu entwickelten<br />
Schrift zu spüren. Die Landesgruppe<br />
freut sich über die<br />
Bereitschaft, »Schreiben mit<br />
Schwung« auszuprobieren<br />
und ist gespannt auf die<br />
ersten Ergebnisse und<br />
Erfahrungsberichte Hamburger<br />
Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Stolpersteine auf dem Weg<br />
zur Inklusion<br />
Wenige Tage vor Abschluss<br />
des Schuljahres gab es immer<br />
noch keine Planungssicherheit<br />
für Allgemeinbildende<br />
Schulen, in denen im neuen<br />
Schuljahr auch Kinder mit<br />
sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf unterrichtet<br />
werden. Viele Anträge sind<br />
noch nicht entschieden, so<br />
dass voraussichtlich zu<br />
Schuljahresbeginn nicht die<br />
nötige Versorgung mit<br />
Sonderpädagogenstunden<br />
gewährleistet ist, um unverzüglich<br />
mit der Förderung<br />
der Kinder beginnen zu<br />
können.<br />
Zwar bedauerte der neue<br />
Senator Ties Rabe die<br />
allgemein immer noch<br />
unzureichende Finanzierungsgrundlage<br />
und kündigte<br />
als erste Entlastung<br />
zusätzliche Erzieherzeiten an,<br />
die an die Anzahl der Kinder<br />
mit Förderbedarf gekoppelt<br />
sind. Wie sollen aber Einstellungen<br />
erfolgen, solange<br />
noch keine endgültigen<br />
Zahlen vorliegen?<br />
Viele Schulen stehen der<br />
Aufgabe »Inklusion« offen<br />
gegenüber. Doch knappe<br />
Ressourcen und mangelnde<br />
Planungssicherheit nehmen<br />
Elan und spielen Gegnern<br />
und massiven Kritikern der<br />
Inklusion in die Hände. Die<br />
Landesgruppe fordert, die<br />
zurzeit praktizierte Form von<br />
Antragstellung, Diagnose<br />
und Bewilligung grundlegend<br />
zu prüfen und speziell<br />
für erste Klassen eine<br />
systemische Ressource<br />
vorzusehen, um nicht Kinder<br />
schon vor der Einschulung zu<br />
stigmatisieren, sondern von<br />
Anfang an bedarfsgerecht<br />
fördern zu können.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Marion Lindner<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Vorsitzender: Ralph Grote, Hasengang 3, 17309 Pasewalk, ralphgrote@aol.com<br />
Landesfachtagung zur<br />
Bildungskonzeption<br />
Am 18. Juni fand in Güstrow<br />
die Landesfachtagung zur<br />
Bildungskonzeption für<br />
0- bis 10-jährige Kinder statt.<br />
Auf ihr zogen rund 500<br />
Teilnehmer eine Zwischenbilanz<br />
zur Arbeit mit der<br />
neuen Bildungskonzeption,<br />
die unter Beteiligung des<br />
Grundschulverbandes<br />
entstanden ist.<br />
Es wurden neu erarbeitete<br />
Themen vorgestellt und<br />
diskutiert, wie die Erziehungspartnerschaft<br />
mit<br />
den Eltern, wertorientiert<br />
handelnde Kinder-Religion,<br />
Philosophie, Ethik und Leit -<br />
gedanken der Erziehungsund<br />
Bildungsbereiche.<br />
Namhafte Referenten<br />
wie Prof. Fthenakis und<br />
Prof. Klusemann vermittelten<br />
den Teilnehmern neue<br />
Impulse zur Sicht auf die<br />
Kinder und zur pädagogischen<br />
Arbeit.<br />
Die Landesregierung hat sich<br />
mit der Implementierung der<br />
Konzeption zur Umsetzung<br />
des lebenslangen Lernens für<br />
alle ein hehres Ziel gesetzt.<br />
Die Beachtung der Besonderheiten<br />
aller Kinder und die<br />
Förderung ihrer Stärken<br />
ziehen sich dabei wie ein<br />
roter Faden durch die<br />
Konzeption.<br />
Die weitere Umsetzung der<br />
Konzeption wird sich jedoch<br />
auch daran messen, wie es<br />
einer zukünftigen Regierung<br />
gelingen wird, die Bedingungen<br />
für die Arbeit der<br />
ErzieherInnen und Erzieher<br />
und der LehrerInnen zu<br />
verbessern.<br />
Gerade die Zielstellung, alle<br />
Kinder in die erste Klasse<br />
aufzunehmen, eine frühe<br />
Überweisung in die Förderschule<br />
zu vermeiden, macht<br />
eine intensivere Zusammenarbeit<br />
zwischen ErzieherInnen,<br />
LehrerInnen und Eltern<br />
notwendig.<br />
Dafür brauchen die Pädagogen<br />
im Interesse der ihnen<br />
anvertrauten Kinder Zeit.<br />
Gerade LehrerInnen in den<br />
ersten und zweiten Klassen<br />
