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Grundschule aktuell 115

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www.grundschulverband.de · September 2011 · D9607F<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>115</strong><br />

Schulanfänge 2011


Grundschrift: Notwendige Klarstellungen<br />

Der Grundschulverband schlägt als Schrift für die Grundschulkinder die Grundschrift vor.<br />

Die lebhafte Diskussion um diesen Vorschlag ist immer wieder von Missverständnissen geprägt.<br />

Mit sechs Klarstellungen möchte der Grundschulverband zur Versachlichung der Diskussion beitragen und die Aufmerksamkeit<br />

auf das eigentliche Ziel seines Projekts lenken: Grundschrift – damit Kinder besser schreiben lernen!<br />

1. Klarstellung:<br />

Die Grundschrift ist keine neue Schrift.<br />

Die Grundschrift ist die Schrift, die Kinder täglich in ihrer Lebenswelt<br />

sehen und erleben – die Schrift mit Druckbuchstaben.<br />

Mit nachgeahmten Druckbuchstaben fangen die meisten<br />

Kinder auch schon an zu schreiben, bevor sie in die Schule<br />

kommen. Praktisch alle Kinder können damit zum Beispiel bei<br />

Schul eintritt schon ihren Namen schreiben.<br />

Sie lernen also das Lesen und das Schreiben in ein und<br />

derselben Schrift, weil das Erschreiben von Wörtern auch die<br />

Lesefähigkeit und das Erlesen von Wörtern auch die Schreibfähigkeit<br />

schult.<br />

2. Klarstellung:<br />

Die Grundschrift ist eine Schreibschrift.<br />

Häufig wird der Begriff »Schreibschrift« als eine Schrift verstanden,<br />

die jeden Buchstaben in einem Wort miteinander verbindet.<br />

Das ist eine irrige Auffassung:<br />

Schon bei der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) wurden<br />

nicht mehr alle Buchstaben im Wort miteinander verbunden.<br />

Schon viele Dritt- und die meisten Viertklässler, erst recht alle<br />

Erwachsenen tun dies bei ihrer eigenen Schrift auch nicht mehr.<br />

Dennoch sind solche Schriften Schreibschriften.<br />

Nach zwei, drei, höchstens vier sichtbar verbundenen<br />

Buch staben heben Kinder wie Erwachsene häufig kurz den<br />

Stift vom Blatt, auch im Wort, wenn auch nur für Millisekunden:<br />

So entspannen sie die Muskulatur und vermeiden unöko nomische<br />

Hin- und Her-Bewegungen auf dem Papier.<br />

Das übrigens ist nicht nur gängige Alltagserfahrung, sondern<br />

durch wissenschaftliche Studien belegt.<br />

3.<br />

Klarstellung: Die Grundschrift ergibt eine<br />

flüssige, gut zu schreibende Handschrift.<br />

Mit der Grundschrift werden alle Buchstaben so geübt, dass sie<br />

»mit Schwung«, locker und flüssig geschrieben werden.<br />

Das geht mit einer kleinen, aber bedeutsamen und hilf reichen<br />

Wendung: Bei Kleinbuchstaben, die mit einem Abstrich enden<br />

(z. B. a, d, g, m), wird der Abstrich unten mit einem Wende bogen<br />

versehen. Das bringt Bewegung in die Schrift: Die Schreibweise<br />

wird dynamisch und Verbindungen zum folgenden Buchstaben<br />

im Wort werden gut möglich. Ausführlich werden Verbindungen<br />

von Buchstaben von den Kindern ausprobiert, geübt und in ihre<br />

eigene Schrift übernommen.<br />

4.<br />

Klarstellung: Die Grundschrift verdrängt kein<br />

wichtiges Kulturgut, sondern sie bewahrt es.<br />

Zurzeit gibt es an deutschen <strong>Grundschule</strong>n drei normierte<br />

verbundene Ausgangsschriften: die Lateinische (LA),<br />

die Vereinfachte (VA) und die Schul-Ausgangsschrift (SAS).<br />

Davor gab es bis 1953 die Deutsche Normalschrift,<br />

bis 1941 die Sütterlin-Frakturschrift. Bei dieser Vielfalt der<br />

Schriftformen kann von dem einen »Kulturgut« ernsthaft keine<br />

Rede sein. Das zu bewahrende Kulturgut ist die überlieferte<br />

Lateinschrift: die großen und kleinen Druckbuch staben, die<br />

»Gemischt-Antiqua« genannt wird.<br />

Ihre klaren Buchstabenformen eignen sich Kinder unverfälscht<br />

mit dem Grundschrift-Abc an.<br />

5. Klarstellung:<br />

Mit der Grundschrift schreiben Kinder gut lesbar.<br />

Die Grundschrift ist eingebettet in ein didaktisches Konzept der<br />

Schreiberziehung. Dabei gelten zum Beispiel durch gehend vom<br />

ersten Buchstaben bis zu den Texten der Viertklässler (und<br />

darüber hinaus) drei Kriterien:<br />

● Jeder Buchstabe muss klar erkennbar sein (Formklarheit).<br />

● Die Schrift muss geläufig, also flüssig geschrieben sein<br />

(Geläufigkeit).<br />

● Die Schrift muss gut leserlich sein (Lesbarkeit).<br />

Die Kinder üben von Anfang an, ihre und andere Schriften nach<br />

diesen drei Kriterien zu beurteilen und die eigene Schrift daran<br />

auszurichten. Das gilt auch, wenn sie Verbindungen von Buchstaben<br />

erproben. Dies entspricht auch den Vorgaben der<br />

Kultusminister. In ihren »Bildungsstandards Deutsch für die<br />

Primarstufe« fordern sie – verbindlich für alle Bundesländer – für<br />

das Ende der Grundschulzeit: Alle Kinder sollen »eine gut lesbare<br />

Handschrift flüssig schreiben«.<br />

6.<br />

Klarstellung: Die Grundschrift ist eine<br />

Konsequenz aus 30 Jahren Schulpraxis.<br />

Früher waren Lesen- und Schreibenlernen zwei getrennte<br />

Lehrgänge. Für den Anfang des Schreibenlernens wurden die<br />

normierten Schul-Ausgangs-Schriften erfunden.<br />

Seit den achtziger Jahren hat sich die Pädagogik des Lesenund<br />

Schreibenlernens geändert: Viele Kinder schreiben schon<br />

vor ihrer Schulzeit Buchstaben, viele ihren Namen und auch<br />

schon einzelne Wörter. Diese Art selbstständiger Eroberung<br />

unserer Schrift greift die Schule auf, regt sie bei allen Kindern an<br />

und entwickelt sie weiter. Lesen- und Schreibenlernen sind<br />

damit nicht mehr getrennte Lehrgänge, sondern eine Einheit.<br />

Das Schreiben ist dabei an den Buchstabenformen der Leseschrift<br />

orientiert. Genau dies macht die Grundschrift. Mit ihr<br />

können die Kinder dann ihre eigene gut lesbare flüssig geschriebene<br />

Handschrift im Laufe der Jahre entwickeln.<br />

Die Grundschrift ist die logische und überfällige Konsequenz<br />

aus den Veränderungen des Anfangsunterrichts in den letzten<br />

drei Jahrzehnten. Damit haben die normierten Schulschriften<br />

aus früherer Zeit ihre Funktion verloren.<br />

Die Konsequenz lautet:<br />

Grundschrift – damit Kinder besser schreiben lernen.<br />

132 Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong><br />

Grundschrift<br />

Damit Kinder besser schreiben lernen<br />

Horst Bartnitzky<br />

Ulrich Hecker<br />

Christina Mahrhofer-<br />

Bernt (Hg.)<br />

Kartei zum Lernen und Üben<br />

Teil 1<br />

Die Buchstaben<br />

Ausführliche Erläuterungen und Praxismaterialien<br />

finden sich in der soeben erschienenen Publikation:<br />

H. Bartnitzky / U. Hecker / Ch. Mahr hofer-Bernt:<br />

Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben lernen.<br />

Grundschulverband, Frankfurt a. M. 2011. Für (Nach-)<br />

Bestellungen: Buch mit Karteien 1 + 2: 39 € (für Mitgl.:<br />

26 €), Karteien 1 + 2 separat: 29 € (f. Mitgl.: 19 €)<br />

Kartei zum Lernen und Üben<br />

Teil 2<br />

Schreiben mit Schwung<br />

© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />

© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de


Inhalt<br />

Editorial<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Qualität und <strong>Grundschule</strong>n (M. v. Saldern)<br />

Thema: Schulanfänge 2011<br />

S. 3 Mit dem Taxi zur Inklusion (Ph. Riedel)<br />

S. 7 Auf dem Weg zur Inklusion (E. Bohn)<br />

S. 8 Schulanfänge 2011: Situation in den Ländern<br />

(A. Speck-Hamdan)<br />

S. 13 Muss jedes Kind schulfähig sein oder die Schule<br />

kindfähig? (H. Bartnitzky)<br />

Praxis: Schulanfänge 2011<br />

S. 18 Herausforderung der Kinder? Ja bitte!<br />

Förderhysterie? Nein danke! (R. Köhler)<br />

S. 22 Ein guter Start – Kindergarten und Schule<br />

gestalten den Übergang (C. Cremer)<br />

S. 25 Schulanfang mit der Grundschrift (T. Pätzold)<br />

S. 28 LuKS – Gemeinsame Lernumgebung für Kindergarten-<br />

und Grundschulkinder (E. Odersky)<br />

Aktuell …<br />

… aus dem Bundesvorstand<br />

S. 32 Rolf Kielblock verabschiedet (R. Schmitt)<br />

S. 33 Das verflixte siebte Jahr von VERA (M. Lassek)<br />

… aus den Landesgruppen, u. a.<br />

S. 34 Baden-Württemberg: Der Wechsel beginnt<br />

S. 35 Berlin: Gute <strong>Grundschule</strong> ist machbar –<br />

aber nicht umsonst<br />

S. 38 NRW: Gespräch mit der Schulministerin<br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />

erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />

kostet 7,50 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 3,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />

60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

in Zusammen arbeit mit Dr. Horst Bartnitzky<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />

Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />

Fotos: Bettina Matthiessen, Weil am Rhein, www.mfotografie.de<br />

(S. 3 – 6); Bert Butzke, Mülheim/Ruhr (Titel, S. 10, 11); Sonja Erpenbach,<br />

Moers (S. 20, 21); Baldur Bertling, Dinslaken (S. 32); Autorinnen und<br />

Autoren<br />

Zeichnung: Wilhelm Nüchter, Moers (S. 9)<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />

Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />

Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />

Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />

Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />

Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6050<br />

Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage;<br />

Prospekt der Arnulf Betzold GmbH<br />

»Die ganz normale Vielfalt«<br />

war der Beitrag überschrieben, den Philipp Riedel in der ZEIT<br />

(Nr. 21, Mai 2011) veröffentlichte. Aus der Sicht und dem Erleben<br />

eines Vaters schilderte er, wie der Erstklässler Tilman ausprobiert,<br />

wie das funktioniert: Behinderte Kinder sollen an jeder<br />

Schule lernen können. Eindrucksvolle Fotos dazu hatte Bettina<br />

Matthiessen gemacht. Wir freuen uns, dass Philipp Riedel zum<br />

Auftakt dieses Heftes nun noch ausführlicher als in der ZEIT<br />

von seinen und Tilmans Erfahrungen berichtet, und dass Bettina<br />

Matthiessen ihre Fotos gern dafür zur Verfügung stellt. Auch<br />

ein neuer Schul-Anfang für dieses Schuljahr und die kommenden:<br />

Auf dem Weg zur Inklusion! S. 3 ff.<br />

»Teilweise hohe Zurückstellungsquoten« …<br />

und ein »im internationalen Vergleich hohes durchschnittliches<br />

Einschulungsalter« der Kinder in Deutschland veranlasste die<br />

Schul- und Kultusministerien in den sechzehn Bundesländern<br />

zu recht unterschiedlichen Maßnahmen. Angelika Speck-Hamdan<br />

analysiert den <strong>aktuell</strong>en Stand in den Bundesländern – ein<br />

wichtiger Beitrag dazu, sich Durchblick im Dschungel des Bildungsföderalismus<br />

zu verschaffen. S. 8 ff.<br />

Unterschiedlicher Blick auf Schule und Kinder<br />

Für die Gestaltung der rechtlichen Grundlagen des Übergangs<br />

von der Kita in die <strong>Grundschule</strong> wie des pädagogischen Konzepts<br />

der Schuleingangsphase ist der Blickwinkel entscheidend.<br />

Geht der Blick von der Schule auf die Kinder, ist die entscheidende<br />

Frage zum Schulstart: »Sind die Kinder fähig für die Schule?«<br />

Anders beim Blick von den Kindern auf die Schule, schreibt<br />

Horst Bartnitzky: »Die Schule akzeptiert die Verschiedenheit<br />

der Kinder und entwickelt eine integrative Pädagogik der Vielfalt<br />

und Gemeinsamkeit in einer anregungsreichen Lernumgebung.<br />

Die entscheidende Frage beim Schulstart lautet hier: Ist die<br />

Schule fähig für die unterschiedlichen Kinder? S. 13 ff.<br />

Hier schließt sich dann auch der Kreis zum Eröffnungsbeitrag<br />

von Philipp Riedel, zum pädagogisch klugen und selbstverständlichen<br />

Umgang mit der »ganz normalen Vielfalt«.<br />

Über VERA im Gespräch<br />

Maresi Lassek, die Vorsitzende des Grundschulverbandes, wurde<br />

zu einem Fachgespräch im »Institut für Qualitätsentwicklung<br />

(IQB)«, das für die Entwicklung der VERA-Aufgaben zuständig<br />

ist, eingeladen. Gut, dass das Institut das Gespräch mit den<br />

VERA-Kritikern sucht. Zum »verflixten siebten Jahr von VERA«<br />

schreibt Maresi Lassek. S. 33.<br />

Ulrich Hecker<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

1


Tagebuch<br />

Qualität und <strong>Grundschule</strong>n<br />

Matthias von Saldern<br />

Die Diskussion um die Qualität von <strong>Grundschule</strong>n will<br />

nicht enden. Auf der einen Seite ist dies verständlich,<br />

weil wir immer noch zu wenig empirische Grundlagen<br />

zur Beantwortung dieser Frage haben, zum anderen<br />

wünscht man allen Schulen, dass langsam eine gewisse<br />

Ruhe eintritt, die die Schulen wieder zu ihren Kernaufgaben<br />

kommen lassen. Sicher spielt es auch eine Rolle,<br />

dass Bildungspolitik Ländersache ist und damit eines<br />

der wenigen Politikfelder, die auf dieser Ebene überhaupt<br />

noch entschieden werden können. Dies hat zudem einen<br />

gewissen Aktionismus zur Folge, der eher kritisch betrachtet<br />

werden muss.<br />

Positiv ist sicher zu vermerken, dass die Diskussion um<br />

die gute <strong>Grundschule</strong> überhaupt geführt wird und unter<br />

anderem zu Qualitätsrastern geführt hat, die zumindest<br />

ein gutes Fundament für weitere Wege zur Verfügung<br />

stellt. Allerdings übersehen Qualitätsraster häufig, dass<br />

ein Merkmal einer guten <strong>Grundschule</strong> auch ein sehr individuelles<br />

Profil sein kann, was auf die Schülerschaft<br />

gut adaptiert ist, aber dennoch im Raster nicht auftaucht.<br />

Auffällig ist zudem, dass in diesen Qualitätsübersichten<br />

die Merkmale fehlen, die politisch-administrativ zu verantworten<br />

sind, wie zum Beispiel die Klassengröße, die<br />

Lehrerstundenzuweisung usw. Man tut also so, als ob die<br />

einzelne Schule alleine für die gesamte Qualität verantwortlich<br />

ist.<br />

Derzeit gibt es unterschiedliche Maßnahmen, die die<br />

Qualität der Einzelschule erhöhen sollen. Einer dieser<br />

Wege ist die so genannte Schulinspektion. Grundsätzlich<br />

gilt, dass der fremde Blick und der kritische Freund die<br />

Qualität der eigenen Schule erhöhen können. Schulinspektionen<br />

müssen aber auf Augenhöhe stattfinden, sie<br />

müssen auch die Verantwortung der politisch-administrativen<br />

Ebenen einbeziehen sowie zu Konsequenzen führen,<br />

bei denen die Schule nicht allein gelassen wird.<br />

Eine weitere Maßnahme sind die so genannten Vergleichsarbeiten.<br />

Diese führen nur dann zu besserem Unterricht,<br />

wenn sie lehrer- und klassenbezogene Interpretationen<br />

der Ergebnisse ermöglichen. Außerdem muss<br />

klar herausgearbeitet werden, warum es zu Unterschieden<br />

zwischen Klassen bzw. Schulen gekommen ist. Angemessener<br />

wäre es, den Lehrkräften diagnostische Verfahren<br />

für jedes Fach zur Verfügung zu stellen, die weniger<br />

unter Vergleichsgesichtspunkten als vielmehr unter individualdiagnostischen<br />

Gesichtspunkten eingesetzt werden<br />

können. Gerade vor dem Hintergrund der Inklusion<br />

wäre dies eine sinnvolle Maßnahme. Zwei weitere Punkte<br />

sind noch wichtig: Vergleichsarbeiten verfestigen das<br />

Arbeiten mit der kritisch zu diskutierenden Jahrgangsklasse,<br />

weil diese eine der Auswertungsebenen ist. Allerdings<br />

ist manche Kritik an den Vergleichsarbeiten dort<br />

nicht gerechtfertigt, wo die Kritiker noch Klassenarbeiten<br />

in ihren Klassen schreiben lassen. Aus Schülersicht ist<br />

es nämlich ziemlich gleichgültig, ob man eine Vergleichsarbeit<br />

oder eine Klassenarbeit schreibt.<br />

Als letzter Punkt sei das Ranking erwähnt. Veröffentlichte<br />

Ergebnisse eines Rankings führen nicht zu einer<br />

höheren Schulqualität, sondern produzieren so genannte<br />

Schereneffekte: Durch das Schulwahlverhalten der Eltern<br />

werden gute Schulen immer besser, weniger gute immer<br />

schlechter. Rankings bilden zudem eher das ökonomische<br />

Einzugsgebiet einer Schule ab. Sie sind sinn- und<br />

nutzlos. Viel wichtiger wäre zu fragen: Wo steht eine<br />

Schule heute? Wo wird sie in fünf Jahren stehen?<br />

Die genannten Maßnahmen lenken eher von einer Flexibilisierung<br />

von Schule ab, die für einzelne Schüler sehr<br />

viel besser wäre. Immer noch ist unser Schulsystem zu<br />

sehr darauf fixiert, als Maßstab des Handelns die Gruppierung<br />

sowie die Gleichzeitigkeit pädagogischer Schritte<br />

anzunehmen. Immer noch werden Klassenarbeiten mit<br />

gleichen Anforderungen für alle Schüler gleichzeitig geschrieben.<br />

Immer noch erhalten Schüler die gleiche Anzahl<br />

von Fachstunden, egal wie leistungsstark oder leistungsschwach<br />

sie sind. Immer noch werden Abschlüsse<br />

im Schulsystem nach einer festgelegten Anzahl von Jahren<br />

vergeben.<br />

Mehr Flexibilisierung für die <strong>Grundschule</strong> bedeutet:<br />

Einführung von jahrgangsübergreifenden Lerngruppen,<br />

Aufnahme aller Schülerinnen und Schüler, unterschiedliche<br />

Zeitläufe, in denen die Schülerinnen und Schüler<br />

die <strong>Grundschule</strong> durchlaufen können, Vermeidung der<br />

Notengebung unter Anwendung zum Beispiel von Kompetenzrastern.<br />

Dr. Matthias von Saldern ist Professor an der Leuphana<br />

Universität Lüneburg und Mitglied im Fachausschuss<br />

Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission.<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Philipp Riedel<br />

Mit dem Taxi zur Inklusion<br />

Ein inklusiver Tag an der Anne-Frank-Schule Freiburg<br />

Es ist Montagmorgen. Blondschopf Tilman steht gestiefelt und gespornt vor<br />

der Haustür und wartet auf das Taxi. Tilman hat das Downsyndrom, genauso<br />

wie sein Freund Ludwig. Zusammen mit einem Mädchen, das entwicklungsverzögert<br />

ist, gehen sie seit dem 17. September 2010 in die Familienklasse F1 der<br />

Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong> in Freiburg.<br />

Die Anne-Frank-Schule liegt<br />

nicht wohnortsnah, sondern<br />

sieben Kilometer entfernt. Die<br />

<strong>Grundschule</strong> in Tilmans Stadtteil war<br />

nicht bereit, Tilman und seinen Freund<br />

Ludwig aufzunehmen: »Wir haben keine<br />

Ressourcen. Wir können die Kinder<br />

nicht betreuen. Wir haben keine Räume<br />

für die Außenklasse. Die Kinder laufen<br />

weg. Wir sind nicht dafür ausgebildet.«<br />

Diese Argumente wiederholen sich<br />

an anderen Schulen. Sie sind eine Mischung<br />

aus Klischee, Unkenntnis und<br />

der Angst, den Aufgaben nicht gerecht<br />

werden zu können.<br />

Als die Anfrage vom Schulamt an<br />

die Anne-Frank-Schule kam, zögerte<br />

Schulleiter Edgar Bohn keine Sekunde:<br />

»Ich stehe voll hinter diesem Konzept.<br />

Der vollständige Einbezug der Kinder<br />

in die Klasse entspricht dem, was wir<br />

unter Inklusion verstehen. Inklusion<br />

erfordert erst einmal keine zusätzlichen<br />

Räume, sonst wäre es keine Inklusion.<br />

Tilman fühlt sich in der Familienklasse sehr wohl<br />

Zieldifferenziert unterrichten wir mit<br />

unserem reformpädagogischen Konzept<br />

schon lange.«<br />

Das Taxi ist da. Ludwig wurde bereits<br />

im Nachbarstadtteil aufgenommen und<br />

sitzt erwartungsfroh auf seinem Sitz.<br />

»Hallo Ludwig«, Tilman steigt fröhlich<br />

in das Taxi ein. Auf dem Weg zur<br />

Anne-Frank-Schule steht das Taxi im<br />

allmorgendlichen Stau. Vor ihm warten<br />

drei weitere Taxis: Kinder, die von<br />

ihrem Wohnort in eine weiter entfernte<br />

Schule gebracht werden. Es ist ein Dilemma:<br />

Es stehen bundesweit Milliarden<br />

an Euro aus öffentlichen Mitteln zu<br />

Verfügung, um Kinder an Förderschulen<br />

zu bringen. Andererseits fehlt dieses<br />

Geld für eine wohnortnahe inklusive<br />

Unterstützung, und die Kinder müssen<br />

ihr soziales Umfeld dafür verlassen. Für<br />

ein unterstützendes inklusives System<br />

müssten die Geldtöpfe völlig neu gefüllt<br />

werden beziehungsweise neue geschaffen<br />

werden. Das ist ein großes Rad, das<br />

gedreht werden muss.<br />

Auf dem Parkplatz bei der Anne-<br />

Frank-Schule wartet bereits Mirjam<br />

Ketterer auf Tilman und Ludwig. Sie<br />

macht ein Freiwilliges Soziales Jahr und<br />

wird über die Eingliederungshilfe der<br />

Stadt Freiburg bezahlt. Ihre Aufgabe:<br />

Den Schulalltag so zu begleiten, dass die<br />

Lehrkräfte in der Klasse sich vollständig<br />

auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren<br />

können.<br />

Mirjam begleitet die Kinder in die<br />

Schule.<br />

Endlich angekommen<br />

Tilman erklimmt die zweite Etage der<br />

Schule – viermal 12 Stufen, eine gute<br />

tägliche Übung für einen Jungen, dessen<br />

Körper chronisch unterspannt<br />

ist. »Guten Morgen, Tilman. Schön,<br />

dass du da bist.« Klassenlehrer Stefan<br />

Schmidt-Riese steht an der Klassentür<br />

und begrüßt jedes Kind. Selbständig<br />

zieht Tilman seine Jacke aus, stopft sie<br />

in sein Schließfach, stellt seine Schuhe<br />

in das Schuhregal und schlüpft in seine<br />

Hausschuhe. Dann schnappt er sich<br />

seinen Schulranzen und geht an seinen<br />

Sitzplatz im Klassenraum.<br />

Birgitta Wilhelm bereitet Unterrichtsmaterialien<br />

vor. Als sonderpädagogische<br />

Fachkraft mit Montessoriausbildung<br />

ist sie von der Schule für<br />

Menschen mit geistiger Behinderung<br />

für drei Tage an die Anne-Frank-Schule<br />

als zweite Lehrkraft abgeordnet. Ihre<br />

Stammschule bleibt die Förderschule.<br />

An den zwei übrigen Tagen übernimmt<br />

Grundschullehrer Olivier Greiner ihren<br />

Platz. »Merkwürdig ist das schon«, sagt<br />

Klassenlehrer Schmidt-Riese, »als ob<br />

die Kinder mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf an den zwei Tagen keinen<br />

Förderbedarf hätten.« Mehr sonderpädagogische<br />

Deputatsstunden konnte die<br />

Schulverwaltung nicht bereitstellen.<br />

Frau Wilhelm ist teamintern für alle<br />

acht Erstklässler hauptverantwortlich<br />

und entlastet so Stefan Schmidt-Riese.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

3


Thema: Schulanfänge 2011<br />

»Der Abstimmungsaufwand im<br />

Team ist dabei schon anstrengend. Ich<br />

muss mich nach 15 Jahren Unterrichtspraxis<br />

beim Teamunterricht teilweise<br />

völlig umstellen. Übertrieben gesagt:<br />

Jeder Handgriff, der aus sich heraus gut<br />

funktionierte, muss plötzlich im Team<br />

abgestimmt werden, denn jeder von<br />

uns hat natürlich seinen eigenen, ganz<br />

individuellen Stil. Das müssen wir erst<br />

einmal miteinander abgleichen. Aber<br />

missen möchte ich keine Stunde mehr.<br />

Da passiert viel Neues, von dem wir alle<br />

profitieren«, sinniert Schmidt-Riese.<br />

IQ, sondern hat soziale, kulturelle oder<br />

persönliche Anteile. Was für eine Herausforderung<br />

für die Lehrer! Wie lässt<br />

sich diese Vielfalt, die so normal ist,<br />

unter einen Hut bringen? Was ist das<br />

optimale Modell? Welche Unterrichtsform<br />

kommt jedem Kind am ehesten<br />

entgegen?<br />

Edgar Bohn, Schulleiter der Anne-<br />

Frank-Schule: »An unserer Schule ist es<br />

mehr oder weniger täglich Thema, wie<br />

wir allen Kindern gerecht werden können.<br />

Aber mit einem Helferstamm von<br />

derzeit 123 Personen und sehr vielen<br />

zusätzlichen Schulangeboten entsteht<br />

ein Schulgeist, mit dem sich arbeiten<br />

lässt.<br />

Für mich besteht das System »Anne-<br />

Frank-Schule« aus vielen Bausteinen:<br />

Kinder, die Erfolge in der Schule haben<br />

wollen und sollen; Eltern, die uns auf<br />

diesem Weg aktiv begleiten; ein Kollegium,<br />

das sich offensiv der Aufgabe<br />

stellt und – in Kenntnis der strukturellen<br />

und auch der eigenen Grenzen –<br />

sein Möglichstes gibt; Unterstützer,<br />

die uns besonders an unseren Grenzen<br />

helfen; eine Verwaltung, die zu einer<br />

guten Aufgabenbewältigung dem Kollegium<br />

den Rücken frei hält; und eine<br />

Schulleitung, die versucht, durch offene<br />

Kommunikation und Transparenz<br />

nach allen Seiten möglichst viele mit<br />

ins Boot zu holen. Über allem steht die<br />

wohlwollend-förderliche Hinwendung<br />

zum Kind.« Das ist der Nährboden für<br />

inklusive Haltung und Praxis.<br />

Beim Morgenkreis darf jedes Kind von<br />

seinen Wochenenderlebnissen erzählen:<br />

Dieses Mal haben sich Geburtstagsfeiern<br />

in den Familien angehäuft – vier Kinder<br />

erzählen von ihrer Oma, gutem Essen<br />

und Verwandtschaft. Tilman hört aufmerksam<br />

zu und gibt über sein Wochenende<br />

bekannt: »Geburtstag, Feiern, Essen<br />

gemacht, Papa.« Es ist ganz still. Alle<br />

hören zu. Syndrombedingt nuschelt und<br />

stottert Tilman viel. Das Verstehen fällt<br />

schwer. Klassenlehrer Schmidt-Riese<br />

fragt in die Runde der Kinder: »Wer hat<br />

Tilman verstanden? Wer mag das mal<br />

sagen?« Henry meldet sich: »Sein Papa<br />

hat auch am Wochenende Geburtstag<br />

gefeiert.« Gut zugehört. Obwohl Tilmans<br />

Papa gar nicht Geburtstag gefeiert hat.<br />

Aber Tilman gibt gerne das wider, was<br />

er selber gehört hat und macht es sich zu<br />

eigen. Das ist typisch für sein Lernverhalten:<br />

Er imitiert und kopiert perfekt.<br />

Hinhören, Abschreiben und Abgucken.<br />

Tilman lernt inklusiv.<br />

Der Stuhlkreis ist zu Ende. Die Kinder<br />

begeben sich an ihre Tischgruppen. Die<br />

Viertklässlerin Lisa hilft Tilman, seinen<br />

Stuhl zurückzutragen, obwohl Tilman<br />

das gar nicht will. Das schafft er selber!<br />

Lisa lächelt und lässt ihn machen.<br />

Freiarbeit<br />

Acht Uhr dreißig. Freiarbeit. In der<br />

Klasse setzt eine geheimnisvolle Dynamik<br />

ein. Ein stilles Geraschel und Geraune<br />

erfüllt den Klassenraum. Hefte<br />

Heterogenität – Vielfalt ist normal<br />

Der Montag fängt um acht Uhr im<br />

Stuhlkreis mit einem Lied an. Die<br />

Begeisterung beim Mitsingen ist gemischt.<br />

In den Gesichtern der Kinder<br />

leuchten Augen, manche beobachten<br />

eher still, auch traurige Augen gibt<br />

es. Die Klasse spiegelt wider, was die<br />

Schule charakterisiert: Schülerinnen<br />

und Schüler mit über 70 Prozent Migrationsanteil,<br />

mit einem breiten sozialen<br />

Hintergrund, Akademikerkinder,<br />

Hartz-IV-Kinder, hochbegabte Kinder,<br />

Kinder mit besonderem Förderbedarf.<br />

– Jedes Kind mit seiner persönlichen<br />

Geschichte, einem kleinen oder großen<br />

Päckchen an Erlebnissen, Bedürfnissen,<br />

Wünschen, Sehnsüchten sitzt in<br />

diesem Stuhlkreis versammelt. Heterogenität<br />

definiert sich nicht nur mittels<br />

Ludwig, Yachja und Tilman bei der konzentrierten Freiarbeit<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Philipp Riedel<br />

ist Forstwissenschaftler und PR-Berater.<br />

In dieser Kombination arbeitet er für<br />

die Waldbranche.<br />

Mit mindestens ebensoviel Leidenschaft<br />

setzt er sich als Vater von drei<br />

Kindern für eine offene und tolerante<br />

Gesellschaft ein.<br />

und Arbeitsmappen wandern auf die<br />

Tische, manche Kinder stehen auf, gehen<br />

zum Regal und holen sich Arbeitsmaterial,<br />

das sie auf den Teppichboden<br />

legen, und knien sich daneben. Andere<br />

verlassen den Klassenraum und<br />

bauen einen Tisch im Flur auf. Eine<br />

Dreiergruppe setzt sich an einen anderen<br />

Tisch, zu dem sich Schmidt-Riese<br />

gesellt und das »Perlenmaterial« nach<br />

Montessori einführt.<br />

Tilman hat zusammen mit Mirjam<br />

und zwei Mitschülern den Tisch im<br />

Flur mit einer Kasse sowie vier durchsichtigen<br />

Schraubdosen bestückt:<br />

Knabberbrezeln und Knabberfische<br />

1 Cent das Stück. Kekse 2 Cent. »Der<br />

Kaufladen ist geöffnet!« Wie im richtigen<br />

Leben schauen immer wieder »Käufer«<br />

vorbei. Jeder darf für höchstens 10<br />

Cent einkaufen. »Ich nehme 2 Brezeln<br />

und 2 Kekse. Tilman, was muss ich bezahlen?«<br />

Ein längeres Schweigen. Henry<br />

hilft ihm: »2 Kekse kosten 4 Cent und<br />

2 Brezeln 2 Cent.« Tilmans Finger helfen.<br />

»6 Cent.« Zufrieden setzt er sich<br />

wieder hin.<br />

Schmidt-Riese: »Frau Wilhelm bringt<br />

als Sonderpädagogin so viele praktische<br />

Impulse in die Klasse hinein. Der<br />

Kaufladen. Den hätte ich selber nie eingeführt.<br />

Aber jetzt, wo er da ist, interessieren<br />

sich alle Kinder der Klasse dafür.<br />

Das bringt eine Anschaulichkeit in den<br />

Unterricht, wovon alle profitieren. Das<br />

ist Win-Win.«<br />

An einem anderen Tisch im Flur residiert<br />

die »Bank«. Ludwig sortiert zusammen<br />

mit Birgitta Wilhelm Geld,<br />

zählt es, bildet Mengen und legt es in<br />

eine Geldkassette. Zuweilen wandert<br />

Wechselgeld zum Kaufladen, und vom<br />

Kaufladen wird eingenommenes Geld<br />

zur Bank gebracht. Anschaulicher kann<br />

das Arbeiten mit Mengen und Teilmengen<br />

nicht sein.<br />

Konzentration und Entspannung,<br />

Arbeiten und Träumen, Lernen und<br />

Tuscheln. Dieser Wechsel bestimmt die<br />

Freiarbeit und gehört zu jedem Unterrichtsrhythmus<br />

dazu. Kein Kind arbeitet<br />

durchgehend.<br />

Zum Konzept der Freiarbeit gehört<br />

sehr viel: Vertrauen in die Kinder, dass<br />

sie selber weiter kommen wollen, dass<br />

ihr Wissensdurst sie bei dem Thema<br />

hält. Der Überblick über den Lernstand<br />

jedes Kindes. Die dosierte Aufmerksamkeit<br />

für jedes Kind.<br />

Wann es »Klick« macht, bestimmt<br />

die Entwicklung des Kindes. Egal, ob<br />

mit IQ 120 oder 80; egal, ob mit Muttersprache<br />

deutsch oder russisch, egal, ob<br />

Mädchen oder Junge.<br />

Erzähltheater<br />

Nach der Pause versammeln sich die<br />

Kinder zweier Klassen in einem Klassenzimmer.<br />

Ein ausladender Korbstuhl,<br />

umschlungen von einem exotisch gemusterten<br />

Riesentuch, bestimmt die<br />

Atmosphäre des Raumes. Ein großer<br />

Stuhlkreis um ihn herum wartet auf<br />

seine aufmerksamen Zuhörer. Die Kinder<br />

kennen und lieben diese Stunde.<br />

Die Schauspielerin Nicola Hübsch, offensichtlich<br />

direkt aus Tausendundeiner<br />

Nacht entsprungen, sitzt mit geheimnisvoll<br />

blitzenden Augen im Korbstuhl<br />

und wartet, bis alle Kinder ihre Plätze<br />

eingenommen haben.<br />

Erstes Kapitel: Nacherzählung. Wer<br />

traut sich, das vergangenen Montag gehörte<br />

Märchen nachzuerzählen? Quer<br />

durch den Kreis wandert die Märchenfeder,<br />

geführt von der Schauspielerin.<br />

Ein Satz gibt den anderen. Zum Schluss<br />

hat die Gruppe das Märchen perfekt<br />

wiedererzählt. Viele Kinder, auch stillere,<br />

kommen zu Wort.<br />

Zweites Kapitel: Regelübungen. Die<br />

Kinder dürfen ihre Anspannung in Bewegung<br />

gießen. Die Schauspielerin exerziert<br />

mit den Kindern Regeln durch.<br />

Jede »Regel« ist durch einen kleinen Bewegungsablauf<br />

definiert: »Regel Nr. 1:<br />

Kopf nicken«, »Regel Nr. 3: Hände auf<br />

den Boden«. Dasjenige Kind, das nicht<br />

sofort die richtige Bewegung zur ausgerufenen<br />

Regel ausführt, wird auf seinen<br />

Stuhl geschickt. Ludwig und Tilman<br />

machen wie alle anderen Kinder begeistert<br />

mit. Längst haben auch sie die Regeln<br />

verinnerlicht und reagieren sofort<br />

mit der richtigen Bewegung. Ab und zu<br />

ist der Bruchteil einer seitlich gerichteten<br />

Vergewisserung notwendig, dass es<br />

auch die richtige Bewegung ist. Aber sie<br />

sind mitten drin und scheiden bei weitem<br />

nicht als erste aus.<br />

Letztes Kapitel: Ein neues Märchen.<br />

Ein Phantasie-Regen ergießt sich über<br />

die Kinder. Da rauscht das Meer, klingen<br />

silberne Glocken, schluchzt die<br />

Meerjungfrau, fleht der Königssohn.<br />

Die orientalische Schauspieldame hat<br />

längst ihren Stuhl verlassen, beschwört<br />

und bezirzt, bannt und verzaubert die<br />

Kinder. Ein großer Sog zieht die Kinder<br />

in die Geschichte hinein.<br />

Ludwig und Tilman sitzen auf der<br />

vordersten Stuhlkante und hören fasziniert<br />

zu. Sicherlich können sie nicht<br />

alles verarbeiten. Aber auch bei ihnen<br />

bleibt viel hängen.<br />

Das Spiel mit Worten und Bewegung,<br />

die Anregung von Phantasie und Kreativität,<br />

die Aktivierung des eigenen<br />

Wortschatzes – jedes Kind profitiert<br />

vom Erzähltheater und nimmt Anregungen<br />

mit.<br />

Beflügelt laufen die Kinder wieder<br />

zurück in ihre Klassen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

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Thema: Schulanfänge 2011<br />

