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GSa163_Sept23_ES

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www.grundschulverband.de · September 2023 · D9607F<br />

Grundschule aktuell<br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft 163<br />

Pausenkulturen<br />

Zum Thema<br />

• Pausenkulturen in der Grundschule<br />

• Inklusive Pause – Pause inklusiv<br />

Forschung<br />

• Wie Grundschullehrkräfte<br />

in der Ruhe Kraft finden können<br />

Rundschau<br />

• „Wir sind nicht verpflichtet,<br />

pädagogischen Unsinn<br />

zu machen!“


Inhalt<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Ich bin im Grundschulverband, weil … (S. Nagat)<br />

Thema: Pausenkultur<br />

S. 3 Ich sage, wenn Pause ist – nicht die Klingel<br />

(M. Peschel, P. Peifer)<br />

S. 5 Aushandlung und Mitbestimmung individueller<br />

Pausenzeiten (P. Kihm)<br />

S. 9 Schule als guter Ort, auch in der Pause<br />

(A. Krawczyk)<br />

Praxis: Pausenkultur<br />

S. 13 Mach mal Pause! – Gedankensplitter zu einem<br />

vernachlässigten Thema (G. Klenk)<br />

S. 15 Pausenkultur als Thema des Sachunterrichts<br />

(S. Kneis, K. Zimmer, M. Peschel)<br />

S. 18 Bewegte Pausenkulturen – drinnen und draußen<br />

(E. Gramespacher)<br />

S. 20 Selbstbestimmt durch den Schulalltag<br />

(M. Cunis, A. Karlsberg)<br />

S. 23 Inklusive Pause – Pause inklusiv (I. Hofmann)<br />

S. 26 Sabbatical – eine Pause vom Schulsystem?!<br />

(Ch. Weichmann, C. Köhler)<br />

Aus der Forschung<br />

S. 29 Schulpausen: Wie Grundschullehrkräfte in der<br />

Ruhe Kraft finden können (J. Wendsche, Y. Z. Varol,<br />

S. Ullmann)<br />

Rundschau<br />

S. 33 Aus dem Vorstand (M. Gutzmann, E. Bohn)<br />

S. 34 Kinderbücher zum Thema (M. Gutzmann)<br />

S. 36 Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik<br />

„alle für EINE WELT für alle“ (J. Kunz)<br />

S. 38 National Coalition Deutschland: Warum ist der<br />

GSV Mitglied? (U. Carle)<br />

S. 39 Der GDSU Praxispreis 2023 wurde verliehen<br />

(S. Tänzer)<br />

S. 40 Über Chancen und Probleme eines Faches<br />

Religion in der Grundschule (H. Brügelmann)<br />

Landesgruppen aktuell – unter anderem:<br />

S. 45 Hamburg: Religionsunterricht ohne Alternative?<br />

S. 46 Hessen: Für eine konsequente Umgestaltung<br />

von Schule<br />

UIII:<br />

Nachruf auf Dr. Manfred Pollert (R. Stähling)<br />

www.<br />

grundschule-aktuell.info<br />

Hier finden Sie Informationen zu „Grundschule aktuell“<br />

und hier das Archiv der Zeitschrift:<br />

www.<br />

grundschulverband.de/archiv/<br />

Schule als guter Ort, auch in der Pause<br />

Adrian Krawczyk, der als Architekt im Spannungsfeld von<br />

Flächennutzung und Pädagogik arbeitet, setzt sich hier mit<br />

den Räumen auseinander, in denen Schulkinder ihre Pause<br />

verbringen dürfen oder müssen. Sind sie gestaltet als eine<br />

Oase der Freiheit oder dienen sie eher dem Zweck, Lernfähigkeit<br />

zwischen disziplinierten Lerneinheiten zu steigern?<br />

Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung bekommt<br />

die gesamte Zeit rund um den Unterricht einen besonderen<br />

Stellenwert und soll den Kindern das Empfinden vermitteln,<br />

angenommen<br />

und willkommen zu<br />

sein. In diesem Beitrag<br />

werden Möglichkeiten<br />

aufgezeigt, wie dies gelingen<br />

kann.<br />

Seite 9–12<br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes,<br />

erscheint vierteljährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt<br />

(ausgenommen Unterstützer:innen).<br />

Das einzelne Heft kostet 9,00 € (inkl. Versand innerhalb Deutschlands);<br />

für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 5,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Frankfurt am Main<br />

Frankfurter Straße 74–76, 63263 Neu-Isenburg,<br />

Tel. 06102 8821660, Fax: 06102 8821664,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

Moderation und Redaktion des thematischen Teils:<br />

Patrick Peifer, Markus Peschel<br />

Gesamtredaktion: Marion Gutzmann, Gabriele Klenk<br />

(marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de,<br />

gabriele.klenk@grundschulverband.de)<br />

Fotos und Grafiken: Susanne Winkler / novuprint GmbH<br />

(Titel illustration unter Verwendung von Fotos der Autorinnen<br />

und Autoren: Adrian Krawczyk, Malte Cunis, Andrea Karlsberg),<br />

Pexels / Legend Vibe (S. 1, 19), ©Engagement Global / Merlin Nadja-Torma /<br />

Mandy Klötzer (S. 36–37), Autorinnen und Autoren (soweit nicht anders<br />

vermerkt)<br />

Herstellung: novuprint Agentur GmbH, 30175 Hannover<br />

Anzeigen: Grundschulverband e. V., Tel. 06102 8821660,<br />

info@grundschulverband.de<br />

Druck: WKS Print Partner GmbH, 34587 Felsberg<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6107<br />

Beilage: Info-Flyer Grundschulverband e. V.<br />

In manchen Beiträgen dieser Zeitschrift bringen Autorinnen und Autoren<br />

ihr Bemühen um eine gendersensible Sprache durch be son dere schriftsprachliche<br />

Zeichen zum Ausdruck. Da es zurzeit keine allgemein anerkannte<br />

Lösung für das Problem „gendersen sibler“ (Schrift-)Sprache gibt, verwendet<br />

jede Autorin und jeder Autor ihre oder seine bevorzugte Form.<br />

UII<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Diesmal<br />

Bewegte Pausenkulturen – drinnen und draußen<br />

Bewegung und ein positives Selbst- und Körperkonzept<br />

sind Motoren für die Gesamtentwicklung des Kindes<br />

in all seinen Facetten. Dr. Elke Gramespacher stellt<br />

hier verschiedene Funktionen von Bewegungspausen<br />

dar. Dabei geht sie folgenden Fragen nach: Wie können<br />

Bewegungspausen differenziert gestaltet werden?<br />

Welche Flächen stehen hier zur Verfügung? Welche<br />

didaktischen Ansätze liegen ihrer<br />

Gestaltung zugrunde? Bewegungspausen<br />

sind Teil einer bewegten<br />

Unterrichts-, Pausen- und Grundschulkultur,<br />

deren Aufwand sich in<br />

jedem Fall lohnt.<br />

Seite 18–20<br />

Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik<br />

„alle für EINE WELT für alle“<br />

„Globaler Kurswechsel: Sei du selbst die Veränderung!“,<br />

so lautet das Thema der elften Runde des Schulwettbewerbs<br />

zur Entwicklungspolitik. Im Mittelpunkt hierzu<br />

stehen folgende Fragen: „Wie<br />

kann man junge Menschen auf die<br />

Welt von morgen vorbereiten in<br />

Anbetracht der aktuellen globalen<br />

Herausforderungen? Welche<br />

Kompetenzen benötigen sie, um<br />

diesen Wechsel mitbestimmen zu<br />

können?“ Der Schulwettbewerb<br />

richtet sich an Schüler*innen aller<br />

Jahrgangsstufen, aller Schulformen<br />

und -fächer. Einsendeschluss ist der<br />

6. März 2024. Seite 36 – 37<br />

Noch mehr Grundschulverband?<br />

Sie finden uns auf Social Media,<br />

Stichwort „Grundschulverband“<br />

und unseren Podcast direkt auf unserer<br />

Homepage:<br />

https://grundschulverband.de<br />

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Liebe Leser*innen,<br />

der thematische Schwerpunkt dieser Zeitschrift wurde von<br />

Patrick Peifer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität<br />

des Saarlandes, und Markus Peschel, Fachreferent für<br />

Lernkulturen und Sachunterricht im Grundschulverband,<br />

zusammengestellt und moderiert. Diese Form der redaktionellen<br />

Zusammenarbeit bereichert, wie auch die stärkere<br />

Beteiligung der Landesgruppen, die Zeitschrift über die sichtbare<br />

Mitgestaltung aus Praxis, Wissenschaft und Bildungspolitik.<br />

Vielen Dank vom Redaktionsteam!<br />

Patrick Peifer und Markus Peschel führen Sie, liebe Leser*innen,<br />

mit folgenden Fragen und Überlegungen in den<br />

Themenschwerpunkt „Pausenkulturen“ ein.<br />

Wofür dienen Pausen an Grundschulen und wie werden diese<br />

organisiert? Diese Frage provoziert viele Sichtweisen auf und<br />

Verständnisse für ein Schulsystem und/oder für eine Schulkultur,<br />

die in den besten Fällen gut miteinander korrespondieren.<br />

Meist aber überlagern organisatorische, strukturelle oder institutionalisierte<br />

Prozesse die der Individualität und einer Kultur,<br />

die das Individuum (v. a. Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulleitungen)<br />

mit seinen Interessen, Kompetenzen, Chancen, Möglichkeiten<br />

und Wünschen in den Mittelpunkt der schulischen<br />

Aktivitäten – und damit auch in Bezug auf die Pausen – stellen.<br />

Dabei ist der Begriff „Pause“ keinesfalls, wie dies lange Zeit<br />

praktiziert wurde, negativ konnotiert „als eine Unterbrechung<br />

der Unterrichtsprozesse“ (Haenisch 2011, 15; vgl. Foucault 1976)<br />

oder als „leere Zeit“ (Osnabrücker Forschungsgruppe 2016, 1) anzusehen,<br />

sondern sollte vielmehr in seiner Vielfältigkeit – wie in<br />

dieser Zeitschrift skizziert wird – und als Chance begriffen werden.<br />

Unter anderem im Rahmen stärker aufkommender Ganztagsschulen<br />

gewinnen Pausen verstärkt an Bedeutung (vgl. Adelt<br />

2011; Grundschule aktuell 162), rücken in einem rhythmisierten<br />

Schulalltag unter dem „Aspekt der Regeneration […] ins Zentrum“<br />

(Haenisch 2011, 15) und werden sogar als dessen „Herzstück“<br />

(Fiegenbaum 2011, 63) tituliert – die für Lehrende und<br />

Lernende gleichermaßen erforderlich und förderlich sein sollen.<br />

Etliche Beispiele für eine Pausenkultur werden in dieser Zeitschrift<br />

aufgegriffen und von den Autor*innen aus verschiedenen<br />

Perspektiven neu gedacht, justiert, diskutiert und reflektiert.<br />

Mit dem Abschluss der Ferienpause und dem Sommerausklang<br />

geht in diesem Heft mit einem zur weiteren Diskussion<br />

anregenden Beitrag „Über Chancen und Probleme eines Faches<br />

Religion in der Grundschule“ von Hans Brügelmann unsere<br />

Serie zum Thema „Religion(en) in der Grundschule“ zu<br />

Ende. Für die Landesgruppe Hamburg ist dieses Thema aktuell<br />

bildungspolitisch sehr brisant, lesen Sie dazu auch in der<br />

Rubrik „aktuell … aus den Landesgruppen“. Im Nachruf und<br />

in der Würdigung des Gründungsvaters der Grundschule in<br />

Berg Fidel, Manfred Pollert, durch Reinhard Stähling steht beispielgebend<br />

ein Menschenbild der gegenseitigen Toleranz von<br />

Menschen mit verschiedenster Herkunft im Zentrum.<br />

Eine neue Serie mit dem thematischen Schwerpunkt des<br />

Novemberheftes „Professionalität in der Grundschule“ wird<br />

ab 2024 in Grundschule aktuell beginnen.<br />

Wir bleiben nicht nur dazu mit Ihnen weiterhin im Gespräch.<br />

Herzlichst, Marion Gutzmann, Gabriele Klenk<br />

sowie Maresi Lassek, Hans Brügelmann und Michael Töpler<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

1


Tagebuch<br />

Ich bin im Grundschulverband,<br />

weil …<br />

Saskia Nagat<br />

ist stellvertretende Schulleiterin an<br />

einer Grundschule in Rheinland-Pfalz<br />

und Vorstandsmitglied der Landesgruppe<br />

des Grundschulverbands.<br />

… ich mich hier in meiner eigenen pädagogischen Haltung<br />

wiederfinde und unterstützt fühle. Durch den<br />

Grundschulverband erhalte ich stetig neue Impulse, um<br />

meine Sichtweise auf die Gestaltung von Schule und Bildung,<br />

auf die individuellen Lernprozesse der Kinder<br />

sowie auf Unterrichtsgestaltung und -qualität zu reflektieren<br />

und zu optimieren.<br />

Als ich nach dem 1. Staatsexamen mit viel theoretischem<br />

Wissen und einem Hauch eigener Erfahrung durch<br />

Praktika die Universität verließ, hatte sich meine individuelle<br />

pädagogische Sicht auf Unterricht bereits gefestigt.<br />

Doch fehlte mir bis dahin der konstante Bezug zu praktischen<br />

Inhalten und ansprechenden Umsetzungsmöglichkeiten.<br />

Mit dem Start meines Referendariats konnte ich<br />

diese Lücke schnell schließen. Meine eigene Ausbildung<br />

empfand ich als realitätsnah, modern und vor allem passend<br />

zu meinen eigenen Vorstellungen von Schule und<br />

Unterricht.<br />

Während dieser Ausbildungszeit kam ich auch in Kontakt<br />

mit dem Grundschulverband. Mein damaliger Fachleiter<br />

war lange Jahre Vorsitzender des rheinland-pfälzischen<br />

Grundschulverbands, wodurch ich in den Seminaren<br />

bereits auf die Literaturangebote in Theorie und Praxis<br />

gestoßen bin. Dabei war vor allem zu Beginn das „Kursbuch<br />

Grundschule“ ein echter Helfer im Schul- und Seminaralltag.<br />

Von Beginn an war es mein Anspruch, nicht nur mit<br />

Heterogenität umzugehen, sondern diese im positiven<br />

Sinne für alle Schüler*innen zu nutzen. Aus meiner Mitgliedschaft<br />

im Grundschulverband wurde mit Eintritt in<br />

das „echte Berufsleben“ an einer Schwerpunktschule dann<br />

auch ein aktives Mitwirken im Verband.<br />

Auf meiner ersten Mitgliederversammlung, auf die<br />

mich meine ehemalige Konrektorin mitnahm, zeigte sich<br />

schnell ein weiterer wertvoller Aspekt der Verbandsarbeit:<br />

der gemeinsame Austausch zu aktuellen politischen Themen,<br />

zur Schulentwicklung, Unterrichtsqualität und der<br />

Sichtweise auf das Kind in unserem Bildungssystem und<br />

in der Gesellschaft. Meine damalige Schule profitierte als<br />

Schwerpunktschule in Rheinland-Pfalz stark von den Inhalten<br />

und Ideen sowie der Nähe zum Grundschulverband.<br />

Durch das Engagement von weiteren Lehrkräften<br />

flossen viele Inhalte in die schulinterne Entwicklung einer<br />

inklusiven Schule ein und wurden konkret umgesetzt.<br />

Mit Freude wurde ich dann 2016 in den Vorstand der<br />

Landesgruppe Rheinland-Pfalz gewählt und übernahm<br />

dort die Aufgaben der digitalen Gestaltung und Verwaltung<br />

sowie die Funktion als Delegierte. Eine besondere<br />

Ehre war es dann, zum ersten Mal im Rahmen einer Delegiertenversammlung<br />

auf bekannte Persönlichkeiten wie<br />

Erika Brinkmann, Hans Brügelmann und Horst Bartnitzky<br />

zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.<br />

Aus Sitzungen gehe ich oft beflügelt, motiviert und inspiriert<br />

mit neuen Ideen für die eigene Arbeit. Der Austausch<br />

gibt Energie und Kraft, insbesondere in den aktuell<br />

schwierigen Zeiten geschlossen für die Bildung unserer<br />

Grundschulkinder einzustehen, Wege aufzuzeigen und<br />

auch in politische Diskussionen zu gehen. Sich gemeinsam<br />

mit anderen Verbänden, Gewerkschaften oder Vereinen<br />

zu koordinieren, Grundschultage zu gestalten und Tagungen<br />

zu organisieren zum Wohle der Grundschulbildung ist<br />

aktuell nötiger denn je.<br />

Ich habe im Grundschulverband Lehrer*innen kennengelernt,<br />

die mit viel Leidenschaft, Kreativität und Courage<br />

für die Bildung der Kinder in unseren Grundschulen einstehen.<br />

Für mich persönlich sind diese Kontakte und der<br />

damit einhergehende Austausch besonders wichtig und<br />

wertvoll. Der Grundschulverband unterstützt mich dabei<br />

nicht nur als Lehrkraft, sondern auch in meiner neuen<br />

Rolle als stellvertretende Schulleitung.<br />

Für die Zukunft wünsche ich mir Schulen, an denen<br />

gleichberechtigte Bildung für alle Kinder möglich ist. In<br />

denen Kinder zum Lernen motiviert werden und Selbstständigkeit<br />

geschätzt wird. Schulen, die musisch-ästhetische<br />

Bildung genauso fokussieren wie einen erfolgreichen<br />

Schriftspracherwerb und logisch-mathematische Kompetenzen.<br />

Schulen, an denen Lehrkräfte gut ausgebildet sind,<br />

sich für Weiterbildung interessieren und motivieren, die<br />

den Mut haben, außerhalb der Lehrwerke und Leistungsnachweise<br />

eigene Wege zu gehen, die zu den Bedürfnissen<br />

der eigenen Klasse passen und den individuellen Kompetenzerwerb<br />

jedes einzelnen Kindes in einer heterogenen<br />

Gruppe voranbringt. Ein respektvoller und gleichberechtigter<br />

Blick der Politik und Gesellschaft auf alle Kinder<br />

und Lehrkräfte unabhängig von der Schulform sollten<br />

selbstverständlich sein.<br />

Im und mit dem Grundschulverband setze ich mich<br />

gerne ehrenamtlich für diese und weitere wünschenswerte<br />

Punkte in unserem Bildungssystem ein.<br />

2<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Thema: Pausenkulturen<br />

Markus Peschel und Patrick Peifer<br />

„Ich sage, wenn Pause ist<br />

– nicht die Klingel!“<br />

Pausenkulturen in der Grundschule<br />

Wofür dienen Pausen an Grundschulen und wie werden diese organisiert? Diese<br />

Frage provoziert viele Sichtweisen und Verständnisse auf ein Schulsystem und/<br />

oder auf eine Schulkultur, die in den besten Fällen gut miteinander korrespondieren.<br />

Meist aber überlagern organisatorische, strukturelle oder institutionalisierte<br />

Prozesse die der Individualität und einer Kultur, die das Individuum (v. a.<br />

Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulleitungen) mit seinen Interessen, Kompetenzen,<br />

Chancen, Möglichkeiten und Wünschen in den Mittelpunkt der schulischen<br />

Aktivitäten – und damit auch in Bezug auf die Pausen – stellen.<br />

Dabei ist der Begriff „Pause“<br />

keinesfalls, wie dies lange Zeit<br />

praktiziert wurde, negativ konnotiert<br />

„als eine Unterbrechung der<br />

Unterrichtsprozesse“ (Haenisch 2011,<br />

15; vgl. Foucault 1976) oder als „leere<br />

Zeit“ (Osnabrücker Forschungsgruppe<br />

2016, 1) anzusehen, sondern sollte vielmehr<br />

in seiner Vielfältigkeit – wie in<br />

dieser Zeitschrift skizziert wird – und<br />

als Chance begriffen werden (vgl. z. B.<br />

Kneis, Zimmer & Peschel in dieser Zeitschrift).<br />

Unter anderem im Rahmen<br />

stärker aufkommender Ganztagsschulen<br />

gewinnen Pausen verstärkt an<br />

Bedeutung (vgl. Adelt 2011; Cunis &<br />

Karlsberg in dieser Zeitschrift; Grundschule<br />

aktuell 162), rücken in einem<br />

rhythmisierten Schulalltag unter dem<br />

„Aspekt der Regeneration […] ins Zentrum“<br />

(Haenisch 2011, 15) und werden<br />

sogar als dessen „Herzstück“ (Fiegenbaum<br />

2011, 63) tituliert – die für Lehrende<br />

und Lernende gleichermaßen<br />

erforderlich und förderlich sein sollen.<br />

Etliche Beispiele für eine Pausenkultur<br />

werden in dieser Zeitschrift aufgegriffen<br />

und von den Autor*innen aus verschiedenen<br />

Perspektiven neu gedacht,<br />

justiert, diskutiert und reflektiert.<br />

Wann brauchen<br />

Schüler*innen Pause(n)?<br />

Die Aufmerksamkeitsspanne, in der<br />

Grundschüler*innen (i. d. R. sechs bis<br />

zehn Jahre) Informationen aus einer<br />

(kurzzeitigen) Darbietung entnehmen<br />

und verarbeiten können, beträgt zwischen<br />

15 und 20 Minuten (vgl. Wöstmann<br />

et al. 2015) und wird in der Praxis<br />

über einen regelmäßigen Methodenwechsel<br />

immer wieder neu belebt oder<br />

auch über Bewegungspausen (vgl. GSV<br />

156; Gramespacher in dieser Zeitschrift)<br />

umgesetzt. Insofern werden zwischen<br />

Konzentrations- bzw. Lernphasen (Ausruh-)Zeiten<br />

integriert, in denen die Kinder<br />

kognitiv weniger anspruchsvollen<br />

Tätigkeiten nachgehen oder einen Wechsel<br />

ihrer Aktivitäten vollziehen (wollen)<br />

(vgl. Wendsche, Varol & Ullmann in dieser<br />

Zeitschrift) – die „Pausen“. Doch: Wie<br />

sind diese Pausen organisiert? Und von<br />

wem? Wer macht wann wie (und wie<br />

lange) Pause? Was ist, wenn manche Kinder<br />

keine Pause machen wollen?<br />

An einem trivial erscheinenden Beispiel<br />

sollen diese Impulsfragen expliziert<br />

werden: Vor, während und nach<br />

einer Pause geht es zeitweilig recht laut<br />

an Grundschulen zu: 100, 200, 400 oder<br />

mehr Kinder toben gleichzeitig (!) in<br />

die große Pause, versuchen, dort ihrem<br />

Bewegungsdrang nachzugehen, begehen<br />

Reibereien, die während des Unterrichts<br />

nicht zur Sprache kamen, essen,<br />

kommunizieren und müssen dann –<br />

zu früh, zu spät – wieder zurück in die<br />

nächste Lehr-Lern-Situation, den Unterricht.<br />

Diese Pausenzeiten berücksichtigen<br />

nicht, ob das lernende Kind vor<br />

der Pause mit seinem Lernen bzw. dem<br />

Lernprozess „fertig“ ist oder ob es schon<br />

„genug“ Pause gehabt hat. Ein tagtägliches<br />

Geschäft auch der Lehrkräfte, die<br />

zudem auf dem Pausenhof Kontrollgänge<br />

machen und damit selbst keine Pause<br />

haben (vgl. Foucault 1976; Breit, Rittberger<br />

& Sertl 2005), ggf. Streitigkeiten klären<br />

müssen, bevor es wieder in die übliche<br />

Schulstunde geht.<br />

Doch warum ist das so? Fast überall?<br />

Oder – anders gefragt: Wie könnte es anders<br />

gehen? Dazu werden im Folgenden<br />

einige Fragen aufgeworfen, die bewusst<br />

unbeantwortet bleiben, aber Hinweise,<br />

u. a. auf die Beiträge in dieser Zeitschrift,<br />

geben sollen, wie sich Schule und Organisationsstrukturen<br />

ändern könnten, um<br />

die o. g. Szenarien zu entspannen – und<br />

die Individuen als Adressat*innen zu<br />

stärken, eine neue Form der Pausenkultur<br />

und Lernkultur zu entwickeln und Schulkultur<br />

zu verändern. Verdeutlicht werden<br />

kann dies unter dem folgenden Aspekt.<br />

Pause und Kontrolle<br />

Entgegen dem häufig gewünschten disziplinierten<br />

und zivilisierten Verhalten<br />

von Grundschüler*innen werden im<br />

Rahmen videografischer Studien, die<br />

u. a. den Übergang von Pausen zum<br />

Unterricht im Klassenraum beforschen,<br />

andere, konträre Facetten deutlich (vgl.<br />

Wagner-Willi 2004). Unter Berücksichtigung,<br />

wie sich Schüler*innen in<br />

solchen Übergangs- bzw. Schwellenzuständen<br />

(sog. Liminalitäten) verhalten,<br />

konnten verbal- und nonverbal-sprachliche<br />

(z. B. Schubsen oder<br />

Drängeln beim Eintreten ins Klassenzimmer<br />

oder der Sitzplatzeinnahme,<br />

Kopfschütteln, Haare schwingen)<br />

Interaktionsmuster ausgemacht werden,<br />

die different sind zu jenen schulischen<br />

Regelstrukturen, wie sie in der<br />

Unterrichtsorganisation zum Ausdruck<br />

kommen (vgl. ebd.). Um u. a. strukturiert(er)es<br />

Verhalten der Schüler*innen<br />

zu erzielen, führen Lehrer*innen tagtäglich<br />

auf dem Pausenhof Kontrollgänge<br />

durch, die „Pausenaufsichten“.<br />

Selbstverständlich sind bspw. Mobbing<br />

oder Rangeleien, die in körperli-<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

3


Thema: Pausenkulturen<br />

Dr. Markus Peschel (links)<br />

ist Professor für Didaktik des Sachunterrichts<br />

an der Universität des Saarlandes,<br />

Fakultät NT. Seine Forschungsschwerpunkte<br />

liegen in den Bereichen<br />

Digitalisierung und Medien, (Offenes)<br />

Experimentieren sowie Naturwissenschaftliche<br />

Grundbildung.<br />

Patrick Peifer<br />

ist wissenschaftliche Hilfskraft am<br />

Lehrstuhl für Didaktik des Sachunterrichts<br />

an der Universität des Saarlandes<br />

und unterstützt die Projekte „DiMaS“<br />

und „Sprachlichkeiten – Fachlichkeiten“.<br />

Sein Forschungsinteresse liegt<br />

in der Veränderung des Sprach-Fach-<br />

Bewusstseins angehender Sachunterrichtslehrkräfte.<br />

cher Gewalt und daraus resultierenden<br />

Verletzungen ausarten (können), aus gesundheitlichen<br />

Gründen instantan zu<br />

unterbinden (vgl. Hoffmann in dieser<br />

Zeitschrift). Oft sind solche Rangeleien<br />

Thema der (auf eine Pause) folgenden<br />

Stunde und werden – gemäß dem Postulat<br />

„Störungen haben Vorrang“ (Cohn<br />

1986, 122 f.) – meist pädagogisch reflektiert.<br />

Solche pädagogischen Reflexionen<br />

fußen auf dem Umstand, dass Lehrkräfte<br />

zumeist auch in den Pausen in<br />

Schüler*innennähe präsent sind. Wenn<br />

bereits im Unterricht kontrollierte Organisation,<br />

strikte Regeln und formalisierte<br />

Strukturiertheit als unabdingbar erachtet<br />

werden, muss es Schüler*innen doch<br />

wenigstens in den Pausen gestattet sein,<br />

sich (selbstverständlich: verletzungsfrei)<br />

selbstbestimmt entfalten zu dürfen (vgl.<br />

Kihm in dieser Zeitschrift). Daher ist die<br />

Frage zu stellen: Wieso führen Lehrkräfte<br />

Kontrollen in Pausen durch? Und: Brauchen<br />

nicht auch Lehrkräfte einmal Pause?<br />

Wann brauchen<br />

Lehrer*innen Pause(n)?<br />

Lehrer*innen sind in ihrem Berufsalltag<br />

einer Vielzahl an Stressoren ausgesetzt<br />

(vgl. Rothland 2013): Neben<br />

einer intensiven Belastung der Stimme,<br />

einem meist hohen Lärmpegel,<br />

einer hohen Konzentrationsfähigkeit<br />

und Geduld (v. a.) im Umgang<br />

mit weniger disziplinierten und/oder<br />

unmotivierten Schüler*innen zählen<br />

hierzu teils längere Vorbereitungs- und<br />

Korrekturzeiten am Nachmittag. Dies<br />

geht, wenig überraschend, mit einem<br />

hohen Stresserleben bzw. -empfinden<br />

im Lehrer*innenberuf einher und nicht<br />

selten evozieren jene „berufsbedingte[n]<br />

Beanspruchungen […] Stress und Burnout<br />

bei Lehrkräften“ (Rothland 2013, 8).<br />

Daher ist es für Lehrpersonen erforderlich<br />

und förderlich, regelmäßige Pausen<br />

in ihren Arbeitsalltag zu integrieren<br />

(vgl. Wendsche & Lohmann-Haislah<br />

2018; Wendsche, Varol & Ullmann<br />

in dieser Zeitschrift). Diese können<br />

von kurzen Erholungspausen zwischen<br />

Unterrichtsstunden bis hin zu einem<br />

Sabbatical (vgl. Weichmann & Köhler in<br />

dieser Zeitschrift) reichen.<br />

Dabei soll ein Blick darauf geworfen<br />

werden, wer die schulischen Pausen(-<br />

zeiten) überhaupt organisiert: Wer setzt<br />

fest, wann eine Pause beginnt und wann<br />

sie endet? Wer teilt wen zur Pause und<br />

zur Aufsicht ein? Die Schulleitung, die<br />

Schulkonferenz, die Lehrer*innenkonferenz,<br />

der schulinterne Gong oder die<br />

Lehrperson (vgl. Klenk in dieser Zeitschrift)!<br />

Aber: Nicht jedes Individuum<br />

muss zur selben Zeit auf die Toilette, hat<br />

zur selben Zeit Hunger und/oder Durst,<br />

benötigt zur selben Zeit Bewegung, …!<br />

Dazu ein paar Anregungen bzw. Fragen,<br />

zu denen in dieser Zeitschrift einige<br />

Autor*innen ihre Erfahrungen einbringen<br />

werden:<br />

● Wie wäre es, wenn es Pausenpartner*innen<br />

gibt, also Vereinbarungen<br />

zwischen den Erziehungs- und Kontrollinstanzen<br />

sowie den Individuen?<br />

● Müssen alle Klassen gleichzeitig<br />

Pause haben? Warum? Um einen Lehrer*innenwechsel<br />

zwischen den Klassen<br />

oder Fächern zu ermöglichen? 1 Um<br />

möglichst wenigen Lehrkräften die<br />

Kontrolle über alle Schüler*innen während<br />

einer bestimmten Zeitspanne zu<br />

ermöglichen?<br />

● Warum macht nicht jede Lehrkraft<br />

mit ihrer Klasse zu einer Zeit Pause,<br />

wenn es inhaltlich angebracht erscheint<br />

oder gerade auf dem Pausenhof wenig<br />

los ist?<br />

● Warum macht nicht jedes Kind Pause,<br />

wenn es Pause benötigt? Können wir<br />

nicht Inhalte, Phasen und Individualisierung<br />

so begreifen, dass die Lernenden<br />

selbst entscheiden können, wann<br />

Phasen der Allgemeinheit, der Vermittlung,<br />

des Lernens, des Übens usw. –<br />

und der Pausen – sind? Trauen wir dies<br />

Kindern zu?<br />

● Dürfen Kinder weiter lernen, wenn<br />

sie nicht in die Pause wollen? Müssen<br />

sie dann dabei beaufsichtigt werden<br />

– was genau bedeutet das? Was lernen<br />

sie? Und wann machen Schüler*innen<br />

Pause, wenn sie in der Pause (weiter)<br />

gelernt oder gearbeitet haben?<br />

● Warum hat nicht jede Klasse ein<br />

eigenes Areal und einen direkten Zugang<br />

nach draußen, sodass es keine<br />

Konflikte von zu vielen Kindern auf zu<br />

wenig Fläche gibt?<br />

● Wie wäre es mit einer Architektur,<br />

die gemeinsames Lernen, individuelles<br />

Lernen, Rückzugsmöglichkeiten, Erholungsorte<br />

usw. bewusst mit einem flexiblen<br />

Stunden- oder – besser – Lernplan<br />

ermöglicht (vgl. Krawczyk in dieser<br />

Zeitschrift)? 2<br />

● Wie wäre es, wenn Lehrkräfte selbst<br />

Pause machen könnten – wo sie wollen,<br />

wann sie wollen?<br />

● Wollen Lehrkräfte auch zu bestimmten<br />

Zeiten oder an bestimmten Orten<br />

Pausen? Alleine? Gemeinsam? Mit<br />

schulorganisatorischen Themen – dann<br />

wäre es keine Pause …?<br />

Fazit<br />

Zugegeben: Die Beiträge in dieser Zeitschrift<br />

zeigen verschiedene Perspektiven<br />

auf, die teilweise system- bzw. schuluntypisch<br />

sind und versuchen, etablierte<br />

Strukturen zu reflektieren bzw. neu zu<br />

entwickeln. Aber: Genau darin liegt die<br />

Chance, Schüler*innen in ihrer Autonomie<br />

und Individualität zu stärken.<br />

Denn: Das Treffen von Entscheidungen,<br />

wie z. B. wer wann Pause macht und<br />

wie sich in der Pause beschäftigt<br />

wird, erfordert die Aushandlung eigener<br />

Bedarfe (Kann ich noch lernen<br />

bzw. lehren oder benötige ich eine<br />

Pause?) sowie sozial-kommunikative<br />

Aushandlungen u. a. zwischen Mitschüler*innen<br />

(Machen wir gemeinsam<br />

Pause und haben wir gleichzeitig Durst,<br />

Hunger etc.?). Alle genannten Ideen sollen<br />

zur Diskussion und Reflexion bei<br />

4 GS aktuell 163 • September 2023


Thema: Pausenkulturen<br />

angehenden und praktizierenden Lehrer*innen<br />

anregen – mit der Vision, etablierte<br />

und tradierte Schulkulturen (wie<br />

z. B. die Pausenvorschriften) kritisch zu<br />

hinterfragen und als Pausenkulturen<br />

weiterzuentwickeln (vgl. F. Peschel 2021;<br />

M. Peschel 2021).<br />

Anmerkungen<br />

1) Wie sieht es mit Lernangeboten in anderen<br />

Fachräumen aus (Sporthalle, Naturwissenschaftsraum,<br />

Musikraum)? Wird hier<br />

aufgrund eines Raumbedarfs auf Stunden<br />

und damit auf Pausen und Wechsel abgeleitet?<br />

Geht es auch anders? Könnte man nicht<br />

eine Angebots-Lern-Kultur entwickeln und<br />

Kinder nutzen – z. B. begleitet mit Beratung<br />

von Lehrkräften – entsprechende Angebote<br />

situiert, individuell?<br />

2) Als ein Beispiel der Architektur und der<br />

veränderten Auffassung von gemeinsamem<br />

und individuellem Lernen sei auf die<br />

Laborschule Bielefeld verwiesen, die einige<br />

Konzepte erprobt und adaptiert hat. In dieser<br />

Schule ist allein architektonisch eine andere<br />

Auffassung von Gebäude- und Lernkultur<br />

sichtbar.<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/<strong>GSa163</strong>Lit<br />

Pascal Kihm<br />

Aushandlung und Mitbestimmung<br />

individueller Pausenzeiten<br />

Die Möglichkeit zur flexiblen Einteilung der Zeit beim Lernen bzw. Bearbeiten<br />

von Aufgaben wird häufig als ein Merkmal der organisatorischen Öffnung von<br />

Unterricht angesehen (Hanke 2005: 42; Bohl & Kucharz 2010: 17; Grunefeld &<br />

Schmolke 2011: 11 f.; Peschel 2020: 38). Die Mitbestimmung von Schüler*innen<br />

hinsichtlich der Zeiteinteilung bezieht sich in den o. g. Publikationen allerdings<br />

meist nur darauf, wie lange die Schüler*innen mit einer Aufgabe zubringen resp.<br />

wie schnell sie eine Aufgabe bearbeiten oder zu welchem Zeitpunkt sie die Bearbeitung<br />

einer Aufgabe abschließen, um sich einer neuen Aufgabe im Wochenplan,<br />

einer neuen Station, einem neuen Arbeitsblatt usw. zuzuwenden.<br />

Es geht somit bei der Mitbestimmung<br />

bzgl. schulischer<br />

Zeitstrukturen vornehmlich um<br />

ein flexibles, eigenes Lern- bzw. Arbeitstempo<br />

und um eine freie, individuelle<br />

Zeiteinteilung – jedoch innerhalb (!)<br />

festgesetzter Lern- oder Arbeitszeiten<br />

bzw. Pausenzeiten.<br />

„Wichtig ist, dass die Kinder beim Lernen<br />

[im Unterricht; Anm. d. V.] weitmöglich<br />

ihrer Eigenzeit folgen können<br />

und nicht hilflos der Tempovorgabe<br />

oder der Zeiteinteilung des Lehrers ausgeliefert<br />

sind“ (Peschel 2019: 169; Herv.<br />

d. V.).<br />

Unabhängig von einzelnen Möglichkeiten<br />

der ‚freieren‘ Zeiteinteilung innerhalb<br />

von festgelegten Unterrichtszeiten<br />

wird oft weiterhin von für alle Mitglieder<br />

der Schule (Schüler*innen, Lehrkräfte,<br />

weitere pädagogische Mitarbeitende, …)<br />

gültigen, zeitlich geordneten und genau<br />

festgelegten (getakteten!) Unterrichtsund<br />

Pausenzeiten ausgegangen (vgl. Esslinger-Hinz<br />

2010: 274). An vielen Standorten<br />

bedeutet dies (seit 1911!), dass 45<br />

Minuten Unterricht sich mehrfach al-<br />

ternierend mit kurzen Pausen (von etwa<br />

fünf Minuten Länge) und längeren Pausen<br />

(von etwa 15–20 Minuten Länge)<br />

abwechseln (vgl. Kluth 2018) 1 . Folgende<br />

Gründe werden häufig für eine solche<br />

Rhythmisierung, also für den alternierenden<br />

Wechsel von Unterrichts- (45<br />

Minuten) und Pausenzeiten (5–15–20<br />

Minuten) angegeben:<br />

● „Kinder brauchen Orientierung und<br />

Verlässlichkeit durch zeitliche Abfolge<br />

von Aktivitäten und Ritualen“ (Holtappels<br />

2006: 84).<br />

● Rhythmisierung zielt darüber hinaus<br />

auf den Ausgleich zwischen „Anspannung<br />

und Entspannung, Konzentration<br />

und Zerstreuung, Ruhe und Bewegung“<br />

(Laging 2006: 81).<br />

● „Beim Lernen wechseln Phasen hoher<br />

Konzentration und engagierter Auseinandersetzung<br />

mit ausgleichenden Entspannungsphasen“<br />

(Peschel 2019: 169).<br />

● Grundschüler*innen benötigen „hinreichende<br />

Phasen der Erholung und<br />

Zerstreuung“ (Holtappels 2006: 84),<br />

insbesondere dann, wenn sie „fremden<br />

Vorgaben folgen und zeitgleich dazu<br />

Verbindungen zu vorhandenem Wissen<br />

herstellen“ (Peschel 2019: 169) müssen.<br />

● Eine solche, ermüdende Belastung ist<br />

immer „nur kurzzeitig möglich, weshalb<br />

Unterricht üblicherweise einen<br />

Wechsel von Spannungs- und Entspannungsphasen<br />

anstrebt“ (ebd.; vgl. auch<br />

Jürgens & Standop 2012).<br />

Angesichts der Unterschiedlichkeit der<br />

Lernvoraussetzungen und der physiologischen<br />

bzw. psycho-sozialen Bedürfnisse<br />

von Schulkindern rückt allerdings gegenwärtig<br />

m. E. zunehmend eine lern- bzw.<br />

subjektgerechtere Zeitrhythmisierung<br />

in den Blick: „Der Verlauf des Schultags<br />

sollte […] vom Lebens- und Lernrhythmus<br />

der Kinder“ (Holtappels 2006: 84)<br />

und der didaktisch-methodischen Individualisierung<br />

bestimmt werden, „nicht<br />

aber von einer von außen vorgeschriebenen,<br />

verwaltungsbürokratisch gesetzten<br />

Zeitordnung“ (ebd.).<br />

Die 45-Minuten-Taktung wird deshalb<br />

– auch unter Berufung auf die o. g. Gründe<br />

und auf die Argumente aus dem beginnenden<br />

20. Jahrhundert (s. Endnote 1) – zunehmend<br />

diskutiert: Sie sei „zu starr, presse<br />

den Lehrstoff in zu wenig Zeit, verbreite<br />

Hetze und Unruhe“ (ebd.) und überstrapaziere<br />

die Konzentrationsfähigkeit von<br />

Grundschüler*innen (vgl. auch Esslinger-Hinz<br />

2010: 297). Unter dem Stichwort<br />

Rhythmisierung wird deshalb vielfach diskutiert,<br />

ob z. B. die Zeitblöcke, in denen jeweils<br />

Unterricht stattfindet, angepasst werden<br />

sollten (z. B. 60 Minuten, 90 Minuten,<br />

…) (vgl. Jürgens & Standop 2012).<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