haben diese Zeit unter den<br />
veränderten Bedingungen<br />
jedoch nicht. Es bleibt also zu<br />
überlegen, wie die KollegInnen<br />
diese Zeit bekommen.<br />
Will man die Arbeit qualitätsvoll<br />
gestalten, sollte eine<br />
neue Landesregierung dafür<br />
die Weichen stellen. Hierzu<br />
gehören nach Auffassung der<br />
Landesgruppe eine Reduzierung<br />
der Stundenzahlen der<br />
Grundschullehrkräfte und die<br />
Möglichkeit, kleinere Klassenverbände<br />
gerade für den<br />
Schuleingang und Klasse 2 zu<br />
gestalten.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Ralph Grothe<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
37
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Vorsitzende: Gisela Cappel, Habichtstr. 1d, 58285 Gevelsberg<br />
www.grundschulverband-nrw.de<br />
Gespräch bei Ministerin<br />
Löhrmann<br />
Im Juli – Frau Löhrmann war<br />
seit einem knappen Jahr<br />
Chefin im Schulministerium –<br />
traf sich eine Abordnung des<br />
Landesgruppenvorstandes<br />
mit ihr im Ministerium, um<br />
über die <strong>aktuell</strong>e Lage und<br />
die weitere Entwicklung<br />
der <strong>Grundschule</strong> in NRW zu<br />
sprechen.<br />
Einen gewissen Symbolwert<br />
hatte der Termin des Gesprächs.<br />
Genau am 7. 7. 11<br />
wurde die Erhöhung der<br />
Leitungszeit für <strong>Grundschule</strong>n<br />
im Parlament beschlossen.<br />
Drei Stunden mehr Zeit<br />
für Schulleitung, das werten<br />
wir als deutliches Signal der<br />
Wertschätzung für die an<br />
<strong>Grundschule</strong>n geleistete<br />
Arbeit.<br />
Auch die Absicht, die Entscheidung<br />
über die Art der<br />
Leistungsbewertung in Klasse<br />
2 und 3 in die Hände der<br />
Schulkonferenzen zu geben,<br />
zeugt vom Vertrauen in die<br />
pädagogische Kompetenz<br />
der einzelnen Schule.<br />
Überhaupt fand das<br />
Gespräch in einer ausgesprochen<br />
angenehmen<br />
Atmosphäre statt.<br />
Wir konnten deutlich machen,<br />
dass <strong>Grundschule</strong>n für<br />
die zukünftige Entwicklung<br />
deutliche Unterstützung<br />
und auch Freiräume brauchen,<br />
wenn sie den neuen<br />
gesellschaftlichen Aufgaben<br />
gewachsen sein sollen. Inklusion<br />
und Individuelle Förderung<br />
gelingen nur, wenn die<br />
notwendigen Ressourcen<br />
bereitgestellt werden, über<br />
die die einzelne Schule frei<br />
und verantwortlich verfügen<br />
kann.<br />
Dass da – auch angesichts<br />
knapper Kassen – seitens des<br />
Ministeriums Anstrengungen<br />
unternommen werden,<br />
wurde von der Ministerin<br />
nachdrücklich klar gemacht.<br />
Allerdings muss im Blick<br />
bleiben, dass die Landesregierung<br />
in NRW über keine<br />
parlamentarische Mehrheit<br />
verfügt und stets Mehrheiten<br />
im Parlament zusammensammeln<br />
muss.<br />
Baldur Bertling,<br />
Ministerin Sylvia Löhrmann,<br />
Gisela Cappel,<br />
Christiane Mika,<br />
Gisela Gravelaar<br />
Für nachhaltige Beschlüsse<br />
– so der abschließende<br />
Kommentar des Berichterstatters<br />
– ist das nicht das<br />
Schlechteste. Schulentwicklung<br />
auf breiter parlamentarischer<br />
Basis weckt Hoffnung<br />
auf Bestand auch über die<br />
jeweilige Legislaturperiode<br />
hinaus.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Baldur Bertling<br />
Einladung zur Mitgliederversammlung<br />
der Landesgruppe NRW<br />
Wie es schon Tradition ist: am ersten Samstag nach den<br />
Herbstferien findet die jährliche Mitgliederversammlung<br />
statt.<br />
12. November 2011<br />
10 bis 15 Uhr in der KGS Mainzerstraße<br />
Mainzer Str. 30 – 34, 50678 Köln<br />
Programm:<br />
Ankunft / Stehcafé / Begrüßung<br />
Vorstellung der Schule<br />
Andrea Platte: Inklusive Bildung als inter nationale Leitidee<br />
und pädagogische Herausforderung<br />
Input und Diskussion<br />
Pausengespräche beim Imbiss<br />
Was zu tun ist?<br />
Aufgaben für den Grundschulverband, die Schulen<br />
und die Politik<br />
Rechenschaftsbericht des Landesgruppenvorstandes<br />