Morgenkreis mit dem »Happy«-Lied (mit Tilman, Celine und Lisa)<br />

Baustelle Inklusion<br />

Inklusion bleibt eine große Herausforderung.<br />

Eine offene Haltung zur Inklusion<br />

ist der erste wichtige Baustein – auf ihm<br />

lässt sich aufbauen. Die inklusive Schule<br />

ist aus vielen Bausteinen gebaut. Ein inklusiver<br />

Lehrer ist immer Manager. In<br />

der Vorbereitung ist er Komponist und<br />

Drehbuchautor, im Unterricht Moderator<br />

und Berater, sagt Professor Hans<br />

Wocken von der Universität Hamburg.<br />

Im Team zu unterrichten, unterschiedliche<br />

Leistungsstände managen<br />

zu können, Leistung an sich anders zu<br />

bewerten, das sind große Bildungsaufgaben<br />

auch für die Universitäten und<br />

Pädagogischen Hochschulen.<br />

Tilman geht nach wie vor gerne in die<br />

Schule. Er hat ein ausgeprägtes Interesse<br />

an Zahlen und Buchstaben. Er zählt,<br />

lautiert und buchstabiert. Er singt gerne,<br />

kickt Fußball und wird zu Geburtstagen<br />

eingeladen.<br />

Auf einem Elternabend zum Schuljahresende<br />

wussten die Eltern nichts<br />

Außergewöhnliches über Erzählungen<br />

ihrer Kinder aus der Klasse zu berichten:<br />

»Nein, da ist alles normal. Sie sagen<br />

höchstens: Es ist lustiger geworden bei<br />

uns in der Klasse.«<br />

Wenn diese schulische Normalität in<br />

jedem Dorf und jedem Stadtteil normal<br />

ist, wenn Kinder nicht mehr Taxis benötigen,<br />

um zur Schule transportiert<br />

werden zu müssen – dann ist Inklusion<br />

mittendrin.<br />

Anzeige<br />

BüZ und GSV geben Kindern das Wort –<br />

auch bei der Schulentwicklung<br />

Der »Blick über den Zaun (BüZ)« bietet Mitgliedern des Grundschulverbands die Möglichkeit, die im<br />

Schulverbund »Blick über den Zaun« entwickelten »Standards für Kinder« kostenlos zu erproben.<br />

Der Text »Unsere Standards«, der die reformpädagogisch orientierten Grundüberzeugungen<br />

des Schulverbunds konkretisiert, wurde zu diesem Zweck in eine Fassung in besonders einfacher<br />

Sprache übertragen.<br />

Mit Kindern können so vielfältige Bereiche der Schulentwicklung besprochen werden: zugleich eine<br />

Form der internen Schulevaluation.<br />

Das Material kann kostenlos beim BüZ angefordert werden:<br />

blickueberdenzaun@uni-siegen.de<br />

Weitere Informationen: www.blickueberdenzaun.de<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Edgar Bohn<br />

Auf dem Weg zur Inklusion<br />

oder: der lange Weg der Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong><br />

Mit mir kam 2001 ISEP an die<br />

Anne-Frank- <strong>Grundschule</strong>.<br />

Das entsprach meinem<br />

Wunsch, gemeinsamen Unterricht von<br />

Kindern mit und ohne Behinderung zu<br />

erproben.<br />

ISEP steht – inzwischen muss ich<br />

schrei ben stand – für Integratives Schulentwicklungs-Projekt.<br />

Mit diesem Projekt<br />

sollten in Baden-Württemberg Erfahrungen<br />

zum gemeinsamen Unterricht<br />

von Kindern mit und ohne Behinderung<br />

gemacht werden.<br />

Mein Vorgänger, Wolfgang Küchler,<br />

hatte dieses Projekt an die Schule geholt.<br />

Von 2001 bis 2009 setzte sich das Kollegium<br />

mit der Frage des gemeinsamen<br />

Unterrichts intensiv auseinander.<br />

Als wir 2005 unser erstes Schulprogramm<br />

schrieben, legten wir darin fest,<br />

dass uns dieser gemeinsame Unterricht<br />

an unserer Schule wichtig ist.<br />

Entsprechend setzten wir uns für die<br />

Fortsetzung des Projektes nach 2009<br />

frühzeitig ein. Allerdings – der Behördenwind<br />

blies uns ziemlich ins Gesicht.<br />

Erste Kontakte 2007 mit der Schulaufsicht<br />

machten rasch deutlich: ein weiteres<br />

ISEP war nicht gewünscht.<br />

So wollten wir das nicht hinnehmen,<br />

da wir im Verlauf unserer Erfahrungen<br />

zu der Erkenntnis gekommen waren: vorausgesetzt,<br />

dass das Projekt mit ausreichend<br />

personellen Ressourcen unterfüttert<br />

ist, wird der gemeinsame Unterricht<br />

zur Win-Win-Situation für alle. Alle Kinder,<br />

die Eltern und das Kollegium profitierten<br />

von diesem Projekt und setzten<br />

sich gemeinsam für die Fortführung ein.<br />

Unsere Diskussionen mündeten in<br />

einem Konferenzbeschluss, in welchem<br />

die Lehrkräfte der Schule sich einstimmig<br />

für die weitere Durchführung des<br />

gemeinsamen Unterrichts aussprachen.<br />

Jede Ja-Stimme war an die Voraussetzung<br />

geknüpft, auch selbst solchen<br />

gemeinsamen Unterricht zu übernehmen.<br />

Diese Beschlusslage teilten wir der<br />

Schulaufsicht mit.<br />

Parallel dazu hatten sich auch die Eltern<br />

in den Klassenpflegschaften und<br />

auch im Elternbeirat zu der Frage positioniert.<br />

Auch die Elternschaft der Schule<br />

machte sich für die Fortführung des gemeinsamen<br />

Unterrichts stark.<br />

Ende 2008 erhielten wir die definitive<br />

Absage von der unteren Schulaufsichtsbehörde.<br />

Die Absage wurde mit<br />

pädagogischen Argumenten begründet,<br />

die eine vorliegende Untersuchung der<br />

ISEP-Projekte ergeben hätte. Dies überraschte<br />

uns, da unsere drei Durchgänge<br />

zu keinem Zeitpunkt in eine Evaluation<br />

einbezogen waren. Wir fragten nach und<br />

wollten die Untersuchung gerne einsehen.<br />

Bis heute konnte uns niemand diese<br />

Untersuchung vorlegen bzw. mitteilen,<br />

wo wir die einsehen könnten!<br />

In einem Brief wandte sich das Kollegium<br />

direkt an den damaligen Kultusminister<br />

und lud ihn zu einem Besuch<br />

vor Ort ein. Lange mussten wir auf eine<br />

Antwort warten und wurden schließlich<br />

zu einem Gespräch ins Regierungspräsidium<br />

eingeladen. Dabei wurde deutlich,<br />

dass aus Ressourcengründen keine weiteren<br />

ISEPs mehr genehmigt würden.<br />

Parallel zu unseren Bemühungen hatten<br />

sich Eltern der Schule inzwischen engagiert<br />

und die Vertreter/innen aus dem<br />

Landtag direkt angesprochen. Da deren<br />

Auskünfte nicht sehr ermutigend waren,<br />

beschlossen sie weitere Aktionen und<br />

sandten u. a. zahlreiche »gelbe« Postkarten<br />

an das Ministerium. Obwohl diese<br />

Aktion dem Ministerium offensichtlich<br />

missfiel (ich erhielt einen Anruf aus dem<br />

Ministerium mit der dringenden Bitte,<br />

diese Aktion zu beenden), verblieb auch<br />

diese ohne sichtliche Reaktion.<br />

So kam es, dass wir im Schuljahr<br />

2009/2010 keinen gemeinsamen Unterricht<br />

durchführen konnten.<br />

Inzwischen hatten die Aktionen der<br />

Eltern der Schule in der Stadt Freiburg<br />

für eine erhöhte Sensibilität der Öffentlichkeit<br />

– auch der Politik in der Stadt –<br />

für den gemeinsamen Unterricht gesorgt.<br />

Dies ermutigte vor allem die Eltern zweier<br />

Kinder mit Behinderung dazu, die inklusive<br />

Beschulung ihrer Kinder für das<br />

Schuljahr 2010/2011 zu beantragen und<br />

schließlich zu erkämpfen.<br />

Inzwischen – wir schreiben das Ende<br />

des Jahres 2009 – war der Kultusverwaltung<br />

offensichtlich klar geworden, dass<br />

die Unterzeichnung der UN-Konvention<br />

auch Auswirkungen auf die badenwürttembergische<br />

Schullandschaft haben<br />

würde. Für konkret drei Elternpaare<br />

wurde in Freiburg eine Regelschule gesucht,<br />

die diese Kinder inklusiv beschulen<br />

würde.<br />

Nach einigem Hin und Her und nachdem<br />

keine andere Schule zu finden war,<br />

wandte sich die Schulaufsicht schließlich<br />

an die Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong>. Auf<br />

Grund der Beschlusslage und der Zusage<br />

entsprechender Ressourcen konnten wir<br />

kurzfristig zusagen. An der Schule selbst<br />

ergab sich für die Durchführung im<br />

Schuljahr 2010/2011 ein »Edelproblem«:<br />

vier Lehrkräfte der Schule hatten sich<br />

um die Klasse beworben und nur eine<br />

konnte berücksichtigt werden.<br />

Wir freuen uns sehr, dass nun wieder<br />

drei Kinder mit besonderem Förderbedarf<br />

in einer Inklusionsklasse an der<br />

Anne-Frank-<strong>Grundschule</strong> unterrichtet<br />

werden können. Wir freuen uns, dass<br />

uns von der Schulverwaltung sowie von<br />

Seiten der Stadt Freiburg ausreichend<br />

Ressourcen zur Verfügung gestellt werden<br />

konnten. Ich freue mich vor allem,<br />

dass alle Beteiligten mit Freude an unserem<br />

Inklusionsprojekt mitwirken. Wir<br />

hoffen, dass unser Beispiel Mut macht<br />

und weitere inklusive Klassen mit vernünftiger<br />

Ausstattung eingerichtet werden<br />

können.<br />

Edgar Bohn<br />

Dipl.-Päd., Rektor der Anne-Frank-<br />

<strong>Grundschule</strong>, Geschäftsführender<br />

Schulleiter GHS der Stadt Freiburg,<br />

im Vorstand der Landesgruppe Baden-<br />

Württemberg seit Gründung.<br />

www.annefrankgrundschule.de<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

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Thema: Schulanfänge 2011<br />

Angelika Speck-Hamdan<br />

Schulanfänge – Situation in den Ländern<br />

In ihren Empfehlungen zum Schulanfang von 1997 sah sich die Kultusministerkonferenz<br />

angesichts der »teilweise hohen Zurückstellungsquoten« und »des<br />

im internationalen Vergleich hohen durchschnittlichen Einschulungsalters der<br />

Kinder in Deutschland« veranlasst, die bis dahin geltenden Regelungen zum<br />

Stichtag in Richtung einer höheren Flexibilität zu verändern. Die Bundesländer<br />

setzten die Empfehlungen zur Vorverlegung des Stichtags sowie zur erweiterten<br />

Möglichkeit einer frühen Einschulung in den folgenden Jahren mit unterschiedlichen<br />

Fristgebungen um.<br />

Im Band 111 des Grundschulverbandes<br />

verfasste Hans-Günther<br />

Rossbach auf Grundlage einer Befragung<br />

aller Bundesländer eine Synopse<br />

der rechtlichen Regelungen, die<br />

Ende 2000 / Anfang 2001 bestanden. 1)<br />

Damals war in einigen Ländern von<br />

der Flexibilisierung Gebrauch gemacht<br />

worden, in anderen nicht; vielfach war<br />

ein Hinweis auf geplante Veränderungen<br />

enthalten.<br />

Die Situation hat sich angesichts der<br />

dann erst aufflammenden PISA-Debatte<br />

geändert. Bekanntermaßen richtete<br />

sich das Augenmerk der Bildungspolitik<br />

nach dem schlechten Abschneiden<br />

der 15-Jährigen in besonderer Weise<br />

auf den Elementar- und Primarbereich;<br />

selbst die positiven IGLU-Ergebnisse<br />

änderten daran wenig. Der Bildungscharakter<br />

der vorschulischen Erziehung<br />

wurde durch die Schaffung von<br />

Bildungsplänen für den Elementarbereich<br />

untermauert. Die konkrete Bildungsaufgabe<br />

der Sprachförderung<br />

wurde an der Nahtstelle zwischen Elementar-<br />

und Primarbereich angesiedelt<br />

und verstärkt ausgebaut. Eine Reihe<br />

von Modellprojekten und Initiativen<br />

mit dem Ziel einer stärkeren Verzahnung<br />

der beiden Bereiche wurde initiiert;<br />

genannt seien hier beispielhaft das<br />

Verbundprojekt »TransKiGS« (an dem<br />

insgesamt fünf Bundesländer beteiligt<br />

waren), das Projekt »ponte« (mit Standorten<br />

in vier Bundesländern), das Projekt<br />

»Brückenjahr« in Niedersachsen,<br />

das Projekt »KiDZ« (Kindergarten der<br />

Zukunft) in Bayern sowie das Modell<br />

»Bildungshaus 3 – 10« in Baden-Württemberg.<br />

Ziel all dieser Projekte war neben<br />

der engeren Verknüpfung des Kindergartens<br />

und der <strong>Grundschule</strong> auch<br />

die Steigerung der Bildungsqualität in<br />

beiden Bereichen. Die Erfahrungen in<br />

allen Projekten wurden in etlichen Tagungen<br />

multipliziert und sind in zahlreiche<br />

Veröffentlichungen und Handreichungen<br />

eingeflossen; durchwegs ist<br />

ein ungemein hohes Engagement der<br />

Akteure erkennbar, und es ist zu hoffen,<br />

dass sich davon wenigstens ein Teil in<br />

die Breite hat übertragen lassen.<br />

Auf einer gemeinsamen Tagung der<br />

Kultusministerkonferenz und der Jugend-<br />

und Familienministerkonferenz<br />

im Dezember 2008 2) wurde eine Bilanz<br />

all der Anstrengungen zur Verbesserung<br />

der Kooperation zwischen KiTa<br />

und <strong>Grundschule</strong> gezogen. Die Diskussionen<br />

mündeten in einem gemeinsamen<br />

Beschluss der beiden genannten<br />

Konferenzen mit dem Titel »Den Übergang<br />

von der Tageseinrichtung für Kinder<br />

in die <strong>Grundschule</strong> sinnvoll und<br />

wirksam gestalten – Das Zusammenwirken<br />

von Elementarbereich und Primarstufe<br />

optimieren«, der im Juni 2009<br />

verabschiedet wurde. 3) Zum Einen ist es<br />

bemerkenswert, dass sowohl die Tagung<br />

als auch der Beschluss von den beiden<br />

verantwortlichen Institutionen des jeweiligen<br />

Bereichs gemeinsam gestaltet<br />

bzw. verabschiedet wurden. Davon geht<br />

eindeutig ein Signal zur Zusammenarbeit<br />

und zur gegenseitigen Wertschätzung<br />

aus. Zum Anderen ist es denkwürdig,<br />

dass es in dem Beschluss gelungen<br />

ist, sich auf gemeinsame Grundsätze,<br />

Leitsätze und Handlungsempfehlungen<br />

zu verständigen. Im Vordergrund steht<br />

eindeutig das Verbindende, nämlich die<br />

Verantwortung für einen gelingenden<br />

Übergang für jedes einzelne Kind. In<br />

der Schlussbemerkung werden die Länder<br />

aufgefordert, rechtliche und sonstige<br />

Rahmenbedingungen und entsprechende<br />

Instrumentarien zu schaffen,<br />

die diesem Ziel dienen.<br />

Der Grundschulverband hat angesichts<br />

der neuen Entwicklungen im<br />

Bereich des Schulanfangs in den verantwortlichen<br />

Ministerien der Bundesländer<br />

in der ersten Jahreshälfte 2011 um<br />

Auskünfte über die derzeitigen Regelungen<br />

zum Schulanfang gebeten. Bis<br />

zur Drucklegung dieser Ausgabe von<br />

»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« waren leider<br />

noch nicht alle Fragebögen wieder eingegangen.<br />

Die nachfolgenden Darstellungen<br />

beziehen sich auf die Antworten<br />

von 14 Grundschulreferentinnen und<br />

Grundschulreferenten. Wo es möglich<br />

war, wurden die Daten über die im Internet<br />

veröffentlichten Rechtsgrundlagen<br />

ergänzt. Da nicht alle Fragebögen<br />

in derselben Ausführlichkeit beantwortet<br />

wurden, ist es möglich, dass die<br />

Zusammenstellung auch Lücken oder<br />

interpretative Fehlschlüsse enthält.<br />

Diese gehen zu Lasten der Autorin, die<br />

um entsprechende Rückmeldung bittet.<br />

Aufgrund der Unvollständigkeit und<br />

der möglichen Fehlbewertungen einzelner<br />

Antworten enthält die nachfolgende<br />

Zusammenstellung nur Tendenzen und<br />

Hauptergebnisse.<br />

Einschulungsalter<br />

Das Einschulungsalter beträgt in der<br />

Regel sechs Jahre; doch sind die Stichtage<br />

durchaus unterschiedlich. Die Hälfte<br />

der Bundesländer (Bremen, Hamburg,<br />

Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt,<br />

Schleswig-Holstein) ist beim Stichtag<br />

30. 6. geblieben. Von den übrigen Bundesländern<br />

haben sich vier (Brandenburg,<br />

Baden-Württemberg, Bayern,<br />

Nordrhein-Westfalen) auf den Stichtag<br />

30. 9. festgelegt; ein weiteres Bundesland<br />

(Niedersachsen) beabsichtigt, im<br />

nächsten Schuljahr auch den 30. 9. als<br />

Stichtag festzusetzen. Im Moment liegt<br />

der Stichtag in Niedersachsen ebenso<br />

wie in Rheinland-Pfalz auf dem 31. 8.<br />

Thüringen geht über die alte Stichtagsregelung<br />

um einen Monat hinaus und<br />

schult die Kinder ein, die am 31. 7. das<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

sechste Lebensjahr vollendet haben.<br />

Am weitesten bewegt hat sich Berlin;<br />

dort werden die Kinder schulpflichtig,<br />

die bis zum 31. 12. des Jahres sechs Jahre<br />

alt werden. Die Angaben über Möglichkeiten<br />

einer vorzeitigen Aufnahme<br />

sind sehr unterschiedlich. Einige Länder<br />

weisen nur darauf hin, dass diese<br />

Möglichkeit besteht und machen Angaben<br />

darüber, wer über die Aufnahme<br />

zu entscheiden hat und ob unter Umständen<br />

ein schulpsychologisches oder<br />

schulärztliches Gutachten vorgelegt<br />

werden muss. In den meisten Ländern<br />

werden keine präzisen Angaben zu einem<br />

weiteren Stichtag für die vorzeitige<br />

Aufnahme gemacht. Das kann so interpretiert<br />

werden, dass es hier für die<br />

vorzeitige Aufnahme keine Begrenzung<br />

hinsichtlich des Alters gibt. Niedersachsen<br />

präzisiert, es könnten auch Vierjährige<br />

eingeschult werden, wenn sie als<br />

schulfähig eingeschätzt werden. Baden-<br />

Württemberg und Thüringen geben als<br />

Stichtag für die vorzeitige Aufnahme<br />

den 30. 6. des Jahres nach der Einschulung<br />

an; Brandenburg und Bremen halten<br />

den 31. 12. des Einschulungsjahres<br />

für angemessen. Bayern unterscheidet<br />

zwischen Kindern, die bis zum 31. 12.<br />

das sechste Lebensjahr vollenden werden<br />

und solchen, die noch später geboren<br />

sind; erstere können auf Antrag<br />

der Erziehungsberechtigten vorzeitig<br />

eingeschult werden, und bei letzteren<br />

ist zusätzlich ein schulpsychologisches<br />

Gutachten vorzulegen. In Berlin gilt der<br />

31. 3. des Folgejahres als Grenze.<br />

Zurückstellungen sind in fast allen<br />

Bundesländern möglich; nur in Schleswig-Holstein<br />

sind sie grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Viele Länder betonen aber,<br />

dass diese Maßnahme nur in Ausnahmefällen<br />

angewendet werden sollte. Es<br />

sollte beispielsweise eine medizinische<br />

Indikation vorliegen. Mehrere Länder<br />

(z. B. Niedersachsen oder auch Brandenburg)<br />

wollen eine entsprechende<br />

Förderung der zurückgestellten Kinder<br />

gewährleistet sehen, um sie überhaupt<br />

zuzulassen. Hamburg hält als letztes<br />

Bundesland Vorklassen für zurückgestellte<br />

Kinder bereit. Hürden werden in<br />

manchen Ländern auch dadurch aufgebaut,<br />

dass für die Entscheidung über die<br />

Zurückstellung, die in den allermeisten<br />

Fällen die Schulleitung trifft, nicht nur<br />

Anträge der Erziehungsberechtigten<br />

vorliegen müssen, sondern auch zusätzlich<br />

»medizinische Diagnosen« (Bremen)<br />

oder schulärztliche und schulpsychologische<br />

Gutachten (Mecklenburg-<br />

Vorpommern) einzuholen sind.<br />

Seit Erscheinen der KMK-Empfehlungen<br />

zum Schulanfang von 1997<br />

lässt sich in der Tat eine Tendenz hin<br />

zu einer stärkeren Flexibilisierung des<br />

Einschulungsalters konstatieren. Sie<br />

bezieht sich weniger auf die erweiterte<br />

Stichtagsregelung, die nur von der Hälfte<br />

der Länder aufgegriffen wurde, als<br />

vielmehr auf die erweiterten Möglichkeiten<br />

zur vorzeitigen Aufnahme in die<br />

Schule. Zusammen mit der zurückhaltenderen<br />

Handhabung von Zurückstellungen<br />

hat dies insgesamt zu einer »Verjüngung«<br />

der Schulanfänger geführt.<br />

Laut dem Bildungsbericht von 2010<br />

sind im Jahr 2008 etwa 60 Prozent der<br />

Kinder, die im Einschulungsjahr sechs<br />

Jahre alt wurden, in der Schule. In den<br />

Bundesländern, die eine Vorverlegung<br />

des Einschulungsalters vorgenommen<br />

haben, ist der Anteil höher. Dort haben<br />

allerdings auch die Zurückstellungen<br />

wieder leicht zugenommen, während<br />

sie insgesamt zurückgegangen sind. 4)<br />

Bildungspolitisch wird diese Entwicklung<br />

begrüßt. Dass sie im Alltag der<br />

<strong>Grundschule</strong> nicht immer nur auf Begeisterung<br />

gestoßen ist, hat möglicherweise<br />

mit dem Aufeinandertreffen weiterer<br />

Herausforderungen in dieser Zeit<br />

zu tun.<br />

Kooperation mit dem<br />

Elementarbereich<br />

Eines der wichtigsten bildungspolitischen<br />

Anliegen der vergangenen Jahre<br />

war die Kooperation der <strong>Grundschule</strong><br />

mit dem Elementarbereich. An diese<br />

Kooperation sind vor allem Erwartungen<br />

hinsichtlich eines besseren Anschlusses<br />

in der Bildungsbiographie eines<br />

jeden Kindes verbunden. Deshalb ist<br />

es nicht verwunderlich, dass alle Bundesländer<br />

diese Aufgabe per Erlass, Gesetz,<br />

Verwaltungsvorschrift oder Ähnlichem<br />

geregelt haben. In den meisten<br />

Fällen ist die Kooperation verpflichtend,<br />

in einigen Fällen auch als Soll-Vorschrift<br />

formuliert. Die Formen der Kooperation<br />

sind vielfältig und lassen den Pädagog/<br />

inn/en der beiden Institutionen gewisse<br />

Freiheiten bezüglich Schwerpunktsetzung<br />

und Ausgestaltung. Einige Länder<br />

machen konkrete Vorschriften zur<br />

Erhöhung der Verbindlichkeit. So wird<br />

beispielsweise in Baden-Württemberg<br />

ein gemeinsam erstellter Jahresplan der<br />

Kooperation gefordert, in Berlin und<br />

Schleswig-Holstein müssen verbindliche<br />

Vereinbarungen geschlossen werden, in<br />

denen Form und Inhalt der Kooperation<br />

festgelegt werden. Bayern hat 120<br />

Grundschullehrkräfte zu Kooperationsbeauftragten<br />

ausgebildet, die in Tandems<br />

mit den Kooperationsbeauftragten<br />

aus dem Kita-Bereich Fortbildungen<br />

für beide Professionen durchführen und<br />

die Kooperation auf regionaler Ebene<br />

koordinieren. Diese gemeinsamen Fortbildungen<br />

sind vielen Ländern ein Anliegen,<br />

vermutet man doch durch den<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

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Thema: Schulanfänge 2011<br />

Wissens- und Erfahrungsaustausch einen<br />

gegenseitigen Gewinn hinsichtlich<br />

der Anschlussfähigkeit von Bildungsprozessen.<br />

Ein Thema, das sich durch<br />

viele Angaben zur Kooperation zieht,<br />

ist der Informationsaustausch über die<br />

künftigen Schulanfänger/innen. Um ein<br />

datenschutzrechtlich korrektes Handeln<br />

zu ermöglichen, wird auf unterschiedliche<br />

Verfahren verwiesen. In Bayern<br />

wurde ein eigener einheitlicher Informationsbogen<br />

entwickelt, der von den<br />

pädagogischen Fachkräften des Elementarbereichs<br />

zusammen mit den Eltern<br />

ausgefüllt wird und von den Eltern bei<br />

der Schuleinschreibung an die Schule<br />

(freiwillig) übergeben wird. In Bremen<br />

sind Übergabegespräche vorgesehen;<br />

in Hamburg sind die Kitas verpflichtet,<br />

einen individuellen Entwicklungsbericht<br />

über die Viereinhalbjährigen zu<br />

erstellen, der mit Einverständnis der<br />

Eltern bei der Überprüfung der Kinder<br />

in den <strong>Grundschule</strong>n herangezogen<br />

wird. Baden-Württemberg benennt die<br />

Beobachtung der Kinder hinsichtlich<br />

ihrer Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen<br />

ohne näheren Hinweis auf<br />

die datenschutzrechtlichen Probleme als<br />

Feld der Zusammenarbeit.<br />

Zusätzlich zur Regelung der Kooperationen<br />

vor Ort haben die meisten Länder<br />

Projekte initiiert, die der Intensivierung<br />

und Vertiefung der Kooperation dienen<br />

sollen. Baden-Württemberg verweist<br />

auf die Projekte »Schulreifes Kind« und<br />

»Bildungshaus 3 – 10«. Im erstgenannten<br />

Projekt geht es primär um die Förderung<br />

von Kindern mit ungünstigeren<br />

Lernausgangslagen; sie sollen vor Schuleintritt<br />

ihre Entwick lungsrückstände<br />

aufholen können. Im zweiten Projekt<br />

geht es direkt um die Anschlussfähigkeit<br />

zwischen den beiden Bildungsbereichen,<br />

die hier bewusst als »ein Haus« zusammengefasst<br />

werden. Kitas und <strong>Grundschule</strong>n<br />

bilden je einen pädagogischen<br />

Verbund, der eine flexible Handhabung<br />

des Übergangs erlaubt. In Bayern wurde<br />

das Projekt »KiDZ« (Kindergarten<br />

der Zukunft) ins Leben gerufen, das<br />

ebenfalls auf eine enge Verzahnung von<br />

Kindergarten und <strong>Grundschule</strong> setzt.<br />

Niedersachsen stärkt die Kooperation<br />

der beiden Bildungsbereiche durch das<br />

Projekt »Das letzte Kindergartenjahr als<br />

Brückenjahr zur <strong>Grundschule</strong>«, das vor<br />

allem die Beratung und Qualifizierung<br />

des pädagogischen Personals im Fokus<br />

Beliebtes Ritual: »Rausschmiss« aus dem Kindergarten<br />

hat. Nordrhein-Westfalen setzt auch auf<br />

Netzwerke; Kitas und <strong>Grundschule</strong>n<br />

erproben seit dem Schuljahr 2010/2011<br />

freiwillig die »Grundsätze zur Bildungsförderung<br />

für Kinder von 0 – 10«. Ebenfalls<br />

seit dieser Zeit erprobt das Saar land<br />

das »Kooperationsjahr zwischen dem<br />

Kindergarten und der <strong>Grundschule</strong>«.<br />

Lehrkräfte der <strong>Grundschule</strong> arbeiten<br />

bis zu vier Wochenstunden in den Kooperationskindergärten.<br />

In den beteiligten<br />

Bundesländern ist das Projekt<br />

»TransKiGS« zwar abgeschlossen, aber<br />

muss noch weiter in die Breite gebracht<br />

werden.<br />

Eine besondere Form der Zusammenarbeit<br />

stellt der Versuch eines gemeinsamen<br />

Bildungsplans dar. Ein solches Projekt<br />

hat Hessen als erstes Bundesland<br />

erfolgreich unternommen. Thüringen<br />

folgte mit dem »Thüringer Bildungsplan<br />

für Kinder bis 10 Jahre«. Beide Pläne<br />

liegen vor und müssen im Moment mit<br />

Leben erfüllt werden. Nordrhein-Westfalen<br />

hat im Jahr 2010 »Grundsätze zur<br />

Bildungsförderung für Kinder von 0 – 10<br />

Jahren« formuliert, mit dem Ziel der<br />

Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses<br />

für Kindergarten<br />

und <strong>Grundschule</strong>. Dieser Plan wird momentan<br />

auf seine Praxis tauglichkeit hin<br />

überprüft. In Bayern entstehen gerade<br />

gemeinsame Leitlinien für die Bildungsund<br />

Erziehungs arbeit in Kindertageseinrichtungen<br />

und Schulen.<br />

Die Kooperation zwischen dem Elementar-<br />

und dem Primarbereich des<br />

Bildungssystems ist in allen Bundesländern<br />

fest verankert. Zahlreiche Maßnahmen<br />

wurden administrativ angestoßen.<br />

Die Erfahrung aber lehrt, dass die<br />

Umsetzung Zeit braucht und dass sie<br />

angesichts der sehr unterschiedlichen<br />

Bedingungen vor Ort nicht eins zu eins<br />

erfolgen kann. Der vielfach eingeschlagene<br />

Weg über Tandems scheint vielversprechend,<br />

da so weitgehend sicher<br />

gestellt werden kann, dass alle am Prozess<br />

Beteiligten mitgenommen werden.<br />

Positiv anzumerken ist, dass die allermeisten<br />

der Projekte wissenschaftlich<br />

begleitet werden, allerdings mit recht<br />

unterschiedlichen Methoden und in<br />

unterschiedlichem Umfang, so dass die<br />

Ergebnisse schwierig werden miteinander<br />

verglichen werden können.<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Sprachstandserhebungen<br />

vor der Einschulung<br />

Die Brisanz der ungleichen Bildungsund<br />

Lernvoraussetzungen aufgrund<br />

mangelnder Kompetenz in der deutschen<br />

Sprache ist seit einigen Jahren klar<br />

erkannt worden. Als erste Maßnahme<br />

wurde gefordert, den Sprachstand von<br />

Kindern mit nicht-deutscher Herkunftssprache<br />

schon vor Schulbeginn zu erheben,<br />

um als zweite Maßnahme rechtzeitig<br />

Sprachförderung anbieten zu können.<br />

Die konkreten Maßnahmen in den Ländern<br />

unterschieden sich jedoch relativ<br />

stark voneinander. Das betrifft zunächst<br />

den Zeitpunkt, zu dem der Sprachstand<br />

überhaupt festgestellt wird. Ein Großteil<br />

der Länder knüpft die Erhebung des<br />

Sprachstands an die Schuleinschreibung,<br />

zu der ohnehin alle Kinder in der Schule<br />

vorgestellt werden. Zu diesen Ländern<br />

gehören Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz,<br />

das Saarland und Schleswig-<br />

Holstein, wobei manchmal diese Untersuchung<br />

just wegen dieser zusätzlichen<br />

Aufgabe vorverlegt wurde. Andere<br />

Länder erfassen die sprachlichen Kompetenzen<br />

noch früher, nämlich Bayern<br />

(ab 3,5 Jahre), Hamburg (4,5 Jahre), Niedersachsen<br />

(2 Jahre vor Schuleintritt),<br />

Nordrhein-Westfalen (2 Jahre vor Schuleintritt)<br />

und Sachsen-Anhalt (ab 4. Lebensjahr).<br />

Bremen erfasst den Sprachstand<br />

aller Fünfjährigen, was mit dem<br />

Datum mancher Schuleinschreibungen<br />

zusammenfallen dürfte. Berlin setzt<br />

eine Frist: Alle Kinder müssen bis zum<br />

31. 5. des Einschulungsjahres auf ihre<br />

Sprachfähigkeit hin untersucht worden<br />

sein. Hinsichtlich der Verbindlichkeit<br />

lassen sich drei Modelle unterscheiden.<br />

Das erste Modell schreibt verbindlich für<br />

alle Kinder eine Sprachstanderhebung<br />

vor; dazu gehören Baden-Württemberg,<br />

Bayern, Berlin, Bremen, Niedersachsen,<br />

Nordrhein-Westfalen und Sachsen-<br />

Anhalt. Beim zweiten Modell greift die<br />

Verbindlichkeit nur, wenn ein Förderbedarf<br />

zu vermuten ist; das trifft zu für<br />

Hamburg, für Rheinland-Pfalz und für<br />

Schleswig-Holstein. Andere Länder wieder<br />

vertreten ein drittes Modell: Sie setzen<br />

auf Freiwilligkeit wie das Saarland,<br />

oder sie machen keine verbindlichen<br />

Vorschriften hinsichtlich dieser Frage,<br />

wie etwa Hessen, Mecklenburg-Vorpommern<br />

oder auch Thüringen.<br />

Die größte Vielfalt aber zeigt sich in<br />

den verwendeten Instrumenten. Lediglich<br />

ein Instrument wird verbindlich<br />

in zwei Ländern eingesetzt: Delfin 4<br />

wird in Nordrhein-Westfalen und in<br />

Sachsen-Anhalt für die Vierjährigen<br />

eingesetzt, in Nordrhein-Westfalen allerdings<br />

ergänzt um weitere Instrumente<br />

bei der zweiten Untersuchung, die ein<br />

Jahr vor Schuleintritt vorgesehen ist.<br />

Alle anderen Länder verwenden eigene<br />

Instrumente, teils Beobachtungsinstrumente,<br />

teils Tests. Bayern schreibt die<br />

Beobachtungsbögen PERIK, SISMIK<br />

und SELDAK vor; diese Bögen werden<br />

in der Kita eingesetzt und von den Erzieherinnen<br />

geführt. Sie erlauben eine<br />

Beobachtung über eine längere Zeit hinweg,<br />

während die ansonsten eingesetzten<br />

Verfahren eher Momentaufnahmen<br />

sind. Zu den von den Grundschulreferenten<br />

und Grundschulreferentinnen<br />

genannten Instrumenten gehören außer<br />

den bereits genannten das »Heidelberger<br />

Auditive Screening in der Einschulungsuntersuchung<br />

(HASE)« und der<br />

»Sprachentwicklungstest für drei- bis<br />

fünfjährige Kinder (SETK 3 – 5)« (beide<br />

Baden-Württemberg), der Sprachtest<br />

von CITO (Bremen), »Bildimpuls« und<br />

HAVAS (Hamburg), »Fit in Deutsch«<br />

(Niedersachsen), »Früh Deutsch lernen«<br />

(Saarland), die »Qualifizierte Statuserhebung«<br />

und »Deutsch Plus 4« (Berlin).<br />

Der größte Teil dieser Instrumente sind<br />

als Screenings zu bezeichnen; sie liefern<br />

lediglich Anhaltspunkte für eine differenziertere<br />

Diagnose. Sie sind nicht<br />

normiert. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein<br />

schreiben zwar bei vermutetem<br />

Förderbedarf in der Sprache<br />

eine Feststellung des Sprachstandes vor,<br />

legen die <strong>Grundschule</strong>n aber nicht auf<br />

ein bestimmtes Verfahren fest. In den<br />

meisten Ländern liegt die Aufgabe der<br />

Erhebung in Händen der Schule, auch<br />

wenn sie – wie in NRW und in Sachsen-<br />

Anhalt – in der Kita erfolgt. In Bayern<br />

ist der Kindergarten damit in die Pflicht<br />

genommen, der die Ergebnisse (mit<br />

Einverständnis der Eltern) an die Schule<br />

kommuniziert. In einigen Ländern<br />

wird bei vermutetem Förderbedarf auf<br />

die Expertise von Fachkräften zurückgegriffen,<br />

z. B. in Schleswig-Holstein.<br />

Auf die Notwendigkeit der Verknüpfung<br />

dieser Erhebungen mit entsprechenden<br />

Fördermaßnahmen wird in<br />

sehr vielen Antworten aus den Ministerien<br />

hingewiesen. Es ist den Antworten<br />

zu entnehmen, dass die Aufgabe der<br />

Sprachförderung einen hohen Stellenwert<br />

in der Bildungspolitik der Länder<br />

hat. Doch ist es schwer nachvollziehbar,<br />

warum die Länder hier so unterschiedlich<br />

vorgehen. Eine Vergleichbarkeit ist<br />

damit kaum zu erwarten, weil weder der<br />

Zeitpunkt noch die Instrumente einen<br />

gemeinsamen Bezugsrahmen haben.<br />

Vorschulische Förderangebote<br />

Eine noch so gute Diagnose hätte pädagogisch<br />

keinen Sinn, wenn sie nicht in<br />

eine entsprechende Förderung mündete.<br />

Dies sehen die Bundesländer ebenso<br />

und geben – bis auf Mecklenburg-Vorpommern<br />

– alle auf die Frage nach Förderangeboten<br />

Sprachfördermaßnahmen<br />

vor Schuleintritt an. Einige Länder<br />

verweisen zusätzlich auf sonderpädagogische<br />

Frühförderung bei einem festgestellten<br />

sonderpädagogischen bzw.<br />

einem erhöhten Förderbedarf; wieder<br />

andere Länder verweisen außerdem<br />

auf ihre Bildungspläne für den Elementarbereich,<br />

in dem das Thema Sprache<br />

umfassend und in der Regel als Kernbereich<br />

akzentuiert wird.<br />

Was die Sprachförderung betrifft,<br />

ergibt sich ein ebenso heterogenes Bild<br />

wie bei der Feststellung des Sprachstandes.<br />

In der Regel erfolgt die Förderung<br />

im Jahr vor der Einschulung, in einigen<br />

Ländern über ein ganzes Jahr hinweg,<br />

in anderen über ein halbes Jahr hin-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