5


Thema: Pausenkulturen<br />

„Allen neuen Unterrichtsmodellen zum<br />

Trotz: Die 45-Minuten-Einheit bleibt<br />

die Währung der Schulleitung. Jede<br />

Lehrerstelle wird, laut Schulgesetz, mittels<br />

der 45-Minuten-Einheit verwaltet.<br />

Eine 60-Minuten-Stunde ist laut Schulverwaltung<br />

eine 1 1/3 Stunde. Die 45<br />

Minuten leben als Takt also fort, und<br />

sei es auch nur verdeckt in der Schulverwaltung“<br />

(Kluth 2018).<br />

In solchen Diskussionen ist es allerdings<br />

m. E. auffällig, dass selten „die<br />

Idee formuliert [wird], dass Schülerinnen<br />

und Schüler bei einem solchen Prozess<br />

[der Rhythmisierung bzw. Aushandlung<br />

von Unterrichts- und Pausenzeiten;<br />

Anm. d. V.] beteiligt werden<br />

könnten“ (Esslinger-Hinz 2010: 274).<br />

Stattdessen sind die Wechsel von Unterrichts-<br />

und Pausenzeiten immer „so gestaltet<br />

[…], dass […] der reibungslose<br />

Ablauf des Schulalltags“ (ebd.: 274) gesichert<br />

bleibt (vgl. dazu auch Diener &<br />

Peschel 2019). Aus diesem Grund sind<br />

Unterrichts- und Pausenphasen minutiös<br />

vorgegeben und „passen mit ziemlicher<br />

Sicherheit nicht zu den individuellen<br />

Spannungs- und Entspannungsphasen“<br />

(Peschel 2019: 169) der Schüler*innen<br />

(und im Übrigen auch der<br />

Lehrer*innen: vgl. auch den Beitrag von<br />

Klenk in dieser Zeitschrift).<br />

Diese Art der Dichotomie von Unterricht<br />

und Pause erscheint grundlegend<br />

irritierend: Es wird impliziert, dass (nur<br />

und immer) im Unterricht gelernt, gearbeitet,<br />

sich konzentriert und angestrengt<br />

wird, wohingegen im Umkehrschluss<br />

in der Pause nicht gelernt, nicht<br />

gearbeitet, sich nicht konzentriert und<br />

angestrengt wird. Insbesondere ethnografische<br />

Studien zeigen aber, wie viel<br />

auch und gerade in der Pause gelernt<br />

wird (v. a. unter sozialen Aspekten) (vgl.<br />

z. B. Krappmann & Oswald 1995).<br />

Um den o. g. Unstimmigkeiten zwischen<br />

vorgeordneter Unterrichts- und<br />

Pausenzeiten und individuellen Bedürfnissen<br />

zu begegnen, schlagen verschiedene<br />

Autor*innen „individuell variable<br />

Pausenlösungen“ (Jürgens & Standop<br />

2012) vor. Dies erfordert entweder eine<br />

Abstimmung bzw. Aushandlung „hinsichtlich<br />

der […] Zeitpunkte, Dauer und<br />

Intensität sowie der Art der Lernaktivität[en]“<br />

(Holtappels 2006: 84) oder „ein-<br />

[en] eigene[n] Pausenrhythmus“ (Peschel<br />

2019: 169) und individuell variable<br />

Pausenlösungen je Schüler*in.<br />

Die Einteilung der Arbeitszeit (gemeint<br />

hier im Sinne von z. B. Aufgabenoder<br />

Projektbearbeitungszeit) richtet sich<br />

dann vollends nach den Anforderungen<br />

der jeweiligen Aufgaben, der Projekte,<br />

der Arbeit an sich, also nach den Anforderungen<br />

der Lernenden und nicht nach<br />

einer fremd vorgegebenen Zuweisung<br />

(vgl. Peschel 2016; Peschel 2021). Jedes<br />

Kind macht dann Pause, wenn es Pause<br />

benötigt – aus Sicht des individuellen<br />

Lern- und Arbeitsprozesses.<br />

Bislang wird diese Forderung der Mitbestimmung<br />

bzw. Aushandlung hinsichtlich<br />

der Pausenzeiten meist allgemeingrundschuldidaktisch<br />

oder grundschulpädagogisch<br />

begründet – mit Argumenten,<br />

die vor allem die Konzentrationsfähigkeit<br />

und Aufmerksamkeit der Schüler*innen<br />

oder die Vermeidung von Unruhen bzw.<br />

Störungen durch Ermüdung betreffen,<br />

nicht jedoch unmittelbar deren fachliche<br />

bzw. Sach-Auseinandersetzungen:<br />

„Räumt man dem Lernenden seine<br />

Eigenzeit ein, so ist festzustellen, dass er<br />

nicht nur Spannungs- und Entspannungsphasen<br />

selber am besten arrangieren<br />

kann, sondern vor allem auch, dass die<br />

Konzentrationsphasen wesentlich länger<br />

werden, da selbstgesteuertes Lernen bedeutend<br />

weniger ermüdend ist als fremdgesteuertes<br />

Lernen“ (Peschel 2019: 169).<br />

Im Forschungsprojekt doing AGEN-<br />

CY wurde – als Randaspekt 2 – der Einfluss<br />

von Pausenzeiten auf das naturwissenschaftsbezogene<br />

Lernen analysiert<br />

und damit die fachdidaktische Bedeutung<br />

der Aushandlung und Mitbestimmung<br />

individueller Pausenzeiten rekonstruiert.<br />

Die beispielhafte Vignette<br />

auf Seite 7 verdeutlicht, (a) dass die<br />

Pause Einfluss auf den fachlichen Lern-<br />

(hier: Experimentier-)Prozess der Schüler*innen<br />

hat, indem die Pause die Sach-<br />

Auseinandersetzung der Schüler*innen<br />

verzögert, stört oder sogar gänzlich<br />

unterbricht. Somit zeigt die Vignette,<br />

(b) dass diese Art der von außen festgesetzten,<br />

vorgeschriebenen und für alle<br />

Schüler*innen verpflichtenden Pause<br />

hinsichtlich der individuellen Bedürfnisse,<br />

Interessen und Lern- bzw. Erkenntnisprozesse<br />

der Schüler*innen eigentlich<br />

nie zum richtigen Zeitpunkt kommt. Die<br />

Vignette zeigt zwei Schülerinnen in der<br />

konzentrierten Auseinandersetzung mit<br />

verschiedenen Phänomenen/Erscheinungen<br />

(vgl. Wagenschein 1977; Müller<br />

& Schumann 2022), die in Zusammenhang<br />

mit dem Thema des GOFEX-Tages,<br />

Feuer, stehen. Minutenlang<br />

● vergleichen sie die Entzündungen<br />

unterschiedlich schnell an einer Reibefläche<br />

vorbeigeführter Streichhölzer,<br />

● beobachten sie abbrennende Streichhölzer<br />

oder<br />

● die Vorgänge um eine mittels Kerzenglocke<br />

gelöschte Kerzenflamme<br />

(Wachsnebel),<br />

● variieren sie die Geschwindigkeit,<br />

mit der sie die Kerzenglocke über die<br />

Kerzenflamme stülpen und „retten“ die<br />

Kerzenflamme mehrmals, indem sie<br />

die Kerzenglocke etwas anheben.<br />

Die beiden Schülerinnen wiederholen<br />

all diese Sachauseinandersetzungen<br />

mehrfach, beobachten von ganz nah, mit<br />

etwas Abstand und von allen Seiten –<br />

ohne von der Kerzenflamme abzulassen.<br />

Sie wirken fasziniert. Im kommunikativen<br />

Austausch beschreiben sie ihre Beobachtungen<br />

sehr präzise, wenn auch teilweise<br />

noch mit alltags- statt fachsprachlichen<br />

Mitteln (z. B. „weißer Rauch“ statt<br />

„Wachsnebel“). Sie verständigen sich und<br />

klären bzw. gleichen ab, was sie beobachten.<br />

Dabei kommen auch die unterschiedlichen<br />

Flammenzonen zur Sprache<br />

– Beobachtungen und Verbalisierungen,<br />

mit denen viele Erwachsene Probleme<br />

hätten (vgl. Geiss 2017).<br />

Auffällig ist nun, dass überhaupt rund<br />

zwanzig Minuten vergehen, bevor die<br />

Schülerinnen sich der intendierten Vorgehensweise<br />

(dem „Flammensprung“) zuwenden.<br />

Alle vorherigen Aktivitäten hängen<br />

dennoch mit der Experimentieraufgabe<br />

zusammen – im Sinne von Annäherungen<br />

bereiten sie den eigentlichen Versuch<br />

und seine Teilschritte (u. a. Streichholz entzünden,<br />

Flamme ersticken usw.) gewissermaßen<br />

vor. Den „Flammensprung“ selbst<br />

wiederholen sie mehrmals – aus Eigeninteresse,<br />

Faszination und Neugierde (so<br />

deute ich die Überraschungs- und Begeisterungsinterjektionen<br />

„wow“ und „boah“),<br />

aber auch, weil sie von Mitschüler*innen<br />

aufgefordert werden, das Phänomen „vorzuführen“.<br />

Auch dabei zeigen sich die o. g.<br />

Muster der anhaltenden, fokussierten und<br />

konzentrierten Beobachtung.<br />

Weiterhin wird jedoch deutlich, dass<br />

die von der leitenden GOFEX-Mitarbeiterin,<br />

also von außen, zeitlich festgesetzte,<br />

vorgeschriebene und für alle gültige<br />

Pause nicht zu den individuellen Bedürfnissen<br />

und Erkenntnisprozessen der<br />

beiden Schülerinnen S#1 und S#2 pas-<br />

6 GS aktuell 163 • September 2023


Thema: Pausenkulturen<br />

sen. Im Hinblick auf den Experimentierprozess<br />

(vgl. Murmann 2008; Fischer<br />

& Peschel 2023) kommt die Pause zu<br />

einem Zeitpunkt, als die Schülerinnen<br />

● verschiedene Handlungsgelegenheiten<br />

und Annäherungen an das Zielphänomen/den<br />

Zielversuch genutzt haben<br />

(s. o.) (Explorationen),<br />

● herausgefunden haben, wie sie ein<br />

bestimmtes Ergebnis (nämlich den<br />

„Flammensprung“) wiederholt selbst<br />

erzeugen, also reproduzieren, können<br />

(s. o.) (Wiederholungen).<br />

Dass S#1 nun (nach etwa 25 Minuten<br />

Sachauseinandersetzung) die Frage aufwirft,<br />

wie schnell und wie lange man das<br />

Streichholz in den Wachsnebel halten<br />

muss, damit der „Flammensprung“ gelingt,<br />

fügt sich nahtlos in die Modellierung<br />

des Experimentierprozesses (vgl.<br />

Murmann 2008; Fischer & Peschel 2023).<br />

Die Schülerinnen wollen nun herausfinden,<br />

wodurch etwas funktioniert und<br />

die Bedingungen des „Flammensprungs“<br />

sondieren (hier in der Variation der Geschwindigkeit<br />

und der Zeitdauer, mit der<br />

Pascal Kihm<br />

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Lehrstuhl Didaktik des Sachunterrichts<br />

an der Universität des Saarlandes.<br />

Forschungsschwerpunkt: Interaktionsund<br />

Kommunikationsprozesse beim<br />

(Offenen) Experimentieren.<br />

das Streichholz in den Wachsnebel gehalten<br />

wird). Diese Auseinandersetzung mit<br />

den Bedingungen des Phänomens (durch<br />

Variation und ggf. auch Hypothesenaufstellung<br />

bzw. -überprüfung) ist ein wichtiger<br />

Schritt auf dem Weg zur (Er-)Klärung<br />

des Phänomens und seiner Wirkmechanismen<br />

(vgl. ebd.).<br />

Zur Umsetzung dieser geplanten Variationen<br />

kommt es allerdings nicht<br />

mehr. Die GOFEX-Mitarbeiterin leitet<br />

das Aufräumen ein bzw. zur Pause über<br />

und unterbricht damit den Experimentier-<br />

bzw. individuellen Lern- und Erkenntnisprozess<br />

dieser beiden Schülerinnen<br />

(S#1 und S#2) – und vermutlich<br />

auch weiterer Schüler*innen – zu einem<br />

individuell unpassenden Zeitpunkt. S#1<br />

und S#2 wären m. E. motiviert gewesen,<br />

sich weiterhin mit dem „Flammensprung“<br />

zu beschäftigen und hätten die<br />

Pause erst später gemacht.<br />

Die Pause hat Einfluss auf den fachlichen<br />

Lernprozess und das Experimentieren<br />

der Schüler*innen: Die Sach-Auseinandersetzung<br />

mit dem Phänomen „Flammensprung“<br />

wird unterbrochen und nach<br />

der Pause nicht mehr fortgesetzt. Die<br />

Schülerinnen beenden den Erkenntnisgang<br />

zum „Flammensprung“ mitten im<br />

Experimentierprozess (nach Exploration<br />

und Wiederholung wären nun Variationen<br />

zu erwarten – und vor der Pause von<br />

S#1 und S#2 ja auch intendiert bzw. ge-<br />

Vignette: Passung von Pausen im Experimentierprozess<br />

(Situative Kontextbedingungen: Zeitstrukturen)<br />

Vor den beiden Schülerinnen S#1 und S#2 liegt die Stationskarte/<br />

Experimentieraufgabe „Flammensprung“ 3 . Zuerst haben sie einige<br />

Minuten Streichhölzer entzündet, dabei u. a. das Streichholz unterschiedlich<br />

schnell an der Reibefläche der Streichholzschachtel bewegt,<br />

und sich beobachtend auf die abbrennenden Streichhölzer<br />

eingelassen – S#2: „Guck mal, wie es [das Feuer] sich immer weiter<br />

nach unten frisst“<br />

Später stülpt S#1, wie in der Anleitung vorgegeben, den Kerzenlöscher<br />

über die Flamme der Blockkerze. Etwas Wachsnebel weicht<br />

unter der Kerzenglocke empor und steigt nach oben. S#2 tippt<br />

ihre Mitschülerin an: „Schau mal, da geht weißer Rauch hoch“. S#1<br />

hebt die Kerzenglocke wieder hoch und ergänzt: „Und dann geht<br />

die Kerze aus!“. Die Flamme klimmt nur noch ganz schwach und<br />

noch mehr Wachsnebel steigt auf. Beide lächeln sich nun kurz an.<br />

In den folgenden Minuten wiederholen S#1 und S#2 diesen Vorgang<br />

mehrmals und wechseln sich dabei immer ab. Sie fokussieren<br />

beobachtend das Aufsteigen des Wachsnebels und wenden ihren<br />

Blick nicht ab […]. Einmal nähert S#2 den Kerzenlöscher wesentlich<br />

langsamer als zuvor an die Kerzenflamme an, stülpt ihn über,<br />

setzt ihn aber nicht ganz auf dem Kerzennapf ab, sondern hebt ihn<br />

immer noch mal um wenige Millimeter bis Zentimeter nach oben<br />

ab. Sie beschreibt: „Die Flamme wackelt irgendwie immer so. Wenn<br />

ich mit der Glocke bewege, geht die Flamme erst runter und dann<br />

wieder hoch! Ich kann sie vor dem Ausgehen retten“. Auch dieses<br />

„Spiel mit der Flamme“ wiederholen sie mehrfach […]. Dabei rücken<br />

sie ganz nahe an die Flamme, mit weit aufgerissenen Augen<br />

und leicht schief gehaltenem Kopf. Sie blinzeln kaum und lassen<br />

nicht von der Kerzenflamme ab – S#1: „Ganz oben an der Flamme<br />

ist so was weißes, helles“ (sie deutet in Richtung Flammensaum).<br />

S#2: „Die haben auch unterschiedliche Farben, also innendrin in<br />

der Kerze und dann halt weiter draußen“. […].<br />

Erst nach etwa 20 Minuten und durch Unterstützung 4 des<br />

Gofex-Mitarbeitenden G#1 setzen die Schülerinnen sich mit dem<br />

„eigentlichen Flammensprung“ (siehe Endnote 3) auseinander. S#1<br />

erstickt die Kerzenflamme und S#2 hält ein brennendes Streichholz<br />

in den aufsteigenden Wachsnebel. Eine Flamme „hüpft“<br />

vom Streichholz zum Kerzendocht und brennt dort weiter. Die<br />

Schülerinnen sind überrascht: „wow“, „boah“, rufen sie beide –<br />

sich überlagernd. Dabei schauen sie sich an, dann wieder auf die<br />

immer noch brennende Kerze. In den folgenden Minuten müssen<br />

S#1 und S#2 den „Flammensprung“ nun mehrmals „vorführen“, da<br />

inzwischen andere Schüler*innen darauf aufmerksam geworden<br />

sind und zu den beiden an den Experimentiertisch kommen […].<br />

Auch zu zweit, also ohne weitere Beobachter*innen, wiederholen<br />

sie den „Flammensprung“ noch einige Male. S#1 wirft die Frage<br />

auf, wie schnell und wie lange sie das Streichholz in den Wachsnebel<br />

halten muss, damit der „Flammensprung“ gelingt. Gerade als<br />

sie ansetzen, um die Kerze und ein Streichholz erneut anzuzünden<br />

bzw. die Kerzenflamme zu ersticken – vermeintlich, um sich die<br />

o. g. Variationen auszuprobieren –, bittet G#2, die den Gofex-Tag<br />

leitet, darum, aufzuräumen und sich für die Pause bereit zu machen<br />

(Jacken anziehen, Getränk und Essen bereithalten usw.).<br />

Die Schülerinnen S#1 und S#2 beenden ihr Experimentieren/ihre<br />

Auseinandersetzung mit dem „Flammensprung“ und räumen die<br />

Materialien weg. Nach der Pause findet eine Reflexionsrunde im<br />

Sitzkreis statt. Dort berichten sie nicht vom „Flammensprung“. In der<br />

folgenden Experimentierphase beschäftigen sie sich mit einer anderen<br />

Experimentieraufgabe. Ihre geplanten Variationen (s. o.) setzen<br />

sie dagegen nicht mehr um.<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

7


Thema: Pausenkulturen<br />

plant; s. o.). Nach der Pause beginnen sie<br />

mit einer neuen Aufgabe und einem anderen<br />

Versuch/Phänomen.<br />

Fazit<br />

Von außen festgesetzte, vorgeschriebene<br />

und für alle Schüler*innen verpflichtende<br />

Pausen kommen eigentlich nie zum<br />

richtigen Zeitpunkt. Weder allgemeingrundschuldidaktisch<br />

oder grundschulpädagogisch<br />

betrachtet (hinsichtlich<br />

der individuellen Bedürfnisse nach<br />

Erholung, Bewegung oder Zerstreuung)<br />

noch aus einer fachdidaktischen Perspektive<br />

(hinsichtlich der individuellen Interessen<br />

und Lern- bzw. Erkenntnisprozesse<br />

der Schüler*innen). Ableitung oder Konsequenz<br />

wäre m. E. eine weiterreichende<br />

Mitbestimmung von Pausenzeiten:<br />

● Minimalanspruch: Kinder dürfen<br />

weiterlernen/-arbeiten, wenn sie gerade<br />

nicht in die festgelegte, aber nicht mehr<br />

verpflichtende Pause wollen. Sie werden<br />

nicht „gezwungen, auf dem Pausenhof<br />

zu spielen ([…] bewusst polarisierende<br />

Ausdrücke, um zu zeigen, dass hierarchische<br />

und demokratische Prinzipien<br />

oftmals unbewusst transportiert werden)“<br />

(Peschel 2016: 3).<br />

● Idealanspruch: Es gibt keine speziellen,<br />

allgemein verordneten Pausenzeiten<br />

mehr, sondern Schüler*innen (ob<br />

einzeln oder in Gruppen) machen dann<br />

Pause, wenn sie es benötigen – sei es<br />

physiologisch oder psychosozial – bzw.<br />

es aus Gründen des individuellen Lernbzw.<br />

Erkenntnisprozesses inhaltlich<br />

angebracht ist.<br />

Mit dieser Ideallösung gehen m. E.<br />

neue Schwierigkeiten einher, z. B.:<br />

● Wie werden Lehrer*innenwechsel<br />

zwischen Klassen oder Fächern ermöglicht,<br />

wenn nicht mehr alle Klassen/alle<br />

Schüler*innen gleichzeitig eine Wechselpause<br />

haben?<br />

● Wie lassen sich Fachräume (Sporthalle,<br />

Naturwissenschaftsraum, Musikraum)<br />

nutzen, wenn bislang (auch) aufgrund<br />

eines Raumbedarfs auf Stunden<br />

und damit auf Pausen und Wechsel abgeleitet<br />

wird?<br />

● Wie wird die Aufsicht geregelt, wenn<br />

Schüler*innen individuelle Pausen machen?<br />

● Wo legen sie diese individuellen Pausen<br />

ein?<br />

Diese unvollständige Liste verdeutlicht<br />

m. E. ein Grundproblem der Unterrichts-<br />

und Schulentwicklung: Es lässt<br />

sich schwerlich über Veränderungen isolierter<br />

Aspekte auf einer (hier: rein organisatorischen)<br />

Dimension nachdenken.<br />

Die verschiedenen Dimensionen von<br />

Unterricht (z. B. Organisation, Methode,<br />

Inhalt) stehen immer in Wechselwirkungen<br />

zueinander bzw. mit weiteren Aspekten<br />

des organisierten Lernens. Entscheidungen<br />

bzgl. der Zeitstrukturen wirken<br />

sich auf die methodischen und inhaltlichen<br />

Strukturen des Unterrichts aus (wie<br />

Vignette 1 exemplarisch aufzeigen soll).<br />

Die Frage ist: Geht es auch anders?<br />

Könnte man nicht eine (echte) Angebots-Lehr-Lern-Kultur<br />

5 entwickeln, die<br />

Kinder dann nutzen – z. B. begleitet mit<br />

Beratung von Lehrkräften. Bestandteile<br />

wären flexible, individualisierte Stunden-<br />

oder besser Lernpläne, individuell<br />

verabredete Lernziele und eine Architektur<br />

(vgl. Krawczyk in dieser Zeitschrift),<br />

die gemeinsames sowie individuelles Lernen,<br />

Rückzugsorte und Austauschmöglichkeiten<br />

bietet. Konkretere Vorschläge<br />

und Praxisbeispiele dazu liegen bereits<br />

vor, z. B. in den Bänden 152 (Ursula Carle,<br />

Stefan Kauder, Eva-Maria Osterhues-<br />

Bruns: Schulkulturen in Entwicklung)<br />

oder 153 (Markus Peschel: Didaktik der<br />

Lernkulturen) des Grundschulverbandes.<br />

„Wenn aber nicht mehr das Lehren oder<br />

Unterrichten das zentrale Ziel von Schule<br />

ist, sondern das Lernen der Kinder die Ausbildung<br />

einer neuen Schulkultur bedingt, ist<br />

es erforderlich, sich über Formen der Aneignung<br />

von Kompetenzen auszutauschen<br />

und sich ggf. zu besinnen, wie Kinder, sofern<br />

man sie lässt, lernen“ (Peschel 2021: 22).<br />

Anmerkung<br />

1) Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert<br />

dauerte eine Schulstunde noch 60 Minuten.<br />

Unterricht fand außerdem vormittags und<br />

nachmittags statt, unterbrochen durch eine<br />

dreistündige Pause. Die Verkürzung auf 45<br />

Minuten erließ der Preußische Kultusminister<br />

August von Trott zu Solz 1911. Zum einen<br />

wurden mit dem Erlass zeitaktuelle Erkenntnisse<br />

der experimentellen Psychologie umgesetzt<br />

(die 60-Minuten-Taktung begünstigte<br />

nachweislich die Ermüdung der Schulkinder),<br />

zum anderen erfolgte die Verkürzung<br />

aus Spargründen und in Zusammenhang<br />

mit der Besoldung/Bezahlung der Lehrkräfte<br />

(vgl. Kluth 2018).<br />

2) Im Forschungsprojekt doing AGENCY<br />

wurde die Aushandlung von Selbstbestimmung<br />

beim aufgabenbasierten (Offenen)<br />

Experimentieren untersucht. Dazu wurden<br />

Schulklassenbesuche im Grundschullabor<br />

für Offenes Experimentieren (GOFEX) – sog.<br />

GOFEX-Tage – teilnehmend beobachtet.<br />

Beobachtungsprotokolle wurden anschließend<br />

mittels Grounded Theory Kodierverfahren<br />

ausgewertet (vgl. Strauss & Corbin<br />

1996; Glaser & Strauss 2010; Kihm & Peschel<br />

2017). Ergebnis ist eine Grounded (also in<br />

empirischen Daten gegründete) Theory, die<br />

die soziale Verursachtheit von Selbstbestimmung<br />

erklärt und Selbstbestimmungsaushandlungsprozesse<br />

(das doing AGENCY) als<br />

komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen<br />

Akteur*innen (Schüler*innen, Lehrpersonen,<br />

GOFEX-Mitarbeitende) und den<br />

jeweiligen Phänomenen/Sachen im Experimentierprozess<br />

rekonstruiert. Verschiedene<br />

weitere situative Kontextbedingungen beeinflussen<br />

den Aushandlungsprozess, u. a. die<br />

Materialien, der Raum, aber eben auch Zeitstrukturen<br />

der Experimentier-Lehr-Lern-<br />

Situation, wie sie etwa Pausen darstellen.<br />

3) Der beobachtete GOFEX-Tag fand mit<br />

einer dritten Schulklasse zum Thema „Feuer“<br />

statt. Die Namen aller Akteur*innen wurden<br />

pseudonymisiert. Der Titel „Flammensprung“<br />

wird in der Vignette verwendet, um<br />

das entsprechende Phänomen/den Versuch<br />

eindeutig zu bezeichnen: Eine Kerze wird,<br />

nachdem sie einige Minuten gebrannt hat,<br />

mittels Kerzenlöscher erstickt. In den aufsteigenden<br />

Wachsnebel wird ein brennendes<br />

Streichholz gehalten. Eine kleine Flamme<br />

springt vom Streichholz auf den Kerzendocht<br />

über (und bildet sich dort kurz nach dem<br />

Überspringen wieder voll aus) (vgl. Geiss<br />

2017: 53 f.).<br />

Der dreistündige GOFEX-Tag wurde von<br />

Seiten der GOFEX-Mitarbeitenden wie folgt<br />

rhythmisiert: Auf einen gemeinsamen Einstieg<br />

(Demonstrationsexperiment; 30 min)<br />

folgten eine Experimentierphase (30 min)<br />

und eine gemeinsame Pause (15 min). Nach<br />

der Pause fand eine gemeinsame Zwischenreflexion<br />

statt (15 min), auf die eine zweite,<br />

längere Experimentierphase (60 min), das<br />

gemeinsame Aufräumen (10 min) und eine<br />

Abschlussreflexion (20 min) folgten.<br />

4) Aus Platzgründen hier nur verkürzt (und<br />

ohne Analyse bzw. Wertung/Einordnung vor<br />

dem Hintergrund des didaktischen GOFEX-<br />

Konzepts): GOFEX-Mitarbeiter G#1 bespricht<br />

die Versuchsanleitung sukzessive mit<br />

den beiden Schülerinnen und leitet auch die<br />

Umsetzung schrittweise an.<br />

5) Dies meint keine ökonomisierte Vorstellung<br />

von Lehr-Lern-Prozessen, wie sie<br />

im Angebot-Nutzungs-Modell von Helmke<br />

(2017) entwickelt wird und die trotz aller Bemühungen<br />

um Differenzierung doch wieder<br />

allen Schüler*innen ein Angebot macht, das<br />

manche eben besser als andere nutzen (vgl.<br />

zur ausführlichen Kritik am Angebot-Nutzungs-Modell<br />

auch Gruschka 2011).<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/<strong>GSa163</strong>Lit<br />

8 GS aktuell 163 • September 2023


Thema: Pausenkulturen<br />

Adrian Krawczyk<br />

Schule als guter Ort, auch in der Pause<br />

„Die Pause“ ist häufig mit der Idee verknüpft, eine „Oase der Freiheit“ zu sein:<br />

Der Unterricht wird unterbrochen und man kann den eigenen Bedürfnissen und<br />

Neigungen nachgehen, mit Freunden spielen, rennen, toben, quatschen. Soweit<br />

die idealisierte Vorstellung. Oder: Ist die Pause doch ein Mittel zum Zweck, um<br />

die Lernfähigkeit zwischen den disziplinierenden Lerneinheiten zu steigern?<br />

Pausengefühle sind vielschichtig.<br />

Pausen können das „Beste“ an<br />

Schule sein oder den „Flow“ jäh<br />

abreißen lassen. Sie können Ausgrenzung<br />

bedeuten, im Guten und Schlechten den<br />

Raum für (Wett-)Kampf eröffnen, oder<br />

wertvolle Unterrichtszeit „rauben“, wenn<br />

nach ihr z. B. erst Streitigkeiten<br />

geschlichtet oder nasse Sachen<br />

gewechselt werden müssen. Pausen können<br />

unterschiedlich bewertet, auch in<br />

ihrer Bedeutung unterschätzt werden. In<br />

der Pause kann man sich erholen,<br />

zugleich fordert sie aber auch oft heraus:<br />

Man muss in der Gruppe bestehen, sich<br />

einordnen oder behaupten. Oder man<br />

erfährt Anerkennung, vielleicht erlernt<br />

man wertvolle „skills“ und „moves“, riskiert<br />

etwas, verliert sich im Spiel und<br />

wächst über sich hinaus. Mehr oder<br />

weniger kontrolliert, entsteht Raum für<br />

Erfahrungen im dynamischen Miteinander,<br />

den Unterricht so nicht bieten<br />

kann, der aber einen wichtigen Beitrag<br />

für Sozialisierungsprozesse und Persönlichkeitsentfaltung<br />

liefert. Misst man „der<br />

Pause“ einen relevanten Wert jenseits der<br />

lernoptimierenden Unterbrechung von<br />

Unterricht zu, wird sie zum pädagogischen<br />

Handlungsfeld. Tut man das, muss<br />

sich konsequenterweise auch die Haltung<br />

bzw. die Einstellung zu Raum und Zeit<br />

ändern.<br />

Der dritte Pädagoge geht<br />

(nie) in die Pause<br />

Welche Rolle spielt der Ort der Pause?<br />

Der Raum ist der „dritte Pädagoge“ –<br />

auch in der Pause, denn er kann ja gar<br />

nicht anders als wirken. Im Idealfall hat<br />

er viel zu bieten, für alle Personen und<br />

für alle Bedürfnisse. Der Raum könnte<br />

neben seiner Qualität für Lernsettings<br />

auch danach bemessen werden, wie er<br />

auf den außerunterrichtlichen Bereich<br />

wirkt und welche weiteren Angebote er<br />

für Kinder über den ganzen Tag bieten<br />

kann.<br />

● Ist alles vorhanden, was zu einem gut<br />

ausbalancierten Wechsel zwischen Anund<br />

Entspannung (neben Lernen auch<br />

Spielen, Toben und Entspannung) dazugehört?<br />

● Wie steht es um die Atmosphäre?<br />

● Gibt es Lieblingsplätze, Aussichtsplätze,<br />

Schlupfwinkel, um abzutauchen,<br />

ausreichend Terrain für Abenteuer?<br />

● Finde ich den passenden Platz zu<br />

meinen Bedürfnissen?<br />

● Fühle ich mich an diesem Ort gut<br />

aufgehoben, kann ich mich mit ihm<br />

identifizieren, kann ich mitgestalten?<br />

● Habe ich genügend freie Räume,<br />

Freiräume?<br />

Diese Fragestellungen werden spätestens<br />

2026 an Relevanz gewinnen, wenn<br />

der Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung<br />

in Kraft tritt. Im Ganztag ist nicht<br />

nur die Mittagsverpflegung als „Pause“<br />

zu organisieren, sondern die gesamte<br />

Zeit rund um den Unterricht bekommt<br />

einen ganz anderen Stellenwert. Der<br />

Ganztag verschärft den Anspruch an den<br />

Ort Schule, der nun über den ganzen<br />

Tag das Zuhause der Kinder mit allen<br />

Konsequenzen darstellt. Mehr „Schul-<br />

Zeit“ wird schnell verkürzend mit ergänzenden<br />

Bildungsangeboten, wie z. B.<br />

kulturellen und musikalischen Angeboten<br />

verbunden. Kinder haben aber auch<br />

ein Recht auf Spiel, Freiheit und Erholung<br />

(Artikel 31, UN-Kinderrechtskonvention)<br />

– also auf „Pause“, und ihr wird<br />

Raum gegeben werden müssen. Das betrifft<br />

die zeitliche Dimension – als Frei-<br />

Spiel-Zeit –, aber auch den Ort.<br />

Schule wird ein guter Ort, wenn man<br />

vielfältige Lern- und Erfahrungsräume<br />

anbieten kann. Ein Pausenraum oder ein<br />

Außenspielgerät wird diesem Anspruch<br />

alleine nicht gerecht werden können.<br />

Will man z. B. Rückzug, Spiel und Bewegung,<br />

besser noch Selbstwirksamkeit<br />

ermöglichen, steht man vor der schwierigen<br />

Aufgabe, wo und wie man das in<br />

begrenzten Spielräumen erreichen will.<br />

Hat man sich von der oft vergeblichen<br />

Forderung nach Extrafläche irgendwann<br />

verabschiedet, wird man mit dem Vorhandenen<br />

arbeiten müssen und schnell<br />

beim Selbstverständnis von Schule und<br />

der eigenen Haltung ankommen. Schulen<br />

sind für Lernsettings optimiert und<br />

auf Kontrolle geeicht. Was könnte man<br />

darüber hinaus anbieten? Wie erweckt<br />

man z. B. Außenraum, Pausenhalle,<br />

Speiseraum oder auch Unterrichtsräume<br />

zum „Leben“? Gestaltung ist dabei<br />

die eine Komponente, wofür Schulen sicher<br />

ein Budget brauchen, und es lohnt<br />

sich, Gestaltungskompetenz von außen<br />

zu holen. Hinzu kommt die systemische<br />

Dimension bei der Schulgestaltung. Was<br />

darf ich? Wer unterstützt mich? Was<br />

steht meiner Idee/einer Umsetzung im<br />

Weg (Brandschutz, Denkmalpflege, Reinigung)?<br />

Eine besondere Herausforderung<br />

liegt aber woanders. Sie beginnt dort,<br />

wo Selbstverständliches in Frage gestellt<br />

und geändert werden will. Wie sieht es<br />

beispielsweise mit der Auslastung und<br />

Adrian Krawczyk<br />

ist Architekt und seit 2010 mit dem<br />

Thema „Ganztägigkeit“ im Spannungsfeld<br />

von Flächennutzung und Pädagogik<br />

bei der Hamburger Behörde für<br />

Schule und Berufsbildung beschäftigt.<br />

Als Referent unterstützt er im Referat<br />

für Ganztag-, Struktur- und Prozessentwicklung<br />

die qualitative Weiterentwicklung<br />

von Raumkonzepten an<br />

Schulen und verantwortet Förderprogramme<br />

an der Schnittstelle von<br />

Pädagogik und Raum.<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

9


Thema: Pausenkulturen<br />

Zugänglichkeit von Flächen aus? Sind<br />

sie eher kurze Zeit exklusiv für einen<br />

ausgewählten Teil oder von vielen über<br />

den ganzen Tag nutzbar und attraktiv?<br />

Wer darf welche Fläche wann nutzen?<br />

Teile ich Fläche, reduziere ich meinen<br />

Anspruch zu Gunsten von Vielfalt? Wie<br />

viel Freiheit lasse ich den Schüler*innen?<br />

Was bin ich bereit zu riskieren?<br />

Diese Fragen eröffnen immer wieder<br />

Spannungsfelder, mit denen man sich<br />

bewusst konfrontieren muss und die<br />

gemeinschaftlich ausgehandelt werden<br />

wollen.<br />

Schule zu einem guten Ort zu entwickeln,<br />

bedarf eines Schulentwicklungsprozesses,<br />

der häufig Impulse und Hilfestellung<br />

von außen braucht. Es wird<br />

schnell klar werden, dass es nicht allein<br />

um die Gestaltung einzelner Räume<br />

(Lernräume, Pausenräume) gehen<br />

kann. Das Prädikat „Lebensraum Schule“<br />

ist erst dann authentisch, wenn der<br />

gesamte Standort, dessen Organisation,<br />

ja seine Haltung, und letztlich über die<br />

Schulgrenze bis ins Quartier davon erfasst<br />

wird. Im Folgenden sollen Beispiele<br />

aus drei Bereichen konkrete Hinweise<br />

auf mögliche Handlungsfelder in Schule<br />

aufzeigen:<br />

Schulhof, ein Garten in der Stadt<br />

Bis 1981 sorgte noch eine Norm bundesweit<br />

für staubfreie, schnelltrocknende<br />

und somit befestigte Schulhofflächen.<br />

Heutzutage konkurrieren vielfältige<br />

Anforderungen und Nutzungswünsche<br />

miteinander. Befestigte Flächen rivalisieren<br />

mit dem Erfordernis von mehr<br />

Versickerungsflächen, Verschattung,<br />

dem Wunsch nach Naturflächen, Sandspielflächen,<br />

Außen-Sportböden. In<br />

Hamburg ist bei Neubauten und Sanierungen<br />

der Außenanlagen künftig regelhaft<br />

rund ein Drittel der Fläche naturnah<br />

zu gestalten und die Schulgemeinschaft<br />

von Beginn an zu beteiligen.<br />

Der Natur auf dem Schulhof mehr<br />

Raum zu geben, bringt nicht nur mehr<br />

„Garten“ und Versickerungsfläche in die<br />

Stadt; neben Anknüpfungspunkten für<br />

das Thema nachhaltige Entwicklung, besteht<br />

auch die Chance auf mehr Erfahrungs-<br />

und Rückzugsräume (gärtnern,<br />

verstecken, forschen). Das ist nur ein<br />

Beitrag zu der angestrebten Vielfalt an<br />

Schule. Der Ansatz entspricht den von<br />

Landschaftsarchitekten längst für den<br />

öffentlichen Freiraum verfolgten Aufgabe<br />

der Multicodierung. Unterschiedliche<br />

Interessen müssen synchronisiert<br />

und ausgehandelt werden. Das ist mühsam,<br />

bietet aber auch Chancen.<br />

Wer zum Beispiel auf dem Schulhof<br />

eine wettergeschützte Sportfläche (offen,<br />

aber überdacht) einrichten kann,<br />

wird sie sowohl für den Sportunterricht<br />

als auch in der Freizeit nutzen können.<br />

Außerdem bietet sie Wetterschutz und<br />

Verschattung bei Veranstaltungen (z. B.<br />

Flohmarkt, Feste, Konzerte) und eröffnet<br />

auf diese Weise einen Mehrwert für Begegnung<br />

und Kooperationen im Stadtteil.<br />

Auf andere Weise herausfordernd,<br />

aber wichtiger wäre es, den „Möglichkeitsraum“<br />

für Kinder zu erweitern.<br />

Mit der Verdichtung des städtischen<br />

Raumes schwinden Erfahrungsräume,<br />

mit dem Ganztag an Schule reduziert<br />

10 GS aktuell 163 • September 2023


Thema: Pausenkulturen<br />

sich der Aktionsradius von Kindern gravierend.<br />

Wo, wenn nicht an Schule, gibt<br />

es im Alltag noch Raum für Selbstwirksamkeit<br />

und phantasievolle Rollenspiele.<br />

Wer bei Kindern Entwicklung begünstigen<br />

will, muss Aneignung zulassen können<br />

und deren Eigendynamik akzeptieren.<br />

Insofern sollte man gestaltbare Bereiche<br />

schaffen, die von Schüler*innen<br />

mitgestaltet und neugestaltet werden<br />

können. Stellte man z. B. passende Flächen<br />

und Baumaterialien (z. B. Äste, Stöcke,<br />

Kisten mit Material) zur Verfügung,<br />

wäre man von dem Gestaltungswert der<br />

einfachsten Materialien schnell überrascht.<br />

Es kann passieren, dass sich nicht<br />

nur die Kleinsten, sondern bis zur vierten<br />

Klasse alle um den begehrten Abenteuerspielplatz<br />

streiten. Solche Freiräume<br />

an Schule schaffen zu wollen, wird<br />

auf verschiedenen Ebenen schnell an<br />

Grenzen stoßen. Wenn man aber Kontrollwünschen<br />

und Bedenken den Vorrang<br />

gibt, droht Kindern in der Ganztagsschule<br />

– im schlechtesten Fall – eine<br />

überbehütete Kindheit auf von Pragmatismus<br />

und Facility Management dominierten,<br />

neu normierten Schulhöfen.<br />

Wenn man die Entwicklungsdimension<br />

für Kinder nicht vernachlässigen will,<br />

wird man sich Aushandlungsprozessen<br />

auf verschiedenen Ebenen aussetzen<br />

müssen.<br />

Von der Pausenhalle<br />

zum Marktplatz<br />

Pausenhallen vermitteln nicht selten<br />

einen nüchternen Charme. Sie sind in<br />

der Regel unmöbliert und werden als<br />

Teil des Eingangsbereiches oft zu einer<br />

Art Verteilerhalle und gerne auch als<br />

Versammlungsraum genutzt. „Bestuhlt“<br />

oder leer fungieren sie als Ort für wenige<br />

Veranstaltungen im Jahr oder als<br />

Schutzraum in der Pause bei schlechtem<br />

Wetter. Den Rest der Zeit sind sie repräsentative<br />

Entrees der Schule, gekennzeichnet<br />

durch vereinzelte Vitrinen<br />

und Pflanzen. Wenn man sich jedoch<br />

das Missverhältnis zwischen Flächenangebot<br />

und Auslastung vergegenwärtigt,<br />

wird man kreativ und vielleicht<br />

kompromissbereiter werden wollen.<br />

Man kann Angebote schaffen, z. B.<br />

dadurch, dass zumindest die Ränder<br />

eingerichtet werden und für die Fläche<br />

mobile Elemente zum Einsatz kommen.<br />

In der Schule Traberweg sind es abstrahierte,<br />

unterschiedlich große „Hütten“<br />

auf Rollen, die ineinandergeschoben<br />

und für Veranstaltungen weggefahren<br />

werden können. Eingerichtet werden<br />

sie mit leicht wegzutragenden weichen<br />

Sitzelementen oder einer Sitzgarnitur.<br />

Die große Halle wird zoniert, in ihrem<br />

Maßstab gebrochen und neu auf vielerlei<br />

Weise anschlussfähig. Auch die Bühne<br />

eröffnet eine weitere Auftrittsmöglichkeit;<br />

Sitzsäcke verwandeln die Fläche<br />

zu einer gemütlichen „Empore“. Das<br />

Konzept folgt der Idee eines Marktplatzes:<br />

Der zentrale Platz in der Schule wird<br />

zum Treffpunkt über den ganzen Tag.<br />

Auch in der Pause? Immer wieder<br />

werden in Bezug auf Schule und Ganztagsbildung<br />

Partizipation und Freiwilligkeit,<br />

die Möglichkeit, selbstbestimmt<br />

entscheiden zu können, als wichtige Gelingensfaktoren<br />

für Bildungsprozesse betont.<br />

Wo bleibt diese Überzeugung aber<br />

in der Pause, wenn Kinder grundsätzlich<br />

auf den Schulhof „genötigt“ werden?<br />

Könnte die Freude über die Ausnahme,<br />

in der „Regenpause“ auch mal<br />

nicht nach draußen zu müssen, eine<br />

Sehnsucht danach sein, auch Innenräume<br />

für das eigene Spiel nutzen zu können,<br />

sie sich erobern zu dürfen, sie zum<br />

Ort „für sich“ zu machen?<br />

Wie will eine Institution Kindern<br />

und Jugendlichen, die sie fördern will,<br />

das Empfinden vermitteln, angenommen<br />

und willkommen zu sein, wenn<br />

sie Kinder immer dann, wenn die Institution<br />

sie gerade nicht als Schüler*innen<br />

betrachtet, aussperrt? So wird die<br />

„Oase der Freiheit“ (Pausenhof) zu<br />

einem Ort, der letztlich wieder von<br />

Fremdbestimmung geprägt ist.<br />

Die Aula: Der zentrale Platz<br />

in der Schule wird zum Treffpunkt.<br />

Bestückt mit<br />

abstrahierten, unterschiedlich<br />

großen „Hütten“ auf<br />

Rollen, die ineinandergeschoben<br />

und für Veranstaltungen<br />

weggefahren<br />

werden können. Eingerichtet<br />

werden sie z. B. mit leicht<br />

wegzutragenden weichen<br />

Sitzelementen oder einer<br />

Sitzgarnitur.<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

11


Thema: Pausenkulturen<br />

Ein kleines Beispiel aus einer inklusiv<br />

arbeitenden Grundschule könnte<br />

die These bestätigen. Jahrgangsbezogen<br />

dürfen „Inklusionskinder“ in der großen<br />

Pause in der Aula spielen. Jedes „Inklusionskind“<br />

darf ein Kind ohne besonderen<br />

Status mitnehmen. Das Angebot ist<br />

so begehrt, dass sich aufgrund der großen<br />

Attraktivität des besonderen Spielortes,<br />

das Rollenverständnis in der „(Inklusions)-Pause“<br />

vom passiven Benachteiligten<br />

zur aktiven Schlüsselfigur umkehrt<br />

und Anlass für gelebte Inklusion<br />

wird (vgl. dazu auch den Beitrag von<br />

Hoffmann in dieser Zeitschrift).<br />

Für Nachmittagsangebote ist die Nutzung<br />

der Innenräume selbstverständlich<br />

und attraktiv, steht aber oft in Konkurrenz<br />

zum disziplinierenden Bildungsinstitut.<br />

Auch hier sind Freiräume auszuhandeln.<br />

Speiseraum = Mittagstisch plus X<br />

Mit einer gesicherten Schulverpflegung<br />

hat man eine große Hürde auf den Weg<br />

zur Transformation von der Halbtagsschule<br />

zur Ganztagsschule genommen.<br />

Der Bau von Küche und Speiseraum<br />

sind strukturelle Voraussetzungen für<br />

den Ganztag. Das Thema Schulverpflegung<br />

ist aber viel komplexer, als die<br />

Bereitstellung von Funktionsräumen<br />

suggeriert. Schon über Küchentyp, Ausgabesystem<br />

und Organisation ließe sich<br />

viel berichten, von Elternansprüchen<br />

ganz zu schweigen. An dieser Stelle<br />

soll daher nur weitergedacht werden,<br />

was bereits Thema war: Atmosphäre,<br />

Auslastung und Freiraum für Selbstbestimmung.<br />

Aus Sicht des Gebäudemanagements<br />

wird der Reinigungsaufwand die wichtigste<br />

Rolle spielen. Am besten eignen<br />

sich Stühle mit Griffmulde in der Rückenlehne,<br />

die mit einem Handgriff auf<br />

den Tischrand gehoben werden können.<br />

Oder es werden mobile 12er-Klapptische<br />

eingesetzt, sodass das vorhandene Raumangebot<br />

besser für die Schule über die<br />

Schulverpflegung hinaus genutzt werden<br />

kann. Für durchgetaktete Essenseinnahme-Schichten<br />

optimiert, erfüllt der mit<br />

gleichen Tischreihen organisierte Raum<br />

seinen dienenden Zweck. Von Pragmatismus<br />

geleitet, schrumpft aber im gleichen<br />

Maße die Chance auf Atmosphäre<br />

und Aufenthaltsqualität, bis davon kaum<br />

etwas übrig bleibt. In Hamburg haben<br />

Selbstbestimmt mittags Pause machen<br />

(Björn Steffen, Referent für Schulcatering und Mittagsverpflegung, BSB Hamburg)<br />