Diskussion und Beschlüsse der Mitgliederversammlung<br />
Alle Mitglieder sind hiermit herzlich eingeladen.<br />
Anmeldung bitte per E-Mail an<br />
mitgliederversammlung@grundschulverband-nrw.de<br />
Fortbildung für Schulleitungen<br />
zusammen mit der Päd. Akademie der GEE<br />
30. Sept. / 1. Oktober 2011<br />
»Teamentwicklung«<br />
und<br />
9./10. Dezember 2011<br />
»Konfliktmanagement«<br />
in Düsseldorf (FFFZ)<br />
Mehr Informationen dazu und zu anderen Themen auf<br />
www.grundschulverband-nrw.de<br />
38 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Saarland<br />
Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken, lagroll@t-online.de<br />
Bildungspolitische<br />
Weichenstellungen<br />
Zwei-Säulen-Schulstruktur<br />
Das Saarland hat zum Ende<br />
des Schuljahres drei wichtige<br />
bildungspolitische Entscheidungen<br />
getroffen. Mit<br />
den Stimmen der Jamaika-<br />
Koalition und der Linken hat<br />
der Saarländische Landtag<br />
am 15. Juni 2011 eine neue<br />
Zwei-Säulen-Schulstruktur<br />
beschlossen. Ab dem Schuljahr<br />
2012/13 wird es neben<br />
dem Gymnasium nur noch<br />
die Gemeinschaftsschule geben,<br />
in der die vor 10 Jahren<br />
gegründete Erweiterte Realschule<br />
und die Gesamtschule<br />
aufgehen. Zudem hat der<br />
Landtag die erst vor einigen<br />
Jahren eingeführte Beitragsfreiheit<br />
für das letzte Kindergartenjahr<br />
zurückgenommen<br />
und verlangt nun einen nach<br />
Einkommen gestaffelten Beitrag.<br />
Für die Landesgruppe<br />
vollkommen unverständlich.<br />
Denn die Abschaffung der<br />
Semestergebühren für die<br />
Studierenden der Universität,<br />
festgeschrieben im<br />
Koalitionsvertrag, ist bereits<br />
Realität. Für diese Landesregierung<br />
scheint die vorschulische<br />
Bildung weniger<br />
wertvoll. Die dritte Maßnahme<br />
bezieht sich auf die<br />
Umsetzung der UN-Charta<br />
zur inklusiven Bildung.<br />
Pilotprojekt zur Entwicklung<br />
eines inklusiven<br />
Förder konzeptes<br />
Mit Beginn des Schuljahres<br />
2011/12 wird an sieben<br />
<strong>Grundschule</strong>n, zwei Erweiterten<br />
Realschulen und zwei<br />
Gesamtschulen das »Pilotprojekt<br />
zur Entwicklung eines<br />
inklusiven Förderkonzeptes<br />
in Regelschulen« eingerichtet.<br />
Die Schulen haben<br />
den Auftrag, Modelle und<br />
Konzepte eines individualisierenden<br />
Unterrichts und<br />
einer inklusiven Förderung zu<br />
erarbeiten und ihre Durchführung<br />
zu erproben. In den<br />
Förderbereichen Lernen,<br />
Sprache sowie emotionale<br />
und soziale Entwicklung<br />
werden keine Kinder zur<br />
sonderpädagogischen<br />
Überprüfung gemeldet. Die<br />
notwendigen Fördermaßnahmen<br />
werden von der<br />
Regelschule zusammen mit<br />
den den Schulen zugewiesenen<br />
Fachkräften für Sonderpädagogik<br />
eingeleitet. Bis zur<br />
Klassenstufe 8 erfolgt keine<br />
Versetzungsentscheidung,<br />
jahrgangsgemischte Klassen<br />
können eingerichtet werden,<br />
und die Zeugnisse erhalten<br />
keinen Hinweis mehr auf<br />
die sonderpädagogischen<br />
Beeinträchtigungen, lediglich<br />
eine Bemerkung zu einem<br />
individuellen Förderplan.<br />
Den Projektschulen werden<br />
die Förderstunden als Budget<br />
fest zugeteilt. Die Stundenzuweisung<br />
von Lehrkräften<br />
mit sonderpädagogischer<br />
Ausbildung in den Förderbereichen<br />
körperliche und<br />
motorische Entwicklung,<br />
geistige Entwicklung, Hören<br />
und Sehen erfolgt durch<br />
Einzelzuweisung.<br />
Das Konzept der inklusiven<br />
Förderung erfordert eine<br />
intensive Kooperation aller<br />
beteiligten Lehrkräfte und<br />
Institutionen, wie z. B. schulpsychologischem<br />
Dienst<br />
oder Jugendhilfe. Konzeptentwicklung,<br />
Planung und<br />
Koordination, Erstellen von<br />
Arbeitsplänen, Co-Teaching,<br />
gegenseitige Beratung,<br />
zusätzliche Lehrerfortbildung<br />
und ein regelmäßiger Austausch<br />
in Teamsitzungen<br />
ziehen einen noch intensiveren<br />
Arbeitseinsatz nach sich.<br />