11


Thema: Schulanfänge 2011<br />

weg, oder es heißt nur »im Jahr vor der<br />

Einschulung«. Einige Länder geben den<br />

Umfang sehr genau an. So sind in Bayern<br />

für jedes Kind 240 Stunden insgesamt<br />

garantiert, im Saarland bis zu 10<br />

Stunden pro Woche für jedes Kind und<br />

in Schleswig-Holstein für die Dauer von<br />

20 Wochen täglich bis zu zwei Stunden.<br />

In Niedersachsen wird eine Stunde<br />

pro Kind und Woche angesetzt, was<br />

bei einer Gruppe von fünf Kindern zu<br />

fünf Wochenstunden Förderung führt.<br />

Einige Länder rechnen auf der Basis<br />

von Geldsummen; so gibt Nordrhein-<br />

Westfalen pro Kind und pro Jahr für die<br />

Sprachförderung 340 € aus, eine Summe,<br />

die im nächsten Schuljahr um 5 €<br />

angehoben werden soll.<br />

Vorrangig findet die Förderung in<br />

den Kitas statt, manchmal in Kita oder<br />

Schule oder auch in Kita und Schule. Die<br />

Förderung wird von Erzieher/inne/n,<br />

von Sozialpädagog/inn/en, von Lehrer/<br />

inne/n und auch von »Sprachförderlehrkräften«<br />

(Saarland) durchgeführt. In<br />

Bayern besteht die Vereinbarung einer<br />

hälftigen Aufteilung zwischen pädagogischen<br />

Fachkräften des Elementarbereichs<br />

und den Lehrpersonen der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Im Saarland begleiten die Sprachförderlehrkräfte<br />

die Schulanfänger/innen auch<br />

noch ein halbes Jahr in der Schule. In<br />

vielen Ländern wird auf die Zusatzausbildung<br />

des Personals, das die Sprachförderung<br />

durchführt, hingewiesen.<br />

Die Maßnahmen sind sowohl qualitativ<br />

als auch quantitativ äußerst unterschiedlich.<br />

Auch ihre Verbindlichkeit<br />

ist unterschiedlich geregelt. Am weitesten<br />

geht Niedersachsen mit der Absicht,<br />

künftig die Nichtteilnahme an der<br />

Sprachförderung mit Bußgeld zu ahnden.<br />

Kein Land erwähnt in der Befragung<br />

eine wissenschaftliche Überprüfung<br />

seiner Maßnahmen. Angesichts der<br />

nicht unbeträchtlichen Summen, die in<br />

sie fließen, wäre die Frage nach der Effizienz<br />

aber sicherlich nicht uninteressant.<br />

Angelika Speck-Hamdan<br />

Professorin für Grundschulpädagogik<br />

an der Universität München,<br />

Fachreferentin für Bildungsgerechtigkeit<br />

im Grundschulverband<br />

Flexible Eingangsstufe<br />

Der Grundschulverband hat sich seit vielen<br />

Jahren für die flexible Eingangsstufe<br />

eingesetzt. Im programmatischen Band<br />

»Die Zukunft beginnt in der <strong>Grundschule</strong>«<br />

5) heißt es: »Nach der Konzeption der<br />

›integrativen <strong>Grundschule</strong>‹ müssen nicht<br />

mehr die Kinder ›schulfähig‹, sondern<br />

die Schulen kindgerecht werden« (S. 143).<br />

Vorgeschlagen wird die Aufnahme aller<br />

Sechsjährigen in eine jahrgangsübergreifende<br />

Schulanfängerlerngruppe, die<br />

erstens nicht zu groß und zweitens mit<br />

zusätzlichem Förderpersonal ausgestattet<br />

ist. Das ist der Kerngedanke der in den verschiedenen<br />

Umsetzungen auch mit unterschiedlichen<br />

Bezeichnungen versehenen<br />

Eingangsstufe. Als erstes Bundesland startete<br />

Brandenburg schon im Jahr 1992 mit<br />

einem Pilotprojekt zu einer veränderten<br />

Schuleingangsstufe in diesem Sinn. Was ist<br />

nun, nachdem die Diskussionen sich verändert<br />

haben, aus der »Neuen« oder »Flexiblen«<br />

Eingangsstufe geworden?<br />

Die meisten Länder haben eine<br />

flexible Schuleingangsstufe eingeführt.<br />

Lediglich Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Rheinland-Pfalz bilden<br />

eine Ausnahme. Das Saarland bereitet<br />

die flexible Schuleingangsstufe vor und<br />

erprobt sie in einigen Versuchschulen.<br />

Bayern hat im Schuljahr 2010/2011<br />

mit einem groß angelegten Versuch in<br />

20 Schulen begonnen. Auch Bremen befindet<br />

sich noch im Schulversuchsstadium.<br />

Die Jahrgangsmischung als ein Element<br />

der flexiblen Eingangsstufe ist in<br />

Baden-Württemberg, in Bayern, in Berlin,<br />

in Brandenburg, in Hessen, in Niedersachsen,<br />

in Nordrhein-Westfalen, in<br />

Schleswig-Holstein und in Thüringen<br />

möglich, teils sogar verbindlich. Sachsen<br />

und Sachsen-Anhalt gestalten die<br />

Schuleingangsphase ohne Jahrgangsmischung.<br />

Die flexible Verweildauer<br />

von einem Jahr bis zu drei Jahren kennzeichnet<br />

alle als solche ausgewiesenen<br />

flexiblen Schuleingangsstufen.<br />

Die flexible Schuleingangsstufe hat<br />

sich als Organisationsform in den meisten<br />

Ländern durchgesetzt, entweder als<br />

Option oder als Regelform. Sie passt<br />

insofern in die heutige Bildungspolitik,<br />

als sie für Heterogenität und für individuelle<br />

Förderung ausgelegt ist und damit<br />

zwei Grundanliegen bedient. Sie hat<br />

Unterrichtsformen entwickelt, die der<br />

Vielfalt der Lernvoraussetzungen und<br />

Lernbedingungen der verschiedenen<br />

Kinder gerecht werden und individuelle<br />

Förderung erlauben. Dass die zusätzlich<br />

nötigen personellen Ressourcen dafür<br />

aber vielfach nicht gegeben sind oder<br />

nur über die geschickte Verquickung<br />

mit Inklusions-Bedarfen zu einem Teil<br />

gedeckt werden, ist ein Mangel, der das<br />

Modell der flexiblen Eingangsstufe im<br />

Grunde gefährdet.<br />

Ausblick<br />

Die Regelungen zum Schulanfang im<br />

Jahr 2011 spiegeln die Herausforderungen<br />

unserer Zeit. Bildungsangebote<br />

müssen individuell passen, müssen<br />

aufeinander aufbauen, sich auf die Verschiedenheit<br />

der Kinder einstellen und<br />

ihnen Wege eröffnen, nicht verschließen.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Rossbach, Hans-Günther (2001):<br />

Die Einschulung in den Bundesländern.<br />

In: Faust-Siehl, Gabriele/ Speck-Hamdan,<br />

Angelika (Hrsg.) Schulanfang ohne Umwege.<br />

Frankfurt: Grundschulverband, S. 144 – 174.<br />

(2) Bericht unter: http://www.kmk.org/<br />

fileadmin/pdf/Bildung/AllgBildung/<br />

TagungsberichtNEU.pdf (aufgerufen am<br />

14. 7. 2011).<br />

(3) www.kmk.org/fileadmin/veroeffentli<br />

chungen_beschluesse/2009/2009_06_18-<br />

Uebergang-Tageseinrichtungen-Grund<br />

schule.pdf (aufgerufen am 14. 7. 2011).<br />

(4) Siehe: Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

im Auftrag der Ständigen Konferenz<br />

der Kultusminister der Länder in der<br />

Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung<br />

(Hrsg.) (2010): Bildung in Deutschland<br />

2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit<br />

einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens<br />

im demografischen Wandel. Bielefeld:<br />

Bertelsmann, S. 58 f.<br />

(5) Faust-Siehl, Gabriele u. a. (1996): Die Zukunft<br />

beginnt in der <strong>Grundschule</strong>. Empfehlungen<br />

zur Neugestaltung der Primarstufe.<br />

Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag.<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Horst Bartnitzky<br />

Muss jedes Kind schulfähig sein<br />

oder die Schule kindfähig?<br />

Janine kann bei ihrer Einschulung zwar Buchstaben nachmalen, aber eine Beziehung<br />

zu Lauten ist ihr fremd. Überhaupt: Ihr fehlt die Wahrnehmung, dass<br />

Sprache aus lautlichen Einheiten besteht. Es fehlt ihr die »phonologische Bewusstheit«,<br />

wie es in der Fachliteratur heißt. Die aber ist eine wichtige Bedingung<br />

für den Erwerb der Schriftsprache.<br />

Was also ist zu tun?<br />

●●<br />

Ist Janine vielleicht noch nicht entwickelt<br />

genug für die schulischen Anforderungen<br />

und sollte deshalb vom<br />

Schulbesuch noch ein Jahr zurückgestellt<br />

werden?<br />

●●<br />

Ist hier der Kindergarten in der<br />

Pflicht, solche »Vorläuferfähigkeiten«,<br />

wie es in der Literatur heißt, zu schulen,<br />

etwa durch Reime und Sprachspiele?<br />

●●<br />

Muss die Schule das Fehlende durch<br />

»gezielte Förderung« ausgleichen, früher<br />

in Schulkindergärten oder Vorklassen,<br />

in die Kinder eingeschult wurden,<br />

heute eher in Lernstudios oder in Förderstunden,<br />

zusätzlich zum regulären<br />

Unterricht?<br />

●●<br />

Können die Kinder solche Teilfähigkeiten<br />

in einer anregungsreichen Lernumgebung<br />

der Eingangsklasse auch integrativ<br />

erwerben? Aber was heißt dann<br />

»anregungsreiche Lernumgebung«?<br />

●●<br />

Müssen sich Kitas und Schulen auf<br />

ein Bildungsprogramm verständigen,<br />

das auch den Schriftspracherwerb einschließt?<br />

Sollen Kinder in den Kitas<br />

ihre ersten Schritte in die Schrift auch<br />

gehen können, durch kompetente Lernbegleitung<br />

ermutigt und unterstützt?<br />

Hinter diesen Fragen stecken unterschiedliche<br />

Konzepte und Organisationsformen,<br />

mit deren Hilfe auch Kinder<br />

wie Janine erfolgreich lernen sollen.<br />

Jedes dieser Konzepte ist von einem<br />

spezifischen Blick auf die Schule und<br />

auf die Kinder bestimmt.<br />

Der Blick von der Schule auf die Kinder:<br />

Setzt die Schule ein bestimmtes<br />

Anforderungsprofil an alle Schulanfänger<br />

voraus, dann müssen die geforderten<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten zuvor<br />

erworben sein. Eine Möglichkeit dazu<br />

ist, die notwendigen Fähigkeiten zu<br />

identifizieren und sie als »Vorläuferfähigkeiten«<br />

vorschulisch zu entwickeln.<br />

Eine andere ist die »gezielte Förderung«<br />

in den ersten Wochen der Schulzeit. Die<br />

entscheidende Frage zum Schulstart<br />

lautet hier: Sind die Kinder fähig für die<br />

Schule?<br />

Anders beim Blick von den Kindern<br />

auf die Schule: Die Schule akzeptiert<br />

die Verschiedenheit der Kinder und<br />

entwickelt eine integrative Pädagogik<br />

der Vielfalt und Gemeinsamkeit in einer<br />

anregungsreichen Lernumgebung.<br />

Konsequenter über den Tellerrand der<br />

Institution Schule hinaus gedacht: Es<br />

wird ein gemeinsames Bildungsprogramm<br />

für den Elementar- und Primarbereich<br />

erstellt, ohne für den Zeitpunkt<br />

des Schuleintritts eine Schwelle einzubauen.<br />

Die entscheidende Frage beim<br />

Schulstart lautet hier: Ist die Schule<br />

fähig für die unterschiedlichen Kinder?<br />

Kerns Diagnose<br />

(1951, S. 35):<br />

Links: Kopffüßler,<br />

etwa 4. Lebensjahr,<br />

nicht schulreif.<br />

Mitte: durchgegliederte<br />

Gestalt, also<br />

schulreif.<br />

Rechts Gestalt mit<br />

Einzelheiten, etwa<br />

8. Lebensjahr.<br />

Schon 1999 hatte Sigrun Richter diese<br />

verschiedenen Sichtweisen auf Kind und<br />

Schule mit der Alternative formuliert:<br />

»Schulfähigkeit des Kinder oder Kindfähigkeit<br />

der Schule?« (Richter 1999).<br />

In diesen Zusammenhängen geistert<br />

immer noch ein dritter Begriff in der<br />

Schullandschaft: die »Schulreife«.<br />

Ich gehe im Folgenden diesen verschiedenen<br />

Begriffen und dem damit jeweils<br />

verbundenen Bild vom Kind und von der<br />

Schule nach. Am Ende soll eine Perspektive<br />

für die weitere Entwicklung stehen.<br />

Von der Schulreife zur Schulfähigkeit,<br />

zur Kindfähigkeit der Schule<br />

Schulreife: Die biologistische Theorie<br />

Auch in der ersten Nachkriegszeit gab es<br />

ein Erschrecken darüber, wie viele Kinder<br />

im Laufe ihrer Schulzeit scheitern: 25<br />

bis 40 Prozent der Schüler blieben nach<br />

diversen Angaben im Laufe ihrer Schulzeit<br />

wenigstens einmal sitzen. Die höchste<br />

Quote sei nach Klasse 1 festzustellen,<br />

so Artur Kern 1951 (S. 12). »Sitzenbleiberelend<br />

und Schulreife« titelte er 1951<br />

seine im Weiteren pädagogisch wie politisch<br />

einflussreiche Schrift. Würden Kinder,<br />

die bestimmte Voraussetzung für<br />

den Anfangsunterricht noch nicht haben,<br />

vom Schulbesuch zurückgestellt, dann<br />

könnten sie ihren Reifeprozess ohne Versagenserlebnisse<br />

weiterhin durchlaufen<br />

und im Jahr darauf mit besseren Voraussetzungen<br />

eingeschult werden.<br />

Kern hatte die hohe Sitzenbleiberquote<br />

mit der biologistischen Entwicklungspsychologie<br />

zusammengebracht.<br />

Grundlage war die Annahme, dass sich<br />

die verschiedenen Kompetenzen und<br />

Persönlichkeitsmerkmale beim Kind<br />

jeweils koordiniert entwickeln und<br />

dass dies endogen gesteuert werde. »Jedes<br />

Kind, extrem schwache Begabung<br />

ausgenommen«, so Kern (1951, S. 67),<br />

»erreicht im Laufe seiner Entwicklung<br />

einmal die Entwicklungsphase, der jenes<br />

Leistungsgefüge zugeordnet ist, das<br />

als Voraussetzung für ein erfolgreiches<br />

Durchlaufen der Schule angesetzt wer-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

13


Thema: Schulanfänge 2011<br />

den muss. Das eine Kind kommt lediglich<br />

früher, das andere später zu diesem<br />

Entwicklungspunkt. Insofern ist die<br />

schulische Leistung primär von der<br />

Entwicklung abhängig.«<br />

Da Kern annahm, dass die Fähigkeiten<br />

und Persönlichkeitsmerkmale sich<br />

koordiniert entwickeln, reichten einige<br />

wenige Testaufgaben aus, um auf den<br />

Reifestand zu schließen. Im kognitiven<br />

Bereich war dies vor allem die Gliederungsfähigkeit,<br />

erkennbar zum Beispiel,<br />

wenn Formen nachgezeichnet werden,<br />

beim Männchen- oder Baummalen. Ein<br />

Kind, das einen Menschen als Kopffüßler<br />

zeichnete, war danach noch nicht<br />

schulreif (vgl. Abb. auf S. 13).<br />

Wer nach den Tests nicht schulreif<br />

war, wurde zurückgestellt, um sich<br />

weiter zu entwickeln. Bis in die siebziger<br />

Jahre hinein wurden entsprechend<br />

flächendeckend Schulanfänger getestet<br />

und dann je nach Ergebnis aufgenommen<br />

oder zurückgestellt.<br />

Schulfähigkeit:<br />

Die Instruktionstheorie<br />

In den sechziger Jahren wurde die Reifetheorie<br />

durch die Instruktionstheorie<br />

abgelöst. »Bereits 1962 konnten Kemmler<br />

und Heckhausen nachweisen, dass<br />

die Gliederungsfähigkeit durch Training<br />

verbessert werden kann. Es wurde damit<br />

erkannt, dass diese als bisher sehr<br />

bedeutsam angesehene Fähigkeit keine<br />

stabile Persönlichkeitseigenschaft ist und<br />

auch nicht reifungsabhängig ist, sondern<br />

durch Lernvorgänge beeinflusst werden<br />

kann« (Kammermeyer 2001, S. 98). Mithin<br />

kann die Schulreife des Kindes gefördert<br />

werden. Untersuchungen zum Schulerfolg<br />

bestärkten die Erkenntnis, dass die<br />

Auslese mit Hilfe der Schulreifetests ein<br />

Irrweg war. Brügelmann resümiert die<br />

Untersuchungsergebnisse (2005, S. 67):<br />

»Von Kindern, die nach einschlägigen<br />

Tests als ›nicht schulreif‹ eingestuft und<br />

nicht eingeschult wurden, bleiben bis<br />

zum 9. Schuljahr immerhin 13 % sitzen.<br />

Aus der Kontrollgruppe, die trotzdem<br />

eingeschult wurde, sind es mit 28 % zwar<br />

doppelt so viele. Individuell bedeutsamer<br />

aber ist der Kehrwert: Mit 72 % schafft die<br />

große Mehrheit die Pflichtschulzeit ohne<br />

Wiederholung einer Klasse, wenn sie entgegen<br />

der Testempfehlung eingeschult<br />

wurden. Der Schulreifetest produziert<br />

also fast drei Viertel Fehlprognosen.« In<br />

den 70er- bis 80er-Jahren begründeten<br />

solche Ergebnisse das Ende der flächendeckenden<br />

Schulreifetests.<br />

Dafür setzte unter dem Zeichen der<br />

Instruktionstheorie eine heftige Vorschulerziehung<br />

ein, die wichtige Fähigkeiten<br />

der Kinder trainierte, die ihnen<br />

in der Schule nutzen konnten. Vorschulmappen<br />

mit vielen Übungen zu Buchstaben<br />

und Formen, zu Mengenbegriffen<br />

und Zahlen waren in den Kindergärten<br />

verbreitet, Bücher für Eltern und Materialien<br />

für Kinder gab es überall im Handel.<br />

»Mappenpädagogik«, so wurde diese<br />

Spielart vorschulischer Arbeit ironisch<br />

genannt. (Ähnliche Tendenzen sind im<br />

Übrigen wieder verbreitet, seitdem die<br />

ersten PISA-Ergebnisse eine neue Bildungsdebatte<br />

erzeugt haben.)<br />

Damals, in den Siebzigern und Achtzigern<br />

wurden in nahezu allen Ländern<br />

der alten Bundesrepublik Vorklassen<br />

oder Schulkindergärten eingerichtet, die<br />

dem Alter nach schulpflichtige Kinder<br />

mit Entwicklungsverzögerungen aufnahmen<br />

und förderten (siehe im Einzelnen<br />

Portmann 1988, S. 18ff.). Der Begriff<br />

Schulreife wurde von nun an wegen<br />

seiner Konnotation zum biologistischen<br />

Reifekonzept weniger verwendet; an seine<br />

Stelle trat der Begriff der »Schulfähigkeit«<br />

oder »Schuleignung« im Sinne von:<br />

Fähigkeit des Kindes, den schulischen<br />

Anforderungen gerecht zu werden.<br />

Ähnliche Entwicklungen gab es etwa<br />

zeitgleich auch in der damaligen DDR<br />

(siehe Richter 1999, S. 9).<br />

Schulfähigkeit als Wirkungszusammen<br />

hang:<br />

das ökologisch-systemische Modell<br />

In den achtziger Jahren entwickelte Horst<br />

Nickel ein ökologisch-systemisches<br />

Schulfähigkeitsmodell. Schulfähigkeit<br />

ist danach nicht nur in den Fähigkeiten<br />

des Kindes zu orten, sondern Ergebnis<br />

der wechselseitigen Einflussnahme aus<br />

verschiedenen Systemen: dem Kind und<br />

seiner Familie, der Kindertagesstätte,<br />

der <strong>Grundschule</strong> mit ihren jeweiligen<br />

Einflussgrößen. »Diese Wechselbeziehung«,<br />

so Nickel, »wird ganz besonders<br />

in ökologischen Übergangssituationen<br />

deutlich, in denen sich das Individuum<br />

mit veränderten Lebensumständen konfrontiert<br />

sieht, die von ihm eine aktive<br />

Anpassung erfordern« (1988, S. 47).<br />

Das bedeutet: Tests oder andere Formen<br />

der Feststellung von Leistungen<br />

oder -fähigkeiten vor der Schule oder<br />

zu Beginn der Schulzeit können zwar<br />

einzelne Teilaspekte als besondere Förderaufgaben<br />

erkennen lassen, sie lassen<br />

aber keine verlässliche Prognose über<br />

die Schulfähigkeit des Kindes zu. Vielmehr<br />

wirken in der schulischen Situation<br />

vielfältige Faktoren miteinander, wie<br />

die Einstellung der Eltern zu Kind und<br />

Schule, die pädagogische Zuwendung<br />

der Lehrkraft, ihr didaktisches Konzept,<br />

das sich entwickelnde Schulklima,<br />

der individuelle Erfolg des Kindes und<br />

dessen Würdigung durch Klasse, Lehrkraft,<br />

Eltern, organisatorische Gegebenheiten<br />

der Schule, das Anregungspotential<br />

der Lernumgebung … Diese<br />

neue Sichtweise hatte schulpolitisch<br />

zur Folge, dass Vorschulen oder Schulkindergärten<br />

aufgegeben und nunmehr<br />

alle Kinder, sofern kein medizinischer<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

Vorbehalt vorliegt, in die Schule aufgenommen<br />

werden.<br />

Statt Schulfähigkeit des Kindes:<br />

Kindfähigkeit der Schule<br />

In den letzten zwanzig Jahren hat sich<br />

die Sicht auf das Kind in zweierlei Hinsicht<br />

geändert: Stärker ins Bewusstsein<br />

geriet die Heterogenität der Kinder und<br />

ihr Recht auf ihre Verschiedenheit, ja<br />

auf die pädagogischen Chancen, die<br />

sich aus dieser Verschiedenheit anbieten<br />

(z. B. Speck-Hamdan 2009, S. 258 ff.).<br />

Hierauf fußt der eine pädagogische<br />

Grundsatz: »Chancengleichheit und<br />

Achtung vor dem anderen« (Grundschulverband<br />

2002). Damit ist der Auftrag<br />

formuliert, die Verschiedenheit der<br />

Kinder zu respektieren und sie in ihrer<br />

Verschiedenheit zu fördern. Durch den<br />

völkerrechtlichen Auftrag an die deutsche<br />

Schulpolitik, die inklusive Schule,<br />

also die Schule ohne Ausgrenzung, zu<br />

realisieren, hat dieser pädagogische<br />

Grundsatz schulpolitische Schärfe erhalten<br />

(UN-Konvention 2006).<br />

Hinzu kam die Einsicht, dass Lernen<br />

ein aktiver Vorgang ist. Dieses pädagogische<br />

Axiom wird <strong>aktuell</strong> gestützt durch<br />

die Psychologie des Konstruktivismus<br />

und die moderne Hirnforschung (z. B.<br />

Speck-Hamdan 2009, S. 174 ff.). Hieraus<br />

folgt der zweite Grundsatz: »Lernen<br />

als Selbstaneignung von Welt« (Grundschulverband<br />

2002). Lernen geschieht<br />

nicht durch passives Aufnehmen von<br />

Unterrichtsstoff, sondern ist ein Prozess<br />

eigenaktiver Aneignung von Welt.<br />

Das ökologisch-systemische Modell<br />

hat, auf die Schule und die Klasse bezogen,<br />

seine didaktische Realisierung in der<br />

gestalteten anregungsreichen Lernumgebung.<br />

Sie gibt den Kindern die Anregungen,<br />

die ihrem individuellen Entwicklungsniveau<br />

entsprechen und die sie über<br />

dieses Niveau hinausführen können.<br />

Ein Beispiel zum Schriftspracherwerb:<br />

In der Eingangsklasse wird eine anregungsreiche<br />

Schreib- und Lesewerkstatt<br />

entwickelt, mit Schreibmaterialien,<br />

Schreibanregungen, Schreibtabellen,<br />

mit Büchern unterschiedlicher Art,<br />

Lesezeiten und Leseorten, kommunikativen<br />

Situationen mit Büchern und<br />

Texten. Die Lehrkraft und möglichst<br />

Lesepaten lesen vor, schauen Bilderbücher<br />

an und kommunizieren mit den<br />

Kindern darüber, sie lassen sich vorlesen.<br />

Briefkasten, Klassentagebuch,<br />

Klassenzeitung geben dem Schreiben<br />

und Lesen einen erfahrbaren Sinn.<br />

Bereits am ersten Schultag schreiben<br />

die Kinder ihren Namen und beschriften<br />

damit zum Beispiel ein Selbstporträt.<br />

Sie können ihren Namen vom<br />

Tischreiter abmalen, aber auch auswendig<br />

aufschreiben, jeweils in Großbuchstaben<br />

oder schon mit großem<br />

Anfangsbuchstaben und dann kleinen<br />

Druckbuchstaben. Im weiteren Verlauf<br />

erschreiben schriftentwickelte Kinder<br />

Texte lautentsprechend bereits selber,<br />

auch mit Hilfe einer Schreib- oder Anlauttabelle.<br />

Andere Kinder schreiben<br />

zunächst noch gar nicht. Sie nehmen<br />

aber die Funktion von Schrift und<br />

erste Laut-Buchstaben-Verbindungen<br />

wahr beim Vorlesen, beim Notieren der<br />

Hausaufgaben, beim Artikulieren der<br />

Namen in der Klasse, beim Auffinden<br />

von Namen, die mit M anfangen, in denen<br />

A vorkommt, bei der Zusammenarbeit<br />

mit schreibenden Kindern usw.<br />

Hierdurch beginnen auch sie mit ihrem<br />

Weg in die Schrift.<br />

Der Begriff »Schulfähigkeit« als<br />

Fähig keitsprofil, das Kinder mitzubringen<br />

haben, ist hier nicht mehr tauglich.<br />

Es ist die Kindfähigkeit der Schule,<br />

die darüber entscheidet, ob die Kinder<br />

erfolgreich ihren Lernweg gehen<br />

können.<br />

Zu Diagnostik und Förderung<br />

Mit den schwachen Ergebnissen der<br />

deutschen 15-Jährigen in der PISA-Studie<br />

von 2000, veröffentlicht 2001, wurde<br />

eine neue »empirische Wende« in der<br />

Schulpädagogik ausgerufen. Die jährlichen<br />

flächendeckenden Vergleichsarbeiten<br />

VerA sind eine Maßnahme dieser<br />

Wende. Überhaupt gibt es seit den<br />

zehn Jahren die schulpolitisch gestützte<br />

Annahme, dass man Leistungsstände<br />

genau diagnostizieren und mit Hilfe<br />

der Ergebnisse die Kinder dann »passgenau«<br />

individuell fördern müsse. Eine<br />

Maßnahme in diesem Zusammenhang<br />

sind die Sprachtests bei Vierjährigen<br />

und die dann folgenden Förderkurse<br />

für Kinder, die bei den Tests schwach<br />

abgeschnitten haben.<br />

Unter dem Leitgedanken der Kindfähigkeit<br />

der Schule ist auch über die<br />

Qualität und den Stellenwert von Diagnose<br />

und Förderung für eine erfolgreiche<br />

individuelle schulische Entwicklung<br />

der Kinder nachzudenken.<br />

Zur vorschulischen Sprachförderung<br />

Nachdem bei den internationalen Leistungsstudien<br />

als besondere Risikogruppe<br />

die Kinder mit Migrationshintergrund<br />

erkannt wurden, belebte sich<br />

wieder die Diskussion um die Fähigkeit<br />

dieser Kinder in der deutschen Sprache.<br />

Hieraus entstanden die politischen<br />

Entscheidungen, vor Schuleintritt die<br />

Sprachfähigkeiten der Kinder zu testen<br />

und dann Kinder mit mangelnder<br />

sprachlicher Kompetenz im Deutschen<br />

vorschulisch in externen Sprachkursen<br />

zu fördern. Diese Kurse dauern<br />

zwischen einigen Monaten und einem<br />

Jahr. Die Erwartung, dass dadurch die<br />

Sprachfähigkeiten der Kinder so entwickelt<br />

sind, dass sie im deutschsprachigen<br />

Unterricht auch ohne weitere besondere<br />

Sprachförderung erfolgreich mitarbeiten<br />

können, ist irrig. Sprachförderung<br />

im Deutschen bei Kindern mit nicht<br />

ausreichenden Sprachkompetenzen ist<br />

ein Prozess, der in der Regel auch über<br />

die Grundschulzeit hinaus fortgeführt<br />

werden muss (siehe im Einzelnen: Bartnitzky<br />

/ Speck-Hamdan 2005).<br />

Um mehr Zeit für die Sprachförderung<br />

zu gewinnen, werden in Nordrhein-Westfalen<br />

schon alle Vierjährigen<br />

von Grundschullehrkräften auf ihren<br />

Sprachstand hin getestet. In die Arbeit<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