Die Mittagspause sollte davon gekennzeichnet sein, für sich selbst und das eigene<br />

Wohlergehen Entscheidungen treffen zu können. Fremdbestimmung ist auf ein Minimum<br />

zu reduzieren, Überpädagogisierung zu vermeiden und die individuell unterschiedlichen<br />

Bedürfnislagen sind zu berücksichtigen.<br />

Wenn dies eine gemeinsame Haltung von Schule und Jugendhilfe ist, kann der Speiseraum<br />

für die Mittagsverpflegung an der Ganztagsschule so gestaltet werden, dass<br />

für alle Schüler*innen eine echte Pause mit ganz eigener Qualität entstehen kann. In<br />

einem solchen Setting werden keine Vorschriften gemacht, sondern Rahmenbedingungen<br />

geschaffen, die die Autonomie und das Wachstum von Kindern und Jugendlichen<br />

fördern. Dies findet nicht in einem ungeregelten Raum statt, sondern stellt<br />

hohe Anforderungen an die pädagogische Begleitung in der Pause.<br />

Gemeinsam mit dem Caterer und Fachplaner*innen sind strukturelle Bedingungen<br />

zu schaffen, in denen sich die Gäste in der Schulverpflegung wohlfühlen. Es ist über<br />

schulorganisatorische Rahmenbedingungen (Rhythmisierung, Angebotsstruktur) zu<br />

ermöglichen, dass für die folgenden Entscheidungen die größtmögliche Freiheit ermöglicht<br />

wird:<br />

• Wann will ich essen? (Im Rahmen eines möglichst großen Zeitfensters, idealerweise<br />

von 12–14 Uhr)<br />

• Wie lange? (Schnell essen ist erlaubt, genau wie längeres Verweilen am Tisch oder<br />

im Speiseraum)<br />

• An welchem Platz will ich essen? (Vielfältige Auswahl in der Möblierung sollte<br />

vorhanden und erreichbar sein)<br />

• Mit wem will ich essen? (Sollte selbstverständlich sein, ist es leider häufig nicht an<br />

Schule)<br />

• Was will ich essen? (Im Rahmen des möglichst vielfältigen Speiseplans)<br />

• Wie viel will ich essen und wie oft möchte ich mir Essen (nach-)nehmen?<br />

(Wird möglich durch Selbstbedienungsbuffets, von denen sich im Rahmen der<br />

maximalen Mengen beliebig oft genommen werden kann)<br />

• Was will ich probieren? (Dies wird am besten selbst entschieden, angeregt durch<br />

gute Beispiele aus der selbst gewählten Peer-Group. Das bevorzugte Ausgabesystem<br />

ist Free Flow (Selbstbedienungsbuffets).)<br />

sich Schulen im Rahmen der Ganztags-<br />

Qualitätsentwicklung auf den Weg gemacht<br />

und versuchen, den Speiseraum<br />

mit externer Planungskompetenz zu<br />

einem Verweilort zu entwickeln. So kann<br />

die Kantine als Gemeinschaftsraum zum<br />

Identifikations- und Ankerpunkt für die<br />

Schule über den ganzen Tag werden.<br />

Zonierungen mit unterschiedlicher Bestuhlung,<br />

anderer Beleuchtung, Dekoration<br />

oder eventuell sogar einem Kinderkochstudio<br />

(Küchenzeile, die unabhängig<br />

von der Caterer-Küche nutzbar ist)<br />

schaffen eine Infrastruktur und das notwendige<br />

Ambiente für einen lebendigen<br />

Ort, der von Lernen bis Feiern über den<br />

ganzen Tag alles ermöglicht. Wenn dann<br />

noch Freiräume (siehe Kasten) eröffnet<br />

werden, dann besteht die Chance auf<br />

einen Beitrag des „dritten Pädagogen“<br />

an einem guten Ort.<br />

Literatur<br />

Behr, S. (2023): Naturnahe Schulgeländegestaltung.<br />

Online verfügbar unter:<br />

https://li.hamburg.de/ausserschulischelernorte/zentrum-fuer-schulbiologieumwelterziehung-zsu/naturerlebnisschulhoefe-605248<br />

(Aufruf am 23.06.2023).<br />

Hoff, M., Kaup, H. & Röhr, A. (2005):<br />

Schulhöfe – planen, gestalten, nutzen.<br />

Westfalen-Lippe: Gemeindeunfallversicherungsverband<br />

(GUVV) Westfalen-Lippe.<br />

Walther B., Nentwig-Gesemann, I. & Fried, F.<br />

(2021): Ganztag aus der Perspektive von<br />

Kindern im Grundschulalter. Eine<br />

Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und<br />

-dimensionen (3. Aufl.). Gütersloh: Verlag<br />

Bertelsmann Stiftung.<br />

Zimpel, A. F. (2014): Einander helfen.<br />

Der Weg zur inklusiven Lernkultur (2. Aufl.).<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag.<br />

12 GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Gabriele Klenk<br />

Mach mal Pause! – Gedankensplitter<br />

zu einem vernachlässigten Thema<br />

Über 40 Jahre war mein Berufsfeld die Grundschule. Immer war hierbei der<br />

herkömmliche Unterrichtsalltag neben vielen anderen Aufgaben geprägt von<br />

Unterrichtszeiten und sogenannten Pausen. An manchen Schulen gibt es auch<br />

heute noch „große“ und „kleine“ Pausen von 30 oder 15 Minuten Länge. In diesem<br />

Beitrag möchte ich die Pausen in ihrer Vielfalt aus der Sicht einer Lehrkraft<br />

sowie der einer Schulleiterin beschreiben und damit aufzeigen, dass „Pausen“<br />

auch ein besonderes Konfliktpotenzial mitbringen.<br />

Mit „gutem Unterricht“ beschäftigen<br />

wir Lehrkräfte uns<br />

immer wieder, reflektieren<br />

gemeinsam darüber und versuchen, diesen<br />

weiterzuentwickeln. Zwischen den<br />

Unterrichtszeiten gibt es aber in den<br />

meisten Schulen ein akustisches Zeichen<br />

mit fast magischer Kraft, „den<br />

Pausengong“. Und mit ihm ist eine<br />

Menge an Hoffnungen, Erwartungen<br />

und Wünschen aller an Schule<br />

Beteiligten verbunden. Wenn Grundschule<br />

ein Ort der Lebens- und Lernfreude<br />

für alle sein soll, braucht es den<br />

Blick auch auf diese Rituale bzw.<br />

Pausenkultur, und es ist durchaus sinnvoll,<br />

Pausen im Kollegium sowie<br />

gemeinsam mit Kindern genauso zu<br />

thematisieren, wie wir dies mit Lernzeiten<br />

tun.<br />

Pausenrealitäten von Lehrkräften<br />

Womit die „kleinen“ oder „großen“<br />

Pausenzeiten von Lehrkräften gefüllt<br />

werden können, möchte ich hier durch<br />

einige Gedanken, die sicherlich nahezu<br />

jede*r Lehrer*in schon einmal durch<br />

den Kopf gegangen sind, aufzeigen:<br />

● „Vor der nächsten Unterrichtsstunde<br />

will ich noch die Materialien von eben<br />

wegräumen, damit es nachher gut weitergehen<br />

kann.“<br />

● „Ich darf nicht vergessen, die Fenster<br />

zu öffnen, die Tafel zu wischen, das<br />

Licht auszumachen und die Tür zu verschließen.“<br />

● „Nina findet ihr Pausenbrot nicht,<br />

ich helfe ihr rasch, es zu suchen.“<br />

● „Toms Reißverschluss klemmt wieder<br />

einmal, ich gehe schnell hin und<br />

versuche mein Glück.“<br />

● „Sina will nicht in die Pause gehen,<br />

weil ein anderes Kind sie immer ärgert.<br />

Ich spreche mal mit ihr und ihren<br />

Freundinnen, was sie gemeinsam in<br />

einem solchen Fall tun könnten.“<br />

● „Nach der Pause habe ich vier Kinder<br />

mehr im Zimmer, weil ich eben erfahren<br />

habe, dass es keine Vertretung gibt.<br />

Wo finde ich in der Pause nun die fehlenden<br />

Stühle?“<br />

● „Meine erstellten Kopien für den<br />

Unterricht reichen nicht für die Vertretungskinder,<br />

hoffentlich ist der Kopierer<br />

frei, dass ich schnell noch nachkopieren<br />

kann.“<br />

● „Die Fachlehrkraft für Werken meiner<br />

Klasse ist nur heute im Haus, da<br />

muss ich sie rasch etwas fragen, bevor<br />

ich sie nicht mehr erreichen kann.“<br />

● „Mario hat wieder keine Sportsachen<br />

dabei. So geht das nicht weiter, ich rufe<br />

mal zu Hause an.“<br />

● „Sina klagt seit einer Stunde über<br />

Bauchschmerzen und hat eindeutig Fieber.<br />

Ich versuche, ihre Eltern telefonisch<br />

zu erreichen, dass sie abgeholt wird.“<br />

● „Moritz behauptet, er dürfe heute<br />

nach der Schule nach Hause gehen statt<br />

in den Hort. Vielleicht hat die Sekretärin<br />

hierzu einen Anruf erhalten? Ich<br />

frage mal nach.“<br />

● „Im Lehrmittelzimmer kann ich die<br />

Materialien für den Versuch nicht finden,<br />

in der Ausleihliste ist kein Eintrag<br />

dazu. Da frage ich mal in der Pause<br />

nach, wer sie haben könnte.“<br />

● „Für meinen Unterrichtsgang brauche<br />

ich noch ein Formular. Das hole ich<br />

gleich ab, weil die Sekretärin später gar<br />

nicht mehr da ist.“<br />

● „Die Mutter von Linus hat mich im<br />

Mitteilungsheft um einen Rückruf ge-<br />

Gabriele Klenk<br />

war bis 2020 Schulleiterin einer großen<br />

Grundschule in Stein mit mehreren<br />

Schulstandorten. Sie ist Mitglied des<br />

Bundesvorstands des Grundschulverbandes<br />

und Vorsitzende der Landesgruppe<br />

Bayern.<br />

beten. Ich versuche es in der Pause,<br />

nachmittags ist sie selten zu erreichen.“<br />

● „Eigentlich müsste ich schon seit<br />

einer Stunde zur Toilette und ich möchte<br />

auch noch etwas essen und trinken.“<br />

● „Heute ist Pausenkonferenz, die darf<br />

ich keinesfalls vergessen und muss<br />

mich beeilen.“<br />

● „Vielleicht kann mir jemand aus dem<br />

Kollegium sagen, welche Ergotherapeutin<br />

ich den Eltern von Tina empfehlen<br />

kann?“<br />

● „Irgendwann in dieser Woche ist<br />

doch auch Feueralarm, ich muss in der<br />

Pause auf dem Plan nachsehen.“<br />

● „Heute habe ich Pausenaufsicht, da<br />

muss ich mich beeilen, dass ich rechtzeitig<br />

auf den Pausenhof komme.“<br />

● „Jetzt regnet es, da ist „Zimmerpause“.<br />

Und dabei wollte ich doch kurz in<br />

der Schule meines eigenen Kindes anrufen<br />

und um einen Gesprächstermin<br />

bitten.“<br />

● „Peter ist hingefallen und blutet am<br />

Knie, das Sekretariat ist heute geschlossen.<br />

Da hole ich ihm selbst ein Pflaster<br />

aus dem Medikamentenschrank.“<br />

● „In der nächsten Stunde habe ich<br />

im anderen Schulhaus Unterricht. Da<br />

muss ich mich beeilen, pünktlich wegzukommen.“<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

13


Praxis: Pausenkulturen<br />

● „Nach der Pause habe ich mit meiner<br />

Klasse Sport und muss mit dem Bus zur<br />

Sporthalle fahren, der Bus fährt bereits<br />

in der Pause los. Hoffentlich finden alle<br />

Kinder rasch ihre Sportsachen.“<br />

Als Schulleiterin habe ich deutlich gespürt,<br />

dass Kolleg*innen diese kurzen<br />

Zeiten dringend zum „Durchschnaufen“<br />

benötigen würden. Diese Pausenzeiten<br />

haben im Kollegium jedoch kaum zur<br />

erwarteten Entspannung geführt, sondern<br />

waren einerseits belastet durch die<br />

vielen Vorhaben der einzelnen Lehrkraft<br />

selbst, andererseits auch immer wieder<br />

durch eine Vielfalt von unvorhergesehenen<br />

Ereignissen, die der Schulalltag mit<br />

sich bringt.<br />

Und in genau diesen Pausenzeiten<br />

musste ich als Schulleiterin häufig auch<br />

noch mit weiteren Anliegen an Kolleg*innen<br />

herantreten …<br />

Pausenrealitäten von<br />

Schulleitungen<br />

Viele Lehrkräfte sind in Teilzeit und<br />

damit an manchen Tagen nicht und<br />

an anderen Tagen nur stundenweise<br />

im Schulhaus. Sie sind evtl. weder vor<br />

8.00 Uhr wegen der Aufsichtspflicht<br />

im Klassenzimmer noch nach Unterrichtsschluss<br />

um 13.00 Uhr vor Ort zu<br />

erreichen. Während der Unterrichtszeit<br />

sollten weder Lehrkräfte noch Schüler*innen<br />

durch mich gestört werden.<br />

Es bleiben also nur wenige Zeiten – die<br />

Pausen –, um mit einzelnen Kolleg*innen<br />

oder dem Kollegium in einen Kurzaustausch<br />

zu gelangen. Man kann zwar<br />

argumentieren, dass der Berufsalltag<br />

von Lehrkräften nicht nur aus Unterrichtszeiten<br />

(und Pausen) besteht, und<br />

sie auch an anderen Zeiten am Vormittag<br />

oder Nachmittag für wichtige<br />

Anliegen erreichbar sein müssen.<br />

Warum Schulleitungen aber eben in den<br />

Pausenzeiten auf Kolleg*innen zugehen<br />

müssen, zeigen Gedanken, die sicherlich<br />

nicht nur mir als Schulleiterin durch<br />

den Kopf gegangen sind:<br />

● „Jetzt hatte ich die Vertretung für<br />

die beiden Klassen bereits geplant, den<br />

Kolleg*innen mitgeteilt und den Elternbrief<br />

zur veränderten Unterrichtszeit geschrieben,<br />

nun ist ein zusätzlicher Kollege<br />

krank und der Ersatzplan für morgen<br />

muss erneut geändert werden. Ich bitte<br />

die Lehrkräfte in der Pause, den Kindern<br />

die neuen Zeiten notieren zu lassen.“<br />

● „Die Eltern von Sina haben bei mir<br />

angerufen und sich bitter über die<br />

Lehrkraft beschwert. Sie fordern ein rasches<br />

Gespräch mit ihr und mir, sonst<br />

wenden sie sich ans Schulamt. Ich muss<br />

schnell Terminvorschläge bei der Lehrkraft<br />

einholen, hoffentlich finden wir<br />

überhaupt einen gemeinsamen Termin.“<br />

● „Gerade hat die Fachlehrkraft angerufen<br />

und sich krankgemeldet, die nach<br />

der Pause die Klasse von Frau Müller<br />

übernehmen sollte. Nun muss ich Frau<br />

Müller bitten, die Kinder auf mehrere<br />

andere Klassen nach der Pause aufzuteilen.“<br />

● „Das Schulamt hat angerufen und<br />

darum gebeten, dass Herr Peters in der<br />

zweiten Pause zurückruft. Ich schaue<br />

mal, ob ich ihn irgendwo finden kann.“<br />

● „Die Religionslehrkraft steckt im<br />

Stau und kommt nicht rechtzeitig zum<br />

Unterricht. Da muss ich die Klassenlehrkraft<br />

bitten, die Klasse noch ein<br />

wenig zu beaufsichtigen, bevor sie nach<br />

Hause gehen kann.“<br />

● „Manche Kolleg*innen kommen in<br />

der Pause gar nicht ins Lehrerzimmer,<br />

weil sie ihre Ruhe haben wollen und im<br />

Klassenzimmer bleiben. Ich habe sie in<br />

dieser Woche noch gar nicht gesehen,<br />

das ist wirklich sehr schade.“<br />

● „Heute ist Pausenkonferenz im anderen<br />

Schulhaus, hoffentlich habe ich<br />

alle Unterlagen dabei für die Information<br />

der Lehrkräfte dort. Und nach der<br />

Pause habe ich ja dort Fachunterricht,<br />

wo habe ich meine Unterrichtsvorbereitung<br />

abgelegt?“<br />

● „Ausgerechnet jetzt, als es zur Pause<br />

klingelt und ich dringend Frau Maier<br />

Bescheid geben muss, dass Nina heute<br />

nach der Schule nicht nach Hause,<br />

sondern zur Oma gehen soll, ruft das<br />

Schulamt an. Da muss ich kurz rangehen.“<br />

● „Eigentlich würde ich mich auch mal<br />

gerne in der Pause ins Lehrerzimmer<br />

setzen, eine Tasse Kaffee trinken und<br />

etwas essen, wahrscheinlich komme<br />

ich aber nicht dazu, weil ich schon angesprochen<br />

werde, wenn ich nur mein<br />

Rektorat verlasse.“<br />

Diesen Umgang mit Pausen habe ich<br />

sowohl als Lehrkraft wie auch als Schulleiterin<br />

immer wieder erlebt. Er schien<br />

mir kaum änderbar, obwohl er viele<br />

Lehrkräfte und auch mich immer wieder<br />

belastet hat.<br />

Natürlich gab es auch Pausenzeiten, in<br />

denen ich mit anderen Lehrkräften herzlich<br />

lachen konnte, in denen ich fragen<br />

konnte, wie es ihren eigenen Kindern<br />

denn gerade geht, in denen ich mich erkundigen<br />

konnte, ob sie sich nach ihrer<br />

Erkrankung schon wieder fit fühlen oder<br />

ob sie für die bevorstehenden Ferien<br />

schon etwas geplant haben. Diese positiven<br />

Pausenzeiten aber waren „Glückssache“<br />

und keinesfalls planbar oder verlässlich.<br />

Pausenzeiten wurden an meiner<br />

Schule jedenfalls nicht so in den Blick<br />

genommen wie Unterrichtszeiten.<br />

Pausenzeiten für Lehrkräfte<br />

– Wie könnte das gehen?<br />

Das deutsche Arbeitszeitgesetz schreibt<br />

für acht Stunden Arbeitszeit pro Tag<br />

eine 30-minütige Pause vor. Zusätzlich<br />

können weitere Pausen vertraglich vereinbart<br />

werden. Niemand darf länger als<br />

sechs Stunden ununterbrochen arbeiten.<br />

Dies gilt auch für Lehrkräfte und ist bei<br />

einem Unterrichtsvormittag zwischen<br />

8.00 Uhr und 13.00 Uhr ja gar keine<br />

Frage, da dies unter sechs Stunden liegt<br />

(vgl. dazu auch den Beitrag von Wendsche,<br />

Varol & Ullmann in dieser Zeitschrift).<br />

Was aber bedeuten die 15 oder 30 Minuten<br />

der „kleinen“ oder „großen“ Pausen<br />

für Lehrkräfte? Sind sie Arbeitszeit?<br />

Können wir sie als „Pausenzeit“ verstehen?<br />

Genau diese Frage wäre m. E. sehr<br />

wichtig und zentral für zielführende Lösungen<br />

innerhalb eines Kollegiums. Daraus<br />

ergeben sich weitere Fragestellung,<br />

wie z.B.:<br />

● Wie sollte der Unterrichtstag strukturiert<br />

sein, dass Lehrkräfte auch „echte<br />

Pausenzeiten“ zur Verfügung haben?<br />

● Was bedeuten Pausen für die Stundenplangestaltung?<br />

● An welchem Ort kann ich mich als<br />

Lehrkraft für meine Pause zurückziehen?<br />

● Wo könnte ich Kolleg*innen zu einer<br />

entspannten Unterhaltung im kleinen<br />

Kreis treffen?<br />

● Welche Aufgaben kann ich auf andere<br />

Zeiten verlegen, damit ich „zwischen<br />

den Unterrichtsstunden“ Verschnaufpausen<br />

habe?<br />

● Was würde sich verändern, wenn wir<br />

an unserer Schule den Pausengong einfach<br />

abschalten würden?<br />

● Gäbe es Möglichkeiten, die Pausengestaltung<br />

für Kinder zu verändern,<br />

14<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

damit diese für alle stressfreier erlebt<br />

werden kann?<br />

● Was würde ein rhythmisierter oder<br />

offener Schulalltag oder auch Ganztag<br />

für Pausenzeiten verändern?<br />

● Wäre es nicht sinnvoll, sich innerhalb<br />

eines Kollegiums mit eigenen Fragen<br />

auf den Weg zu machen zu „echten<br />

Pausenzeiten“?<br />

Vielleicht sind Sie an Ihrer Grundschule<br />

dem Ziel nach Entspannungszeiten<br />

für alle (Lehrkräfte, Schulleitung und<br />

auch Schüler*innen) schon ein Stück nähergekommen?<br />

An Ihren Ideen wären<br />

sicherlich viele Lehrkräfte und Schulleitungen<br />

interessiert. Schreiben Sie uns!<br />

Gerne stellen wir Ihre Ideen in einem<br />

eigenen Beitrag zusammen und veröffentlichen<br />

sie in der nächsten Grundschule<br />

aktuell.Lehrkräfte wie auch Schulleitungen<br />

haben eine pädagogische Lernund<br />

Leistungskultur im Blick und wollen<br />

diese mitgestalten. Fangen wir damit<br />

an, auch über eine sinnvolle und gesundheitsförderliche<br />

„Pausenkultur“ miteinander<br />

ins Gespräch zu kommen.<br />

Sarah Kneis, Kira Zimmer und Markus Peschel<br />

Pausenkultur als Thema<br />

des Sachunterrichts<br />

Klickern, Fadenspiele, Reifenschlagen, Himmel und Hölle – Begriffe aus einer<br />

anderen Zeit, sowohl für Schüler*innen wie oftmals auch für Lehrkräfte. Pausenkultur<br />

hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Wo Kinder<br />

früher noch mit Murmeln spielten, sind heute andere Spielzeuge – häufig auch<br />

digitale Medien – auf Pausenhöfen vertreten. „Schule früher und heute“ ist ein<br />

Themenkomplex, der in vielen Curricula vertreten ist und von Lehrkräften gerne<br />

als Unterrichtsthema gewählt wird. Meist steht dabei im Mittelpunkt, wie der<br />

Unterricht früher stattfand – wobei „früher“ als Zeitraum weitestgehend vage<br />

bleibt. Pausen bleiben beim Thema „früher und heute“ dagegen oftmals außen<br />

vor, dabei sind sie ein wichtiger Teil des Schulalltags und somit auch der Lebenswelt<br />

von Kindern (Reuter 2015, 7). Wie kann Pausenkultur und ihre Entwicklung<br />

zeitgemäß im Sachunterricht aufgegriffen werden?<br />

Der Wandel der Pausenkulturen<br />

sollte als Unterrichtsthema<br />

möglichst vielperspektivisch im<br />

Sachunterricht thematisiert werden.<br />

Dabei spielt nicht nur die historische<br />

Entwicklung von Pausen eine Rolle,<br />

sondern auch beispielsweise die sozialwissenschaftliche<br />

Bedeutung von Pausen,<br />

gerade auch im Hinblick auf<br />

Arbeits- und Lernprozesse in verschiedenen<br />

Gesellschaftsformen. Eine<br />

solche vielperspektivische Betrachtung<br />

kann zudem sinnvoll mit einer Nutzung<br />

von digitalen Medien verknüpft werden,<br />

um neben Sach- und Fachkompetenzen<br />

auch Kompetenzen im Zusammenhang<br />

mit der Ausbildung einer digital literacy<br />

(Peschel 2022, 191) zu fördern (s. u.).<br />

Pausenkultur im Wandel<br />

Aus historischer Sicht gibt es pädagogisch-didaktische<br />

Überlegungen<br />

zu Pausen in Bezug auf Lernprozesse<br />

bereits seit Comenius, der 1632 in seiner<br />

„Großen Didaktik“ die Bedeutung<br />

von Bewegung und Erholung vom<br />

Unterricht hervorhebt (Flitner 1966,<br />

100). Während im 19. Jahrhundert<br />

die Pause vor allem zur Förderung der<br />

Arbeitsleistung als notwendig erachtet<br />

wurde, entdeckte die Pädagogik sie zu<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts (u. a. Weimarer<br />

Republik) als Lebensraum Heranwachsender,<br />

in denen diese ihre sozialemotionalen<br />

und motorischen Kompetenzen<br />

schulen können (Osnabrücker<br />

Forschungsgruppe 2016, 38 f.). Ob sich<br />

die Schüler*innen durch Spiele, Spaziergänge<br />

oder Unterhaltungen im Sitzen<br />

oder Stehen erholen, sollte dabei freigestellt<br />

werden (Besele 1999, 58).<br />

Nach der Zeit des Nationalsozialismus,<br />

in dem die Pause vor allem einen Erziehungsschwerpunkt<br />

hatte und körperliche<br />

Aktivität im Mittelpunkt stand (Menz<br />

1997, 196 f.), dominieren seit den 1950er<br />

Jahren Fragen hinsichtlich Rhythmisierung<br />

und Taktung eines Schultages, in<br />

dem der Wechsel von Anspannung und<br />

Entspannung im Vordergrund steht (Osnabrücker<br />

Forschungsgruppe 2016, 39).<br />

Dabei kommen Pausen grundlegend<br />

drei Funktionszuschreibungen zu:<br />

● Pause als Produktionsfaktor,<br />

● Pause als Ort der Gesundheitsförderung<br />

und<br />

● Pause als Sozialraum (Osnabrücker<br />

Forschungsgruppe 2016, 40).<br />

Wie Schüler*innen ihre Pause gestalten,<br />

ist ihnen dabei weitestgehend selbst<br />

überlassen – wobei insbesondere in der<br />

Grundschule früher wie heute das Spielen<br />

und Toben im Vordergrund stehen<br />

dürften.<br />

Pausenkultur als Unterrichtsthema<br />

Als häufig genutzter Ausgangspunkt für<br />

die (sach-)unterrichtliche Auseinandersetzung<br />

mit Pausen kann das historische<br />

Lernen dienen. Dieses orientiert<br />

sich im Sachunterricht grundsätzlich an<br />

der sogenannten historischen Methode,<br />

die auch die Begegnung mit historischen<br />

Quellen umfasst und sich im<br />

Perspektivrahmen Sachunterricht unter<br />

anderem in der Historischen Methodenund<br />

Medienkompetenz widerspiegelt<br />

(GDSU 2013, 57). Insofern sollten die<br />

Schüler*innen in einem ersten Schritt<br />

im Unterricht anhand von historischen<br />

Quellen, wie etwa alten Fotos oder alten<br />

Spielgeräten und Spielsachen, Informationen<br />

sammeln, mit was sich Kinder<br />

früher in den Pausen beschäftigt<br />

haben. Dabei ist auch eine zeitliche Eingrenzung<br />

wichtig, um eine zielgerichtete<br />

Auseinandersetzung mit einer Zeitperiode<br />

bzw. Epoche anzuregen. Die<br />

Schüler*innen sollten Fragen an die his-<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

15


Praxis: Pausenkulturen<br />

Kurzbeschreibung der Online-Plattform kidipedia<br />

torischen Quellen formulieren, um sich<br />

diesen zu nähern.<br />

Möglich ist dies beispielsweise mit<br />

der Historischen Fragehand, die fünf<br />

W-Fragen vorgibt, an denen sich die<br />

Schüler*innen während der historischen<br />

Quellenarbeit orientieren können:<br />

„Was? Wer? Wann? Wo? Warum?“<br />

(Becher/Gläser 2016, 46).<br />

Es bietet sich an, auch in Hinblick auf<br />

ein mögliches Projekt zur Einladung von<br />

Zeitzeug*innen, einen Fokus auf die jüngere<br />

Vergangenheit (Großeltern- und<br />

Elterngeneration der Kinder) zu legen.<br />

Selbstverständlich können aber auch andere<br />

Zeitperioden anhand historischer<br />

Quellen beleuchtet werden, wie etwa die<br />

Pausenkultur zur Zeit von Comenius<br />

(17. Jahrhundert) oder in der Weimarer<br />

Republik. Als beispielhafte Pausenspiele<br />

könnten Murmeln (Klickern), Reifenschlagen<br />

oder Himmel und Hölle betrachtet<br />

werden, die den heutigen Kindern<br />

vermutlich wenig vertraut sind.<br />

Im Anschluss an die historische Quellenarbeit<br />

erhalten die Schüler*innen die<br />

Möglichkeit, die Spiele selbstentdeckend<br />

kennenzulernen, auszuprobieren und zu<br />

reflektieren, ob sich die Ergebnisse ihrer<br />

vorherigen historischen Quellenarbeit<br />

mit ihren eigenen Erfahrungen decken.<br />

In dieser Phase kann es zudem sinnvoll<br />

sein, die Schüler*innen mit mobilen<br />

Endgeräten (z. B. Tablets) Fotos und<br />

Videos von ihren Spielversuchen anfertigen<br />

zu lassen.<br />

Nachdem Aspekte der historischen<br />

Entwicklung von Pausenkultur anhand<br />

der Pausenspiele erarbeitet wurden, können<br />

im Sinne der Vielperspektivität in darauffolgenden<br />

Unterrichtsstunden auch<br />

andere Aspekte betrachtet werden, wie<br />

etwa zur sozialwissenschaftlichen oder<br />

auch zur naturwissenschaftlichen Perspektive<br />

des Sachunterrichts. Potenzielle<br />

Fragen dazu sind: Warum brauchen wir<br />

überhaupt Pausen? Lernen wir in Pausen<br />

auch etwas? Was passiert mit unserem<br />

Gehirn, wenn wir Pause machen?<br />

Machen Erwachsene beim Arbeiten auch<br />

Pausen? Gibt es Gesetze, die vorschreiben,<br />

dass wir Pausen machen müssen?<br />

Was wäre, wenn es keine Pausen geben<br />

würde? Gab es schon immer Pausen?<br />

Darüber hinaus ist die Einbindung in<br />

ein größeres Projekt möglich, innerhalb<br />

dessen noch weitere Themen in Bezug<br />

auf Pausenkultur zur Sprache kommen.<br />

Sinnvoll ist vor allem auch ein Vergleich<br />

zu heutigen Pausen, um den Kindern<br />

die Veränderungen oder auch die Ähnlichkeiten<br />

über die Zeit zu verdeutlichen<br />

und an ihre schul-/lebensweltlichen Erfahrungen<br />

anzuknüpfen. Ebenso könnte<br />

ein Vergleich zwischen Pausenkultur<br />

in verschiedenen Zeitepochen von den<br />

Schüler*innen erarbeitet werden. Außerdem<br />

ist es, wie bereits angeklungen, gut<br />

realisierbar, Zeitzeug*innen einzuladen,<br />

die über ihre eigene Schulzeit berichten<br />

und so den Schüler*innen einen Einblick<br />

in Oral History und den Umgang<br />

damit ermöglichen. Auch Expert*inneninterviews,<br />

beispielsweise aus der Bildungspolitik<br />

oder aus der Psychologie<br />

bzw. den Neurowissenschaften, könnten<br />

gewinnbringend in ein Projekt integriert<br />

werden, ebenso wie kreative Rollenspiele.<br />

Weitere Möglichkeiten bieten sich<br />

außerdem in Hinblick auf die Einführung<br />

und Etablierung von Pausenmediationsprogrammen<br />

oder Diskussionen<br />

über aktuelle Pausenregeln an der eigenen<br />

Schule und die demokratische Mitgestaltung<br />

durch die Schüler*innen.<br />

Pausenkultur digital<br />

dokumentieren und präsentieren<br />

Nachdem die Informationssuche und<br />

-sammlung zur historischen Pausenkultur<br />

abgeschlossen ist und auch<br />

andere vielperspektivische Aspekte<br />

betrachtet wurden, schließt sich<br />

eine Dokumentationsphase an, in der<br />

die Schüler*innen ihre Erfahrungen,<br />

Ergebnisse und Reflexionen festhalten.<br />

Als Alternative zu klassischen<br />

Präsentationsmedien, wie etwa Wandplakaten,<br />

Klassenzeitschriften etc., kann<br />

die Online-Plattform kidipedia genutzt<br />

werden. So können die Schüler*innen<br />

parallel ebenso digitalisierungsbezogene<br />

Kompetenzen erwerben, die aufgrund<br />

der Bedeutung digitaler Medien und<br />

Artefakte in der Digitalität in den sachunterrichtlichen<br />

Bildungsauftrag integriert<br />

sind (GDSU 2021, 1).<br />

Die Schüler*innen erstellen zunächst<br />

zu den jeweiligen Pausenspielen kidipedia-Beiträge<br />

mit dem Beitragseditor und<br />

erläutern zum Beispiel die Spielregeln,<br />

Besonderheiten oder Tipps und Tricks.<br />

Diese Beiträge werden nicht nur schriftlich<br />

präsentiert, sondern können auch<br />

multimedial gestaltet werden mit zuvor<br />

aufgenommenen Fotos und Videos. Ergänzend<br />

können auch historische Fotos<br />

als historische Quellen hinzugefügt werden.<br />

So ist es auch Kindern mit nur wenig<br />

(digitalen) Medienerfahrungen oder<br />

Lesefähigkeiten möglich, ihre Ergebnisse<br />

digital zu publizieren. Es ist didaktisch<br />

naheliegend, zuvor schon eine themenunabhängige<br />

Einführung in die Arbeit<br />

mit der Plattform vorzunehmen. So können<br />

die Schüler*innen im Vorfeld kognitiv<br />

entlastet werden und sich mit kidipedia<br />

und den verschiedenen Funktionsweisen<br />

vertraut machen.<br />

kidipedia fungiert als eine funktionsreichere<br />

Alternative zu analogen Präsentationsmedien.<br />

Da die Plattform als<br />

interaktives Wiki konzipiert ist, können<br />

die Kinder im Laufe der Zeit kooperativ<br />

an ihren Beiträgen weiterarbeiten und<br />

diese erweitern. Sinnvoll möglich ist<br />

16<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

förderung und als Sozialraum (Osnabrücker<br />

Forschungsgruppe 2016, 40) können<br />

Schüler*innen zudem ihre eigenen Pausengewohnheiten<br />

reflektieren und diese<br />

als ein Stück ihrer Schul- und Lebenswelt<br />

bildungswirksam erschließen.<br />

Sarah Kneis (links)<br />

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik des Sachunterrichts an<br />

der Universität des Saarlandes im Projekt kidipedia.<br />

Kira Zimmer (Mitte)<br />

ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Didaktik des Sachunterrichts an der Universität<br />

des Saarlandes im Projekt kidipedia.<br />

Dr. Markus Peschel (rechts)<br />

ist Professor für Didaktik des Sachunterrichts an der Universität des Saarlandes,<br />

Fakultät NT. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Digitalisierung<br />

und Medien, (Offenes) Experimentieren sowie Naturwissenschaftliche Grundbildung.<br />

dies unter anderem in Feedbackrunden,<br />

in denen sich die Schüler*innen gegenseitig<br />

kriteriengeleitet Rückmeldungen<br />

zu ihren Beiträgen geben und diese gemeinsam<br />

überarbeiten. Das Potential zur<br />

gemeinsamen (Online-)Beitragsüberarbeitung<br />

ist grundsätzlich vielfältig und<br />

kann verschiedene Schwerpunkte aufweisen:<br />

Orthografie und Grammatik,<br />

multimediale Gestaltung, fachliche Ergänzungen<br />

oder Korrekturen sowie formale<br />

Gestaltungsaspekte (Überschrift,<br />

Gliederung, Textkohärenz usw.).<br />

Ausgehend von ihren Beiträgen zu<br />

den Pausenspielen ergänzen die Schüler*innen<br />

ihre Beiträge zudem stetig um<br />

die thematisierten vielperspektivischen<br />

Aspekte zu Pausen und Pausenkultur,<br />

sodass eine Sammlung an Beiträgen zu<br />

Pausenkultur und deren Entwicklung<br />

entsteht und diese stetig weiterentwickelt<br />

und verbessert wird.<br />

Fazit<br />

Hinterbühne des Schulalltags fungieren“<br />

(Osnabrücker Forschungsgruppe 2016,<br />

37).<br />

Pausen sollten als Thema des Sachunterrichts<br />

im Sinne des Aufzeigens von<br />

Gestaltungs- und Handlungspotential<br />

– auch in Bezug auf die eigenen individuellen<br />

Bedürfnisse – aufgegriffen werden.<br />

In der Verknüpfung des Themas<br />

mit dem Einsatz von digitalen Medien,<br />

im vorliegenden Beispiel der Plattform<br />

kidipedia, ergeben sich darüber hinaus<br />

Chancen in der Förderung einer digital<br />

literacy, wie etwa das Hinterfragen der<br />

Gemachtheit von (digitalen) Informationen<br />

oder die Veränderung von (digitalen)<br />

Informationen (Kneis/Peschel 2023,<br />

245). Durch die Auseinandersetzung<br />

mit Pausenkulturen als Unterrichtsthema<br />

samt ihrer historischen Entwicklung,<br />

sozialen Funktion sowie weiteren Aspekten<br />

in Bezug auf ihre Funktionen als<br />

Produktionsfaktor, Ort der Gesundheits-<br />

Literatur<br />

Becher, A./Gläser, E. (2016): Geschichte<br />

erforschen mit historischen Quellen.<br />

Förderung historischer Methodenkompetenz<br />

mit vorstrukturierten Materialien.<br />

In: Becher, A., Gläser, E., Pleitner, B. (Hrsg.):<br />

Die historische Perspektive konkret. Begleitband<br />

2 zum Perspektivrahmen Sachunterricht.<br />

Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 40–52.<br />

Besele, S. (1999): Pausenlust statt Schulhoffrust.<br />

Management kindgerechter Geländegestaltung.<br />

Dortmund: Borgmann.<br />

Flitner, A. (1966): Grosse Didaktik.<br />

München: Küpper.<br />

GDSU (2013): Perspektivrahmen Sachunterricht.<br />

Vollständig überarbeitete und erweiterte<br />

Ausgabe. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />

Kneis, S./Peschel, M. (2023): kidipedia<br />

– produzieren und konsumieren in einer<br />

Kultur der Digitalität. In: Irion, T., Peschel,<br />

M., Schmeinck, D. (Hrsg.): Grundschule und<br />

Digitalität. Grundlagen, Herausforderungen,<br />

Praxisbeispiele. Frankfurt a.M.: Grundschulverband<br />

e.V., 238–247.<br />

Menz, U. (1997): Schulbau und Schuleinrichtungen.<br />

In: Liedtke, M. (Hrsg.): Handbuch<br />

des Bayrischen Bildungswesens.<br />

Bad Heilbrunn: Eigenverlag, 187–232.<br />

Osnabrücker Forschungsgruppe (2016):<br />

Mittagsfreizeit an Ganztagsschulen. Theoretische<br />

Grundlagen und empirische Befunde.<br />

Wiesbaden: Springer VS.<br />

Peschel, M. (2022): Digital literacy – Medienbildung<br />

im Sachunterricht. In: Kahlert, J.,<br />

Fölling-Albers, M., Götz, M. et al. (Hrsg.):<br />

Handbuch Didaktik des Sachunterrichts.<br />

3. Überarbeitete Auflage. Bad Heilbrunn:<br />

Klinkhardt, 188–197.<br />

Reuter, S. (2015): Aktive Pausen für die<br />

Klassen 5–7. Erste Schritte eines Gymnasiums<br />

auf dem Weg zu einer bewegten Schule.<br />

Hamburg: Diplomica Verlag.<br />

Während aus Sicht der Lehrkräfte Pausen<br />

häufig als Unterbrechung des Lernens<br />

angesehen werden, stellen diese für<br />

die Schüler*innen meist einen wichtigen<br />

sozialen Interaktionsraum dar und<br />

sind damit auch ein wichtiger Teil ihrer<br />

Schulwelt. Oder, wie es die Wissenschaftler*innen<br />

der Osnabrücker<br />

Forschungsgruppe formulieren: „Die<br />

Schüler gehen […] oft wegen der Pausen<br />

in die Schule, die als übrig gebliebenes<br />

Stück Freiheit auf der sogenannten<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