Sowohl als Mitglied im Beirat<br />
des Kultusministeriums zur<br />
Einrichtung einer »Inklusiven<br />
Schule« als auch im Rahmen<br />
einer schriftlichen Anhörung<br />
zum Erlassentwurf »inklusives<br />
Förderkonzept« hatte die<br />
Landesgruppe Gelegenheit<br />
zur Stellungnahme.<br />
Die Landesgruppe forderte<br />
u. a. konkretere Angaben<br />
über das zukünftige Budget<br />
für Förderung und Beratung,<br />
das sich an der jetzigen Unterrichtsversorgung<br />
orientieren<br />
soll. Die Unterrichtsstunden<br />
der Sonderschullehrer<br />
bei den laufenden Integrationsmaßnahmen<br />
reichen<br />
jedoch bei Weitem nicht aus.<br />
Darüber hinaus forderte die<br />
Landesgruppe eine Absenkung<br />
der Klassenfrequenzen<br />
auf 20 Schülerinnen und<br />
Schüler und eine Entlastung<br />
der Lehrkräfte. Der Hinweis<br />
im Erlassentwurf, dass die<br />
Lehrkräfte für alle Kinder<br />
zuständig sind, genügt nicht,<br />
um die Förderung aller Begabungen<br />
in einer heterogenen<br />
Schülerschaft zu intensivieren.<br />
Einer inklusiven Schule, die<br />
nach den Vorstellungen des<br />
Grundschulverbandes alle<br />
Schülerinnen und Schüler,<br />
nicht nur behinderte,<br />
bestmöglich individuell zu<br />
fördern und zum eigenverantwortlichen<br />
Lernen zu<br />
ermutigen hat, sind die notwendigen<br />
Ressourcen und<br />
Rahmenbedingungen zu gewähren.<br />
Die Landesregierung<br />
äußerte allerdings im Vorfeld,<br />
dass sich die Ausstattung des<br />
Modellversuchs nach den<br />
(geringen, Anm. LG) finanziellen<br />
Möglichkeiten des Landes<br />
zu richten habe. Nach Auffassung<br />
der Landesgruppe<br />
hat die Bundesregierung die<br />
Länder in der Umsetzung der<br />
UN-Charta mit zusätzlichen<br />
Finanzmitteln zu unterstützen,<br />
vergleichbar mit den<br />
IZBB-Mitteln für den Ausbau<br />
von Ganztagsschulen. Eine<br />
inklusive Schule »light« geht<br />
zu Lasten aller Schülerinnen<br />
und Schüler und zu Lasten<br />
der verantwortlichen Lehrkräfte.<br />
»grundschule 2020«<br />
Die 2. Veranstaltung »grundschule<br />
2020« des Grundschulverbandes<br />
mit dem<br />
Institut für Lehrerfortbildung<br />
fand im Mai in Saarbrücken<br />
statt. Unter dem Leitthema<br />
»Inklusion als Herausforderung<br />
schulischer Entwicklung<br />
an <strong>Grundschule</strong>n«<br />
referierten der zuständige<br />
Referent im Bildungsministerium,<br />
Herr RSchD Rudolf<br />
Detzler, und der Vorsitzende<br />
des vds und Rektor einer<br />
Förderschule Sprache, Herr<br />
Erich Schwarz. Herr Detzler<br />
stellte den Teilnehmern die<br />
geplante Umsetzung der<br />
UN-Konvention zur inklusiven<br />
Bildung im Saarland<br />
vor, die inzwischen in einen<br />
Erlassentwurf mündete.<br />
Herr Schwarz verteidigte die<br />
Wahlmöglichkeit der Eltern<br />
und wandte sich gegen eine<br />
Negativbeschreibung der<br />
Förderschulen. Die Kinder<br />
sollten nach seiner Auffassung<br />
eine für sie am besten<br />
geeignete Förderung erhalten.<br />
Die Teilnehmer standen<br />
der inklusiven Bildung sehr<br />
offen gegenüber, befürchteten<br />
jedoch, dass aufgrund<br />
fehlender Finanzmittel die<br />
angestrebte inklusive Schule<br />
bei einer flächendeckenden<br />
Übertragung des Modellversuchs<br />
weniger leisten kann<br />
als die bestehenden Integrationsmaßnahmen.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Lilo Groll<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />
39
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Bayern<br />
Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg<br />
www.grundschulverband-bayern.de<br />
Landesschulbeirat<br />
Mit dem Bayerischen Erziehungs-<br />
und Unterrichtsgesetz<br />
wurde im Bundesland<br />
Bayern ein Landesschulbeirat<br />
eingesetzt, der als Beratungsgremium<br />
für das Staatsministerium<br />
für Unterricht und<br />
Kultus tätig ist. Dieser wird zu<br />
wichtigen Vorhaben auf dem<br />
Gebiet der Bildung und<br />
Erziehung gehört.<br />