15


Thema: Schulanfänge 2011<br />

der Kindertagesstätten soll dann die<br />

weitere Sprachförderung einbezogen<br />

werden; für Kinder, die keine Kita besuchen,<br />

werden externe Kurse eingerichtet.<br />

An diesem Beispiel wird zum einen<br />

deutlich, wie die Arbeit in der Kindertagesstätte<br />

von den schulischen Anforderungen<br />

her gedacht wird, bis dahin sogar,<br />

dass die Vierjährigen von Lehrkräften<br />

der <strong>Grundschule</strong> getestet werden,<br />

als seien die Erzieher in den Kitas dazu<br />

nicht in der Lage. Insgesamt dominiert<br />

bei den vorschulischen »Crash-Kursen«<br />

in deutscher Sprache der Gedanke, die<br />

Kinder schulfähig zu machen.<br />

Die kindfähige Kindertagesstätte<br />

und die kindfähige <strong>Grundschule</strong> würden<br />

aber anders vorgehen: Sie würden<br />

sprachliche Bildung auch in Bezug auf<br />

diese Kinder miteinander abgestimmt<br />

definieren. Sie würden sprachliche Situationen<br />

schaffen, in denen die Kinder<br />

sich sprachlich entwickeln können,<br />

und zusätzlich gesteuerte strukturierte<br />

Sprachförderung in kleinen Gruppen<br />

arrangieren. Die Kinder würden dabei<br />

weniger getestet, als vielmehr in Situationen<br />

ihrer Sprachverwendung auf ihre<br />

Sprachentwicklung hin beobachtet.<br />

Zur Schuleingangsdiagnostik<br />

Schuleingangsdiagnostik soll helfen, bei<br />

Schulanfängern Defizite in ihrem Fähigkeitsprofil<br />

zu erkennen, das einen erfolgreichen<br />

Schulanfang gefährdet. Hieraus<br />

sollen dann gezielte Maßnahmen abgeleitet<br />

werden. Häufig geraten »Schulspiele«<br />

oder »Schultests« im Vorfeld des<br />

Schulbeginns aber zu einer sich selbst genügsamen<br />

Veranstaltung. Ihr diagnostischer<br />

und erst recht ihr prognostischer<br />

Aussagewert ist nämlich gering. Abgesehen<br />

von der künstlichen Testsituation,<br />

auf die Kinder unterschiedlich reagieren,<br />

entwickeln sich Kinder bis zum ersten<br />

Schultag weiter und der ökologisch-systemische<br />

Wirkzusammenhang im schulischen<br />

Feld ist zum Testzeitpunkt überhaupt<br />

nicht zu erfassen.<br />

Ein Beispiel: Da wird die Aussagekraft<br />

eines diagnostischen Verfahrens<br />

damit belegt, dass Kinder, die in einem<br />

Bereich als leistungsschwach identifiziert<br />

wurden, auch nach einer gewissen<br />

Schulzeit in diesem Bereich immer noch<br />

leistungsschwach sind. Das Resümee<br />

lautet: »Von 26 Kindern, die am Ende<br />

des zweiten Schuljahres zu den 15 %<br />

schwächsten Lesern oder Rechtschreibern<br />

gehörten, konnten schon 10 Monate<br />

vor der Einschulung 21 richtig klassifiziert<br />

werden« (Scheerer-Neumann<br />

nach Kammermeyer 2001, S. 127).<br />

Solche prognostischen Aussagen sind<br />

unter zwei Aspekten zu relativieren:<br />

Erstens müssen sie immer auf die<br />

Qualität des Unterrichts bezogen werden,<br />

an dem die untersuchten Schülerinnen<br />

und Schüler teilgenommen haben.<br />

Kinder können in einem anregungsreichen<br />

Unterricht erfolgreich sein, während<br />

sie im Fall des rigiden Frontalunterrichts<br />

scheitern; sie können sich in<br />

einem von Zuneigung, Kooperation und<br />

Fröhlichkeit bestimmten Klassenklima<br />

anders entwickeln als in einem angespannten<br />

stressbestimmten Klima.<br />

Zweitens ist die Aussage für sich<br />

noch kein Hinweis darauf, dass Kinder<br />

im Unterricht nichts gelernt haben. Die<br />

Feststellung, dass schon vorschulisch<br />

leistungsschwächere Kinder auch nach<br />

einem Schuljahr zu den schwächsten<br />

Schülerinnen und Schülern gehören,<br />

sagt nur aus, dass diese Kinder in der<br />

Leistungshierarchie nach wie vor weiter<br />

unten rangieren. Es sagt aber nichts darüber<br />

aus, ob diese Kinder in dem einen<br />

Jahr nicht dazu gelernt haben. Und dies<br />

ist die didaktisch entscheidende Frage.<br />

Brügelmann berichtet über die Entwicklung<br />

grundlegender Leseleistungen<br />

auf der Datengrundlage von 18.083<br />

Kindern der Klassen 2, 3 und 4 (2006,<br />

S. 171 ff.). Als Test diente der Stolperwörter-Lesetest<br />

von Metze. Ein Ergebnis war,<br />

dass die meisten Schülerinnen und Schüler<br />

erhebliche Fortschritte machten, auch<br />

die aus den unteren Leistungsgruppen.<br />

»Pädagogisch gesehen«, so resümiert<br />

Brügelmann, »sind die Fortschritte jeder<br />

Teilgruppe bedeutsamer als die Abstände<br />

innerhalb der Gesamtgruppe. Das gilt<br />

für leistungsschwache SchülerInnen generell<br />

und es gilt im Besonderen auch für<br />

Migrantenkinder … Bei einer Karawane<br />

verwundert es niemanden, wenn der, der<br />

zuletzt auf die Reise gegangen ist, auch<br />

als letzter ankommt. Bedeutsamer ist der<br />

Weg, den jeder Einzelne und die Karawane<br />

als Ganze geschafft haben« (2006,<br />

S. 183). Brügelmann spricht deshalb vom<br />

»Karawaneneffekt« bei der Leistungsentwicklung.<br />

Schuleingangsdiagnostik kann den<br />

Blick für die Unterschiedlichkeit in<br />

den Entwicklungsständen der Kinder<br />

schärfen und auf besondere Fördernotwendigkeiten<br />

aufmerksam machen.<br />

Dies ist besonders dann auch für Lehrerinnen<br />

und Lehrer hilfreich, wenn sie<br />

Entwicklungen verdeutlichen können.<br />

Beispiele und Anregungen für eine<br />

Diagnostik, die Entwicklungsprozesse<br />

in der Schuleingangsstufe begleitet und<br />

in den Unterricht integriert ist, legte der<br />

Grundschulverband in seinem Projekt<br />

»Pädagogische Leistungskultur« vor<br />

(Bartnitzky u. a. 2005).<br />

Zu Fördermaßnahmen<br />

Die Rede von der »gezielten« oder »passgenauen«<br />

Förderung findet sich in offiziellen<br />

Verlautbarungen und verstärkt in<br />

der Werbung der Schulmedien-Verlage<br />

für ihre Produkte. Das dort angebotene<br />

Material folgt häufig einem elementistischen<br />

Konzept von Förderung, wie dies<br />

mit dem Begriff der »gezielten Förderung«<br />

formuliert wird: Diagnostisch<br />

wird ein Defizit in einer Teilfertigkeit<br />

festgestellt, darauf wird mit einer darauf<br />

bezogenen Fördermaßnahme reagiert.<br />

Ein Beispiel: Viele Schulanfänger, wie<br />

Janine im Eingangsbeispiel, haben noch<br />

keine phonologische Bewusstheit entwickelt.<br />

Elementistische Förderung sucht<br />

nach Übungen, um diese Teilfähigkeit<br />

der Schriftsprache isoliert zu üben:<br />

Reimwörter suchen, Silbenklatschen, um<br />

kurze und lange Wörter zu unterscheiden,<br />

Wörter mit gleichem Anfangsbuchstaben<br />

sammeln. Diese Übungen sind<br />

durchaus zweckmäßig, doch fehlt ihnen<br />

der sinnhafte Bezug, der sie für Kinder<br />

in den Zusammenhang mit Lesen und<br />

Schreiben bringt. Es fehlt der systemische<br />

Zusammenhang: Ihn schafft zuallererst<br />

die wichtigste Lernvoraussetzung<br />

für den Schriftspracherwerb. Nämlich,<br />

dass Kinder gute Gründe haben, sich der<br />

Mühsal des Erschreibens und Erlesens<br />

zu unterziehen.<br />

Gute Gründe erwerben sie durch erwachsene<br />

Vorbilder, denen Lesen und<br />

Schreiben wichtig ist, durch Vorgelesen-<br />

Bekommen, durch eigenes Verschriften<br />

mit den verschiedenen Strategien im<br />

Schriftspracherwerbsprozess, durch<br />

Funktionen, die das eigene Verschriften<br />

hat, nämlich eine Botschaft für andere,<br />

ein Einkaufszettel, eine Merknotiz und<br />

anderes mehr. Systemische Förderung<br />

hat hier ihren ersten und tragenden<br />

Schwerpunkt.<br />

Anstelle isolierten Übens von Teilfähigkeiten<br />

gestaltet eine ökologisch-<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Thema: Schulanfänge 2011<br />

systemische Förderung eine anregende<br />

Lernumgebung, hier: eine Lese-Schreibkultur<br />

in der Klasse, und vermittelt<br />

gute Gründe für das Schreiben und Lesen.<br />

Die Teilfähigkeiten sind dann eine<br />

Funktion im systemischen Zusammenhang<br />

schriftsprachlichen Handelns.<br />

Das Ganze ist eben auch hier mehr als<br />

die Summe seiner Teile. Und auf das<br />

Ganze, nämlich die schriftsprachliche<br />

Handlungsfähigkeit der Kinder, muss<br />

schließlich alles abzielen.<br />

Der Grundschulverband entwickelt<br />

derzeit für ein solches integratives<br />

Förderkonzept Materialien und Anregungen.<br />

Für die Eingangsstufe wird es<br />

unter dem Titel »Individuell fördern<br />

– Kompetenzen stärken« 2012 als Mitgliederband<br />

erscheinen.<br />

Perspektiven<br />

Dass Kinder als Persönlichkeit verschieden<br />

und in ihren Fähigkeiten heterogen<br />

sind, dass Kinder bei gleichem<br />

Lebensalter um mehrere Entwicklungsjahre<br />

auseinander sein können, all das<br />

ist inzwischen allgemein anerkannt.<br />

Ebenso ist die Sichtweise zu erkennen,<br />

dass der Unterschiedlichkeit der Kinder<br />

zum Schulbeginn durch einen differenzierten<br />

Unterricht Rechnung zu tragen<br />

ist. Soweit die generelle Tendenz.<br />

Dann aber sind die Möglichkeiten,<br />

die schulpolitisch der Schule gegeben<br />

werden, oft nur halbherzig, wie das Beispiel<br />

der Schuleingangsstufe zeigt. Die<br />

Sichtweise ändert sich zwar, die zur<br />

Realisierung notwendigen Ressourcen<br />

und Unterstützungen für die Eingangsklassen<br />

bleiben aber zumeist aus.<br />

Das Bildungsverständnis wird oft<br />

noch von einem Schulfähigkeitsprofil geleitet<br />

statt von langfristigen kontinuierlichen<br />

Bildungsprozessen und Abstimmungen<br />

zwischen den Institutionen.<br />

Zum Beispiel wird von Vorläuferfähigkeiten<br />

gesprochen, die »phonologische<br />

Bewusstheit« ist das prominenteste Beispiel<br />

dafür. Aber welche Sichtweise auf<br />

den Elementarbereich beinhaltet ein solcher<br />

Begriff: Schafft die Kita nur die Vorläufer,<br />

bis dann in der Schule das eigentliche<br />

Lernen beginnt? Definiert sich also<br />

die Kita von den schulischen Anforderungen<br />

her? Tatsächlich beginnt für viele<br />

Kinder der Weg in die Buchstabenschrift<br />

und in die Zahlen und in vieles andere<br />

schon in der Familie und sollte professionell<br />

in der Kita begleitet bzw. angeregt<br />

werden. Auch hier kommt es auf eine anregungsreiche<br />

Lernumgebung an, in der<br />

Kinder auch mit Sprache experimentieren,<br />

erste Schritte in die Schrift machen,<br />

Erwachsene als Lese- und Schreibvorbilder<br />

erfahren. Das sind nicht Vorübungen<br />

für die Schule, sondern eigenständige<br />

Entwicklungen der Kompetenzen, die<br />

Kinder dann in der Schule weiterführen.<br />

Die kindfähige <strong>Grundschule</strong> braucht<br />

andere Strukturen und ein neues Bildungsverständnis:<br />

●●<br />

ein Bildungsverständnis, das zumindest<br />

mit dem Eintritt in die Kindertagesstätte<br />

beginnt und das Bildung als<br />

einen langfristig wirksamen, individuellen<br />

Prozess begreift, wie dies zum<br />

Beispiel die Bildungspläne in Thüringen<br />

und Hessen formulieren (weitere sind<br />

in Arbeit, so in Bayern und Nordrhein-<br />

Westfalen);<br />

●●<br />

Abstimmungen zwischen den so verstandenen<br />

kindfähigen Kindertagesstätten<br />

und <strong>Grundschule</strong>n;<br />

●●<br />

eine Schuleingangsstufe, jahrgangsübergreifend,<br />

mit kleineren Lerngruppen<br />

als die heutigen Klassengrößen und<br />

der Zusammenarbeit von Lehrkraft,<br />

sozialpädagogischer und sonderpädagogischer<br />

Fachkraft;<br />

●●<br />

den pädagogisch abgestimmten<br />

Ganztag, der Kindern mehr Zeit zum<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, H. / Brügelmann, H. / Hecker, U. /<br />

Schönknecht, G. (2005) (Hrsg.): Pädagogische<br />

Leistungskultur: Materialien für die Klasse 1<br />

und 2. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Bartnitzky, H. / Speck-Hamdan, A. (2005)<br />

(Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache lernen.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Brügelmann, H. (2005): Schule verstehen und<br />

gestalten. Konstanz: Libelle.<br />

Brügelmann, H. (2006): Grundlegende<br />

Leseleistungen und der »Karawanen-Effekt«<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. In: Bartnitzky, H. u. a.<br />

(Hrsg.): Lesekompetenz. Frankfurt a. M.:<br />

Grundschulverband.<br />

Grundschulverband (2002): Neun Prinzi pien<br />

zeitgemäßer Grundschularbeit. Wieder<br />

abgedruckt in: Bartnitzky, H. / Hecker, U.<br />

(Hrsg.) (2010): Allen Kindern gerecht werden.<br />

Aufgabe und Wege. Frankfurt a. M.: Grundschulverband,<br />

S. 2002 – 2005.<br />

Kammermeyer, G. (2001): Schulfähigkeit. In:<br />

Faust-Siehl, G. / Speck-Hamdan, A. (Hrsg.):<br />

Schulanfang ohne Umwege. Frankfurt a. M.:<br />

Grundschulverband, S. 96 – 118.<br />

Kern, A. (1951): Sitzenbleiberelend und Schulreife.<br />

Freiburg: Herder.<br />

Dr. Horst Bartnitzky<br />

Grundschulpädagoge, Autor von<br />

Schul- und Fach büchern, Ehren -<br />

mitglied des Grundschulverbandes<br />

Lernen, zum Miteinandersprechen,<br />

zum Spielen, zum angeleiteten und<br />

zum freien Arbeiten, zur Anspannung<br />

und Entspannung bietet als die heutige<br />

Stundentafel oder die Zweiteilung von<br />

Unterricht und Betreuung;<br />

●●<br />

eine Schuldidaktik, die die zurzeit<br />

viel besprochenen »guten Aufgaben« in<br />

eine anregungsreiche Lernumgebung<br />

einbetten und Förderung als eine integrative<br />

Kernaufgabe von allem Unterricht<br />

versteht;<br />

●●<br />

auch in der weiteren Grundschulzeit<br />

eine pädagogische Leistungskultur, die<br />

alle Kinder in ihren individuellen Entwicklungen<br />

wahrnimmt, würdigt und<br />

fördert sowie eine längere Zeit gemeinsamen<br />

Lernens.<br />

Nickel, H. (1988): Die »Schulreife«. Kriterien<br />

und Anhaltspunkte für Schuleingangsdiagnostik<br />

und Einschulungsberatung. In:<br />

Portmann, R. (Hrsg.): Kinder kommen zur<br />

Schule. Frankfurt a. M.: Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>.<br />

Portmann, R. (1988): Überblick über Richtlinien<br />

und Regelungen der Bundesländer<br />

zur Einschulung. In: Portmann, R. (Hrsg.):<br />

Kinder kommen zur Schule. Frankfurt a. M.:<br />

Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>.<br />

Richter, S. (1999): »Schulfähigkeit des<br />

Kindes« oder »Kindfähigkeit der Schule«?<br />

In: Brügelmann, H. u. a. (Hrsg.): Jahrbuch<br />

<strong>Grundschule</strong>. Fragen der Praxis – Befunde<br />

der Forschung. Frankfurt a. M. : Grundschulverband<br />

1999, S. 7 – 29.<br />

Speck-Hamdan, A. (2009): In: Bartnitzky, H.<br />

u. a. (Hrsg.) (2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband. Stichwörter:<br />

Entwicklung und Lernen, S. 170 – 211.<br />

Heterogenität und Integration, S. 258 – 289.<br />

UN-Konvention über die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen (2006), in Deutschland<br />

durch Ratifizierung 2008 in Kraft getreten.<br />

(Siehe z. B. den Eintrag bei Wikipedia)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

17


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Rosemarie Köhler<br />

Herausforderung der Kinder? Ja bitte!<br />

Förderhysterie? Nein danke!<br />

»Sei gefälligst leise, du störst mich, ich bin die Gymnasialempfehlung«, sagt Isabelle<br />

(Kl. 4) zu ihrem Klassenkameraden. Die Rivalisierung der Kinder spiegelt<br />

die Befürchtung vieler Eltern wider, dass ihre Kinder im Wettbewerb um einen<br />

guten Ausbildungs- und Arbeitsplatz keine gute Ausgangsposition haben und<br />

unterliegen könnten.<br />

Rosemarie Köhler<br />

Grund-, Haupt- und Förderschullehrerin,<br />

Fortbildungsbeauftragte<br />

bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde,<br />

Lehrbeauftragte<br />

an der TU Braunschweig.<br />

In ihrem Buch »Arme Superkinder –<br />

Wie unsere Kinder der Wirtschaft<br />

geopfert werden« analysiert Felicitas<br />

Römer, welch ungeheurer Druck auf<br />

Kinder und Eltern ausgeübt wird und<br />

wie die allseitigen Interessen am Kind<br />

den Alltag von Familien heute prägen.<br />

Sie kritisiert den elterlichen »Förderwahn«,<br />

der z. T. bereits als »pränatale<br />

Frühförderung« beginnt und sich in<br />

schulischen und außerschulischen Institutionen<br />

fortsetzt. Ihr Buch macht<br />

Eltern Mut, der zunehmenden Instrumentalisierung<br />

des Kindes entgegenzuwirken<br />

und den eigenen Intuitionen<br />

und dem eigenen gesunden Menschenverstand<br />

zu vertrauen. 1)<br />

»Frühförderung kann Kindern schaden«,<br />

sagt Elsbeth Stern, Lehr- und<br />

Lernforscherin an der ETH Zürich. »Eltern<br />

sind nicht die Architekten des Kindergehirns.<br />

Kinder sind eigenständige<br />

Persönlichkeiten. Negative psychische<br />

Folgen sind möglich, wenn Kinder von<br />

Eltern in eine Rolle gezwängt werden.« 2<br />

Der Zwiespalt – einerseits die Gelassenheit,<br />

ihre Kinder unbeschwert aufwachsen<br />

zu lassen, und andererseits die Unsicherheit,<br />

dass ihre Kinder den Anforderungen<br />

der Zukunft nicht gewachsen<br />

sein könnten – lässt viele Eltern<br />

im Konfliktfall eher an ihren Kindern<br />

zweifeln als an den Anforderungen<br />

und den Umständen. Viele Kinder, die<br />

den Anforderungen inklusive »Förderwahn«<br />

3) nicht in der geforderten Weise<br />

nachkommen können, werden »behandelt«.<br />

Der schmale Grat zwischen<br />

Herausforderung und Überforderung<br />

bzw. »Überförderung«<br />

Nicht nur in seinem letzten Buch »Lasst<br />

eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn<br />

in der Erziehung« schlägt der<br />

kürzlich verstorbene Kinder- und Familientherapeut<br />

Wolfgang Bergmann<br />

vor, dass Eltern Zeit mit ihren Kindern<br />

verbringen und spielen, vorlesen, sich<br />

bewegen, Quatsch machen, Spaß haben<br />

und vor allem miteinander sprechen.<br />

Förderprogramme haben Lernziele.<br />

»Das Erkunden des Gegenstandes<br />

ist immer auch ein Finden der eigenen<br />

Fähigkeiten. Ein dynamischer, kein<br />

starrer Vorgang.« 4) Der innere Impuls<br />

eines Kindes erfährt keine Bestätigung,<br />

wenn die Aufmerksamkeit, mit der es<br />

sich neugierig einem Gegenstand nähert<br />

und dabei vielleicht auch Angst<br />

überwindet, auf das von Erwachsenen<br />

vorgesehene Ziel gelenkt wird. Gut gemeinte<br />

frühe Förderung eines Bereiches<br />

kann zugleich eine Reduzierung der<br />

Vielseitigkeit der Kinder bedeuten.<br />

Statt Lenkung und Kontrolle gilt<br />

es, Kinder liebevoll und vertrauensvoll<br />

zu begleiten, wenn sie sich den<br />

Menschen und Dingen zuwenden. So<br />

gemachte Erfahrungen bewirken ein<br />

starkes Selbstwertgefühl und sicheres<br />

Körpergefühl. Eine Lehrerin hat ihre<br />

Aufgabe insbesondere am Schulstart<br />

so beschrieben: »Schulfähigkeit ist das<br />

Glück, das ein Kind braucht, um Lehrerinnen<br />

und Lehrer zu treffen, die dem<br />

Kind wohl gesonnen sind, Geduld und<br />

einen langen Atem haben und die das<br />

Kind ermutigen« (Brigitte Walkling).<br />

Schulfähigkeit bezieht sich so gesehen<br />

auf die Haltung und Fähigkeiten der<br />

Lehrerinnen und Lehrer und könnte<br />

auch als »Kinderfähigkeit« bezeichnet<br />

werden.<br />

Gesunde Sinnesentwicklung –<br />

eine Voraussetzung für<br />

erfolgreiches Lernen<br />

Neben den wichtigen Grundvoraussetzungen<br />

»Emotionale Stabilität« und<br />

»Bindungs fähigkeit« gilt auch eine gesunde<br />

Sinnesentwicklung als Kriterium<br />

für erfolgreiches Lernen. Selbstachtung,<br />

Selbstkontrolle und Selbstvertrauen<br />

entwickeln sich in dem Bewusstsein,<br />

dass der Körper als ein zuverlässiges<br />

sensomotorisches Gebilde existiert,<br />

was wiederum von einer guten sensorischen<br />

Integration des Nervensystems<br />

herrührt. Und umgekehrt sind Motivation,<br />

ein ausgeglichenes Gefühlsleben,<br />

Lernfreude, Neugier, Ausdauer und<br />

Selbstvertrauen sowie die altersangemessene<br />

Entwicklung in den Bereichen<br />

Wahrnehmung, Motorik und Sprache<br />

Voraussetzungen für erfolgreiches<br />

Lernen. 5)<br />

Unsere Sinnesorgane nehmen aus dem<br />

eigenen Körper und der Umwelt Reize<br />

auf und ordnen diese. Das wird als<br />

sensorische Integration bezeichnet. Unser<br />

Gehirn stellt fest, woher die Reize<br />

kommen, sortiert und reguliert ihren<br />

Verlauf und kann dann daraus Wahrnehmungen<br />

ableiten. 6) Jean Ayres unterscheidet<br />

die – uns meist gut bekannten<br />

– Fernsinne: Hören und Sehen und<br />

die – uns meist weniger gut bekannten<br />

– Basissinne bzw. körpernahen Sinne:<br />

Gleichgewichtssinn, Eigenwahrnehmung<br />

und Haut. 7)<br />

Vor mehr als 2000 Jahren hat Aristoteles<br />

die sinnliche Wahrnehmung<br />

eines Dinges als ersten Schritt auf dem<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Weg zur Erkenntnis bezeichnet und die<br />

fünf Sinne Sehen, Hören, Schmecken,<br />

Riechen und Tasten definiert. Erst vor<br />

ca. 100 Jahren wurde der »Körpersinn«<br />

(Gleichgewicht und Eigenwahrnehmung)<br />

definiert. Dadurch wurde erklärbar,<br />

dass Blinde die Lage und die<br />

Bewegung ihres Körpers wahrnehmen<br />

und zielgerichtet agieren können.<br />

Die Basissinne (körpernahe Sinne)<br />

●●<br />

Vestibuläres System, d. h. Wahrnehmung<br />

der Schwerkraft, der Drehbewegungen<br />

und der horizontalen und vertikalen<br />

Beschleunigung (Gleich gewichtsorgan<br />

im Innenohr)<br />

Unser Gleichgewichtssinn liegt im<br />

Innenohr und besteht aus der so genannten<br />

Schnecke und den drei Bogengängen.<br />

Durch das mit Flüssigkeit<br />

gefüllte Innenohr können wir Schwingungen<br />

wahrnehmen, die an unser Gehirn<br />

weitergeleitet werden. Vom Gehirn<br />

wiederum erhalten unsere Muskeln<br />

und Gelenke entsprechende Botschaften,<br />

mit welchen Bewegungen wir unser<br />

Gleichgewicht halten können. Wenn<br />

wir nach einer längeren Schifffahrt<br />

wieder festen Boden unter den Füßen<br />

haben, haben wir dennoch die Wahrnehmung,<br />

nicht im Gleichgewicht zu<br />

sein und nehmen den festen Boden als<br />

schwankend wahr. Kindern mit Beeinträchtigungen<br />

des Gleichgewichtssinns<br />

kann es z. B. schwerfallen, ruhig auf<br />

einem Stuhl zu sitzen oder Roller zu<br />

fahren. Klettern, Rutschen, Schaukeln,<br />

etc. stellen für Kinder mit Schwerkraftbeeinträchtigungen<br />

kein Vergnügen<br />

dar.<br />

● ● Propriozeptives System oder Tiefensensibilität<br />

oder Eigenwahrnehmung<br />

(Rückmeldung über Muskeln, Sehnen<br />

und Bänder)<br />

Durch unsere Eigenwahrnehmung,<br />

d. h. die Rückmeldung über Muskeln,<br />

Sehnen und Bänder, wissen wir, wo sich<br />

unsere Körperteile befinden und können<br />

uns angemessen bewegen. Wenn<br />

wir z. B. beim Treppensteigen bereits<br />

oben angekommen sind, allerdings<br />

glauben, noch eine Stufe gehen zu müssen,<br />

stolpern wir mehr oder weniger, obwohl<br />

es keine Unebenheiten gibt. Unser<br />

Gehirn hatte gemeldet »Bein anheben«,<br />

und als die entsprechende Antwort<br />

»Treppenstufe« ausblieb, kamen wir ins<br />

Stolpern. Es kann sein, dass Kinder mit<br />

Beeinträchtigungen der Eigenwahrnehmung<br />

z. B. öfter auf ihrem Stuhl hinund<br />

herrutschen, da sie sich erst durch<br />

diese Bewegungen spüren können.<br />

●●<br />

Taktiles System, Berührungs- oder<br />

Empfindungssinn (Haut)<br />

Das taktile System – unsere Haut – ist<br />

das ausgedehnteste Sinnesorgan unseres<br />

Körpers. Es ist das erste sensorische<br />

System, das sich im Mutterleib entwickelt<br />

und das bereits voll funktioniert,<br />

wenn optische und akustische Systeme<br />

sich erst zu entwickeln beginnen. Verschiedene<br />

Kinder brauchen verschieden<br />

intensive Hautreize. Einige benötigen<br />

eher leichte, oberflächliche Berührungen,<br />

und andere benötigen Berührungen,<br />

die fester sind und mehr in die<br />

Tiefe gehen (siehe auch: Eigenwahrnehmung).<br />

Der Tastsinn – das »Begreifen«<br />

– ist eine wichtige Grundlage für<br />

motorische Handlungen. Eine wichtige<br />

Funktion des taktilen Systems ist die<br />

Wahrnehmung von Temperatur und<br />

Schmerz, die individuell sehr verschieden<br />

ist.<br />

Fernsinne<br />

●●<br />

Auditives oder akustisches System<br />

(Ohren)<br />

Geräusche erzeugen in der Luft Wellen.<br />

Diese Schallwellen treffen auf unser<br />

Ohr und werden über das Trommelfell<br />

zum Innenohr weitergeleitet. Von dort<br />

gelangen die Informationen über den<br />

Gehörnerv zum Gehirn. Kindern mit<br />

Beeinträchtigungen des auditiven Systems<br />

kann es schwerfallen festzustellen,<br />

woher die Geräusche kommen und<br />

wie weit sie entfernt sind. Es kann auch<br />

sein, dass diese Kinder Schwierigkeiten<br />

haben, aus mehreren gleichzeitigen und<br />

verschieden intensiven Geräuschen das<br />

zurzeit wichtigste Geräusch »herauszufiltern«,<br />

z. B. die Stimme einer Mitschülerin<br />

oder eines Mitschülers im Klassenraum.<br />

●●<br />

Visuelles oder optisches System<br />

(Augen)<br />

Die Netzhaut unseres Auges nimmt<br />

die Lichtwellen aus unserer Umwelt<br />

wahr. Die Nervenzellen der Netzhaut<br />

leiten diese Informationen über den<br />

Sehnerv an das Gehirn weiter. Im Gehirn<br />

werden diese Impulse verarbeitet<br />

und in Beziehung gesetzt zu anderen<br />

Typen von Sinnesinformationen, besonders<br />

denen der Muskeln, Bänder<br />

und Gelenke sowie des Gleichgewichtssystems.<br />

8) Die Netzhautbilder beider<br />

Augen sind geringfügig verschieden.<br />

Durch die Verschmelzung in der<br />

Sehrinde entsteht ein räumliches Bild<br />

(binokulares Sehen). Funktionen des<br />

primären Sehfeldes der Sehrinde sind<br />

das Farben sehen, die Richtungslokalisation<br />

sowie die Feststellung der Konturen<br />

und inneren Strukturierung des<br />

Wahrgenommenen. Die visuelle Wahrnehmung<br />

erfolgt erst in den sekundären<br />

Sehfeldern. In ihnen sind beide Gesichtshälften<br />

repräsentiert, sie stehen<br />

über Fasern des so genannten Balkens<br />

des Gehirns (Corpus callosum) miteinander<br />

in Verbindung.<br />

Ein weiterer Fernsinn ist Riechen bzw.<br />

Schmecken.<br />

Die gesunde Entwicklung der Basissinne<br />

ist eine wichtige Voraussetzung<br />

für die gesunde Entwicklung der<br />

Fernsinne.<br />

Natürlich hat unser Körper Kompensationsmöglichkeiten,<br />

z. B. »lesen« blinde<br />

Menschen mit Hilfe ihres Tastsinns.<br />

Und doch gilt: »Das nächste Entwicklungsniveau<br />

wird erreicht, wenn die<br />

drei Grundsinne – vestibulär, propriozeptiv<br />

und taktil – in das Wahrnehmungsschema<br />

des Körpers einbezogen<br />

sind und wenn die Koordination der<br />

beiden Körperhälften, die motorische<br />

Planung, die Aufmerksamkeitsspanne,<br />

konstantes Aktivitätsniveau und<br />

Gefühlsstabilität erreicht sind.« 9) »Das<br />

Kind kann sehen und hören, aber die<br />

Grundordnung seines Nervensystems<br />

beruht mehr auf den grundlegenden<br />

Sinneseinwirkungen, die von den vestibulären,<br />

propriozeptiven und taktilen<br />

Sinnesreizen ausgehen.« 10) Auditive<br />

und visuelle Empfindungen werden erst<br />

später mit den drei Basissinnen in Beziehung<br />

gebracht, und so wird unter anderem<br />

z. B. die Entwicklung der Auge-<br />

Hand-Koordination möglich, die für<br />

das Schreiben eine so wichtige Voraussetzung<br />

ist.<br />

Wenn ein Kind nicht über eine altersangemessene<br />

Wahrnehmungsfähigkeit<br />

verfügt, ist es u. a. wichtig herauszufinden,<br />

inwieweit die drei Basissinne ent-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

19


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Alltägliche Möglichkeiten,<br />