17


Praxis: Pausenkulturen<br />

Elke Gramespacher<br />

Bewegte Pausenkulturen –<br />

drinnen und draußen<br />

Bewegungspausen bilden einen Teil bewegter Lernkulturen an Grundschulen.<br />

Sie finden in allen Schulräumen statt, die ausreichend Platz dafür bieten, und sie<br />

haben verschiedene Funktionen.<br />

An Grundschulen sind Bewegung,<br />

Spiel und Sport von besonderer<br />

Bedeutung: „In keinem Lebensabschnitt<br />

spielt Bewegung eine so große<br />

Rolle wie in der Kindheit und zu keiner<br />

Zeit sind körperlich-sinnliche Erfahrungen<br />

so wichtig. Bewegung und ein<br />

positives Selbst- und Körperkonzept<br />

sind Motoren für die Gesamtentwicklung<br />

des Kindes in allen seinen<br />

Facetten“ (Billmeier & Ziroli 2014, 123).<br />

Kinder sollen sich im Schulalltag nicht<br />

nur in den durch den Stundenplan und<br />

-ablauf gesetzten kleinen und großen<br />

Pausen bewegen, spielen und Sport treiben.<br />

Vielmehr gilt es, auch im Unterrichtsgeschehen<br />

integrierte Bewegungspausen<br />

umzusetzen, die nicht zwingend<br />

zum fachlichen Lernen genutzt werden<br />

(Gramespacher & Ziroli 2017).<br />

Bewegte Pausen haben verschiedene<br />

Funktionen:<br />

● Sie dienen der Erholung und Regeneration.<br />

● Sie dienen der Rhythmisierung des<br />

Schulalltags.<br />

● Sie sind grundsätzlich lernförderlich,<br />

da sie zum motorischen Lernen der<br />

Schüler*innen und zur Hirndurchblutung<br />

beitragen.<br />

Abb. 1: Feinmotorische Spiele in freien<br />

oder geführten Unterrichtspausen:<br />

Die eigene Socke mit allen Zehen hochheben<br />

(alternativ: Tücher, Murmel,<br />

Würfel, ...).<br />

Dr. Elke Gramespacher<br />

ist die Leiterin der Professur Bewegungsförderung<br />

und Sportdidaktik im<br />

Kindesalter, Pädagogische Hochschule<br />

FHNW, Schweiz.<br />

Auch soziales Lernen verbindet sich<br />

mit dem bewegten Spiel, wenn Schüler*innen<br />

in Pausen beispielsweise gemeinsam<br />

Bewegungsspiele neu erfinden<br />

oder bekannten Spielen neue Regeln geben.<br />

Bewegungsspiele in Pausen eröffnen<br />

die Chance, die miteinander vereinbarten<br />

Regeln direkt zu erproben.<br />

Beim Durchführen und Entwickeln bewegter<br />

Pausentätigkeiten im sozialen<br />

Gefüge einer Klasse oder auch klassen-<br />

bzw. jahrgangsübergreifend werden<br />

die Pausen zu „bewegten Lernkulturen<br />

an Grundschulen“ (Gramespacher et<br />

al. 2021).<br />

Um Bewegungspausen differenziert<br />

zu gestalten, bedarf es angemessen großer<br />

und zugleich bewegungsanregender<br />

Räumlichkeiten – drinnen und draußen.<br />

Erforderlich sind ausreichend Platz im<br />

Klassenzimmer sowie die Erlaubnis, die<br />

Verkehrs- und Funktionsflächen, namentlich<br />

Schulgänge, Garderoben und<br />

Treppenhäuser, für Bewegungsspiele<br />

zu nutzen. Im Außenraum sind bewegungsanregende<br />

Pausenhöfe – überdacht<br />

und unter freiem Himmel, unter<br />

Bäumen und im Gebüsch – wichtig. Diese<br />

haben Flächen ohne und mit Spielgeräten<br />

(z. B. Klettertürme), halten bewegungsanregende<br />

Bodenbemalungen vor<br />

und bieten gegebenenfalls auch naturbelassene<br />

Bereiche für Bewegungsaktivitäten<br />

der Schüler*innen.<br />

Verschiedene didaktische Ansätze dienen<br />

der Gestaltung von Bewegungspausen:<br />

Sie können durch Lehrpersonen<br />

geführt werden oder diese überlassen<br />

es den Schüler*innen selbst, wie intensiv<br />

sie sich auf welche Weise bewegen<br />

(Streit et al. 2014). Das Zusammenspiel<br />

von geführten Sequenzen und freier<br />

Umsetzung seitens der Schüler*innen<br />

ist optimal: Im Sportunterricht können<br />

Bewegungsspiele eingeführt werden und<br />

Schüler*innen können diese in ihren<br />

Pausen selbstständig spielen und weiterentwickeln.<br />

Auch im zeitlichen Umfang<br />

finden wir diverse Möglichkeiten für Bewegungspausen;<br />

die längste, freie Pause<br />

am Schulvormittag ist die „Große Pause“,<br />

auch „Hofpause“ genannt. Sie findet<br />

in aller Regel draußen auf dem Schulhof<br />

statt. Im Ganztag kommt die Mittagspause<br />

hinzu. Der Schulalltag ist aber vor<br />

allem durch viele „kleine Pausen“ rhythmisiert.<br />

Diese liegen sowohl zwischen<br />

den als auch während der Unterrichtsstunden.<br />

In Kasten 1 und in Kasten 2<br />

finden sich räumliche, zeitliche, didaktische<br />

und materielle Rahmenbedingungen<br />

von Bewegungspausen. Diese werden<br />

in den beiden Kästen getrennt nach<br />

innen- und außenliegenden Räumlichkeiten<br />

aufgeführt, denn schulische Lernorte<br />

eröffnen oder schließen verschiedene<br />

Optionen für die Bewegungsaktivitäten<br />

der Schüler*innen.<br />

Bewegungspausen drinnen<br />

Die im Unterricht integrierten Bewegungspausen<br />

sind kleinräumig und<br />

meist geführt, da sie im Klassenraum<br />

in der Klasse stattfinden. Hier kommen<br />

Bewegungsübungen am Arbeitsplatz<br />

infrage: sitzend oder hinter dem Stuhl<br />

oder im Kreis stehend. Möglich sind<br />

dabei Bewegungen mit den Extremitäten<br />

sowie Spiele zur Förderung der<br />

Feinmotorik (beispielsweise Finger- und<br />

Zehenspiele mit Material: z. B. Murmeln,<br />

18<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Bewegungspausen drinnen<br />

• Wo? im Klassenraum, im Schulgebäude<br />

• Wie lange? ca. 2 bis 10 Minuten;<br />

zwischen Schulstunden („Kleine<br />

Pause“), integriert im Unterricht<br />

• Wozu? Unterbrechung im Unterrichtsprozess<br />

während einer Schulstunde,<br />

Gestaltung „Kleiner Pausen“<br />

• Wie? angeleitet oder frei<br />

• Welches Material? bewegungsanregende<br />

Materialien, die kleinräumig/<br />

in Innenräumen genutzt werden<br />

können<br />

Bewegungspausen draußen<br />

• Wo? auf dem Schulhof (z. T. überdacht), in Spielzonen/an immobilen Installationen<br />

und in Naturzonen, Gestaltung von Übergängen und Wegen im Außenraum (z. B.<br />

zur Sporthalle, zum Schwimmbad)<br />

• Wie lange? 15 bis 90 Minuten; Pause/Hofpause („Große Pause“), Mittagspause im<br />

Ganztag<br />

• Wozu? Erholung „an der frischen Luft“, gemeinsames Spiel bekannter Spiele, gemeinsames<br />

(Er-)Finden von Spielregeln ohne Anleitung im peer-to-peer learning,<br />

auch klassen- und jahrgangsübergreifend<br />

• Wie? in der Regel frei, implizit angeleitet (u. U. Einführung im Sportunterricht)<br />

• Welches Material? Pausenhof mit bewegungsanregenden Bodenbemalungen,<br />

„Kiste“ mit Sport- und Spielmaterial, feste Installationen von Spielgeräten, naturbelassene<br />

Bereiche<br />

Tücher, Würfel oder die eigene Socke (s.<br />

dazu Abb. 1)). Auch Übungen zur Achtsamkeit<br />

(Fessler & Knoll 2018; s. Kasten<br />

3) oder aus dem Kinderyoga (z. B.<br />

Brug 2018) beanspruchen wenig Raum.<br />

Sie können sich auf den ganzen Körper<br />

beziehen. Bewegungspausen dieser Art<br />

dienen der Ruhe, Konzentration und der<br />

Entspannung.<br />

Für die freie Nutzung kleiner Bewegungsmaterialien<br />

im und vor dem Klassenzimmer<br />

(z. B. Kippbrettchen, Seile)<br />

können in der Klasse Regeln aufgestellt<br />

werden. Hilfreich ist beispielsweise<br />

eine Sanduhr, mit der die Schüler*innen<br />

selbst sehen können, ob bzw. dass sie<br />

eine vereinbarte Pausenzeit einhalten.<br />

Hinzu kommen Bewegungspausen auf<br />

dem Schulgang bzw. im Treppenhaus –<br />

Hüpfspiele auf Treppen können gut gespielt<br />

werden, wenn die Schüler*innen<br />

dazu Platz und Ruhe haben. Außerhalb<br />

des Klassenzimmers ist neben der zeitlichen<br />

Limitierung darauf zu achten, dass<br />

eine kleine Anzahl von Schüler*innen<br />

gemeinsam bewegt pausiert und dass<br />

andere Klassen dadurch nicht gestört<br />

werden. Denkbar sind dazu etwa Absprachen<br />

unter den Lehrer*innen (z. B.<br />

unterschiedliche Bewegungspausen-Zeiten<br />

für bestimmte Klassen).<br />

Auch der Übergang von einem Raum<br />

in einen nächsten kann bewegt gestaltet<br />

werden. So kann ein Stück des Weges<br />

mit Hüpfspielen oder balancierend auf<br />

einer (ggf. gedachten) Linie absolviert<br />

werden – oder die Klasse läuft einen Teil<br />

des Weges rückwärts.<br />

Bewegungspausen draußen<br />

Auf Schulhöfen können mit einfachen<br />

Mitteln diverse Bewegungsanreize<br />

gesetzt werden. So laden Ecken mit<br />

naturbelassenen Räumen zur Bewegung<br />

ein – Hüpfspiele von Stein zu Stein können<br />

hier angeregt werden. Auch auf<br />

den Boden kann vieles gemalt werden,<br />

etwa das tradierte Hüpfspiel „Himmel<br />

und Hölle“ (s. Abb. 2). Damit nicht nur<br />

fixierte Malereien verfügbar sind, können<br />

„Pausenkisten“ neben mobilem<br />

Bewegungsmaterial (z. B. Gummis für<br />

Gummitwist, Bälle, Indiaca) auch Bodenkreide<br />

beinhalten. Das Bewegungsmaterial<br />

aus den „Pausenkisten“ kann<br />

im Schulsport oder in Arbeitsgemeinschaften<br />

eingeführt werden.<br />

Auch fest installiertes Spielgerät ist für<br />

Bewegungspausen bedeutsam; so sprechen<br />

z. B. Klettergerüste Grundschulkinder<br />

stark an. Eine Kombination von<br />

fest installiertem Spielgerät und immobilem<br />

Zubehör erweitert das Angebot: Die<br />

Tischtennisplatte lädt mehrere Kinder<br />

zum „Rundlauf “ ein, wenn ausreichend<br />

viele Tischtennisschläger und -bälle in<br />

der „Pausenkiste“ zu finden sind und<br />

das Fußballtor kann in kleinen Gruppen<br />

gemeinsam oder im Wettstreit bespielt<br />

werden, sofern ein Ball vorhanden ist.<br />

Bewegte Pausenkulturen:<br />

offen, vielfältig – und sicher<br />

Wie offen und vielfältig bewegte Pausenkulturen<br />

gestaltet werden können, hängt<br />

von einer möglichst umfassenden<br />

und bewegungsanregenden und<br />

-gestattenden Nutzung schulischer<br />

Räume, der Schul- und Unterrichtszeiten<br />

sowie von vielfältigen Ideen und<br />

(im-)mobilem Bewegungsmaterial ab.<br />

Um dabei der Vielfalt der Schüler*innen<br />

gerecht zu werden, können Grundschullehrer*innen<br />

auch „Bewegungsspiele<br />

Achtsamkeitsübungen<br />

(Hinweise aus Fessler & Knoll<br />

2018)<br />

• Wo? in Innenräumen<br />

• Wie lange? max. 10 Minuten<br />

• Wozu? Ruhe, Konzentration und<br />

Entspannung<br />

• Wie? angeleitet (u. U. im Sportunterricht)<br />

• Welches Material? kein Material<br />

oder kleine Materialien<br />

Beispiel: „(1) Bequem auf dem Stuhl<br />

sitzen, (2) den Blick auf die Finger<br />

richten und (3) aufrecht sitzen in der<br />

Luft „Klavier“ spielen und andere<br />

Fingerübungen machen“ (vgl.<br />

Fessler & Knoll 2018, aus: Hand-Arm-<br />

Übung 1: Mit den Händen spielen)<br />

Abb. 2: „Himmel und Hölle“ – ein<br />

tradiertes Hüpfspiel auf Pausenhöfen<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

19


Praxis: Pausenkulturen<br />

aus aller Welt“ aufgreifen (z. B. Murmelboule<br />

aus Frankreich, siehe unter www.<br />

gruppenspiele-hits.de/wenig-materialspiele/Murmelboule.html)<br />

und im Sportunterricht<br />

allenfalls auch gemeinsam mit<br />

den Schüler*innen, welche diese Spiele<br />

kennen, einführen. Damit Schüler*innen<br />

alle Spiele im freien Bewegungsspiel<br />

spielen können, sollte das für diese Spiele<br />

erforderliche Material für die Bewegungspausen<br />

drinnen und/oder draußen verfügbar<br />

sein. Wichtig ist, bei der Einrichtung<br />

diverser Bewegungsmöglichkeiten<br />

an Grundschulen grundsätzlich<br />

sicherheitsbezogene Aspekte zu beachten<br />

(www.sichere-schule.de).<br />

Fazit<br />

Bewegungspausen haben verschiedene<br />

Funktionen und sollten daher in für<br />

die entsprechenden Funktionen je<br />

angemessenen Räumlichkeiten stattfinden.<br />

Zum Teil muss für Bewegungspausen<br />

auch bewegungsanregendes<br />

Material angeboten werden. Der damit<br />

verbundene Aufwand lohnt sich, denn<br />

Bewegungspausen bereichern nicht nur<br />

den Schulalltag; vielmehr leisten sie einen<br />

Beitrag zu einer bewegten Unterrichts-,<br />

Pausen- und Grundschulkultur.<br />

Literatur<br />

Billmeier, U./Ziroli, S. (2014): Bewegungsbildung<br />

in der frühen Kindheit. Zur Begleitung<br />

und Gestaltung von Bewegungssituationen.<br />

In: D. Kucharz/K. Mackowiak/S. Ziroli/A.<br />

Kauertz/E. Rathgeb-Schnierer/M. Dieck<br />

(Hrsg.) (2014): Professionelles Handeln im<br />

Elementarbereich (PRIMEL). Eine deutschschweizerische<br />

Videostudie. Münster:<br />

Waxmann, 123–144.<br />

Brug, F. (2018): Achtsamkeit und Yoga in der<br />

Grundschule. Kleine Übungen leicht erklärt<br />

und sinnvoll umgesetzt. Mühlheim/Ruhr:<br />

Verlag an der Ruhr.<br />

Fessler, N./Knoll, M. (2018): Achtsamkeitstraining<br />

für Kinder. Konzentriert und<br />

entspannt in KiTa & Grundschule mit<br />

fantasievollen Geschichten und Körper-<br />

Achtsamkeitsübungen (2. Aufl.). Aachen:<br />

Ökotopia.<br />

Gramespacher, E./Störch Mehring, S./Bucher,<br />

Z./Klostermann, C. (2021): Lernkulturen im<br />

Grundschulsport und bewegte Lernkulturen<br />

an Grundschulen. In: M. Peschel (Hrsg.):<br />

Didaktik der Lernkulturen (Beiträge zur<br />

Reform der Grundschule, Bd. 153). Frankfurt/Main:<br />

Grundschulverband e.V., 265–284.<br />

Gramespacher, E./Ziroli, S. (2017): Kleine<br />

Pausen mit großer Wirkung. Bewegungspausen<br />

im Unterricht. In: Grundschule Sport,<br />

4. Jg., Heft 4, 10–11.<br />

Streit, C./Künzli David, C./Hildebrandt, E.<br />

(2014): Besonderheiten des Lernens und<br />

Lehrens auf der Bildungsstufe der 4- bis<br />

8-Jährigen – ein Diskussionsbeitrag. In: E.<br />

Hildebrandt/M. Peschel/M. Weißhaupt (Hrsg.)<br />

(2014): Lernen zwischen freiem und instruiertem<br />

Tätigsein. Bad Heilbrunn: Klinkhardt,<br />

17–31. https://doi.org/10.35468/5375_02<br />

URL: https://sichere-schule/de, Aufruf am<br />

02.05.2023.<br />

URL: https://www.gruppenspiele-hits.de/<br />

wenig-material-spiele/Murmelboule.html,<br />

Aufruf am 13.06.2023.<br />

Malte Cunis und Andrea Karlsberg<br />

Selbstbestimmt durch den Schultag<br />

Offene Pause an der Wi*R<br />

Die Winterhuder Reformschule (Wi*R) arbeitet nach einem reformpädagogischen<br />

Konzept, das die Kinder in den Mittelpunkt rückt, sie zu eigenständigem<br />

Lernen motiviert und ein Ort des respektvollen Miteinanders, ein Lebensort<br />

sein will. Es gibt keine Unterrichtsfächer im 45-Minuten-Takt, der Schultag ist<br />

fächerübergreifend und durch Arbeits- und Entspannungsphasen rhythmisiert.<br />

Die Kinder steuern aktiv ihren Tag, ihr Lernen und ihren Tagesablauf. Sie setzen<br />

sich ihre eigenen Ziele und arbeiten in den Arbeitszeiten an ihren individuellen<br />

Plänen. Im Zentrum des Lernens stehen selbstgewählte Projekte. Diese Autonomie<br />

setzt sich in der Pausengestaltung fort.<br />

zeiten zu ermöglichen. Als gebundene<br />

Ganztagsschule gehört das Mittagessen<br />

fest zum Tagesablauf. Auch hier gilt<br />

inzwischen die Selbststeuerung der Kinder,<br />

das Prinzip des Free Flow: Die Kinder<br />

gehen während der Mittagspause dann<br />

zum Essen, wenn sie Hunger haben, und<br />

bedienen sich am Buffet selbst.<br />

Pausenaktivitäten<br />

Julia arbeitet an ihrem individuellen<br />

Arbeitsplan. Den hat sie letzte Woche<br />

Wir möchten einen kleinen Einblick<br />

in den Tagesrhythmus<br />

und dabei besonders in die<br />

Pausen geben. Aus organisatorischen<br />

Gründen gibt es zwei längere, zentrale<br />

Pausen: einmal zwischen 10.30 Uhr und<br />

11.00 Uhr eine Frühstückspause und<br />

dann von 12.00 bis 14.00 Uhr eine lange<br />

Mittagspause. Kurze Pausen gibt es nicht,<br />

die entwickeln sich individuell im Tagesverlauf<br />

von alleine. Die längeren Pausen<br />

sind notwendig, um auch den<br />

Erwachsenen Pausen und Austauschmit<br />

ihrer Lehrerin gemeinsam erstellt<br />

und sich vorgenommen, Knobelaufgaben<br />

in Mathematik anzugehen. Sie<br />

hat sich gerade in Zahlenmauern vertieft<br />

und freut sich, dass sie am Ende<br />

aufgehen. Plötzlich fällt ihr Blick auf die<br />

Uhr: Es ist schon 10.30 Uhr. Sie steht<br />

auf, geht zur Klangschale und schlägt<br />

sie leise an. „Bitte Arbeitssachen einräumen<br />

und dann ist Pause!“, sagt sie<br />

mit fester Stimme. Einige Kinder sind<br />

schnell dabei und eilen in die Garderobe,<br />

um Schuhe und Jacke anzuziehen.<br />

Andere arbeiten ruhig weiter, weil sie<br />

diese eine Aufgabe noch beenden wollen.<br />

Matti trägt in seinen Plan ein, was<br />

er eben noch erledigt hat, und holt dann<br />

sein Buch aus dem Rucksack. Er will<br />

unbedingt wissen, wie es weitergeht.<br />

Diese Vielfalt an „Pausen“-Aktivitäten<br />

ist normal und kein Problem, denn die<br />

Lerngruppenräume bleiben während der<br />

Pause geöffnet. Es gilt die Verabredung,<br />

20<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

dass drinnen nur ruhige Dinge passieren<br />

und alles, was laut und voller Bewegung<br />

ist, draußen auf dem Hof stattfindet. Die<br />

Kinder können selbst entscheiden, ob sie<br />

ihre Pause drinnen oder draußen verbringen.<br />

Die offenen Räume bieten so<br />

Rückzugsmöglichkeiten für Kinder, die<br />

Ruhe suchen, lesen, Sammelkarten tauschen<br />

oder einfach etwas weiterarbeiten<br />

möchten.<br />

Matti hat es sich inzwischen mit seinem<br />

Buch auf dem Sofa gemütlich gemacht.<br />

Nebenan basteln zwei Kinder,<br />

jemand anderes zeichnet, zwei Kinder<br />

stärken sich beim zweiten Frühstück,<br />

solange die Brotdosen noch etwas hergeben.<br />

Viele wissen aber, dass es ihnen guttut,<br />

wenn sie draußen Bewegung und frische<br />

Luft bekommen. Jonas hatte sich als<br />

Erster den Ball geschnappt und ist schon<br />

längst auf den Sportplatz gedüst. Er<br />

weiß, dass „jetzt das Kribbeln aus seinen<br />

Beinen raus muss“. Der Sportplatz ist<br />

mitten auf dem Gelände und steht den<br />

Kindern aus allen Stufen zur Verfügung.<br />

Oft kommt es zu jahrgangs- und stufenübergreifenden<br />

Aktivitäten. Woanders<br />

gibt es Kletter- und Spielmöglichkeiten.<br />

Eine Elterninitiative hat einen Tiefseilgarten<br />

und andere Bewegungsstationen<br />

angelegt und entwickelt diesen Park immer<br />

weiter.<br />

Lars und Mia können es kaum abwarten.<br />

Sie stehen vor der Holzwerkstatt und<br />

wollen endlich an ihrem Auto weiterbauen.<br />

Eine gelernte Tischlerin, die als Honorarkraft<br />

arbeitet, wird ihnen gleich<br />

den Raum öffnen und mit Rat und Tat<br />

zur Seite stehen. Denn neben den ganz<br />

freien Pausenbeschäftigungen gibt es<br />

während der langen Mittagspause einige<br />

Offene Pausenangebote (OPA). Sie werden<br />

im Rahmen der gebundenen Ganztagsschule<br />

(GTS) durch Erzieher*innen,<br />

Honorarkräfte oder Lehrkräfte angeboten.<br />

Die Kinder können täglich zwischen<br />

Töpfern, Gärtnern, Basteln, Malen, Tanzen,<br />

Bauen u. v. m. wählen. Sie müssen<br />

sich nicht für ein Angebot verpflichten,<br />

sondern kommen spontan vorbei, wenn<br />

sie Lust haben. Ist der Raum, in dem ein<br />

Angebot stattfindet, voll, kommt man<br />

später noch einmal wieder oder versucht<br />

es an einem anderen Tag.<br />

Auf dem Gelände gibt es eine umfangreiche<br />

Spielzeugausleihe. Hier können<br />

die Kinder verschiedene Fahrzeuge,<br />

Tischtennisschläger und Spiele für<br />

draußen ausleihen. Julia hat heute gemeinsam<br />

mit ihrer Freundin „Ausleih-<br />

Dienst“. Sie sind für eine halbe Stunde in<br />

der Mittagspause dafür verantwortlich,<br />

dass die Geräte ausgegeben und auch<br />

wieder zurückgebracht werden. Den<br />

Schlüssel haben sie sich aus dem Mitarbeiter*innen-Zimmer<br />

geholt, und nun<br />

stehen sie vor einer kleinen Schlange<br />

zwischen den Fahrzeugen. Matti möchte<br />

das Dreirad mit dem Anhänger haben<br />

und hinterlegt seine Ausleih-Karte dafür<br />

bei Julia. Dann setzt er sich ins Fahrzeug<br />

und braust davon.<br />

Selbstbestimmung an der Wi*R<br />

Selbstbestimmung wird an der Winterhuder<br />

Reformschule großgeschrieben.<br />

Die Kinder bestimmen maßgeblich mit,<br />

wie ihr Tag abläuft, was sie tun und wie<br />

Andrea Karlsberg<br />

ist seit 2010 an der Winterhuder<br />

Reformschule und leitet seit 2012 die<br />

Primarstufe. Seit 2020 ist sie Vorstandsmitglied<br />

des Grundschulverbandes und<br />

in der Landesgruppe Hamburg tätig.<br />

Malte Cunis<br />

ist seit 2005 in der Primarstufe der<br />

Winterhuder Reformschule als Lerngruppenleitung<br />

tätig. Er war Mitglied der<br />

Initiative „Reformschule Hamburg e. V.“<br />

sie es am besten schaffen. Sie erleben<br />

aber immer wieder, dass das auch heißt,<br />

Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung<br />

für ihr Handeln und speziell<br />

für ihre Pausen und Erholungszeiten.<br />

Ein solches Schulleben ist nicht konfliktfrei;<br />

hier und da entsteht Streit. Das ist<br />

ganz normal; man muss ja nur wissen,<br />

wie man solche Meinungsverschiedenheiten<br />

klärt.<br />

Wie kann man trotzdem friedlich<br />

auseinandergehen und sich beim nächsten<br />

Mal wieder in die Augen sehen?<br />

Auch das will gelernt sein und auch das<br />

braucht Raum und Expert*innen. Unter<br />

den Kindern gibt es ausgebildete Streitschlichter*innen.<br />

Sie lernen über ein halbes<br />

Jahr in einem Wahlpflichtkurs, wie<br />

man anderen hilft, Streitigkeiten beizulegen.<br />

Wer seine Streitschlichtungsausbil-<br />

Prinzip des Free<br />

Flow: Die Kinder<br />

gehen während<br />

der Mittagspause<br />

dann zum<br />

Essen, wenn sie<br />

Hunger haben,<br />

und bedienen<br />

sich am Buffet<br />

selbst.<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

21


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rückzugsmöglichkeit<br />

für die Kinder:<br />

die gemütliche<br />

Bücherecke<br />

dung erfolgreich abgeschlossen hat, hat<br />

einmal pro Woche „Dienst“.<br />

Das Streitschlichterbüro ist in den<br />

Pausen immer besetzt und so kann auch<br />

das in Regie der Kinder gelöst werden.<br />

Natürlich gibt es auch Konflikte, die<br />

einen Erwachsenen brauchen und die<br />

sich nicht in der Pause lösen lassen. Aufsichten<br />

sind in allen Gebäuden und im<br />

Außengelände unterwegs. Grundsätzlich<br />

fühlen sich aber alle Erwachsenen zuständig<br />

und sind ansprechbar, wenn die<br />

Kinder Hilfe suchen. Nach dem Grundsatz<br />

„Störungen haben Vorrang“ (Cohn<br />

1986, 122 f.) gilt auch hier immer, nach<br />

einer guten Lösung zu suchen, die sich<br />

im Rahmen der gemeinsamen Schulregeln<br />

bewegt. Denn nur, wenn es einem<br />

gut geht, kann man mit dem Vertrauen<br />

in die eigenen Stärken den Tag meistern.<br />

Seit einem Jahr ist auch das Mittagessen<br />

in die Selbstverantwortung der Kinder<br />

übergegangen. „Free Flow“ nennen<br />

die Fachleute das Prinzip. Die Mensa<br />

hat die ganze Mittagspause geöffnet. Die<br />

Kinder kommen, wenn sie Hunger haben<br />

oder wenn ihnen das Essen in ihren<br />

Tag passt. Jonas, der vorhin erst einmal<br />

mit seinen Kumpeln Fußball spielen<br />

musste, hat die Fußballtore inzwischen<br />

anderen überlassen. Er legt den<br />

Ball in die Ecke. Gemeinsam schnappen<br />

sie sich jetzt Tablett, Teller und Besteck<br />

und füllen sich am warmen Büfett Nudeln<br />

und Soße auf. Sie setzen sich zusammen<br />

an einen Tisch und diskutieren<br />

ihr Spiel nochmal. Die Kanne Wasser<br />

auf dem Tisch ist zügig geleert und wird<br />

von Jonas neu aufgefüllt. Nebenbei lässt<br />

er seinen Blick über die Salatbar schweifen,<br />

aber heute gewinnen doch die Nudeln.<br />

Beim Nachtisch wird er nachher<br />

zuschlagen.<br />

Einige Eltern hatten anfänglich die<br />

Befürchtung, ihre Kinder würden das<br />

Essen vergessen bzw. alleine nicht zum<br />

Essen gehen. Diese Befürchtung konnten<br />

wir, aber vor allem die Kinder selbst,<br />

sehr schnell widerlegen. Wichtig ist, dass<br />

das Essen schmeckt, und wenn sich am<br />

Tag herumspricht, dass es etwas Leckeres<br />

gibt oder der Speiseplan, den die Kinder<br />

am Whiteboard einsehen können, ein<br />

leckeres Menü zeigt, dann ist die Mensa<br />

voll.<br />

Für eine Schule, die auch Lebensort<br />

der Kinder sein will, ist das Mittagessen<br />

ein zentrales Thema. Gerade läuft<br />

eine Umfrage in der ganzen Schule zum<br />

Thema Mittagessen: „Was wünscht ihr<br />

euch?“. Wie wichtig das für die Kinder<br />

ist, zeigt sich auch daran, dass die Werkstatt<br />

„Hmm, das schmeckt lecker!“, die<br />

wöchentlich als verbindlicher Wahlpflichtkurs<br />

stattfindet, von 200 Kindern<br />

Vielfältige Angebote auf dem Schulhof laden zum Spielen und sich Bewegen ein<br />

22<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

angewählt wurde. Wichtig ist, Kinder am<br />

Thema „Gesunde Ernährung“ zu beteiligen<br />

und sie zu befähigen, die Verantwortung<br />

für sich und ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zu übernehmen. Und wenn es einmal<br />

nicht so schmeckt, dann darf auch<br />

das mal sein.<br />

Abschluss<br />

Der Zeiger rückt auf 14.00 Uhr, die<br />

Mittagspause geht zu Ende. Während<br />

sich der Schulhof leert und Mia, die<br />

von Julia inzwischen den Dienst an der<br />

Spielzeugausleihe übernommen hat, die<br />

Fahrzeuge wieder fachgerecht einparkt,<br />

erinnern die Kinder sich gegenseitig an<br />

das Pausenende. Einen Schulgong gibt<br />

es hier nicht! Alle wissen, wenn auf dem<br />

Schulhof keine Kinder mehr sind, geht<br />

es in den Lerngruppenräumen weiter.<br />

Drinnen räumen die Kinder ihre Sachen<br />

aus der Pause ein. Gleich ist wieder<br />

Arbeitszeit, schließlich ist heute ein langer<br />

Tag bis 16.00 Uhr. Das bringt die<br />

gebundene Ganztagsschule mit sich.<br />

Aber wenn der Tag so stark von den<br />

Kindern mitgestaltet werden kann,<br />

dann fühlt sich das ganz anders an als<br />

ein klassischer halber Schultag, an dem<br />

die Strukturen fest vorgegeben sind:<br />

Das Unterrichtsfach und das Stundenpensum,<br />

eine „Sitzordnung“ wird<br />

genauso festgelegt wie der Arbeitsrhythmus.<br />

Alle Kinder müssen in der<br />

Pause auf den Schulhof gehen und der<br />

Raum wird abgeschlossen. Das Mittagessen<br />

wird aufgefüllt und findet zu vorgegebener<br />

Zeit statt. All das sind von<br />

Erwachsenen gemachte Vorgaben, die<br />

wir an unserer Schule in die Hände der<br />

Kinder geben. Wir trauen es ihnen zu<br />

und wir muten es ihnen zu.<br />

Morgen braucht Julia unbedingt einen<br />

schönen Stock, den sie sich auf dem<br />

Heimweg im Park besorgen will. Schließlich<br />

gibt es in der Mittagspause ein Angebot<br />

zum Schnitzen.<br />

Literatur<br />

Cohn, R. C. (1986): Von der Psychoanalyse<br />

zur themenzentrierten Interaktion. Von der<br />

Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für<br />

alle (7. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.<br />

Ilka Hoffmann<br />

Inklusive Pause – Pause inklusiv<br />

Pausen sollen den Schultag gliedern und rhythmisieren und Zeit für Bewegung,<br />

Spielen und Unterhaltung lassen. Da die Pausenbedürfnisse von Kindern sehr<br />

unterschiedlich sein können, haben einige Schulen auch flexible Formen der<br />

Pausengestaltung geschaffen.<br />

Die Regelung an den meisten<br />

Schulen ist allerdings weiterhin<br />

die klassische, gemeinsame<br />

Hofpause. Die Hofpause ist leider nicht<br />

für alle Kinder eine Zeit der Erholung.<br />

Manche Kinder erleben auch Ausgrenzung<br />

und Mobbing. Deshalb soll es<br />

in diesem Beitrag um die Frage gehen,<br />

wie die Hofpause möglichst diskriminierungsfrei<br />

und inklusiv gestaltet<br />

werden kann.<br />

Pause barrierefrei<br />

Gerade Grundschulkinder nutzen die<br />

Pause für Bewegung und Spielen. Häufig<br />

sind Kinder mit motorischen Einschränkungen,<br />

aber auch mit Sinnesschädigungen<br />

von diesen Aktivitäten<br />

ausgeschlossen. Das Thema „Barrierefreiheit“<br />

wird indes in erster Linie baurechtlich<br />

diskutiert. Dies ist einerseits<br />

sinnvoll, denn es gibt bei der barrierefreien<br />

Gestaltung von Schulbauten und<br />

Pausenhöfen vielerorts einen immensen<br />

Nachholbedarf. Die barrierefreie<br />

Raum- und Hofgestaltung ist auch eine<br />

Grundvoraussetzung für die Umsetzung<br />

inklusiver Bildung – und Pausen.<br />

Andererseits gelingt eine barriereund<br />

diskriminierungsfreie Pausengestaltung<br />

nur über ein Konzept, das hilft,<br />

Exklusionen zu vermeiden und die soziale<br />

Integration aller Kinder zu erleichtern.<br />

Wenn Kinder mit Beeinträchtigungen<br />

nicht in die Aktivitäten der anderen<br />

Kinder eingebunden werden, dann<br />

ist das nicht immer auf bewusste Ausgrenzung<br />

zurückzuführen. Vielmehr<br />

gibt es in den meisten Lerngruppen feste<br />

Untergruppen und soziale Bindungen,<br />

die relativ stabil sind. Die soziale Integration<br />

aller Kinder in den Pausenzeiten<br />

oder auf Schulwegen muss somit schon<br />

in den Lern- und Unterrichtszeiten mitbedacht<br />

werden. Oft sind die Teilhabe-<br />

Barrieren auch den Erwachsenen nicht<br />

in ihrer ganzen Tragweite bewusst. So<br />

war es auch an Förderschulen für Hörgeschädigte<br />

teilweise verpflichtend, während<br />

der Corona-Zeit auf das Tragen<br />

einer Maske aufmerksam zu machen.<br />

Die erheblichen Kommunikationseinschränkungen<br />

aufgrund der fehlenden<br />

Gesichtsmimik, die die Maskenpflicht<br />

für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen<br />

bedeutete, wurden dagegen nicht<br />

überall diskutiert und behoben.<br />

Auch ein hoher Geräuschpegel auf<br />

dem Pausenhof kann für Kinder mit<br />

Wahrnehmungsstörungen und Hörproblemen<br />

zu einer echten Qual werden.<br />

Hier können Ausweichmöglichkeiten in<br />

ruhigere Räumlichkeiten und eine Sensibilisierung<br />

aller Mitglieder der Schulgemeinschaft<br />

für Hörbeeinträchtigungen<br />

und physische Barrieren hilfreich sein.<br />

Die tatsächlichen Barrieren können am<br />

ehesten im sensiblen Dialog mit den Betroffenen<br />

herausgearbeitet werden.<br />

Gemeinsam mit der jeweiligen Lerngruppe<br />

sollte überlegt werden, wie diese<br />

Barrieren überwunden werden können:<br />

Welche Anpassungen von Spiel- und<br />

Entspannungsräumen sind notwendig?<br />

Wer kann helfen, dass kein Kind bei gemeinsamen<br />

Aktivitäten außen vor bleibt<br />

(Peer-Support)? Wie können Spiele modifiziert<br />

oder neu erfunden werden? Einige<br />

entsprechende Spielideen finden<br />

sich auch in der pädagogischen Literatur<br />

(vgl. Buschmann 2016). Die Chancen<br />

für eine gute soziale Integration von<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

23


Praxis: Pausenkulturen<br />

Kindern mit Beeinträchtigungen sind<br />

besonders gut, wenn die Klasse oder<br />

Lerngruppe die Überwindung von Barrieren<br />

als gemeinsames Projekt bearbeitet.<br />

Aber nicht nur physische Barrieren<br />

können die soziale Integration behindern.<br />

Auch gruppendynamische Prozesse<br />

können zur Exklusion einzelner<br />

Kinder führen.<br />

ist zu beachten, dass diese nicht immer<br />

selbstsicher und psychisch stabil sind.<br />

Oft ist es einer spezifischen Gruppendynamik<br />

geschuldet, wer Opfer und<br />

wer Täter wird. Typische Schulstrafen,<br />

wie sie in den meisten Schulerlassen in<br />

einem Katalog aufgeführt sind, bringen<br />

erfahrungsgemäß keine nachhaltige<br />

Prävention von Mobbing. Allzu oft verschärfen<br />

sie die Konflikte sogar noch.<br />

Der Grundsatz inklusiver Pausen ist gegenseitige Wertschätzung und ein Gefühl der<br />

Zusammengehörigkeit innerhalb der Schulgemeinschaft (Bildquelle: Wikimedia)<br />

