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Professionalität in der Grundschule

GSa164_Nov23_ES

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www.grundschulverband.de · November 2023 · D9607F<br />

<strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft 164<br />

Guter<br />

Unterricht<br />

Schul−<br />

entwicklung<br />

Lehrkräfte−<br />

bildung<br />

Demokratische<br />

Strukturen<br />

Sozialpädagog:<strong>in</strong>nen<br />

Son<strong>der</strong>pädagog:<strong>in</strong>nen<br />

Kommune<br />

Sekundarschule<br />

Vernetzung<br />

Schulleitung<br />

Bildungs−<br />

Erziehungs−<br />

Partnerschaft<br />

Erzieher:<strong>in</strong>nen<br />

Assistenzkräfte<br />

multiprofessionelle<br />

Teams<br />

Eltern<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Jugendhilfe<br />

Kitas<br />

Feedback−<br />

Kultur<br />

Lehrkräfte<br />

Vere<strong>in</strong>e<br />

<strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Zum Thema<br />

Professionalisierung –<br />

e<strong>in</strong> Entwicklungsprozess<br />

Forschung<br />

Kollegiale Fallberatung<br />

im Team<br />

Rundschau<br />

Geme<strong>in</strong>same Veranstaltung<br />

von GGG und GSV


Inhalt<br />

Aus dem Grundschulverband<br />

S. 2 Schule ist auch die Schule <strong>der</strong> Demokratie.<br />

Bundesverdienstkreuz für Maresi Lassek<br />

(H. Brügelmann)<br />

Tagebuch<br />

S. 4 Ich b<strong>in</strong> im Grundschulverband, weil ...<br />

(S. Telle)<br />

Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

S. 5 Professionalisierung – e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Entwicklungsprozess<br />

(M. Lassek, H. Brügelmann)<br />

S. 7 Schul- und Unterrichtsentwicklung mit dem<br />

Deutschen Schulpreis (A. Preußker, J. Schubert)<br />

S. 10 Wenn Tausendfüßler anfangen, jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schritt zu planen … (H. Brügelmann)<br />

S. 13 Mit e<strong>in</strong>er halben Stelle zusätzlich für Schulsozialarbeit<br />

ist es nicht getan (A. El-Mafaalani)<br />

S. 16 Profession(alität) an <strong>in</strong>klusiven <strong>Grundschule</strong>n<br />

(K. Merz-Atalik)<br />

Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

S. 19 Schule auf dem Weg – es geht weiter, auch wenn …<br />

(K. Groll, B. Harnisch-Soller, M. Lassek, R. Struckmeyer)<br />

S. 23 Netzwerke made <strong>in</strong> Brandenburg (D. Sommer)<br />

S. 25 Schulentwicklung unterstützen durch „Standards<br />

guter Schulen“ (Ch. Beermann, T. Buncher)<br />

S. 27 Feste Erwachsenen-Teams als Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

(R. Stähl<strong>in</strong>g)<br />

S. 29 K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

(A. Spies, H. Prüshoff)<br />

S. 31 Kompetenzorientiertes Arbeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten<br />

Phase <strong>der</strong> Lehrerbildung<br />

(I. Herklotz, Ch. Weidmann)<br />

Aus <strong>der</strong> Forschung<br />

S. 34 Tipps und Erkenntnisse zur kollegialen Fallberatung<br />

im Team (R. Baumann)<br />

Rundschau<br />

S. 38 „E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule – Aus <strong>der</strong> Praxis für die<br />

Praxis“ (R. Rentz)<br />

S. 40 Aus dem Vorstand (M. Gutzmann, E.Bohn)<br />

S. 41 Geme<strong>in</strong>same Veranstaltung von GGG und GSV<br />

(M.Gutzmann, G. Klenk, D. Ziel<strong>in</strong>ski)<br />

S. 42 Neues Fachreferat: Mathematisches Lernen im<br />

Kontext von Heterogenität (M. Nührenbörger,<br />

U. Häsel-Weide)<br />

Landesgruppen aktuell – unter an<strong>der</strong>em:<br />

S. 44 Bremen: Projekt KINDER*RECHTE*SCHULE<br />

S. 47 Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz: #Bildungsprotest 2023<br />

Interview: Mit e<strong>in</strong>er halben Stelle zusätzlich<br />

für Schulsozialarbeit ist es nicht getan<br />

Prof. Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani legt begründet dar, warum <strong>in</strong><br />

Schulen verstärkt multiprofessionelle Teams nötig s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Grundschule</strong>n <strong>in</strong> schwieriger sozialer Lage s<strong>in</strong>d hier vor<strong>der</strong>gründig<br />

zu berücksichtigen. (Siehe auch „Verantwortung<br />

für Bildungsgerechtigkeit – Startchancen-Programm<br />

als Chance“, S. 41) Wenn man das System neu aufstellen<br />

möchte, muss man bei den <strong>Grundschule</strong>n beg<strong>in</strong>nen, denn<br />

all das, was sozial ungleich verteilt ist, sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

angeboten werden. Dazu muss vor Ort geschaut werden,<br />

wie Schulen und Angebote sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Passungsverhältnis<br />

br<strong>in</strong>gen lassen. Die Reihenfolge „Plan e<strong>in</strong>reichen – Genehmigung<br />

erhalten“ ist umzukehren. Multiprofessionelle<br />

Teams müssen e<strong>in</strong>e stabile, eigenständige und relevante<br />

Säule <strong>der</strong> Schule se<strong>in</strong>.<br />

Impressum<br />

Seite 13–15<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes,<br />

ersche<strong>in</strong>t vierteljährlich und wird allen Mitglie<strong>der</strong>n zugestellt<br />

(ausgenommen Unterstützer:<strong>in</strong>nen).<br />

Das e<strong>in</strong>zelne Heft kostet 9,00 € (<strong>in</strong>kl. Versand <strong>in</strong>nerhalb Deutschlands);<br />

für Mitglie<strong>der</strong> und ab 10 Exemplaren 5,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

Frankfurter Straße 74–76, 63263 Neu-Isenburg,<br />

Tel. 06102 8821660, Fax: 06102 8821664,<br />

www.grundschulverband.de, <strong>in</strong>fo@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

Redaktion: marion.gutzmann@vs-grundschulverband.de,<br />

gabriele.klenk@grundschulverband.de<br />

Fotos und Grafiken: novupr<strong>in</strong>t (Titelillustration); Max Lauteschläger (S. 8)<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autoren (soweit nicht an<strong>der</strong>s vermerkt)<br />

Herstellung: novupr<strong>in</strong>t Agentur GmbH, 30175 Hannover<br />

Anzeigen: Grundschulverband e. V., Tel. 06102 8821660,<br />

<strong>in</strong>fo@grundschulverband.de<br />

Druck: WKS Pr<strong>in</strong>t Partner GmbH, 34587 Felsberg<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6108<br />

www.<br />

grundschule-aktuell.<strong>in</strong>fo<br />

Hier f<strong>in</strong>den Sie Informationen zu „<strong>Grundschule</strong> aktuell“<br />

und hier das Archiv <strong>der</strong> Zeitschrift:<br />

www.<br />

grundschulverband.de/archiv/<br />

In manchen Beiträgen dieser Zeitschrift br<strong>in</strong>gen Autor<strong>in</strong>nen und Autoren<br />

ihr Bemühen um e<strong>in</strong>e gen<strong>der</strong>sensible Sprache durch be son <strong>der</strong>e schriftsprachliche<br />

Zeichen zum Ausdruck. Da es zurzeit ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> anerkannte<br />

Lösung für das Problem „gen<strong>der</strong>sen sibler“ (Schrift-)Sprache gibt, verwendet<br />

jede Autor<strong>in</strong> und je<strong>der</strong> Autor ihre o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e bevorzugte Form.<br />

UII<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Diesmal<br />

Schulentwicklung unterstützen durch<br />

„Standards guter Schulen“<br />

Der Schulverbund „Blick über den Zaun“ besteht aus<br />

e<strong>in</strong>em Netzwerk von mehr als 130 Schulen <strong>in</strong> Deutschland<br />

sowie <strong>der</strong> Schweiz. Verschiedenste Schulformen<br />

arbeiten <strong>in</strong> 15 Arbeitskreisen zusammen, <strong>der</strong>en Kern<br />

gegenseitige Schulbesuche und Peer Reviews bilden<br />

mit <strong>der</strong> Zielsetzung, vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu lernen, sich über<br />

Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig bei<br />

<strong>der</strong> Schulentwicklung zu unterstützen. Die Südschule<br />

Lemgo <strong>in</strong> NRW berichtet davon, wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Phase <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung zum Stand des geme<strong>in</strong>samen<br />

Entwicklungsprozesses durch Rückmeldung von außen<br />

Orientierung und Unterstützung durch Schulbesuche<br />

erhielt.<br />

Kompetenzorientiertes Arbeiten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Phase <strong>der</strong> Lehrkräftebildung<br />

Noch mehr Grundschulverband?<br />

Sie f<strong>in</strong>den uns auf Social Media,<br />

Stichwort „Grundschulverband“<br />

und unseren Podcast direkt auf unserer<br />

Homepage:<br />

https://grundschulverband.de<br />

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Mit diesem QR-Code gelangen Sie<br />

direkt zur Anmeldung:<br />

Seite 25–26<br />

Ina Herklotz und Christoph Weidmann beschreiben, wie<br />

sie <strong>in</strong> ihren Studiensem<strong>in</strong>aren junge Lehrkräfte professionell<br />

und zukunftsorientiert begleiten, die Übergangsphase<br />

von Studium zur Grundschullehrkraft bewusst <strong>in</strong><br />

den Blick nehmen und <strong>der</strong> Schnittstelle zwischen den<br />

Rollen als Lernende und gleichzeitig als Lehrkraft beson<strong>der</strong>e<br />

Aufmerksamkeit widmen. Im Mittelpunkt steht<br />

die Offenheit, sich <strong>in</strong>nerhalb des aktuellen Lernbereichs<br />

e<strong>in</strong> Handlungsfeld zu wählen, das e<strong>in</strong>e konkret perspektivische<br />

E<strong>in</strong>satzmöglichkeit gibt sowie die Aufbereitung<br />

hierzu für die Sem<strong>in</strong>arkolleg:<strong>in</strong>nen an e<strong>in</strong>em „Best-of-<br />

Tag“.<br />

Seite 31–33<br />

Liebe Leser*<strong>in</strong>nen,<br />

das neue Heft widmet sich e<strong>in</strong>em unerschöpflichen Thema:<br />

„<strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>“. Sicherlich fallen auch<br />

Ihnen dazu viele Begriffe – wie auf dem Titelbild – e<strong>in</strong> und Sie<br />

denken an persönliche Erfahrungen o<strong>der</strong> an geme<strong>in</strong>same Entwicklungsprozesse<br />

an Ihrer Schule. Verbunden mit dem Start<br />

als neue Serie wird zum e<strong>in</strong>en die Entwicklung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />

und Sichtweisen <strong>der</strong> Pädagog*<strong>in</strong>nen auf <strong>der</strong> Basis ihrer<br />

persönlichen Erfahrung und <strong>der</strong> Bereitschaft, sich immer wie<strong>der</strong><br />

neu auf die Bedarfe und Bedürfnisse aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zustellen,<br />

thematisiert. Zum an<strong>der</strong>en steht die Entwicklung des<br />

Kollegiums und die Haltung e<strong>in</strong>er lernenden Organisation<br />

zum Wohl <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Zentrum. Uns geht es vor allem um<br />

Offenheit für neue Erfahrungen und <strong>der</strong>en selbstkritische<br />

Prüfung vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> aktuellen Fachdiskussion.<br />

Der e<strong>in</strong>führende Beitrag greift diese verschiedenen Facetten<br />

von Professionalisierung als e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Entwicklungsprozess<br />

von multiprofessionellen Teams und Schule<br />

auf. Beispiele aus <strong>der</strong> Praxis runden den Auftakt ab, wie<br />

z. B. zur Teamarbeit als Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft an <strong>der</strong><br />

PRIMUS-Schule Berg Fidel o<strong>der</strong> zur Arbeit von Schulen im<br />

Netzwerk wie <strong>in</strong> Brandenburg und im Schulverbund Blick<br />

über den Zaun. Lohnenswert ist <strong>der</strong> Blick auf den Deutschen<br />