Die Mitglieder werden vom<br />
Staatsministerium für<br />
Unterricht und Kultus<br />
berufen und jährlich zweimal<br />
zu Landesgruppensitzungen<br />
eingeladen. Seit über einem<br />
Jahr ist die bayerische<br />
Delegierte des Grundschulverbandes,<br />
Gabriele Klenk,<br />
nun als Mitglied des Landesschulbeirats<br />
berufen.<br />
Folgende Bereiche aus der<br />
<strong>Grundschule</strong> wurden als<br />
Information bzw. als Gesprächsgrundlage<br />
in den<br />
Landesschulbeirat in dieser<br />
Zeit eingebracht: Das Projekt<br />
der Stiftung Bildungspakt<br />
»Flexible <strong>Grundschule</strong>«,<br />
die Weiterentwicklung des<br />
bayerischen Lehrplanmodells<br />
sowie »Eckpunkte zur<br />
Entwicklung der eigenverantwortlichen<br />
Schule in Bayern«.<br />
Die Landesgruppe Bayern im<br />
Grundschulverband steht<br />
dadurch in direktem Austausch<br />
mit Vertretern des<br />
Kultusministeriums sowie<br />
anderer Mitglieder des<br />
Landesschulbeirats und<br />
kann wichtige Anliegen zur<br />
Weiterentwicklung der<br />
<strong>Grundschule</strong> in Bayern in die<br />
Diskussion einbringen. Um<br />
die Anliegen einer breiten<br />
Mehrheit von Mitgliedern im<br />
GSV Bayern mit in diese<br />
Diskussion einbringen zu<br />
können, ist die Landesgruppe<br />
immer wieder auf Rückmeldungen<br />
der Mitglieder<br />
angewiesen.<br />
Anregungen und Rückmeldungen<br />
können Sie uns über<br />
die unten genannten Mail-<br />
Adressen weitergeben.<br />
Helfen Sie mit, die <strong>Grundschule</strong><br />
in Bayern weiterzuentwickeln!<br />
für die Landesgruppe:<br />
Gabriele Klenk<br />
gabriele.klenk@t-online.de,<br />
Petra Hiebl<br />
petra.hiebl@ku-eichstaett.de<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle, petra.katrin.uhlig@googlemail.com<br />
www.gsv-lsa.de<br />
Grundschultag:<br />
Viele Kinder – eine Schule?!<br />
Wege zum individuellen<br />
Lernen<br />
Großes Interesse zeigten<br />
Grund- und FörderschullehrerInnen<br />
am diesjährigen<br />
Grundschultag, der unter<br />
obenstehendem Motto ein<br />
<strong>aktuell</strong>es bildungspolitisches<br />
Thema der <strong>Grundschule</strong> ins<br />
Blickfeld rückte. Circa 330<br />
TeilnehmerInnen fanden<br />
den Weg in die Frankeschen<br />
Stiftungen in Halle, wo auf<br />
historischem Boden wichtige<br />
Fragen der <strong>Grundschule</strong> der<br />
Zukunft erörtert wurden.<br />
Den Auftakt hatte Prof. Dr.<br />
Henning Scheich vom Leibniz<br />
Institut für Neurobiologie<br />
übernommen, der anhand<br />
<strong>aktuell</strong>er Forschungsergebnisse<br />
zeigte, unter welchen<br />
Bedingungen erfolgreiche<br />
Lernprozesse stattfinden<br />
können. Ein reichhaltiges<br />
Workshopangebot rund<br />
um das individuelle Lernen<br />
differenzierte das Thema<br />
anschließend vielfältig aus.<br />
Auch der Grundschulmarkt<br />
mit Verbänden, Verlagen und<br />
anderen Bildungsinitiativen<br />
erfreute sich großen Interesses.<br />
Zur abschließenden<br />
Podiumsdiskussion konnten<br />
ExpertInnen aus Praxis und<br />
Wissenschaft die aktualpolitischen<br />
Problembereiche<br />
nur noch anreißen. Breite<br />
Einigkeit herrschte bei der<br />
Feststellung, dass in der<br />
stärkeren Individualisierung<br />
der Grundschulbildung<br />
– zum Beispiel in der Schuleingangsphase<br />
oder im<br />
Gemeinsamen Unterricht –<br />
eine wichtige und notwendige<br />
bildungspolitische<br />
Initiative in Sachsen-Anhalt<br />
gesehen werden muss. Um<br />
die Umsetzung zu gewährleisten,<br />
müssten aber auch<br />
die notwendigen Maßnahmen<br />
in materieller und personeller<br />
Hinsicht getroffen werden,<br />
so kritische Stimmen.<br />
Der frisch vereidigte Kultusminister<br />
des Landes Stephan<br />
Dorgerloh nahm selbst an<br />
der Podiumsdiskussion teil.<br />
Er sicherte im Rahmen der<br />
hiesigen Möglichkeiten Konstanz<br />
und Unterstützung bei<br />
den Herausforderungen der<br />
Schulreform zu. Auf konkrete<br />
Maßnahmen kann mit Spannung<br />