Pause mobbingfrei<br />

Manche Kinder blicken voller Angst auf<br />

die so genannte große Pause. Denn in<br />

den Zeiten, in denen es keine Aufsicht<br />

und Kontrolle (durch Lehrpersonen)<br />

gibt, sind sie häufig Mobbing und Ausgrenzung<br />

ausgesetzt. Meistens bemerkt<br />

man das Mobbing erst, wenn das Opfer<br />

schon Verhaltensveränderungen wie<br />

Ängstlichkeit, Schulverweigerung und<br />

sozialen Rückzug zeigt. Gerade, weil<br />

Mobbing so schwer festzustellen ist,<br />

und die Opfer sich schwertun, offensiv<br />

mit dem Problem umzugehen, sind<br />

Präventionsprogramme wichtig. Zwar<br />

kommen nahezu alle wissenschaftlichen<br />

Studien zum Thema Mobbing<br />

zu dem Schluss, dass dies in weiterführenden<br />

Schulen häufiger vorkommt<br />

als in Grundschulen. Dennoch sollte<br />

die Gefahr auch an Grundschulen nicht<br />

unterschätzt werden. Auch hier gilt: Je<br />

intensiver die Prävention im Unterricht<br />

stattfindet, umso besser kann Mobbing<br />

in den Pausen vorgebeugt werden! Beim<br />

Umgang mit den Mobbing-Täter*innen<br />

Als hilfreich hat sich hier der in England<br />

entwickelte No-Blame-Approach<br />

erwiesen (vgl. Blum/Beck 2012). In diesem<br />

Ansatz wird bewusst auf Schuldzuweisungen<br />

und Strafen verzichtet. Es<br />

geht vielmehr darum, mit der jeweiligen<br />

Kindergruppe gemeinsam Lösungen<br />

zu finden, damit sich alle Kinder in der<br />

Schule wohlfühlen. Um Mobbingvorkommnisse<br />

in der Grundschule zu vermeiden,<br />

ist es notwendig, sensibel auf<br />

Verhaltensänderungen zu achten, ein<br />

Klima gegenseitiger Achtung und Wertschätzung<br />

zu entwickeln sowie eine tragfähige<br />

Präventions- und Interventionsstrategie<br />

zu etablieren.<br />

Wertschätzung der Vielfalt innerhalb<br />

der Schulgemeinschaft ist auch ein<br />

Schlüssel zu mehr Toleranz und Wohlbefinden.<br />

Dies betrifft auch die sprachliche<br />

und ethnische Vielfalt.<br />

Pause mehrsprachig<br />

Aus Politik und Öffentlichkeit kommt<br />

immer mal wieder die Forderung, dass<br />

es für die Hofpausen ein Deutsch-Gebot<br />

geben soll. Als Begründungen werden<br />

angeführt, dass so das Deutschlernen<br />

erleichtert würde, dass durch<br />

den Gebrauch der Herkunftssprachen<br />

die deutschsprachigen Kinder von der<br />

Kommunikation ausgeschlossen seien<br />

und dass so der Bildung von „Parallelgesellschaften“<br />

vorgebeugt würde. Wie<br />

haltbar sind diese Begründungen?<br />

Zum einen wird dabei die Erkenntnis<br />

missachtet, dass solide Kenntnisse von<br />

Herkunftssprachen den Erwerb einer<br />

Zweitsprache fördern. Zum anderen ist<br />

Monolingualität auf der Welt eher eine<br />

Ausnahme. Viele Staaten sind Vielvölkerstaaten<br />

und Mehrsprachigkeit einfach<br />

normal. Die gezielte Förderung von<br />

Mehrsprachigkeit wirkt nachweislich<br />

Bildungsbenachteiligungen entgegen<br />

und fördert die sprachlichen Kompetenzen<br />

insgesamt (Wiese/Tracy 2020).<br />

Die bewusste Förderung der Mehrsprachigkeit<br />

ist indes auch ein Beitrag<br />

zur Inklusion. In Kanada werden z. B.<br />

Kinder gleicher Herkunftssprache, die<br />

schon länger in Kanada leben, gezielt<br />

eingesetzt, um bei der sozialen Integration<br />

von Neuankömmlingen zu helfen.<br />

Leistungsnachweise in den Sachfächern<br />

können teilweise auch in der Herkunftssprache<br />

erbracht werden. Mehrsprachigkeit<br />

wird gefördert und als Bildungsziel<br />

anerkannt (Hoffmann 2017).<br />

Für die positive Gestaltung und Förderung<br />

von Mehrsprachigkeit gibt es<br />

zahlreiche didaktische Ansätze. Eine<br />

Grundlage ist auch hier Wertschätzung<br />

der Vielfalt und die gleichwertige Betrachtung<br />

aller Herkunftssprachen. Oft<br />

hört man folgenden Satz mit negativer<br />

Konnotation: „In der Familie wird NUR<br />

türkisch (oder kurdisch, arabisch, ukrainisch,<br />

…) gesprochen.“ Aber – positiv<br />

konnotiert: „Toll! Das Kind spricht auch<br />

Französisch (Englisch, Spanisch).“ Kinder<br />

spüren (im zuerst genannten Fall)<br />

die Abwertung ihrer Herkunftssprache<br />

und damit ihrer kulturellen Wurzeln.<br />

Diese negative Einstellung gegenüber<br />

ihrer Herkunftssprache und Ethnie<br />

führt nicht zu einer besseren Inklusion,<br />

sondern eher zu einem Rückzug in die<br />

eigene kulturelle Nische. Auch hier versuchen<br />

bereits viele Schulen, die sprachliche<br />

und kulturelle Vielfalt positiv aufzugreifen.<br />

Ein weiterer Punkt spricht gegen ein<br />

Deutsch-Gebot in der Pause: Die Pau-<br />

24<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

se dient der Erholung. Wenn man selbst<br />

schon einmal über längere Zeit im Ausland<br />

gelebt hat, weiß man, wie anstrengend<br />

es ist, den ganzen Tag in einer<br />

Zweit- oder Fremdsprache zu kommunizieren.<br />

Der Gebrauch der Herkunftssprache<br />

dient auch der Entspannung –<br />

und dazu sind Pausen da.<br />

Auch in diesem Zusammenhang<br />

heißt der Schlüsselbegriff für eine erholsame<br />

und aufmunternde Pause für<br />

alle: „Wertschätzung“.<br />

Wenn in der Schule allgemein die<br />

Vielfalt der Lernenden begrüßt wird,<br />

wird auch die Mehrsprachigkeit auf dem<br />

Schulhof nicht als Bedrohung, sondern<br />

als Bereicherung erlebt. Um eine feste<br />

Cliquenbildung etwas aufzulockern,<br />

kann den Kindern die Möglichkeit gegeben<br />

werden, Hofspiele, Abzählreime<br />

u. Ä. aus ihrer Sprache und Kultur mitzubringen<br />

und den anderen Kindern<br />

vorzustellen.<br />

Ethnische Konflikte auf<br />

dem Pausenhof<br />

Auch hier dürften die Probleme im<br />

Pubertätsalter bzw. in der Sekundarstufe<br />

größer sein. Dennoch können ethnische<br />

Konflikte auch schon in der Grundschule<br />

zum Problem werden und auch<br />

in tätliche Auseinandersetzungen münden.<br />

In den meisten Bundesländern gibt<br />

es spezielle Beratungsstellen für den<br />

Umgang mit interreligiösen oder ethnischen<br />

Konflikten. Es ist notwendig,<br />

hier nicht die Augen vor den oft tiefgreifenden<br />

Problemen zu verschließen<br />

oder nur mit dem üblichen Maßnahmenkatalog<br />

zu reagieren, sondern<br />

sich gezielt präventive Beratung und<br />

Unterstützung zu holen.<br />

Ethnische Konflikte können den<br />

Schulalltag erheblich belasten und Pausen<br />

zu einem Stress- statt einem Erholungsfaktor<br />

machen. Auch hier gilt:<br />

Eine gute, erholsame und diskriminierungsfreie<br />

Pause fußt auf einer inklusiven<br />

Schul-, Unterrichts- und Pausenentwicklung.<br />

Damit ethnische Konflikte in<br />

der Schule nicht zu einer extremen Belastung<br />

werden, sollte ein Präventionskonzept<br />

entwickelt werden, das den<br />

Kindern die Probleme bewusstmacht<br />

und beim Abbau von Spannungen und<br />

Konflikten hilft. Ein solches Unterrichtsprogramm<br />

ist beispielsweise von Meltem<br />

Avci-Werning entwickelt und evaluiert<br />

worden. Es geht dabei um die Reflexion<br />

von Vorurteilen und die Entwicklung<br />

von gegenseitigem Verständnis. Es gibt<br />

aber auch noch weitere Anregungen und<br />

Programme, die genutzt werden können<br />

(vgl. Gutzmann 2018).<br />

Partizipation und<br />

Mitverantwortung als Schlüssel<br />

Dr. Ilka Hoffmann<br />

ist Lehrerin und Erziehungswissenschaftlerin<br />

mit einer mehrjährigen<br />

Tätigkeit in inklusiven Schulen.<br />

Seit 2022 ist sie Leiterin der Koordinierungsstelle<br />

Gemeinsames Lernen in<br />

Saarbrücken.<br />

Eine inklusive Pause gelingt nur in<br />

einem insgesamt inklusiven und diskriminierungsfreien<br />

Schulklima. Konflikte<br />

und soziale Exklusionen, die im<br />

Unterricht vielleicht nur latent wahrnehmbar<br />

sind, brechen in den Pausen<br />

dann offen zutage. Eine gute präventive<br />

Konfliktstrategie, die Sensibilität<br />

gegenüber diskriminierenden Routinen<br />

und Einstellungen sowie die Aufmerksamkeit<br />

gegenüber Mobbing sollten im<br />

gesamten Schulalltag handlungsleitend<br />

sein.<br />

Konflikte zwischen den Kindern lassen<br />

sich hierbei am besten im Dialog<br />

lösen. Oft entwickeln die Kinder selbst<br />

kreative und originelle Lösungsansätze<br />

bei Konflikten und Problemen. Kinder<br />

können an Maßnahmen gegen Barrieren<br />

und Ausgrenzung aktiv mitarbeiten.<br />

Die Partizipation an der Gestaltung<br />

des Schulklimas und inklusiver Pausen<br />

stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />

sowie die Übernahme von Verantwortung.<br />

Wichtig ist es, stets mit den Lernenden<br />

in einen kritisch-konstruktiven Dialog zu<br />

treten und mit ihnen gemeinsam nach<br />

Lösungen zu suchen. Der Grundsatz inklusiver<br />

Pausen (und eines harmonischen<br />

Schullebens insgesamt) ist gegenseitige<br />

Wertschätzung und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />

innerhalb der Schulgemeinschaft.<br />

Und dies wird durch Partizipation,<br />

Dialog und Mitverantwortung<br />

der Kinder gestärkt.<br />

Literatur<br />

Avci-Werning, M. (2004): Prävention<br />

ethnischer Konflikte in der Schule.<br />

Ein Unterrichtsprogramm zur Verbesserung<br />

interkultureller Beziehungen. Münster.<br />

Blum, H./Beck, D. (2012): No Blame<br />

Approach. Köln.<br />

Buschmann, B. (2016): Pausengestaltung an<br />

der inklusiven Grundschule. Spielideen,<br />

Organisationshilfen, Projekte. Hamburg.<br />

Gutzmann, M. (Hrsg.) (2018): Sprachen und<br />

Kulturen. Grundschulverband. Beiträge zur<br />

Reform der Grundschule 146.<br />

Hoffmann, I. (2017): Die Bedeutung des<br />

Inklusionskonzepts für die Schule in der<br />

Einwanderungsgesellschaft. In: Thiele, S./<br />

Schlaak, C. (Hrsg.): Migration, Mehrsprachigkeit<br />

und Inklusion. Strategien für<br />

den schulischen Unterricht und die<br />

Hochschullehre. Stuttgart.<br />

Wiese, H./Tracy, R./Sennema, A. (2020):<br />

Deutschpflicht auf dem Schulhof?<br />

Warum wir Mehrsprachigkeit brauchen?<br />

Berlin.<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

25


Praxis: Pausenkulturen<br />

Christiane Weichmann und Claudia Köhler<br />

Sabbatical – eine Pause<br />

vom Schulsystem?!<br />

In Israel sind für Lehrkräfte regelmäßige Sabbatzeiten eingeplant, in denen sie<br />

aufgefordert sind, sich sowohl beruflich mit Kursen als auch auch persönlich<br />

weiterzubilden. In Deutschland ist es Lehrkräften freigestellt, ob sie die Sabbatzeit<br />

zur Regeneration, Persönlichkeitsstärkung, Blickwinkelerweiterung oder<br />

Reflexion und Restrukturierung ihrer Arbeit nutzen.<br />

Im Folgenden beschreiben zwei Lehrerinnen<br />

ihre Beweggründe für das<br />

Sabbatical, ihre Erfahrungen während<br />

ihrer jeweiligen Freistellungsphase<br />

sowie ihre Erkenntnisse und Wünsche,<br />

die sie mit in den Schulalltag nehmen<br />

wollen.<br />

Beweggründe für die Sabbatzeit<br />

Beide haben wir unser Sabbatical 2016<br />

beantragt, mit einer 5-jährigen „Ansparphase“<br />

sowie einer ein- bzw. zweijährigen<br />

„Freistellungsphase“. Ebenso war es uns<br />

beiden wichtig, vor bzw. während der<br />

Auszeit Coaching in Anspruch zu nehmen,<br />

um diese bewusst zu planen und<br />

hinterher zufrieden darauf zurückblicken<br />

zu können. Unsere Lebensumstände und<br />

Beweggründe für die Freistellungsphase<br />

unterschieden sich jedoch.<br />

Claudia in Lappland<br />

Christiane<br />

Das Konzept des Sabbaticals<br />

beschäftigte mich bezüglich meines<br />

damals nahenden 50. Geburtstages und<br />

wurde tatsächlich 2021/22 wahr: „Was<br />

ist mir wichtig im Leben?“, „Welchen<br />

Ballast kann ich loswerden?“ – diesen<br />

Fragen wollte ich Raum geben und mich<br />

auch auf die Unsicherheit bewusst einlassen:<br />

„Ich verlasse etwas Vertrautes –<br />

was kommt jetzt?“. „Wer bin ich, wenn<br />

ich keine Lehrerin bin, wenn ich mein<br />

Pflichtbewusstsein ablege?“ Ich hatte<br />

bereits mehrere einjährige Auszeiten in<br />

meinem Leben. Nach dem Abitur arbeitete<br />

ich in England in einem christlichen<br />

Freizeitzentrum im Gästeservice als<br />

Freiwillige mit, anschließend besuchte<br />

ich eine Bibelschule. 2002/03 ging ich<br />

zwischen zwei Anstellungen für eine<br />

Tanzausbildung in die USA.<br />

Claudia<br />

Mit meinem Mann und unseren beiden<br />

Kindern lebte ich von 2007 bis 2015 in<br />

Australien und Papua-Neuguinea, wo<br />

ich sowohl in Preschools, Primary und<br />

Grammar Schools als auch in Homeschool-Cooperations<br />

mitarbeiten und<br />

wertvolle Erfahrungen sammeln durfte.<br />

In Buschschulen, mit einfachsten Unterrichtsmitteln,<br />

wie Stöckchen, Muscheln,<br />

Steinen und simplen, alten Tafeln,<br />

erkannte ich immer wieder, wie entscheidend<br />

die Lehrpersönlichkeit, ihre<br />

Kreativität und ihr Enthusiasmus für<br />

das gemeinsame Lernen ist. 2015 brachte<br />

der Re-Entry in die deutsche Gesellschaft<br />

und das bayerische Schulsystem<br />

viele Herausforderungen mit sich. Mit<br />

einer zweijährigen, bezahlten Sabbatzeit<br />

ab 2021 eröffnete sich die Option,<br />

eventuell noch einmal ins Ausland zu<br />

gehen. Eine Perspektive, die 2016 für<br />

mich wirklich essenziell war. Aufgrund<br />

unserer familiären und beruflichen Entwicklungen<br />

kam für 2021 kein längerfristiger<br />

Auslandsaufenthalt mehr in<br />

Frage.<br />

Erfahrungen während<br />

des Sabbaticals<br />

Für uns beide war eine der grundlegendsten<br />

und bedeutsamsten<br />

Erfahrungen die: einfach Zeit zu haben –<br />

für die Menschen und Erlebnisse, die uns<br />

wichtig sind, sowie gleichzeitig von der<br />

Einengung der Gedanken auf den Beruf<br />

befreit zu sein. Gerade in den letzten Jahren<br />

haben wir zunehmend und verstärkt<br />

erlebt, dass die Konzentration unserer<br />

Lebenswelt auf den Schulalltag zunimmt,<br />

sich viele unserer Gedanken auch außerhalb<br />

der Unterrichtsverpflichtung sehr<br />

stark um berufsrelevante Themen drehen,<br />

Beziehungen und außerschulische<br />

Interessen vernachlässigt werden. Die<br />

Freistellungsphase erlebten wir als<br />

Öffnung zeitlicher und gedanklicher<br />

Räume, so dass wir uns vertieft mit<br />

selbst gewählten Themen auseinandersetzen<br />

und bestehende Beziehungen<br />

aktiver und intensiver pflegen sowie neue<br />

Beziehungen knüpfen konnten.<br />

Christiane<br />

Bezüglich der Ausgestaltung eines<br />

Sabbatjahres gibt es vielfältige Möglichkeiten.<br />

Aber was passt zu mir? Entscheidungen<br />

treffen heißt auch, anderes<br />

auszuschließen, was innerhalb eines<br />

Jahres nicht möglich ist. Ja, ich bin im<br />

Sabbatjahr viel unterwegs gewesen,<br />

die Ruhephasen und Zeiten zu Hause<br />

waren jedoch sehr wichtig für mich.<br />

Ich nahm meine eigenen Bedürfnisse<br />

dahingehend ernst, dass ich Eindrücke<br />

verarbeiten wollte und musste. Ich hatte<br />

ein großes Privileg: Es gab für mich keinen<br />

äußeren Ballast, keine Krankheiten,<br />

keine familiären Belastungen, keine<br />

finanziellen Unsicherheiten. Ich konnte<br />

mein gewohntes Umfeld verlassen<br />

und aufbrechen … und wieder voller<br />

Erfahrungen nach Hause kommen.<br />

26<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Im Laufe des Jahres habe ich meinen<br />

eigenen Rhythmus gefunden und das als<br />

große Freiheit empfunden. Meine Nachbarin<br />

meinte eines Tages: „Darf ich dir<br />

mal rückmelden, dass du in diesem Jahr<br />

viel mehr Gelassenheit und Offenheit<br />

ausgestrahlt hast!?“<br />

Diese Offenheit, aber gerade auch das<br />

Alleine-Unterwegs-Sein, ermöglicht<br />

mir immer wieder Begegnungen und<br />

Gespräche mit fremden Menschen, die<br />

schnell in die Tiefe gehen. Der beiderseitige<br />

Austausch und die (Lebens-)Geschichten<br />

der anderen bereichern und<br />

hinterlassen Spuren im Alltag. Nur selten<br />

erlebte ich mürrische Reaktionen, viel<br />

öfter wurde ich beschenkt durch Hilfsbereitschaft<br />

und Herzlichkeit. Sehr prägend<br />

war die Begegnung mit einer ehemals<br />

Inhaftierten, die mittlerweile in der<br />

Gefängnisseelsorge arbeitet und Menschen<br />

nun neue Hoffnung bringt.<br />

Eines meiner Vorhaben war es, während<br />

der Sabbatzeit einige Wochen in<br />

Israel zu verbringen. Pandemiebedingt<br />

wurde von einem Tag auf den anderen<br />

die Reisemöglichkeit dorthin untersagt,<br />

sodass meine Planung komplett auf den<br />

Kopf gestellt wurde. Im Nachhinein war<br />

es das Beste, was passieren konnte. Ich<br />

erlebte Israel verspätet im Frühling. Es<br />

waren vor allem die wenigen Wüstenerfahrungen,<br />

die mich auf einem Teil<br />

des Weitwanderwegs „Israel National<br />

Trail“ am meisten geprägt haben: Weniges<br />

schätzen, allein sein und doch Hilfe<br />

zur rechten Zeit bekommen, Lösungen<br />

finden in schwierigen Situationen …<br />

und immer wieder die Begegnungen mit<br />

anderen. „Mit wem du in Israel Freundschaft<br />

geschlossen hast, der bleibt dir als<br />

Freund dein Leben lang erhalten!“, erklärte<br />

mir eine Hamburgerin. Und tatsächlich<br />

begleiten und bereichern mich<br />

diese dort geschlossenen Kontakte auch<br />

weiterhin.<br />

Ab Dezember verbrachte ich statt in<br />

Israel sehr spontan mehr als zwei Monate<br />

in Costa Rica. Ich kannte die Sprache<br />

nicht, hatte keinen Reiseführer und<br />

war auf die Menschen vor Ort – Einheimische<br />

und Backpacker – angewiesen.<br />

Ich traf dort herzliche Menschen und<br />

war oftmals mit alternativen Lebensentwürfen<br />

konfrontiert: Rente, was ist das<br />

und wozu überhaupt? Leben mit und in<br />

der Natur, Permakultur/Landbesitz und<br />

selbstständiger Umgang mit der Zeit.<br />

Überdies half ich bei neu gewonnenen<br />

Christiane in Israel<br />

Freunden auf einem kleinen Bauernhof<br />

in den Bergen im Landesinneren aus. Sie<br />

leben ein hartes Leben mit viel Herzblut.<br />

Neben weiteren Reisen konnte ich Zeit<br />

für Freundschaften und Familie nutzen.<br />

Es ist eine besondere Zeit, die endlich ist.<br />

Es ist wie ein kostbarer Schatz, der Auswirkungen<br />

hat, auch wenn ich nur einen<br />

Bruchteil davon erzählen und durch<br />

mein Leben (mit-)teilen kann.<br />

Claudia<br />

Nachdem ein längerer Auslandsaufenthalt<br />

aus familiären Gründen nicht in<br />

Frage kam, genoss ich es einfach – ohne<br />

Vorgaben von außen – Zeit zu haben.<br />

Zeit, gemeinsam mit einer Freundin aus<br />

dem Kurs eine umfangreiche Diplomarbeit<br />

als Abschluss zur Montessoripädagogik-Ausbildung<br />

zu erstellen.<br />

Intensive, erfüllende Arbeit und<br />

Gemeinschaft. Zeit, in verschiedenen<br />

Montessori-Einrichtungen zu hospitieren<br />

und dabei stets den Gedanken zu<br />

bewegen, was ich von dem, was mich<br />

an der Arbeit in der Montessorischule<br />

überzeugt, mit in die Regelschule nehmen<br />

kann. Ist das überhaupt möglich,<br />

wenn ich Noten geben muss?<br />

Zeit, mich intensiv um die Familie zu<br />

kümmern, die flügge werdenden Kinder<br />

zu unterstützen und zu ermutigen, wo<br />

es nötig ist, und gleichzeitig zu lernen,<br />

sich zurückzunehmen. Zeit, kürzere und<br />

längere Touren mit dem Ehemann durch<br />

Deutschland zu unternehmen – ohne<br />

einen einzigen Gedanken, was ich für<br />

die Schule in den Ferien noch vorbereiten<br />

sollte. Zeit, intensiv für meine „große“<br />

Reise zu trainieren: mit Schneeschuhen<br />

auf einem Fernwanderweg in Lappland.<br />

120 km auf dem Schnee, Selbstversorgung<br />

in einfachen Hütten, kein<br />

Handyempfang und ab und zu auch stürmisches<br />

Wetter oder die Lawinengefahr<br />

einschätzen müssen. Auf der Heimreise<br />

mit neuem Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />

im Gepäck, aber auch der großen<br />

Frage: „Welche Erfahrungen verweigere<br />

ich mir selbst – ohne Ausprobieren<br />

–, weil ich sie mir nicht zutraue?“<br />

Diese Frage ist nun mein ständiger Begleiter<br />

und hat mich zu neuen Erlebnissen<br />

ermutigt. Ich habe – mit der Unsicherheit<br />

eines frischen Diploms und wenig<br />

praktischer Erfahrung – über mehrere<br />

Monate in einer Montessori-Schule<br />

mitgearbeitet und erlebt, in eine vertrauensvolle,<br />

respektvolle Atmosphäre von<br />

den Mitarbeiter*innen, den Kindern und<br />

den Eltern aufgenommen zu werden.<br />

Dabei konnte ich pädagogische Fachkräfte<br />

aus der Ukraine bei ihrem Hospitationsbesuch<br />

in Deutschland begleiten<br />

und wurde eingeladen, sie in ihren<br />

Einrichtungen in der Ukraine zu besuchen.<br />

Dort berührte und bewegte mich<br />

die Hingabe der Mitarbeiter*innen zutiefst.<br />

In diesen Zeiten der Unsicherheit<br />

lassen sie sich nicht von den äußeren<br />

Umständen lähmen, sondern arbeiten<br />

unermüdlich in den inklusiven Montessori-Kinderhausgruppen,<br />

bauen eine<br />

inklusive Montessori-Grundschule auf,<br />

erarbeiten ein Montessori-Curriculum<br />

für Grundschulen, um es staatlich genehmigen<br />

zu lassen. Sie bilden staatliche<br />

Lehrkräfte in Montessori-Pädagogik aus<br />

und entwickeln Konzepte für Inklusion<br />

und die Schulung von Schulbegleiter*innen.<br />

Dabei stehen sie immer wieder – so<br />

wie wir in Deutschland auch – vor der<br />

Herausforderung, neue Flüchtlingskinder<br />

aus dem Osten der Ukraine zu integrieren,<br />

in diesem oft überwältigenden<br />

Spannungsfeld zwischen kindgerechter<br />

Pädagogik und fragwürdigen staatlichen<br />

Vorgaben. Mit großem Herzen und viel<br />

Kreativität, das Vorhandene zu nutzen,<br />

ermöglichen sie es den Kindern, Selbstwirksamkeit<br />

und selbstreguliertes Lernen<br />

zu erfahren, auch wenn dies manchmal<br />

bei Fliegeralarm im Schutzraum des<br />

Kellers stattfinden muss.<br />

Ich habe die Ausbildung zur Didaktik<br />

des Deutschen als Zweitsprache (DaZ)<br />

begonnen und darf dabei auch Arabisch<br />

sprechen und schreiben lernen,<br />

was mich dankenswerterweise sehr in<br />

die Selbsterfahrung der Rolle der Lernenden<br />

treibt. Vertieft konnte ich mich<br />

mathematischen Fortbildungen auch in<br />

anderen Bundesländern widmen und<br />

so dortige Kolleg*innen kennenlernen.<br />

Durch einen dieser Kontakte durfte ich<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

27


Praxis: Pausenkulturen<br />

für einen Tag Teil der Schulgemeinschaft<br />

in der Grundschule im Dichterviertel<br />

in Mülheim a. d. Ruhr sein und erleben,<br />

was intensive Teamarbeit bewirken<br />

kann und der Grundsatz, dass für mich<br />

als Erwachsener jedes Kind dieser Schule<br />

„mein“ Kind ist – egal, ob es offiziell<br />

in meiner Lerngruppe oder OGT-Gruppe<br />

ist oder nicht. Und dazwischen gab es<br />

immer wieder viel Zeit, mit „wildfremden“<br />

Menschen ins Gespräch zu kommen,<br />

mit älteren Mitmenschen in meiner<br />

Umgebung, mit Mitreisenden, mit<br />

Obdachlosen in verschiedenen Städten,<br />

mit Menschen in anderen Berufen, die<br />

ich ohne Zeitdruck ganz anders wahrnehmen<br />

kann.<br />

Aus dem Sabbatical zurück<br />

in den Schulalltag<br />

Claudia Köhler (links)<br />

ist Lehrerin in Mittelfranken und war<br />

vor der Sabbatzeit überwiegend als<br />

Klassenleitung in einer jahrgangsgemischten<br />

1/2 tätig.<br />

Christiane Weichmann<br />

ist angestellte Lehrerin an einer evangelischen<br />

Privatschule in Mittelfranken<br />

und Klassenleitung in einer jahrgangsgemischten<br />

1/2. Seit September 2022<br />

ist sie wieder im Schuldienst.<br />

Was nehmen wir mit aus unserer Auszeit?<br />

Was ist uns wichtig geworden? Was<br />

bleibt?<br />

Wir möchten unserem Beruf einen<br />

klareren Rahmen geben. Wir sind leidenschaftlich<br />

gern Grundschullehrerinnen<br />

und stecken viel Energie in unsere<br />

Arbeit. Um uns diese Energie zu erhalten<br />

und unseren Enthusiasmus zu bewahren,<br />

wollen wir für unsere Arbeit zeitliche,<br />

klar kommunizierte Rahmen setzen,<br />

in denen man z. B. für Kolleg*innen und<br />

Eltern erreichbar ist, und für uns selbst<br />

einen Sabbattag in der Woche wirklich<br />

freinehmen. Dazu gehört aber auch, immer<br />

wieder bewusst das gedankliche<br />

Kreisen um berufliche Themen wahrzunehmen<br />

und abzustellen, freie Zeiten<br />

einzuplanen und zu gestalten. Dafür<br />

ist es notwendig, in Distanz zu gehen,<br />

sich die Zeit zu nehmen, zu reflektieren<br />

durch die Möglichkeiten im Rahmen<br />

von Supervision, kollegialer Fallbesprechung,<br />

kollegialer Hospitation oder<br />

einfach nur im persönlichen Austausch.<br />

Oder auch gezielt anderen Tätigkeiten<br />

nachzugehen, wie beispielsweise durch<br />

ein Ehrenamt in der Gemeinschaft, sich<br />

vertieft mit Themen auseinanderzusetzen,<br />

die außerhalb der Schule liegen.<br />

Wir nehmen uns vor, diesen erweiterten<br />

Blickwinkel mit in den Schulalltag<br />

hineinzunehmen, weniger (auf<br />

Lehrplaninhalte) zu gängeln, sondern<br />

verstärkt die unterschiedlichen Kinderund<br />

Kolleg*innenpersönlichkeiten und<br />

deren Lebenswelten wahrzunehmen und<br />

anzunehmen. Notwendige Schulreformen<br />

von höheren Gremien dauern uns<br />

zu lange! Um weiterhin gerne in einem<br />

Umfeld stets zunehmender Anforderungen<br />

zu arbeiten, fühlen wir uns herausgefordert,<br />

nach Möglichkeiten zu<br />

suchen, wie professionelles Arbeiten an<br />

unserem Arbeitsplatz in einem vernünftigen<br />

Zeitrahmen zu schaffen ist. Dabei<br />

sind uns folgende Fragen wichtig geworden:<br />

Wie können wir gewinnbringend<br />

im Kollegium zusammenarbeiten?<br />

Wie arbeiten wir mit anderen Professionen<br />

(Erzieher*innen in Hort und Kita)<br />

so zusammen, dass wir uns gegenseitig<br />

und zum Wohl der Kinder unterstützen?<br />

Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit<br />

mit Eltern, Schülerpat*innen, kulturellen<br />

Einrichtungen gibt es?<br />

Und ganz wichtig: die Erkenntnisse,<br />

die wir in Fortbildungen und Hospitationen<br />

gewonnen haben, umsetzen, Unterrichtsmethoden<br />

und -materialien aus<br />

den schier unerschöpflichen Ressourcen<br />

kritisch hinterfragen und auf die eigene<br />

Situation anwenden. Das geht nur, wenn<br />

man innere Stärke hat und gut für sich<br />

selbst sorgt.<br />

Fazit<br />

Wir halten die Sabbatzeit für eine wichtige<br />

Möglichkeit, die eigene psychische<br />

und physische Gesundheit zu erhalten<br />

bzw. wiederherzustellen, neue, vor allem<br />

über den schulischen Alltag hinausgehende<br />

Impulse zu gewinnen, aber<br />

auch, um neue Kompetenzen für unseren<br />

Beruf zu erwerben. Bedauernswert finden<br />

wir, dass in Bayern die Möglichkeit<br />

einer Freistellungsphase für Beamt*innen<br />

momentan ausgesetzt ist. Ob somit<br />

dem vorhandenen Lehrer*innenmangel<br />

entgegengewirkt wird bzw. unser Beruf<br />

an Attraktivität gewinnt, bezweifeln wir.<br />

Wir kehren jedenfalls erst mal mit neuer<br />

Motivation und neuen Schwerpunkten in<br />

unseren Schulalltag zurück.<br />

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implementiert werden kann, praxisorientiert<br />

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(Schul-)Alltags sowie zur persönlichen Umsetzung im<br />

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Eva-Maria Osterhues-Bruns<br />

28<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Aus Pausenkulturen<br />

der Forschung<br />

Johannes Wendsche, Yasemin Z. Varol und Sten Ullmann<br />

Schulpausen: Wie Grundschullehrkräfte<br />

in der Ruhe Kraft finden können<br />

Schulpausen gehören zum Alltag von allen Grundschüler*innen. Doch für<br />

Lehrkräfte sind Pausen meist eher wenig erholsam, da diese meist mit organisationalen<br />

Aufgaben beschäftigt sind, den Unterrichtsraum wechseln oder ihrer<br />

Aufsichtspflicht nachkommen müssen. Schlichtweg: Die Schulpause ist für die<br />

Lehrkraft eher normale Arbeitszeit.<br />

In diesem Beitrag beantworten wir<br />

aus Sicht der Forschung, warum<br />

Arbeitspausen für Lehrkräfte so<br />

wichtig sind, wie sie gestaltet sein können<br />

und unter welchen Rahmenbedingungen<br />

eine gesundheitsförderliche<br />

Pausenorganisation gelingen kann.<br />

Was sind Arbeitspausen?<br />

Sobald wir arbeiten, sind wir körperlichen<br />

und psychischen Belastungen ausgesetzt<br />

und können uns dadurch beansprucht<br />

oder „gestresst“ fühlen. Unser<br />

Körper reagiert auf diese Belastungen<br />

und fährt seine Funktionen hoch. Der<br />

Prozess der Erholung ermöglicht es dem<br />

Körper, zu seiner ursprünglichen Funktionsweise<br />

wie vor der Belastungseinwirkung<br />

zurückzukehren. Arbeitspausen<br />

als Arbeitsunterbrechungen während<br />

einer Arbeitsschicht können diesen Erholungsprozess<br />

bei Beschäftigten unterstützen<br />

(Wendsche/Lohmann-Haislah<br />

2018).<br />

Arbeitspausen sind von längeren Erholungsphasen<br />

nach getaner Arbeit –<br />

der Ruhezeit – und von anderen Unterbrechungsarten<br />

abzugrenzen. Der Feierabend,<br />

das Wochenende, der Urlaub und<br />

die Sabbatzeit liefern einen bedeutsamen<br />

Beitrag zur Erholung. Dahingegen können<br />

Störungen der Erholungszeit oder<br />

z. B. Rufbereitschaftszeiten häufig erneut<br />

zu einem Belastungsanstieg führen und<br />

somit die Erholung und damit letztlich<br />

auch die Arbeitsleistung sowie das allgemeine<br />

Wohlbefinden beeinträchtigen<br />

(Puranik/Koopman/Vough 2020).<br />

Arbeits- und Erholungsphasen regelmäßig<br />

abwechselten und dass bereits<br />

vor über 3000 Jahren Pausensysteme<br />

die Arbeiter im Alten Ägypten beim<br />

Bau der Pyramiden und in der Landwirtschaft<br />

regelmäßig von der schweren<br />

Arbeit entlasteten. Als mit der fortschreitenden<br />

Industrialisierung im 19.<br />

Jahrhundert Kinder unter ex-trem langen<br />

Arbeitszeiten in Fabriken arbeiten<br />

mussten und dabei ihre Schulpflicht verletzten,<br />

entstand mit dem Preußischen<br />

Regulativ (1839) – einem Vorläufer des<br />

heutigen Arbeitsschutzgesetzes – das<br />

erste Gesetz, das die tagtägliche Höchstarbeitszeit<br />

jugendlicher Arbeiter*innen<br />

begrenzte und sie zu regelmäßigen<br />

Arbeitspausen verpflichtete.<br />

Forscher*innen begannen Ende des<br />

19. Jahrhunderts zunächst die Wirkungen<br />

von Pausen bei Schüler*innen zu<br />

untersuchen (Wendsche 2017). So konnte<br />

bspw. gezeigt werden, dass sich durch<br />

regelmäßige Pausen beim Diktat, beim<br />

Lernen von Zahlenreihen oder bei Rechenaufgaben<br />

die (Lern-)Leistung verbessern<br />

lässt. Die Vorteile von Lernpausen<br />

im Vergleich zum Lernen ohne Pausen<br />

sind inzwischen gut belegt (www.<br />

visiblelearningmetax.com/Influences).<br />

Pausenstudien zur Verbesserung der<br />

Arbeitsleistung bei industriellen Tätigkeiten<br />

schlossen sich an. Inzwischen wurden<br />

zahlreiche Gestaltungsmerkmale von<br />

Arbeitspausen, ihre Wirkungen und ihre<br />

Einflussgrößen untersucht (s. Abb. 1). Sie<br />

werden nachfolgend erläutert.<br />

Wie sieht die Erholungs- und<br />

Pausensituation bei Lehrkräften<br />

in Deutschland aus?<br />

In der BIBB-BAuA-Erwerbstätigenbefragung<br />

2012 berichteten 34 % der<br />

Beschäftigten aus Erziehung und Unterricht,<br />

dass ihre Ruhepausen häufig ausfallen<br />

(Lohmann-Haislah 2012). In<br />

der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2017<br />

berichten von den Grundschullehrkräften<br />

sogar 42 %, dass ihre Pausen<br />

häufig ausfallen und 52 %, dass ihre<br />

Pausen häufig unterbrochen/verkürzt<br />

werden. Die Daten sind allerdings aufgrund<br />

der kleinen Stichprobe (N = 65)<br />

vorsichtig zu interpretieren. Sie deuten<br />

aber darauf hin, dass die Probleme mit<br />

Historischer Rückblick (Wendsche<br />

2017)<br />

Die Gliederung des Arbeitstages durch<br />

regelmäßige Pausen ist keine Erfindung<br />

der Neuzeit. Aus anthropologischen Studien<br />

ist bekannt, dass sich bereits in vorzeitlichen<br />

Jäger- und Sammlerkulturen<br />

Abb. 1: Einflussgrößen, Gestaltungsmerkmale und Wirkungen der Pausenorganisation<br />

(siehe Wendsche/Lohmann-Haislah 2018)<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

29


Aus Praxis: der Pausenkulturen<br />

Forschung<br />

der Pausenorganisation häufiger als bei<br />

Lehrkräften anderer Schulstufen (bspw.<br />

Sekundar- und Berufsschullehrkräfte;<br />

Pausenausfall/Pausenunterbrechung:<br />

37/33 %, N = 705) und bei Beschäftigten<br />

anderer Berufe (Pausenausfall/Pausenunterbrechung:<br />

28/16 %, N = 7.556) auftreten.<br />

In der Gesamtstichprobe hingen<br />

der häufigere Pausenausfall und die<br />

häufigere Pausenunterbrechung/-verkürzung<br />

mit höheren gesundheitlichen<br />

Beschwerden zusammen (Vieten et al.<br />

2023).<br />

Betrachtet man nur die Grund- und<br />

Sekundarschullehrkräfte (N = 316), so<br />

zeigen sich vergleichbare Risiken für das<br />

Erleben von Ermüdungs- und Erschöpfungssymptomen<br />

(s. Abb. 2).<br />

Bei einer Mitarbeiter*innenbefragung<br />

in sächsischen Schulen bemängelte die<br />

Mehrheit der Schulleitungen und Personalvertretungen<br />

eingeschränkte Erholungsmöglichkeiten<br />

der Lehrkräfte in den<br />

Pausen (Debitz/Hubrich/Roitzsch 2022).<br />

Dies zählte schulartübergreifend zu den<br />

stärksten Belastungsquellen in der Arbeit.<br />

Auch in der Niedersächsischen Arbeitsbelastungsstudie<br />

2016 beschreiben über<br />

80 % der Lehrkräfte ein Belastungserleben<br />

aufgrund fehlender Erholungsmöglichkeiten<br />

in den Schulpausen (Mußmann/Hardwig/Riethmüller<br />

2017). Eine Nachfolgestudie<br />

ergab ähnliche Ergebnisse, zusätzlich<br />

berichteten 77 %, dass sie häufig ihre<br />

Pausen verkürzen oder ausfallen lassen<br />

müssen (Mußmann et al. 2020).<br />

Aktuelle Pausengestaltung bei Lehrkräften<br />

Insgesamt zeigen diese Daten, dass<br />

bei Lehrkräften, insbesondere im<br />

Grundschulbereich, (1) Mindestanforderungen<br />

an die Gestaltung von<br />

Ruhepausen laut Arbeitszeitgesetz oft<br />

nicht eingehalten werden, (2) damit<br />

akuter Verbesserungsbedarf hinsichtlich<br />

der Pausenorganisation besteht<br />

und (3) solche Maßnahmen potenziell<br />

gesundheitsförderliche Wirkungen für<br />

die Lehrkräfte erzielen dürften.<br />

In der Forschung wurden acht zentrale<br />

Funktionen von Arbeitspausen ermittelt<br />

(Wendsche 2017). (1.) Erholung findet<br />

in den Pausen statt, wenn nicht<br />

gearbeitet oder die Tätigkeit gewechselt<br />

wird. Daher spielt die Auswahl erholsamer<br />

Aktivitäten eine wichtige Rolle<br />

für den Pausenerfolg. Erholungsförderlich<br />

und damit entscheidend für den<br />

Erfolg von Pausen ist es, wenn man sich<br />

in der Erholungspause mental von der<br />

Arbeit distanzieren kann, sich entspannt,<br />

sich sozial eingebunden fühlt und die<br />

Erholungsphase als sinnhaft, lernförderlich<br />

sowie beeinflussbar erlebt. Pausen<br />

haben (2.) eine motivationale und (3.)<br />

ablauforganisatorische Funktion, indem<br />

sie die Gesamtarbeitszeit in kürzere Teilabschnitte<br />

gliedern. Sie dienen weiterhin<br />

dem (4.) Belastungsausgleich und<br />

der (5.) Belastungsbegrenzung und bieten<br />

Zeitfenster, um über bewältigte und<br />

anstehende Arbeitsziele zu reflektieren<br />

(6. Feedbackfunktion). Pausen ermöglichen<br />

es auch, (7.) individuellen Bedürfnissen<br />

(Individualfunktion) nachzukommen,<br />

die durch oder während der<br />

Arbeit nur wenig befriedigt werden (z. B.<br />

Bewegung oder Nahrungsaufnahme).<br />

Nicht zu vergessen sind (8.) die sozialen<br />

und betriebskulturellen Aspekte der<br />

Pause (Sozial- und Kulturfunktion) zur<br />

Unterstützung der Arbeit und des sozialen<br />

Austausches in Arbeitsgruppen.<br />

Was sind Stellgrößen der<br />

Pausenorganisation?<br />

Die Pausenorganisation ist durch<br />

gesetzliche und betriebliche Regeln,<br />

das Pausenregime, die Pausentätigkeit,<br />

die Pausenumgebung und die individuellen<br />

Einflussmöglichkeiten des/der<br />

Beschäftigten auf die zuvor genannten<br />

Merkmale beschreib- und gestaltbar.<br />

Zu den gesetzlichen und betrieblichen<br />

Regeln (z. B. im Rahmen von Dienstoder<br />

Betriebsvereinbarungen) gehören<br />

Anforderungen an die Mindestpausendauer,<br />

die Pausenlage, die zeitliche Erfassung<br />

von Pausenzeiten und Kurzpausenregeln.<br />

Das Pausenregime wird durch die<br />

Gesamtpausendauer an einem Arbeitstag,<br />

die Dauer und Häufigkeit von Einzelpausen<br />

(sowohl Ruhepausen ≥ 15 Minuten<br />

als auch Kurz-, Mini-, und Mikropausen<br />

< 15 Minuten) sowie deren Lage und Verteilung<br />

beschrieben. Erholungsförderlich<br />

ist es, wenn Pausen planbar sind.<br />

Hinweis zur Gestaltung<br />

von Pausenaktivitäten<br />

Insbesondere Aktivitäten, die Anforderungen<br />

aus der Arbeit kompensieren,<br />

d. h. gegenteilig zur Arbeit sind, werden<br />

als erholsam erlebt.<br />

Anforderungen an die Gestaltung<br />

von Pausen- und Sozialräumen sind in<br />

den Arbeitsstättenregeln (ASR 4.2) formuliert.<br />

Zu vermeiden sind dabei starke<br />

physikalische Stressoren (z. B. Hitze,<br />

Lärm). Pausen in natürlichen Umwelten,<br />

wie z. B. in Parks oder in Pausenräumen<br />

mit Naturelementen, und v. a. das Verlassen<br />

des Arbeitsplatzes fördern die Erholung<br />

zusätzlich (Wendsche 2023). Wichtig<br />

ist es, dass Beschäftigte bei der Gestaltung<br />

betrieblicher Pausenregeln mitbestimmen<br />

können, da häufigere und<br />

selbstbestimmte Pausen oft erwünscht<br />

sind (Pardion/Lazar 2017).<br />

Welche Funktionen haben Pausen?<br />

Abb. 2: Relative Häufigkeiten berichteter Ermüdungs- und Erschöpfungssymptome<br />

in Abhängigkeit von der Pausenorganisation bei Primar- und Sekundarschullehrkräften<br />

