GSa163_Sept23_ES
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Thema: Pausenkulturen<br />
sich der Aktionsradius von Kindern gravierend.<br />
Wo, wenn nicht an Schule, gibt<br />
es im Alltag noch Raum für Selbstwirksamkeit<br />
und phantasievolle Rollenspiele.<br />
Wer bei Kindern Entwicklung begünstigen<br />
will, muss Aneignung zulassen können<br />
und deren Eigendynamik akzeptieren.<br />
Insofern sollte man gestaltbare Bereiche<br />
schaffen, die von Schüler*innen<br />
mitgestaltet und neugestaltet werden<br />
können. Stellte man z. B. passende Flächen<br />
und Baumaterialien (z. B. Äste, Stöcke,<br />
Kisten mit Material) zur Verfügung,<br />
wäre man von dem Gestaltungswert der<br />
einfachsten Materialien schnell überrascht.<br />
Es kann passieren, dass sich nicht<br />
nur die Kleinsten, sondern bis zur vierten<br />
Klasse alle um den begehrten Abenteuerspielplatz<br />
streiten. Solche Freiräume<br />
an Schule schaffen zu wollen, wird<br />
auf verschiedenen Ebenen schnell an<br />
Grenzen stoßen. Wenn man aber Kontrollwünschen<br />
und Bedenken den Vorrang<br />
gibt, droht Kindern in der Ganztagsschule<br />
– im schlechtesten Fall – eine<br />
überbehütete Kindheit auf von Pragmatismus<br />
und Facility Management dominierten,<br />
neu normierten Schulhöfen.<br />
Wenn man die Entwicklungsdimension<br />
für Kinder nicht vernachlässigen will,<br />
wird man sich Aushandlungsprozessen<br />
auf verschiedenen Ebenen aussetzen<br />
müssen.<br />
Von der Pausenhalle<br />
zum Marktplatz<br />
Pausenhallen vermitteln nicht selten<br />
einen nüchternen Charme. Sie sind in<br />
der Regel unmöbliert und werden als<br />
Teil des Eingangsbereiches oft zu einer<br />
Art Verteilerhalle und gerne auch als<br />
Versammlungsraum genutzt. „Bestuhlt“<br />
oder leer fungieren sie als Ort für wenige<br />
Veranstaltungen im Jahr oder als<br />
Schutzraum in der Pause bei schlechtem<br />
Wetter. Den Rest der Zeit sind sie repräsentative<br />
Entrees der Schule, gekennzeichnet<br />
durch vereinzelte Vitrinen<br />
und Pflanzen. Wenn man sich jedoch<br />
das Missverhältnis zwischen Flächenangebot<br />
und Auslastung vergegenwärtigt,<br />
wird man kreativ und vielleicht<br />
kompromissbereiter werden wollen.<br />
Man kann Angebote schaffen, z. B.<br />
dadurch, dass zumindest die Ränder<br />
eingerichtet werden und für die Fläche<br />
mobile Elemente zum Einsatz kommen.<br />
In der Schule Traberweg sind es abstrahierte,<br />
unterschiedlich große „Hütten“<br />
auf Rollen, die ineinandergeschoben<br />
und für Veranstaltungen weggefahren<br />
werden können. Eingerichtet werden<br />
sie mit leicht wegzutragenden weichen<br />
Sitzelementen oder einer Sitzgarnitur.<br />
Die große Halle wird zoniert, in ihrem<br />
Maßstab gebrochen und neu auf vielerlei<br />
Weise anschlussfähig. Auch die Bühne<br />
eröffnet eine weitere Auftrittsmöglichkeit;<br />
Sitzsäcke verwandeln die Fläche<br />
zu einer gemütlichen „Empore“. Das<br />
Konzept folgt der Idee eines Marktplatzes:<br />
Der zentrale Platz in der Schule wird<br />
zum Treffpunkt über den ganzen Tag.<br />
Auch in der Pause? Immer wieder<br />
werden in Bezug auf Schule und Ganztagsbildung<br />
Partizipation und Freiwilligkeit,<br />
die Möglichkeit, selbstbestimmt<br />
entscheiden zu können, als wichtige Gelingensfaktoren<br />
für Bildungsprozesse betont.<br />
Wo bleibt diese Überzeugung aber<br />
in der Pause, wenn Kinder grundsätzlich<br />
auf den Schulhof „genötigt“ werden?<br />
Könnte die Freude über die Ausnahme,<br />
in der „Regenpause“ auch mal<br />
nicht nach draußen zu müssen, eine<br />
Sehnsucht danach sein, auch Innenräume<br />
für das eigene Spiel nutzen zu können,<br />
sie sich erobern zu dürfen, sie zum<br />
Ort „für sich“ zu machen?<br />
Wie will eine Institution Kindern<br />
und Jugendlichen, die sie fördern will,<br />
das Empfinden vermitteln, angenommen<br />
und willkommen zu sein, wenn<br />
sie Kinder immer dann, wenn die Institution<br />
sie gerade nicht als Schüler*innen<br />
betrachtet, aussperrt? So wird die<br />
„Oase der Freiheit“ (Pausenhof) zu<br />
einem Ort, der letztlich wieder von<br />
Fremdbestimmung geprägt ist.<br />
Die Aula: Der zentrale Platz<br />
in der Schule wird zum Treffpunkt.<br />
Bestückt mit<br />
abstrahierten, unterschiedlich<br />
großen „Hütten“ auf<br />
Rollen, die ineinandergeschoben<br />
und für Veranstaltungen<br />
weggefahren<br />
werden können. Eingerichtet<br />
werden sie z. B. mit leicht<br />
wegzutragenden weichen<br />
Sitzelementen oder einer<br />
Sitzgarnitur.<br />
GS aktuell 163 • September 2023<br />
11