gewartet werden.<br />
Koalitionsvertrag der<br />
neuen Großen Koalition<br />
Seit dem 19. 4. 2011 hat Sachsen-Anhalt<br />
eine neue Regierung<br />
und auch einen neuen<br />
Kultusminister. Stephan<br />
Dorgerloh (SPD) übernimmt<br />
das Amt von seiner Vorgängerin<br />
Birgitta Wolff (CDU), die<br />
ins Wirtschaftsministerium<br />
wechselt. Der Koalitionsvertrag<br />
zeigt im bildungspolitischen<br />
Sektor wenig Überraschendes.<br />
Erfreulich ist das<br />
klare Bekenntnis zur Anstrengung<br />
um mehr Bildungsgerechtigkeit.<br />
Das soll vor allen<br />
Dingen durch den Ausbau<br />
der individuellen Förderung<br />
aller SchülerInnen gewährleistet<br />
werden. Neben dem<br />
Gemeinsamen Unterricht<br />
und einer flexiblen Schuleingangsphase,<br />
deren Ausgestaltung<br />
in Zukunft stärker<br />
in der Eigenverantwortung<br />
der einzelnen <strong>Grundschule</strong>n<br />
stehen soll, werden konkrete<br />
Förderprogramme für Kinder<br />
an den Leistungsrändern<br />
geschaffen. Die Zusammenarbeit<br />
von Elementar- und<br />
Primarbereich soll gestärkt<br />
werden. Die Einrichtung von<br />
Gemeinschaftsschulen wird<br />
auf freiwilliger Basis ermöglicht.<br />
Insgesamt soll Sachsen-<br />
Anhalts Schulen mehr Eigenständigkeit<br />
bei organisatorischen<br />
und pädagogischen<br />
Fragen zugestanden werden.<br />
Auch die Öffnung von Schulen<br />
und die Vernetzung mit<br />
regionalen Strukturen wird<br />
forciert.<br />
Die LehrerInnenausbildung<br />
soll stärker an die Bedarfe<br />
der Schullandschaft angepasst<br />
werden, was zu einer<br />
vorübergehenden Anhebung<br />
der Studien- und Referendariatsplätze<br />
führen wird.<br />
So kann mittelfristig eine<br />
ausgeglichenere Altersstruktur<br />
der Kollegien in den<br />
Schulen erreicht werden.<br />
Wirklich erfreulich erscheint<br />
der Hinweis, dass Schulen in<br />
freier Trägerschaft in Zukunft<br />
in die LehrerInnenausbildung<br />
einbezogen werden können.<br />
Der Koalitionsvertrag orientiert<br />
sich zu weiten Teilen an<br />
der Vorlage des Bildungskonvents.<br />
Die sicherlich sinnvollen<br />
Tendenzen gilt es nun<br />
durch konkrete und nachhaltig<br />
wirksame Maßnahmen<br />
und Beschlüsse umzusetzen.<br />
Hier bleibt zu hoffen, dass die<br />
recht nebulösen Bekundungen<br />
Auswirkungen auf die<br />
pädagogische Praxis haben<br />
werden.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Dr. Michael Ritter<br />
40 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Schleswig-Holstein<br />
Vorsitzende: Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg,<br />
Auf dem Campus 1, 24943 Flensburg<br />
www.grundschulverband-sh.de<br />
Kindergerechte Pädagogik<br />
braucht Individualisierung<br />
– Grundschultag<br />
in der Aukampschule in<br />
Osterrönfeld<br />
An einem sonnigen Sonnabend<br />
im Mai trafen sich 74<br />
Lehrkräfte, um die Fortbildungsangebote<br />
wahrzunehmen,<br />
die am Grundschultag<br />
angeboten wurden. Der<br />
Vortrag von Dr. Falko Peschel<br />
rüttelte positiv am Selbstbild<br />
so mancher Lehrkraft, die<br />
sich auf dem Weg der<br />
geöffneten Unterrichtsformen<br />
wähnte. Wenn<br />
Unterrichtsformen schülerzentriert<br />
und wirklich offen<br />
sein sollen, können sie nur<br />
mit Einschränkung in<br />
materialzentrierten Werkstätten<br />
und lehrerzentrierten<br />
Arbeitsplänen wirksam<br />
werden. Diese Aussagen<br />
begründete Falko Peschel<br />
plausibel und konkret. Seine<br />
Erfahrungen machte er auch<br />
mittels Forschungsergebnissen<br />
deutlich. Individualisierung<br />
lässt sich bei höchsten<br />
Ansprüchen nur am Kind<br />
selbst ausrichten. Schon das<br />
Beschreiben eines Förderbedarfs<br />
bedeutet seiner<br />
Meinung nach Segregation,<br />
das heißt erst aussondern,<br />
um danach zu integrieren.<br />
Inklusion ist eben nicht zu<br />
verstehen als die Weiterentwicklung<br />
von Integration,<br />
sondern die Akzeptanz und<br />
die Lernbegleitung verschiedener<br />