Kinder herauszufordern und zu begleiten<br />

Sicherheit gewinnen im<br />

grob motorischen Bereich<br />

Gleichgewicht bewahren –<br />

Bewegungen koordinieren –<br />

Geschicklichkeit erwerben<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

balancieren<br />

Treppen hinauf- und hinuntergehen,<br />

vorwärts und rückwärts<br />

hüpfen<br />

laufen<br />

Ballspiele: Fangen und Werfen<br />

Fangspiele<br />

Überspringen von Hindernissen<br />

Sicherheit gewinnen im<br />

fein motorischen Bereich<br />

Hand- und Augenbewegungen steuern<br />

und koordinieren – Geschicklichkeit<br />

erwerben<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

mit Sand spielen<br />

kneten<br />

ausschneiden<br />

Papier reißen, falten, flechten<br />

Perlen auffädeln<br />

mit Bausteinen Türme so hoch wie<br />

möglich bauen; Bauen von Brücken,<br />

Hütten, Häusern, Zäunen, Möbeln,<br />

Fahrzeugen usw.<br />

bauen ohne Vorlagen<br />

Mikado<br />

Fingerspiele, selbst Fingerspiele<br />

erfinden<br />

backen, abwiegen, schütten, Obst<br />

und Gemüse schneiden<br />

Taktile Wahrnehmungsfähigkeit<br />

●●<br />

verschiedene Gegenstände tastend<br />

erkennen, fühlen und benennen<br />

●●<br />

zuordnen nach Kriterien,<br />

z. B. alles was glatt, rau, rund,<br />

viereckig usw. ist<br />

Auditive Wahrnehmungsfähigkeit<br />

●●<br />

Geräusche erkennen<br />

●●<br />

Geräuschquellen erkennen und<br />

die Richtung zuordnen<br />

●●<br />

hohe und tiefe Töne unterscheiden<br />

●●<br />

verschieden gefüllte Flaschen<br />

geben unterschiedliche Klänge:<br />

sortieren<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

beim Singen den Rhythmus<br />

klatschen<br />

Takt klopfen, hopsen, gehen<br />

Reime hören und selbst finden<br />

Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit<br />

● ● »Ich sehe was, was du nicht siehst.«<br />

●●<br />

Wie sieht der andere aus?<br />

●●<br />

sortieren nach Farbe, Form, Größe<br />

●●<br />

Puzzle mit und ohne Vorlage<br />

●●<br />

Muster erfinden und übertragen<br />

●●<br />

Finden von Spiegelbildern, von<br />

Unterschieden in ähnlichen Bildern<br />

Sprach- und Sprechfähigkeit<br />

sowie Begriffsbildung<br />

Sprechfähigkeit bedeutet verständlich<br />

und laut-treu sprechen zu können.<br />

Sprachfähigkeit bedeutet sich selbst<br />

zunehmend grammati kalisch richtig<br />

äußern zu können.<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

Zungenbrecher, Reime, Abzählverse<br />

Erzählen von Erlebnissen<br />

Gehörtes mit eigenen Worten<br />

nacherzählen<br />

Nacherzählen von kurzen<br />

Geschichten<br />

Mitteilen von Spielaktivitäten,<br />

Spielvorhaben und Spielgeschehen<br />

Was hat dich geärgert?<br />

Warum bist du traurig?<br />

Was war dein schönstes Tageserlebnis?<br />

Mengenverständnis<br />

●●<br />

Vergleichen, Abzählen, Aufteilen<br />

von Mengen<br />

●●<br />

Domino<br />

●●<br />

Würfelspiele<br />

●●<br />

Sortieren von Kugeln, Knöpfen,<br />

Wollfäden, Blättern und anderem<br />

Material nach Länge, Farbe, Dicke<br />

usw.<br />

Konzentration, Ausdauer<br />

und Merkfähigkeit<br />

●●<br />

Figuren nachzeichnen<br />

●●<br />

Bilderlotto<br />

●●<br />

Sortier-, Geduld- und Merkspiele<br />

(Memory, »Ich packe meinen<br />

Koffer« etc.)<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

Kim-Spiele: Eine Menge von<br />

Gegenständen wird angeschaut,<br />

verdeckt und verändert:<br />

Was fehlt?<br />

Was hat sich geändert?<br />

Murmelspiele<br />

Such- und Zuordnungsbilder<br />

20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

wickelt sind. Es ist sinnlos, Kinder etwas<br />

»üben« zu lassen, was sie nicht können.<br />

Es gilt stattdessen, ihnen Möglichkeiten<br />

zu geben, die entsprechenden Fähigkeiten<br />

zu entwickeln. Wenn ein Kind z. B.<br />

beim Schreiben die einzelnen Zeilen<br />

nicht beachtet, sollte versucht werden zu<br />

klären, welche anderen Wahrnehmungssysteme<br />

eventuell nicht adäquat entwickelt<br />

sind und welcher Zusammenhang<br />

zu anderen Systemen besteht. Es könnte<br />

sein, dass das Kind als Kleinkind keine<br />

altersangemessene Auge-Hand-Koordination<br />

ausbilden konnte, da es z. B. auch<br />

über Taktile Abwehr verfügt und schon<br />

als kleines Kind nicht gern nach Spielsachen<br />

gegriffen hatte. Eine Möglichkeit<br />

der Förderung besteht darin, dem Kind<br />

in der Schule Situationen zu bieten, die<br />

das Zusammenspiel von Auge und Hand<br />

notwendig machen, z. B. Wörter- und<br />

Bildkarten angeln, Ballfangen und Ballwerfen<br />

etc. Hilfreich für Kinder mit Beeinträchtigungen<br />

in diesem Bereich ist<br />

ein Verzicht auf das Liniensystem und<br />

Hefte im Format DIN A4.<br />

Zur genauen Diagnostik insbesondere<br />

der Basissinne und vor allem von<br />

deren Zusammenwirken ist oft die Hilfe<br />

einer Fachfrau bzw. eines Fachmannes<br />

notwendig.<br />

Selbstwahrnehmung und Verhalten<br />

Die körperliche Selbstwahrnehmung<br />

spiegelt sich auch in Verhaltensweisen<br />

wider. Nur Kinder, die über eine adäquate<br />

Eigenwahrnehmung verfügen,<br />

können auch eine Wahr nehmung für<br />

ein Gegenüber aufbauen. Es gilt also,<br />

den Eigenwahrnehmungssinn zu stärken,<br />

damit Kindern die Wahrnehmung<br />

ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler<br />

besser gelingen kann. Die Betrachtung<br />

von so genannten abweichenden<br />

Verhaltensweisen als Folge einer nicht<br />

gesunden Sinnesentwicklung ist oft<br />

hilfreicher als die Zuschreibung dieses<br />

Verhaltens als Wille eines Kindes. Das<br />

physische Gleichgewicht korrespondiert<br />

mit dem psychischen Gleichgewicht.<br />

Jean Ayres beschreibt den Gleichgewichtssinn<br />

als »das alles vereinende<br />

Bezugssystem. Der Gleichgewichtssinn<br />

formt die Grundbeziehungen, die ein<br />

Mensch zur Schwerkraft und seiner<br />

physischen Umwelt hat. Alle anderen<br />

Arten von Empfindungen werden unter<br />

Bezug auf diese grundlegende vestibuläre<br />

Information verarbeitet.« 11)<br />

Auch in Verhaltensweisen von Erwachsenen<br />

spiegelt sich die körperliche<br />

Selbstwahr nehmung wider. Möglicherweise<br />

hatten Menschen, die häufig zu<br />

spät kommen, nicht immer die Chance,<br />

Sinneseindrücke während ihrer Entwicklung<br />

adäquat zu verarbeiten. Ihnen<br />

fehlt die Fähigkeit, Raum und Zeit und<br />

deren Grenzen angemessen zu erfassen.<br />

Alltägliche Möglichkeiten, Kinder<br />

herauszufordern und zu begleiten<br />

Viele psychomotorische Übungen bilden<br />

die Natur nach. Wir richten in<br />

Turnhallen schiefe Ebenen ein und ahmen<br />

so die »Besteigung« eines Hügels<br />

nach. Kinder balancieren auf Holzbänken<br />

und könnten dies auch auf Holzstämmen<br />

etc. Erfahrungen aus erster<br />

Hand in der Natur, wie es z. B. Waldkindergärten<br />

praktizieren, sind anregend<br />

und sinnvoll.<br />

In diesem Sinn hat eine Mutter und<br />

Elternvertreterin einer <strong>Grundschule</strong> in<br />

eine Debatte über die beste Förderung<br />

eingegriffen und Mut gemacht, Kinder<br />

nicht mit der »Defizitbrille« zu betrachten,<br />

sondern ihnen »die Welt zu überlassen«:<br />

Kinder<br />

Kinder lernen<br />

Kinder lernen immer<br />

Kinder lernen immer und überall<br />

(Annemarie Krause)<br />

Im Kasten auf Seite 20 finden Sie Möglichkeiten,<br />

die unser Alltag den Kindern<br />

bietet, um Entdeckungen zu machen<br />

und ihre Sinnesentwicklung und<br />

Selbstwahrnehmung zu unterstützen.<br />

Diese Zusammenstellung kann gut<br />

auf einem Informationsblatt oder Flyer<br />

Eltern von Schulneugierigen als Orientierungshilfe<br />

an die Hand gegeben werden.<br />

Anmerkungen<br />

(1) s. Felicitas Römer: Arme Superkinder –<br />

Wie unsere Kinder der Wirtschaft geopfert<br />

werden, Weinheim/Basel 2011 (Klappentext)<br />

(2) s. Interview mit Elsbeth Stern »Ich warne<br />

vor Ego-Problemen« in: BEOBACHTER, 8021<br />

Zürich, 06.03.2009, http://www.educ.ethz.ch/<br />

ls/Fruehfoerderung.pdf (30.06.2011)<br />

(3) Wolfgang Bergmann, Lasst eure Kinder in<br />

Ruhe! Gegen den Förderwahn in der<br />

Erziehung, München 2011<br />

(4) vgl. Wolfgang Bergmann, ebd., S. 99<br />

(5) vgl. Jean Ayres, Bausteine der kindlichen<br />

Entwicklung, Berlin 2002, S. 105<br />

(6) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 103<br />

(7) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 56 ff.<br />

(8) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 57<br />

(9) s. Jean Ayres, ebd. S. 104<br />

(10) s. Jean Ayres, ebd., S. 105<br />

(11) vgl. Jean Ayres, ebd., S. 65<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

21


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Cornelia Cremer<br />

Ein guter Start<br />

Vor und nach der Einschulung – Kindergarten und Schule gestalten gemeinsam den Übergang<br />

Einen guten Start ins Schulleben wünschen sich wohl alle Beteiligten. So wird<br />

der erste Schultag sorgfältig vorbereitet. Die Kinder erscheinen herausgeputzt<br />

und ausgestattet mit Schultaschen nach neuestem anatomischem Standard und<br />

mit hippem Outfit, die Lehrkräfte haben eine schöne Feier organisiert und jede<br />

Menge Namenskärtchen und Listen geschrieben. Alles ist gut vorbereitet!<br />

Wirklich alles? Geschieht der<br />

Übergang vom Elementarin<br />

den Primarbereich, die<br />

Entwicklung vom Kindergarten- zum<br />

Schulkind so plötzlich und ausschließlich<br />

am ersten Schultag? Oder handelt<br />

es sich hierbei um einen längeren Werdegang,<br />

einen Prozess des Hineinwachsens<br />

und Größerwerdens?<br />

Keine Frage: die Auswahl der Schulsachen<br />

und die Vorbereitung der Einschulungsfeier<br />

sind wichtige Dinge, die<br />

Schullage<br />

Unsere Schule am Pfälzer Weg liegt im<br />

Bremer Stadtteil Tenever. Die Bevölkerung<br />

wird als arm, bunt und jung beschrieben.<br />

Mehr als 20 verschiedene<br />

Nationen mischen sich hier und für über<br />

90 % der Grundschulkinder ist Deutsch<br />

eine Fremdsprache. Sehr viele Kinder<br />

des Stadtteils müssen mit besonderen<br />

Belastungen zurechtkommen. Dazu<br />

zählen unter anderem eingeschränkte<br />

Möglichkeiten, kulturelle Angebote<br />

und Freizeitmöglichkeiten wahrzunehmen,<br />

gute qualitätsvolle Kinderbücher,<br />

Arbeitsmaterialien, Spielsachen und Bekleidung<br />

anzuschaffen. Die Erfahrungsräume<br />

der Kinder sind zum Teil sehr eingeschränkt.<br />

Kindern wesentliche Erfahrungen<br />

zu ermöglichen und Eltern die Bedeutung<br />

ihrer Rolle bei der Gestaltung<br />

des Bildungsprozesses aufzuzeigen,<br />

ist eine besonders wichtige Aufgabe<br />

für Bildungseinrichtungen an diesem<br />

Standort. An der Nahtstelle Schulanfang<br />

stehen Eltern – auch bildungsfernere<br />

und in unserer Kultur unerfahrenere<br />

Eltern – noch in engerem Kontakt<br />

zu den Institutionen als im späteren<br />

Sekun darbereich. Ein Gelingen der Zusammenarbeit<br />

von Kita und Schule bietet<br />

die große Chance, die Eltern beim<br />

Übergang mitzunehmen und den Kindern<br />

damit mehr Möglichkeiten und<br />

Chancen zu eröffnen.<br />

auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Für<br />

einen guten Schulstart gibt es noch andere<br />

Aspekte zu berücksichtigen.<br />

Übergänge sind Nahtstellen, die sich<br />

leicht zu Bruchstellen entwickeln können.<br />

Damit dies nicht geschieht und sie<br />

erst gar nicht zu drücken anfangen, ist<br />

es ratsam, mit Sorgfalt und Behutsamkeit<br />

vorzugehen und sich dafür Zeit zu<br />

nehmen. Eine Naht verbindet zwei Seiten<br />

miteinander und beide sind für einen<br />

guten Zusammenhalt wichtig.<br />

So beginnen wir besser etwas früher<br />

und umfassender mit der Übergangsgestaltung.<br />

Neben Kind und Schule sind<br />

auch Kindertagesstätte und Eltern an<br />

einem Gelingen des Schulstarts beteiligt<br />

und mitverantwortlich.<br />

Unsere Schule am Pfälzer Weg steht<br />

deswegen in enger Kooperation mit<br />

dem Elementarbereich, um den Übergang<br />

gemeinsam vorzubereiten. Im<br />

Vordergrund stehen die gemeinsamen<br />

Aktionen zur Beteiligung der Kinder<br />

und es gibt gemeinsame Aktionen zur<br />

Information der Eltern.<br />

Damit beginnen wir nicht erst kurz<br />

vor der Einschulung. Durch immer<br />

wiederkehrende erst kurze und mit der<br />

Zeit immer intensivere und dichtere<br />

Schnupperkontakte werden die Kinder<br />

vom Anfang ihrer Kitazeit langsam an<br />

den Raum Schule herangeführt. Ein<br />

Rahmen, der den Kindern Zeit und<br />

Raum gibt für Entwicklung, für Hineinwachsen<br />

und Größerwerden.<br />

Zur Situation unserer Schule<br />

Die meisten unserer Schulanfangskinder<br />

besuchen vor ihrem Schuleintritt<br />

das Kindertagesheim Regenbogenhaus,<br />

die Kita ist mit dem Schulgebäude<br />

räumlich verbunden. Dies sind hervorragende<br />

Bedingungen für eine Zusammenarbeit,<br />

und so verbindet uns mit<br />

dieser Institution eine besonders enge<br />

Kooperation.<br />

Allerdings hat das Regenbogenhaus<br />

Außengruppen, die räumlich getrennt<br />

untergebracht sind. Das ist für die betroffenen<br />

Gruppen kein Hinderungsgrund<br />

für die intensive Zusammenarbeit.<br />

Der Kontakt zu den anderen Kindertagesstätten,<br />

die unsere Schulanfangskinder<br />

besuchen bzw. besuchten,<br />

fällt nicht ganz so intensiv aus. Dafür<br />

gibt es dort gegebenenfalls intensivere<br />

Kontakte zu einer anderen Schule. Und<br />

natürlich werden auch immer wieder<br />

Kinder aus anderen Einzugsgebieten<br />

oder ohne Erfahrungen aus einer Kindertagesstätte<br />

bei uns eingeschult. Ein<br />

Kennenlernen der Räumlichkeiten unseres<br />

Schulhauses und der zukünftigen<br />

Lerngruppe gehören aber auch hier zu<br />

unserem Programm.<br />

Zusätzlich zum Kindertagesheim ist<br />

an unsere Schule ein Hort räumlich<br />

angebunden. Diese drei Institutionen<br />

arbeiten als »Drei unter einem Dach«<br />

zusammen.<br />

Und noch eine wichtige Gegebenheit<br />

darf nicht unerwähnt bleiben, da sie für<br />

einen fließenden Übergang der Kinder<br />

ganz erhebliche Auswirkungen hat:<br />

Die Schule am Pfälzer Weg arbeitet in<br />

jahrgangsübergreifenden Lerngruppen<br />

1/2 und 3/4. Das erleichtert das Hineinwachsen<br />

der Schulanfangskinder zunächst<br />

dadurch, dass sie altersgemischte<br />

Gruppen aus der Kita kennen. Des<br />

Weiteren haben die Neuen von Anfang<br />

an ein großes Schulkind zur Seite, von<br />

dem sie beim Zurechtfinden und Einleben<br />

in den Schulalltag Unterstützung<br />

bekommen können. Die Kinder akzeptieren<br />

diese Rollenverteilung und es<br />

ergibt sich ein weiterer positiver Effekt:<br />

der Rollenfindung in der Gruppe wird<br />

eine Menge an Brisanz genommen.<br />

Auch am Hospitationstag kurz vor<br />

den Sommerferien in der zukünftigen<br />

Lerngruppe und natürlich in den ersten<br />

Schulwochen sind Lehrkraft und neue<br />

Kinder nicht allein auf sich gestellt.<br />

Die »alten« Schulanfangskinder leben<br />

die Abläufe und Regeln im Schulall-<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

tag vor und die neuen wachsen schnell<br />

und ohne großen zusätzlichen Einführungsaufwand<br />

hinein. Die Schulanfangskinder<br />

sind nicht so sehr auf die<br />

eine Person, hier die Lehrkraft fixiert –<br />

eine Entlastung für alle Beteiligten.<br />

Zudem freuen sich die »alten« auf<br />

ihre Rolle als Große und stehen als Helferinnen<br />

und Helfer gerne zur Verfügung.<br />

Ihr Lernvorsprung – und sei es<br />

das Auskennen im Schulgebäude – wird<br />

ihnen an dieser Stelle sehr bewusst, das<br />

stärkt das Selbstbewusstsein und gibt<br />

neue Motivation.<br />

Patengruppen<br />

Wir haben feste Patenschaften zwischen<br />

den jahrgangsgemischten Lerngruppen<br />

1/2 und den Gruppen im Kindertagesheim.<br />

Über das Schuljahr verteilt gibt<br />

es einzelne oder auch regelmäßige Anlässe<br />

für gemeinsame Aktivitäten. Zum<br />

Teil erwachsen diese Anlässe aus dem<br />

Unterrichtsgeschehen, sodass keine große<br />

zusätzliche Vorbereitung anfällt und<br />

die Aktionen mit relativ wenig Aufwand<br />

organisiert werden können. Dies kann<br />

zum Beispiel eine Projektpräsentation<br />

sein oder die Generalprobe einer geplanten<br />

Aufführung, zu der die Patengruppe<br />

eingeladen wird. Bewährt haben sich<br />

auch regelmäßige Aktionen, die durch<br />

ihre Ritualisierung nicht ständig neuer<br />

Absprachen bedürfen und ein Minimum<br />

an zusätzlichem Zeitaufwand brauchen.<br />

Als Beispiel sei hier die regelmäßige Vorleseaktion<br />

genannt: an einem festgelegten<br />

Wochentag lesen zwei Schulkinder<br />

der Kitagruppe vor, dies kann in den<br />

Räumlichkeiten der Kita stattfinden oder<br />

genauso in der Schule. Diese Aktion ist<br />

sehr begehrt bei den Schulkindern. Sie<br />

Einladungsschreiben<br />

sind sehr motiviert, ihre Lesekünste vorzutragen<br />

und auch dafür zu üben. Diese<br />

Aktivitäten finden noch im Schonraum<br />

der Kitagruppe statt. Alle Kitakinder<br />

können hierbei beteiligt werden und die<br />

ersten Kontakte zu Schule bekommen.<br />

Ein weiterer Schritt ist die Teilnahme<br />

am Unterricht. Die zukünftigen<br />

Schulkinder besuchen ab Weihnachten<br />

etwa einmal im Monat die Patengruppe<br />

und nehmen für zwei bis drei Stunden<br />

am Unterricht teil. Hierbei haben<br />

wir verschiedene Varianten aufgrund<br />

der unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten<br />

der Kitagruppen (s. oben).<br />

Entweder werden die Kinder von einer<br />

vertrauten Erzieherin begleitet, die auch<br />

während des Unterrichts dabei bleibt.<br />

Das ist für ängstlichere Kinder eine gute<br />

Möglichkeit. Oder die Kinder werden<br />

in gemeinsamer Absprache morgens<br />

direkt von den Eltern in die Schulgrup-<br />

Am Hospitationstag – ich helf dir gern<br />

pe gebracht und nach der vereinbarten<br />

Unterrichtszeit von einer Erzieherin abgeholt.<br />

So werden Eltern auch schon in<br />

den Schulkontakt einbezogen.<br />

●●<br />

Aktivitäten mit den Patengruppen<br />

im Lauf des Schuljahres<br />

– Schulkinder gehen regelmäßig zum<br />

Vorlesen in die Kita<br />

– Kitakinder kommen regelmäßig zum<br />

Vorlesen in die Schule<br />

– Kitakinder werden zur Präsentation<br />

eines Projektes eingeladen<br />

– Schulutensilien werden von den<br />

Schulkindern in der Kita vorgestellt<br />

– Schulkinder beantworten in der Kita<br />

die Fragen der zukünftigen Schulkinder<br />

– Unterrichtsteilnahme der zukünftigen<br />

Schulkinder<br />

●●<br />

Aktivitäten mit allen Schulanfangskindern<br />

– Besichtigung des Schulhauses am<br />

Nachmittag<br />

– Teilnahme an der Hofpause<br />

– Hospitationstag in der zukünftigen<br />

Lerngruppe<br />

– Einladungsschreiben, von den »großen«<br />

Kindern unterschrieben<br />

Gemeinsame Informationsarbeit<br />

von Erzieherinnen und Lehrkräften<br />

Die Kita-Gruppe ist zu einer Vorführung in die Schule eingeladen<br />

Im Lauf des Schuljahres gibt es zusätzlich<br />

feste Punkte, an denen das pädagogische<br />

Personal gemeinsame Aktivitäten<br />

veranstaltet.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

23


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Zunächst lädt die Kindertagesstätte<br />

noch vor der Schulanmeldung zu einem<br />

gemeinsamen Elterninformationsabend<br />

ein. Auch Eltern fühlen sich im bekannten<br />

Rahmen der Kita sicherer und<br />

können mit eventuellen Ängsten besser<br />

umgehen, zumal an unserem Standort<br />

Sprachbarrieren ein Hemmnis sein<br />

können. Neben der Vorbereitungszeit<br />

in den Kitagruppen und der Vorstellung<br />

der Schule werden die Aktivitäten<br />

zum Übergang gemeinsam vorgestellt<br />

und die Fragen der Eltern beantwortet.<br />

Die Informationen für den Schuleintritt<br />

sind zwischen den Institutionen abgestimmt,<br />

Missverständnissen kann vorgebeugt<br />

werden und die Eltern erfahren<br />

Informationssicherheit.<br />

Eine sehr bewährte Aktion ist die<br />

Beteiligung der Erzieherinnen an der<br />

Einteilung der zukünftigen Schulkinder<br />

in die Lerngruppen. Die Kolleginnen<br />

der Kita werden gebeten, ihre Schulanfangskinder<br />

in kleine Gruppen einzuteilen<br />

(die Gruppengröße richtet sich nach<br />

der Anzahl der abzugebenden Kinder).<br />

Die Erzieherinnen kennen ihre Kinder<br />

und können folgende Absprache bei der<br />

Einteilung berücksichtigen: Kinder, die<br />

sich gut verstehen und gerne zusammen<br />

in eine Lerngruppe kommen möchten,<br />

bleiben zusammen. Kinder, die häufig<br />

miteinander Konflikte haben oder sich<br />

gegenseitig hemmen, kommen in verschiedene<br />

Lerngruppen. Dies geschieht<br />

etwa Ende April / Anfang Mai.<br />

Diese Kleingruppen aus den verschiedenen<br />

Kitas werden den künftigen<br />

Lerngruppen 1/2 so zugeordnet, dass<br />

Gruppengröße und Mädchen-Jungen-<br />

Verhältnis stimmig sind.<br />

Cornelia Cremer<br />

Lehrerin in einer jahrgangsüber -<br />

greifen den Lerngruppe 1/2 an der<br />

Grund schule am Pfälzer Weg, Mitarbeit<br />

in der JÜL-Werkstatt an der Schule<br />

(Fortbildungen und Beratungen)<br />

Am Hospitationstag –<br />

Erklärungen mit Geduld und Stolz<br />

Kurz vor den Sommerferien lädt die<br />

Schule die abgebenden Kolleginnen aus<br />

den Kitas zu einem Austauschnachmittag<br />

ein. Die abgebenden und die aufnehmenden<br />

Kolleginnen oder Kollegen<br />

führen zu den einzelnen Kindern Übergabegespräche<br />

durch. Das Einverständnis<br />

der Eltern natürlich vorausgesetzt,<br />

dies wird in der Regel bei der Schulanmeldung<br />

eingeholt.<br />

Positiv hierbei wirkt neben dem Austausch<br />

wichtiger Hintergrundinformationen<br />

auch die Tatsache, dass Erzieherin<br />

und Lehrkraft sich spätestens bei<br />

dieser Aktion persönlich kennenlernen.<br />

Eine gute Basis für einen gegenseitigen<br />

Austausch und ein Rahmen zur gegenseitigen<br />

Würdigung der Arbeit.<br />

●●<br />

Aktivitäten mit dem pädagogischen<br />

Personal von Kita und Schule<br />

––<br />

Gemeinsamer Informationsabend für<br />

die Eltern vor der Schulanmeldung<br />

––<br />

Einteilung der Schulanfangskinder<br />

für die Lerngruppen in der Schule<br />

wird von den Tageseinrichtungen<br />

vorbereitet<br />

––<br />

Übergabegespräche zum einzelnen<br />

Kind, mit dem Einverständnis der<br />

Eltern oder gemeinsam mit den Eltern<br />

––<br />

Teilnahme der Kita-Mitarbeiterinnen<br />

an der Einschulung<br />

Besonderheiten an unserer Schule<br />

Die folgenden Absprachen bzw. Aktivitäten<br />

beziehen an unserem Standort<br />

durch die räumliche Angliederung<br />

auch den Hort mit ein.<br />

Gemeinsame Regeln und Rituale<br />

zum Umgang miteinander erleichtern<br />

das friedliche Auskommen in Kita,<br />

Hort und Schule ungemein. Vor allem,<br />

wenn Kinder so früh wie möglich einheitliche<br />

Grundregeln wie den Einsatz<br />

des »Stopp« kennenlernen und beim<br />

Übergang mitnehmen können und<br />

nicht gänzlich neue Formen erlernen<br />

müssen.<br />

Zu guter Letzt feiern Schule, Kindertagesheim<br />

und Hort ein gemeinsames<br />

Fest. Jedes Jahr kurz vor den Sommerferien<br />

findet unser Spielefest statt.<br />

Auch das ist im vierten Jahr schon lange<br />

ritualisiert, d. h. der Ablauf immer<br />

gleich, die Zuständigkeiten unter den<br />

Kolleginnen und Kollegen geklärt und<br />

die Vorbereitung daher minimal. Die<br />

Lehrkräfte aus den Gruppen 1/2 erfahren<br />

hier noch ein besonderes Highlight<br />

der gemeinsamen Arbeit: die jüngsten<br />

Schulkinder kennen Ablauf und Organisation<br />

des Festes schon aus ihrer Kitazeit<br />

und bedürfen keiner langen Erklärungen<br />

mehr.<br />

●●<br />

Aktivitäten zwischen Kita Regenbogenhaus,<br />

Schule am Pfälzer Weg und<br />

Hort St. Petri<br />

––<br />

Gemeinsame Regeln, die im Haus<br />

und auf dem Freigelände gelten (z. B.<br />

das Anwenden und Einhalten der<br />

Stopp-Regel bei Konflikten)<br />

––<br />

Austausch der Kolleginnen und Kollegen<br />

in einer übergreifenden Arbeitsgruppe,<br />

Leitungssitzungen, Kollegiumsveranstaltungen<br />

––<br />

Organisation und Durchführung einer<br />

gemeinsamen Projektwoche<br />

––<br />

Veranstaltung gemeinsamer Feste<br />

(z. B. Fasching, Spielefest)<br />

Nach der Einschulung<br />

Und wie heißt es in einem bekannten<br />

Kinderlied so passend: »Und dann, und<br />

dann fängt das Ganze schon wieder von<br />

vorne an.« Nach der Einschulung ist<br />

auch gleich wieder vor der Einschulung.<br />

Hier schließt sich der Kreis: Die<br />

»Neuen« verlieren durch die gemeinsamen<br />

Aktivitäten auch nach der Einschulung<br />

nicht ganz den Kontakt zur<br />

Kita, die Lösung vollzieht sich behutsam<br />

und sie werden schrittweise in ihre<br />

Rolle als Große hineinwachsen und<br />

ihre Erfahrungen an die nachfolgenden<br />

Kinder gerne und stolz weitergeben.<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Tina Pätzold<br />

Schulanfang mit der Grundschrift<br />

Die Schule<br />

»Vor der Schule hatte ich ganz große<br />

Angst. Ich dachte, ich mache alles<br />

falsch!«, sagte Dominic. Ich fragte ihn:<br />

»Wie ist es jetzt?« Er lächelt: »Jetzt habe<br />

ich keine Angst mehr.«<br />

Die Sorgen und Befürchtungen der<br />

Kinder vor dem Schuleintritt sind real<br />

und dürfen auch am Anfang dazugehören.<br />

Sie ihnen zu nehmen, ist dennoch<br />

eine vordringliche Aufgabe der ersten<br />

Wochen. Eine wirksame Strategie dabei<br />

ist für mich, Sicherheit und Vertrauen<br />

durch feste Rituale zu schaffen.<br />

Der Raum<br />

Wir beginnen in der Regel jeden Morgen<br />

mit einem Kreisgespräch, in dem wir gemeinsam<br />

die Gestaltung des Schulvormittages<br />

besprechen. Der Kreis ist für<br />

mich eine gute Form: Die Konzentration<br />

und Aufmerksamkeit wird gebündelt,<br />

jeder sieht jeden. Der Kreis als geschlossenes<br />

System symbolisiert Zusammengehörigkeit<br />

und schafft Verbundenheit.<br />

Wichtig war, den Raum so zu gestalten,<br />

dass unkompliziert und schnell ein<br />

Stuhlkreis gestellt werden kann. Nicht<br />

umsonst spricht man auch vom Raum<br />

als »drittem Pädagogen«. »Der ganze<br />

Raum ist ja voll mit unseren Sachen!«,<br />

meinte Sophie, als ich die entstandenen<br />

Bilder zum Thema »Jahreskreis«<br />

anbrachte. »Aber das ist doch dein<br />

Geburtstagskalender und<br />

Regal mit »Lernstraße«<br />

Raum!?«, sah sie mich erstaunt an. Der<br />

Klassenraum ist im besten Fall der Ort,<br />

an dem alle Menschen, die dort leben<br />

und arbeiten, sich wohl fühlen und eine<br />

zweite Heimat finden. Das bedeutet, einen<br />

Raum zu schaffen, wo den Kindern<br />

die Möglichkeit der Mitgestaltung gegeben<br />

wird. Kinder brauchen Luft und<br />

Platz. In unserem Raum befindet sich so<br />

viel wie nötig und so wenig wie möglich<br />

an Mobiliar und auch an Material. Auf<br />

eine Wandgestaltung habe ich zu Schuljahresbeginn<br />

bewusst verzichtet. Gestaltet<br />

wird gemeinsam. »Und jetzt brauchen<br />

wir noch einen Zeiger«, stellte Larissa<br />

fest. Entstanden war ein eindrucksvoller<br />

Geburtstagskalender. Begleitet vom<br />

Nachdenken über Fragen: »Wann habe<br />

ich Geburtstag?«, »Wie folgen die Monate<br />

aufeinander?«, »Wer hat im Frühling,<br />

im Sommer, im Herbst und im Winter<br />

Geburtstag?« oder: »Warum ist Nina<br />

ein Jahr älter als Theo, obwohl beide am<br />

10. Juli geboren sind?«, sind wir im Lernen<br />

schon mittendrin. Neben dem Platz<br />

für den Stuhlkreis gibt es in unserem<br />

Raum noch eine Leseecke, halbhohe<br />

Regale für die »Lernstraße«, zwei Computerarbeitsplätze<br />

sowie zwei robuste<br />

Werkbänke, die je nach Bedarf einzeln<br />

oder zusammen Arbeits- und Präsentationsfläche<br />

bieten, einen runden Teppich,<br />

der schnell ausgerollt werden kann, und<br />

ein paar Matten, die gern in der Lesezeit<br />

genutzt werden. So ist der Fußboden<br />

auch Arbeitsebene. Kinder nehmen<br />

hier andere (Lern-) Haltungen ein: Sie<br />

liegen auf dem Bauch, knien oder sitzen<br />

auf dem Boden. Funktionale Lernräume<br />

brauchen flexibles Mobiliar, welches<br />

auch von Kindern bewegt werden kann.<br />

»Wir teilen uns die Arbeit: Einer stellt die<br />

Saurier hin, einer faltet das Schild und<br />

einer schreibt auf, wie sie heißen«, lautete<br />

Maximilians Vorschlag. Er hatte am<br />

Vortag die Idee, eine Saurierausstellung<br />

zu machen. Hierfür und für alle anderen<br />

Themen nutzen wir die Oberflächen der<br />

Regale als wechselnden »Thementisch«.<br />

Der Rhythmus<br />

Leben heißt Rhythmus. Die Natur folgt<br />

ihrem eigenen Rhythmus von Sommer<br />

und Winter, Tag und Nacht … Jedes<br />

Lebe wesen, so auch der Mensch,<br />

hat seinen eigenen, ganz individuellen<br />

Rhythmus. Dem Bedürfnis nach Bewegung<br />

folgt das Bedürfnis nach Ruhe,<br />

dem Bedürfnis nach Kontakt, Verbindung<br />

und Teilhabe folgt das Bedürfnis<br />

nach Zurückgezogenheit. So unterstützen<br />

Schulstrukturen die Bedürfnisse<br />

aller Menschen, die dort leben, lernen<br />

und arbeiten. Lernen in guter Qualität<br />

setzt voraus, dass das Kind seinem<br />

eigenen Rhythmus folgen kann. Dies<br />

gelingt, wenn der bisherige nach 45-Minuten-Einheiten<br />

strukturierte und nach<br />

Fächern gegliederte Schulvormittag ersetzt<br />

wird durch ein Konzept, welches<br />

durch die veränderten Zeitstrukturen<br />

Platz lässt für die Individualisierung<br />

des Lern- und Arbeitsrhythmus. Die<br />

Abkehr vom 45-Minuten-Takt ist nicht<br />

nur eine zeitliche, sondern vor allem<br />

auch eine inhaltlich-didaktische Frage.<br />

Zwingt man dem Kind einen starren<br />

Plan auf, kann es seine Fähigkeiten<br />

nicht optimal entwickeln. Dennoch ist<br />

für erfolgreichen Unterricht eine Abstimmung<br />

der Lernprozesse notwendig.<br />

Dieser Widerspruch kann durch<br />

geeignete Formen der Rhythmisierung<br />

gelöst werden. Wir beginnen den Tag<br />

mit einer Gleitzeit, gefolgt von Lernblöcken<br />

und Bewegungspausen. Dabei<br />

sind Länge und Anzahl der Lernzeiten<br />

unter Berücksichtigung der Leistungskurve<br />

der Kinder im Konzept Schule /<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