Schulpreis und davon ausgehend weitere Angebote zur Professionalisierung<br />

im Bereich Schul- und Unterrichtsentwicklung.<br />

<strong>Professionalität</strong> stand im Monat Oktober auch im Zeichen<br />

von bedeutsamen Preisverleihungen und damit <strong>der</strong> Anerkennung<br />

professionellen Handelns. In Rahmen des diesjährigen<br />

Schulpreis-F<strong>in</strong>ales wurde auch die 100. Schule mit<br />

dem Schulpreis durch den Bundespräsidenten am 12. Oktober<br />

ausgezeichnet. Unter den 6 Preisträgern s<strong>in</strong>d 3 <strong>Grundschule</strong>n.<br />

Wir gratulieren ganz herzlich <strong>der</strong> Rothenburg-<strong>Grundschule</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> op de Host <strong>in</strong> Horst und <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

am Dichterviertel <strong>in</strong> Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr sowie allen<br />

an<strong>der</strong>en nom<strong>in</strong>ierten und ausgezeichneten Schulen. Alle diese<br />

Schulen haben gezeigt, was engagierte Schulleitungen, Pädagog*<strong>in</strong>nen,<br />

Eltern und K<strong>in</strong><strong>der</strong> bewegen können, auch und gerade<br />

unter schwierigen Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

Ebenso herzlich gratulieren wir Maresi Lassek, unserer<br />

ehemaligen langjährigen Bundesvorsitzenden, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e große<br />

Ehre für ihren unermüdlichen E<strong>in</strong>satz für die <strong>Grundschule</strong><br />

zuteil wurde. Am 9. Oktober 2023 wurde Maresi Lassek durch<br />

den Bundespräsidenten Frank-Walter Ste<strong>in</strong>meier mit dem<br />

Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Stellvertretend für alle<br />

Geehrten, die sich mit beson<strong>der</strong>en Projekten für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Personengruppen e<strong>in</strong>setzen, die unsere Unterstützung brauchen,<br />

fand Maresi Lassek im Rahmen <strong>der</strong> Feierstunde bedeutsame<br />

Worte. Wenn es dar<strong>in</strong> heißt: „Wir müssen uns offensiver<br />

zu Wort zu melden, zum Ertrag e<strong>in</strong>es friedvollen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s,<br />

von gesellschaftlichem Engagement und den Freiheiten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Demokratie“, dann stehen wir für e<strong>in</strong>e Schule, die<br />

auch e<strong>in</strong>e Schule <strong>der</strong> Demokratie ist.<br />

Wir bleiben nicht nur dazu mit Ihnen weiterh<strong>in</strong> im Gespräch.<br />

Herzlichst<br />

Marion Gutzmann, Gabriele Klenk<br />

sowie Maresi Lassek, Hans Brügelmann und Michael Töpler<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

1


Praxis: Aus dem <strong>Professionalität</strong> Verband <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Rundschau<br />

Hans Brügelmann<br />

„Schule ist auch<br />

die Schule <strong>der</strong> Demokratie!“<br />

Wir freuen uns: Maresi Lassek, unserer ehemaligen Bundesvorsitzenden, ist<br />

vom Bundespräsidenten Frank-Walter Ste<strong>in</strong>meier das Bundesverdienstkreuz<br />

verliehen worden.<br />

In <strong>der</strong> Regel erhalten die Geehrten<br />

den Orden von <strong>der</strong> Bürgermeister<strong>in</strong>,<br />

dem Landrat o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Mitglied<br />

<strong>der</strong> Landesregierung. Zu beson<strong>der</strong>en<br />

Anlässen aber nimmt <strong>der</strong> Bundespräsident<br />

die Ehrung persönlich vor. So<br />

auch zum Tag <strong>der</strong> Deutschen E<strong>in</strong>heit –<br />

dieses Jahr unter dem Motto „Bildung<br />

und Zusammenhalt för<strong>der</strong>n, Demokratie<br />

stärken“.<br />

Zur Er<strong>in</strong>nerung an die Bürgerdemonstrationen<br />

<strong>in</strong> Leipzig wurde die<br />

Veranstaltung auf den 9. Oktober gelegt.<br />

Die neuen Ordensträger*<strong>in</strong>nen, 15 Frauen<br />

und 8 Männer, wurden <strong>in</strong> das Schloss<br />

Bellevue e<strong>in</strong>geladen, darunter auch <strong>der</strong><br />

Bildungssoziologe Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani,<br />

<strong>der</strong> sich für die För<strong>der</strong>ung von Migrant*<strong>in</strong>nen<br />

engagiert, die ehemalige hessische<br />

Landesschulsprecher<strong>in</strong> Svenja Appuhn,<br />

die nach dem verheerenden Erdbeben<br />

<strong>in</strong> Nepal 25.000 Mitschüler*<strong>in</strong>nen<br />

für den Wie<strong>der</strong>aufbau von Schulen mobilisiert<br />

hat, und <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>buchautor<br />

Andreas Ste<strong>in</strong>höfel, „Vater“ des tiefbegabten<br />

Rico (s. im E<strong>in</strong>zelnen https://t1p.<br />

de/verdienstkreuz-kurzportraets).<br />

Maresi Lassek war vorgeschlagen worden<br />

vom Vorstand des Verbandes (s.<br />

den Auszug aus <strong>der</strong> Begründung auf <strong>der</strong><br />

Folgeseite) und parallel auch aus dem<br />

Bundespräsidialamt – <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung an<br />

den von ihr geleiteten GSV-Jubiläumskongress<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Paulskirche 2019, auf<br />

dem <strong>der</strong> Bundespräsident se<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />

Rede „100 Jahre <strong>Grundschule</strong>“<br />

zu ihrer wichtigen Funktion für<br />

die Entwicklung <strong>der</strong> Demokratie gehalten<br />

hatte (https://t1p.de/ste<strong>in</strong>meierrede_2019).<br />

Die Bedeutung von Bildung für das<br />

Zu sammenleben <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

war auch e<strong>in</strong> zentrales Motiv se<strong>in</strong>er<br />

Ansprache bei <strong>der</strong> Ordensverleihung<br />

(https://t1p.de/ste<strong>in</strong>meier-rede-2023).<br />

In ihrer Dankesrede zum Abschluss<br />

<strong>der</strong> Veranstaltung, die lang anhaltenden<br />

Applaus erhielt, nahm Maresi Lassek<br />

diesen Gedanken wie<strong>der</strong> auf. In ihrer<br />

Dankesrede zum Abschluss <strong>der</strong> Veranstaltung,<br />

die langanhaltenden Applaus<br />

erhielt, nahm Maresi Lassek diesen Gedanken<br />

wie<strong>der</strong> auf:<br />

2<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> Aus <strong>der</strong> dem <strong>Grundschule</strong> Verband<br />

Rundschau<br />

… tief bee<strong>in</strong>druckt von den großen Leistungen <strong>der</strong> heute ausgezeichneten<br />

Persönlichkeiten und bee<strong>in</strong>druckt von <strong>der</strong> würdevollen und zugewandten<br />

Gestaltung des Festaktes, darf ich mich stellvertretend für alle Geehrten sehr<br />

herzlich für die hohe Anerkennung und Würdigung bedanken.<br />

Uns allen s<strong>in</strong>d die beson<strong>der</strong>en Anliegen und <strong>der</strong> heutige Anlass <strong>der</strong> Verleihung<br />

des Verdienstordens sehr nahe: Demokratisches Handeln, gesellschaftlicher Zusammenhalt,<br />

Bildung … und auch, dass mehr Menschen <strong>in</strong> unserem Land sich<br />

für diese Anliegen e<strong>in</strong>setzen … e<strong>in</strong> anspruchsvolles Ziel.<br />

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sie haben heute Personen ausgezeichnet,<br />

die sich auf ganz unterschiedlichen Fel<strong>der</strong>n im S<strong>in</strong>ne dieser Ziele engagieren,<br />

vor Ort im direkten Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen und Erwachsenen<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen, kulturellen und geme<strong>in</strong>nützigen Arbeit.<br />

Aus dem Vorschlag<br />

des Bundesvorstands zur<br />

Verleihung <strong>der</strong> Auszeichnung:<br />

Frau Maresi Lassek hat sich als Pädagog<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

und neben ihrer Berufstätigkeit weit über<br />

die schon hohen Anfor<strong>der</strong>ungen heutiger<br />

Grund schularbeit h<strong>in</strong>aus engagiert – vor<br />

allem für benachteiligte K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ihre<br />

Familien. Sie ist e<strong>in</strong>e Pionier<strong>in</strong> <strong>in</strong>klusiver Pädagogik<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>. Wegweisende<br />

Konzepte am Schulanfang, die ab etwa 1998<br />

entwickelt wurden, haben ihre Vorarbeit zu<br />

e<strong>in</strong>er jahrgangsgemischten und <strong>in</strong>tegrativen<br />

Schule<strong>in</strong>gangsphase aufgegriffen. Von Beg<strong>in</strong>n<br />

an verfolgte sie die Idee e<strong>in</strong>er <strong>Grundschule</strong>,<br />

die Verantwortung für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im<br />

Stadtteil übernimmt.<br />

Als Sozialpädagog<strong>in</strong> und Grundschullehrer<strong>in</strong>,<br />

später als Rektor<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

am Pfälzer Weg im Stadtteil Osterholz-Tenever<br />

<strong>in</strong> Bremen, engagierte sie sich seit 1993<br />

für die Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>klusiven <strong>Grundschule</strong>,<br />

die sich den Herausfor<strong>der</strong>ungen des<br />

Stadtteils stellt und die Kooperation mit allen<br />

sozial arbeitenden E<strong>in</strong>richtungen sucht. Ihr<br />

Blick richtete sich vor allem auf die Situation<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> am Schulanfang, <strong>der</strong>en Familien<br />

damals zu 70 Prozent (mit steigen<strong>der</strong> Tendenz)<br />

aus etwa 20 verschiedenen Län<strong>der</strong>n<br />

nach Tenever gekommen waren und zu großen<br />

Teilen <strong>in</strong> prekären Verhältnissen lebten.<br />

Viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> besuchten ke<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten,<br />

die Mütter sprachen ke<strong>in</strong> Deutsch. K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die<br />

am Schulanfang scheiterten, wurden nach<br />

damaliger Rechtslage <strong>in</strong> Bremen im Laufe des<br />

ersten Schulhalbjahres wie<strong>der</strong> ausgeschult.<br />

Die größte Herausfor<strong>der</strong>ung lag am Schulanfang.<br />

Die Schule etablierte jahrgangsübergreifenden<br />

Unterricht, um besser auf die<br />

Lebenswelten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zuge hen,<br />

Unterschiede als selbstverständlich an -<br />

zunehmen, den Startnachteil vieler K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

auszugleichen und ihnen – mit Erfolg – e<strong>in</strong>e<br />

Perspektive zu geben. Die <strong>Grundschule</strong> am<br />

Pfälzer Weg war e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> ersten <strong>in</strong> Deutschland,<br />

die e<strong>in</strong>e jahrgangsübergreifende,<br />

flexible, <strong>in</strong>tegrative Schule<strong>in</strong>gangsphase<br />

mit engem E<strong>in</strong>bezug <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

nahe <strong>der</strong> Schule entwickelte.<br />

Maresi Lasseks Pädagogik ist durch und<br />

durch ressourcenorientiert. (…)<br />

Uns alle e<strong>in</strong>t zu zeigen, dass es lohnt, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n von Anfang an mehr Bildungschancen<br />

zu geben und Barrieren abzubauen, die Bildungsbeteiligung und<br />

kultureller Teilhabe im Wege stehen, vor allem denjenigen, denen <strong>der</strong> Zugang<br />

nicht <strong>in</strong> die Wiege gelegt wurde, o<strong>der</strong> die Hilfen <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en Lebens- und<br />

Krisenlagen benötigen.<br />

Uns alle e<strong>in</strong>t darüber h<strong>in</strong>aus zu zeigen, dass es neben <strong>der</strong> berechtigten Kritik<br />

an bestehenden Bed<strong>in</strong>gungen gel<strong>in</strong>gen muss, weiterführende, auch alternative<br />

Wege zu nutzen, um Solidarität und Gerechtigkeit deutlicher wahrnehmbar zu<br />

machen und zu stärken.<br />

Für e<strong>in</strong> gutes Zusammenleben mit all <strong>der</strong> Vielfalt <strong>in</strong> unserem Land braucht<br />

es das Mitmachen und Mitdenken Vieler, von E<strong>in</strong>zelnen und von geme<strong>in</strong>sam<br />

Aktiven <strong>in</strong> Verbänden.<br />

Und … wir müssen uns offensiver zu Wort zu melden, zum Ertrag e<strong>in</strong>es friedvollen<br />

Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s, von gesellschaftlichem Engagement und den Freiheiten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Demokratie.<br />

Zu wünschen bleibt, dass dies auch <strong>in</strong> den Medien, ob digital o<strong>der</strong> analog, mehr<br />

stattf<strong>in</strong>det. Neben aller Kritik muss es auch die Perspektive auf das Gel<strong>in</strong>gende<br />

geben als Chance<br />

… für das gesellschaftliche Zusammenleben,<br />

… für die Achtung <strong>der</strong> Menschenwürde,<br />

… für <strong>in</strong>klusives Denken und Handeln,<br />

… für die Achtung <strong>der</strong> Rechte, Sorgen und Nöte von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

Jugendlichen und aller Menschen<br />

… und für die Kraft <strong>der</strong> Vielfalt für e<strong>in</strong>e lebenswerte geme<strong>in</strong>same Zukunft.<br />

Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Bundespräsident, für den heutigen Tag!<br />

Als Konrektor<strong>in</strong> und Rektor<strong>in</strong> hat Maresi Lassek<br />

mit ihrem Kollegium die <strong>Grundschule</strong><br />

am Pfälzer Weg durch vielfältige Aktivitäten<br />

über viele Jahre so entwickelt, dass die Schule<br />

im Jahr 2006 für den Deutschen Schulpreis<br />

nom<strong>in</strong>iert wurde und 2012 den Deutschen<br />

Schulpreis <strong>der</strong> Robert-Bosch-Stiftung<br />

erhalten hat – u. a. wegen <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />

engen und aufwändigen Zusammenarbeit<br />

mit den Eltern und an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen im<br />

Stadtteil. In diesem schwierigen Umfeld ist es<br />

<strong>der</strong> Schule auf e<strong>in</strong>e beispielgebende Weise<br />

gelungen, „e<strong>in</strong>e haltgebende, die familiären<br />

und häuslichen Lebenswelten stabilisierende,<br />

zurückstrahlende Schulkultur zu entwickeln.<br />

Mit großer Energie und Leidenschaft suchen<br />

die Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer nach Wegen, die<br />

sozialen Teilhabechancen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

ihrer Eltern zu verbessern.“ Dazu gehörte<br />

auch die Entwicklung e<strong>in</strong>es ausgefeilten Diagnose-<br />

und För<strong>der</strong>konzepts am Schulanfang.<br />

Das dazugehörige Screen<strong>in</strong>g-Instrument wird<br />

bis heute e<strong>in</strong>gesetzt und hat im deutschsprachigen<br />

Raum e<strong>in</strong>en hohen Bekanntheitsgrad.<br />

Trotz dieses hohen Engagements unter<br />

starker Alltagsbelastung war Maresi Lassek<br />

parallel bildungspolitisch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bremer<br />

Landesgruppe des Grundschulverbands e. V.<br />

und als <strong>der</strong>en Vertreter<strong>in</strong> auch auf Bundesebene<br />

aktiv. Sie wurde daraufh<strong>in</strong> 2004 <strong>in</strong> den<br />

Bundesvorstand und 2010 zur Vorsitzenden<br />

gewählt. In diesen ehrenamtlichen Funktionen<br />

hat sie <strong>in</strong> und mit dem Verband über<br />

16 Jahre h<strong>in</strong>weg vielfältige Aktivitäten <strong>in</strong>itiiert<br />

(z. B. im Rahmen <strong>der</strong> Initiative „Länger<br />

geme<strong>in</strong>sam lernen“ mit an<strong>der</strong>en Verbänden,<br />

aber auch Hilfen für Lehrer:<strong>in</strong>nen zur För<strong>der</strong>ung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten<br />

beim Lernen). (…)<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus ist Maresi Lassek bis<br />

heute als Referent<strong>in</strong> geschätzt, pflegt und<br />

entwickelt Netzwerke und setzt sich für die<br />

Rechte aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>e allseitige Bildung<br />

e<strong>in</strong>. Ihre Pädagogik begeistert und motiviert<br />

Studierende, Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer und<br />

Schulleitungen. Mit zahlreichen Beiträgen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitschrift <strong>Grundschule</strong> aktuell und<br />

ihrer Mitwirkung im Redaktionsteam sowie<br />

als Autor<strong>in</strong> bzw. Mitherausgeber<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Buchreihe Beiträge zur Reform <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

hat Maresi Lassek für all diese Themen<br />

wichtige Meilenste<strong>in</strong>e dokumentiert,<br />

zuletzt mit den beiden Bänden 150 und 151<br />

KINDER LERNEN ZUKUNFT (2020).<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

3


Tagebuch<br />

Ich b<strong>in</strong> im Grundschulverband,<br />

weil …<br />

Svenja Telle<br />

ist Grundschullehrer<strong>in</strong> und Mitglied<br />

im Vorstand <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Als ich noch an <strong>der</strong> Uni war, stellte uns e<strong>in</strong>e Professor<strong>in</strong><br />

den Grundschulverband vor. Ich war gleich<br />

begeistert und wurde Mitglied. Irgendwie fühlte<br />

es sich gut an, dabei zu se<strong>in</strong>. Zum ersten Staatsexamen<br />

profitierte ich dann von den vielen Bänden und Zeitschriften<br />

des Grundschulverbands, die mir e<strong>in</strong>e gute<br />

Sammlung an Fachliteratur boten.<br />

Als ich dann <strong>in</strong>s Referendariat kam, hatte ich e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Praxisschock. Vieles war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule noch wie zu<br />

me<strong>in</strong>er eigenen Grundschulzeit und all das, was wir an<br />

<strong>in</strong>novativen D<strong>in</strong>gen an <strong>der</strong> Uni gelernt hatten, war noch<br />

lange nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität me<strong>in</strong>er Schule angekommen.<br />

Da tat es mir gut, durch den Grundschulverband immer<br />

wie<strong>der</strong> zu merken: „Ich b<strong>in</strong> nicht alle<strong>in</strong>e mit me<strong>in</strong>en Ideen<br />

und Visionen von e<strong>in</strong>er k<strong>in</strong>dgerechten Schule. Da s<strong>in</strong>d<br />

an<strong>der</strong>e, die genauso denken wie ich.“ Die regelmäßigen<br />

Bände und Ausgaben <strong>der</strong> Zeitschrift <strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

bestärkten mich immer wie<strong>der</strong>, nicht von me<strong>in</strong>en Vorstellungen<br />

abzurücken.<br />

2019 war ich dann zum zweiten Mal auf dem Bundesgrundschulkongress<br />

<strong>in</strong> Frankfurt. Dort tauschte ich mich<br />

während <strong>der</strong> Vorträge, Workshops und geselligen Runden<br />

immer wie<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> aus. Uns kamen<br />

Gedanken wie „Der Grundschulverband ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong><br />

toller Zusammenschluss von Menschen, die alle wollen,<br />

dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> gut lernen können. Se<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong>spiriert<br />

uns immer wie<strong>der</strong> aufs Neue.“ Auf dem Bundesgrundschulkongress<br />

wurde uns erst so richtig klar, dass es die<br />

sechzehn Landesgruppen im Grundschulverband gibt.<br />

Wir fassten den Entschluss, uns <strong>in</strong> unserer Landesgruppe<br />

zu engagieren. Zufälligerweise war zwei Monate später<br />

e<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong>versammlung <strong>der</strong> Landesgruppe Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />

Dort meldete ich mich an und traf auf total nette<br />

Kolleg:<strong>in</strong>nen. Ich wurde dann direkt <strong>in</strong> den Vorstand gewählt,<br />

was ich ursprünglich gar nicht beabsichtigt hatte.<br />

Unser Vorstand trifft sich regelmäßig zum Austausch,<br />

für Planungen etc. Die Arbeit macht immer wie<strong>der</strong> aufs<br />

Neue viel Spaß. Zusätzlich wurde ich dann 2021 Delegierte<br />

für Nie<strong>der</strong>sachsen und geriet <strong>in</strong> die Arbeit <strong>der</strong> Strategie-<br />

Workshops, die 2020 gegründet worden waren. Ich arbeitete<br />

im Workshop „<strong>Grundschule</strong> aktuell“ und „social<br />

media“ mit. Bis heute treffen wir uns regelmäßig, um den<br />

Bereich „social media“ weiter zu entwickeln. Oft treffen<br />

wir uns per Videokonferenz und können so aus ganz<br />

Deutschland zusammenkommen. Es macht Spaß, sich <strong>in</strong><br />

lockerer Runde mit so <strong>in</strong>teressanten Menschen auszutauschen<br />

und neue Ideen für den Grundschulverband zu<br />

entwickeln.<br />

Diese Treffen mit Kolleg:<strong>in</strong>nen, die ähnliche Auffassungen<br />

von Lernen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n haben wie ich, war ja<br />

von Anfang an für mich e<strong>in</strong> großer Gew<strong>in</strong>n und ist es bis<br />

heute geblieben. Darum b<strong>in</strong> ich im Grundschulverband.<br />

4<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Professionalisierung<br />

E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Entwicklungsprozess von Lehrkräften,<br />

multiprofessionellen Teams und Schule<br />

Mit Blick auf den Fachkräftemangel beson<strong>der</strong>s auch an <strong>Grundschule</strong>n stellten wir<br />

uns im Redaktionsteam bei <strong>der</strong> Vorbereitung des Themenschwerpunkts <strong>Professionalität</strong><br />

und Professionalisierung als grundsätzliche Frage, ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen<br />

Schullage Weiterentwicklungsprozesse überhaupt e<strong>in</strong>e Chance haben können.<br />

Geht es den Pädagog*<strong>in</strong>nen zurzeit<br />

nicht eher um e<strong>in</strong><br />

Bewältigen elementarer Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

damit K<strong>in</strong><strong>der</strong> Basiskompetenzen<br />

<strong>in</strong> den Kulturtechniken<br />

erwerben und sich als soziale und<br />

selbstbewusste Persönlichkeiten entwickeln<br />

können?<br />

Muss es an<strong>der</strong>erseits beim Thema<br />

Professionalisierung nicht auch um den<br />

Anspruch gehen, dass Lehrkräfte und<br />

alle weiteren Fachkräfte an Schulen ihre<br />

eigenen Stärken e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und ihre<br />

Entwicklungsbedarfe äußern können,<br />

damit über Teilnahme und Teilhabe e<strong>in</strong><br />

zufriedenes und gesundes Arbeitsklima<br />

entstehen kann?<br />

Schnell wurde <strong>in</strong> unseren Gesprächen<br />

deutlich, dass <strong>Professionalität</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

fast unerschöpflichen Thema werden<br />

kann. Sie umfasst e<strong>in</strong>mal sehr unterschiedliche<br />

Bereiche und wird zum an<strong>der</strong>en<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Schulen<br />

auch unterschiedlich gewichtet, wenn<br />

es um Professionalisierungsprozesse<br />

geht: E<strong>in</strong>zelpersonen lernen <strong>in</strong>dividuell<br />

und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, Berufsgruppen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

und vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> als professionelle<br />

Lerngeme<strong>in</strong>schaften und Schulen<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> als lernende Institutionen.<br />