(N = 316 bis 65 Jahre mit gesetzlichem Pausenanspruch,<br />

BAuA-Arbeitszeitbefragung 2017)<br />

30<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Aus Pausenkulturen<br />

der Forschung<br />

Welche gesetzlichen<br />

Regeln gibt es?<br />

Handlungsleitend für die Pausenorganisation<br />

sind die Mindestanforderungen<br />

aus dem Arbeitszeitgesetz<br />

(ArbZG). Demnach muss die<br />

Gesamtpausendauer bei sechs- bis<br />

neunstündiger Gesamtarbeitszeit mindestens<br />

30 Minuten betragen und mindestens<br />

45 Minuten bei mehr als neun<br />

Stunden Gesamtarbeitszeit. Einzelne<br />

Ruhepausen müssen mindestens<br />

15 Minuten lang sein. Nach aktueller<br />

Rechtsprechung ist die Arbeitszeit der<br />

Lehrkräfte inklusive Pausen- und Ruhezeiten<br />

zu dokumentieren.<br />

Die Lage und Verteilung der Ruhepausen<br />

müssen bereits zu Beginn der<br />

Arbeitsaufnahme planbar sein. Ruhepausen<br />

dürfen nicht an den Anfang<br />

und/oder das Ende der Arbeitszeit gelegt<br />

werden („Abfeiern“). Beschäftigte müssen<br />

während der Ruhepause nicht arbeiten<br />

und sich nicht für zwischenzeitlich<br />

anfallende Arbeitstätigkeiten bereithalten.<br />

Die Wahl der Pausentätigkeiten und<br />

des Pausenortes obliegt den Beschäftigten.<br />

Regelungen zur Pausenorganisation,<br />

die über diese Mindestanforderungen<br />

hinausgehen, können durch spezielle<br />

Betriebs- oder Dienstvereinbarungen<br />

geschlossen werden; bspw. die Einführung<br />

regelmäßiger Kurzpausen. Zusätzlich<br />

kann es bei einer regelmäßig extrem<br />

hohen physiologischen Arbeitsbelastung<br />

(z. B. starke Konzentrationsanforderungen<br />

bei Fluglotsen) nötig sein, bezahlte<br />

Kurzpausen einzuführen, um eine Überschreitung<br />

der Grenzen der Dauerleistungsfähigkeit<br />

vorzubeugen.<br />

Welche Wirkungen haben Pausen?<br />

Erholungsaktivitäten, die nur geringe<br />

Anforderungen an den Beschäftigten<br />

stellen (z. B. Musik hören), positive<br />

Erholungserfahrungen (z. B. Abschalten<br />

von der Arbeit, Entspannung) und das<br />

Erholungserleben hängen mit zahlreichen<br />

erwünschten Folgen positiv<br />

zusammen (z. B. Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit,<br />

Schlaf und Arbeitsleistung;<br />

Steed et al. 2021).<br />

Auch die Wirkungen von Arbeitspausen<br />

sind gut untersucht (Wendsche/Lohmann-Haislah<br />

2016). Demnach tragen<br />

Pausen zur Vorbeugung körperlicher<br />

und psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />

bei, sie erhöhen die Arbeitsleistung,<br />

sie wirken lern- und kreativitätsförderlich<br />

und reduzieren Risiken für<br />

das Auftreten von Arbeitsunfällen und<br />

Fehlzeiten bei Mitarbeiter*innen. Pausen<br />

tragen substanziell zur Mitarbeiter*innenbindung<br />

bei und verringern Risiken,<br />

dass Beschäftigte kündigen.<br />

Die Vorteile von Kurzpausen (z. B. 5 Minuten<br />

pro Stunde) sind ebenso nachgewiesen,<br />

bspw. hinsichtlich eines höheren körperlichen<br />

und psychischen Wohlbefindens,<br />

einer geringeren physiologischen<br />

Thema Veränderungsvorschläge Mögliche Herausforderungen<br />

Aufklärung und<br />

Sensibilisierung der<br />

Lehrkräfte für Pause<br />

und Erholung<br />

Veränderung der<br />

Ablauforganisation<br />

im Schulalltag<br />

„One-fits-all“ und<br />

schulspezifisches<br />

Vorgehen<br />

Pausenregime<br />

Pausenort und<br />

Pausentätigkeit<br />

• Information und Schulung<br />

• Teaminterne Fortbildungen, Erfahrungsaustausch<br />

(bspw. gegenseitiges Vorstellen von Best-Practice-<br />

Beispielen)<br />

• Stundenorganisation ändern, um längere Übergänge<br />

und Pausen zu ermöglichen<br />

• Blockunterrichtszeiten<br />

• Lehrkraftaufgaben (z. B. Vor-/Nachbereitung) aus den<br />

Schulpausen verlagern<br />

• Aufsichten optimieren (Helfer*innen, Schulkinder<br />

ermächtigend einbeziehen)<br />

• Individuelle Mitsprache bei Übernahme von Aufsichten<br />

(Tageszeit, Ort) stärken<br />

• Springersysteme entwickeln, evtl. Wechselsysteme bzgl.<br />

Pausenort (Hof- vs. Zimmerpausen) für Schulkinder<br />

• Gesetzliche Muss-Regeln umsetzen<br />

• Schulkontext und Rahmenbedingungen berücksichtigen<br />

• Partizipatives Vorgehen bei Maßnahmenentwicklung<br />

• Längere Pausen ermöglichen (z. B. Unterrichtspause<br />

von 50 Minuten in der Mittagszeit)<br />

• Feste Pausenregeln installieren<br />

• Lehrkraftzimmer und Schulzimmer erholungsförderlich<br />

gestalten, Ruhebereiche gestalten, freie Zimmer für<br />

Pause nutzen<br />

• Störungsfreie Pausen sichern und Regeln für Schulkinder<br />

ausstellen, wann Lehrkraftgespräche möglich sind<br />

• Angebote für verschiedene Pausenaktivitäten erarbeiten<br />

(z. B. Trink-, Obst-, Bewegungs-, Gesprächs-, Entspannungspausen)<br />

• Kurzpausen in der Unterrichtsstunde<br />

• Reaktanz durch Rollenkonflikte<br />

(selber „belehrt“ werden)<br />

• Abbau negativer Einstellungen zu Pause und Erholung<br />

• Stärkung der Eigenverantwortung<br />

• Infragestellung etablierter Stundenplanungskonzepte<br />

• Strukturelle Barrieren (z. B. Abfahrtszeiten der<br />

Schulbusse, externe Essensversorgung)<br />

• Eventuelle Aufwandsteigerung ohne Reduktion der<br />

Arbeitsmenge<br />

• Klassenanzahl und räumliche Gegebenheiten als<br />

Determinanten der Aufsichtsorganisation<br />

• Unstimmigkeiten bei Zuordnung zu Pausengruppen<br />

(bspw. Gefühl der Unfairness)<br />

• Ungünstige räumliche Bedingungen nicht ad hoc<br />

veränderbar<br />

• Fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Lehrkräfte<br />

• Unterrichtsende verschiebt sich nach hinten<br />

• Gefühl, kontrolliert zu werden<br />

• Finanzielle Kosten, Platzmangel<br />

• Regeln einhalten und kontrollieren<br />

• Umgang mit kritischen Situationen (Schulkind stört<br />

doch die Lehrkraftpause)<br />

• Geringe Mitwirkungsbereitschaft in Gruppenpausen<br />

(z. B. gemeinsame bewegte Pause)<br />

• Aufbau und Pflege neuer Pausenrituale dauert<br />

Tab. 1: Vorschläge für die Reorganisation von Pausen bei Lehrkräften und mögliche Herausforderungen<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

31


Aus Praxis: der Pausenkulturen<br />

Forschung<br />

Belastung und einer höheren Arbeitsleistung<br />

(Wendsche/Lohmann-Haislah/Wegge<br />

2016). Daher sollte der Arbeitstag nicht<br />

nur längere Ruhepausen, sondern auch regelmäßige<br />

Kurzpausen beinhalten.<br />

Welche Faktoren beeinflussen<br />

die Pausengestaltung?<br />

Dr. Johannes Wendsche, (links)<br />

Diplom-Psychologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Gruppe 3.3 „Arbeitsgestaltung bei personenbezogenen<br />

Dienstleistungen“, Fabricestrasse 8, D-01099 Dresden,<br />

E-Mail: wendsche.johannes@baua.bund.de.<br />

Dr. Yasemin Z. Varol,<br />

M. Sc. Psychologie, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Pädagogische<br />

Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt/Main, Theodor-W.-Adorno-<br />

Platz 6, D-60629 Frankfurt am Main, E-Mail: varol@psych.uni-frankfurt.de.<br />

Sten Ullmann,<br />

ist staatlich examinierte Grundschullehrkraft und Moderator beim Austausch für<br />

Beratungslehrkräfte in Sachsen, Dresden, E-Mail: StenUllmann@T-online.de.<br />

Es wurden zahlreiche Faktoren identifiziert,<br />

die Beschäftigte motivieren, eine<br />

Pause einzulegen oder aber diese ausfallen<br />

zu lassen (Phan/Beck 2023). Auslöser<br />

von Pausen sind das Erleben von<br />

Ermüdung, der Wunsch, individuelle<br />

Bedürfnisse zu befriedigen (z. B.<br />

Hunger, sozialer Kontakt, Distanzierung<br />

von der Arbeit), sowie das Gefühl,<br />

dass die eigene Arbeitsleistung nachlässt.<br />

Treiber des Pausenausfalls sind<br />

hohe Arbeitsanforderungen (z. B. Zeitdruck,<br />

hohe emotionale oder kognitive<br />

Anforderungen), der Wunsch, die<br />

Arbeitsaufgaben zeitnah zu beenden,<br />

eine starke intrinsische Motivation (z. B.<br />

reduziertes Zeiterleben, Vertiefung in die<br />

Aufgabe) sowie die Erfüllung von (vermeintlichen)<br />

gruppenbezogenen Normen<br />

(z. B. in Bezug auf die Erwartungen<br />

des Kollegiums).<br />

Die Schulleitung spielt ebenso eine<br />

zentrale Rolle, wenn es darum geht,<br />

konkrete Regeln und Praktiken zur Erholungsförderung<br />

zu implementieren<br />

(Wendsche 2023). Studien zeigen, dass<br />

in Organisationen mit einer starken Erholungskultur,<br />

Führungskräfte eher gesundheitsförderlich<br />

führen (als Vorbild<br />

und als Unterstützung ihrer Mitarbeiter*innen)<br />

und die Beschäftigten dort<br />

ein günstigeres Erholungsverhalten (z. B.<br />

weniger Pausenausfall, seltener Arbeit in<br />

der Ruhezeit) sowie ein höheres Wohlbefinden<br />

und eine höhere Arbeitsmotivation<br />

berichten.<br />

Auch die Erholungsfähigkeit und die<br />

Pausenabsicht der Beschäftigten beeinflussen<br />

ihre Erholung (Blasche et al.<br />

2021). Allerdings berichten Lehrkräfte<br />

wesentlich häufiger von Erholungsproblemen<br />

als Beschäftigte in anderen Berufsgruppen,<br />

was einen starken Risikofaktor<br />

für das Auftreten von gesundheitlichen<br />

Beschwerden sowie Krankentagen<br />

darstellen kann (Schulz et al. 2020; Varol<br />

et al. 2021).<br />

Neben der Beseitigung erholungskritischer<br />

Arbeitsbedingungen (Verhältnisprävention)<br />

sollten Beschäftigte daher betriebliche<br />

Angebote zur Förderung ihrer<br />

Erholungsfähigkeit bekommen (Verhaltensprävention).<br />

So haben sich z. B.<br />

Schlaf-, Achtsamkeits- und Emotionsregulationstrainings<br />

sowie Trainings zur<br />

Verbesserung der Grenzziehung zwischen<br />

Arbeit und Privatleben als wirksam<br />

erwiesen (Karabinski et al. 2021).<br />

Wie kann man die Pausenkultur in<br />

Grundschulen ändern und welche<br />

Herausforderungen gibt es dabei?<br />

Typische Themen bei der Ableitung<br />

von Maßnahmen zur Verbesserung der<br />

Pausenorganisation sind die Festlegung<br />

der Anzahl und Verteilung von Pausen,<br />

die Gestaltung des Pausenortes und der<br />

Pausentätigkeiten, die Veränderung weiterer<br />

Arbeitsbedingungsfaktoren (z. B.<br />

Art und Anzahl der Unterrichtsstunden,<br />

tageszeitliche Aufgabenverteilung) und<br />

betriebsorganisatorische Aspekte (z. B.<br />

Planung/Konzeption, Rückmeldung<br />

und Partizipation) mit Einfluss auf<br />

die Pausen. Dabei hat es sich als hilfreich<br />

erwiesen, Lösungsvorschläge von<br />

Beschäftigten hinsichtlich der Bedarfe<br />

und Umsetzbarkeit einzuholen.<br />

Zunächst müssen allerdings die Vorgaben<br />

umgesetzt werden, die gesetzlich<br />

erforderlich sind und dann weitere, die<br />

mit den Beschäftigen (= Lehrpersonen)<br />

gemeinsam gestaltet werden. Am Beispiel<br />

der Reorganisation von Pausen in<br />

der Pflege kann die Wichtigkeit eines<br />

solchen kooperativen Prozess verdeutlicht<br />

werden (Jaensch et al. 2020). In<br />

einem Arbeitsbereich, bei dem – wie in<br />

der Schule – Pausen oft ausfallen oder<br />

unterbrochen werden und zudem häufig<br />

Überwachungsaufgaben während<br />

der Pausenzeiten anfallen – vergleichbar<br />

mit der Pausenaufsicht in Schulen<br />

–, haben sich Pausengruppen und rotierende<br />

Springersysteme bewährt. In solchen<br />

Organisationsformen werden die<br />

Beschäftigten vor Arbeitsbeginn verschiedenen<br />

Pausengruppen zugeordnet,<br />

die dann zeitlich versetzt pausieren bzw.<br />

täglich wechselnd einzelne Personen bestimmt,<br />

die sich anfallenden arbeitsbedingten<br />

Pausenunterbrechungen (z. B.<br />

Schülernachfragen im Lehrkraftzimmer)<br />

widmen (Melzer/Wendsche 2021).<br />

In Tabelle 1 haben wir zur Anregung<br />

einige Veränderungsvorschläge und<br />

mögliche Herausforderungen im Kontext<br />

der Reorganisation von Lehrkraftpausen<br />

gesammelt und ergänzt (siehe<br />

Debitz/Hubrich/Roitzsch 2022; Mußmann/Hardwig/Riethmüller<br />

2017).<br />

Fazit<br />

Lehrkräfte sind zahlreichen beruflichen<br />

Belastungen ausgesetzt, die bei einem<br />

Mangel an regelmäßiger Erholung<br />

langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />

führen können. Da der<br />

32<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Lehrer*innenberuf häufig erfordert,<br />

dass unterrichtsvor- und unterrichtsnachbereitende<br />

Tätigkeiten<br />

am häuslichen Arbeitsplatz erledigt<br />

werden, entstehen durch die<br />

Vermischung von Arbeitswelt und<br />

außerberuflicher Lebenswelt Risiken<br />

für die tägliche Erholung nach<br />

der Arbeit (Türktorun/Weiher/<br />

Horz 2020).<br />

Aus arbeitswissenschaftlicher<br />

Sicht empfiehlt es sich daher, den<br />

Anteil an Heimarbeit zu reduzieren<br />

und schultypische Tätigkeiten<br />

(bspw. Korrigieren) an einen ergonomisch<br />

eingerichteten Arbeitsplatz<br />

in die Schule zu verlegen. Erholungsrisiken<br />

sind allerdings auch<br />

während der Arbeitszeit in der<br />

Schule offensichtlich, da ein Großteil<br />

der Lehrkräfte einen Mangel an<br />

Pausenzeiten berichtet. Neben der<br />

Sensibilisierung von Lehrkräften<br />

für das Thema Erholung und dem<br />

Angebot von individuellen Maßnahmen<br />

zur Förderung der Erholungsfähigkeit,<br />

bedarf es allerdings<br />

struktureller Veränderungen, die<br />

zur Einhaltung der gesetzlich geforderten<br />

Arbeitszeitvorschriften (Pausen-<br />

und Ruhezeiten) beitragen.<br />

Es gibt verschiedene Bereiche, in<br />

denen Verbesserungen vorgenommen<br />

werden können. Dazu gehören<br />

die Stunden- und Pausenorganisation,<br />

die Gestaltung von Erholungsorten<br />

in der Schule, die Aufsichts-<br />

und Tätigkeitsplanung sowie<br />

die Einführung von Pausengruppen<br />

und Springersystemen.<br />

Aus bisherigen Untersuchungen<br />

können wir ableiten, dass eine hohe<br />

Arbeitsintensität zu den stärksten<br />

Risikofaktoren für den Ausfall<br />

von Pausen zählt (Wendsche/Lohmann-Haislah<br />

2018). Bei der Festlegung<br />

des Lehrdeputats müssen<br />

deshalb potenzielle Risiken für die<br />

Erholung der Lehrkraft bekannt sein<br />

(dazu gibt es nach unserem Wissen<br />

keine umfangreichen Studien) und<br />

möglichst grenzwertbasiert vorgebeugt<br />

werden.<br />

Literaturangaben zum Artikel<br />

können Sie von unserer Website<br />

herunterladen:<br />

https://t1p.de/<strong>GSa163</strong>Lit<br />

Aus dem Vorstand<br />

Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit<br />

Zwei wichtige Veranstaltungen der<br />

letzten Zeit sollen hier von unserer<br />

Seite aus noch einmal in den<br />

Blick genommen werden: Die<br />

Delegiertenversammlung vom Mai 2023<br />

sowie die gemeinsame Veranstaltung<br />

mit der GGG „Verantwortung für<br />

Bildungsgerechtigkeit – Startchancen-<br />

Programm als Chance“ am 10. Juni 2023<br />

an der Fritz-Karsen-Schule Berlin.<br />

Besonders erfreulich ist, dass sich offensichtlich<br />

immer mehr junge Menschen<br />

in der Verbandsarbeit engagieren.<br />

So konnten wir bei der Mai-Delegiertenversammlung<br />

eine Reihe von jungen<br />

Neuen begrüßen, die sich allesamt aktiv<br />

in die Diskussion einbrachten.<br />

Mit Blick auf die 2020 eingesetzten<br />

Arbeitsgruppen können wir eine offensichtlich<br />

positive Wirkung auf das Verbandsgeschehen<br />

feststellen:<br />

● Neben einem steten, wenn auch moderaten<br />

Rückgang der Austritte von<br />

Mitgliedern ist ein ebenso steter und<br />

moderater Zugang bei den Neueintritten<br />

zu verzeichnen.<br />

● Mit der Neuordnung der Beitragsstruktur<br />

erreichte uns eine Fülle von<br />

Änderungswünschen. Diese zeigen,<br />

dass diese Änderungen den Wünschen<br />

vieler Mitglieder entgegenkommen.<br />

● Durch gezielte Aktivitäten im Social-<br />

Media-Bereich erreichen wir immer<br />

mehr auch junge Menschen und machen<br />

unseren Fachverband auch in<br />

dieser Gruppe bekannter.<br />

● Die steigende Zahl der Abonnent*innen<br />

des neugestalteten Newsletters<br />

zeigt, dass wir auch hier auf einem<br />

guten Weg sind.<br />

Nachdem Prof. Dr. Ulla Carle ihr Amt,<br />

wie angekündigt, in der Novemberversammlung<br />

zurückgegeben hatte, konnte<br />

mit der Neuwahl von Prof. Dr. Eva<br />

Franz (Uni Trier) der Vorstand wieder<br />

vervollständigt werden. Sie wurde ebenso<br />

herzlich begrüßt wie Prof. Dr. Uta<br />

Häsel-Weide (Uni Paderborn) und Prof.<br />

Dr. Marcus Nührenbörger (Uni Münster),<br />

die als neue Fachreferent*innen<br />

für den Bereich mathematisches Lernen<br />

im Kontext von Heterogenität<br />

gewonnen werden konnten und gleichfalls<br />

einstimmig gewählt wurden. Den<br />

Neugewählten gilt unser Dank für ihre<br />

Bereitschaft, im Verband mitzuwirken<br />

– wir freuen uns auf die zukünftige<br />

Zusammenarbeit!<br />

Neben vielen intensiv diskutierten Tagesordnungspunkten<br />

wurde der überarbeitete<br />

Standpunkt Inklusion von den<br />

Delegierten verabschiedet, sukzessive<br />

werden alle Standpunkte auf den Prüfstand<br />

gestellt und ggfs. Überarbeitungen<br />

vorgenommen, wo dies sinnvoll erscheint.<br />

Die Delegiertenversammlung bot<br />

auch den Rahmen, Michael Töpler, der<br />

sieben Hefte von Grundschule aktuell<br />

redaktionell betreut hatte, würdevoll aus<br />

dieser Verantwortung zu verabschieden<br />

und sich für seine Bereitschaft einer weiteren<br />

Mitarbeit zu bedanken.<br />

Erstmalig haben die Gemeinnützige<br />

Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und<br />

der Grundschulverband (GSV) eine gemeinsame<br />

Veranstaltung zum Startchancenprogramm<br />

organisiert und am<br />

10.06.2023 in Berlin durchgeführt. Vortrag,<br />

Podiumsgespräch und vier Foren<br />

boten einen wirkungsvollen Rahmen<br />

für eine überzeugende Positionierung<br />

beider Verbände zum Startchancenprogramm,<br />

das Kindern und Jugendlichen<br />

bessere Bildungschancen eröffnen soll.<br />

In der derzeitigen endlosen Debatte von<br />

Bund und Ländern um die Mittelverteilung<br />

fordern wir schnellste Einigung,<br />

um Bildungsbiografien und -erfolge von<br />

Kindern nicht mehr länger herkunftsbedingt<br />

einzuschränken, das Kinderrecht<br />

auf allseitige Bildung einzulösen und<br />

Schulen in herausfordernden Lagen besonders<br />

zu unterstützen und zu begleiten.<br />

Bei aller Freude über erzielte Fortschritte<br />

und gemeinsame Aktivitäten<br />

wurde deutlich: Wir alle müssen gemeinsam<br />

stetig daran arbeiten, den Verband<br />

weiter voranzubringen. Wir freuen uns<br />

über alle, die sich dabei aktiv und engagiert<br />

einbringen und im Bund und den<br />

Landesgruppen mitwirken. Kommen Sie<br />

mit vielen Menschen ins Gespräch und<br />

werben Sie für unseren Grundschulverband.<br />

Jede Stimme zählt!<br />

Edgar Bohn, Marion Gutzmann<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

33


Praxis: Rundschau Pausenkulturen<br />

Marion Gutzmann<br />

Kinderbücher zum Thema:<br />

Kulinarisches und Literarisches für die Pause<br />

Wie in der Winterhuder Reformschule (vgl. Cunis & Karlsberg in dieser Zeitschrift)<br />

Kindern Freiräume in den Pausen und beim Essen geschenkt werden, macht deutlich,<br />

dass es sich lohnt, das Mittagessen oder das Frühstück in der Schule für alle<br />

Kinder geschmackvoll, genussvoll und erfahrungsreich zu organisieren. Das Essen<br />

soll schmecken und das Miteinander-Essen Spaß machen. Viele Kinderbücher greifen<br />

diese Aspekte auf. Ob die Esssituationen durch erheiternde Sprüche eröffnet<br />

und damit auch sprachlich begleitet werden, Rituale und Praktiken beim Inszenieren<br />

von Pausenfrühstück und Mittagessen reflektiert werden oder dem Weg von<br />

Lebensmitteln auf die Spur gekommen wird: Es lohnt sich, die Potenziale der Thematik<br />

für die Gestaltung des Schulalltags und die Entwicklung einer Pausenkultur<br />

zu nutzen. Aktuelle Themen wie Ernährungsbildung, Klimaschutz, Biodiversität,<br />

Fair Trade oder Upcycling bilden Anknüpfungspunkte – und: Mit dem Blick über<br />

den Tellerrand bietet es sich an, Länder und Kulturen auch vom Esstisch aus zu erkunden.<br />

Tischsprüche für jeden Geschmack und mehr Spaß beim Essen<br />

regen stimmungsvoll zum Mitreimen und zu guter Laune<br />

in gemeinsamen Esssituationen an. Wie der Titel „Lirum Larum<br />

Lecker – Reime zum Reinhauen“ und das lustige Cover schon<br />

verraten, sind in diesem quadratischen Buch viele originelle<br />

Reime, sowohl bekannte Verse aus der eigenen Kinderzeit<br />

als auch neue freche Sprüche, in unterschiedlichen Dialekten<br />

und als englischer Reim kunterbunt versammelt. Reime wie der von den kleinen<br />

Räubern bringen zusätzlich Bewegung in das sprachliche Vergnügen: „… Erst mal mit<br />

den Fingern zappeln,/kräftig mit dem Popo wackeln./Liebevoll die Bäuche streichen,/<br />

über Kreuz die Hände reichen./ …“ Witzig und schräg verbreiten die Illustrationen<br />

und Collagen von Saskia Pape, kombiniert mit Fotos, zusätzlich Spaß und gute Laune.<br />

Der Klett-Kinderbuch-Verlag hat das Buch als<br />

Neuausgabe aufgrund vieler Nachfragen mit<br />

neuem Cover, passend zu einem Gedicht von<br />

Frantz Wittkamp, frisch aufgetischt.<br />

(Ab 2 Jahren)<br />

Die unterschiedlichen Geschmäcker beim Essen lassen<br />

das Thema schnell zu einem Lieblings- oder einem<br />

Reizthema werden. In diesem mit Freude gereimten<br />

Buchspaß von Werner Holzwarth setzt er 10 Kinder abwechselnd<br />

zu Tisch. Spinat, Hühnerfrikassee, Milchreis,<br />

Forelle oder Pute werden von den einen sehr gemocht,<br />

von den anderen zutiefst verschmäht. Doch wohin mit<br />

dem Essen? Und so wiederholt sich zehnmal „Die geb ich Waldi unterm Tisch, der<br />

frisst fast alles, außer Fisch.“ Neunmal geht dies gut, beim letzten Mal gibt es Forelle,<br />

und Forellen sind doch Fisch! Auch wenn manche der Reimgeschichten nichts für<br />

Feinschmecker sind, den Kindern scheinen die Verse und die witzigen plakativen<br />

Illustrationen sehr zu gefallen. Zweimal wurde das Buch von Kindern für einen Preis<br />

ausgewählt und 2016 mit dem Bilderbuchpreis<br />

„Barmstedter Sternchen“ sowie<br />

mit dem „Witticher Wanderraben“<br />

ausgezeichnet.<br />

(Ab 5 Jahren)<br />

Saskia Pape (2023):<br />

Lirum Larum Lecker –<br />

Reime zum Reinhauen<br />

Klett Kinderbuch<br />

48 Seiten, € 14.00<br />

Werner Holzwarth (2015):<br />

Mag ich! Gar nicht!<br />

Ein Reim- und Magenbilderbuch<br />

Klett Kinderbuch<br />

32 Seiten, € 14,00<br />

Mit der Titelfrage<br />

„Wo kommt unser<br />

Essen her“ lädt das<br />

großformatige Sachbilderbuch<br />

zum Betrachten,<br />

Begreifen<br />

und Beantworten<br />

vieler Kinderfragen<br />

rund um Nahrungsmittel<br />

ein. Jede der Doppelseiten regt<br />

zum Nachdenken an, wie und wo Essen<br />

produziert und verarbeitet wird. Was ist<br />

z. B. anders, wenn ein Brötchen aus der<br />

Backstube vom Bäcker oder aus einer<br />

großen Backfabrik kommt? Julia Dürr erklärt<br />

mit leicht verständlichen Texten und<br />

detailreichen Bildern, woher Lebensmittel<br />

wie Brot, Milch, Fisch, Fleisch, Äpfel, Eier<br />

oder Tomaten kommen und welchen Weg<br />

sie nehmen, bis sie – wie auf dem Cover<br />

abgebildet – im Kühlschrank oder auf den<br />

Tellern landen. Jeweils 2 Doppelseiten<br />

widmen sich den einzelnen Lebensmitteln<br />

und wertfrei zwei verschiedenen Herstellungsweisen<br />

– auf der linken Seite ist<br />

z. B. abgebildet, wie Brot in der Backstube<br />

produziert wird, auf der rechten Seite<br />

„Brot aus der Backfabrik“ als Form der<br />

Großproduktion. Die erste Doppelseite<br />

zeigt großformatige Abbildungen mit<br />

einzelnen Begriffserklärungen wie z. B.<br />

Backstube, Gärschrank, Packmaschine<br />

oder Brötchenpresse. Auf der folgenden<br />

Doppelseite werden die Vorgänge der<br />

jeweiligen Herstellungsform mit kurzen<br />

Texten und Bildern erklärt. Abschließend<br />

bietet die letzte Doppelseite Impulse,<br />

selbst per Website, QR-Code oder Kennzeichnungen<br />

die Herkunft von Lebensmitteln<br />

zu ermitteln. Julia Dürrs Buch<br />

wurde 2021 von der Stiftung Buchkunst<br />

zu einem der schönsten deutschen<br />

Bücher gekürt sowie als MINT-Buch des<br />

Monats September 2020 (STUBE) und als<br />

Umweltbuch des Monats November 2020<br />

(Deutsche Akademie für Kinder- und<br />

Jugendliteratur) ausgezeichnet.<br />

(Ab 6 Jahren)<br />

Julia Dürr (2020):<br />

Wo kommt unser Essen her?<br />

Beltz & Gelberg<br />

40 Seiten, € 14.95<br />

34<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Die beiden Autorinnen haben in ihrem kunstvoll<br />

gestalteten Sachbilder-Kochbuch viele spannende<br />

Informationen über Essgewohnheiten, Kultur<br />

und Alltag rund um den Globus zusammengetragen.<br />

In dieser außergewöhnlichen Weltreise<br />

werden Informationen, Kartenauszüge, Rezepte,<br />

Rätsel und Mitmachtipps vorgestellt und von<br />

Stephania Marian detailreich illustriert und<br />

grafisch ansprechend mit Fotos zu Architektur,<br />

Landschaften, Porträts, Speisen und Getränken umgesetzt. 13 Kinder<br />

aus 13 Ländern, die im Buch zu Wort kommen und bereits im Inhaltsverzeichnis<br />

mit einem Foto und der Seitenzahl zu ihrem Beitrag sowie<br />

einem Pfeil auf der Weltkarte, der zu ihrem Land zeigt, vorgestellt werden,<br />

lernen die Leser:innen auf jeweils vier Doppelseiten Wissenswertes<br />

über Geschichte und Geografie des Landes kennen, erhalten Einblick in<br />

den Alltag der Kinder, in die Kultur und Essgewohnheiten. Abgerundet<br />

wird der Beitrag jeweils mit Spezialitäten-Rezepten des Landes und<br />

entsprechender Zutatenliste, die für Kinder verständlich und leicht<br />

nachkochbar sind. Interessant ist der Interviewbogen, in dem die<br />

Kinder u. a. befragt werden, was sie als Snack in der Lunchbox für das<br />

Pausenfrühstück in der Schule haben, was ihr Lieblingsessen oder was<br />

für sie gesundes Essen ist. Sprachlich anregend ist auch der Vergleich<br />

der Listen mit Chunks, wie man z. B. „Guten Appetit“, „Ich habe Durst“<br />

oder „Das schmeckt<br />

Paola Frattola Gebhardt,<br />

Leyla Köksai-Mergner (2022):<br />

Die Welt schmecken und entdecken –<br />

Eine kulinarische Weltreise für Kinder<br />

Südpol Verlag GmbH<br />

120 Seiten, € 24,00<br />

gut“ in der jeweiligen<br />

Sprache sagt.<br />

(Ab 6 bis 9 Jahren)<br />

Leckere und gesunde<br />

Pausensnacks für die<br />

Schule, die eine ausgewogene<br />

Ernährung<br />

bieten, wenig Vorbereitung<br />

erfordern und<br />

auch toll aussehen – das<br />

wünschen sich vor<br />

allem Kinder und Eltern.<br />

Dieses Buch von Veronika<br />

Pichl aus einer Reihe von Büchern zum<br />

Thema Ernährung bietet 60 Ideen zum Füllen<br />

einer Lunchbox. Jeder Vorschlag wird auf einer<br />

Doppelseite mit dem Rezept, der Zutatenliste<br />

und einem großen Farbfoto vorgestellt. Den<br />

Pausenbox-Ideen sind einleitend Hinweise<br />

zur gesunden Ernährung sowie Tipps zu gemeinsamen<br />

Ritualen von Eltern und Kindern<br />

zur Planung und zum Einkauf der Inhalte der<br />

Lunchbox vorangestellt. Insgesamt bietet das<br />

Buch eine Vielfalt von Möglichkeiten, die Brotdosen<br />

der Kinder abwechslungsreich zu füllen<br />

und ansprechend zu gestalten.<br />

Veronika Pichl (2022):<br />

MEAL PREP für Kinder – 60 leckere<br />

und gesunde Ideen für Pausenbrot<br />

und Lunchbox<br />

riva Verlag<br />

160 Seiten, € 15,99<br />

Felicita Salas’ liebevoll illustriertes Bilderbuch-<br />

Kochbuch lädt in die Wohngemeinschaft der<br />

Gartenstraße Nr. 10 ein, in der die Bewohner:innen<br />

auf jedem Stockwerk und in jeder<br />

Wohnung emsig ihre Lieblingsgerichte kochen,<br />

backen, brutzeln, abschmecken. In jeder Küche<br />

gibt es Besonderheiten und liebevolle Details<br />

zu entdecken, z. B. asiatische Schriftzeichen, die<br />

unterschiedliche Kleidung der Menschen, auch<br />

ein Baby in der Trage ist dabei. Da sieht man<br />

Frau Flores, die einen schmackhaften Bohneneintopf kocht, Herrn Ping,<br />

der Brokkolibäumchen mit Sesam brät, Penelope, die grünen Reis und<br />

Oliven zubereitet, oder Pilar, die gerade Tomaten für eine spanische Salmorejo-Suppe<br />

püriert. 15 Rezepte aus aller Welt laden die Leser:innen<br />

ein, die Vielfalt der Küchen verschiedener Kulturen zu entdecken. Ob<br />

ein Erdbeeren-Mandel-Crumble, eine Tomaten-Basilikum-Soße, Schoko-<br />

Erdnuss-Cookies oder ein arabischer Auberginendip – das Buch bietet<br />

neben den Rezepten viel Raum zum Entdecken, Erzählen, Ergänzen und<br />

lädt zum Mitkochen, Mitschmecken, Mitriechen und Mitessen ein. Zum<br />

Schluss laufen alle mit ihren Schüsseln, Platten und Töpfen durch das<br />

Treppenhaus, um im<br />

Garten alle Köstlichkeiten<br />

zu präsentieren<br />

und gemeinsam ein<br />

Fest zu feiern.<br />

(Ab 6 Jahren)<br />

Felicita Sala (2019):<br />

Grüner Reis und Blaubeerbrot –<br />

Lieblingsrezepte für Kinder aus aller Welt<br />

Aus dem Französischen<br />

Prestel Verlag<br />

44 Seiten, € 14,00<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

35


Praxis: Rundschau Pausenkulturen<br />

Kinder stark machen für die Zukunft<br />

Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik<br />

„alle für EINE WELT für alle“<br />

Unsere Welt ist geprägt von vielen<br />

komplexen und globalen<br />

Herausforderungen wie Krieg,<br />

Pandemie, Klimakrise, Wirtschaftskrise<br />

und Inflation. All diese Veränderungen<br />

drängen dazu, Lösungsansätze zu finden<br />

und Zukunftsvisionen zu entwickeln,<br />

um mit dieser Komplexität umgehen zu<br />

können. Dafür braucht es Mut. Mut<br />

zum Andersdenken, Mut zur Veränderung.<br />

Den Mut der Kinder und<br />

Jugendlichen, den globalen Kurswechsel<br />

mitzubestimmen, Chancen für Veränderungen<br />

zu identifizieren und eigene<br />

Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.<br />

Wie Kinder und Jugendliche mit Krisen<br />

umgehen, hängt mit ihrer Resilienz<br />

und Widerstandsfähigkeit zusammen.<br />

Besonders in Krisenzeiten müssen sie<br />

in ihrer eigenen Selbstwirksamkeit gestärkt<br />

werden, da Krisen sich auch auf<br />

die Psyche von jungen Menschen auswirken<br />

können. Resilienz und Widerstandsfähigkeit<br />

können erlernt werden,<br />

dabei spielt insbesondere der schulische<br />

Kontext eine wichtige Rolle. Dazu zählt<br />

unter anderem, dass die Kinder ermutigt<br />

werden müssen, den globalen Kurswechsel<br />

mitzugestalten und dass jede und jeder<br />

von uns seinen Beitrag dazu leisten<br />

kann!<br />

Der Schulwettbewerb zur<br />

Entwicklungspolitik startet in seine<br />

elfte Runde<br />

Wie kann man junge Menschen auf die<br />

Welt von morgen vorbereiten, besonders<br />

in Anbetracht der aktuellen globalen<br />

Herausforderungen? Welche Kompetenzen<br />

müssen wir ihnen an die Hand<br />

geben, um den globalen Kurswechsel<br />

mitbestimmen zu können? Diese Fragestellungen<br />

stehen auch im Fokus der elften<br />

Runde des Schulwettbewerbs zur<br />

Entwicklungspolitik mit dem Rundenthema<br />

„Globaler Kurswechsel: Sei du<br />

selbst die Veränderung!“. Kinder und<br />

Jugendliche sollen nicht nur lernen,<br />

komplexe Zusammenhänge zu verstehen,<br />

sondern vor allem eigene Handlungsspielräume<br />

zu entdecken, um das<br />

Weltgeschehen mitgestalten zu können.<br />

Der Wettbewerb ruft Schülerinnen und<br />

Schüler dazu auf, mutig zu sein und das<br />

Schicksal unseres Planeten selbst in die<br />

Hand zu nehmen. Ziel ist es, Kindern<br />

und Jugendlichen ein vertieftes Verständnis<br />

nachhaltiger Entwicklung zu<br />

ermöglichen und ihnen damit die Chance<br />

zu geben, angesichts zunehmender<br />

Komplexität der Welt ihre Unsicherheit<br />

und Ängste zu überwinden und<br />

damit das Rüstzeug zu erlangen, das sie<br />

benötigen, um als Gestalter von morgen<br />

heranzuwachsen.<br />

@Engagement Global<br />

Der Schulwettbewerb in Ihrem<br />

Unterricht<br />

Die begleitenden Unterrichtsmaterialien<br />

zur elften Runde des Schulwettbewerbs<br />

zur Entwicklungspolitik für die Klassen<br />

1–6 vermitteln Basiswissen zu den<br />

17 Zielen für nachhaltige Entwicklung<br />

und regen zur vertieften Beschäftigung<br />

mit ausgewählten Zielen und globalen<br />

Fragestellungen an: „Wie kann Energie<br />

nachhaltig sein? Was passiert, wenn<br />

Lebensmittel nicht mehr im Supermarkt<br />

ankommen? Und: glücklich sein in<br />

Krisenzeiten – geht das eigentlich?“ Die<br />

Schwerpunktthemen sollen die Schülerinnen<br />

und Schüler in ihrer eigenen<br />

Lebenswelt abholen und die Lernenden<br />

anregen, das Erlernte wieder zurück in<br />

ihre eigene Lebenswelt zu überführen.<br />

Die Beschäftigung mit den Themendossiers<br />

soll Mut machen, positiv in die<br />

Zukunft zu blicken und Chancen zu erkennen,<br />

diese zu ergreifen und eigene<br />

Handlungsoptionen zu entwickeln. Anhand<br />

von Beispielen, die sich an ihrer<br />

Lebenswelt orientieren, können die<br />

Schülerinnen und Schüler erkennen,<br />

dass Herausforderungen nicht unüberwindbar<br />

vor ihnen stehen müssen, und<br />

gleichzeitig lernen, mit Komplexität und<br />

Unsicherheiten umzugehen.<br />

Das Unterrichtsmaterial besteht aus<br />

einer Handreichung für Lehrkräfte mit<br />

Hintergrundinformationen und unterschiedlichen<br />

Impulsen für die Umsetzung<br />

im Unterricht. Begleitend dazu gibt es zu<br />

jedem Themendossier Arbeitsblätter zur<br />

selbstständigen Bearbeitung der Schülerinnen<br />

und Schüler. Das Unterrichtsmaterial<br />

ist kostenfrei und in digitaler sowie<br />

gedruckter Form erhältlich. Weiterführende<br />

Materialien zu den Themendossiers<br />

sowie zum Globalen Lernen finden sich<br />

in der großen Online-Materialsammlung<br />

auf der Website des Schulwettbewerbs zur<br />

Entwicklungspolitik.<br />

Kompetenzerwerb und der<br />

Orientierungsrahmen für den<br />

Lernbereich Globale Entwicklung<br />

Um Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />

systematisch im Unterricht aller Fächergruppen<br />

und Schulformen zu verankern,<br />

36<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Info<br />

Alle Materialien und Informationen zum Schulwettbewerb<br />

zur Entwicklungspolitik sind auf<br />

der Website unter www.eineweltfueralle.de<br />

zu finden!<br />

Kontakt:<br />

Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik<br />

Geschäftsstelle<br />

Engagement Global gGmbH<br />

Service für Entwicklungsinitiativen<br />

Friedrich-Ebert-Allee 40<br />

53113 Bonn<br />

Telefon: 0228 207172347<br />

Fax: 0228 207172321<br />

haben die Kultusministerkonferenz und<br />

das Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

gemeinsam den Orientierungsrahmen<br />

für den Lernbereich Globale Entwicklung<br />

initiiert. Dieser ist ein Beitrag zur Agenda<br />

2030 und zum UN<strong>ES</strong>CO-Weltaktionsprogramm<br />

„Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung“. Er benennt elf<br />

Kernkompetenzen in den Kompetenzbereichen<br />

Erkennen – Bewerten – Handeln,<br />

von denen sich fachbezogene<br />

Kompetenzen ableiten lassen. Der<br />

Orientierungsrahmen ist kostenfrei auf<br />

der Website des Schulwettbewerbs zur<br />

Bestellung oder zum Download verfügbar.<br />

Die Beschäftigung mit globalen Themen<br />

soll bei der Erarbeitung der Wettbewerbsbeiträge<br />

besonders den Kompetenzerwerb<br />

fördern. Die Grundschulmaterialien<br />

des Schulwettbewerbs tragen<br />

zur Erreichung der Kernkompetenzen des<br />

Orientierungsrahmens bei. Sie sprechen<br />

dabei insbesondere die Teilkompetenzen<br />

an, die bis zum Ende der vierten Jahrgangsstufe<br />

erworben werden sollten und<br />

die für jüngere und ältere Altersstufen<br />

entsprechend angepasst werden können.<br />

In der elften Runde des Schulwettbewerbs<br />

werden insbesondere Kompetenzen<br />

angesprochen, die es den Schülerinnen<br />

und Schülern ermöglichen, globale<br />

Herausforderungen aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven und auf verschiedenen<br />