25


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Hort begründet. Innerhalb dieser gibt<br />

es variable zeitliche Strukturen, welche<br />

die Möglichkeit bieten, dem eigenen<br />

Rhythmus zu folgen. Das Bedürfnis<br />

der Kinder nach Sicherheit wird gestärkt<br />

durch Rituale und wiederkehrende<br />

Strukturen, geregelte Übergänge<br />

und transparente Tagesgestaltung. Lena<br />

fragt: »Können wir zuerst Buchstabenzeit<br />

machen und danach Freie Lernzeit?«<br />

Wenn alle einverstanden sind,<br />

natürlich. Jeden Morgen bringt ein Kind<br />

den Tagesplan an. Er ist unser roter<br />

Faden, wobei den Kindern erst allmählich<br />

klar wurde, dass die Abschnitte<br />

nicht gleichzusetzen sind mit Unterrichtsstunden.<br />

Denn diese Abschnitte<br />

sind mal länger und mal kürzer und<br />

beugen sich den kindlichen Bedürfnissen.<br />

Meine Idee war, bestimmte Zeiten<br />

einzuführen – Schreibzeit, Buchstabenzeit,<br />

Freie Lernzeit, Lesezeit, Rechenzeit<br />

–, in denen immer ganz bestimmte<br />

Materialien und Arbeitsmittel benutzt<br />

werden. So wissen die Kinder, wenn z. B.<br />

Freie Lernzeit ist. Dann holen sie ihre<br />

Lernpässe, entscheiden sich für ein Programm,<br />

überlegen noch, ob sie dies mit<br />

einem Partner bewältigen wollen oder<br />

allein und beginnen selbständig mit der<br />

Arbeit. Sie wissen auch, wie sie ihre Lernfortschritte<br />

dokumentieren und dass sie<br />

nach getaner Arbeit ihr Lernen reflektieren.<br />

Manchmal in ganz kurzer Form<br />

an der Tafel, ein anderes Mal ausführlicher<br />

im Auswertungsgespräch. Sich den<br />

Schulvormittag frei einzuteilen, bedeutet<br />

auch eine Abkehr von Hetze und Getriebensein.<br />

Unser Motto lautet: »Entschleunigung.«<br />

Und das tut nicht nur den Kindern<br />

gut! So frage ich häufig zu Beginn<br />

des Tages: »Schau dich genau um, was<br />

hat sich verändert?« Sie bemerken kleine<br />

Dinge: »Deine Haare sind anders!« Und<br />

auch große: »Wo ist eigentlich Annika?«<br />

Achtsamkeit und Sensibilität, zwei aus<br />

der Mode gekommene Tugen den, erleben<br />

hier ihre Renaissance.<br />

Die Grundschrift<br />

Die Kinder haben im ersten Jahr nach<br />

dem Konzept und dem Vorbild der<br />

Grundschrift geschrieben. Am Anfang<br />

stand die Überzeugung der Eltern – was<br />

einfacher war, als ich dachte. Sie waren<br />

der Grundschrift gegenüber sehr aufgeschlossen<br />

und konnten der Argumentation<br />

sehr gut folgen. Entscheidend dabei<br />

war, dass die Eltern ihre eigene Handschrift<br />

betrachteten, um festzustellen,<br />

dass sie innerhalb eines Wortes häufig<br />

»Luftsprünge« machten. Sie erkannten,<br />

dass es der Lesbarkeit keinen Abbruch<br />

tut, wenn nicht alle Buchstaben sichtbar<br />

auf dem Papier miteinander verbunden<br />

sind. Während sich die Erwachsenen viele<br />

Gedanken um die neue Schrift machten,<br />

kümmerte es die Kinder weniger: Sie<br />

schrieben ganz selbstverständlich nach<br />

dem Vorbild der handgeschriebenen<br />

Druckbuchstaben mit den Wendebögen.<br />

Erwartungsgemäß benutzten die<br />

Kinder lange Zeit vorrangig die Großbuchstaben<br />

zum Schreiben. Es gibt<br />

immer noch einzelne Kinder, die nur<br />

Großbuchstaben verwenden. Dies ist<br />

legitim, braucht doch Feinmotorik<br />

auch Entwicklungszeit. Nach den ersten<br />

Wochen begann ich eine regelmäßige<br />

Buchstabenzeit einzurichten. Es war<br />

mir wichtig, dass die Kinder auch die<br />

Kleinbuchstaben entdecken, verbunden<br />

mit der Hoffnung, dass sie diese<br />

beim Schreiben häufiger verwenden.<br />

Ich bereitete zu diesem Zweck für jedes<br />

Kind ein Buchstabenheft vor. Ich<br />

nahm Blanko-Hefte, die ich mit einem<br />

Umschlag versah, auf dem alle Großund<br />

Kleinbuchstaben abgebildet waren.<br />

Außerdem hielt ich Zeilenblätter in den<br />

zwei zur Verfügung stehenden Größen<br />

bereit, welche die Kinder zum Unterlegen<br />

benutzten. Bevor im Heft geschrieben<br />

wurde, übten sie den gewählten<br />

Buchstaben in einer vorbereiteten Lernumgebung<br />

in vielfältiger Weise: So gab<br />

es die Möglichkeit, den Buchstaben zu<br />

kneten, ihn mit Muggelsteinen auszulegen,<br />

mit dem Buchstabentaxi nachzufahren,<br />

ihn mit verbundenen Augen<br />

zu erfühlen, Buchstabennudeln mit der<br />

Lupe zu untersuchen, ihn mit Stempeln<br />

zu drucken, im Sand oder mit Kreide<br />

an die große Tafel zu schreiben. Nach<br />

und nach kamen noch mehr Angebote<br />

hinzu. Es gab Gänsefedern mit Tintenfässchen,<br />

Schiefertafeln mit Griffel und<br />

selbst hergestellte Kleinbuchstaben zum<br />

Erfühlen. Nach so vielen abwechslungsreichen<br />

Übungen konnte dann im Heft<br />

geschrieben werden. Da die »Buchstabenzeit«<br />

in vielfältiger Weise die Sinne<br />

ansprach, jedes Kind seinem eigenen<br />

Lerntempo folgen konnte, war diese<br />

Zeit meist sehr entspannend, und der<br />

Schultag konnte ruhig ausklingen.<br />

Nach gut einem halben Jahr waren<br />

auch die letzten Kinder mit allen Buchstaben<br />

»durch«. Es gab nicht wenige, die<br />

den Wunsch hatten, die, wie sie es nannten,<br />

»richtige« Schreibschrift zu lernen.<br />

Diese Kinder, meist waren es Mädchen,<br />

erlernten die lateinische Schulausgangsschrift<br />

absolut autonom. Dafür stellte<br />

ich ein handelsübliches Schreiblernheft<br />

und Unterrichtszeit zur Verfügung.<br />

Während ich beobachten konnte, dass<br />

einige Kinder sehr geschickt und hoch<br />

motiviert diese Schrift erlernten, habe<br />

ich mir das Heft von anderen Kindern<br />

(vorläufig) zurückgeben lassen. Es gab<br />

deutliche Anzeichen der Überforderung.<br />

Die Schrift war quasi unlesbar, die Einteilung<br />

der Zeilen in Grund-, Ober- und<br />

Unterlinie für einige Kinder noch unbeherrschbar.<br />

Ich bat sie, sich wieder auf<br />

die Grundschrift zu besinnen.<br />

Wir sind nach einem Jahr an dem<br />

Punkt angekommen, wo ca. ein Drittel<br />

Tagesplan, Lernpässe, Lernreflexion<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Ina Pätzold<br />

arbeitet als Lehrerin an der »Barfüßerschule«,<br />

<strong>Grundschule</strong> 17, und ist<br />

Beraterin für Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

des Staatlichen Schul -<br />

amtes Erfurt. Auf ihrer Homepage<br />

www.tina-paetzold.de hat sie<br />

verschiedenste Unterrichtsmaterialien<br />

zum Download bereitgestellt.<br />

der Kinder die lateinische Schulausgangsschrift<br />

verwendet, während die<br />

meisten bei der Grundschrift geblieben<br />

sind. Einige Kinder schreiben weiterhin<br />

fast ausschließlich nur Großbuchstaben,<br />

andere Groß- und Kleinbuchstaben.<br />

Ich möchte im zweiten Jahr in<br />

Lerngesprächen die Kinder ermutigen,<br />

damit zu beginnen, Buchstaben dort<br />

miteinander zu verbinden, wo es sinnvoll<br />

ist, und Verbindungsmöglichkeiten<br />

zu erproben. Die konsequenten<br />

»Großbuchstabenschreiber« rege ich an,<br />

zunehmend Kleinbuchstaben zu verwenden,<br />

denn nur hier können Verbindungen<br />

entstehen. Zusätzlich zum Teil<br />

2 der Grundschrift-Kartei könnte den<br />

Kindern ein Grundschrift-Schreiblernheft<br />

mit entsprechenden Buchstaben-<br />

Verbindungsvorschlägen nützlich sein.<br />

Die Kinderfragen<br />

Kinder stellen große, alte Fragen der<br />

Menschheit: Wer bin ich? Wo komme<br />

ich her? So fragte Leon einmal: »Wenn<br />

eine Mutter ein liebes Kind auf die Welt<br />

bringt, kann das später als Erwachsener<br />

trotzdem böse werden?« Einmal diskutierten<br />

sie darüber, ob es einen Gott<br />

gibt oder nicht. »Es gibt keinen Gott«,<br />

rief Leonard. Marvin konterte: »Es gäbe<br />

keine Welt, wenn Gott sie nicht erschaffen<br />

hätte, und auch kein Weihnachten.<br />

Weihnachten feiern wir nur, weil das<br />

Jesuskind geboren ist.« Leonard fragte<br />

aufgebracht. »Wo ist denn dein Gott,<br />

dann zeig ihn mir doch mal!« – »Überall!«,<br />

erwiderte Marvin, und so ging es<br />

noch eine Weile hin und her. Schließlich<br />

bildeten sich zwei Lager. Irgendwann<br />

fragte mich dann Emilie: »Frau<br />

Pätzold, wer hat denn nun recht?« Nun,<br />

meine Antwort war: »Es gibt Menschen,<br />

die an Gott glauben. Für diese gibt es<br />

Gott. Dann gibt es Menschen, die glauben<br />

nicht an Gott. Für diese gibt es Gott<br />

nicht.« Aber die Kinder ließen nicht locker:<br />

»Und du?«<br />

Kinder stellen Fragen, auf die auch<br />

Erwachsene keine abschließenden Antworten<br />

oder Erklärungen haben bzw.<br />

geben dürfen. Und doch ist es wichtig,<br />

dass wir den Interessen der Kinder<br />

Raum und Zeit geben. Meine Vision<br />

von Schule ist, dass die Kinder mit ihren<br />

Fragen im Mittelpunkt des Unterrichts<br />

stehen. So lernen sie auch, dass<br />

Schule ein Ort ist, an dem ihre Themen<br />

ernst genommen werden, ein Ort, der<br />

persönliche Bedeutung erhält. Ein Ort,<br />

an dem sie Antworten bekommen, die<br />

zum Glück natürlich wieder neue Fragen<br />

aufwerfen. So habe ich mir angewöhnt,<br />

zu Beginn eines neuen Themas<br />

zunächst das Vorwissen der Kinder zu<br />

visualisieren, um anschließend zu fragen:<br />

»Was interessiert dich am meisten?<br />

Was willst du wissen?« Zum Thema<br />

»Vögel« interessierte die Kinder beispielsweise:<br />

»Wie weit kann der Adler<br />

in einer Stunde fliegen?«, »Wie hoch<br />

können Adler fliegen?«, »Wie groß sind<br />

Mäusebussardflügel?«, »Verlassen manche<br />

Eltern ihre Eier, wenn sie in den<br />

Süden fliegen?«, »Warum können Pinguine<br />

nicht fliegen?« Alle Fragen schreibe<br />

ich in einem Elternbrief auf mit der<br />

Bitte um die Unterstützung, gemeinsam<br />

nach Antworten und Erklärungen zu<br />

suchen. So können die Eltern von zu<br />

Hause aus wirksam den Lernprozess<br />

begleiten. In den Tagen darauf wächst<br />

unser Thementisch und bietet viele Anregungen,<br />

sich in den Lernzeiten mit<br />

den Fragen auseinanderzusetzen.<br />

Die Standardfrage des Pädagogen:<br />

»Was muss ich tun, um den Stoff zu vermitteln?«<br />

wird abgelöst von der Überlegung:<br />

»Was kann das Kind bereits<br />

selbst unternehmen, um sich Inhalte zu<br />

erschließen?« Das Kind ist nicht Objekt<br />

von Belehrungen, sondern Subjekt seiner<br />

eigenen vielfältigen Aktivitäten. Mit<br />

ihrem Weltwissen und ihrer Sicht auf<br />

die Dinge überraschen die Kinder mich<br />

jeden Tag aufs Neue. Auf meine Idee,<br />

Schneeglöckchen in seine Einzelteile zu<br />

zerlegen, folgte lautstarker Protest: »Aber<br />

das sind doch auch Lebewesen!«<br />

Thementisch. Die Fragen wurden auch in<br />

einem Elternbrief mit der Bitte um Hilfe<br />

bei der Beantwortung gestellt<br />

Mit den Buchstaben vertraut werden<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

27


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Staatliches Schulamt<br />

in der Landeshauptstadt München<br />

Lernwerkst_A3_RZ.indd 1 06.04.11 15:12<br />

Eva Odersky<br />

LuKS: Lernwerkstätten als<br />

Brücken beim Übergang<br />

Eine gemeinsame Lernumgebung für Kindergarten- und Grundschulkinder<br />

»Ich hab’ eine Idee und noch eine Idee und noch eine Idee – ich hab’ ganz viele<br />

Idees!« Wer schon einmal Gelegenheit hatte, Kinder in einer Lernwerkstatt zu<br />

beobachten, ihren Eifer, ihre Konzentration und ihre soziale Kompetenz dort<br />

zu erleben, wird solche und ähnliche Ausrufe kennen. Immer mehr Lernwerkstätten<br />

werden zurzeit sowohl in <strong>Grundschule</strong>n als auch in Kindergärten eingerichtet.<br />

Was liegt da näher, als diese »Schnittstelle« für die Kooperation zu<br />

nutzen?<br />

Das zurzeit in 30 Kommunen<br />

laufende Bundesprogramm<br />

»Lernen vor Ort« verfolgt als<br />

ein wesentliches Ziel, die Übergänge<br />

zwischen den einzelnen Bildungsphasen<br />

zu verbessern. In einem von<br />

12 »Lernen vor Ort«-Teilprojekten<br />

in München<br />

werden an 10 Standorten<br />

kooperative Lernwerkstätten<br />

unter dem Namen<br />

LuKS eingerichtet: »Lernumgebungen<br />

für Kindergarten<br />

und Schule«. 1)<br />

Gestartet wurde dieses<br />

Projekt im November 2009<br />

mit der Vorbereitung und<br />

kooperativen Einrichtung,<br />

im Lauf des Schuljahres<br />

2010/11 begann dann an<br />

allen beteiligten Standorten<br />

die gemeinsame Arbeit in der<br />

Lernwerkstatt, im kommenden Schuljahr<br />

2011/12 werden nun die ersten Kinder,<br />

die mit ihrem Kindergarten in der<br />

Lernwerkstatt waren, eingeschult – und<br />

zum Teil die gleiche Lernwerkstatt als<br />

Erstklässler wieder besuchen.<br />

Ziele und Voraussetzungen<br />

In den LuKS-Lernwerkstätten<br />

●●<br />

können Kindergarten- und Grundschulkinder<br />

den Mehrwert von Lernwerkstätten<br />

erfahren und nutzen,<br />

●●<br />

müssen die beteiligten Pädagog/inn/<br />

en des Elementar- und Primarbereichs<br />

eine Kooperations- und Kommunikationskultur<br />

entwickeln,<br />

●●<br />

ist Anschlussfähigkeit gewährleistet.<br />

Um solche Ziele realisieren zu können,<br />

gibt es zwei Bedingungen: Es muss<br />

sich ein Team von Erzieherinnen und<br />

Lehrerinnen aus einer <strong>Grundschule</strong><br />

und einem Kindergarten zusammenfinden<br />

und es muss an einer der bei -<br />

»In einer Lernwerkstatt<br />

haben die Lernenden die<br />

Aufgabe und die Chance,<br />

selbstbestimmt und eigenverantwortlich<br />

zu handeln<br />

und die dazu erforderlichen<br />

Fähigkeiten zu entwickeln.<br />

Sie lernen und üben Fragen<br />

zu stellen und ihr eigenes<br />

Lernen zu beobachten.«<br />

den Institutionen<br />

ein Raum vorhanden<br />

sein, in dem<br />

eine Lernwerkstatt<br />

eingerichtet werden<br />

kann.<br />

Im Projekt LuKS<br />

bestehen die Teams<br />

aus jeweils mindestens<br />

einem Kindergarten<br />

und einer<br />

<strong>Grundschule</strong>, z. T.<br />

sind sie erweitert<br />

um einen Hort<br />

bzw. ein Tagesheim<br />

oder einen weiteren (integrativen) Kindergarten.<br />

Selbstverständlich sollten<br />

sich die Einrichtungen räumlich nahe<br />

sein, damit nicht zu viel Zeit durch<br />

lange Wege verloren geht und möglichst<br />

viele Kindergartenkinder auch<br />

tatsächlich in die Schule wechseln, die<br />

sie über die Lernwerkstatt schon kennenlernten<br />

– denn darum geht es bei<br />

LuKS in erster Linie: Kindergartenkinder<br />

lernen schon lange vor ihrer<br />

Einschulung Lehrerinnen, viele Schulkinder<br />

und die Schule mit ihren spezifischen<br />

Abläufen (Wo sind die Toiletten?<br />

Warum gongt es hier? Jetzt haben<br />

die Schulkinder Pause …) kennen, und<br />

das ganz »behütet« von ihren Erzieherinnen<br />

und gemeinsam mit anderen<br />

Kindergartenkindern.<br />

(Verbund europäischer<br />

Lernwerkstätten e. V., 2009, S. 7)<br />

Landeshauptstadt München, Referat für Bildung und Sport, Zentrale Öffentlichkeitsarbeit, Bayerstraße 28, 80335 München<br />

Lernwerkstatt<br />

Das Projekt „Lernen vor Ort“ wird gefördert von:<br />

Lernumgebungen für Kindergarten und Schule<br />

Partner des Projektes LuKS:<br />

Referat für<br />

Bildung und Sport<br />

Eine Lernwerkstatt für Kindergarten-<br />

und Grundschulkinder<br />

Am Anfang jeder Kooperation steht die<br />

Verständigung über Inhalte, so auch bei<br />

LuKS: Die Teilnehmer/innen hatten unterschiedlich<br />

viel Erfahrung mit Lernwerkstätten<br />

und mussten sich zunächst<br />

über ihre Erfahrungen mit und ihre<br />

Vorstellungen von Lernwerkstattarbeit<br />

austauschen, um eine gemeinsame<br />

Grundlage für die Zusammenarbeit zu<br />

schaffen. Nötig ist dies auch, weil man<br />

dem Begriff Lernwerkstatt seit einigen<br />

Jahren in unterschiedlichsten Zusammenhängen<br />

immer häufiger begegnet;<br />

zum einen ist das natürlich positiv zu<br />

bewerten, zum anderen besteht die<br />

Gefahr einer gewissen Unschärfe, was<br />

denn nun unter »Lernwerkstattarbeit«<br />

zu verstehen sei. Der Verbund europäischer<br />

Lernwerkstätten sah sich deswegen<br />

veranlasst, ein Positionspapier zur<br />

Beschreibung zentraler Qualitätsmerkmale<br />

zu veröffentlichen, denen wir im<br />

LuKS-Projekt zu entsprechen versuchen<br />

und das auch diesen Ausführungen zugrunde<br />

liegt (VeLW 2009).<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Gemeinsam eine Lernumgebung<br />

schaffen<br />

Eine Lernwerkstatt ist dann sinnvoll geplant<br />

und ausgestattet, wenn sich beim<br />

Betreten sofort das Gefühl einstellt:<br />

»Hier will ich arbeiten und etwas ausprobieren!«<br />

– eine »Please-touch-me-<br />

Atmosphäre« nennt es Hartmut Wedekind<br />

treffend (Wedekind 2011, S. 8).<br />

Doch selbst wenn Konsens über dieses<br />

Ziel besteht, treffen schon bei der Planung<br />

des Raums und der Auswahl der<br />

Materialien die oft ganz unterschiedlichen<br />

Vorstellungen und Erfahrungen<br />

der Pädagog/inn/en aus Kindergärten<br />

und <strong>Grundschule</strong>n aufeinander – die<br />

Auseinandersetzung mit Arbeitsweise<br />

und Strukturen der jeweils anderen<br />

Berufsgruppe nimmt hier ihren Anfang<br />

und ist für die spätere gemeinsame<br />

Arbeit der Kinder in der Lernwerkstatt<br />

eine wesentliche Voraussetzung.<br />

Die Raumsituation ist an den LuKS-<br />

Standorten ganz unterschiedlich: Von<br />

großzügigen hellen Klassenräumen, die<br />

über einen Außenbereich oder einen<br />

Nebenraum verfügen, reicht die Bandbreite<br />

über sehr kleine Räume, die bisher<br />

dem Hausmeister als Lager dienten,<br />

bis zu »trocken gelegten« Kellerräumen.<br />

In einem Fall wird die Lernwerkstatt<br />

sogar vorübergehend mobil in »Rollwägen«<br />

betrieben, ergänzt durch eine<br />

mehrwöchige Lernwerkstattaktion in<br />

der Aula.<br />

Auch inhaltlich können Lernwerkstätten<br />

ganz unterschiedlich ausgerichtet<br />

sein – im LuKS-Projekt z. B. sind<br />

einige ausschließlich mathematisch<br />

und/oder naturwissenschaftlich ausgerichtet,<br />

die Mehrzahl widmet sich allen<br />

Lernbereichen. Unabhängig davon<br />

gibt es einige Kriterien, die eine »gute«<br />

Lernwerkstatt ausmachen:<br />

●●<br />

Die Materialien haben einen (hohen)<br />

Aufforderungscharakter.<br />

●●<br />

Die Materialien sind für die Kinder<br />

offen zugänglich. Bewährt haben sich<br />

offene Regale, die nicht zu hoch sind.<br />

●●<br />

Es sind Materialien vorhanden, die<br />

zum Experimentieren und Forschen<br />

auffordern.<br />

●●<br />

So genannte »Lernspuren« sind sichtbar:<br />

Als »Staun-Anlass« und Anregung<br />

für andere Kinder, die in die Lernwerkstatt<br />

kommen, und als Bestätigung,<br />

selbst etwas geleistet und hinterlassen<br />

zu haben.<br />

Eine der wichtigsten Aufgaben, die<br />

Erzieher/innen und Lehrer/innen in der<br />

Lernwerkstatt haben, ist die Gestaltung<br />

und Vorbereitung dieses Raums, wobei<br />

man grundsätzlich zwischen offenen<br />

und geschlossenen Lernumgebungen<br />

unterscheidet. In einer offenen Lernumgebung<br />

sind die Kinder ganz frei in<br />

der Wahl der Inhalte und Materialien,<br />

in der geschlossenen Lernumgebung<br />

wird ein Thema vorab festgelegt – Kinder<br />

können dabei durchaus einbezogen<br />

sein – und benötigtes Material bereitgestellt;<br />

Themen in LuKS-Lernwerkstätten<br />

waren schon »Schwimmen und<br />

Sinken«, »Formen und Muster«, »Tierfelle<br />

und ihre Muster«, »Luft«, »Wasser«,<br />

»Erde«, »Spiegelungen« und viele mehr.<br />

Gemeinsame Lernbegleitung durch<br />

Erzieher/innen und Lehrer/innen<br />

Das Lernen der Kinder in den LuKS-<br />

Lernwerkstätten wird immer von Pädagog/inn/en<br />

aus Kindergarten und<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

29


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

Schule kooperativ begleitet. Für<br />

das zentrale Anliegen dieses Projekts<br />

– die Gewährleistung der<br />

Anschlussfähigkeit – ist das von<br />

entscheidender Bedeutung:<br />

●●<br />

Erzieher/innen und Lehrer/innen<br />

planen und gestalten das<br />

Lernen gemeinsam, beobachten<br />

sich im Alltag gegenseitig und<br />

haben die Chance, über- und<br />

voneinander zu lernen.<br />

●●<br />

Die Kindergartenkinder lernen nicht<br />

nur ihre neue Umgebung, sondern auch<br />

die Menschen dort kennen, die Schulkinder<br />

und Lehrer/innen.<br />

●●<br />

Lehrer/innen lernen einen Teil der<br />

künftigen Schulanfänger kennen und<br />

erleben, wie sie arbeiten und denken,<br />

was sie interessiert, was sie schon können,<br />

wie sie kooperieren usw.<br />

Vor allem Lehrer/innen müssen oft in<br />

eine ungewohnte Rolle schlüpfen, um<br />

das Lernen der Kinder in der Lernwerkstatt<br />

sinnvoll zu begleiten. Manch andere<br />

Kriterien als im »normalen« Unterricht<br />

sind wichtig, wenn es darum geht<br />

●●<br />

das forschende Lernen der Kinder<br />

fördernd zu begleiten,<br />

●●<br />

sich auf gemeinsames Denken mit<br />

den Kindern einzulassen,<br />

●●<br />

Fragen zu initiieren,<br />

●●<br />

Impulse zu geben,<br />

●●<br />

mit den Kindern gemeinsam nach<br />

Lösungswegen zu suchen,<br />

●●<br />

Umwege der Kinder zuzulassen und<br />

auszuhalten.<br />

Immer wieder berichten die an LuKS<br />

beteiligten Lehrer/innen, wie sehr sie<br />

inzwischen den Rollenwechsel in der<br />

Lernwerkstatt genießen, wie »neu« sie<br />

Eva Odersky<br />

ist Autorin und Redakteurin und<br />

betreut zusammen mit Sonja Dollinger<br />

als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

das LuKS-Projekt (Projektleitung<br />

Prof. Angelika Speck-Hamdan) an der<br />

LMU München.<br />

»Die Rolle der Lehrenden besteht darin,<br />

dem Lernenden Raum und Zeit zu geben<br />

sich einem Lerngegenstand in der für ihn<br />

geeigneten Weise zu nähern. Sie begleiten<br />

sein Lernen fördernd und tragen anschließend<br />

Sorge dafür, dass Lernwege und<br />

Lern ergebnisse dokumentiert werden.«<br />

(Verbund europäischer Lernwerkstätten e. V., 2009, S. 8)<br />

die Kinder erleben, wie sich dort ganz<br />

andere soziale Strukturen ausbilden,<br />

wie selbstverständlich die Schul- mit<br />

den Kindergartenkindern zusammenarbeiten<br />

oder wie im Unterricht verhaltensauffällige<br />

Kinder dort völlig unauffällig<br />

und in die Gruppe integriert<br />

sind – für Kinder wie Lehrer/in enorm<br />

wichtige gemeinsame Erfahrungen,<br />

die natürlich auch Auswirkungen auf<br />

den »normalen« Schul- und Unterrichtsalltag<br />

haben.<br />

Auf dieser Ebene sehen die LuKS-Beteiligten<br />

denn auch den Mehrwert einer<br />

Lernwerkstatt für sich als Erzieher/in<br />

oder Lehrer/in:<br />

●●<br />

Raum und Zeit für (freie) Beobachtung,<br />

● ● (neue) Stärken und Schwächen<br />

erkennen,<br />

●●<br />

Interessen (der Kinder) entdecken,<br />

●●<br />

Lernprozesse beobachten,<br />

●●<br />

gemeinsames Nachdenken und<br />

Forschen,<br />

●●<br />

bessere Anknüpfung an die Lernvoraussetzungen<br />

der Kinder durch<br />

Kooperation zwischen Kindergarten<br />

und Schule,<br />

●●<br />

neue Rollen einnehmen: Beobach -<br />

ter/in, Fragende/r, Ideengeber/in.<br />

Lerndokumentation für<br />

kleine und »große« Kinder<br />

An dieser Auflistung wird schon deutlich:<br />

Das Beobachten der Kinder hat<br />

in einer Lernwerkstatt einen hohen<br />

Stellenwert. Im LuKS-Projekt versuchen<br />

die Beteiligten dabei insbesondere<br />

festzuhalten, wie Kindergarten- und<br />

Grundschulkinder zusammenarbeiten,<br />

wie sich diese Zusammenarbeit im Laufe<br />

der Zeit verändert, ob und wie sich<br />

das Verhalten der Kinder gegenüber<br />

den Pädagogen aus der jeweils anderen<br />

Einrichtung entwickelt und – falls die<br />

gemeinsame Lernwerkstatt in der Schule<br />

ist – wie sich die Kindergartenkinder<br />

in der für sie zunächst fremden Schulumgebung<br />

zurechtfinden.<br />

Auch Arbeitsergebnisse werden festgehalten,<br />

die Kinder wollen und sollen<br />

das Gefühl haben, dass ihre Arbeit<br />

wertgeschätzt wird – eine Lernwerkstatt<br />

lebt von den Lernspuren, die in ihr<br />

hinterlassen werden. Die Bandbreite der<br />

Möglichkeiten ist groß und muss den<br />

Gegebenheiten (Alter der Kinder, Art<br />

der Arbeit, Einrichtung der Lernwerkstatt<br />

usw.) angepasst werden:<br />

●●<br />

Hefte oder Portfolios,<br />

●●<br />

Fotos (ideal ist ein Fotodrucker in<br />

der Lernwerkstatt),<br />

●●<br />

Filme,<br />

●●<br />

Präsentation in der Lernwerkstatt<br />

(auf Regalen, an der Wand, von der<br />

Decke),<br />

●●<br />

Präsentation außerhalb der Lernwerkstatt<br />

im Kindergarten oder in der<br />

Schule.<br />

Über das Lernen<br />

in der Lernwerkstatt<br />

Lernen in einer Lernwerkstatt folgt<br />

manchmal anderen Gesetzmäßigkeiten<br />

und ist anderen Grundgedanken<br />

verpflichtet als der »normale« Unterricht<br />

im Klassenzimmer: Es richtet sich<br />

nach den Interessen jedes Kindes, es<br />

ist forschend-entdeckendes Lernen, es<br />

ist ko-konstruktives Lernen, denn in<br />

einer Lernwerkstatt lernt das Kind nie<br />

allein, sondern immer umgeben von<br />

anderen Interessierten, Beobachtenden,<br />

Zweifelnden, und das Lernen erfolgt inzidentell,<br />

es gibt also keine didaktisch<br />

ausgearbeiteten kleinen Schritte, sondern<br />

überraschenden Lernwünschen<br />

kann genauso nachgegangen werden<br />

wie Lernwegen, die sich unter Umständen<br />

nicht als zielführend erweisen,<br />

denn Umwege müssen manchmal sein.<br />

Inzidentelles Lernen ist eben auch unsystematisches<br />

Lernen.<br />

Ziel ist, dass die Kinder lernen, eigene<br />

Fragen zu entwickeln und eigene Interessen<br />

zu erspüren und beidem nachzu-<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


Praxis: Schulanfänge 2011<br />

gehen, es geht also um nichts Geringeres<br />

als darum, das Lernen zu lernen.<br />

Kinder, die regelmäßig in einer Lernwerkstatt<br />

lernen,<br />

●●<br />

können dort Interessen entwickeln<br />

und verfolgen,<br />

●●<br />

lernen Fragen zu stellen und (eigenen!)<br />

Fragen nachzugehen,<br />

●●<br />

lernen in selbst gewählter Sozialform,<br />

●●<br />

lernen in der individuell benötigten<br />

Zeit,<br />

●●<br />

lernen nach eigenem Lernweg,<br />

●●<br />

bauen Reflexionskompetenz auf,<br />

●●<br />

haben Zeit, sich mit Alltäglichem zu<br />

beschäftigen,<br />

●●<br />

lernen eine neue Lernumgebung<br />

kennen,<br />

●●<br />

lernen oft in altersgemischten,<br />

manch mal sogar in »institutionsübergreifenden«<br />

Lerngruppen,<br />

●●<br />

nehmen unterschiedliche Rollen ein:<br />

Helfer/in, Wissende/r, Ideengeber/in,<br />

Zweifler/in …<br />

In den LuKS-Lernwerkstätten erleben<br />

wir oft selbst erstaunt, wie selbstverständlich<br />

und produktiv Kindergarten-<br />

mit Grundschulkindern zusammenarbeiten<br />

– und zwar nicht nur mit<br />

Erstklässlern, auch in der Kooperation<br />

mit Drittklässlern bringen viele der<br />

»Kleinen« ihre Ideen, ihr Wissen und<br />

ihre Vermutungen<br />

ganz selbstbewusst<br />

ein, und ihre Meinung<br />

wird von den<br />

»Großen« durchaus<br />

»Die Fragen sind es,<br />

aus denen das, was<br />

bleibt, entsteht.«<br />

(Erich Kästner)<br />

ernst genommen.<br />

Umgekehrt ist es für<br />

alle – und natürlich v. a. für die langsamer<br />

lernenden – Grundschulkinder<br />

eine wertvolle Erfahrung, selbst einmal<br />

in die Rolle des Helfers und Tutors zu<br />

schlüpfen, und sei es nur beim Vorlesen<br />

einer kurzen Anweisung, beim Notieren<br />

eines Ergebnisses oder bei der Orientierung<br />

im Schulhaus.<br />

Ausblick<br />

Spannend wird für alle am Projekt Beteiligten<br />

der nun bevorstehende Schulanfang:<br />

Wird den LuKS-Kindergartenkindern<br />

der Übergang in die Schule<br />

wirklich viel leichter fallen? Wie werden<br />

sie sich in der Lernwerkstatt gegenüber<br />

den neuen »Kleinen« verhalten? Wie gegenüber<br />

ihren ehemaligen Erzieherinnen,<br />

nun, nach dem »Rollenwechsel«?<br />

Begegnen ihre Eltern der Schule mit<br />

weniger Vorbehalten und Ängsten?<br />

Erzieherinnen wie Lehrerinnen erwarten<br />

sich positive Effekte – und<br />

haben dafür auch viel investiert:<br />

Der organisatorische Aufwand<br />

einer solchen Kooperation ist<br />

hoch, Kindergärten und Schulen<br />

sind vollkommen unterschiedlich<br />

strukturiert und es erfordert von<br />

allen Beteiligten gerade zu Beginn viel<br />

Kooperationsbereitschaft und Toleranz,<br />

sich auf die Bedingungen des anderen<br />

einzustellen.<br />

In den LuKS-Lernwerkstätten beginnt<br />

die Kooperation Alltag zu werden<br />

– die nächste Herausforderung steht mit<br />

der personellen Organisation des neuen<br />

Schuljahrs an. An zwei Standorten<br />

ergeben sich mit der Eröffnung eines<br />

Ganztagszweigs neue Perspektiven und<br />

damit einhergehend neue (v. a. zeitliche)<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit.<br />

Insgesamt sind sich aber schon zum<br />

jetzigen Zeitpunkt alle einig, dass das<br />

Projekt einen so intensiven Austausch<br />

auf ganz verschiedenen Ebenen initiierte,<br />

wie er bisher undenkbar war, und<br />

davon profitieren alle: Erzieherinnen,<br />

Lehrerinnen und Kinder.<br />

Anmerkung<br />

(1) Das Projekt LuKS ist ein Teilprojekt<br />

im Rahmen des Projekts »Lernen vor Ort«<br />

der Landeshauptstadt München, das vom<br />

Bundes ministerium für Bildung und<br />

Forschung, vom Europäischen Sozialfonds<br />

für Deutschland sowie von der Europäischen<br />

Union gefördert wird. Es wird von der<br />

Ludwig-Maximilians-Universität in<br />

Kooperation mit dem Referat für Bildung<br />

und Sport sowie dem Staatlichen Schulamt<br />

in der LH München geleitet.<br />

Literatur<br />

VeLW (2009): Verbund europäischer Lernwerkstätten<br />

(Hrsg.): Positionspapier zu<br />

Qualitätsmerkmalen von Lernwerkstätten<br />

und Lernwerkstattarbeit, Berlin.<br />

Wedekind, Hartmut (2011): Eine Geschichte<br />

mit Zukunft. 30 Jahre Lernwerkstatt. In:<br />

<strong>Grundschule</strong> H. 6, S. 6 – 10<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

