GSa163_Sept23_ES
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Praxis: Pausenkulturen<br />
se dient der Erholung. Wenn man selbst<br />
schon einmal über längere Zeit im Ausland<br />
gelebt hat, weiß man, wie anstrengend<br />
es ist, den ganzen Tag in einer<br />
Zweit- oder Fremdsprache zu kommunizieren.<br />
Der Gebrauch der Herkunftssprache<br />
dient auch der Entspannung –<br />
und dazu sind Pausen da.<br />
Auch in diesem Zusammenhang<br />
heißt der Schlüsselbegriff für eine erholsame<br />
und aufmunternde Pause für<br />
alle: „Wertschätzung“.<br />
Wenn in der Schule allgemein die<br />
Vielfalt der Lernenden begrüßt wird,<br />
wird auch die Mehrsprachigkeit auf dem<br />
Schulhof nicht als Bedrohung, sondern<br />
als Bereicherung erlebt. Um eine feste<br />
Cliquenbildung etwas aufzulockern,<br />
kann den Kindern die Möglichkeit gegeben<br />
werden, Hofspiele, Abzählreime<br />
u. Ä. aus ihrer Sprache und Kultur mitzubringen<br />
und den anderen Kindern<br />
vorzustellen.<br />
Ethnische Konflikte auf<br />
dem Pausenhof<br />
Auch hier dürften die Probleme im<br />
Pubertätsalter bzw. in der Sekundarstufe<br />
größer sein. Dennoch können ethnische<br />
Konflikte auch schon in der Grundschule<br />
zum Problem werden und auch<br />
in tätliche Auseinandersetzungen münden.<br />
In den meisten Bundesländern gibt<br />
es spezielle Beratungsstellen für den<br />
Umgang mit interreligiösen oder ethnischen<br />
Konflikten. Es ist notwendig,<br />
hier nicht die Augen vor den oft tiefgreifenden<br />
Problemen zu verschließen<br />
oder nur mit dem üblichen Maßnahmenkatalog<br />
zu reagieren, sondern<br />
sich gezielt präventive Beratung und<br />
Unterstützung zu holen.<br />
Ethnische Konflikte können den<br />
Schulalltag erheblich belasten und Pausen<br />
zu einem Stress- statt einem Erholungsfaktor<br />
machen. Auch hier gilt:<br />
Eine gute, erholsame und diskriminierungsfreie<br />
Pause fußt auf einer inklusiven<br />
Schul-, Unterrichts- und Pausenentwicklung.<br />
Damit ethnische Konflikte in<br />
der Schule nicht zu einer extremen Belastung<br />
werden, sollte ein Präventionskonzept<br />
entwickelt werden, das den<br />
Kindern die Probleme bewusstmacht<br />
und beim Abbau von Spannungen und<br />
Konflikten hilft. Ein solches Unterrichtsprogramm<br />
ist beispielsweise von Meltem<br />
Avci-Werning entwickelt und evaluiert<br />
worden. Es geht dabei um die Reflexion<br />
von Vorurteilen und die Entwicklung<br />
von gegenseitigem Verständnis. Es gibt<br />
aber auch noch weitere Anregungen und<br />
Programme, die genutzt werden können<br />
(vgl. Gutzmann 2018).<br />
Partizipation und<br />
Mitverantwortung als Schlüssel<br />
Dr. Ilka Hoffmann<br />
ist Lehrerin und Erziehungswissenschaftlerin<br />
mit einer mehrjährigen<br />
Tätigkeit in inklusiven Schulen.<br />
Seit 2022 ist sie Leiterin der Koordinierungsstelle<br />
Gemeinsames Lernen in<br />
Saarbrücken.<br />
Eine inklusive Pause gelingt nur in<br />
einem insgesamt inklusiven und diskriminierungsfreien<br />
Schulklima. Konflikte<br />
und soziale Exklusionen, die im<br />
Unterricht vielleicht nur latent wahrnehmbar<br />
sind, brechen in den Pausen<br />
dann offen zutage. Eine gute präventive<br />
Konfliktstrategie, die Sensibilität<br />
gegenüber diskriminierenden Routinen<br />
und Einstellungen sowie die Aufmerksamkeit<br />
gegenüber Mobbing sollten im<br />
gesamten Schulalltag handlungsleitend<br />
sein.<br />
Konflikte zwischen den Kindern lassen<br />
sich hierbei am besten im Dialog<br />
lösen. Oft entwickeln die Kinder selbst<br />
kreative und originelle Lösungsansätze<br />
bei Konflikten und Problemen. Kinder<br />
können an Maßnahmen gegen Barrieren<br />
und Ausgrenzung aktiv mitarbeiten.<br />
Die Partizipation an der Gestaltung<br />
des Schulklimas und inklusiver Pausen<br />
stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />
sowie die Übernahme von Verantwortung.<br />
Wichtig ist es, stets mit den Lernenden<br />
in einen kritisch-konstruktiven Dialog zu<br />
treten und mit ihnen gemeinsam nach<br />
Lösungen zu suchen. Der Grundsatz inklusiver<br />
Pausen (und eines harmonischen<br />
Schullebens insgesamt) ist gegenseitige<br />
Wertschätzung und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />
innerhalb der Schulgemeinschaft.<br />
Und dies wird durch Partizipation,<br />
Dialog und Mitverantwortung<br />
der Kinder gestärkt.<br />
Literatur<br />
Avci-Werning, M. (2004): Prävention<br />
ethnischer Konflikte in der Schule.<br />
Ein Unterrichtsprogramm zur Verbesserung<br />
interkultureller Beziehungen. Münster.<br />
Blum, H./Beck, D. (2012): No Blame<br />
Approach. Köln.<br />
Buschmann, B. (2016): Pausengestaltung an<br />
der inklusiven Grundschule. Spielideen,<br />
Organisationshilfen, Projekte. Hamburg.<br />
Gutzmann, M. (Hrsg.) (2018): Sprachen und<br />
Kulturen. Grundschulverband. Beiträge zur<br />
Reform der Grundschule 146.<br />
Hoffmann, I. (2017): Die Bedeutung des<br />
Inklusionskonzepts für die Schule in der<br />
Einwanderungsgesellschaft. In: Thiele, S./<br />
Schlaak, C. (Hrsg.): Migration, Mehrsprachigkeit<br />
und Inklusion. Strategien für<br />
den schulischen Unterricht und die<br />
Hochschullehre. Stuttgart.<br />
Wiese, H./Tracy, R./Sennema, A. (2020):<br />
Deutschpflicht auf dem Schulhof?<br />
Warum wir Mehrsprachigkeit brauchen?<br />
Berlin.<br />
GS aktuell 163 • September 2023<br />
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