Kinder in ihrer einzigartigen<br />
Entwicklung. Der<br />
Vortrag war anregend, setzte<br />
Impulse und regte zum<br />
Reflektieren an.<br />
Auch die anschließenden<br />
Workshopangebote führten<br />
zu einem positiven Echo.<br />
Somit führte die konstruktive<br />
Zusammenarbeit zwischen<br />
der GEW und der Landesgruppe<br />
zu sonniger Stimmung<br />
auch innerhalb der<br />
Räume. Nicht zuletzt ist die<br />
gelungene Veranstaltung<br />
auch auf das Engagement<br />
der Schulleiterin Ulrike Eiding<br />
und ihres Teams zurückzuführen.<br />
Wir danken sehr für<br />
die Unterstützung.<br />
In Kooperation mit dem<br />
Lehrerbildungsinstitut EULE<br />
und der Universität Flensburg<br />
ermöglichte die<br />
Landesgruppe Studierenden<br />
und Lehrkräften im Norden<br />
des Landes, den Vortrag von<br />
Dr. Falko Peschel in einer<br />
Extraveranstaltung zu hören.<br />
Dr. Beate Blaseio und<br />
Dr. Wolfgang Schulz empfingen<br />
in einem überfüllten<br />
Hörsaal über 140 Besucher,<br />
die sich rege an der anschließenden<br />
Diskussion beteiligten.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Sabine Jesumann,<br />
Andrea Keyser<br />
Thüringen<br />
Steffi Jünemann, Hauptstraße 7, 99734 Nordhausen<br />
Gesetzliche Verpflichtung<br />
zur individuellen Förderung<br />
– »Neue« Lehrpläne<br />
an Thüringer <strong>Grundschule</strong>n<br />
Seit August 2010 sind sie verbindlich,<br />
die überarbeiteten<br />
Thüringer Lehrpläne.<br />
Sie wurden auf der Basis der<br />
Nationalen Bildungsstandards<br />
und des »Thüringer<br />
Bildungsplans 0 bis 10 Jahre«<br />
durch engagierte Grundschullehrer<br />
geschrieben.<br />
Ergebnisse der Evaluation<br />
der bisherigen Lehrpläne<br />
sind ebenso eingeflossen wie<br />
Erkenntnisse der Lerntheorie,<br />
Hirnforschung und Entwicklungspsychologie.<br />
Das Lehrplankonzept sieht<br />
vor, Bewahrenswertes zu<br />
erhalten, Bisheriges besser zu<br />
machen und Neues aufzugreifen.<br />
Was heißt das im<br />
Einzelnen?<br />
●●<br />
Bewahrenswertes erhalten:<br />
––<br />
Fachlehrpläne als verbindliches<br />
Steuerungsinstrument<br />
––<br />
das Thüringer Kompetenzmodell<br />
als Basiskomponente<br />
––<br />
die Einheit der Klassenstufen<br />
1 und 2 sowie 3 und 4<br />
●●<br />
Bisheriges besser machen:<br />
––<br />
Im Mittelpunkt steht nicht<br />
nur die Sachkompetenz,<br />
sondern ein besonderer<br />
Fokus wird auf die Entwicklung<br />
der Methoden-, Selbstund<br />
Sozialkompetenz gelegt<br />
––<br />
Die Leistungseinschätzung<br />
soll mehr als bisher o. g.<br />
Kom petenzen berücksichtigen<br />
●●<br />
Neues aufgreifen:<br />
––<br />
In den Lehrplänen sind für<br />
jeden Lernbereich Ziele<br />
(Standard- und Outputorientierung)<br />
formuliert, die<br />
beobachtbar und überprüfbar<br />
sind. Hier ein Beispiel aus<br />
dem Bereich der Selbstkompetenz:<br />
»Der Schüler kann<br />
– sich selbst Arbeits- und<br />
Verhaltensziele setzen<br />
––<br />
zielstrebig und ausdauernd<br />
lernen<br />
––<br />
sorgfältig arbeiten und<br />
Lernzeiten planen<br />
––<br />
eigene Lernwege reflektieren«<br />
––<br />
Neue Lerninhalte sind<br />
hinzugekommen wie bspw.<br />
in Heimat- und Sachkunde<br />
»Wasser«, »Schall«, »Luft«<br />
oder »Gutes Benehmen«.<br />
––<br />
Jede Schule ist aufgerufen,<br />
eine schulinterne Lehr- und<br />
Lernplanung zu erstellen, in<br />
der fächerübergreifende<br />
Verbindungen, schulinterne<br />
Zielstellungen und Schwerpunkte<br />
der Kompetenzentwicklung<br />
verankert sind.<br />
Die Landesgruppe Thüringen<br />
unterstützt die im vorliegenden<br />
Lehrplan im besonderen<br />
Maße beachtete wachsende<br />
Heterogenität der Schülerinnen<br />
und Schüler. Deren<br />
Umsetzung erfordert eine<br />
Didaktik mit offenen Unterrichtsformen<br />
und einem<br />
hohen Grad an Differenzierung,<br />
die selbstgesteuertes<br />
Lernen, individuelle Lernzugänge<br />
und eine integrative<br />
Förderung ermöglicht. Die<br />
Lehrpläne sind die Basis für<br />