Handlungsebenen zu betrachten, unterschiedliche<br />

Lösungsmöglichkeiten zu beurteilen<br />

und eigene Handlungsspielräume<br />

zu identifizieren und zu nutzen. Der<br />

Erwerb von globalen Kompetenzen und<br />

Perspektivenwechsel ist dabei eine zentrale<br />

Fähigkeit, um den globalen Kurswechsel<br />

aktiv mitgestalten zu können.<br />

Teilnehmen am Schulwettbewerb<br />

zur Entwicklungspolitik<br />

Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik<br />

findet seit dem Schuljahr<br />

2003/2004 alle zwei Jahre unter<br />

der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten<br />

und im Auftrag des<br />

Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung statt.<br />

Ziel des Schulwettbewerbs ist es, den<br />

Lernbereich Globale Entwicklung im<br />

Unterricht aller Jahrgangsstufen zu verankern<br />

und Kinder und Jugendliche für<br />

die EINE WELT zu sensibilisieren und<br />

zu aktivieren.<br />

Der Schulwettbewerb richtet sich an<br />

Schülerinnen und Schüler aller Klassen<br />

und Jahrgangsstufen, aller Schulformen<br />

und -fächer. Ob Texte, Fotos, Filme,<br />

Kunstwerke, Theater- oder Musikstücke,<br />

Plakate oder digitale Arbeiten – gesucht<br />

werden vielfältige, ideenreiche Projekte,<br />

Konzepte und Handlungsideen in jeder<br />

denkbaren Form. Wichtig ist, dass sich<br />

die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen<br />

globalen Perspektiven beschäftigen<br />

und sich mit den verschiedenen<br />

Aspekten der nachhaltigen globalen<br />

Entwicklung auseinandersetzen. Auch<br />

ist zu beachten, dass es sich um einen<br />

Teamwettbewerb handelt, daher sind<br />

leider keine Einzeleinsendungen möglich.<br />

Der Einsendeschluss der 11. Runde<br />

des Schulwettbewerbs zur Entwicklungspolitik<br />

ist der 6. März 2024, es gilt das<br />

Datum des Poststempels!<br />

Inspirationen, wie ein Beitrag aussehen<br />

kann, bietet die Wanderausstellung<br />

des Schulwettbewerbs. Sie beinhaltet<br />

ausgewählte Exponate und Inspirationen<br />

aus den vergangenen Wettbewerbsrunden.<br />

Alle Arbeiten vermitteln auf anschauliche<br />

Art verschiedenste Themen<br />

Globaler Entwicklung aus der Perspektive<br />

der Schülerinnen und Schüler. Die<br />

Wanderausstellung kann von Bildungseinrichtungen<br />

kostenfrei über die Website<br />

des Schulwettbewerbs angefordert<br />

werden. Sie wird für einen Zeitraum von<br />

zwei Wochen zur Verfügung gestellt und<br />

nach Altersgruppe und Themenschwerpunkt<br />

individuell zusammengestellt.<br />

Julia Kunz, Engagement Global<br />

Inspirationen von der Preisverleihung<br />

zur 10. Runde des Schulwettbewerbs<br />

zur Entwicklungspolitik<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

37


Praxis: Rundschau Pausenkulturen<br />

„National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V.“<br />

Was ist das? Und warum ist der<br />

Grundschulverband Mitglied?<br />

Das Übereinkommen über die<br />

Rechte des Kindes, das am 20.<br />

November 1989 von der Generalversammlung<br />

der Vereinten Nationen verabschiedet<br />

wurde und am 2. September<br />

1990 völkerrechtlich in Kraft trat, zählt zu<br />

den am meisten unterzeichneten und ratifizierten<br />

Menschenrechtsverträgen. Alle<br />

Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen<br />

(UN) – außer den USA – haben das<br />

Abkommen zwischenzeitlich ratifiziert. Es<br />

anerkennt Kinder als Träger von<br />

Menschenrechten und propagiert u.a. das<br />

Prinzip des Vorrangs des Kindeswohls<br />

und der Antidiskriminierung. Die 54<br />

Artikel der UN-KRK lassen sich inhaltlich<br />

in drei Gruppen gliedern: Förderung und<br />

Entwicklung, Schutz und schließlich<br />

Beteiligung.<br />

Die Bedeutung der UN-KRK für<br />

Grundschulkinder<br />

Für die Schule ergibt sich aus der UN-<br />

KRK u.a., dass sie jedes Kind gemäß<br />

seiner multiplen persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

allseitig fördern<br />

muss. Jede Verarmung des schulischen<br />

Bildungsangebots z. B. durch Wegfall von<br />

sogenannten Nebenfächern oder von<br />

Fremdsprachen vermindert die Chance,<br />

dass jedes Kind sich in der Schule<br />

allseitig bilden kann. Insbesondere die<br />

Auslesemechanismen des deutschen<br />

Schulsystems und die (statistisch hohe)<br />

Abhängigkeit des Schulerfolgs von der<br />

Herkunft zeigen, dass das Prinzip der<br />

Antidiskriminierung verletzt wird. Das<br />

Recht jedes einzelnen Kindes auf Förderung<br />

und Entwicklung der Persönlichkeit<br />

wird nicht ernst genug genommen.<br />

Auch hinsichtlich der Schutzrechte sieht<br />

es an Grundschulen in Deutschland oft<br />

nicht gut aus. So gibt es nur selten ausgearbeitete<br />

Schutzkonzepte. Sogar das<br />

Recht auf Beteiligung aller Kinder (ab<br />

Beginn der Grundschulzeit) ist in vielen<br />

Grundschulen weder strukturell auf<br />

Schulebene (z. B. Schulparlament), auf<br />

Klassenebene (Klassenrat) noch individuell<br />

als Beteiligung an der inhaltlichen<br />

und methodischen Gestaltung<br />

des eigenen Lernprozesses verankert.<br />

Die meisten Grundschulkinder kennen<br />

die Kinderrechte nicht und wissen<br />

auch nicht, wie und wo sie ihr Recht einfordern<br />

können.<br />

Vergleicht man die Kinderrechte mit<br />

den Prinzipien des Grundschulverbands,<br />

so wird deutlich, dass es Sache des GSV<br />

sein muss, sich für die Rechte der Kinder<br />

einzusetzen. Und das heißt, sich auf allen<br />

Ebenen (Bund, Land, Kommune, Einzelschule,<br />

Klassenzimmer) und ressortübergreifend<br />

(z. B. Bildung, Soziales, Gesundheit)<br />

für die Rechte der Kinder und die<br />

Verbesserung der strukturellen, materiellen<br />

und pädagogischen Bedingungen einzusetzen.<br />

Dabei liefert das Netzwerk zur<br />

Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention<br />

Austausch, Anregungen und die<br />

Möglichkeit der politischen Intervention.<br />

Monitoring der Umsetzung der<br />

Kinderrechte in Deutschland<br />

Das Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />

legt alle 5 Jahre dem UN-Ausschuss für<br />

die Rechte des Kindes einen Staatenbericht<br />

vor. Er informiert über die wichtigsten<br />

kinderrechtlichen Entwicklungen<br />

in Deutschland hinsichtlich aller Artikel<br />

der UN-KRK. Zur Überwachung<br />

der Umsetzung der Kinderrechte haben<br />

etwa 100 Staaten eigene Institutionen<br />

beauftragt, die jedoch dem zuständigen<br />

Ministerium nicht unterstellt sind. In<br />

Deutschland ist es das Deutsche Institut<br />

für Menschenrechte e.V. in Berlin,<br />

das für das Monitoring aller Menschenrechte<br />

zuständig ist. Aufgabe des Deutschen<br />

Instituts für Menschenrechte ist<br />

hinsichtlich der UN-KRK die Verfassung<br />

eines Parallelberichts zum Staatenbericht<br />

für Deutschland. Die größte Schwierigkeit<br />

hierbei ist, dass es keine geeignete<br />

Datenlage gibt, um Indikatoren gestützt<br />

Info<br />

die kinderrechtliche Entwicklung in<br />

Deutschland zu verfassen. Ein Monitoring<br />

ist somit auf Informationen aus der<br />

Zivilgesellschaft, aus Nichtregierungsinstitutionen<br />

(NGOs) angewiesen, die<br />

einen möglichst guten Einblick in die<br />

Lage der Kinderrechte in ihrem Tätigkeitsfeld<br />

haben. Zur institutionellen<br />

Absicherung der Zusammenarbeit der<br />

NGOs gründeten diese 1995 anlässlich<br />

der ersten Staatenberichterstattung ein<br />

Netzwerk (National Coalition Deutschland),<br />

das am 21. Juni 2013 als Verein<br />

mit dem Ziel institutionalisiert wurde,<br />

die UN-Kinderrechtskonvention in der<br />

Öffentlichkeit bekannt zu machen und<br />

Verantwortungsträgerinnen auf allen<br />

Ebenen „deutlich zu machen, welche<br />

Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention<br />

folgen und welche<br />

Anstrengungen unternommen werden<br />

müssen, um die Kinderrechte zu verwirklichen“<br />

(Präambel der Satzung des<br />

Vereins). Mittlerweile sind 109 NGOs<br />

in der National Coalition Deutschland<br />

zusammengeschlossen und arbeiten aktiv<br />

in zwei Themennetzwerken. Der Grundschulverband<br />

ist Mitglied der National<br />

Coalition Deutschland und arbeitet seit<br />

seiner Gründung im Themennetzwerk<br />

Bildung mit. Es werden Informationen<br />

ausgetauscht, wie die Mitglieder die Verbreitung<br />

der Kinderrechte vorantreiben.<br />

Einen großen Raum nimmt auch die<br />

Identifikation von Schwachstellen bei der<br />

Umsetzung der Kinderrechte ein. Und<br />

schließlich mündet das Insiderwissen der<br />

Netzwerkmitglieder in den Kreislauf der<br />

Staatenberichterstattung. <br />

Ursula Carle<br />

In einem Video wird der Kreislauf anschaulich beschrieben:<br />

https://t1p.de/Staatenberichterstattung.<br />

Von der Mitarbeit des Grundschulverbands können Grundschulen auch praktisch profitieren,<br />

z. B. durch Materialien, die verschiedene Mitglieder entwickelt haben und<br />

die auf dem Kinderrechteportal gesammelt werden: https://kinderrechte-portal.de/.<br />

38<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU)<br />

Der GDSU-Praxispreis 2023 wurde verliehen<br />

Seit einigen Jahren verleiht die<br />

Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts<br />

(GDSU) jährlich den<br />

mit EUR 1000,00 dotierten GDSU-<br />

Praxispreis. Mit diesem Preis soll das<br />

besondere Engagement von Pädagog*innen<br />

gewürdigt werden, bildungswirksame<br />

Sachlernprozesse in der Schule<br />

sowie in vor- und außerschulischen<br />

pädagogischen Handlungsfeldern zu<br />

initiieren. Ausgezeichnet werden Maßnahmen,<br />

in denen<br />

● innovative Sachunterrichtskonzepte<br />

theoretisch fundiert umgesetzt und/<br />

oder<br />

● aktuelle Forschungsbefunde im Sachunterricht<br />

praktisch angewandt und<br />

reflektiert und /oder<br />

● sachunterrichtsdidaktisch relevante<br />

Kooperationsprojekte zur Sicherung<br />

der Anschlussfähigkeit zwischen Elementar-,<br />

Primar- und Sekundarbereich<br />

initiiert und reflektiert werden.<br />

Der GDSU-Praxispreis 2023:<br />

Salzburg Begreifen<br />

Im Rahmen der Jahrestagung 2023<br />

wurde der GDSU-Praxispreis an die<br />

drei Lehrerinnen Gabriele Wagner,<br />

Susanne Fink und Elisabeth Grutschnigg<br />

der Volksschule Bad Gastein<br />

(Österreich) für die Entwicklung eines<br />

umfangreichen multimedialen Unterrichtsmaterials<br />

mit dem Titel „Salzburg<br />

Begreifen“ (https://www.salzburgbegreifen.at/)<br />

verliehen.<br />

Unzufrieden mit den verfügbaren<br />

Unterrichtsmitteln zum Thema „Heimatort/Bundesland“,<br />

hatten sie die Idee,<br />

eine mehrdimensionale Bodenlandkarte<br />

von Salzburg zu entwickeln, die<br />

durch das Aufstellen unterschiedlichster<br />

Materialien zu einer lebendigen 3-D-<br />

Landschaft verwandelt wird. „Wir wollten<br />

weg von der Wandkarte“, so Gabriele<br />

Wagner, Susanne Fink und Elisabeth<br />

Grutschnigg, „hin zu einem Begehen,<br />

Begreifen, Erleben und Verstehen“. Die<br />

Kinder bewegen sich mit ihrem ganzen<br />

Körper durch diese Landschaft, nehmen<br />

Räume und Lebenssituationen innerhalb<br />

dieser Räume bewusst wahr, reflektieren<br />

dabei eigene Vorstellungen und<br />

entwickeln diese weiter. Sie gewinnen<br />

Die Preisträgerinnen: Gabriele Wagner, Susanne Fink und Elisabeth Grutschnigg<br />

Einsichten und Erkenntnisse nicht nur<br />

aus raumbezogener Perspektive, sondern<br />

erschließen sich selbstständig und<br />

auf handlungsorientierte Weise ökologische<br />

und ökonomische, technische oder<br />

soziokulturelle Gegebenheiten und Zusammenhänge.<br />

„Salzburg Begreifen“ begann als klassisches<br />

Aktionsforschungsprojekt: Die<br />

drei Lehrerinnen waren unzufrieden<br />

mit vorhandenen Unterrichtsmaterialien<br />

und haben im Wechselspiel zwischen<br />

Reflexion und Aktion ein materialbasiertes<br />

Unterrichtskonzept für die eigene<br />

Schule entwickelt, umgesetzt, evaluiert<br />

und weiterentwickelt, das mittlerweile<br />

durch eine eigens gegründete<br />

GmbH vertrieben wird und mit dem Pädagog*innen<br />

in mehr als 60 Schulen, in<br />

der Stadtbibliothek Salzburg, einem Nationalparkzentrum<br />

und der PH Salzburg<br />

arbeiten. Und dabei wird es nicht bleiben,<br />

denn aktuell arbeiten die drei Lehrerinnen<br />

gemeinsam mit der Pädagogischen<br />

Hochschule Salzburg, der Universität<br />

Salzburg und der Fachhochschule<br />

Salzburg an einer Weiterentwicklung<br />

des Materials um digitale Elemente. Und<br />

auch die Frage der Anschlussfähigkeit an<br />

die Sekundarstufe steht im Raum.<br />

Auf diesem Wege möchten wir Gabriele<br />

Wagner, Susanne Fink und Elisabeth<br />

Grutschnigg nochmals herzlich<br />

zum GDSU-Praxispreis gratulieren!<br />

Einblick in die mehrdimensionale<br />

Bodenlandkarte<br />

Bewerbungen für den GDSU-<br />

Praxispreis sind jederzeit herzlich<br />

willkommen!<br />

Zugleich laden wir Studierende, Referendar*innen<br />

im Vorbereitungsdienst, Lehrer*innen<br />

der Grund- und Sekundarschule<br />

sowie pädagogische Fachkräfte aus dem<br />

Elementar- und Ganztagsschulbereich ein,<br />

sich für den Praxispreis 2024 zu bewerben<br />

und damit die Chance zu ergreifen, ein<br />

innovatives Sachunterrichtskonzept und/<br />

oder eine fruchtbare und bildungswirksame<br />

Kooperation zwischen Elementar-,<br />

Primar- und Sekundarstufe überregional<br />

sichtbar zu machen und zu würdigen.<br />

Nähere Informationen finden Sie unter:<br />

https://gdsu.de/auszeichnungen<br />

Arbeitsgruppe „Phasenvernetzende<br />

Lehrer*innenbildung“<br />

Prof. Dr. Sandra Tänzer<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

39


Praxis: Rundschau Pausenkulturen<br />

Die Serie zum Thema Religion(en) in der Grundschule geht zu Ende<br />

Neben den Themenschwerpunkten jedes einzelnen Heftes<br />

nimmt sich die Redaktion von Zeit zu Zeit bestimmten Themen<br />

in Form einer Serie über mehrere Hefte hinweg an. Beginnend<br />

in der GS aktuell 158 haben fünf Autor*innen ihre Überlegungen<br />

dargelegt, mit dem nachfolgenden Beitrag von Hans Brügelmann<br />

endet nun diese Serie. Ich möchte Sie einladen, noch<br />

einmal alle Beiträge zu lesen und diese zusammen mit den Gedanken<br />

von Hans Brügelmann mit ihren Kolleg*innen zu diskutieren.<br />

Wie stellen Sie sich den Umgang mit Religionen und<br />

religiöser Bildung in der Grundschule künftig vor? Unser Auftakt<br />

war der Artikel von Dr. Petra Lenz, in dem sie die enge Verbindung<br />

von kultureller und religiöser Bildung betont. Bert Schmid<br />

macht im Anschluss deutlich, dass die Notwendigkeit zur Transformation<br />

unseres Bildungswesens auch die religiöse Bildung zu<br />

einer Neuaufstellung zwingt. Bei Dr. Damaris Knapp erfahren wir<br />

vieles über die bereits laufenden Veränderungen in den Zielen<br />

und Formen des Religionsunterrichts an Grundschulen. Dr. Heribert<br />

Prantl setzt sich mit dem Ethik-Unterricht als Ersatz oder<br />

Ergänzung des Religionsunterrichtes auseinander. Zuletzt richtet<br />

Axel Backhaus sein Augenmerk auf die Bekenntnisschulen als<br />

hochproblematischen Teil eines auf Inklusion ausgerichteten<br />

Bildungswesens.<br />

Wir freuen uns über eine kurze Rückmeldung von Ihnen zu<br />

unserer Serie. Welches Thema würde Sie in einer weiteren Serie<br />

interessieren? Schreiben Sie uns an gabriele.klenk@grundschulverband.de<br />

oder marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de<br />

Und nun viel Freude bei unserem abschließenden Artikel.<br />

Michael Töpler<br />

„Der Religionsunterricht ist die letzte Oase …“<br />

Über Chancen und Probleme eines Faches Religion in der<br />

Grundschule<br />

Konfessioneller oder ökumenischer<br />

Religionsunterricht, daneben<br />

noch ein Angebot für Muslime<br />

oder doch besser ein Lernbereich<br />

„Lebensgestaltung–Ethik–Religionskunde“<br />

(LER) für alle? Über die Frage,<br />

wo und wie Religion ihren Ort im Curriculum<br />

der Grundschule finden soll, ist<br />

in den letzten Jahren heftig gestritten<br />

worden. 1<br />

Grundschulpädagoge (GP): Ich respektiere<br />

religiöse Bekenntnisse, aber<br />

in unserer pluralistischen Gesellschaft,<br />

finde ich, hat Religion in der Schule<br />

nichts zu suchen. Dafür gibt es Kirchen,<br />

Konfirmations- und Kommunionsunterricht.<br />

Kirche und Staat werden<br />

auch in anderen Demokratien selbstverständlich<br />

getrennt, zum Beispiel bei<br />

unseren Nachbarn in Frankreich. Wenn<br />

überhaupt, dann ein Angebot für freiwilligen<br />

Nachmittagsunterricht analog<br />

zur Koranschule der Muslime.<br />

Aktualisierte Fassung von: Warum heute noch<br />

Religion unterrichten? Über Chancen und<br />

Schwierigkeiten eines Faches Religion in der<br />

Grundschule. In: Grundschulzeitschrift, 22. Jg.,<br />

H. 212/213, 13–15.<br />

Religionslehrer (RL): Aber das kann<br />

man doch nicht vergleichen. Historisch<br />

hat sich die Beziehung von Christentum<br />

und Staat in Deutschland eben anders<br />

entwickelt als in Frankreich. Und in arabischen<br />

Ländern muss der christliche<br />

Religionsunterricht auch nachmittags in<br />

den Kirchen stattfinden. Bei uns ist der<br />

Religionsunterricht in Art. 7 des Grundgesetzes<br />

verfassungsrechtlich garantiert<br />

– übrigens ausdrücklich „in Übereinstimmung<br />

mit den Grundsätzen der<br />

Religionsgemeinschaften!“ …<br />

GP: … wobei ich denke, die Situation<br />

hat sich erheblich verändert seit Verabschiedung<br />

des Grundgesetzes 1949<br />

– die Bedeutung von Religion und Kirchen<br />

in der Gesellschaft, vor allem aber<br />

die der konfessionellen Zugehörigkeit<br />

hat abgenommen, da kann man die fast<br />

75 Jahre alten Gesetze nicht einfach so<br />

übernehmen …<br />

Grundschullehrerin (GL): … obwohl:<br />

die zu ändern, das ist eher ein politisches<br />

Problem. Für mich als Lehrerin<br />

stellt sich die Frage spezifischer:<br />

Gehört Religion schon in die Grundschule?<br />

Es ist doch kein Zufall, dass<br />

selbst die Kirchen Kommunions- und<br />

Konfirmationsunterricht erst für ältere<br />

Kinder vorsehen<br />

Religionsdidaktikerin (RD): Aber man<br />

muss doch zur Kenntnis nehmen, dass<br />

schon kleine Kinder über Leben und<br />

Tod, über Gerechtigkeit und Schicksalsschläge<br />

nachdenken. Was haben Sie also<br />

konkret gegen eine Beschäftigung mit<br />

Religion in der Grundschule?<br />

GP: Wenn das heißt, dass Schule die<br />

existenziellen Erfahrungen der Kinder<br />

ernst nehmen soll, verändert sich<br />

für mich die Frage. Religion in diesem<br />

Sinne gehört auch für mich zur<br />

Allgemeinbildung, wie sie beispielsweise<br />

von Heymann in vier seiner sieben<br />

Dimensionen konkretisiert wird. 2<br />

Probleme habe ich aber mit zwei<br />

anschließenden Fragen:<br />

Sollte diese Auseinandersetzung in<br />

einem eigenständigen Fach geschehen?<br />

Und zudem: Ist dieses konfessionsgebunden<br />

auszurichten?<br />

RD: Nicht so schnell: Wir sind uns also<br />

darin einig, dass mit Kindern schon im<br />

Grundschulalter ernsthaft über religiöse<br />

Fragen gesprochen werden kann und<br />

zweitens, dass auch die Schule Raum<br />

für die Sinnfragen und für die persönlichen<br />

Erfahrungen der Kinder bieten<br />

muss?<br />

GL: Ja, aber nur, wenn man „religiös“<br />

weit fasst, also als Beschäftigung<br />

40<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Praxis: Pausenkulturen<br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

mit Grundfragen des Lebens versteht.<br />

Und vor allem: wenn man darauf verzichtet,<br />

Kinder zu einem Bekenntnis zu<br />

bekehren.<br />

RD: Dem kann ich zustimmen. Die<br />

ältere Generation kann angesichts ihres<br />

moralischen und politischen Versagens<br />

in Fragen des Überlebens der Menschheit<br />

keine besondere Autorität für Antworten<br />

und „Lösungen“ beanspruchen.<br />

Es geht um die Fragen der Kinder, die<br />

müssen ernst genommen werden. Wir<br />

müssen ihnen aber auch eine hoffnungsvolle<br />

Zukunftsperspektive eröffnen und<br />

ihnen helfen, widerstandsfähig zu werden<br />

gegen die Zumutungen einer reinen<br />

Verwertungsgesellschaft.<br />

GP: In dieser Sicht sind wir uns durchaus<br />

einig. Aber noch einmal: Brauchen<br />

wir dazu Religion als Fach?<br />

RL: Ich denke, schon. In der Schule<br />

heute mit Dauer-Tests, sogar schon vor<br />

Schulanfang, mit der Auslese am Ende<br />

der Grundschule geht es doch nur noch<br />

um Fachleistungen und um verwertbare<br />

Qualifikationen. Wer kümmert sich<br />

denn noch um die Ängste und Sinnfragen<br />

der Kinder? Dafür ist keine Zeit,<br />

und es gibt auch keinen Ort – außer im<br />

Religionsunterricht.<br />

GP: Aber genau das ist doch die Aufgabe<br />

einer Klassenlehrerin. Als Pädagogin<br />

hat gerade sie eine besondere Verantwortung<br />

für die Persönlichkeitsentwicklung<br />

der Kinder!<br />

RD: Hat sie angesichts der Testeritis und<br />

Fixierung auf sog. „Basisqualifiksationen“<br />

denn noch Zeit dafür? Und wenn<br />

man das Fach Religion aufgäbe, wären<br />

die zwei Stunden für dessen Themen<br />

schnell ganz verschwunden.<br />

GL: Aber was ist das für ein Religionsunterricht,<br />

der Kinder nach Konfessionen<br />

trennt, der sie von oben belehrt<br />

oder gar zu bekehren versucht?<br />

RD: Das ist doch ein Zerrbild …<br />

GL: … welches leider vielerorts immer<br />

noch traurige Realität ist …<br />

RD: … aber nicht in aktuellen Konzepten<br />

für den Religionsunterricht. Heute<br />

stellen wir uns den existenziellen Fragen<br />

der Kinder. So bilden wir auch die jungen<br />

Religionslehrer aus, und so steht es<br />

in immer mehr Lehrplänen und Schulbüchern.<br />

Sicher kann jeder hier genug<br />

problematische Beispiele aus den 1950er<br />

und 1970er Jahren berichten. Wir sollten<br />

aber über die gegenwärtige Situation<br />

reden.<br />

GP: Na ja, in Lehrplänen steht viel, das<br />

wissen wir auch von anderen Fächern<br />

… Zudem wird der Religionsunterricht<br />

weiter – zumindest indirekt –<br />

von den Kirchen kontrolliert, und das<br />

passt doch nicht zu einer Schule, in<br />

der ihre Mitglieder oft nur noch eine<br />

Minderheit darstellen. Wie viele Kinder<br />

gehören heute noch den beiden christlichen<br />

Konfessionen oder überhaupt<br />

einer Kirche an? Wir müssen doch die<br />

Erfahrungen aller Kinder aufnehmen …<br />

RL: Gerade den Kindern ohne Zugang<br />

zu Glaubensfragen muss dieser eröffnet<br />

werden …<br />

GP: … aber nicht durch Festlegung auf<br />

ein Bekenntnis, sondern indem wir miteinander<br />

über unterschiedliche Vorstellungen<br />

ins Gespräch kommen.<br />

GL: Ja – allerdings sind Sinnfragen eng<br />

verwoben mit anderen Aspekten des alltäglichen<br />

Zusammenlebens. Ich finde<br />

deshalb, sie sollten situativ bei konkreten<br />

Anlässen aufgenommen werden,<br />

also als Unterrichtsprinzip, nicht über<br />

ein Fach.<br />

RD: Das reicht doch nicht! Die Schule<br />

hat mit dem Fach Religion die Chance,<br />

den Kindern, die in unserer Gesellschaft<br />

aufwachsen, die jüdisch-christlichen<br />

Traditionen als Grundlage des abendländischen<br />

Denkens nahebringen …<br />

GP: … dafür haben wir doch den Sachunterricht.<br />

Außerdem gehören die<br />

arabische Kultur und die Aufklärung<br />

genauso zu unserer Tradition.<br />

GL: Ich finde Religion als Fach auch aus<br />

einem anderen Grund problematisch:<br />

Oft wird der Religionsunterricht von<br />

einer dritten Person erteilt, einer Fachlehrerin<br />

oder einem Pfarrer. Ist sie nur<br />

zwei Stunden in der Woche da, fehlen<br />

beispielsweise persönliches Vertrauen<br />

und die notwendige soziale Einbettung<br />

für offene Gespräche. Auch darum halte<br />

ich es für wichtig, dass die den Kindern<br />

(und mit ihrer Geschichte) vertraute<br />

Klassenlehrerin aktuelle Anlässe situativ<br />

aufgreift.<br />

RD: Aber dafür fehlt den Lehrer*innen<br />

doch nicht nur die Zeit, sondern meist<br />

auch die Kompetenz. Wie sollen Lehrer*innen<br />

ohne besondere Ausbildung<br />

dem Anspruch gerecht werden, die verschiedenen<br />

Religionen sachgerecht darzustellen?<br />

GP: Wir haben es mit Kindern zu tun!<br />

Da kommt es doch nicht auf Finessen<br />

der theologischen Dogmatik an!<br />

GL: Außerdem: Was bietet der<br />

Religionsunterricht denjenigen, die<br />

einer nicht-christlichen Religion<br />

angehören – oder gar keiner Konfession?<br />

Alle Kinder haben Sinnfragen<br />

und Ängste. Außerdem brauchen wir in<br />

unserer multi-kulturellen Gesellschaft<br />

starke integrative Kräfte. Die Primarstufe<br />

bietet wenigstens für vier Jahre<br />

eine „Schule für (fast…) alle“. Da wirkt<br />

der konfessionelle Religionsunterricht<br />

segregativ. Sollen wir das etwa noch<br />

weiter auffächern – durch einen muslimischen,<br />

einen jüdischen Religionsunterricht<br />

usw.?<br />

RD: Konfessionell muss der Religionsunterricht<br />

in der Tat nicht ausgerichtet<br />

sein. Aber die Scheinneutralität eines<br />

Lernbereichs „Ethik und Religion“<br />

bringt uns auch nicht weiter.<br />

GP: Ich finde, alle Lehrer*innen müssten<br />

dazu befähigt werden, mit Kindern<br />

existenzielle Themen sensibel zu<br />

besprechen – und verschiedene Sichtweisen<br />

ins Spiel bringen.<br />

RD: Das reicht mir nicht: Kinder müssen<br />

Personen begegnen, die authentisch<br />

für bestimmte Positionen stehen. Eine<br />

neutrale Darstellung ist doch gar nicht<br />

möglich.<br />

GP: Gut, abstreifen kann und muss man<br />

seine Position nie ganz. Aber eine Trennung<br />

von persönlichem Bekenntnis zu<br />

einer Gruppe oder Organisation und<br />

sachlicher Aufklärung im Unterricht<br />

wird Lehrern doch sonst auch abverlangt.<br />

Denken Sie nur an den Bereich<br />

der politischen Bildung.<br />

RD: Das kann man doch nicht vergleichen<br />

– Tagesentscheidungen und<br />

existenzielle Grundfragen!<br />

GP: Wieso nicht? In der Politik geht es<br />

auch um Wertfragen und um konkurrierende<br />

Positionen.<br />

RL: Damit wir uns nicht missverstehen:<br />

Niemand will Kinder und Jugendliche<br />

durch fromme Vorbilder und mit der<br />

Forderung, religiöse Geschichten zu<br />

glauben, in die Enge treiben. Uns geht<br />

es nicht darum, „Glaubenszeugen“ in<br />

die Schule einzuschleusen. Aber glaubwürdig<br />

über Religion sprechen kann<br />

doch nur, wer sich persönlich mit ihr<br />

auseinandergesetzt hat. Nur in Auseinandersetzung<br />

mit solchen Menschen<br />

können auch Kinder eine eigene Position<br />

entwickeln.<br />

GL: Die kann man doch in den Unterricht<br />

einladen! Da Schule die Auf-<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

41


Praxis: Rundschau Pausenkulturen<br />

gabe hat, Kindern neue Erfahrungsmöglichkeiten<br />

zu eröffnen, ist Pluralität<br />

unerlässlich. Schule sollte ein Ort der<br />

Begegnung sein, an dem verschiedene<br />

Lebens- und Sichtweisen zusammenkommen.<br />

Wir müssen Kinder darauf<br />

vorbereiten, dass sie ihren eigenen Weg<br />

finden. 3<br />

RD: Ja, aber wie? Dafür braucht es doch<br />

ernst zu nehmende Inhalte. Ich kenne<br />

kein Medium, das sich besser für solche<br />

Gespräche eignet als die Bibel. Die Bibel<br />

ist ein Buch, in dem sich grundlegende<br />

menschliche Erfahrungen kristallisiert<br />

haben. Über einen nun bereits viele<br />

hundert Jahre andauernden Prozess sind<br />

sie immer wieder hin und her bewegt<br />

worden, Generationen haben sich mit<br />

ihren Erfahrungen eingeschrieben, sich<br />

daran gerieben, daran festgehalten. Das<br />

ist das Besondere an diesem Buch.<br />

GP: Ich bestreite nicht den Reichtum<br />

dieser Geschichten und ihr Potenzial<br />

in sensiblen Händen. Mich stört jedoch<br />

der beanspruchte Vorrang biblischer<br />

Texte, mal ganz abgesehen davon, dass<br />

diese eurozentrierte Sicht des Christentums<br />

nicht in unsere globale Welt passt.<br />

Ihre persönliche biografische Erfahrung<br />

darf doch nicht zur Norm werden. Für<br />

andere Menschen könnten ganz andere<br />

Zugänge hilfreich sein, um Hoffnung zu<br />

finden …<br />

GL: … zum Beispiel anspruchsvolle<br />

Kinder- und Jugendliteratur wie die<br />

„Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren.<br />

RD: Finden Sie es nicht selbst etwas<br />

komisch, die „Brüder Löwenherz“ mit<br />

der Bibel zu vergleichen? Ich spüre in<br />

dieser Art Jugendliteratur immer allzu<br />

stark die „guten Absichten“ und die<br />

Anfälligkeit für Kitsch. Ich weiß nicht,<br />

ob Sie unsere Arbeit 4 wirklich verstehen.<br />

Sie lebt von der Entdeckung, in welcher<br />

Tiefe Kinder eigene Erfahrungen und<br />

Sehnsüchte in biblischen Texten wie<br />

den Psalmen entdecken und dadurch<br />

für sich selbst eine Sprache finden.<br />

GP: Gut, aber lesen Sie mal Heide Bambachs<br />

Erfahrungsbericht „Erfundene<br />

Geschichten erzählen es richtig“ 5 . Da<br />

zeigt sich, wie stark auch die Lektüre<br />

von anspruchsvoller Literatur Kinder<br />

zum Nachdenken, Sprechen und<br />

Schreiben über ihre ganz persönlichen<br />

Themen anregen kann. Menschen können<br />

dieselben Erfahrungen eben in ganz<br />

verschiedenen Situationen machen.<br />

RL: Ich fürchte, jetzt wird’s beliebig …<br />

RD: … und ihr Grundschulpädagogen<br />

solltet endlich merken, dass wir eure<br />

letzten Verbündeten im Kampf für das<br />

Eigenrecht der Kinder sind und der<br />

Religionsunterricht die letzte Oase in<br />

der Nach-PISA-Schule, die mehr und<br />

mehr ökonomisiert wird!<br />

GL: Ihr Angebot ist für mich ambivalent.<br />

Ja, es gibt ReligionspädagogInnen,<br />

die ich als Verbündete erlebe – aber es<br />

gibt auch genau das Gegenteil. Ich finde,<br />

es ist eine schwierige Einschätzung, ob<br />

man hofft, dass sich das Fach wirklich<br />

zu einer Bastion gegen die Verzweckung<br />

der Schule entwickelt, oder ob hier doch<br />

nur andere Autoritätsansprüche durchgesetzt<br />

werden. Und zudem habe ich die<br />

Sorge, dass der übrige Unterricht vielleicht<br />

noch mehr verarmt, wenn gesagt<br />

wird „dafür haben wir ja Religion“.<br />

GP: In der Tat: Die Sinnfragen der Kinder<br />

müssen schon in der Grundschule<br />

wahrgenommen und in ernsthaftem<br />

Austausch besprochen werden. Aber<br />

dass sollte möglichst anlassbezogen<br />

geschehen, und dabei müssen unterschiedliche<br />

Sichtweisen zur Sprache<br />

kommen.<br />

Hans Brügelmann<br />

Anmerkungen<br />

1) Der vorliegende Beitrag ist eine konstruierte<br />

PRO-und-CONTRA-Diskussion,<br />

realitätsnah nacherfunden von Hans Brügelmann<br />

mit konkreten Bezügen auf einen<br />

Diskussionsabend in der OASE-Lernwerkstatt<br />

an der Universität Siegen (mit Folker<br />

Albrecht, Axel Backhaus, Ingo Baldermann,<br />

Jörg Begler, Janina Bernshausen, Hendrik<br />

Coelen, Ute Gause, Anne Höfer, Barbara<br />

Müller-Naendrup, Anna-Lena Wagener,<br />

Anne Witt). Die Rollenvertreter‘innen<br />

PRO (blau) bzw. CON (rot) Religionsunterricht<br />

entsprechen aber keinen realen<br />

Personen.<br />

2) Heymann, H. W. (1996): Allgemeinbildung<br />

und Mathematik. Bildungstheoretische<br />

Reflexionen zum Mathematikunterricht<br />

an allgemeinbildenden Schulen. Beltz:<br />

Weinheim. Hier besonders: Stiftung kultureller<br />

Kohärenz; Verantwortungsbereitschaft;<br />

Verständigung und Kooperation;<br />

Stärkung des Schüler-Ichs.<br />

3) Ausführlicher: Kap. 39, 1 und 2 in:<br />

Brügelmann, H. (2005): Schule verstehen<br />

und gestalten – Perspektiven der Forschung<br />

auf Probleme von Erziehung und Unterricht.<br />

Libelle: CH-Lengwil.<br />

4) vgl. Baldermann, I. (1998): Kinder und der<br />

Sinn des Lebens – ihre Hoffnungen, Ängste,<br />

Fragen. In: Brügelmann, H. (Hrsg.)<br />

(1998): Kinder lernen anders: vor der Schule<br />

– in der Schule. Libelle: CH‐Lengwil, S.<br />

107–127.<br />

5) Bambach, H. (1989): Erfundene Geschichten<br />

erzählen es richtig. Lesen und Leben in<br />

der Schule. Ekkehard Faude Verlag: Konstanz<br />

(2. Aufl. 1993 Libelle: CH-Lengwil).<br />

42<br />

GS aktuell 163 • September 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Gabriele Klenk<br />

https://grundschulverband-bayern.de<br />

Gespräch mit der<br />

Grundschulreferentin im<br />

Kultusministerium,<br />

MRin Maria Wilhelm<br />

Zum traditionellen Austausch<br />

zwischen Mitgliedern des<br />

Landesgruppenvorstands<br />

und der Grundschulreferentin<br />

am Staatsministerium für<br />

Unterricht und Kultus trafen<br />

sich Ende April Gabriele<br />

Klenk, Bianca Ederer und<br />

Konstanze v. Unold online<br />

mit der Ministerialrätin Maria<br />

Wilhelm. Wie jedes Mal fand<br />

in einem sehr konstruktiven,<br />

vertrauensvollen Gespräch<br />

ein Austausch über wichtige<br />

Gabriele Klenk (l.) und Konstanze v. Unold<br />

im Bayerischen Landtag<br />

Belange der Grundschule<br />

statt: Es bestand Einigkeit<br />

darüber, fachliche Aspekte<br />

der Arbeit in der Grundschule<br />

trotz der Pandemie-Auswirkungen<br />

und des Lehrkräftemangels<br />

nicht aus den Augen<br />

zu verlieren. Leseförderung,<br />

flexible Grundschule,<br />

Stärkung des Mathematikunterrichts<br />

durch Sinus- bzw.<br />

QuaMath-Schulen wurden<br />

ebenso angesprochen wie<br />

die Wichtigkeit, Heterogenität<br />

als Chance zu betrachten.<br />

Für Herbst 2023 wurde ein<br />

weiteres Gespräch angedacht.<br />

Besuch der Veranstaltung<br />

„Gute Ganztagsbildung<br />

für Grundschulkinder“ im<br />

Bayerischen Landtag der<br />

Grünen-Fraktion<br />

Am Samstag, den 06. 05. 23<br />

kamen verschiedene<br />

Akteur:innen aus Wissenschaft<br />

und Praxis zusammen,<br />

um im Landtag einer Keynote,<br />

Podiumsdiskussionen<br />

und Workshops zum Ganztag<br />

beizuwohnen, der mit dem<br />

Rechtsanspruch auf Ganztag<br />

ab 2026 ein aktuelles<br />

bildungspolitisches Thema<br />

für uns alle darstellt. Es wurde<br />

deutlich, welches Potenzial<br />

kindgerechte, partizipative<br />

und inklusive Ganztagsbildung<br />

haben kann, legt<br />

man ihr ein pädagogisches<br />

Konzept und Leitbild zugrunde,<br />

das den Vor- und Nachmittag<br />

miteinander verzahnt<br />

und rhythmisiert, das den<br />

Kindern Autonomie, Frei- und<br />

Entscheidungsspielräume<br />

ermöglicht – getragen von<br />

multiprofessionellen Teams,<br />

Sozialarbeit, Vereinen, Verbänden<br />

und Ehrenamtlichen.<br />

Organisatorische und bürokratische<br />

Schwierigkeiten<br />

zeigen sich in der geteilten<br />

Zuständigkeit des Kultusministeriums<br />

und Sozialministeriums<br />

in Bayern. Wünschenswert<br />

wären vereinheitlichte<br />

Standards, um das Potenzial,<br />

das in der Ganztagsbildung<br />

liegt, auszuschöpfen, und<br />

um Bildungserfolg in Teilen<br />

von der sozialen Herkunft zu<br />

entkoppeln. In kurzen Pausen<br />

konnten wir uns über den<br />

jeweiligen Input austauschen<br />

und an einer Führung durch<br />

den Landtag teilnehmen.<br />

Happy Hour zu einem Beitrag<br />

aus der Grundschule<br />

aktuell „Ganztagsschule –<br />

Den ganzen Tag Schule?“<br />

˘<br />

Am Mittwoch, den 14. 06. 23<br />

stellten uns Rektorin Susanne<br />

Meyer und Konrektorin<br />

Christiane Knott ihren Artikel<br />

„Daheim in der Schule?“ zum<br />

Offenen Ganztag der Grundschule<br />

Hans-Sachs-Straße in<br />

Fürth vor. Dabei beschrieben<br />

die beiden Lehrerinnen<br />

Aspekte wie eine klar ritualisierte<br />

Tagesstruktur mitsamt<br />

selbst gewählten freien<br />

Spielzeiten, ein gemeinsames<br />

Mittagessen, vielseitige<br />

künstlerische, musische und<br />

naturwissenschaftlich-technische<br />

Angebote in Arbeitsgemeinschaften<br />

am Nachmittag<br />

und die Bedeutung eines<br />

intensiven, regelmäßigen,<br />

wertschätzenden Austauschs<br />

zwischen Klassenlehrkraft<br />

und nachmittäglichem<br />

Betreuungspersonal. Teamtreffen,<br />

Mitarbeitergespräche,<br />

kurze Kommunikationswege,<br />

gemeinsam besprochene<br />

Schulentwicklungsziele gewährleisten<br />

die Qualität der<br />

Zusammenarbeit.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Michael Bauernschuster und<br />