Immer geht es um Menschen und<br />

um geme<strong>in</strong>same Entwicklungsprozesse.<br />

Das Anliegen ist höchst vielschichtig<br />

und wirft e<strong>in</strong>e Menge Fragen auf: Was<br />

macht <strong>Professionalität</strong> von Lehrkräften<br />

aus? Was ist für die Ausbildung unverzichtbar?<br />

Können sich Quere<strong>in</strong>steiger*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> professionelle Grundschularbeit<br />

e<strong>in</strong>arbeiten? Wie steht es<br />

mit multiprofessioneller Teamarbeit?<br />

Welche fachliche Expertise brauchen<br />

Schulen? Geht es nicht grundsätzlich<br />

um die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln?<br />

Was brauchen die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um<br />

gute Schule zu erleben, und was brauchen<br />

Lehrkräfte und sozialpädagogische<br />

Fachkräfte, um gute Schule zu machen?<br />

Unter Pädagogischer <strong>Professionalität</strong><br />

versteht man nach Wikipedia im<br />

engeren S<strong>in</strong>ne neben <strong>der</strong> <strong>in</strong> Bildungsstätten<br />

erworbenen Wissensbasis auch<br />

die Anwendbarkeit dieses Wissens <strong>in</strong><br />

komplexen und spezifischen Arbeitssituationen.<br />

Pädagogische <strong>Professionalität</strong><br />

vollständig zu erreichen, sei nicht<br />

möglich, da dieser Prozess wegen se<strong>in</strong>er<br />

komplexen Anfor<strong>der</strong>ungen zu langwierig<br />

und nicht abschließbar sei. Die<br />

Lehrperson muss sich jedoch mit den<br />

Diskrepanzen des Bildungssystems arrangieren<br />

und mit den Gegebenheiten<br />

professionell umgehen. Daher ist e<strong>in</strong>e<br />

Verschränkung <strong>der</strong> Voraussetzungs- und<br />

Lehrerperspektive nötig, um professionelles<br />

Handeln zu ermöglichen.<br />

Was aber umfasst<br />

professionelles Handeln?<br />

Nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Redaktion zählen<br />

dazu unter an<strong>der</strong>em:<br />

● E<strong>in</strong>stellungen und Haltungen wie<br />

e<strong>in</strong>e wertschätzende Kommunikation,<br />

Heterogenität als Chance begreifen<br />

und <strong>in</strong>klusiv handeln, bildungspolitisches<br />

Engagement, pädagogische Beziehungsarbeit<br />

und erzieherisches Wirken<br />

als wesentlicher Auftrag,<br />

● die Anerkennung des Anspruchs <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf allseitige Bildung, auf geme<strong>in</strong>sames<br />

und <strong>in</strong>dividuelles Lernen,<br />

auf e<strong>in</strong>e pädagogische Leistungskultur,<br />

auf Partizipation und Beachtung ihrer<br />

Rechte,<br />

● Teambewusstse<strong>in</strong> und Teamarbeit<br />

als elementare Voraussetzung für<br />

Schulentwicklung, die Bereitschaft zur<br />

Verantwortungsübernahme und zur<br />

Wert schätzung <strong>der</strong> Eltern als Erziehungs-<br />

und Bildungspartner.<br />

Wodurch sich e<strong>in</strong>e erfolgreiche Lehrkraft<br />

auszeichnet, beschreibt Klaus<br />

Zierer (<strong>in</strong> Schulleitung 2/16) zu sammen<br />

fassend: „Nicht die Kompetenz <strong>in</strong><br />

Form von Wissen und Können, son<strong>der</strong>n<br />

die Haltung <strong>in</strong> Form von Wollen<br />

und Werten ist ausschlaggebend, letztere<br />

entscheidet darüber, ob erstere überhaupt<br />

zum E<strong>in</strong>satz kommt!“<br />

Als zentral für <strong>Professionalität</strong> gelten<br />

vielen auch die 10 Merkmale guten<br />

Unterrichts von Hilbert Meyer:<br />

● Klare Strukturierung des Unterrichts<br />

● Hoher Anteil an echter Lernzeit<br />

● Lernför<strong>der</strong>liches Klima<br />

● Inhaltliche Klarheit<br />

● S<strong>in</strong>nstiftendes Kommunizieren<br />

● Methodenvielfalt<br />

● Individuelles För<strong>der</strong>n<br />

● Intelligentes Üben<br />

● Vorbereitete Lernumgebung<br />

● Transparente Leistungserwartung<br />

Dabei gilt, alle drei Phasen <strong>der</strong><br />

Lehrer*<strong>in</strong>nen-Ausbildung im Blick zu<br />

behalten und außerdem die Ausbildung<br />

aller Professionen, die an Schulen heute<br />

arbeiten. Im Studium und <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten<br />

Ausbildungsphase werden als Basis<br />

für e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche <strong>in</strong>dividuelle<br />

Weiterentwicklung professionelle pädagogische<br />

und <strong>in</strong>haltliche Handlungsmöglichkeiten<br />

erworben. Zu bedenken<br />

ist dabei, wie e<strong>in</strong> konstruktives Verhältnis<br />

entstehen kann zwischen Forschung<br />

sowie theoretischer und Praxis-Ausbildung.<br />

Wissenschaft sollte sich nicht<br />

anmaßen zu zeigen, wie es geht, son<strong>der</strong>n<br />

Impulse geben und Hilfen anbieten, wie<br />

Praxis sich weiterentwickeln kann. Auch<br />

mit dem Fokus darauf, dass Professiona-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

5


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Klare<br />

Strukturierung<br />

des Unterrichts<br />

Vorbereitete<br />

Lernumgebung<br />

Lernför<strong>der</strong>liches<br />

Klima<br />

Intelligentes<br />

Üben<br />

Hoher Anteil<br />

an echter<br />

Lernzeit<br />

Transparente<br />

Leistungserwartung<br />

Methodenvielfalt<br />

S<strong>in</strong>nstiftendes<br />

Kommunizieren<br />

Inhaltliche<br />

Klarheit<br />

Individuelles<br />

För<strong>der</strong>n<br />

Die 10 Merkmale guten Unterrichts von Hilbert Meyer<br />

lisierung nicht e<strong>in</strong>e immer stärkere Akademisierung<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Berufe<br />

bedeutet. Es geht im Wesentlichen um<br />

Offenheit für neue Erfahrungen und<br />

<strong>der</strong>en selbstkritische Prüfung vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> aktuellen Fachdiskussion.<br />

Die nachfolgenden Beiträge <strong>in</strong> diesem<br />

Heft beziehen sich aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven auf (geme<strong>in</strong>same)<br />

Entwicklungsprozesse:<br />

Erstens: Die Sichtweisen und Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> Pädagog*<strong>in</strong>nen entwickeln<br />

sich über persönliche Erfahrungen<br />

<strong>in</strong> dem Maß weiter, wie sich auch<br />

gesellschaftliche Bed<strong>in</strong>gungen än<strong>der</strong>n<br />

und die Ausgangslagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mitbestimmen.<br />

Die <strong>in</strong>dividuelle Bereitschaft,<br />

sich immer wie<strong>der</strong> neu auf die<br />

unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse<br />

aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zustellen, wirkt<br />

als pädagogische Herausfor<strong>der</strong>ung und<br />

Entwicklungsimpuls.<br />

Zweitens: Die Entwicklung des Kollegiums<br />

erfor<strong>der</strong>t geme<strong>in</strong>sames Nachdenken<br />

über die Schularbeit und die<br />

berechtigten Ansprüche <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

e<strong>in</strong> Prozess, <strong>der</strong> multiprofessionelle<br />

Zusammenarbeit selbstverständlich<br />

werden lässt.<br />

Drittens: Entwickelt werden muss e<strong>in</strong>e<br />

geme<strong>in</strong>same Haltung dazu, dass Schule<br />

als lernende Organisation auch vom<br />

Austausch mit an<strong>der</strong>en Schulen <strong>in</strong><br />

Netzwerken profitieren kann.<br />

Viertens: Schule kann sich nur entwickeln<br />

<strong>in</strong> Kooperation mit außerschulischen<br />

Partner*<strong>in</strong>nen wie Unis<br />

o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Jugendo<strong>der</strong><br />

Sozialarbeit mit dem Ansatz,<br />

gesellschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen und<br />

Bed<strong>in</strong>gungen des Lebensumfelds <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Da die Dimensionen von <strong>Professionalität</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> (Grund-)Schule bei Weitem<br />

den Rahmen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Heftes<br />

übersteigen, wird sich ab <strong>Grundschule</strong><br />

aktuell 165 e<strong>in</strong>e Beitragsreihe zu<br />

dem Thema anschließen. Aspekte, die<br />

<strong>in</strong> diesem Heft nicht aufgegriffen werden<br />

können, werden dort Platz f<strong>in</strong>den.<br />

Wir freuen uns, wenn Sie <strong>der</strong> Redaktion<br />

von Ihnen beson<strong>der</strong>s gewünschte Ansätze<br />

mitteilen.<br />

Das Redaktionsteam<br />

6 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Andrea Preußker, Johannes Schubert<br />

Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

mit dem Deutschen Schulpreis<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger machen mobil<br />

für e<strong>in</strong>e bessere Bildung<br />

Die Robert Bosch Stiftung hat e<strong>in</strong>e lange Tradition <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühk<strong>in</strong>dlichen und<br />

schulischen Bildung. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> bekanntesten und renommiertesten Programme<br />

des För<strong>der</strong>bereichs Bildung ist <strong>der</strong> Deutsche Schulpreis. Ausgehend vom Deutschen<br />

Schulpreis wurden <strong>in</strong> den vergangenen Jahren weitere Angebote zur Professionalisierung<br />

im Bereich Schul- und Unterrichtsentwicklung <strong>in</strong>itiiert, die aufzeigen,<br />

dass <strong>der</strong> Deutsche Schulpreis weit über den re<strong>in</strong>en Wettbewerb h<strong>in</strong>ausgeht.<br />

Im Jahr 2006 riefen die Robert Bosch<br />

Stiftung und die Heidehof Stiftung<br />

als Reaktion auf den ersten „Pisa-<br />

Schock“ den Deutschen Schulpreis <strong>in</strong>s<br />

Leben. Das damit verbundene Ziel des<br />

Wettbewerbs ist es aufzuzeigen, dass es<br />

über alle Schularten und Bundeslän<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>weg hervorragende Schulen gibt, die<br />

unabhängig von bildungspolitischen<br />

und schulstrukturellen Rahmenbe d<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zu<br />

Chancengerechtigkeit und <strong>in</strong> klusiver<br />

Bildung leisten. Diese Schulen können<br />

bundesweit e<strong>in</strong> Vorbild für an<strong>der</strong>e Schulen<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Grundlage des Deutschen Schulpreises<br />

bilden sechs Qualitätsbereiche, die<br />

sich an e<strong>in</strong>em umfassenden Verständnis<br />

von Bildung und Lernen orientieren. Sie<br />

wurden von Vertreter:<strong>in</strong>nen aus Wissenschaft,<br />

Schulpraxis und Bildungsverwaltung<br />

erarbeitet, werden fortlaufend<br />

aktualisiert und beschreiben die Qualität<br />

an Schulen <strong>in</strong> ihren vielfältigen Facetten:<br />

„Unter richtsqualität“, „Leistung“,<br />

„Um gang mit Vielfalt“, „Verantwortung“,<br />

„Schulklima, Schulleben und außerschulische<br />

Partner“ und „Schule als lernende<br />

Institution“.<br />

Fokus auf „Unterrichtsqualität“<br />

Seit dem Wettbewerbsjahr 2022 steht<br />

<strong>der</strong> Qualitätsbereich „Unterrichtsqualität“<br />

im Mittel punkt des Deutschen<br />

Schulpreises. Dies war e<strong>in</strong>e Reaktion<br />

u. a. auf die alarmierenden Ergebnisse<br />

des IQB-Bildungstrends aus dem<br />

Jahr 2021 und die fachöffentliche und<br />

wissenschaftliche Debatte über Unterricht<br />

während <strong>der</strong> COVID-19-Pandemie,<br />

als Lehren und Lernen kaum noch<br />

<strong>in</strong> klassischen Raum- und Zeitsett<strong>in</strong>gs<br />

stattfand.<br />

Der Qualitätsbereich „Unterrichtsqualität“<br />

bezieht sich auf qualitätsvolle<br />

Lehr- und Lernprozesse, die sich explizit<br />

nicht ausschließlich auf den formalen<br />

Lern-ort des Klassenzimmers<br />

o<strong>der</strong> die formale Struktur des Fachunterrichts<br />

beschränken, und die –<br />

orientiert am erweiterten Lernbegriff<br />

– fachliche, überfachli che und personale<br />

sowie soziale und methodische<br />

Bildungsziele verfolgen. Konkret geht es<br />

um das geme<strong>in</strong>sam geteilte Verständnis<br />

e<strong>in</strong>er Schule von qualitätsvollem Lehren<br />

und Lernen, die konkrete Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Lehr- und Lernprozesse, die systematischen<br />

und etablierten Prozesse <strong>der</strong><br />

Unterrichtsentwicklung e<strong>in</strong>er Schule<br />

sowie den E<strong>in</strong>bezug von Evaluationen<br />

(<strong>in</strong>tern und extern) und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Nutzung von Daten für die<br />

Unterrichtsentwicklung.<br />

Wesentlich ist dabei nicht nur die Beschreibung,<br />

was Schulen im Bereich<br />

des Lehrens und Lernens tun o<strong>der</strong> welche<br />

Unterrichtsmethoden sie e<strong>in</strong>setzen,<br />

son<strong>der</strong>n ebenso die substanzielle Begründung,<br />

warum diese – mit Blick auf<br />

die Schüler:<strong>in</strong>nen und <strong>der</strong>en Voraussetzungen<br />

und Möglichkeiten – Wege<br />

und Konzepte verfolgt werden und<br />

wie dabei e<strong>in</strong>e hohe Qualität gesichert<br />

wird.<br />

Gute Praxis sichtbar machen<br />

Als Wettbewerb zeigt <strong>der</strong> Deutsche<br />

Schulpreis auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

zugrundeliegenden Qualitätsbereiche<br />

<strong>in</strong>novative Beispiele guter schulischer<br />

Praxis. Die Preisträgerschulen des<br />

Deutschen Schulpreises stehen dabei<br />

als Vorbil<strong>der</strong> für „Gute Schule“ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit und zeigen, dass gute<br />