31


<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />

Rudolf Schmitt zum Abschied von Rolf Kielblock<br />

»Über 25 Jahre im Einsatz für den Grundschulverband«<br />

Am 31. Mai beendete Rolf Kielblock<br />

seine Tätigkeit als Geschäftsführer des<br />

Grundschulverbands. Mehr als 25 Jahre<br />

lang begleitete er an entscheidender<br />

Stelle die Geschicke des Verbandes.<br />

Bis 1984 war die Geschäftsstelle des<br />

damals noch jungen Arbeitskreises<br />

<strong>Grundschule</strong> e. V. mehr oder weniger ein<br />

Provisorium. Erst mit der Schaffung einer<br />

hauptamtlichen Geschäftsstelle mit Rolf<br />

Kielblock an der Spitze konnte sich im<br />

DIPF, Schloß straße 29, eine Geschäftsstelle<br />

entwickeln, die diesen Namen<br />

verdiente, allerdings zunächst unter<br />

schwierigen Arbeits bedingungen.<br />

Der Flur vor der Aula war im Sommer<br />

unerträglich heiß, im Winter zu kalt.<br />

Die offene Bühne der Aula diente als<br />

Lagerstätte für Bücher und Schriften.<br />

Der allmähliche menschenwürdige<br />

Ausbau dieser Räumlichkeiten war das<br />

ausschließliche Verdienst Rolf Kielblocks.<br />

Mehr als 10 Jahre lang verwaltete Rolf<br />

Kielblock die Geschäftsstelle allein. Rückblickend<br />

muss man zugeben, dass dieser<br />

Zeit durchaus ein wenig der Geruch<br />

der Ausbeutung anhaftet. Mit Geduld,<br />

Beharrlichkeit, einem hohen Grad an<br />

Leidensfähigkeit und großem Optimismus,<br />

stets unterlegt mit einem Schuss<br />

Ironie und Fröhlichkeit überstand Rolf<br />

Kielblock dieses schwierige Jahrzehnt.<br />

Was ein Geschäftsführer alles zu leisten<br />

hat, beschrieb Rolf Kielblock selbst bereits<br />

im Jahr 1984 vor seinem Amtsantritt:<br />

1. Allgemeine Verwaltungsaufgaben<br />

Die gesamte Korrespondenz, die Vorbereitung<br />

der Vorstands- und (damaligen)<br />

Professor Rudolf Schmitt<br />

(Vorsitzender von 1986 bis 2000)<br />

Beiratssitzungen, Organisation<br />

bundesweiter und<br />

lokaler Veranstaltungen.<br />

2. Finanzverwaltung<br />

Obwohl es das Amt des<br />

Schatzmeisters gibt, liegt<br />

die alltägliche Verwaltung<br />

der Finanzen auschließlich<br />

beim Geschäftsführer.<br />

3. Mitgliederwerbung<br />

und -betreuung<br />

Dies war für Rolf Kielblock<br />

eine der wichtigsten Aufgaben<br />

der Geschäftsstelle.<br />

Von 1986 bis 1996 stieg<br />

die Mitgliederzahl kontinuierlich<br />

von 5.000 auf fast<br />

16.000.<br />

4. Zentrale und<br />

Koordinationsstelle<br />

Der damals noch wichtige<br />

Telefondienst. Die sachgerechte Beantwortung<br />

von Anfragen. Diese Sparte<br />

der Geschäftsstelle verlangte inhaltliche<br />

Kompetenz, die sich, bezogen auf die<br />

<strong>Grundschule</strong>, Rolf Kielblock nach und<br />

nach erwerben musste. Kontakte zu<br />

bildungspolitischen Institutionen mussten<br />

aufgebaut und gepflegt werden,<br />

ebenso die Kontakte zu Verlagen.<br />

Kennen muss der Geschäftsführer die<br />

Schul- und Bildungspolitik der Länder,<br />

die Programme und Aktivitäten anderer<br />

Organisationen.<br />

Eigentlich hätte der Vorstand damals<br />

schon erkennen können, dass diese<br />

Mammut-Aufgabe einen Einzelnen<br />

überfordert. Deutlich wurde bei der<br />

Vorbereitung des Bundesgrundschulkongresses<br />

1989, dass die Geschäftsführung<br />

des Arbeitskreises <strong>Grundschule</strong> mit nur<br />

einer hauptamtlich angestellten Person<br />

nicht mehr zu bewältigen war. Nicht nur<br />

das Alltagsgeschäft, sondern gerade auch<br />

die monatelange Vorbereitung dieses<br />

Großereignisses mit 3.000 Anmeldungen<br />

und 4.000 Teilnehmenden offenbarte die<br />

Unterbesetzung der Geschäftsstelle.<br />

Barbara und Rolf Kielblock wurden auf der Delegiertenversammlung<br />

verabschiedet<br />

Seit 1992 gilt die neue Satzung mit der<br />

Gründung von 16 Landesgruppen und<br />

2 × jährlich Delegiertenversammlungen.<br />

Schlagartig erhöhte sich die Verwaltungsarbeit,<br />

zumal die Landesgruppen finanziell<br />

nicht selbstständig sind. Trotzdem<br />

blieb es bei der Minigeschäftsstelle. Erst<br />

1996, nach der Vorstandswahl, setzte sich<br />

die Meinung durch, dass die Geschäftsstelle<br />

doppelt hauptamtlich besetzt sein<br />

müsste.<br />

Inzwischen hatte sich allerdings Dramatisches<br />

ereignet: Anfang September<br />

erleidet Rolf Kielblock eine schwere Herzattacke.<br />

Er fällt über Monate aus.<br />

Erst im Frühjahr 1997 kann Rolf Kielblock<br />

stundenweise wieder den Dienst übernehmen.<br />

Dieses Ereignis forcierte die<br />

Suche nach einer zweiten Kraft.<br />

Mit der Einstellung von Sylvia Reinisch<br />

als hauptamtliche Mitarbeiterin kam die<br />

Lösung vieler Probleme. Die regelmäßige<br />

Mitarbeit von Barbara Kielblock auf einer<br />

halben Stelle ergänzte das Team.<br />

Bewährungsproben waren die Bundesgrundschulkongresse<br />

1999 und 2009, die<br />

von dem Dreier-Team blendend gemanagt<br />

wurden. Unauffällig, aber genauso<br />

wichtig war die jahrelange, kontinuierliche<br />

und verlässliche Alltagsarbeit zum<br />

Wohle des Grundschulverbandes, der den<br />

beiden Scheidenden dafür seine Anerkennung<br />

und seinen tiefen Dank ausspricht.<br />

Nicht unerwähnt soll bleiben die regelmäßige<br />

Pressetätigkeit für den Grundschulverband.<br />

Besonders die Glossierung<br />

mit vielen sehr zutreffenden Sprüchen<br />

haben alle mit Vergnügen gelesen. Dieses<br />

Amüsement wird uns in Zukunft fehlen.<br />

Fehlen werden uns Rolf und Barbara Kielblock<br />

im Grundschulverband, wenn uns<br />

auch bewusst ist, das mit Sylvia Reinisch<br />

die Zukunft der Geschäftsstelle gesichert<br />

ist.<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />

Das verflixte siebte Jahr von VERA<br />

Im Jahr 2004 wurden die von der Universität<br />

Landau entwickelten Vergleichsarbeiten<br />

(VERA) zur flächendeckenden<br />

Erfassung von Schülerleistungen zum<br />

ersten Mal eingesetzt. Anfangs von<br />

wenigen Bundesländern durchgeführt,<br />

beteiligen sich an VERA 3 zwischenzeitlich<br />

alle Bundesländer. Die Aufgabenentwicklung<br />

liegt seit zwei Jahren beim IQB<br />

(Institut für Qualitätsentwicklung) in<br />

Berlin. Für VERA 3 werden in den Fächern<br />

Deutsch und Mathematik jährlich<br />

wechselnd zwei Kompetenzbereiche der<br />

Bildungsstandards und die Überprüfung<br />

der Lesekompetenz durchgeführt.<br />

Der Grundschulverband begleitet seit<br />

Jahren VERA 3 mit kritischen Analysen<br />

und mahnt Unzulänglichkeiten bei der<br />

VERA-Konzeption an. Neben der Kritik an<br />

der Aufgabenqualität hat immer wieder<br />

die Form der Auswertung Unverständnis<br />

hervorgerufen. Es müssen alle Einzelkomponenten<br />

einer Aufgabe richtig beantwortet<br />

werden, wenn die Aufgabe mit<br />

richtig bewertet werden soll. Kreative und<br />

sachlich richtige Lösungen von Kindern<br />

finden keine Beachtung.<br />

Zum Akzeptanzverlust für VERA trug<br />

darüber hinaus die unterschiedliche<br />

Handhabung und »Verwertung« der<br />

Vergleichsarbeiten in den Bundesländern<br />

bei. Von der Veröffentlichung der Ergebnisse<br />

(Ranking) über die Einsichtnahme<br />

der Schulaufsicht in die Ergebnisse bis hin<br />

zur Festlegung, dass die Ergebnisse als<br />

»Eigentum« der Schule zur Unterrichtsentwicklung<br />

beitragen sollten, wurden<br />

viele Vorgehensweisen praktiziert. In<br />

unter schied licher Weise wurde VERA als<br />

Controlling-Instrument in Evaluationsund<br />

Rechen schaftsverfahren in den<br />

Ländern eingebunden. Den Bundesländern<br />

ist es nicht gelungen, eine<br />

abgestimmte Zielklarheit bezogen auf<br />

VERA herzu stellen. Letztendlich hat alles<br />

zusammen zu umfassender Ablehnung<br />

und einem Imageverlust der Vergleichsarbeiten<br />

geführt.<br />

Was aber ist der eigentliche Sinn von<br />

VERA? Welchen Nutzen kann VERA<br />

bringen und wem? Wie müssen Vergleichsarbeiten<br />

konzipiert sein, dass<br />

Lehrerinnen und Lehrer für ihre Unterrichtsentwicklung<br />

und Schulen für die<br />

Qualitätsentwicklung davon profitieren<br />

können und wollen? Mit diesen und<br />

anderen Fragen der VERA-Kritiker befasst<br />

sich der Schulausschuss der KMK und ruft<br />

ins Gedächtnis, dass VERA originär dem<br />

Transport der Bildungsstandards in die<br />

Schulen und der innerschulischen<br />

Qualitätsentwicklung dienen sollte.<br />

Maresi Lassek,<br />

Schulleiterin der<br />

<strong>Grundschule</strong><br />

am Pfälzer Weg<br />

Bremen,<br />

Vorsitzende<br />

des Grundschulverbands<br />

Zu einem Austausch im Rahmen eines<br />

Fachgesprächs bin ich als Vorsitzende des<br />

Grundschulverbandes mit den Vorsitzenden<br />

von GEW und VBE für Ende August<br />

eingeladen worden. Lassen sich daraus<br />

für die Diskussion um die Vergleichsarbeiten<br />

ein qualitativer Schritt und ein<br />

Entwicklungsansatz ableiten? Eröffnet<br />

sich die Chance, die Zielklarheit des<br />

Instruments zu erhöhen, die Bedeutung<br />

von VERA einzugrenzen, die Belastung für<br />

Kinder sowie Lehrerinnen und Lehrer zu<br />

verringern und zu verdeutlichen, was<br />

pädagogische Leistungskultur umfasst<br />

und wie sie sich von Testverfahren<br />

unterscheidet? Die Einladung zu dem<br />

Fachgespräch wird ermöglichen, die<br />

Positionen des Grundschulverbandes mit<br />

den KMK-Vertreterinnen und -Vertretern<br />

zu diskutieren und dabei Übereinstimmungen<br />

mit GEW und VBE auszuloten.<br />

Maresi Lassek<br />

»So war der Test nicht gemeint«<br />

Unter diesem Titel veröffentlichte DIE ZEIT<br />

(Nr. 22, 26. 05. 2011) ein Gespräch von Martin<br />

Spiewak mit Prof. Dr. Hans Anand Pant.<br />

Ausgangspunkt die Feststellung:<br />

»Die Vergleichsarbeiten (Vera) an <strong>Grundschule</strong>n<br />

sind in die Kritik geraten.«<br />

Prof. Pant leitet das Berliner Institut zur<br />

Qualitätsentwicklung im Bildungswesen<br />

(IQB), das für die Entwicklung der<br />

VERA-Aufgaben verantwortlich ist. »Herr<br />

Professor Pant«, fragte Martin Spiewak,<br />

»was läuft da schief?« Zu wichtigen Kritikpunkten<br />

einige Aussagen des IQB-Leiters:<br />

VERA als Kontrollinstrument? Ȇberall dort,<br />

wo Vera zur Überprüfung der Schulen<br />

genutzt wird, gibt es Proteste. (…)<br />

Leider (…) nutzt in vielen Ländern die<br />

Schulaufsicht Vera als Kontrollinstrument<br />

gegenüber den Schulen. So war der Test<br />

jedoch nicht gemeint. Die Daten sollten<br />

zuallererst den Schulen gehören.«<br />

Geschönte Ergebnisse? »In dem Moment,<br />

wo Kontrollen drohen, fangen die Lehrer<br />

an zu schönen. Sie helfen ihren Schülern<br />

oder geben ihnen mehr Zeit. Das verzerrt<br />

die Testergebnisse natürlich.«<br />

Teaching to the test? »Problematisch wird<br />

es, wenn unsere Testformate wochenund<br />

monatelang den Unterricht bestimmen<br />

und den eigentlichen Lehrplan<br />

ersetzen.«<br />

Schulen in sozialen Brennpunkten<br />

In einigen Klassen scheitern die Kinder im<br />

Schnitt an achtzig Prozent der Aufgaben:<br />

»Das stimmt leider. Wir haben deshalb<br />

angeboten, im nächsten Jahr einige sehr<br />

einfache Fragen aufzunehmen.«<br />

Dr. Horst Bartnitzky, Grundschulpädagoge<br />

und bis 2010 Vorsitzender des<br />

Grundschulverbandes, nahm in einem<br />

Leserbrief zu dem ZEIT-Gespräch Stellung.<br />

Er schreibt: »Die angesprochenen Kritikpunkte<br />

sind zutreffend. Ein entscheidender<br />

aber fehlt. Entscheidend, weil er die<br />

Geschäftsgrundlage für die Tests betrifft:<br />

Die VERA-Aufgaben für die Drittklässler<br />

testen eben nicht die Kompetenzen der<br />

Schüler, wie sie die Kultusministerkonferenz<br />

festgelegt hat. Der Grund ist: Die<br />

Aufgabenstellungen sind sehr schlichter<br />

Natur und die Auswertungsvorschriften<br />

sehr eng gefasst. Das muss so sein, weil<br />

alle Lehrkräfte selbst die Ergebnisse mit<br />

einem einfachen Lösungsschlüssel auswerten<br />

sollen. Da verbieten sich Aufgaben,<br />

die verschiedene Lösungen zulassen, die<br />

Kinder zu kreativen Leistungen herausfordern,<br />

die eigenständig von den Kindern<br />

bearbeitet werden. Vom Lösungsschema<br />

abweichende, aber dennoch zutreffende<br />

und kluge Lösungen müssen als falsch<br />

bewertet werden. (…) Um die Kompetenzen<br />

in den Blick zu bekommen, brauchte es<br />

andere, allerdings aufwändigere Verfahren.<br />

Ganz zu schweigen davon, dass sich die<br />

Tests im Frühjahr Klasse 3 auf Standards<br />

beziehen, die für das Ende von Klasse 4<br />

formuliert sind.«<br />

Dies alles ist fachdidaktisch für die<br />

Deutsch- und Mathe-Tests Klasse 3 über<br />

mehrere VERA-Jahrgänge nachgewiesen:<br />

Nachzulesen unter www.grundschul<br />

verband.de, Stichworte Bildungspolitik,<br />

Vergleichsarbeiten). »Die Kompetenzen<br />

der Schüler«, resümiert Horst Bartnitzky,<br />

»kommen bei VERA erst gar nicht in den<br />

Blick, geschweige denn, dass sie so zu<br />

messen wären. Damit allerdings ist die<br />

Geschäftsgrundlage hinfällig. Es fehlen nur<br />

die Einsicht darin und die Konsequenzen<br />

daraus.«<br />

He.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

33


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Baden-Württemberg<br />

Vorsitzende: Erika Brinkmann, erika.brinkmann@ph-gmuend.de;<br />

www.gsv-bw.de<br />

»Der Wechsel beginnt«<br />

So titelt die neue Landesregierung<br />

ihr Regierungsprogramm.<br />

Die schwarz-gelbe<br />

58-jährige CDU-Dominanz im<br />

Ländle wurde von einer<br />

grün-roten Landesregierung<br />

abgelöst, in welcher Ministerpräsident<br />

Winfried Kretschmann<br />

von den Grünen die<br />

Verantwortung übernommen<br />

hat.<br />

Neue Ministerin für Kultus,<br />

Jugend und Sport wurde<br />

Gabriele Warminski-Leitheußer<br />

(MdL der SPD). Sie hat<br />

einige bildungspolitische<br />

Veränderungen ins Auge<br />

gefasst, u. a.:<br />

––<br />

intensive frühkindliche<br />

Bildung in Kinderkrippen und<br />

Kindergärten<br />

––<br />

Abschaffung der <strong>Grundschule</strong>mpfehlung<br />

––<br />

Modellschulen, die Kinder<br />

länger gemeinsam lernen<br />

lassen und besser individuell<br />

fördern<br />

––<br />

langfristiges Ziel ist eine<br />

Gemeinschaftsschule für alle<br />

Kinder bis Klasse 10<br />

––<br />

Ausbau echter Gemeinschaftsschulen<br />

mit den dafür<br />

notwendigen Rahmenbedingungen<br />

––<br />

drastische Verringerung<br />

des Unterrichtsausfalls<br />

––<br />

Verstärkung der Schulsozialarbeit<br />

––<br />

mehr zielgenaue Investitionen<br />

im Bildungsbereich.<br />

Die Wissenschaftsministerin<br />

Theresia Bauer (MdL von den<br />

Grünen) wird sich u. a.<br />

einsetzen für<br />

––<br />

die Abschaffung der<br />

Studiengebühren<br />

––<br />

die Wiedereinführung der<br />

verfassten Studierendenschaft<br />

––<br />

die Mitbestimmung an<br />

Hochschulen<br />

––<br />

den Abbau befristeter<br />

Arbeitsverträge<br />

––<br />

die Öffnung der Hochschulen.<br />

Die Landesgruppe wird diese<br />

Änderungsvorschläge<br />

kritisch-konstruktiv begleiten.<br />

Umfrage der<br />

Landesgruppe<br />

Mit einem Fragebogen an die<br />

Mitglieder versucht die<br />

Landesgruppe derzeit, deren<br />

Wünsche und Vorstellungen<br />

besser kennenzulernen. So<br />

wurde u. a. gefragt:<br />

●●<br />

Was erwarten Sie von der<br />

Landesgruppe des Grundschulverbands?<br />

●●<br />

Welche Themenbereiche<br />

sollten bei Grundschultagen<br />

bzw. Fachtagen bevorzugt<br />

aufgegriffen werden?<br />

●●<br />

Wären Sie eventuell bereit,<br />

an Grundschultagen, Fachtagungen<br />

oder Gesprächskreisen<br />

aktiv mitzuarbeiten?<br />

Die Ergebnisse werden<br />

demnächst vorliegen und<br />

damit die Arbeit der Landesgruppe<br />

schärfer akzentuieren.<br />

Dies fällt in eine Zeit, in<br />

der einige wichtige Ziele des<br />

Grundschulverbands auch<br />

politisch umsetzbar erscheinen.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Adolf Messer<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

www.wl-lang.de<br />

Regionale Fortbildungen<br />

und Studientage<br />

Im ersten Halbjahr bot die<br />

Landesgruppe über ganz<br />

Rheinland-Pfalz verteilt mehr<br />

als 20 regionale Fortbildungsveranstaltungen<br />

und<br />

Studientage an einzelnen<br />

Schulen unter dem Titel<br />

Lernen und Leisten, Beraten,<br />

Beurteilen und Bewerten –<br />

Pädagogische Leistungskultur<br />

auf der Grundlage der Grundschulordnung<br />

an und erhielt<br />

nicht nur sehr guten Zuspruch,<br />

sondern auch viele<br />

positive Rückmeldungen.<br />

Nach einer Einführung zum<br />

Wandel der Lehr- zur Lernkultur<br />

und der mit vielen<br />

Praxisbeispielen angereicherten<br />

Darstellung dessen, was<br />

der Grundschulverband zur<br />

Pädagogischen Leistungskultur<br />

erarbeitet hat, wurde<br />

auf Grundlage der seit 2008<br />

gültigen Grundschulordnung<br />

dargelegt und diskutiert, wie<br />

gruppenbezogene und<br />

individuelle Leistungen<br />

erbracht, beurteilt und<br />

bewertet werden können.<br />

Im Juni konnten sich Interessierte<br />

an der <strong>Grundschule</strong><br />

St. Julian bei einer Nachmittagsveranstaltung<br />

darüber<br />

informieren, wie man dem<br />

Zählenden Rechnen vorbeugen<br />

bzw. begegnen kann.<br />

Fachleiterinnen und Fachleiter<br />

für Grundschulpädagogik<br />

aus den Studienseminaren in<br />

RLP beschäftigten sich im<br />

August an der Universität<br />

Koblenz-Landau (Campus<br />

Koblenz) in Theorie und<br />

insbesondere in Praxis mit<br />

der Dialogischen Gesprächsführung.<br />

Gemeinsam mit<br />

dem dortigen Zentrum für<br />

Lehrerbildung und der GEE<br />

(Gemeinschaft Evangelischer<br />

Erzieher) bot die Landesgruppe<br />

eine entsprechende<br />

ganztägige Tagung zum<br />

professionellen Handeln<br />

im Spannungsfeld von<br />

Beurteilen und Beraten in<br />

der 2. Ausbildungsphase<br />

an.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Werner Lang<br />

Die Landesgruppe<br />

ist auch auf dem<br />

6. Demokratietag<br />

Rheinland-Pfalz<br />

aktiv, der am Donnerstag,<br />

22. September 2011<br />

an der Georg-Forster-<br />

Gesamtschule Wörrstadt<br />

stattfinden und unter dem<br />

Motto »Wege zu einer<br />

demokratischen Lernkultur«<br />

stehen wird.<br />

34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Berlin<br />

Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />

www.gsv-berlin.de<br />

Gute <strong>Grundschule</strong> ist<br />

machbar – aber nicht<br />

umsonst<br />

In Berlin sollten altersgemischte<br />

Lerngruppen in<br />

der Schulanfangsphase<br />

Regelfall sein, aber viele<br />

Pädagog/innen aus Schulen<br />

in den sozialen Brennpunkten<br />

äußern große Zweifel am<br />

Erfolg des Lernens in derart<br />

heterogenen Kindergruppen.<br />

Der rege Widerstand der<br />

Pädagog/innen, die sich mit<br />

den Lernproblemen ihrer<br />

Kinder in den hoch belasteten<br />

Stadtteilen zunehmend<br />

mehr allein gelassen fühlen,<br />

führte zu einem Kurswechsel<br />

unseres Bildungssenators.<br />

Alle, die wieder zur altershomogenen<br />

Klassenbildung<br />

zurückwollen, können nun<br />

einen entsprechenden<br />

Antrag stellen. Alle Antragsteller<br />

müssen aber konzeptionell<br />

nachweisen, wie sie<br />

zukünftig den leistungsschwächeren<br />

Kindern das<br />

pädagogisch sinnvolle<br />

»Verweilen« – drei Jahre statt<br />

zwei in der Schulanfangsphase<br />

– ohne das Stigma des<br />

Sitzenbleibens ermöglichen.<br />

Die Berliner Landesgruppe<br />

des Grundschulverbandes<br />

kritisiert diese schleichende<br />

Abkehr von der Jahrgangsmischung,<br />

liegen doch<br />

gerade in der größeren<br />

Heterogenität der Lerngruppen<br />

große Chancen,<br />

die Unterrichtskultur in den<br />

Klassenzimmern nachhaltig<br />

zu mehr individuellem<br />

Lernen und Fördern zu<br />

verändern.<br />

Wir sehen aber auch die<br />

großen Schwierigkeiten im<br />

Prozess der flächendeckenden<br />

Umsetzung. Es gibt viele<br />

Ursachen für den Widerstand<br />

gegen größere Heterogenität.<br />

Zu nennen sind<br />

●●<br />

überholte Arbeitszeitvorgaben<br />

– Lehrer/innen brauchen<br />

neben der eigent lichen<br />

Unterrichtsverpflichtung<br />

ausreichend Zeit zum Planen<br />

und Reflektieren neuer<br />

Aufgaben. Eine Unterrichtsverpflichtung<br />

von 28 Schulstunden<br />

ist zu hoch.<br />

●●<br />

ungeeignete Räumlichkeiten<br />

– veränderte Unterrichtsformen<br />

brauchen mehr als<br />

die traditionellen Klassenräume.<br />

Berlin hat einen<br />

Investitionsstau, was Schulbauten<br />

angeht, von dramatischem<br />

Ausmaß.<br />

●●<br />

mangelndes Knowhow<br />

– dahinter steht immer auch<br />

das Fehlen von hilfreicher,<br />

schulunterstützender<br />

Fortbildung.<br />

●●<br />

fehlendes Personal – dahinter<br />

verbirgt sich eine nicht<br />

sach- und fachgerechte<br />

Lehrerzuweisung.<br />

Schulreformen können in<br />

Berlin schon deshalb schnell<br />

scheitern, weil es in der<br />

ganzen Stadt nur noch eine<br />

rechnerische Ausstattung an<br />

Lehrerpersonal von 100 %<br />

gibt. 100 % heißt aber nicht,<br />

dass jede Schule zu jeder Zeit<br />

im Schuljahr über eine<br />

100 %ige Lehrerausstattung<br />

verfügt. Der Altersdurchschnitt<br />

der Berliner Lehrerschaft<br />

und entsprechend der<br />

Krankenstand sind hoch.<br />

Vertretungsunterricht wird<br />

weitgehend von unzureichend<br />

ausgebildeten<br />

Lehranfängern erteilt. Wen<br />

wundert es da noch, dass die<br />

Schulentwicklung und die<br />

Kraft für die Umsetzung von<br />

Reformen auf der Strecke<br />

bleiben.<br />

Jede fünfte <strong>Grundschule</strong><br />

kündigt nun an, dass sie aus<br />

dem sogenannten jahrgangsübergreifenden<br />

Lernen<br />

aussteigen will.<br />

Der Berliner Grundschulverband<br />

bedauert sehr,<br />

dass mit der Zurücknahme<br />

der verbindlichen Altersmischung<br />

nun die Berliner<br />

Politiker und damit auch die<br />

Schulverwaltungen der<br />

Verantwortung enthoben<br />

sind, sich intensiver mit den<br />

Gelingensbedingungen von<br />

schulischem Lernen in<br />

heterogenen Kindergruppen<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Wir stellen uns in diesem<br />

Zusammenhang die Frage,<br />

wie es den <strong>Grundschule</strong>n<br />

– eben auch jenen in den<br />

sozialen Brennpunkten der<br />

Stadt – gelingen wird, die<br />

UN-Menschenrechtskonvention<br />

(Eine Schule für alle)<br />

umzusetzen? Die »Ablehner«<br />

müssen noch überzeugt<br />

werden, die »Befürworter«<br />

dürfen nicht durch unzumutbare<br />

Rahmenbedingungen<br />

entmutigt werden. Das der<br />

Berliner Öffentlichkeit nun<br />

vorliegende Gesamtkonzept<br />

zur inklusiven Schule wird<br />

besonders heftig kritisiert, da<br />

es vorgibt, die Umsteuerung<br />

von einer selektiven Schule<br />

zu einer inklusiven Schule<br />

kostenneutral meistern zu<br />

können. Selbst bei den<br />

Politikern im Berliner Abgeordnetenhaus<br />

kamen Zweifel<br />

bei soviel Sparbereitschaft<br />

auf. Das Parlament hat alle<br />

Entscheidungen auf die Zeit<br />

nach der Wahl verschoben.<br />

Zu allem Überfluss hat die<br />

Schulverwaltung zum Ende<br />

des Schuljahres 2010/11 die<br />

Berliner Lehrerschaft noch<br />

einmal »überrascht«, indem<br />

sie – trotz steigendem Anteil<br />

von Kindern mit Behinderungen<br />

in den Regelschulen –<br />

die Zumessung an Lehrerstunden<br />

weiterhin auf<br />

niedrigem Niveau »deckelt«.<br />

Entsprechend erhalten die<br />

Kinder mit Förderbedarf in<br />

vielen integrativ arbeitenden<br />

Schulen weniger Lehrerstunden<br />

zur individuellen<br />

Förderung. Der gleichzeitig<br />

gestiegene Anteil von armen<br />

Kindern, die aufgrund ihrer<br />

prekären Lebensverhältnisse<br />

tagtäglich in den unzureichend<br />

ausgestatteten<br />

Schulen mehr und mehr<br />

Misserfolge erleben, blieb<br />

ebenfalls unberücksichtigt.<br />

Der Grundschulverband<br />

führte in diesem Sinne im<br />

Mai eine Veranstaltung zum<br />

Thema Gute <strong>Grundschule</strong> gibt<br />

es nicht umsonst durch.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

35


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />

www.gsv-brandenburg.de<br />

Auf dem Weg zur Inklusiven<br />

Schule – Regionalkonferenzen<br />

in Brandenburg<br />

Im Mai und Juni 2011 fanden<br />

auf Initiative des Bildungsministeriums<br />

insgesamt<br />

sechs Regionalkonferenzen<br />

in den Schulamtsbereichen<br />

des Landes Brandenburg<br />

statt. An vier der sechs<br />

Konferenzen nahmen<br />

Vertreterinnen des Landesgruppenvorstandes<br />

des<br />

Grundschulverbandes teil.<br />

Die Regionalkonferenzen<br />

boten ein unterschiedliches<br />

Stimmungsbild: die Arbeit<br />

der Pädagogen wertschätzend,<br />

getragen von Ernsthaftigkeit<br />

und sachlich<br />

vorgetragenen vielfältigen<br />

Meinungen aus den Sichten<br />

verschiedenster Beteiligter.<br />

Andererseits waren ein<br />

großer »Erfolgsdruck« und<br />

eine deutliche Anspannung<br />

spürbar. Es besteht ein<br />

großer Bedarf, sich mit<br />

kritisch-konstruktiven<br />

Meinungen einzubringen.<br />

Viel Klärungsbedarf besteht<br />

zur Umsetzung des Vorhabens<br />

der »Schule für alle«<br />

– nicht hinsichtlich des<br />

langfristigen Ziels, sondern<br />

bezüglich der Art und Weise.<br />

Kritisch wurde angemerkt,<br />

dass mit den Regionalkonferenzen<br />

eigentlich ein umfassender<br />

Diskussions prozess<br />

zur Umsetzung der inklusiven<br />

Schulen in Gang gesetzt<br />

werden sollte. Doch es<br />

entstand der Eindruck, dass<br />

das »Wie« der Umsetzung<br />

bereits beschlossene Sache<br />

sei.<br />

Die Reden der Bildungsministerin<br />

Frau Dr. Martina<br />

Münch waren authentisch<br />

vorgetragen, zum Anliegen<br />

informierend, für die Inklusion<br />

werbend, aber wenig<br />

emotional mitnehmend und<br />

auf einer allgemeinen Ebene,<br />

so dass kaum Dissense<br />

möglich waren.<br />

Irritierend waren die Festlegung<br />

eines Zeitplanes mit<br />

einzelnen Maßnahmen<br />

(Schließung der Schulen mit<br />

den Förderschwerpunkten<br />

Lernen, Sprache und Verhalten<br />

bis 2019) und dagegen<br />

relativ vage Aussagen zur<br />

Umsetzung.<br />

So sei eine Fortbildungsinitiative<br />

geplant, eine<br />

konkrete Konzept- und<br />

Maßnahme planung soll im<br />

nächsten halben Jahr<br />

erfolgen.<br />

Anknüpfend an die schon<br />

guten schulischen Erfahrungen<br />

in Brandenburg soll es<br />

Pilotprojekte geben, die<br />

Verständigung soll fortgesetzt<br />

werden. Ressourcen<br />

sollen im System bleiben.<br />

Es fehlten aber konkrete<br />

Aussagen der Ministerin<br />

zum Umgang mit dem<br />

gleich zeitigen Sparauftrag<br />

von etwa 27 Millionen Euro<br />

im Bildungs wesen Brandenburgs.<br />

Die Ministerin betonte<br />

mehrfach, die Inklusion nur<br />

als gemeinsame gesellschaftliche<br />

Aufgabe bewältigen zu<br />

können.<br />

An dieser Stelle fehlten aber<br />

Aussagen, wie sie sich in<br />

parteipolitischen Auseinandersetzungen<br />

für mehr<br />

Bildungsressourcen einsetzen<br />

will und über Partei-<br />

politik hinweg ein gesellschaftlicher<br />

Konsens entstehen<br />

soll.<br />

Verschiedene Praxisbeispiele<br />

aus dem Gemeinsamen<br />

Unterricht und der Flexiblen<br />

Schuleingangsphase (FLEX)<br />

wurden von Schulleiterinnen<br />

und Schulleitern und Schulräten<br />

aus den jeweiligen<br />

Schulamtsbereichen dargestellt.<br />

Bei allen Praxisberichten<br />

wurde deutlich, wie<br />

wichtig eine gemein same<br />

Grundhaltung gegenüber<br />

den Kindern und ein ineinandergreifendes,<br />

abgestimmtes<br />

Vorgehen aller Beteiligten ist.<br />

Erfolge stellen sich nicht<br />

kurzfristig ein, sondern sind<br />

das Ergebnis kontinuierlicher<br />

und langjähriger Entwicklungsprozesse.<br />

Darüber hinaus braucht ein<br />

Reformprojekt wie die<br />

Inklusion besonders im<br />

Anschub weitergehende<br />

Finanzierung und Unterstützung.<br />

Die Einbeziehung weiterer<br />

Professionen und die Zusammenarbeit<br />

von Schule,<br />

Jugend- und Sozialämtern,<br />

Krankenkassen und Schulträgern<br />

sind unerläss liche<br />

Bausteine.<br />

Es gibt viele offene Fragen<br />

und Unklarheiten, und das auf<br />

den unterschiedlichsten<br />

Ebenen. Insgesamt war viel<br />

Aufgeschlossenheit für das<br />

Ziel und die Vision der<br />

Inklusion spürbar.<br />

Die Ängste von Lehrkräften,<br />

die Inklusion unter den<br />

gegebenen Bedingungen<br />

nicht zu schaffen, und die<br />

Sorge von Eltern, dass ihre<br />

behinderten Kinder einen<br />

Schutzraum verlieren,<br />

müssen ernst genommen<br />

werden.<br />

Die Forderung nach einer<br />

Schule für alle, an die sich<br />

auch eine Abiturstufe<br />

anschließt und die mit einer<br />

grundsätzlichen Strukturreform<br />

verbunden ist, bleibt<br />

eine Forderung und wird<br />

noch nicht als langfristiges<br />

Ziel benannt.<br />

Die Heraus forderungen der<br />

Inklusion werden eher auf<br />

<strong>Grundschule</strong>n und Oberschulen<br />

»geschoben«.<br />

Eine gründliche und kompetente<br />

Diagnostik durch<br />

Experten sollte nicht aufgegeben<br />

werden.<br />

Fragen der Finanzierung<br />

dürfen nicht vernachlässigt<br />

werden.<br />

Die Fort- und Ausbildung von<br />

Lehrerinnen und Lehrern<br />

muss verändert werden und<br />

die Zusammenarbeit in<br />

Teams muss etabliert<br />

werden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Denise Sommer,<br />

Dr. Elvira Waldmann,<br />

Marion Gutzmann<br />

Donnerstag,<br />

8. September 2011,<br />

13 bis 17 Uhr,<br />

LISUM, Ludwigsfelde<br />

Fachtagung<br />

»Grundwortschatz –<br />

Wie gehen wir damit um?«<br />

mit Beate Leßmann<br />

36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Hamburg<br />

Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg, susanne.peters@gsvhh.de<br />

www.gsvhh.de<br />

»Kinder schreiben mit<br />

der Hand – Schrift(en) am<br />

Schulanfang«<br />

Unter dieser Überschrift<br />

stand der Vortrag von Ulrich<br />

Hecker, zu dem die Landesgruppe<br />

Hamburg in Zusammenarbeit<br />

mit dem Fachbereich<br />

Deutschdidaktik der<br />

Universität eingeladen hatte.<br />

Studierende sowie junge und<br />

ältere, erfahrene Grundschullehrkräfte<br />

folgten interessiert<br />

den Ausführungen Heckers,<br />

der nach einem Rückblick auf<br />

die geschichtliche Entwicklung<br />

von Schrift die Gründe<br />

für die Erarbeitung einer<br />

neuen Schriftform, der<br />

Grundschrift, erläuterte.<br />

Besondere Brisanz erhielt<br />

dieses Thema dadurch, dass<br />

die Grundschrift in den<br />

neuen Hamburger Bildungsplänen<br />

neben der Schulausgangsschrift<br />

als verbundene<br />

Schrift zur Auswahl steht.<br />

Nach einem praktischen<br />

Übungsteil stellte sich Ulrich<br />

Hecker den Fragen der<br />

Zuhörerschaft. Trotz einiger<br />

kritischer Stimmen war die<br />

durchweg positive Einstellung<br />

zu der neu entwickelten<br />

Schrift zu spüren. Die Landesgruppe<br />

freut sich über die<br />

Bereitschaft, »Schreiben mit<br />

Schwung« auszuprobieren<br />

und ist gespannt auf die<br />

ersten Ergebnisse und<br />

Erfahrungsberichte Hamburger<br />

Lehrerinnen und Lehrer.<br />

Stolpersteine auf dem Weg<br />

zur Inklusion<br />

Wenige Tage vor Abschluss<br />

des Schuljahres gab es immer<br />

noch keine Planungssicherheit<br />

für Allgemeinbildende<br />

Schulen, in denen im neuen<br />

Schuljahr auch Kinder mit<br />

sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf unterrichtet<br />

werden. Viele Anträge sind<br />

noch nicht entschieden, so<br />

dass voraussichtlich zu<br />

Schuljahresbeginn nicht die<br />

nötige Versorgung mit<br />

Sonderpädagogenstunden<br />

gewährleistet ist, um unverzüglich<br />

mit der Förderung<br />

der Kinder beginnen zu<br />

können.<br />

Zwar bedauerte der neue<br />

Senator Ties Rabe die<br />

allgemein immer noch<br />

unzureichende Finanzierungsgrundlage<br />

und kündigte<br />

als erste Entlastung<br />

zusätzliche Erzieherzeiten an,<br />

die an die Anzahl der Kinder<br />

mit Förderbedarf gekoppelt<br />

sind. Wie sollen aber Einstellungen<br />

erfolgen, solange<br />

noch keine endgültigen<br />

Zahlen vorliegen?<br />

Viele Schulen stehen der<br />

Aufgabe »Inklusion« offen<br />

gegenüber. Doch knappe<br />

Ressourcen und mangelnde<br />

Planungssicherheit nehmen<br />

Elan und spielen Gegnern<br />

und massiven Kritikern der<br />

Inklusion in die Hände. Die<br />

Landesgruppe fordert, die<br />

zurzeit praktizierte Form von<br />

Antragstellung, Diagnose<br />

und Bewilligung grundlegend<br />

zu prüfen und speziell<br />

für erste Klassen eine<br />

systemische Ressource<br />

vorzusehen, um nicht Kinder<br />

schon vor der Einschulung zu<br />

stigmatisieren, sondern von<br />

Anfang an bedarfsgerecht<br />

fördern zu können.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Marion Lindner<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Vorsitzender: Ralph Grote, Hasengang 3, 17309 Pasewalk, ralphgrote@aol.com<br />