Konstanze v. Unold<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

43


Praxis: aktuell Pausenkulturen<br />

… den Landesgruppen<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer<br />

gsv-brandenburg@posteo.de, www.grundschulverband.de<br />

Erfolgreiche Proteste –<br />

Rücknahme der pauschalen<br />

Stellenkürzungen<br />

Nach zahlreichen Protesten<br />

des Grundschulverbandes,<br />

des Landeselternrates, des<br />

Landesschulbeirates, der<br />

Lehrerverbände und der<br />

GEW gegen die pauschalen<br />

Stellenkürzungen wurde<br />

diese geplante Maßnahme<br />

durch den neuen Bildungsminister<br />

des Landes Brandenburg,<br />

Steffen Freiberg,<br />

zurückgenommen. An<br />

zwei Gesprächsrunden im<br />

Bildungsministerium vertrat<br />

Hannes Fischer die Positionen<br />

des Vorstandes. Die geplanten<br />

Stundenkürzungen<br />

u.a. für die flexible Schuleingangsphase<br />

(Flex), den<br />

Ganztag und das gemeinsame<br />

Lernen konnten erfolgreich<br />

verhindert werden. Im<br />

neuen Schuljahr sollen nicht<br />

besetzte Lehrerstellen in<br />

Stellen für Assistenzen, z. B.<br />

für Verwaltungsaufgaben und<br />

Schulsozialarbeit, umgewandelt<br />

werden können. Wie<br />

dies konkret in der Praxis zur<br />

Unterstützung der Schulen<br />

umgesetzt werden kann, ist<br />

noch offen.<br />

Ein Brandenburg-<br />

Phänomen – Wo bleibt<br />

der Blick fürs Ganze?<br />

Mitte Juni erhielten alle<br />

Schulen ein Schreiben des<br />

Ministeriums zur Verstärkung<br />

der Stundentafel durch die<br />

verbindliche Nutzung der<br />

Schwerpunktstunden in<br />

den Bereichen Deutsch und<br />

Mathematik. Das Verfahren ist<br />

zu kritisieren: Verkündigung<br />

von oben kurz vor Schuljahresende<br />

statt Beteiligung<br />

der Praxis und der Schulämter<br />

ist wenig hilfreich in<br />

den ohnehin schwierigen<br />

Stellenbesetzungsverfahren.<br />

Aussagen zur Umsetzung<br />

der Umwidmung nicht besetzter<br />

Lehrerstellen fehlen<br />

komplett ebenso wie zur<br />

Umsetzung des Modells 63<br />

plus. Viele Schulen nutzen<br />

die Schwerpunktstunden<br />

bereits seit Jahren zur Verstärkung<br />

von Deutsch und<br />

Mathematik. Die Festlegung<br />

der Schwerpunktstunden<br />

für die Jgst. 1 und 2 als<br />

Deutschstunden und für die<br />

Jgst. 3 und 4 als Mathematikstunden<br />

ist nicht nachvollziehbar.<br />

Schulen sollen<br />

selbst entscheiden können,<br />

in welcher Jahrgangsstufe<br />

welche Schwerpunkte in<br />

welcher Quantität gesetzt<br />

werden. Die verbindliche<br />

Festlegung von 45 min (einer<br />

Wochenstunde) aus dem<br />

Sachunterricht zur Förderung<br />

der mathematischen und<br />

sprachlichen Kompetenzen<br />

ist quasi eine Kürzung<br />

der Unterrichtszeit für die<br />

Sachthemen. Auch diese<br />

Festlegung, Kompetenzen<br />

in „Extrastunden“ selektiv zu<br />

vermitteln, missachtet, dass<br />

sich die Schulen zur Sprachförderung<br />

in allen Fächern<br />

verständigt und Maßnahmen<br />

zum sprachsensiblen Fachunterricht<br />

festgelegt haben.<br />

Grundschultag mit<br />

Mitgliederversammlung –<br />

Neuer Vorstand gewählt<br />

Am 20.6.2023 fand in der Fontane<br />

Grundschule Niederlehme<br />

der Grundschultag unter<br />

dem Motto „Kinder lernen<br />

Lesen. Jetzt!“ mit anschließender<br />

Mitgliederversammlung<br />

und Vorstandswahl nach<br />

4 Jahren erstmalig wieder<br />

als Präsenzveranstaltung<br />

statt. In der gastgebenden<br />

Fontane Grundschule war<br />

alles bestens vorbereitet und<br />

organisiert. Dafür danken wir<br />

v. l. n. r.: Hannes Fischer, Stefanie Gärtner, Sabine Wendt, Marion<br />

Gutzmann und Denise Sommer.<br />

Stefanie Gärtner, der Schulleitung<br />

und dem Kollegium<br />

sehr herzlich. Ein entspanntes<br />

Ankommen bei Kaffee und<br />

selbstgebackenem Kuchen<br />

machte den 28 Teilnehmenden<br />

Lust auf die pädagogischen<br />

Inputs. Denise Sommer<br />

stellte den Grundschulverband<br />

und die Brandenburger<br />

Arbeitsschwerpunkte vor.<br />

Nach einem aktivierenden<br />

Impulsvortrag mit freudvollen<br />

Lese- und Schreibaktivitäten<br />

von Marion Gutzmann<br />

erhielten die Teilnehmenden<br />

in drei Workshops zum<br />

Lesenkönnen, zur LRS im<br />

Englischunterricht und zu<br />

differenzierten Klassenarbeiten<br />

im Mathematikunterricht<br />

weitere Anregungen für die<br />

Unterrichtspraxis. Die Feedbacks<br />

zu diesem Grundschultag<br />

waren durchweg wertschätzend<br />

und sehr positiv.<br />

Die Abfrage zu zukünftigen<br />

Formaten ergab eine klare<br />

Präferenz für Grundschultage<br />

als Präsenzveranstaltung an<br />

einer Grundschule möglichst<br />

im Wechsel der Regionen<br />

unseres Flächen-Bundeslandes.<br />

In der anschließenden<br />

Mitgliederversammlung<br />

dokumentierte der Rechenschaftsbericht<br />

die vielfältigen<br />

Arbeitsbereiche des Landesgruppenvorstandes<br />

und<br />

bilanzierte die letzten 5 Jahre.<br />

Deutlich erkennbar waren die<br />

Stärkung des bildungspolitischen<br />

Arbeitsschwerpunktes<br />

in Verbindung mit dem Aufbau<br />

und der Intensivierung<br />

zahlreicher Kooperationen<br />

sowie die internen Prozesse<br />

zur zukünftigen Ausrichtung<br />

des Verbandes auf Bundesebene.<br />

Einstimmig wurde der neue<br />

Vorstand für die Landesgruppe<br />

Brandenburg gewählt.<br />

Ihm gehören an: Hannes<br />

Fischer, Marion Gutzmann,<br />

Stefanie Gärtner, Denise Sommer<br />

und Sabine Wendt. Der<br />

Vorsitz und die Absicherung<br />

der Arbeitsaufgaben werden<br />

zukünftig im Team erfolgen.<br />

Wir freuen uns, dass Dr. Anna<br />

Lena Wagener und Franziska<br />

Milke die Vorstandsarbeit<br />

weiterhin unterstützen.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Denise Sommer<br />

44<br />

GS aktuell 163 • September 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Bremen<br />

Vorstandssprecher: Chris Barnick, c.barnick@uni-bremen.de<br />

www.grundschulverband-bremen.de<br />

In diesem Jahr prägt das<br />

Thema „Kinderrechte“ die<br />

Arbeit der Landesgruppe<br />

Bremen in besonderem<br />

Maße.<br />

Im Rahmen einer Ausschreibung<br />

der Senatorin für Klimaschutz<br />

und Umwelt, Umweltbildung<br />

Bremen hat die<br />

Landesgruppe gemeinsam<br />

mit dem Projekt „Eine Welt in<br />

der Schule“ an der Universität<br />

einen Antrag für ein Vorhaben<br />

„Kinder*Rechte*Schule“<br />

gestellt. Die Finanzierung aus<br />

Erträgen der Bingo-Lotterie<br />

wurde jetzt bewilligt. Mit<br />

diesen Mitteln sollen gemeinsam<br />

mit ausgewählten<br />

Bremer Schulen Hilfen zur<br />

Umsetzung der Kinderrechte<br />

und zur Demokratisierung<br />

von Schule und Unterricht<br />

entwickelt und in der Praxis<br />

erprobt werden (darunter<br />

zwei Mitgliedsschulen des<br />

GSV; zusätzlich soll das<br />

Projekt in Kooperation mit<br />

Prof’in Dr. Wulfmeyer von der<br />

Universität in die Erprobung<br />

des neuen Bildungsplans<br />

Sachunterricht einbezogen<br />

werden). Sowohl für die Hand<br />

der Schüler’innen (Bilder- und<br />

Kinderbücher) als auch zur<br />

Unterstützung der Lehrer’innen<br />

(Planungs- und Arbeitshilfen)<br />

werden Materialkisten<br />

mit einem begleitenden<br />

Leitfaden erstellt, die von<br />

Schulen ausgeliehen werden<br />

können (nach Abschluss der<br />

Erprobung 2024 auch bundesweit<br />

über das Projekt „Eine<br />

Welt in der Schule“; Kontakt:<br />

u.oltmanns@uni-bremen.de).<br />

Die „Kinderrechte in Schule<br />

und Unterricht“ werden auch<br />

Thema der Fachveranstaltung<br />

bei der jährlichen Mitgliederversammlung<br />

der Landesgruppe<br />

im Herbst sein. Zudem<br />

wird Hans Brügelmann<br />

am 5. 10. 2023<br />

in der nächsten<br />

Diskussionsveranstaltung<br />

des Klub Universum zum<br />

Thema referieren (mehr<br />

Informationen unter:<br />

https://klub-universum.de/).<br />

Save the date<br />

Am 23.9. 2023<br />

finden bundesweit<br />

Aktionen der Initiative<br />

#schulemuss-anders statt,<br />

die wir als Landesgruppe<br />

auch in Bremen unterstützen<br />

(aktuelle Infos über die<br />

Telegram-Gruppe Bremen:<br />

https://t.me/+<br />

AwYXjPboe_owYzY6 ).<br />

Ebenfalls in Bremen findet<br />

vom 14. bis<br />

17. 11 2023 der<br />

bundesweite Ganztagsschulkongress<br />

statt.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Hans Brügelmann<br />

Hamburg<br />

Kontakt: Marion Lindner, Plinkstraße 81, 25337 Elmshorn<br />

Lindner_Marion@t-online.de, https://gsvhh.de<br />

Hamburger Religionsunterricht<br />

(Klasse 1–6)<br />

ohne Alternative?<br />

Der Hamburger Religionsunterricht<br />

steht in einer<br />

langen Tradition mit dem<br />

Anspruch, ein Religionsunterricht<br />

für alle Kinder<br />

zu sein.<br />

Bereits bei der Stellungnahme<br />

unserer Landesgruppe<br />

zum Bildungsplanentwurf der<br />

Schulbehörde im Sommer<br />

des letzten Jahres merkten<br />

wir an, dass im Bildungsplan<br />

Religion Kinder ohne<br />

Religionszugehörigkeit kaum<br />

bedacht und in erheblichem<br />

Maß diskriminiert werden,<br />

und forderten eine Überarbeitung<br />

unter Beteiligung<br />

nicht-religiöser Träger, damit<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

ohne Zugehörigkeit zu einer<br />

Religionsgemeinschaft, deren<br />

Anteil in Hamburger Schulen<br />

mittlerweile die Mehrheit<br />

bildet, ausreichend Berücksichtigung<br />

finden.<br />

Leider finden wir in den<br />

mittlerweile veröffentlichten<br />

Bildungsplänen keinerlei<br />

Aufnahme unserer kritischen<br />

Anmerkungen. Gemeinsam<br />

mit dem Arbeitskreis Philosophie<br />

und Religion der GEW<br />

wollen wir aber weiter daran<br />

arbeiten, dass, wie in anderen<br />

Bundesländern auch, in den<br />

Klassen 1 bis 6 zumindest ein<br />

Alternativfach angeboten<br />

wird.<br />

Auf Einladung der GEW war<br />

Prof. Dr. Hartmut Kreß aus<br />

Bonn für einen Vortrag zu<br />

dieser Thematik nach Hamburg<br />

gekommen. Die Veranstaltung<br />

war gut besucht und<br />

in der sich anschließenden<br />

Diskussion wurde die Einführung<br />

eines Alternativfaches<br />

ausgiebig beleuchtet. Eine<br />

große Mehrheit sprach sich<br />

dafür aus, dass es eine Alternative<br />

zum „Religionsunterricht<br />

für alle“ in den Klasse 1<br />

bis 6 geben müsse.<br />

Es geht nicht um eine<br />

grundsätzliche Kritik an den<br />

Bildungsplänen Religion, die<br />

den Anspruch „für alle“ haben,<br />

die aber ausschließlich<br />

von Religionsgemeinschaften<br />

getragen werden und<br />

Kindern aus religionsfernen<br />

Familien keine Alternative<br />

anbieten. Damit werden sie<br />

zu Außenseitern gemacht,<br />

wenn sie das Verfassungsrecht<br />

einer Nicht-Teilnahme<br />

für sich in Anspruch nehmen.<br />

Sie erhalten kein „identitätsstiftendes<br />

Angebot“, wie es<br />

der rot-grüne Hamburger<br />

Koalitionsvertrag vorsieht.<br />

Wir werden uns auf eine lange<br />

Auseinandersetzung mit<br />

der Schulbehörde einstellen<br />

müssen.<br />

Schulentwicklung ist notwendig<br />

– unbestritten –,<br />

aber so?<br />

Forschende und Lehrende<br />

der beiden Berliner Universitäten<br />

haben in einem<br />

offenen Brief eine Wende<br />

im wissenschaftlichen und<br />

öffentlichen Diskurs gefordert<br />

und insbesondere Kritik<br />

an den aktuellen Vorschlägen<br />

der „Ständigen Wissenschaftlichen<br />

Kommission der<br />

Kultusministerkonferenz“<br />

geübt. Sie wenden sich insbesondere<br />

gegen ein verengtes<br />

Kompetenzverständnis, die<br />

Kurzfristigkeit vieler aktueller<br />

Maßnahmen in der (Grundschul-)Bildung,<br />

eine einseitige<br />

auf messbare Aspekte hin<br />

ausgerichtete Forschung und<br />

sprechen sich für eine auf<br />

die Lebenswelt von Kindern<br />

bezogene Förderung aus.<br />

Als Grundschulverband,<br />

Landesgruppe Hamburg,<br />

unterstützen wir die zentralen<br />

Anliegen dieser „Berliner<br />

Erklärung gegen eine Verengung<br />

des Bildungsdiskurses“<br />

und wünschen eine große<br />

Verbreitung der Thesen.<br />

Wenn Sie sich auch diesem<br />

Brief anschließen wollen, ist<br />

dies unter folgendem Link<br />

möglich: https://t1p.de/<br />

bildungsdiskurs<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marion Lindner<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

45


Praxis: aktuell Pausenkulturen<br />

… den Landesgruppen<br />

Hessen<br />

Vorsitzender: Mario Michel<br />

mario.michel@gsvhessen.de, www.gsvhessen.de<br />

Halbherzige Ansätze nutzen<br />

– Für eine konsequente<br />

Umgestaltung von Schule<br />

In der zu Ende gehenden<br />

Legislaturperiode hatten<br />

sich CDU und Bündnis 90/<br />

Die Grünen Bildungspolitik<br />

als zentrales Thema auf die<br />

Fahnen geschrieben. Ein<br />

„Aufbruch im Wandel durch<br />

Haltung, Orientierung und<br />

Zusammenhalt“ sollte es<br />

werden – klingt gut!<br />

Antworten auf die drängenden<br />

Fragen der Zeit<br />

waren angekündigt. Die<br />

Kapitelüberschriften im<br />

Koalitionsvertrag lesen sich<br />

hoffnungsvoll:<br />

Chancen für alle durch eine<br />

verlässliche Bildungspolitik,<br />

Grundschule: Gute Bildung<br />

von Anfang an, Ganztagsschule<br />

und Ausbau der Ganztagsangebote,<br />

Entlastung<br />

für Schulen und Lehrkräfte,<br />

Begabungen entwickeln und<br />

Chancen fördern, Inklusion, …<br />

Aus Sicht des Grundschulverbandes<br />

reichen die gemachten<br />

Ansätze nicht aus. Die<br />

grundlegendste und nachhaltigste<br />

Forderung des GSV<br />

für eine zeitgemäße Schule<br />

ist im Koalitionsvertrag<br />

nicht einmal angedacht. Ein<br />

zukunftsfähiges deutsches<br />

Schulwesen braucht eine<br />

grundlegende Strukturreform.<br />

Kinder brauchen ein<br />

längeres gemeinsames Lernen,<br />

keine Selektion nach vier<br />

gemeinsamen Jahren, nach<br />

denen sie in ungleichwertige<br />

Folgesysteme aufgeteilt<br />

werden. Spielen hier doch<br />

nach wie vor soziale und<br />

sozioökonomische Hintergründe<br />

eine viel größere<br />

Rolle als die Potenziale der<br />

Kinder. Die Überwindung der<br />

Viergliedrigkeit (H, R, Gym<br />

und Fö) und die Einrichtung<br />

von inklusiven Gemeinschafts-<br />

und Langformschulen<br />

muss priorisiertes Ziel<br />

von Bildungspolitik werden,<br />

um allen Kindern und dem<br />

Förderauftrag von Schule<br />

gerecht zu werden.<br />

Bereits in der Präambel des<br />

Koalitionsvertrags steht: „Wir<br />

wollen den Zusammenhalt<br />

der Gesellschaft stärker in<br />

den Mittelpunkt rücken. …<br />

Wir fördern ein gesellschaftliches<br />

Klima, in dem gegenseitige<br />

Achtung, Rücksichtnahme<br />

und Solidarität wachsen<br />

können.“ Schule kann hierzu<br />

einen erheblichen Beitrag<br />

leisten – in einem Schulsystem,<br />

das auf Selektion<br />

und Auslese verzichtet und in<br />

dem es genügend Zeit gibt,<br />

um Begabungen zu entwickeln,<br />

Chancen zu fördern<br />

und ein demokratisches<br />

Miteinander zu leben.<br />

Bildungs- und Betreuungszeit<br />

muss ausgeweitet werden<br />

zu gebundenen Ganztagsschulen<br />

mit qualitätsvoller<br />

Personalausstattung und<br />

anregungsreichen Lernumgebungen.<br />

Um Grundschularbeit mit<br />

den aktuell sich stellenden<br />

Anforderungen (Inklusion,<br />

Integration, Superdiversität)<br />

qualitätsvoll, im Sinne der<br />

Kinder und der Gesellschaft,<br />

leisten zu können, müssen<br />

entsprechende Rahmenbedingungen<br />

gegeben sein.<br />

● Der im Koalitionsvertrag<br />

angedachte Klassenteiler 20<br />

ab der Dreizügigkeit einer<br />

Grundschule müsste grundsätzlich<br />

gelten.<br />

● Außerunterrichtlichen<br />

Tätigkeiten und der Arbeit in<br />

multiprofessionellen Teams<br />

muss durch geeignete Zeitund<br />

Arbeitsräume angemessen<br />

Rechnung getragen<br />

werden.<br />

● Teamarbeit, Unterrichtsund<br />

Schulentwicklungsarbeit,<br />

Beratungstätigkeiten,<br />

Kooperationsaufgaben<br />

müssen kalkuliert und in ein<br />

neues Arbeitszeitmodell für<br />

Lehrkräfte fließen.<br />

● Der Anstieg der außerunterrichtlichen<br />

Aufgaben<br />

muss eine Absenkung der<br />

Pflichtstunden für die Lehrkräfte<br />

zur Folge haben.<br />

● Gleichzeitig fordert der<br />

Grundschulverband eine<br />

Erhöhung der verbindlichen<br />

Unterrichtsstunden für die<br />

Kinder auf 30 Wochenunterrichtsstunden,<br />

um sowohl<br />

eine förderorientierte, auf<br />

individuelle Bedarfe gerichtete<br />

Grundschulbildung<br />

nicht nur im Bereich der<br />

Kulturtechniken zu erreichen,<br />

sondern gleichwertig auch<br />

im musisch-ästhetischen und<br />

Welterfahrungsbereich.<br />

Tatsächlich war und ist ein<br />

zentraler bildungspolitischer<br />

Aktivitätsbereich die „Stärkung<br />

der Bildungssprache<br />

Deutsch“ – sicher nicht zu<br />

Unrecht. Lesen und Schreiben<br />

sind Schlüsselqualifikationen<br />

für die Teilhabe an<br />

Gesellschaft. Die verbindliche<br />

Arbeit mit der Handreichung<br />

zum Grundwortschatz<br />

Hessen dient dem Ziel der<br />

Stärkung der Bildungssprache.<br />

Mit Ausnahme der<br />

Vorgaben zur Fehlerkorrektur<br />

stellt die Handreichung<br />

tatsächlich ein hilf- und<br />

anregungsreiches Werk für<br />

die Grundschullehrkräfte<br />

dar. Auch und besonders die<br />

Ausweitung der Stundentafel<br />

im Fach Deutsch um eine<br />

Wochenunterrichtsstunde sei<br />

hier positiv vermerkt.<br />

Mut allerdings zu wirklich<br />

grundlegenden, strukturellen<br />

und zukunftsweisenden Entscheidungen<br />

in der Bildungspolitik,<br />

die freilich nicht nur<br />

auf hessischem Boden gefällt<br />

werden dürften, fehlte und<br />

fehlt landauf und landab.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Pia Hölzel<br />

46<br />

GS aktuell 163 • September 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Sonja Köhler<br />

info@grundschulverband.saarland, www.grundschulverband.saarland<br />

Neuer Vorstand<br />

Bereits im März wurde in<br />

der Mitgliederversammlung<br />

ein neuer Vorstand gewählt.<br />

Nachdem sich Anke Jungmann<br />

nach ihrer vierjährigen Arbeit<br />

als erste Landesgruppenvorsitzende<br />

aus familiären Gründen<br />

nicht mehr zur Wahl stellte,<br />

wurde nun Sonja Köhler in<br />

dieses Amt gewählt. Auch Mark<br />

Prediger (stellvertretender<br />

Landesgruppenvorsitzender)<br />

und Aline Schmidt (Beisitzerin)<br />

traten nicht erneut zur Wahl<br />

an. Neu im Amt sind nun Pascal<br />

Kihm als stellvertretender<br />

Vorsitzender, Christina Surges<br />

als Schriftführerin und Marie<br />

Fischer sowie Anna Schümmer<br />

als Beisitzerinnen. Im Amt<br />

bestätigt wurden Markus<br />

Peschel als stellvertretender<br />

Landesgruppenvorsitzender<br />

und Anika Valentini als Schatzmeisterin.<br />

Vielen Dank an Anke, Mark und<br />

Aline für eure wertvolle Arbeit<br />

in den letzten Jahren!<br />

Forderungen an eine tragfähige<br />

Personalisierung saarländischer<br />

Grundschulen<br />

Nachdem im Februar unsere<br />

sechs Forderungen an eine tragfähige<br />

Personalisierung saarländischer<br />

Grundschulen mit der<br />

Überschrift „Was Grundschullehrer*innen<br />

können, können<br />

nur Grundschullehrer*innen“ an<br />

die Presse und die bildungspolitischen<br />

Vertretungen geschickt<br />

wurde, ergaben sich diverse<br />

Gespräche im Ministerium, mit<br />

dem Studienseminar und mit<br />

der SPD-Landtagsfraktion. Wir<br />

unterbreiteten u. a.. Vorschläge,<br />

um die Einstellung in den<br />

saarländischen Schuldienst<br />

für Grundschullehrer*innen<br />

attraktiver zu gestalten und<br />

so z. B. den Abwanderungen<br />

in benachbarte Bundesländer<br />

entgegenzuwirken. Weitere<br />

Forderungen bezogen sich auf<br />

die Stärkung multiprofessioneller<br />

Teams, die Aufstockung der<br />

Studienplätze im Studiengang<br />

Lehramt für die Primarstufe<br />

v. l. n. r.: Anna Schümmer, Pascal Kihm, Sonja Köhler, Christina<br />

Surges, Marie Fischer, Markus Peschel, fehlend: Anika Valentini<br />

an der Universität des Saarlandes,<br />

eine dynamische<br />

Weiterentwicklung der zweiten<br />

Ausbildungsphase sowie eine<br />

finanzielle Aufstockung von<br />

Sachmitteln der Grundschulen.<br />

Auch die Angleichung der Besoldung<br />

an die Besoldung von<br />

Lehrpersonen der weiterführenden<br />

Schulen war und ist immer<br />

wieder Thema der Gespräche.<br />

Sitzkreis – GSV Saar lädt ein<br />

In Anlehnung an den „Klönschnack“<br />

in Bremen oder die<br />

„Happy Hour“ in Bayern haben<br />

nun auch wir einen regelmäßigen<br />

Austausch für interessierte<br />

Grundschullehrkräfte initiiert.<br />

Unser Sitzkreis bietet einen<br />

Austausch über Themen wie<br />

Studium und Referendariat,<br />

Examensprüfungen, Schulkonzepte,<br />

aktuelle bildungspolitische<br />

Forderungen (s. o.) oder<br />

pädagogisch-didaktische Themen<br />

wie die Grundschrift oder<br />

Ansätze zur Leseförderung. Die<br />

Termine und Themen werden<br />

auf unserer Homepage https://<br />

www.grundschulverband.<br />

saarland und in den sozialen<br />

Netzwerken veröffentlicht.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Pascal Kihm<br />

Niedersachsen<br />

Kontakt: www.gsv-nds.de<br />

Gespräch im<br />

Kultusministerium<br />

Zu einem ersten gemeinsamen<br />

Gespräch lud die<br />

niedersächsische Kultusministerin<br />

Julia Hamburg den<br />

Vorstand der Landesgruppe<br />

Niedersachsen ein. Am 26.<br />

April waren dann neben Frau<br />

Hamburg auch die Referatsleiterin<br />

Frau Rehn sowie Frau<br />

Graf, Mitarbeiterin im Referat,<br />

vor Ort. Nach einem Rückblick<br />

auf das Dialogforum<br />

stand insbesondere die pädagogische<br />

Leistungskultur<br />

im Fokus. Dabei diskutierten<br />

wir Möglichkeiten, Kinder auf<br />

ihrem individuellen Lernweg<br />

zu begleiten. Gelungen<br />

konnten wir Forderungen des<br />

Grundschulverbandes wie<br />

z. B. die Durchführung von<br />

Lerngesprächen einbringen<br />

und intensiv diskutieren. Ein<br />

weiterer Gesprächsgegenstand<br />

war der Verzicht auf<br />

Noten und Ziffernzeugnisse.<br />

Insgesamt fand das Gespräch<br />

in einer vertrauensvollen und<br />

konstruktiven Atmosphäre<br />

statt; Interesse an der pädagogischen<br />

Ausrichtung des<br />

Grundschulverbandes wurde<br />

deutlich. Abschließend stand<br />

die Einladung zu einem weiteren<br />

Gespräch zum Thema<br />

„Inklusion“.<br />

Das Dialogforum<br />

geht weiter …<br />

Zu einem zweiten Dialogforum<br />

hat die niedersächsische<br />

Kultusministerin Frau<br />

Hamburg am Montag, den<br />

12.06.2023 Vertreter:innen<br />

des MK, der RLSB sowie<br />

einzelner Verbände geladen.<br />

In der IGS Langenhagen diskutierten<br />

die Teilnehmer:innen<br />

in unterschiedlichen<br />

Arbeitsgruppen zum Thema<br />

Lehrkräftegewinnung. Dabei<br />

stand die Frage im Vordergrund,<br />

wie die Unterrichtsversorgung<br />

in Niedersachsen<br />

bei gleichzeitiger möglicher<br />

Entlastung der Lehrkräfte<br />

verbessert werden kann. Die<br />

Ergebnisse dieses Tages sollen<br />

in verschiedenen Arbeitsgruppen<br />

weiterentwickelt<br />

werden. Über den Fortgang<br />

werden wir an dieser Stelle<br />

sowie in den sozialen Medien<br />

weiter berichten.<br />

Save the date<br />

Am Samstag, den<br />

04.11.2023 findet in Bremen<br />

unsere Mitgliederversammlung<br />

inklusive der Neuwahlen<br />

des Vorstandes statt. Zuvor<br />

laden wir herzlich zum Fachvortrag<br />

zum Thema „BNE“<br />

ein. Frau Fitzer, Fachberaterin<br />

für BNE am Regionalen<br />

Landesamt für Schule und<br />

Bildung, führt in das Thema<br />

ein. Anschließend wird Ulrike<br />

Oltmanns vom Projekt „Eine<br />

Welt in der Schule“ durch ihre<br />

Räumlichkeiten führen und<br />

unter anderem die direkt in<br />

der Praxis einzusetzenden<br />

Materialkisten vorstellen.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Eva Osterhues-Bruns<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

47


Praxis: aktuell Pausenkulturen<br />

… den Landesgruppen<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Christiane Mika, Ruhrbogen 30,<br />

45529 Hattingen; www.grundschulverband-nrw.de<br />

Fortsetzung des pädagogischen<br />

Frühstücks<br />

Das während der Pandemie<br />

entstandene und fortgeführte<br />

digitale Format eines<br />

‚pädagogischen Frühstücks‘<br />

für Mitglieder und Interessierte<br />

verzeichnet weiterhin<br />

regen Zulauf. Für eine Stunde<br />

bieten wir einmal im Quartal<br />

samstags ein digitales Format<br />

mit je einem Impulsvortrag<br />

und daran anschließenden<br />

Möglichkeiten zum Austausch<br />

und zur Vertiefung in<br />

digitalen Räumen an. Beim<br />

vergangenen pädagogischen<br />

Frühstück stellte Dr. Beate<br />

Leßmann den 80 Teilnehmenden<br />

in einem spannenden<br />

und inspirierenden Impulsvortrag<br />

vor, wie das Schreiben<br />

eigener Texte und das<br />

Rechtschreiben von Anfang<br />

an verbunden werden kann.<br />

Über das große Interesse an<br />

der Veranstaltung haben wir<br />

uns sehr gefreut, sodass wir<br />

auch im nächsten Schuljahr<br />

weitere pädagogische Frühstücke<br />

im digitalen Format<br />

anbieten werden.<br />

Bildungspolitische<br />

Beteiligungen und<br />

Kontakte in NRW<br />

Im Mai vertrat Christiane<br />

Mika in ihrer Funktion als<br />

Vorstandsvorsitzende den<br />

Grundschulverband in einem<br />

telefonischen Gespräch mit<br />

Dorothee Feller (Ministerin<br />

für Schule und Bildung des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen).<br />

In dem Gespräch wurden<br />

von Seiten des Verbandes<br />

noch einmal die besonderen<br />

Bedarfe der Grundschule in<br />

Abgrenzung zu den anderen<br />

Schulformen betont. Insbesondere<br />

sinnvolle Hilfs- und<br />

Unterstützungsmaßnahmen<br />

für die Grundschule wurden<br />

in diesem Zuge diskutiert.<br />

Zum weiterführenden<br />

Austausch über diesen<br />

Themenkomplex wurde ein<br />

Termin für ein Videomeeting<br />

vereinbart.<br />

Grundschultag NRW 2023 –<br />

save the date!<br />

Zu unserem diesjährigen<br />

Grundschultag laden wir am<br />

28.10.2023 in die Gebrüder-<br />

Grimm-Schule in Hamm ein.<br />

Die Preisträgerschule des<br />

Deutschen Schulpreises 2019<br />

können alle Teilnehmenden<br />

anhand eines Schulrundgangs<br />

kennenlernen und im<br />

Einführungsvortrag mehr<br />

über die Konzeption der<br />

Schule erfahren.<br />

Unter dem Leitthema<br />

KINDER. LERNEN. ZUKUNFT.<br />

JETZT! werden verschiedene<br />

Workshops angeboten.<br />

Weitere Infos folgen im<br />

Newsletter und auf dem<br />

Instagram-Kanal unserer<br />

Landesgruppe.<br />

28.10.2023<br />

10:00 – 15:00 Uhr<br />

Gebrüder-Grimm-Schule,<br />

Hamm<br />

Anmeldung unter:<br />

grundschulverbandnrw@t-online.de<br />

Ansprechperson: Maxi<br />

Brautmeier-Ulrich<br />

Für die Landesgruppe<br />

Nordrhein-Westfalen:<br />

André Richter<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Thekla Mayerhofer, Hafenstr. 44, 06108 Halle (Saale)<br />

May_The@web.de, www.gsv-lsa.de<br />

Klausurtagung<br />

des Vorstandes<br />

Alle zwei Jahre trifft sich der<br />

Vorstand unserer Landesgruppe<br />

zu einer Klausurtagung,<br />

um Aktuelles und<br />

Zukünftiges zu beratschlagen<br />

und neue Ideen zu akquirieren.<br />

Themen des diesjährigen<br />

Treffens am 16. Juni waren<br />

u.a. die vom Land angedachte<br />

Kooperation von Schulen<br />

und Horten zur Umsetzung<br />

des geplanten Ganztagsanspruchs<br />

2026. Gemeinsam<br />

mit der DKJS (Deutsche<br />

Kinder- und Jugendstiftung)<br />

wollen wir Impulse setzen,<br />

die Bedeutung dieser<br />

Entwicklung hervorheben<br />

und notwendige Strukturen<br />

einfordern. Erster Anlaufpunkt<br />

soll ein Treffen mit<br />

der Bildungsministerin zum<br />

gemeinsamen Austausch<br />

sein. Ein zweites Thema war<br />

der Seiteneinstieg, der ohne<br />

Anerkennung, eine kontinuierliche<br />

Qualifizierung, einen<br />

sachgerechten Einsatz und<br />

eine gute Einbindung an den<br />

Schulen durch z. B. Mentoring<br />

nur schwer gelingen kann –<br />

auch hierzu wollen wir den<br />

Kontakt zum MB noch einmal<br />

aufnehmen. Zudem ist in<br />

Sachsen-Anhalt unsere Idee<br />

des Primarstufenlehramts,<br />

das die starre Trennung in<br />

das Lehramt für Grundschulen<br />

und für Förderschulen<br />

aufweichen würde, neu in der<br />

Diskussion, das beim letzten<br />

Treffen mit den bildungspolitischen<br />

Sprecher*innen des<br />

Landes im März Gehör fand.<br />

Eine Arbeitsgruppe der Philosophischen<br />

Fakultät III der<br />

Martin-Luther-Universität, in<br />

der drei unserer Mitglieder<br />

mitarbeiten, arbeitet an<br />

einem Konzeptpapier.<br />

„Eltern-Uni“<br />

Im März und Juni fanden die<br />

ersten beiden Eltern-Unis als<br />

Kooperation des Grundschulverbandes<br />

Sachsen-Anhalt<br />

und des Instituts für Schulpädagogik<br />

und Grundschuldidaktik<br />

der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg<br />

statt. Der erste Termin stellte<br />

die Frage nach Leistungsbewertung:<br />

Brauchen Kinder<br />

Noten, um sich fürs Lernen<br />

zu motivieren? Nach einem<br />

Faktencheck berichteten<br />

Lehrkräfte der Freien Schule<br />

Riesenklein in Halle den<br />

etwa 50 Zuhörer*innen von<br />

Möglichkeiten der Leistungsrückmeldung<br />

ohne Zensuren.<br />

Im Juni ging es um die Frage<br />

„Wozu rechnen? Gibt doch<br />

Taschenrechner!“. Unser<br />

Vorstandsmitglied Wolfgang<br />

Grohmann zeigte dabei auf,<br />

was guter Mathematikunterricht<br />

leisten kann, und nahm<br />

den Eltern die Sorge vor dem<br />

Versagen ihrer Kinder im<br />

Mathematikunterricht. Wir<br />

freuen uns zudem auf die<br />

nächsten beiden Termine, in<br />

denen es um alte und neue<br />

Gewissheiten im Rechtschreibunterricht<br />

sowie<br />

Digitalisierung in der Grundschule<br />

geht.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.gsv-lsa.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Dr. Nadine Naugk<br />

48<br />

GS aktuell 163 • September 2023


Nachruf auf Dr. Manfred Pollert<br />

„Wir sind nicht verpflichtet,<br />

pädagogischen Unsinn zu machen!“<br />

Als 1985 die neuen Richtlinien für Grundschulen in NRW veröffentlicht<br />

wurden, wussten viele, dass Grundschulrektor Manfred<br />

Pollert als Vorsitzender der Richtlinienkommission die<br />

wichtigsten Akzente gesetzt hatte. Erstmalig fand man Freie Arbeit<br />

in den Richtlinien. Busweise pilgerten Lehrerinnen und Lehrer nach<br />

Münster, um in Pollerts Grundschule Berg Fidel die Praxis zu sehen.<br />

In seiner eigenen Klasse probierte Pollert alles aus, so wie andere<br />

Pioniere es in der Zeit taten. Ein Vierteljahr konnten dort die Projekte<br />

dauern, z. B. über Indigene oder das Mittelalter. Die Kinder beschäftigten<br />

sich mit einem gemeinsamen Gegenstand, bauten Zelte,<br />

machten Musik, tanzten, schrieben Geschichten, druckten sie selbst<br />

für eine Zeitung, rechneten in anderen Maßeinheiten und untersuchten<br />

Kultur. Dabei nahm er immer ernst, was Kinder ihm sagten.<br />

Mit viel Geduld ermutigte er Kinder und gab ihnen und ihren Eltern<br />

Sicherheit. Seine Schule wurde zu einer Laborschule im Grundschulbereich.<br />

Nie verleugnete Pollert, dass er alles von den alten Meistern<br />

wie Freinet, Montessori oder Petersen „abgeguckt“ hatte.<br />

Pollert faszinierte in Vorträgen, teils zusammen mit dem befreundeten<br />

Schulrat Gerhard Sennlaub, Hunderte von Zuhörer*innen<br />

und überzeugte auch im eigenen Kollegium. Sennlaub fasste die<br />

Grundsätze im Buch „Spaß beim Schreiben“ (1980) zusammen.<br />

In Pollerts Schulklasse entstanden die Karteikarten für den CVK-<br />

Rechtschreiblehrgang, den Pollert und Sennlaub zu einem Renner<br />

machten. Auch viele seiner Schulbücher bestanden hier ihre<br />

Praxisprobe.<br />

Als ich 1992 als sein Stellvertreter in seine Schule kam, sagte Manfred<br />

Pollert in typisch knapper Art zu mir: „Ich bin Klassenlehrer,<br />

die Schule leite ich nebenbei!“ Er setzte sich stets warmherzig<br />

für die Kinder ein. Konsequent verfolgte er sein Ziel, dass alle ihre<br />

höchstmöglichen Erfolge erleben und selbstständig arbeiten konnten.<br />

Er integrierte auf „stille“ Art möglichst viele aus dem Stadtteil<br />

Berg Fidel. Pollert wollte, dass kein Kind auf eine Sonderschule<br />

käme, auch deshalb, weil dort so wenig differenziert wurde, sodass<br />

er die Kinder lieber „bei sich“ lernen ließ.<br />

„Differenzieren kann man lernen“, antwortete er Skeptikern. Er überzeugte,<br />

indem er ihre Sorgen ernst nahm und mit Eltern und Lehrkräften<br />

zusammen in Arbeitskreisen Wege suchte, allen Kindern<br />

gerecht zu werden. Seine schlichte Erklärung dafür hieß: „Weil es<br />

nicht anders geht!“<br />

In den Behörden fand er immer Verbündete, die unterstützten, was<br />

Pollert für jeden verstehbar erklären konnte. Im Zweifel praktizierte<br />

er das Motto „Nicht fragen, sondern einfach machen!“. „Ungehorsam<br />

im Schuldienst“ und kreative Lösungen konnten wir bei ihm<br />

lernen. Wenn Behörden sich etwas ausgedacht hatten, was in der<br />

Praxis nicht funktionierte, sagte er rigoros und zugleich gelassen:<br />

„Wir sind nicht verpflichtet, pädagogischen Unsinn zu machen!“<br />

Pollert gehört zu den „entschiedenen Schulreformern“, die in den<br />

1970er- und 1980er-Jahren die Grundschule in Westdeutschland zu<br />

einem Ort der „ermutigenden“ Pädagogik gemacht haben und den<br />

Boden der Integrations- und Inklusionspädagogik gelegt haben.<br />

Seine Wirkung für ganz NRW (und mit seinen Publikationen weit<br />

darüber hinaus) entspricht dem Wirken von Hermann Schwarz in<br />

Hamburg. Mit seinem Buch „Lernen und Leben im ersten Schuljahr“<br />

(2002) gelang ihm ein unvergleichlicher Praxisbericht, der für Lehrkräfte<br />

noch heute eine hilfreiche Fundgrube ist.<br />

Dr. Manfred Pollert (4.6.1938–30.5.2023), ein „entschiedener<br />

Schulreformer“, ist im Mai 2023 im Alter von 85 Jahren<br />

gestorben. Hier zu sehen mit seinem Nachfolger als Schulleiter<br />

Dr. Reinhard Stähling (l.)<br />

Als er 2002 pensioniert wurde, war es für ihn selbstverständlich,<br />

dass wir als seine Nachfolger die Altersmischung einführten, zumal<br />

er doch selbst als Junglehrer eine einklassige evangelische<br />

Dorfschule im westlichen Münsterland geführt hatte. Die älteren<br />

unterrichteten die jüngeren Kinder. Davon hatte er erzählt.<br />

Eigentlich wollte Pollert Gemeindepfarrer werden. Er wurde Lehrer, Seminarleiter<br />

und schließlich Gründungsvater der Grundschule in Berg<br />

Fidel und „nebenbei“ promovierte er in Erwachsenenbildung. Was<br />

auch immer er anfasste, gelang leicht und hatte Zukunft. Im Stadtteil<br />

Berg Fidel, der den Ruf eines sozialen Brennpunktes hatte, war<br />

er derjenige, der mit allen Institutionen wie Kitas, Jugendhilfe- und<br />

Beratungsstellen, aber auch mit allen Verwaltungschefs in enger Kooperation<br />

stand und als Vorsitzender des Stadtteilarbeitskreises sehr<br />

viel bewirkte. So fanden schon früh Schulgottesdienste statt, die die<br />

Schule in einer christlichen Kirche mit einem Vertreter des Islam, einem<br />

evangelischen Pastor und einem katholischen Priester zusammen gestalteten.<br />

Die gegenseitige Toleranz von Menschen mit verschiedenster<br />

Herkunft wurde im Stadtteil immer selbstverständlicher.<br />

Nach seiner Pensionierung machte er dann seinen früheren Berufswunsch<br />

wahr und wurde Seelsorger des Altenheims in Berg Fidel.<br />

Bis zu seinem Tod mit 85 Jahren ging er täglich zu Bewohner*innen<br />

und hielt Andachten in der Kirche. Mit Hingabe begleitete er viele<br />

bis zu ihrem Tod. Zufrieden und selbstbewusst lebte er seine Vision<br />

vom weltoffenen, toleranten und sozialen Christentum.<br />

Manfred Pollert ist am 30.5.2023 nach kurzer Krankheit gestorben.<br />

Seine Spuren werden noch Generationen später zu sehen sein. So<br />

hätte es ohne seine fundamentale Vorarbeit zwölf Jahre nach seiner<br />

Pensionierung keine Erweiterung der Schule zu einer Primus-<br />

Schule bis zur Klasse zehn gegeben. In Dankbarkeit können wir<br />

uns vor diesem großen Lehrer und Schulreformer verneigen - und<br />

seinen Weg fortsetzen. Das wäre ganz in seinem Sinne.<br />

Dr. Reinhard Stähling war seit 1992 Manfred Pollerts Stellvertreter und<br />

seit 2002 sein Nachfolger als Schulleiter der Grundschule Berg Fidel. Bis<br />

zu seiner Pensionierung im Jahr 2022 leitete er die Primus-Schule Berg<br />

Fidel - Geist, eine Gesamtschule mit den Jahrgängen 1–10, die 2014<br />

aus der Grundschule Berg Fidel hervorgegangen ist.<br />

Dr. Reinhard Stähling<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

U III


Grundschule aktuell<br />

Grundschulverband e. V.<br />

Frankfurter Straße 74–76 · 63263 Neu-Isenburg<br />

Tel. 06102 / 88 21 660 · Fax 06102 / 88 21 664<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Ausblick Grundschule aktuell 164<br />

Professionalität in der Grundschule<br />

In der Diskussion um Qualität von Schule und die damit verbundenen Erwartungen an das<br />

Kollegium angesichts des akuten Lehrkräftemangels steht auch immer die Frage im Raum,<br />

was Grundschulkinder brauchen, um gute Bildung in der Schule zu erleben.<br />

In der kommenden Ausgabe von Grundschule aktuell steht das Thema „Professionalität“<br />

im Mittelpunkt. Diesem Thema wollen wir uns aus vier Perspektiven nähern:<br />

Entwicklung ...<br />

• der Kompetenzen und Sichtweisen Einzelner auf der Basis ihrer persönlichen Erfahrung,<br />

• des Kollegiums durch gemeinsames Nachdenken in der Schule,<br />

• der Schule durch den Austausch mit anderen Schulen in Netzwerken wie dem<br />

„Blick über den Zaun“ und<br />

• der Kooperation mit außerschulischen Partner*innen wie z. B. Unis oder Einrichtungen<br />

der Jugend- oder Sozialarbeit.<br />

Sowohl in den Leitartikeln als auch in den Praxisbeiträgen gehen wir folgenden Fragen<br />

nach: Welche Art von Kompetenz (Wissen / Können …) zeichnet eine gute Lehrkraft<br />

aus und wie lässt sich diese Kompetenz entwickeln? Welches Potenzial haben dabei<br />

z. B. „professionelle Lerngemeinschaften“? Welche Strukturen sind für das Konzept und<br />

das professionelle Handeln in einer Schule tragend und welche Wirkungen haben<br />

Leitungswechsel oder Veränderungen im Kollegium?<br />

Die nächsten<br />

Themen<br />

November 2022<br />

Februar 2023 Mai 2023<br />

Heft 165 | Februar 2024<br />

Kinder Stärken erleben lassen<br />

Heft 166 | Mai 2024<br />

Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung<br />

Heft 167 | September 2024<br />

Lehramt studieren –<br />

Lehrkraft sein<br />

www.<br />

grundschule-aktuell.info

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