Schule überall möglich ist.<br />

Viele <strong>der</strong> Konzepte <strong>der</strong> Preisträgerschulen<br />

wurden hierzu auf dem Deutschen<br />

Schulportal aufbereitet und s<strong>in</strong>d<br />

kostenlos für alle Interessierten zugänglich.<br />

Dabei dürfen die anhaltenden gesellschaftlichen<br />

und weltpolitischen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, die auf Schule e<strong>in</strong>wirken<br />

sowie <strong>der</strong> wachsende Lehrkräftemangel<br />

nicht außer Acht gelassen werden.<br />

Die Preisträgerschulen des Deutschen<br />

Schulpreises s<strong>in</strong>d damit gleichermaßen<br />

konfrontiert. Sie haben zumeist<br />

sehr <strong>in</strong>dividuelle Ansätze und Lösungen<br />

entwickelt, um diesen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

erfolgreich zu begegnen.<br />

Diese Schulen s<strong>in</strong>d nicht besser ausgestattet<br />

als an<strong>der</strong>e Schulen, es s<strong>in</strong>d<br />

buchstäblich ganz normale Schulen.<br />

Erst ihre Haltung ermöglicht ihnen,<br />

Optimismus auszustrahlen, nicht aufzugeben<br />

und <strong>in</strong>dividuelle Lösungen zu<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

Die Robert Bosch Stiftung unterbreitet<br />

verschiedene Angebote zur<br />

Schul- und Unterrichtsentwicklung,<br />

die geme<strong>in</strong>sam mit Vertreter:<strong>in</strong>nen von<br />

Preisträgerschulen, <strong>der</strong> Bildungsverwaltung<br />

und Wissenschaft konzipiert<br />

wurden. So können sich auf dem Campus<br />

des Deutschen Schulportals <strong>in</strong>teressierte<br />

Pädagog:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>e-Veranstaltungen<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und mit Vertreter:<strong>in</strong>nen<br />

aus Wissenschaft, Bildungsverwaltung<br />

und Schulpraxis über<br />

Schul- und Unterrichtsentwicklung aus-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

7


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Der Deutsche Schulpreis 2023, Preisverleihung am 12.10.2023 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>,<br />

Preisträger ist „<strong>Grundschule</strong> op de Host <strong>in</strong> Horst“<br />

tauschen sowie Impulse und Ideen von<br />

Preisträgerschulen für die eigene Arbeit<br />

erhalten.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus öffnen Preisträgerschulen<br />

im Rahmen des „Hospitationsprogramms<br />

an Preisträgerschulen des<br />

Deutschen Schulpreises“ sprichwörtlich<br />

ihre Türen. An Weiterentwicklung <strong>in</strong>teressierte<br />

Schulen können durch e<strong>in</strong>e<br />

Hospitation an e<strong>in</strong>er Preisträgerschule<br />

Denkanstöße, Ideen und Handlungsempfehlungen<br />

für die eigene Schule und<br />

den eigenen Unterricht gew<strong>in</strong>nen.<br />

Der Deutsche Schulpreis als<br />

Instrument <strong>der</strong> Schul- und<br />

Unterrichtsentwicklung<br />

Die Bewerbung um den Deutschen<br />

Schulpreis können Schulen darüber<br />

h<strong>in</strong>aus als Instrument für die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

und Selbstevaluation nutzen. So wird<br />

durch das Feedback von ehemaligen<br />

Bewerber- und auch Preisträgerschulen<br />

deutlich, dass die Bewerbung und die<br />

damit verbundene Beschäftigung mit<br />

den Qualitätsbereichen des Deutschen<br />

Schulpreises Impulse gibt, sich schul<strong>in</strong>tern<br />

kritisch mit <strong>der</strong> eigenen Schulund<br />

Unterrichtsrealität ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen:<br />

„Schon alle<strong>in</strong> die Beschäftigung<br />

mit den Bewerbungsunterlagen br<strong>in</strong>gt<br />

die Schule weiter. Man beschäftigt sich<br />

ausnahmsweise mal nicht mit den alltäglichen<br />

kle<strong>in</strong>en Problemen, son<strong>der</strong>n<br />

schaut auf das, was man erreicht hat<br />

und was man erreichen will.“, so Monika<br />

Nebel, Schulleiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Meusebach-<br />

<strong>Grundschule</strong> Geltow. So können durch<br />

die geme<strong>in</strong>same Reflexion <strong>der</strong> eigenen<br />

Entwicklung durch die <strong>in</strong> Schule aktiven<br />

Personen mit Hilfe <strong>der</strong> sechs Qualitätsbereiche<br />

Erfolge, Lernerfahrungen und<br />

Entwicklungspotentiale explizit sichtbar<br />

und für die weitere Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

nutzbar gemacht werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus erhalten alle Bewerberschulen<br />

im Anschluss an das<br />

Wettbewerbsjahr auf Wunsch e<strong>in</strong><br />

Feedbackgespräch zu ihrer Bewerbung<br />

mit Vertreter:<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Jury, <strong>in</strong> dem sie<br />

geme<strong>in</strong>sam Stärken und Entwicklungspotenziale<br />

<strong>der</strong> Schule identifizieren. In<br />

<strong>der</strong> Folge gibt es verschiedene Möglichkeiten,<br />

wie Bewerberschulen von den<br />

weiteren Angeboten des Deutschen<br />

Schulpreises profitieren können. Erste<br />

Möglichkeit: Die mit dem Deutschen<br />

Schulpreis ausgezeichneten Schulen werden<br />

Teil des Netzwerkes <strong>der</strong> Preisträgerschulen.<br />

In diesem werden sie durch<br />

verschiedene Vernetzungs- und Qualifizierungsangebote<br />

<strong>in</strong> ihrer Qualitätsentwicklung<br />

und -sicherung unterstützt.<br />

Zweite Möglichkeit: Alle Bewerberschulen<br />

und alle nom<strong>in</strong>ierten Schulen<br />

können am Forum des Deutschen Schulpreises<br />

teilnehmen. Im Zentrum dieses<br />

15-monatigen Programms steht e<strong>in</strong> von<br />

<strong>der</strong> Schule selbst gewähltes Unterrichtsentwicklungsvorhaben,<br />

das die teilnehmenden<br />

Schulen auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

des o.g. Feedbacks zu ihrer Bewerbung<br />

8 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

identifizieren und fortentwickeln. Hierzu<br />

erhalten sie <strong>in</strong>dividuelle Beratung<br />

und bedarfsgerechte Workshops für die<br />

Umsetzung des Vorhabens sowie Vernetzungsmöglichkeiten<br />

mit an<strong>der</strong>en Bewerberschulen.<br />

Es wird deutlich, dass e<strong>in</strong>e Beschäftigung<br />

mit dem Deutschen Schulpreis<br />

weit über den re<strong>in</strong>en Wettbewerbsgedanken<br />

h<strong>in</strong>aus geht. Durch angebundene<br />

und begleitende Programme<br />

und Projekte haben alle <strong>in</strong>teressierten<br />

Schulen – unabhängig ihrer Kapazitäten<br />

für Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

und ihrer Kompetenzen auf diesem Gebiet<br />

– die Möglichkeit, auf ihrem <strong>in</strong>dividuellen<br />

Entwicklungsweg unterstützt<br />

zu werden.<br />

Bewerbung um den Deutschen<br />

Schulpreis 2024<br />

Der Deutsche Schulpreis 2024 richtet<br />

sich an alle allgeme<strong>in</strong>bildenden und<br />

beruflichen Schulen <strong>in</strong> öffentlicher o<strong>der</strong><br />

privater Trägerschaft <strong>in</strong> Deutschland<br />

sowie an Deutsche Auslandsschulen, die<br />

sich bis zum 1. Februar 2024 bewerben<br />

können. Die Bewerbung erfolgt onl<strong>in</strong>e<br />

über das Bewerberportal des Deutschen<br />

Schulpreises. Im Mittelpunkt steht die<br />

Frage: Wie gestalten Sie an Ihrer Schule<br />

qualitätsvolles Lehren und Lernen?<br />

Diese Frage können Schulen auf<br />

maximal zehn Seiten (exkl. Anhänge)<br />

beantworten und ihre Schule mit dem<br />

Fokus auf den Qualitätsbereich „Unterrichtsqualität“<br />

darstellen. Dabei sollen<br />

explizit auch Querbezüge zu den wei-<br />

Andrea Preußker, Teamleiter<strong>in</strong> Bildung,<br />

Robert Bosch Stiftung<br />

Johannes Schubert,<br />

Senior Projektmanager Bildung,<br />

Robert Bosch Stiftung<br />

teren fünf Qualitätsbereichen des Deutschen<br />

Schulpreises hergestellt werden,<br />

sodass e<strong>in</strong> umfassendes Bild <strong>der</strong> Schule<br />

für die Jury entsteht.<br />

Dem Wettbewerb liegt e<strong>in</strong> mehrstufiges<br />

Auswahlverfahren zugrunde,<br />

das neben <strong>der</strong> schriftlichen Bewerbung<br />

auch digitale Interviews zur Klärung von<br />

Verständnisfragen und Schulbesuche vor<br />

Ort bei den 20 besten Bewerberschulen<br />

vorsieht. Die unabhängige Jury ist dabei<br />

mit über 40 Expert<strong>in</strong>nen und Experten<br />

aus den Bereichen Bildungswissenschaft,<br />

Schulpraxis und Bildungsverwaltung besetzt.<br />

Der Deutsche Schulpreis ist die<br />

höchstdotierte Auszeichnung für Schulen<br />

<strong>in</strong> Deutschland. Die besten Bewerberschulen<br />

werden jährlich ausgezeichnet<br />

und so für ihr Engagement<br />

gewürdigt. Der Hauptpreis ist mit<br />

100.000 Euro dotiert, die fünf weiteren<br />

Preisträgerschulen erhalten Preisgel<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Höhe von <strong>in</strong>sgesamt 150.000 Euro.<br />

Alle nom<strong>in</strong>ierten Schulen erhalten e<strong>in</strong><br />

Preisgeld <strong>in</strong> Höhe von je 5.000 Euro.<br />

Seit 2006 wurden bereits 103 Preisträger<br />

mit dem Deutschen Schulpreis<br />

ausgezeichnet und s<strong>in</strong>d seither Teil des<br />

Netzwerks des Deutschen Schulpreises.<br />

Über das ganze Bundesgebiet verteilte<br />

Regionalberater:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>formieren <strong>in</strong>teressierte<br />

Schulen auf Wunsch und<br />

Nachfrage über den Deutschen Schulpreis<br />

und unterstützen <strong>in</strong> Beratungsgesprächen<br />

sowie mit fachlichem Feedback<br />

bei <strong>der</strong> Bewerbung. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

f<strong>in</strong>den regelmäßig digitale Beratungsworkshops<br />

für am Schulpreis <strong>in</strong>teressierte<br />

Schulen, die auf dem Campus des<br />

Deutschen Schulportals stattf<strong>in</strong>den.<br />

Eltern, Schüler:<strong>in</strong>nen und Kooperationspartner<br />

haben zudem die Möglichkeit,<br />

Schulen für den Deutschen<br />

Schulpreis zu empfehlen. Schulen, die<br />

e<strong>in</strong>e Empfehlung erhalten haben, werden<br />

von e<strong>in</strong>em Regionalberater o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Regionalberater<strong>in</strong> des Deutschen<br />

Schulpreises kontaktiert und e<strong>in</strong>geladen,<br />

e<strong>in</strong>e schriftliche Bewerbung e<strong>in</strong>zureichen.<br />

Alle Informationen zum Deutschen<br />

Schulpreis s<strong>in</strong>d auch unter www.<br />

deutscher-schulpreis.de auff<strong>in</strong>dbar.<br />

E<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ksammlung zum Artikel<br />

und weitere Informationen zu den Qualitätsbereichen<br />

des Deutschen Schulpreises<br />

f<strong>in</strong>den Sie unter:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit<br />