die im Thüringer Schulgesetz<br />
seit Januar 2011 verankerte<br />
Verpflichtung aller Schulen<br />
zur Individuellen Förderung<br />
aller Schüler als durchgängiges<br />
Prinzip des Lehrens<br />
und Lernens. Viele Thüringer<br />
Schulen sind bereits auf<br />
einem guten Weg. Jedoch<br />
ist der Landesgruppe auch<br />
bewusst, dass es noch viel zu<br />
entwickeln gilt.<br />
Als Unterstützungsmoment<br />
für diese wichtige Aufgabe<br />
plant die Landesgruppe gemeinsam<br />
mit dem Thillm und<br />
dem Klett Verlag das Symposium<br />
»Zum Lernen einladen«<br />
(s. u.).<br />
für die Landesgruppe<br />
Katrin Heckert<br />
Symposium<br />
»Zum Lernen einladen«<br />
Samstag,<br />
1. Oktober 2011<br />
Universität Erfurt<br />
Die Einladungen an alle GS,<br />
FÖZ und Kitas wurden im<br />
Juni 2011 versandt.
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Grundschulverband e. V.<br />
Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />
Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />
info@grundschulverband.de<br />
www.grundschulverband.de<br />
Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />
D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />
Versandadresse<br />
Beitrittserklärung<br />
An den<br />
Grundschulverband<br />
Niddastraße 52<br />
60329 Frankfurt/Main<br />
Sie können sich auch im Internet anmelden:<br />
www.grundschulverband.de<br />
oder per Fax 0 69 / 7 07 47 80<br />
Ich beantrage die Mitgliedschaft im Grundschulverband e. V.<br />
Als Mitglied erhalte ich jährlich zwei neue Mitgliedsbände aus der<br />
Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>« sowie die 32-seitige<br />
Vierteljahres zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« jeweils nach Fertigstellung<br />
kostenfrei zugesandt.<br />
Den angekreuzten Betrag<br />
Jahresmitgliedsbeitrag: 66,– €<br />
Ermäßigter Beitrag (bitte belegen!): 39,– €<br />
(für Studierende, Arbeitslose, Lehramts anwärterInnen)<br />
Förderbeitrag: mindestens 39,– €<br />
(keine Mitgliedsbände, nur Zeitschrift – für Pensionäre, die weiterhin<br />
<strong>aktuell</strong> informiert werden wollen und andere Förderer, die die Arbeit<br />
des Grundschul verbandes unterstützen möchten)<br />
zahle ich nach Erhalt der Jahresrechnung per Bankeinzug<br />
Konto Nr. ___________________<br />
Bankleitzahl __________________<br />
Bankname _________________________________________________<br />
Name _____________________________________________________<br />
Straße und Hausnummer _____________________________________<br />
PLZ und Ort ________________________________________________<br />
E-Mail _____________________________________________________<br />
Tel. _______________________________________________________<br />
___________________________________________________________<br />
Datum und Unterschrift<br />
Als Mitglied im Grundschulverband<br />
… unterstützen Sie unsere Ziele:<br />
»Die pädagogisch begründeten Ansprüche<br />
der Kinder dieser Schulstufe zu vertreten, die<br />
Grundschul pädagogik weiter zu ent wickeln<br />
und die Stellung der <strong>Grundschule</strong> im öffent lichen<br />
Bildungswesen zu verbessern.« (aus der Satzung)<br />
… erhalten Sie jährlich zwei neue Bände der<br />
Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>«<br />
… erhalten Sie viermal jährlich die 32-seitige<br />
Mitglieder zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« mit<br />
Beiträgen zur Bildungs politik, aus der Grund schulforschung<br />
und zur pädagogischen Praxis<br />
Für Ihren Beitritt zum Grundschulverband<br />
halten wir folgendes Werbe angebot für Sie<br />
bereit:<br />
(Bitte nur eine der beiden Möglichkeiten<br />
ankreuzen!)<br />
Als neues Mitglied im Grundschulverband<br />
wünsche ich mir den Band<br />
als Aufnahmegeschenk.<br />
Oben genanntes Mitglied habe ich für den<br />
Grundschulverband geworben.<br />
Als Werbeprämie senden Sie mir bitte den<br />
Band<br />
an folgende Anschrift:<br />
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