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GSa163_Sept23_ES

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Praxis: Pausenkulturen<br />

Kindern mit Beeinträchtigungen sind<br />

besonders gut, wenn die Klasse oder<br />

Lerngruppe die Überwindung von Barrieren<br />

als gemeinsames Projekt bearbeitet.<br />

Aber nicht nur physische Barrieren<br />

können die soziale Integration behindern.<br />

Auch gruppendynamische Prozesse<br />

können zur Exklusion einzelner<br />

Kinder führen.<br />

ist zu beachten, dass diese nicht immer<br />

selbstsicher und psychisch stabil sind.<br />

Oft ist es einer spezifischen Gruppendynamik<br />

geschuldet, wer Opfer und<br />

wer Täter wird. Typische Schulstrafen,<br />

wie sie in den meisten Schulerlassen in<br />

einem Katalog aufgeführt sind, bringen<br />

erfahrungsgemäß keine nachhaltige<br />

Prävention von Mobbing. Allzu oft verschärfen<br />

sie die Konflikte sogar noch.<br />

Der Grundsatz inklusiver Pausen ist gegenseitige Wertschätzung und ein Gefühl der<br />

Zusammengehörigkeit innerhalb der Schulgemeinschaft (Bildquelle: Wikimedia)<br />

Pause mobbingfrei<br />

Manche Kinder blicken voller Angst auf<br />

die so genannte große Pause. Denn in<br />

den Zeiten, in denen es keine Aufsicht<br />

und Kontrolle (durch Lehrpersonen)<br />

gibt, sind sie häufig Mobbing und Ausgrenzung<br />

ausgesetzt. Meistens bemerkt<br />

man das Mobbing erst, wenn das Opfer<br />

schon Verhaltensveränderungen wie<br />

Ängstlichkeit, Schulverweigerung und<br />

sozialen Rückzug zeigt. Gerade, weil<br />

Mobbing so schwer festzustellen ist,<br />

und die Opfer sich schwertun, offensiv<br />

mit dem Problem umzugehen, sind<br />

Präventionsprogramme wichtig. Zwar<br />

kommen nahezu alle wissenschaftlichen<br />

Studien zum Thema Mobbing<br />

zu dem Schluss, dass dies in weiterführenden<br />

Schulen häufiger vorkommt<br />

als in Grundschulen. Dennoch sollte<br />

die Gefahr auch an Grundschulen nicht<br />

unterschätzt werden. Auch hier gilt: Je<br />

intensiver die Prävention im Unterricht<br />

stattfindet, umso besser kann Mobbing<br />

in den Pausen vorgebeugt werden! Beim<br />

Umgang mit den Mobbing-Täter*innen<br />

Als hilfreich hat sich hier der in England<br />

entwickelte No-Blame-Approach<br />

erwiesen (vgl. Blum/Beck 2012). In diesem<br />

Ansatz wird bewusst auf Schuldzuweisungen<br />

und Strafen verzichtet. Es<br />

geht vielmehr darum, mit der jeweiligen<br />

Kindergruppe gemeinsam Lösungen<br />

zu finden, damit sich alle Kinder in der<br />

Schule wohlfühlen. Um Mobbingvorkommnisse<br />

in der Grundschule zu vermeiden,<br />

ist es notwendig, sensibel auf<br />

Verhaltensänderungen zu achten, ein<br />

Klima gegenseitiger Achtung und Wertschätzung<br />

zu entwickeln sowie eine tragfähige<br />

Präventions- und Interventionsstrategie<br />

zu etablieren.<br />

Wertschätzung der Vielfalt innerhalb<br />

der Schulgemeinschaft ist auch ein<br />

Schlüssel zu mehr Toleranz und Wohlbefinden.<br />

Dies betrifft auch die sprachliche<br />

und ethnische Vielfalt.<br />

Pause mehrsprachig<br />

Aus Politik und Öffentlichkeit kommt<br />

immer mal wieder die Forderung, dass<br />

es für die Hofpausen ein Deutsch-Gebot<br />

geben soll. Als Begründungen werden<br />

angeführt, dass so das Deutschlernen<br />

erleichtert würde, dass durch<br />

den Gebrauch der Herkunftssprachen<br />

die deutschsprachigen Kinder von der<br />

Kommunikation ausgeschlossen seien<br />

und dass so der Bildung von „Parallelgesellschaften“<br />

vorgebeugt würde. Wie<br />

haltbar sind diese Begründungen?<br />

Zum einen wird dabei die Erkenntnis<br />

missachtet, dass solide Kenntnisse von<br />

Herkunftssprachen den Erwerb einer<br />

Zweitsprache fördern. Zum anderen ist<br />

Monolingualität auf der Welt eher eine<br />

Ausnahme. Viele Staaten sind Vielvölkerstaaten<br />

und Mehrsprachigkeit einfach<br />

normal. Die gezielte Förderung von<br />

Mehrsprachigkeit wirkt nachweislich<br />

Bildungsbenachteiligungen entgegen<br />

und fördert die sprachlichen Kompetenzen<br />

insgesamt (Wiese/Tracy 2020).<br />

Die bewusste Förderung der Mehrsprachigkeit<br />

ist indes auch ein Beitrag<br />

zur Inklusion. In Kanada werden z. B.<br />

Kinder gleicher Herkunftssprache, die<br />

schon länger in Kanada leben, gezielt<br />

eingesetzt, um bei der sozialen Integration<br />

von Neuankömmlingen zu helfen.<br />

Leistungsnachweise in den Sachfächern<br />

können teilweise auch in der Herkunftssprache<br />

erbracht werden. Mehrsprachigkeit<br />

wird gefördert und als Bildungsziel<br />

anerkannt (Hoffmann 2017).<br />

Für die positive Gestaltung und Förderung<br />

von Mehrsprachigkeit gibt es<br />

zahlreiche didaktische Ansätze. Eine<br />

Grundlage ist auch hier Wertschätzung<br />

der Vielfalt und die gleichwertige Betrachtung<br />

aller Herkunftssprachen. Oft<br />

hört man folgenden Satz mit negativer<br />

Konnotation: „In der Familie wird NUR<br />

türkisch (oder kurdisch, arabisch, ukrainisch,<br />

…) gesprochen.“ Aber – positiv<br />

konnotiert: „Toll! Das Kind spricht auch<br />

Französisch (Englisch, Spanisch).“ Kinder<br />

spüren (im zuerst genannten Fall)<br />

die Abwertung ihrer Herkunftssprache<br />

und damit ihrer kulturellen Wurzeln.<br />

Diese negative Einstellung gegenüber<br />

ihrer Herkunftssprache und Ethnie<br />

führt nicht zu einer besseren Inklusion,<br />

sondern eher zu einem Rückzug in die<br />

eigene kulturelle Nische. Auch hier versuchen<br />

bereits viele Schulen, die sprachliche<br />

und kulturelle Vielfalt positiv aufzugreifen.<br />

Ein weiterer Punkt spricht gegen ein<br />

Deutsch-Gebot in der Pause: Die Pau-<br />

24<br />

GS aktuell 163 • September 2023

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