Die Qualitätsbereiche des<br />

Deutschen Schulpreises<br />

Zu sechs Qualitätsbereichen und verschiedenen<br />

Schwerpunkten s<strong>in</strong>d jeweils<br />

mehrere Leitfragen zusammengetragen,<br />

die an den Schulen die Initiierung des<br />

Austauschs zur Weiterentwicklung von<br />

Unterrichts- und Schulqualität unterstützen<br />

können.<br />

Unterrichtsqualität<br />

• Unterrichtsverständnis<br />

• Unterrichtsgestaltung<br />

• Unterrichtsentwicklung<br />

• Unterrichtsergebnisse<br />

Leistung<br />

• Leistungsverständnis<br />

• Leistungsför<strong>der</strong>ung<br />

• Leistungsdokumentation<br />

• Leistungsergebnisse<br />

• Leistungsrückmeldung<br />

Umgang mit Vielfalt<br />

• Schulisches Selbstverständnis<br />

• Lernen und Lehren<br />

• Diagnostik und För<strong>der</strong>ung<br />

Verantwortung<br />

• Demokratielernen<br />

• Partizipation<br />

• Verantwortungsübernahme<br />

Schulklima, Schulleben und<br />

außerschulische Partner<br />

• Schulleben<br />

• Respekt<br />

• Prävention<br />

• Kooperation<br />

• Netzwerke und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Schule als lernende Institution<br />

• Schulentwicklung<br />

• Personalentwicklung<br />

• Kooperation und Kommunikation<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

9


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Hans Brügelmann<br />

Wenn Tausendfüßler anfangen,<br />

jeden e<strong>in</strong>zelnen Schritt zu planen …<br />

Zur Bedeutung expliziten und impliziten Wissens<br />

für pädagogisches Handeln<br />

Es ist gut 50 Jahre her, dass <strong>der</strong> kürzlich verstorbene Mathematikdidaktiker<br />

He<strong>in</strong>rich Bauersfeld mich als se<strong>in</strong>en Mitarbeiter auf das Buch „Personal Knowledge“<br />

(deutsch: „Implizites Wissen“) von Michael Polanyi (1958/1985) aufmerksam<br />

machte. Bauersfeld leitete damals als Vorsitzen<strong>der</strong> den Ausschuss<br />

„Strategien <strong>der</strong> Curriculum-Entwicklung“ beim Deutschen Bildungsrat. Unsere<br />

Aufgabe war es, Modelle für e<strong>in</strong>e effektivere Schulreform zu entwickeln.<br />

implizit vorhanden, lässt sich aber nicht<br />

<strong>in</strong> Regelform fassen.<br />

Dieses „Explikationsproblem“ (s.<br />

Kas ten) kann sich je nach Aktivität <strong>in</strong><br />

unterschiedlicher Schärfe stellen (Neuweg<br />

2005; 2016, 101 ff.):<br />

Damals wurde das deutsche<br />

Bürokratie-Modell (Steuerung<br />

durch Verordnung von oben)<br />

grundsätzlich durch das aus den USA<br />

importierte Technologie-Modell <strong>in</strong><br />

Frage gestellt (Steuerung durch Transfer<br />

von Wissen aus <strong>der</strong> Forschung <strong>in</strong> die<br />

Praxis). Beide Modelle setzten auf<br />

Steuerung durch explizite Anweisungen.<br />

Auswüchse des Technologie-Modells<br />

gipfelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Idee e<strong>in</strong>es „teacherproof<br />

curriculum“, also e<strong>in</strong>es von<br />

„Experten“ entwickelten Unterrichtsprogramms,<br />

das unabhängig von <strong>der</strong><br />

Kompetenz <strong>der</strong> Pädagog*<strong>in</strong>nen (sozusagen<br />

„lehrer*<strong>in</strong>nen-dicht“) se<strong>in</strong>e Wirkung<br />

entfalten sollte.<br />

Diese naive Wissenschaftsgläubigkeit<br />

f<strong>in</strong>det sich heute wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> manchen<br />

Vorschlägen e<strong>in</strong>er „evidenz-basierten“<br />

Schulreform, die als Ursache „schlechter<br />

Schulen“ e<strong>in</strong>en mangelhaften Transfer<br />

von Forschungsergebnissen <strong>in</strong> die<br />

Praxis unterstellen (vgl. zur Kritik: Brügelmann<br />

2015). Polanyi betont dagegen<br />

den Unterschied zwischen Wissen und<br />

Können: Manche D<strong>in</strong>ge kann man, ohne<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage zu se<strong>in</strong>, das WIE zu erklären,<br />

und an<strong>der</strong>es können wir beschreiben<br />

und erklären, ohne es auch selber tun<br />

zu können. Die „Intelligenz <strong>der</strong> Praxis“<br />

(Re<strong>in</strong>hard Kahl) hat e<strong>in</strong>en zu respektierenden<br />

Eigenwert.<br />

Lange Zeit s<strong>in</strong>d Polanyis Thesen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erziehungswissenschaft und Pädagogik<br />

kaum diskutiert o<strong>der</strong> gar Ma<strong>in</strong>stream<br />

geworden. Die Bedeutung des Wissens<br />

über Pädagogik für die Verbesserung<br />

des Könnens <strong>in</strong> ihrer Praxis wird immer<br />

wie<strong>der</strong> überschätzt, auch wenn Georg<br />

Hans Neuweg die Kritik von Polanyi <strong>in</strong><br />

verschiedenen Beiträgen systematisch<br />

entfaltet hat (zusammengefasst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Buch mit dem vielsagenden Titel<br />

„Das Schweigen <strong>der</strong> Könner“).<br />

Der Seiltänzer,<br />

<strong>der</strong> nicht auf das Ende des Seiles, son<strong>der</strong>n<br />

darauf achtet, wie er das Gleichgewicht<br />

hält […], <strong>der</strong> Pianist, <strong>der</strong> nicht<br />

auf das Stück achtet, das er spielenmöchte,<br />

son<strong>der</strong>n auf se<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>gerbewegungen<br />

[…], <strong>der</strong> Redner, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Idee aus dem Blick verliert, weil er beg<strong>in</strong>nt,<br />

auf die e<strong>in</strong>zelnen Worte zu fokussieren,<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tausendfüßer, <strong>der</strong><br />

se<strong>in</strong>e Be<strong>in</strong>e problemlos unter Kontrolle<br />

hält bis zu dem Zeitpunkt, an dem er<br />

erstmals darüber nachdenkt, wie er<br />

das eigentlich macht, s<strong>in</strong>d allesamt<br />

Beispiele für e<strong>in</strong>e „pathologische Explikation<br />

[…]“<br />

(Neuweg 2021, 8)<br />

Neuweg geht von den beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an erfolgreiches Handeln <strong>in</strong><br />

komplexeren Handlungssituationen wie<br />

Unterricht aus (zu Folgerungen für die<br />

För<strong>der</strong>ung [schrift-]sprachlicher Lernprozesse<br />

vgl. Br<strong>in</strong>kmann/ Brügelmann<br />

2018).<br />

Dabei stellt sich als erstes folgendes<br />

Problem: Wir handeln oft kompetent,<br />

ohne dabei bewusst Regeln zu folgen.<br />

Oft können wir sie nicht e<strong>in</strong>mal im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> benennen. Das Wissen ist<br />

Handeln ohne Regelbewusstse<strong>in</strong>,<br />

auch wenn die Regeln im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> verbalisierbar s<strong>in</strong>d<br />

Wer se<strong>in</strong>e Schuhe häufiger mit e<strong>in</strong>er<br />

Schleife b<strong>in</strong>det, handelt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel,<br />

ohne nachzudenken. Gelernt wurden<br />

die Schl<strong>in</strong>gungen des Knoten zwar<br />

bewusst, aber dann mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Übung automatisiert. Allerd<strong>in</strong>gs kann<br />

man sich den Vorgang wie<strong>der</strong> bewusst<br />

machen, z. B. wenn man ihn an<strong>der</strong>en<br />

erklären will. Viele Handlungen im<br />

sozialen Alltag – und damit auch im<br />

Unterricht – erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e solche Automatisierung<br />

wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> Aktivitäten,<br />

damit man se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit<br />

auf <strong>der</strong>en wechselnde Inhalte konzentrieren<br />

kann.<br />

Die Regeln s<strong>in</strong>d zwar nicht vom<br />

Handelnden selbst, aber von<br />

Außenstehenden beschreibbar<br />

Die Mehrzahlform von Nomen wird<br />

im Deutschen auf sehr unterschiedliche<br />

Weise gebildet (z. B. „Autos“, aber<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong>“ o<strong>der</strong> „Häuser“ – und sogar<br />

„Nadeln“ vs. „Nägel“). Ähnlich vielfältig<br />

s<strong>in</strong>d die Vergangenheitsformen von<br />

Verben (z. B. bei formal gleicher Grundform<br />

„sah“ vs. „g<strong>in</strong>g“ vs. „drehte“). Die<br />

meisten im deutschen Sprachraum Aufgewachsenen<br />

bilden die Formen richtig,<br />

ohne dass sie ihnen vorweg erklärt wurden<br />

und ohne, dass sie diese auf Nachfragen<br />

erklären könnten. L<strong>in</strong>guist*<strong>in</strong>nen<br />

allerd<strong>in</strong>gs können die <strong>der</strong> Wortbildung<br />

zugrunde liegenden Regeln explizieren.<br />

10 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Das bedeutet aber nur, dass sich die<br />

Sprecher*<strong>in</strong>nen im Alltag so verhalten,<br />

als ob sie diesen Regeln bewusst folgten.<br />

Tatsächlich tun sie dies nicht. Ähnlich<br />

ist es mit Merkmalen, die man erfolgreichen<br />

Lehrer*<strong>in</strong>nen zuschreibt. Wer<br />

bewusst versucht, „strukturiert“ o<strong>der</strong><br />

„zugewandt“ zu se<strong>in</strong>, wird schnell merken,<br />

dass se<strong>in</strong> Verhalten auf an<strong>der</strong>e<br />

künstlich wirkt – und damit an<strong>der</strong>s als<br />

das Orig<strong>in</strong>al.<br />

Die Regeln erfolgreichen Handelns<br />

s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell – auch von<br />

Dritten – nicht formalisierbar<br />

In vielen Fällen scheitern nicht nur<br />

<strong>der</strong>/die Handelnde, son<strong>der</strong>n auch<br />

Beobachter schon daran, das fragliche<br />

Können überhaupt <strong>in</strong> Regelform zu fassen.<br />

„Es kommt darauf an“ ist e<strong>in</strong>e Antwort,<br />

die man auch von erfolgreichen<br />

Lehrer*<strong>in</strong>nen oft erhält, wenn man sie<br />

fragt, wann sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Weise <strong>in</strong>tervenieren.<br />

Für gute Witze lassen sich Beispiele<br />

benennen. Aber e<strong>in</strong>e Anleitung für<br />

das Verfassen von guten Witzen lässt<br />

sich genauso wenig formulieren wie<br />

e<strong>in</strong> Algorithmus für das Schreiben von<br />

Liebesbriefen (die vor über 100 Jahren<br />

gescheiterten „Briefsteller“…).<br />

Kommen wir zur nächsten, von Neuweg<br />

als „Instruktionsproblem“ bezeichneten<br />

Schwierigkeit (s. Kasten):<br />

Auch wenn Handelnde selbst<br />

die Regeln ihres Handelns benennen<br />

o<strong>der</strong> wenn Außenstehende die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

erfolgreichen Handelns analysieren<br />

und beschreiben können, bedeutet<br />

das noch nicht, dass diese Erklärungen<br />

e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Person tatsächlich<br />

helfen, auch erfolgreich zu<br />

handeln. Schon um zu lernen, e<strong>in</strong>e<br />

Schleife zu b<strong>in</strong>den, reicht die verbale Erklärung<br />

meist nicht aus, und alle<strong>in</strong> mit<br />

Hilfe e<strong>in</strong>er Grammatik lernen Fremdsprachler*<strong>in</strong>nen<br />

nie richtig zu sprechen.<br />

(s. zu ähnlichen Problemen beim Radfahrlernen<br />

die H<strong>in</strong>weise im untenstehenden<br />

Textkasten).<br />

Wenn e<strong>in</strong> Wissen sprachlich nicht o<strong>der</strong><br />

kaum weitergegeben werden kann, muss<br />

<strong>der</strong> Betreffende durch Probieren o<strong>der</strong> an<br />

e<strong>in</strong>em Modell lernen, das ihm vorzeigt,<br />

was nicht vorgesagt werden kann. Alle<strong>in</strong><br />

anhand von Rezeptbüchern wird man<br />

nicht zum guten Koch, anhand e<strong>in</strong>es<br />

„didaktischen Leitfadens“ nicht zur<br />

guten Lehrer<strong>in</strong>. Noviz*<strong>in</strong>nen brauchen<br />

den Umgang mit Meister*<strong>in</strong>nen, die sie<br />

beobachten, mit denen sie auch reden,<br />

von denen sie aber vor allem situationsbezogene<br />

Rückmeldungen zu eigenen<br />

Versuchen bekommen.<br />

„Situationsbezogen“ – denn <strong>in</strong> sozialen<br />

Kontexten stellt sich bei <strong>der</strong> Anwendung<br />

von Regeln schließlich noch<br />

das „Modifikationsproblem“: In welchen<br />

Situationen nutze ich welches<br />

eher formelle, welches eher <strong>in</strong>formelle<br />

Sprachregister? Wie erkenne ich Ironie –<br />

und wie gehe ich mit ironisch geme<strong>in</strong>ten<br />

Äußerungen um? Gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik<br />

gleicht ke<strong>in</strong>e Situation genau <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />

Schon die Erfahrung „jedes K<strong>in</strong>d<br />

ist an<strong>der</strong>s“ macht deutlich, wie schwierig<br />

es ist, auf <strong>der</strong> Basis von Allgeme<strong>in</strong>aussagen<br />

zu handeln. Entwe<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d sie<br />

so genau formuliert, dass sie den unter-<br />

Das Explikationsproblem<br />

Lassen sich die Regeln kunstfertiger Praxis überhaupt angeben?<br />

Wir müssen hier e<strong>in</strong>e wichtige Unterscheidung e<strong>in</strong>führen.<br />

E<strong>in</strong>e Frage ist, ob <strong>der</strong> Könner selbst sagen kann, wie er warum<br />

vorgeht. Kann er das nicht, spreche ich von Nichtverbalisierbarkeit.<br />

Zum Beispiel könnte ich Sie fragen, wie sie am Fahrrad das<br />

Gleichgewicht halten. Wenn sie nach rechts kippen, was tun Sie<br />

dann? Lenken Sie dagegen, nach l<strong>in</strong>ks? O<strong>der</strong> lenken Sie <strong>in</strong> die<br />

Richtung, <strong>in</strong> die Sie kippen, also nach rechts? Die meisten von<br />

uns wissen es nicht, und wenn sie nachdenken, sagen sie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel das Falsche.<br />

[…]<br />

Aber die Nichtverbalisierbarkeit ist für sich genommen noch ke<strong>in</strong><br />

didaktisches Problem. Denn auch wenn <strong>der</strong> Könner selbst nicht<br />

verbalisieren kann, wie er vorgeht, kann man ihn ja beobachten<br />

und dadurch herausf<strong>in</strong>den, welchen Regeln se<strong>in</strong>e Praxis folgt.<br />

Wirklich schwierig wird es erst, wenn auch die dritte Person, <strong>der</strong><br />

Beobachter, e<strong>in</strong> Explikationsproblem hat. Ich spreche dann von<br />

Nichtformalisierbarkeit. Sowohl aus den Forschungen zur künstlichen<br />

Intelligenz als auch aus <strong>der</strong> Expertenforschung wissen wir,<br />

dass e<strong>in</strong>e solche Formalisierung immer dort schwierig ist, wo das<br />

fragliche Können gerade dar<strong>in</strong> besteht, dass jemand nicht Dienst<br />

nach Vorschrift macht, son<strong>der</strong>n sich subtil auf den jeweiligen situativen<br />

Kontext e<strong>in</strong>lässt.<br />

Das Instruktionsproblem<br />

Es gibt Fälle, <strong>in</strong> denen wir das, was e<strong>in</strong> Könner kann, sehr wohl <strong>in</strong><br />

Form von Regeln beschreiben können. Das Problem ist nur: Diese<br />

Regeln eignen sich nicht dafür, damit an<strong>der</strong>e o<strong>der</strong> sich selbst zu<br />

<strong>in</strong>struieren.<br />

Denken wir noch e<strong>in</strong>mal an das Beispiel des Radfahrens zurück.<br />

Kaum jemand von uns kann verbalisieren, was genau er macht,<br />

wenn er am Rad das Gleichgewicht hält. Gleichwohl: Dieses Können<br />

ist formalisierbar. Physiker nämlich kennen die Regeln, die<br />

Radfahrer <strong>in</strong>tuitiv befolgen. Sie lautet: Je<strong>der</strong> auftretende Neigungsw<strong>in</strong>kel<br />

ist zu kompensieren durch e<strong>in</strong>e Lenkbewegung<br />

<strong>in</strong> die Richtung des Ungleichgewichts, die e<strong>in</strong>e die Wirkung <strong>der</strong><br />

Schwerkraft aufhebende Zentrifugalkraft auslöst, wobei <strong>der</strong><br />

Radius <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Lenkbewegung beschriebenen Kurve dem<br />

Quadrat <strong>der</strong> Fahrgeschw<strong>in</strong>digkeit dividiert durch den Neigungsw<strong>in</strong>kel<br />

entsprechen muss.<br />

Der Punkt ist nur: Obwohl die Regel beschreibt, wie es geht, kann<br />

man mit ihr nicht lernen, wie es geht. Nicht jede beschreibende<br />

Regel ist auch e<strong>in</strong>e generative Regel, durch die wir das Verhalten<br />

erzeugen können, das die Regeln anbefiehlt.<br />

[...]<br />

Der Lehramtsstudierende, <strong>der</strong> beispielsweise weiß, dass er am<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen thematischen Abschnitts e<strong>in</strong>en advance organizer<br />

geben soll, muss immer noch selbst entscheiden, was als<br />

„Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen thematischen Abschnitts“ gelten soll und<br />

wie <strong>der</strong> „advance organizer“ <strong>in</strong> dieser Situation, im Lichte <strong>der</strong> angestrebten<br />

Lernziele und für diese Zielgruppe konkret aussehen<br />

soll. Wer weiß, dass er nach e<strong>in</strong>er Frage an die Schüler genügend<br />

Zeit zum Nachdenken geben soll, hat nicht notwendigerweise<br />

schon e<strong>in</strong> Gefühl dafür , was <strong>in</strong> <strong>der</strong> konkreten Situation als e<strong>in</strong>e<br />

solche „Frage“ gelten soll und was es heißt „genügend lange“ zu<br />

warten.<br />

(Neuweg 2016, 30 ff.)<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

11


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

schiedlichen Bed<strong>in</strong>gungen nicht gerecht<br />

werden („Nach je<strong>der</strong> Frage 3 Sekunden<br />

warten!“) o<strong>der</strong> sie passen <strong>in</strong> ihrer Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

zwar auf viele Situationen,<br />

s<strong>in</strong>d durch ihre Abstraktheit aber stark<br />

auslegungsbedürftig (s. das Beispiel im<br />

Kasten „Instruktionsproblem“).<br />

Der Erfolg pädagogischer Maßnahmen,<br />

didaktischer Konzepte o<strong>der</strong><br />

methodischer Verfahren ist immer<br />

kontextabhängig und deshalb müssen<br />

Regeln situationsbezogen ausgelegt<br />

werden. Diese Auslegung kann man den<br />

Regeln selbst nicht entnehmen, sie erfor<strong>der</strong>t<br />

e<strong>in</strong>e durch vielfältige Erfahrung<br />

geschulte Urteilskraft.<br />

Die E<strong>in</strong>sicht, dass pädagogisches<br />

Handeln auf die „Intelligenz des Unbewussten<br />

und die Macht <strong>der</strong> Intuition“<br />

(Gigerenzer 2007) angewiesen ist, bedeutet<br />

nicht, die Kraft von (nachträglicher)<br />

Reflexion, von Theorien und<br />

von empirischer Forschung zu leugnen.<br />

Es geht um Balance – und um selbstkritische<br />

Bescheidenheit, um gegenseitigen<br />

Respekt und um die Aufgabe<br />

von Hierarchie-Ansprüchen.<br />

Wissenschaft eröffnet wichtige an<strong>der</strong>e<br />

Blicke auf Praxis – aber <strong>der</strong>en Ertrag<br />

für das Handeln im pädagogischen Alltag<br />

ist nicht besser als die Erfahrung von<br />

Lehrer*<strong>in</strong>nen.<br />

Professionalisierung bedeutet nicht,<br />

dass Lehrer*<strong>in</strong>nen sich als gehorsame<br />

Empfänger*<strong>in</strong>nen wissenschaftlicher<br />

Das Modifikationsproblem<br />

Das Konzept e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tuitiv-improvisierenden<br />

Handelns ist gerade für die Lehrerbildungsforschung<br />

hochattraktiv, weil das<br />

Bild des <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sich selbst <strong>in</strong>struierende<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausführende Person gespaltenen<br />

Experten dem berufsfertigen Lehrer<br />

nur sehr e<strong>in</strong>geschränkt gerecht wird. [ …]<br />

Erkenntnisse verstehen, son<strong>der</strong>n dass<br />

sie den Austausch mit an<strong>der</strong>en (auch<br />

mit Wissenschaft) suchen, um ihre Erfahrungen<br />

immer wie<strong>der</strong> selbstkritisch<br />

zu überdenken.<br />

Denn die Stärke impliziter Erfahrung<br />

ist auch ihre Achillesferse: ihre enge B<strong>in</strong>dung<br />

an reale (aber oft zufällige) Situationen<br />

und ihre Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />

persönlichen Wahrnehmung und Deutung<br />

– mit <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong>en bl<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Rout<strong>in</strong>isierung (Neuweg 2016, 107 f.).<br />

Entwickeln kann sich die persönliche<br />

Urteilskraft nur durch Handlungsversuche<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Kontexten<br />

o<strong>der</strong> über wechselseitige Hospitationen<br />

und durch die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

an<strong>der</strong>en Perspektiven (s. den Beitrag<br />

von Beermann/Buncher zum „Blick<br />

über den Zaun“ <strong>in</strong> diesem Heft). Das<br />

können Theorien und empirische Befunde<br />

se<strong>in</strong>, aber eben auch die Sichtweisen<br />

von Kolleg*<strong>in</strong>nen, vor allem <strong>in</strong><br />

Für ihn s<strong>in</strong>d vielmehr […] e<strong>in</strong>e rasche<br />

Situationsauffassung und e<strong>in</strong> Beurteilen<br />

und Handeln kennzeichnend, das er als<br />

weitgehend <strong>in</strong>tuitiv erlebt und auch so<br />

erleben muss, um dem hohen Interaktionstempo,<br />

<strong>der</strong> Eigendynamik und <strong>der</strong><br />

situativen Komplexität des Unterrichts<br />

gewachsen zu se<strong>in</strong>…“<br />

(Neuweg 2016, 211)<br />

multiprofessionellen Teams (s. den Betrag<br />

von NN <strong>in</strong> diesem Heft). Zu dem,<br />

was das für die Lehrer*<strong>in</strong>nen-Bildung<br />

und ihre verschiedenen Phasen konkret<br />

bedeutet, hat Neuweg (2022) bedenkenswerte<br />

Argumente im Detail diskutiert.<br />

Prof. em. Hans Brügelmann,<br />

Mitglied im Vorstand <strong>der</strong> GSV-Landesgruppe<br />

Bremen<br />

Literatur<br />

Br<strong>in</strong>kmann, E./ Brügelmann, H. (2018): Wie<br />

können Anfänger lernen, was Könner nicht<br />

wissen? Zur Bedeutung impliziten Wissens<br />

und <strong>in</strong>zidentellen Lernens für den (Schrift-)<br />

Spracherwerb und se<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung. In:<br />

Gutzmann, M. (Hrsg.) (2018): Sprachen und<br />

Kulturen. Beiträge zur Reform <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>,<br />

Bd. 146. Grundschulverband:<br />

Frankfurt (222-233); Download:<br />

https://www.pedocs.de/volltexte/2021/23735<br />

Brügelmann, H. (2015): Vermessene Pädagogik<br />

– Standardisierte Schüler. Zu Risiken und<br />

Nebenwirkungen von PISA, Hattie, VerA und<br />

Co. Beltz: We<strong>in</strong>heim/Basel. Download <strong>der</strong><br />

Kurzfassung unter:<br />

https://t1p.de/evidenzkritik-PAEDAGOGIK<br />

Gigerenzer, G. (2007): Bauchentscheidungen.<br />

Die Intelligenz des Unbewussten und die<br />

Macht <strong>der</strong> Intuition. Bertelsmann: München.<br />

Neuweg, G. H. (2015): Das Schweigen <strong>der</strong><br />

Könner. Gesammelte Schriften zum impliziten<br />

Wissen. Waxmann: Münster/ New York.<br />

Neuweg, G. H. (2021): Reflexivität. Über<br />

Wesen, S<strong>in</strong>n und Grenzen e<strong>in</strong>es lehrerbildungsdidaktischen<br />