Landesfachtagung zur<br />

Bildungskonzeption<br />

Am 18. Juni fand in Güstrow<br />

die Landesfachtagung zur<br />

Bildungskonzeption für<br />

0- bis 10-jährige Kinder statt.<br />

Auf ihr zogen rund 500<br />

Teilnehmer eine Zwischenbilanz<br />

zur Arbeit mit der<br />

neuen Bildungskonzeption,<br />

die unter Beteiligung des<br />

Grundschulverbandes<br />

entstanden ist.<br />

Es wurden neu erarbeitete<br />

Themen vorgestellt und<br />

diskutiert, wie die Erziehungspartnerschaft<br />

mit<br />

den Eltern, wertorientiert<br />

handelnde Kinder-Religion,<br />

Philosophie, Ethik und Leit -<br />

gedanken der Erziehungsund<br />

Bildungsbereiche.<br />

Namhafte Referenten<br />

wie Prof. Fthenakis und<br />

Prof. Klusemann vermittelten<br />

den Teilnehmern neue<br />

Impulse zur Sicht auf die<br />

Kinder und zur pädagogischen<br />

Arbeit.<br />

Die Landesregierung hat sich<br />

mit der Implementierung der<br />

Konzeption zur Umsetzung<br />

des lebenslangen Lernens für<br />

alle ein hehres Ziel gesetzt.<br />

Die Beachtung der Besonderheiten<br />

aller Kinder und die<br />

Förderung ihrer Stärken<br />

ziehen sich dabei wie ein<br />

roter Faden durch die<br />

Konzeption.<br />

Die weitere Umsetzung der<br />

Konzeption wird sich jedoch<br />

auch daran messen, wie es<br />

einer zukünftigen Regierung<br />

gelingen wird, die Bedingungen<br />

für die Arbeit der<br />

ErzieherInnen und Erzieher<br />

und der LehrerInnen zu<br />

verbessern.<br />

Gerade die Zielstellung, alle<br />

Kinder in die erste Klasse<br />

aufzunehmen, eine frühe<br />

Überweisung in die Förderschule<br />

zu vermeiden, macht<br />

eine intensivere Zusammenarbeit<br />

zwischen ErzieherInnen,<br />

LehrerInnen und Eltern<br />

notwendig.<br />

Dafür brauchen die Pädagogen<br />

im Interesse der ihnen<br />

anvertrauten Kinder Zeit.<br />

Gerade LehrerInnen in den<br />

ersten und zweiten Klassen<br />

haben diese Zeit unter den<br />

veränderten Bedingungen<br />

jedoch nicht. Es bleibt also zu<br />

überlegen, wie die KollegInnen<br />

diese Zeit bekommen.<br />

Will man die Arbeit qualitätsvoll<br />

gestalten, sollte eine<br />

neue Landesregierung dafür<br />

die Weichen stellen. Hierzu<br />

gehören nach Auffassung der<br />

Landesgruppe eine Reduzierung<br />

der Stundenzahlen der<br />

Grundschullehrkräfte und die<br />

Möglichkeit, kleinere Klassenverbände<br />

gerade für den<br />

Schuleingang und Klasse 2 zu<br />

gestalten.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Ralph Grothe<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

37


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Gisela Cappel, Habichtstr. 1d, 58285 Gevelsberg<br />

www.grundschulverband-nrw.de<br />

Gespräch bei Ministerin<br />

Löhrmann<br />

Im Juli – Frau Löhrmann war<br />

seit einem knappen Jahr<br />

Chefin im Schulministerium –<br />

traf sich eine Abordnung des<br />

Landesgruppenvorstandes<br />

mit ihr im Ministerium, um<br />

über die <strong>aktuell</strong>e Lage und<br />

die weitere Entwicklung<br />

der <strong>Grundschule</strong> in NRW zu<br />

sprechen.<br />

Einen gewissen Symbolwert<br />

hatte der Termin des Gesprächs.<br />

Genau am 7. 7. 11<br />

wurde die Erhöhung der<br />

Leitungszeit für <strong>Grundschule</strong>n<br />

im Parlament beschlossen.<br />

Drei Stunden mehr Zeit<br />

für Schulleitung, das werten<br />

wir als deutliches Signal der<br />

Wertschätzung für die an<br />

<strong>Grundschule</strong>n geleistete<br />

Arbeit.<br />

Auch die Absicht, die Entscheidung<br />

über die Art der<br />

Leistungsbewertung in Klasse<br />

2 und 3 in die Hände der<br />

Schulkonferenzen zu geben,<br />

zeugt vom Vertrauen in die<br />

pädagogische Kompetenz<br />

der einzelnen Schule.<br />

Überhaupt fand das<br />

Gespräch in einer ausgesprochen<br />

angenehmen<br />

Atmosphäre statt.<br />

Wir konnten deutlich machen,<br />

dass <strong>Grundschule</strong>n für<br />

die zukünftige Entwicklung<br />

deutliche Unterstützung<br />

und auch Freiräume brauchen,<br />

wenn sie den neuen<br />

gesellschaftlichen Aufgaben<br />

gewachsen sein sollen. Inklusion<br />

und Individuelle Förderung<br />

gelingen nur, wenn die<br />

notwendigen Ressourcen<br />

bereitgestellt werden, über<br />

die die einzelne Schule frei<br />

und verantwortlich verfügen<br />

kann.<br />

Dass da – auch angesichts<br />

knapper Kassen – seitens des<br />

Ministeriums Anstrengungen<br />

unternommen werden,<br />

wurde von der Ministerin<br />

nachdrücklich klar gemacht.<br />

Allerdings muss im Blick<br />

bleiben, dass die Landesregierung<br />

in NRW über keine<br />

parlamentarische Mehrheit<br />

verfügt und stets Mehrheiten<br />

im Parlament zusammensammeln<br />

muss.<br />

Baldur Bertling,<br />

Ministerin Sylvia Löhrmann,<br />

Gisela Cappel,<br />

Christiane Mika,<br />

Gisela Gravelaar<br />

Für nachhaltige Beschlüsse<br />

– so der abschließende<br />

Kommentar des Berichterstatters<br />

– ist das nicht das<br />

Schlechteste. Schulentwicklung<br />

auf breiter parlamentarischer<br />

Basis weckt Hoffnung<br />

auf Bestand auch über die<br />

jeweilige Legislaturperiode<br />

hinaus.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Baldur Bertling<br />

Einladung zur Mitgliederversammlung<br />

der Landesgruppe NRW<br />

Wie es schon Tradition ist: am ersten Samstag nach den<br />

Herbstferien findet die jährliche Mitgliederversammlung<br />

statt.<br />

12. November 2011<br />

10 bis 15 Uhr in der KGS Mainzerstraße<br />

Mainzer Str. 30 – 34, 50678 Köln<br />

Programm:<br />

Ankunft / Stehcafé / Begrüßung<br />

Vorstellung der Schule<br />

Andrea Platte: Inklusive Bildung als inter nationale Leitidee<br />

und pädagogische Herausforderung<br />

Input und Diskussion<br />

Pausengespräche beim Imbiss<br />

Was zu tun ist?<br />

Aufgaben für den Grundschulverband, die Schulen<br />

und die Politik<br />

Rechenschaftsbericht des Landesgruppenvorstandes<br />

Diskussion und Beschlüsse der Mitgliederversammlung<br />

Alle Mitglieder sind hiermit herzlich eingeladen.<br />

Anmeldung bitte per E-Mail an<br />

mitgliederversammlung@grundschulverband-nrw.de<br />

Fortbildung für Schulleitungen<br />

zusammen mit der Päd. Akademie der GEE<br />

30. Sept. / 1. Oktober 2011<br />

»Teamentwicklung«<br />

und<br />

9./10. Dezember 2011<br />

»Konfliktmanagement«<br />

in Düsseldorf (FFFZ)<br />

Mehr Informationen dazu und zu anderen Themen auf<br />

www.grundschulverband-nrw.de<br />

38 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken, lagroll@t-online.de<br />

Bildungspolitische<br />

Weichenstellungen<br />

Zwei-Säulen-Schulstruktur<br />

Das Saarland hat zum Ende<br />

des Schuljahres drei wichtige<br />

bildungspolitische Entscheidungen<br />

getroffen. Mit<br />

den Stimmen der Jamaika-<br />

Koalition und der Linken hat<br />

der Saarländische Landtag<br />

am 15. Juni 2011 eine neue<br />

Zwei-Säulen-Schulstruktur<br />

beschlossen. Ab dem Schuljahr<br />

2012/13 wird es neben<br />

dem Gymnasium nur noch<br />

die Gemeinschaftsschule geben,<br />

in der die vor 10 Jahren<br />

gegründete Erweiterte Realschule<br />

und die Gesamtschule<br />

aufgehen. Zudem hat der<br />

Landtag die erst vor einigen<br />

Jahren eingeführte Beitragsfreiheit<br />

für das letzte Kindergartenjahr<br />

zurückgenommen<br />

und verlangt nun einen nach<br />

Einkommen gestaffelten Beitrag.<br />

Für die Landesgruppe<br />

vollkommen unverständlich.<br />

Denn die Abschaffung der<br />

Semestergebühren für die<br />

Studierenden der Universität,<br />

festgeschrieben im<br />

Koalitionsvertrag, ist bereits<br />

Realität. Für diese Landesregierung<br />

scheint die vorschulische<br />

Bildung weniger<br />

wertvoll. Die dritte Maßnahme<br />

bezieht sich auf die<br />

Umsetzung der UN-Charta<br />

zur inklusiven Bildung.<br />

Pilotprojekt zur Entwicklung<br />

eines inklusiven<br />

Förder konzeptes<br />

Mit Beginn des Schuljahres<br />

2011/12 wird an sieben<br />

<strong>Grundschule</strong>n, zwei Erweiterten<br />

Realschulen und zwei<br />

Gesamtschulen das »Pilotprojekt<br />

zur Entwicklung eines<br />

inklusiven Förderkonzeptes<br />

in Regelschulen« eingerichtet.<br />

Die Schulen haben<br />

den Auftrag, Modelle und<br />

Konzepte eines individualisierenden<br />

Unterrichts und<br />

einer inklusiven Förderung zu<br />

erarbeiten und ihre Durchführung<br />

zu erproben. In den<br />

Förderbereichen Lernen,<br />

Sprache sowie emotionale<br />

und soziale Entwicklung<br />

werden keine Kinder zur<br />

sonderpädagogischen<br />

Überprüfung gemeldet. Die<br />

notwendigen Fördermaßnahmen<br />

werden von der<br />

Regelschule zusammen mit<br />

den den Schulen zugewiesenen<br />

Fachkräften für Sonderpädagogik<br />

eingeleitet. Bis zur<br />

Klassenstufe 8 erfolgt keine<br />

Versetzungsentscheidung,<br />

jahrgangsgemischte Klassen<br />

können eingerichtet werden,<br />

und die Zeugnisse erhalten<br />

keinen Hinweis mehr auf<br />

die sonderpädagogischen<br />

Beeinträchtigungen, lediglich<br />

eine Bemerkung zu einem<br />

individuellen Förderplan.<br />

Den Projektschulen werden<br />

die Förderstunden als Budget<br />

fest zugeteilt. Die Stundenzuweisung<br />

von Lehrkräften<br />

mit sonderpädagogischer<br />

Ausbildung in den Förderbereichen<br />

körperliche und<br />

motorische Entwicklung,<br />

geistige Entwicklung, Hören<br />

und Sehen erfolgt durch<br />

Einzelzuweisung.<br />

Das Konzept der inklusiven<br />

Förderung erfordert eine<br />

intensive Kooperation aller<br />

beteiligten Lehrkräfte und<br />

Institutionen, wie z. B. schulpsychologischem<br />

Dienst<br />

oder Jugendhilfe. Konzeptentwicklung,<br />

Planung und<br />

Koordination, Erstellen von<br />

Arbeitsplänen, Co-Teaching,<br />

gegenseitige Beratung,<br />

zusätzliche Lehrerfortbildung<br />

und ein regelmäßiger Austausch<br />

in Teamsitzungen<br />

ziehen einen noch intensiveren<br />

Arbeitseinsatz nach sich.<br />

Sowohl als Mitglied im Beirat<br />

des Kultusministeriums zur<br />

Einrichtung einer »Inklusiven<br />

Schule« als auch im Rahmen<br />

einer schriftlichen Anhörung<br />

zum Erlassentwurf »inklusives<br />

Förderkonzept« hatte die<br />

Landesgruppe Gelegenheit<br />

zur Stellungnahme.<br />

Die Landesgruppe forderte<br />

u. a. konkretere Angaben<br />

über das zukünftige Budget<br />

für Förderung und Beratung,<br />

das sich an der jetzigen Unterrichtsversorgung<br />

orientieren<br />

soll. Die Unterrichtsstunden<br />

der Sonderschullehrer<br />

bei den laufenden Integrationsmaßnahmen<br />

reichen<br />

jedoch bei Weitem nicht aus.<br />

Darüber hinaus forderte die<br />

Landesgruppe eine Absenkung<br />

der Klassenfrequenzen<br />

auf 20 Schülerinnen und<br />

Schüler und eine Entlastung<br />

der Lehrkräfte. Der Hinweis<br />

im Erlassentwurf, dass die<br />

Lehrkräfte für alle Kinder<br />

zuständig sind, genügt nicht,<br />

um die Förderung aller Begabungen<br />

in einer heterogenen<br />

Schülerschaft zu intensivieren.<br />

Einer inklusiven Schule, die<br />

nach den Vorstellungen des<br />

Grundschulverbandes alle<br />

Schülerinnen und Schüler,<br />

nicht nur behinderte,<br />

bestmöglich individuell zu<br />

fördern und zum eigenverantwortlichen<br />

Lernen zu<br />

ermutigen hat, sind die notwendigen<br />

Ressourcen und<br />

Rahmenbedingungen zu gewähren.<br />

Die Landesregierung<br />

äußerte allerdings im Vorfeld,<br />

dass sich die Ausstattung des<br />

Modellversuchs nach den<br />

(geringen, Anm. LG) finanziellen<br />

Möglichkeiten des Landes<br />

zu richten habe. Nach Auffassung<br />

der Landesgruppe<br />

hat die Bundesregierung die<br />

Länder in der Umsetzung der<br />

UN-Charta mit zusätzlichen<br />

Finanzmitteln zu unterstützen,<br />

vergleichbar mit den<br />

IZBB-Mitteln für den Ausbau<br />

von Ganztagsschulen. Eine<br />

inklusive Schule »light« geht<br />

zu Lasten aller Schülerinnen<br />

und Schüler und zu Lasten<br />

der verantwortlichen Lehrkräfte.<br />

»grundschule 2020«<br />

Die 2. Veranstaltung »grundschule<br />

2020« des Grundschulverbandes<br />

mit dem<br />

Institut für Lehrerfortbildung<br />

fand im Mai in Saarbrücken<br />

statt. Unter dem Leitthema<br />

»Inklusion als Herausforderung<br />

schulischer Entwicklung<br />

an <strong>Grundschule</strong>n«<br />

referierten der zuständige<br />

Referent im Bildungsministerium,<br />

Herr RSchD Rudolf<br />

Detzler, und der Vorsitzende<br />

des vds und Rektor einer<br />

Förderschule Sprache, Herr<br />

Erich Schwarz. Herr Detzler<br />

stellte den Teilnehmern die<br />

geplante Umsetzung der<br />

UN-Konvention zur inklusiven<br />

Bildung im Saarland<br />

vor, die inzwischen in einen<br />

Erlassentwurf mündete.<br />

Herr Schwarz verteidigte die<br />

Wahlmöglichkeit der Eltern<br />

und wandte sich gegen eine<br />

Negativbeschreibung der<br />

Förderschulen. Die Kinder<br />

sollten nach seiner Auffassung<br />

eine für sie am besten<br />

geeignete Förderung erhalten.<br />

Die Teilnehmer standen<br />

der inklusiven Bildung sehr<br />

offen gegenüber, befürchteten<br />

jedoch, dass aufgrund<br />

fehlender Finanzmittel die<br />

angestrebte inklusive Schule<br />

bei einer flächendeckenden<br />

Übertragung des Modellversuchs<br />

weniger leisten kann<br />

als die bestehenden Integrationsmaßnahmen.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Lilo Groll<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011<br />

39


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg<br />

www.grundschulverband-bayern.de<br />

Landesschulbeirat<br />

Mit dem Bayerischen Erziehungs-<br />

und Unterrichtsgesetz<br />

wurde im Bundesland<br />

Bayern ein Landesschulbeirat<br />

eingesetzt, der als Beratungsgremium<br />

für das Staatsministerium<br />

für Unterricht und<br />

Kultus tätig ist. Dieser wird zu<br />

wichtigen Vorhaben auf dem<br />

Gebiet der Bildung und<br />

Erziehung gehört.<br />

Die Mitglieder werden vom<br />

Staatsministerium für<br />

Unterricht und Kultus<br />

berufen und jährlich zweimal<br />

zu Landesgruppensitzungen<br />

eingeladen. Seit über einem<br />

Jahr ist die bayerische<br />

Delegierte des Grundschulverbandes,<br />

Gabriele Klenk,<br />

nun als Mitglied des Landesschulbeirats<br />

berufen.<br />

Folgende Bereiche aus der<br />

<strong>Grundschule</strong> wurden als<br />

Information bzw. als Gesprächsgrundlage<br />

in den<br />

Landesschulbeirat in dieser<br />

Zeit eingebracht: Das Projekt<br />

der Stiftung Bildungspakt<br />

»Flexible <strong>Grundschule</strong>«,<br />

die Weiterentwicklung des<br />

bayerischen Lehrplanmodells<br />

sowie »Eckpunkte zur<br />

Entwicklung der eigenverantwortlichen<br />

Schule in Bayern«.<br />

Die Landesgruppe Bayern im<br />

Grundschulverband steht<br />

dadurch in direktem Austausch<br />

mit Vertretern des<br />

Kultusministeriums sowie<br />

anderer Mitglieder des<br />

Landesschulbeirats und<br />

kann wichtige Anliegen zur<br />

Weiterentwicklung der<br />

<strong>Grundschule</strong> in Bayern in die<br />

Diskussion einbringen. Um<br />

die Anliegen einer breiten<br />

Mehrheit von Mitgliedern im<br />

GSV Bayern mit in diese<br />

Diskussion einbringen zu<br />

können, ist die Landesgruppe<br />

immer wieder auf Rückmeldungen<br />

der Mitglieder<br />

angewiesen.<br />

Anregungen und Rückmeldungen<br />

können Sie uns über<br />

die unten genannten Mail-<br />

Adressen weitergeben.<br />

Helfen Sie mit, die <strong>Grundschule</strong><br />

in Bayern weiterzuentwickeln!<br />

für die Landesgruppe:<br />

Gabriele Klenk<br />

gabriele.klenk@t-online.de,<br />

Petra Hiebl<br />

petra.hiebl@ku-eichstaett.de<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle, petra.katrin.uhlig@googlemail.com<br />

www.gsv-lsa.de<br />

Grundschultag:<br />

Viele Kinder – eine Schule?!<br />

Wege zum individuellen<br />

Lernen<br />

Großes Interesse zeigten<br />

Grund- und FörderschullehrerInnen<br />

am diesjährigen<br />

Grundschultag, der unter<br />

obenstehendem Motto ein<br />

<strong>aktuell</strong>es bildungspolitisches<br />

Thema der <strong>Grundschule</strong> ins<br />

Blickfeld rückte. Circa 330<br />

TeilnehmerInnen fanden<br />

den Weg in die Frankeschen<br />

Stiftungen in Halle, wo auf<br />

historischem Boden wichtige<br />

Fragen der <strong>Grundschule</strong> der<br />

Zukunft erörtert wurden.<br />

Den Auftakt hatte Prof. Dr.<br />

Henning Scheich vom Leibniz<br />

Institut für Neurobiologie<br />

übernommen, der anhand<br />

<strong>aktuell</strong>er Forschungsergebnisse<br />

zeigte, unter welchen<br />

Bedingungen erfolgreiche<br />

Lernprozesse stattfinden<br />

können. Ein reichhaltiges<br />

Workshopangebot rund<br />

um das individuelle Lernen<br />

differenzierte das Thema<br />

anschließend vielfältig aus.<br />

Auch der Grundschulmarkt<br />

mit Verbänden, Verlagen und<br />

anderen Bildungsinitiativen<br />

erfreute sich großen Interesses.<br />

Zur abschließenden<br />

Podiumsdiskussion konnten<br />

ExpertInnen aus Praxis und<br />

Wissenschaft die aktualpolitischen<br />

Problembereiche<br />

nur noch anreißen. Breite<br />

Einigkeit herrschte bei der<br />

Feststellung, dass in der<br />

stärkeren Individualisierung<br />

der Grundschulbildung<br />

– zum Beispiel in der Schuleingangsphase<br />

oder im<br />

Gemeinsamen Unterricht –<br />

eine wichtige und notwendige<br />

bildungspolitische<br />

Initiative in Sachsen-Anhalt<br />

gesehen werden muss. Um<br />

die Umsetzung zu gewährleisten,<br />

müssten aber auch<br />

die notwendigen Maßnahmen<br />

in materieller und personeller<br />

Hinsicht getroffen werden,<br />

so kritische Stimmen.<br />

Der frisch vereidigte Kultusminister<br />

des Landes Stephan<br />

Dorgerloh nahm selbst an<br />

der Podiumsdiskussion teil.<br />

Er sicherte im Rahmen der<br />

hiesigen Möglichkeiten Konstanz<br />

und Unterstützung bei<br />

den Herausforderungen der<br />

Schulreform zu. Auf konkrete<br />

Maßnahmen kann mit Spannung<br />

gewartet werden.<br />

Koalitionsvertrag der<br />

neuen Großen Koalition<br />

Seit dem 19. 4. 2011 hat Sachsen-Anhalt<br />

eine neue Regierung<br />

und auch einen neuen<br />

Kultusminister. Stephan<br />

Dorgerloh (SPD) übernimmt<br />

das Amt von seiner Vorgängerin<br />

Birgitta Wolff (CDU), die<br />

ins Wirtschaftsministerium<br />

wechselt. Der Koalitionsvertrag<br />

zeigt im bildungspolitischen<br />

Sektor wenig Überraschendes.<br />

Erfreulich ist das<br />

klare Bekenntnis zur Anstrengung<br />

um mehr Bildungsgerechtigkeit.<br />

Das soll vor allen<br />

Dingen durch den Ausbau<br />

der individuellen Förderung<br />

aller SchülerInnen gewährleistet<br />

werden. Neben dem<br />

Gemeinsamen Unterricht<br />

und einer flexiblen Schuleingangsphase,<br />

deren Ausgestaltung<br />

in Zukunft stärker<br />

in der Eigenverantwortung<br />

der einzelnen <strong>Grundschule</strong>n<br />

stehen soll, werden konkrete<br />

Förderprogramme für Kinder<br />

an den Leistungsrändern<br />

geschaffen. Die Zusammenarbeit<br />

von Elementar- und<br />

Primarbereich soll gestärkt<br />

werden. Die Einrichtung von<br />

Gemeinschaftsschulen wird<br />

auf freiwilliger Basis ermöglicht.<br />

Insgesamt soll Sachsen-<br />

Anhalts Schulen mehr Eigenständigkeit<br />

bei organisatorischen<br />

und pädagogischen<br />

Fragen zugestanden werden.<br />

Auch die Öffnung von Schulen<br />

und die Vernetzung mit<br />

regionalen Strukturen wird<br />

forciert.<br />

Die LehrerInnenausbildung<br />

soll stärker an die Bedarfe<br />

der Schullandschaft angepasst<br />

werden, was zu einer<br />

vorübergehenden Anhebung<br />

der Studien- und Referendariatsplätze<br />

führen wird.<br />

So kann mittelfristig eine<br />

ausgeglichenere Altersstruktur<br />

der Kollegien in den<br />

Schulen erreicht werden.<br />

Wirklich erfreulich erscheint<br />

der Hinweis, dass Schulen in<br />

freier Trägerschaft in Zukunft<br />

in die LehrerInnenausbildung<br />

einbezogen werden können.<br />

Der Koalitionsvertrag orientiert<br />

sich zu weiten Teilen an<br />

der Vorlage des Bildungskonvents.<br />

Die sicherlich sinnvollen<br />

Tendenzen gilt es nun<br />

durch konkrete und nachhaltig<br />

wirksame Maßnahmen<br />

und Beschlüsse umzusetzen.<br />

Hier bleibt zu hoffen, dass die<br />

recht nebulösen Bekundungen<br />

Auswirkungen auf die<br />

pädagogische Praxis haben<br />

werden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Dr. Michael Ritter<br />

40 GS <strong>aktuell</strong> <strong>115</strong> • September 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vorsitzende: Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg,<br />

Auf dem Campus 1, 24943 Flensburg<br />

www.grundschulverband-sh.de<br />

Kindergerechte Pädagogik<br />

braucht Individualisierung<br />

– Grundschultag<br />

in der Aukampschule in<br />

Osterrönfeld<br />

An einem sonnigen Sonnabend<br />

im Mai trafen sich 74<br />

Lehrkräfte, um die Fortbildungsangebote<br />

wahrzunehmen,<br />

die am Grundschultag<br />

angeboten wurden. Der<br />

Vortrag von Dr. Falko Peschel<br />

rüttelte positiv am Selbstbild<br />

so mancher Lehrkraft, die<br />

sich auf dem Weg der<br />

geöffneten Unterrichtsformen<br />

wähnte. Wenn<br />

Unterrichtsformen schülerzentriert<br />

und wirklich offen<br />

sein sollen, können sie nur<br />

mit Einschränkung in<br />

materialzentrierten Werkstätten<br />

und lehrerzentrierten<br />

Arbeitsplänen wirksam<br />

werden. Diese Aussagen<br />

begründete Falko Peschel<br />

plausibel und konkret. Seine<br />

Erfahrungen machte er auch<br />

mittels Forschungsergebnissen<br />

deutlich. Individualisierung<br />

lässt sich bei höchsten<br />

Ansprüchen nur am Kind<br />

selbst ausrichten. Schon das<br />

Beschreiben eines Förderbedarfs<br />

bedeutet seiner<br />

Meinung nach Segregation,<br />

das heißt erst aussondern,<br />

um danach zu integrieren.<br />

Inklusion ist eben nicht zu<br />

verstehen als die Weiterentwicklung<br />

von Integration,<br />

sondern die Akzeptanz und<br />

die Lernbegleitung verschiedener<br />

Kinder in ihrer einzigartigen<br />

Entwicklung. Der<br />

Vortrag war anregend, setzte<br />

Impulse und regte zum<br />

Reflektieren an.<br />

Auch die anschließenden<br />

Workshopangebote führten<br />

zu einem positiven Echo.<br />

Somit führte die konstruktive<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

der GEW und der Landesgruppe<br />

zu sonniger Stimmung<br />

auch innerhalb der<br />

Räume. Nicht zuletzt ist die<br />

gelungene Veranstaltung<br />

auch auf das Engagement<br />

der Schulleiterin Ulrike Eiding<br />

und ihres Teams zurückzuführen.<br />

Wir danken sehr für<br />

die Unterstützung.<br />

In Kooperation mit dem<br />

Lehrerbildungsinstitut EULE<br />

und der Universität Flensburg<br />

ermöglichte die<br />

Landesgruppe Studierenden<br />

und Lehrkräften im Norden<br />

des Landes, den Vortrag von<br />

Dr. Falko Peschel in einer<br />

Extraveranstaltung zu hören.<br />

Dr. Beate Blaseio und<br />

Dr. Wolfgang Schulz empfingen<br />

in einem überfüllten<br />

Hörsaal über 140 Besucher,<br />

die sich rege an der anschließenden<br />

Diskussion beteiligten.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Sabine Jesumann,<br />

Andrea Keyser<br />

Thüringen<br />

Steffi Jünemann, Hauptstraße 7, 99734 Nordhausen<br />

Gesetzliche Verpflichtung<br />

zur individuellen Förderung<br />

– »Neue« Lehrpläne<br />

an Thüringer <strong>Grundschule</strong>n<br />

Seit August 2010 sind sie verbindlich,<br />

die überarbeiteten<br />

Thüringer Lehrpläne.<br />

Sie wurden auf der Basis der<br />

Nationalen Bildungsstandards<br />

und des »Thüringer<br />

Bildungsplans 0 bis 10 Jahre«<br />

durch engagierte Grundschullehrer<br />

geschrieben.<br />

Ergebnisse der Evaluation<br />

der bisherigen Lehrpläne<br />

sind ebenso eingeflossen wie<br />

Erkenntnisse der Lerntheorie,<br />

Hirnforschung und Entwicklungspsychologie.<br />

Das Lehrplankonzept sieht<br />

vor, Bewahrenswertes zu<br />

erhalten, Bisheriges besser zu<br />

machen und Neues aufzugreifen.<br />

Was heißt das im<br />

Einzelnen?<br />

●●<br />

Bewahrenswertes erhalten:<br />

––<br />

Fachlehrpläne als verbindliches<br />

Steuerungsinstrument<br />

––<br />

das Thüringer Kompetenzmodell<br />

als Basiskomponente<br />

––<br />

die Einheit der Klassenstufen<br />

1 und 2 sowie 3 und 4<br />

●●<br />

Bisheriges besser machen:<br />

––<br />

Im Mittelpunkt steht nicht<br />

nur die Sachkompetenz,<br />

sondern ein besonderer<br />

Fokus wird auf die Entwicklung<br />

der Methoden-, Selbstund<br />

Sozialkompetenz gelegt<br />

––<br />

Die Leistungseinschätzung<br />

soll mehr als bisher o. g.<br />

Kom petenzen berücksichtigen<br />

●●<br />

Neues aufgreifen:<br />

––<br />

In den Lehrplänen sind für<br />

jeden Lernbereich Ziele<br />

(Standard- und Outputorientierung)<br />

formuliert, die<br />

beobachtbar und überprüfbar<br />

sind. Hier ein Beispiel aus<br />

dem Bereich der Selbstkompetenz:<br />

»Der Schüler kann<br />

– sich selbst Arbeits- und<br />

Verhaltensziele setzen<br />

––<br />

zielstrebig und ausdauernd<br />

lernen<br />

––<br />

sorgfältig arbeiten und<br />

Lernzeiten planen<br />

––<br />

eigene Lernwege reflektieren«<br />

––<br />

Neue Lerninhalte sind<br />

hinzugekommen wie bspw.<br />

in Heimat- und Sachkunde<br />

»Wasser«, »Schall«, »Luft«<br />

oder »Gutes Benehmen«.<br />

––<br />

Jede Schule ist aufgerufen,<br />

eine schulinterne Lehr- und<br />

Lernplanung zu erstellen, in<br />

der fächerübergreifende<br />

Verbindungen, schulinterne<br />

Zielstellungen und Schwerpunkte<br />

der Kompetenzentwicklung<br />

verankert sind.<br />

Die Landesgruppe Thüringen<br />

unterstützt die im vorliegenden<br />

Lehrplan im besonderen<br />

Maße beachtete wachsende<br />

Heterogenität der Schülerinnen<br />

und Schüler. Deren<br />

Umsetzung erfordert eine<br />

Didaktik mit offenen Unterrichtsformen<br />

und einem<br />

hohen Grad an Differenzierung,<br />

die selbstgesteuertes<br />

Lernen, individuelle Lernzugänge<br />

und eine integrative<br />

Förderung ermöglicht. Die<br />

Lehrpläne sind die Basis für<br />

die im Thüringer Schulgesetz<br />

seit Januar 2011 verankerte<br />

Verpflichtung aller Schulen<br />

zur Individuellen Förderung<br />

aller Schüler als durchgängiges<br />

Prinzip des Lehrens<br />

und Lernens. Viele Thüringer<br />

Schulen sind bereits auf<br />

einem guten Weg. Jedoch<br />

ist der Landesgruppe auch<br />

bewusst, dass es noch viel zu<br />

entwickeln gilt.<br />

Als Unterstützungsmoment<br />

für diese wichtige Aufgabe<br />

plant die Landesgruppe gemeinsam<br />

mit dem Thillm und<br />

dem Klett Verlag das Symposium<br />

»Zum Lernen einladen«<br />

(s. u.).<br />

für die Landesgruppe<br />

Katrin Heckert<br />

Symposium<br />

»Zum Lernen einladen«<br />

Samstag,<br />

1. Oktober 2011<br />

Universität Erfurt<br />

Die Einladungen an alle GS,<br />

FÖZ und Kitas wurden im<br />

Juni 2011 versandt.


<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Grundschulverband e. V.<br />

Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />

Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Beitrittserklärung<br />

An den<br />

Grundschulverband<br />

Niddastraße 52<br />

60329 Frankfurt/Main<br />

Sie können sich auch im Internet anmelden:<br />

www.grundschulverband.de<br />

oder per Fax 0 69 / 7 07 47 80<br />

Ich beantrage die Mitgliedschaft im Grundschulverband e. V.<br />

Als Mitglied erhalte ich jährlich zwei neue Mitgliedsbände aus der<br />

Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>« sowie die 32-seitige<br />

Vierteljahres zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« jeweils nach Fertigstellung<br />

kostenfrei zugesandt.<br />

Den angekreuzten Betrag<br />

Jahresmitgliedsbeitrag: 66,– €<br />

Ermäßigter Beitrag (bitte belegen!): 39,– €<br />

(für Studierende, Arbeitslose, Lehramts anwärterInnen)<br />

Förderbeitrag: mindestens 39,– €<br />

(keine Mitgliedsbände, nur Zeitschrift – für Pensionäre, die weiterhin<br />

<strong>aktuell</strong> informiert werden wollen und andere Förderer, die die Arbeit<br />

des Grundschul verbandes unterstützen möchten)<br />

zahle ich nach Erhalt der Jahresrechnung per Bankeinzug<br />

Konto Nr. ___________________<br />

Bankleitzahl __________________<br />

Bankname _________________________________________________<br />

Name _____________________________________________________<br />

Straße und Hausnummer _____________________________________<br />

PLZ und Ort ________________________________________________<br />

E-Mail _____________________________________________________<br />

Tel. _______________________________________________________<br />

___________________________________________________________<br />

Datum und Unterschrift<br />

Als Mitglied im Grundschulverband<br />

… unterstützen Sie unsere Ziele:<br />

»Die pädagogisch begründeten Ansprüche<br />

der Kinder dieser Schulstufe zu vertreten, die<br />

Grundschul pädagogik weiter zu ent wickeln<br />

und die Stellung der <strong>Grundschule</strong> im öffent lichen<br />

Bildungswesen zu verbessern.« (aus der Satzung)<br />

… erhalten Sie jährlich zwei neue Bände der<br />

Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>«<br />

… erhalten Sie viermal jährlich die 32-seitige<br />

Mitglieder zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« mit<br />

Beiträgen zur Bildungs politik, aus der Grund schulforschung<br />

und zur pädagogischen Praxis<br />

Für Ihren Beitritt zum Grundschulverband<br />

halten wir folgendes Werbe angebot für Sie<br />

bereit:<br />

(Bitte nur eine der beiden Möglichkeiten<br />

ankreuzen!)<br />

Als neues Mitglied im Grundschulverband<br />

wünsche ich mir den Band<br />

als Aufnahmegeschenk.<br />

Oben genanntes Mitglied habe ich für den<br />

Grundschulverband geworben.<br />

Als Werbeprämie senden Sie mir bitte den<br />

Band<br />

an folgende Anschrift:<br />

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