Leitbildes. In: Zeitschrift<br />

für Bildungsforschung,<br />

https://doi.org/10.1007/s35834-021-00320-8<br />

Neuweg, G. H. (2022): Lehrerbildung. Zwölf<br />

Denkfiguren im Spannungsfeld von Wissen<br />

und Können. Waxmann: Münster/New York.<br />

Polanyi, M. (1985): Implizites Wissen.<br />

Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 543.<br />

Suhrkamp: Frankfurt (engl. 1958).<br />

„Bürger:<strong>in</strong>nen machen mobil für e<strong>in</strong>e bessere Bildung“<br />

Aus dem freudigen Anlass <strong>der</strong> Auszeichnung<br />

von Maresi Lassek mit dem<br />

Bundesverdienstkreuz und unserem<br />

aktuellen Bericht hierzu werden wir den<br />

Beitrag „Bürger:<strong>in</strong>nen machen mobil für<br />

e<strong>in</strong>e bessere Bildung“ an den Beispielen<br />

„Bürgerrats Bildung und Lernen“ sowie<br />

„Bildungswende jetzt!“ <strong>in</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

aktuell im Februar veröffentlichen.<br />

Freuen Sie sich schon jetzt darauf!<br />

12 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani<br />

„Mit e<strong>in</strong>er halben Stelle zusätzlich für<br />

Schulsozialarbeit ist es nicht getan“<br />

Prof. Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani im Interview<br />

mit dem Deutschen Schulportal<br />

Deutsches Schulportal (DS): Herr<br />

Prof. El-Mafaalani, brauchen wir mehr<br />

multiprofessionelle Teams an den<br />

Schulen?<br />

Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani: Ja, und zwar aus<br />

verschiedenen Gründen: Zum e<strong>in</strong>en<br />

müssen Schulen heute viel mehr Aufgaben<br />

erfüllen als früher. Zum an<strong>der</strong>en<br />

ist soziale Ungleichheit heute e<strong>in</strong><br />

viel schwerwiegen<strong>der</strong>es Problem. Die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sozialen Ungleichheit<br />

gab es zwar schon immer, aber<br />

gesellschaftlich wurde stillschweigend<br />

akzeptiert, dass 10 Prozent e<strong>in</strong>es Jahrgangs<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule scheitern. Aufgrund<br />

des demografischen Wandels können<br />

wir aber heute auf ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d verzichten.<br />

Und um das zu erreichen, brauchen wir<br />

e<strong>in</strong>e multiprofessionelle Zusammenarbeit<br />

an den Schulen – eigentlich schon<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kita.<br />

Bedarf an multiprofessionellen<br />

Teams vor allem an <strong>Grundschule</strong>n<br />

DS: Brauchen wir solche Teams an<br />

allen Schulen? O<strong>der</strong> für welche Schulen,<br />

für welche Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler vor allem?<br />

El-Mafaalani: Zwei D<strong>in</strong>ge sollten Vorrang<br />

haben: das Alter <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler – wir brauchen multiprofessionelle<br />

Teams vor allem <strong>in</strong><br />

<strong>Grundschule</strong>n – und e<strong>in</strong>e benachteiligte<br />

Lage <strong>der</strong> Schule.<br />

Aus diesen beiden Kriterien kann<br />

man e<strong>in</strong>e Rangfolge ableiten: 1. <strong>Grundschule</strong>n<br />

<strong>in</strong> schwieriger sozialer Lage, 2.<br />

alle an<strong>der</strong>en <strong>Grundschule</strong>n, 3. weiterführende<br />

Schulen <strong>in</strong> schwieriger sozialer<br />

Lage. Und wenn man dann noch<br />

genug Personal und Geld hat, kann<br />

man irgendwann auch alle an<strong>der</strong>en<br />

weiterführenden Schulen mit multiprofessionellen<br />

Teams ausstatten.<br />

DS: Wieso vor allem <strong>Grundschule</strong>n?<br />

El-Mafaalani: Die <strong>Grundschule</strong>n stehen<br />

vor den größten Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

denn die gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

– wachsende Armut, verän<strong>der</strong>te<br />

Familienstrukturen und zu -<br />

nehmende Migration – kommen am<br />

stärksten <strong>in</strong> den <strong>Grundschule</strong>n an.<br />

Zunehmend arbeiten oft beide Elternteile<br />

und müssen sich darauf verlassen<br />

können, dass die <strong>Grundschule</strong> ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

im Ganztag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er guten Art und<br />

Weise versorgt. Außerdem ist <strong>der</strong> Anteil<br />

neu zugewan<strong>der</strong>ter K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die unterschiedliche<br />

Sprachen sprechen und<br />

e<strong>in</strong>e Vielfalt an kulturellen Prägungen<br />

mitbr<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> den <strong>Grundschule</strong>n am<br />

höchsten. Das ist e<strong>in</strong>e Stärke und etwas<br />

Positives, wenn man damit umgehen<br />

kann. Es wird allerd<strong>in</strong>gs schwierig,<br />

wenn das System noch so funktioniert<br />

wie vor e<strong>in</strong> paar Jahrzehnten. Und die<br />

größte Herausfor<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>d die Verfestigung<br />

und Konzentration von<br />

Armut.<br />

Diese wachsenden Herausfor <strong>der</strong>ungen<br />

müssen die <strong>Grundschule</strong>n mit<br />

immer weniger Personal bewältigen,<br />

denn <strong>der</strong> Lehrkräftemangel ist hier am<br />

größten. Daher ist es wichtig, gerade<br />

sie mit multiprofessionellen Teams zu<br />

unterstützen. Denn wenn die <strong>Grundschule</strong>n<br />

nicht funktionieren, haben<br />

auch die weiterführenden Schulen ke<strong>in</strong>e<br />

Chance.<br />

Man muss also bei <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

anfangen, wenn man das System neu<br />

aufstellen will. Will man nur Krisenmanagement<br />

betreiben, kann man<br />

natürlich auch erst mal überall e<strong>in</strong> bisschen<br />

multiprofessionelle Teams e<strong>in</strong>setzen.<br />

Der Bildungsforscher und Soziologe Alad<strong>in</strong><br />

El-Mafaalani sieht <strong>in</strong> multiprofessionellen<br />

Teams den entscheidenden Hebel,<br />

um den wachsenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

im Bildungssystem zu begegnen. Sie<br />

müssten e<strong>in</strong>e tragende Säule <strong>in</strong> den Schulen<br />

werden. Welche Schularten er dabei<br />

priorisiert, welche Umverteilung angesichts<br />

des Fachkräftemangels stattf<strong>in</strong>den<br />

müsste und wie die Steuerung aussehen<br />

sollte, erklärt Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani dem<br />

Schulportal im Interview.<br />

Annette Kuhn, 28. Juni 2023<br />

Das Interview erschien am 28. Juni 2023 auf<br />

dem Deutschen Schulportal<br />

Das Deutsche Schulportal <strong>der</strong> Robert Bosch<br />

Stiftung ist die größte deutschsprachige Onl<strong>in</strong>eplattform<br />

zu den Themen Schulentwicklung<br />

und Unterrichtsentwicklung.<br />

Getragen vom Erfahrungsschatz zahlreicher<br />

mit dem Deutschen Schulpreis<br />

aus ge zeichneter Schulen bietet es Praxisimpulse<br />

und aktuelle Informationen für<br />

pädagogische Fachkräfte und alle, die sich<br />

für gute Schulen <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>setzen.<br />

https://deutsches-schulportal.de/<br />

bildungswesen/alad<strong>in</strong>-el-mafaalanimultiprofessionelle-teams-mit-e<strong>in</strong>er-halben-stelle-zusaetzlich-fuer-schulsozialarbeit-ist-es-nicht-getan/<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

13


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

DS: Mit Blick auf das Startchancen-<br />

Programm: Wissen wir denn überhaupt,<br />

welche Schulen am meisten<br />

Unterstützung brauchen?<br />

El-Mafaalani: Der Soziologe Marcel<br />

Helbig hat dazu gerade e<strong>in</strong>e sehr wichtige<br />

Studie vorgelegt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er für die<br />

E<strong>in</strong>zugsgebiete aller <strong>Grundschule</strong>n <strong>in</strong><br />

Deutschland die K<strong>in</strong><strong>der</strong>armutsquoten<br />

berechnet hat. Jetzt können wir erstmals<br />

die Schulen <strong>in</strong> sozialstrukturell schwierigster<br />

Lage identifizieren. Wir sehen<br />

e<strong>in</strong>e klare Konzentration <strong>in</strong> bestimmten<br />

Regionen, und das macht deutlich,<br />

dass das Gießkannenpr<strong>in</strong>zip bei <strong>der</strong><br />

Verteilung <strong>der</strong> Mittel aus dem Startchancen-Programm<br />

nicht s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule alles<br />

erleben, was sozial ungleich verteilt ist<br />

DS: Wen braucht es <strong>in</strong> multiprofessionellen<br />

Teams vor allem?<br />

El-Mafaalani: Wichtig wären <strong>in</strong> jedem<br />

Fall Professionen, die die soziale Lage im<br />

Blick haben: also Sozialpädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Sozialpädagogen, aber auch alle,<br />

die sich mit Gesundheit und Ernährung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n befassen und die systematische<br />

Eltern- und Familienarbeit<br />

machen.<br />

Und man müsste die <strong>Grundschule</strong>n so<br />

organisieren, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dort alles<br />

erleben können, was unsere Gesellschaft<br />

Positives zu bieten hat. All das,<br />

was sozial ungleich verteilt ist, sollte <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule angeboten werden – zum<br />

Beispiel die Möglichkeit, e<strong>in</strong> Musik<strong>in</strong>strument<br />

zu erlernen. Dazu brauchen wir<br />

Musikpädagog<strong>in</strong>nen und -pädagogen.<br />

Das Gleiche gilt für Kunst und an<strong>der</strong>e<br />

Kulturangebote.<br />

Schulen sollten auch stärker mit entsprechenden<br />

E<strong>in</strong>richtungen und mit<br />

Sportvere<strong>in</strong>en kooperieren. E<strong>in</strong>ige Schulen<br />

machen das schon, aber man muss<br />

damit anfangen, solche Kooperationen<br />

<strong>in</strong> die Fläche zu bekommen. Dafür können<br />

sich <strong>Grundschule</strong>n zusammentun<br />

und zu kle<strong>in</strong>en logistischen Betrieben<br />

werden, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum Beispiel zu<br />

Sportvere<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> zur Musikschule<br />

zu br<strong>in</strong>gen, etwa wenn es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schulen zu wenig Raum für vielfältige<br />

Angebote gibt. Für diese Organisation<br />

brauchen Schulen auch mehr Verwaltungskräfte.<br />

Diese For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

halte ich für sehr wichtig.<br />

DS: Inwiefern müssen Eltern über<br />

multiprofessionelle Teams erreicht<br />

werden?<br />

El-Mafaalani: Es ist für K<strong>in</strong><strong>der</strong> un günstig,<br />

wenn Elternhaus und Schule gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> parallel zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> arbeiten.<br />

Gerade für den Lernerfolg, für den<br />

Ausgleich sozialer Ungleichheit und für<br />

den reibungsloseren Ablauf des Schulalltags<br />

ist die Elternarbeit zentral. Wenn<br />

man sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule mit den<br />

Problemen <strong>der</strong> Eltern befasst, löst man<br />

oft automatisch die Probleme <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Aber wichtig dabei ist: Lehrkräfte<br />

s<strong>in</strong>d nicht die geeignete Profession für<br />

e<strong>in</strong>e systematische Elternarbeit, weil sie<br />

dafür gar nicht ausgebildet s<strong>in</strong>d. Daran<br />

sollte man auch nichts än<strong>der</strong>n, denn<br />

Lehrkräfte sollten mehr Zeit für den<br />

Unterricht haben. Für die Elternarbeit<br />

brauchen wir an<strong>der</strong>e Professionen. Aber<br />

um die entsprechenden Fachkräfte <strong>in</strong><br />

den Schulen zu haben, müssen wir umorganisieren.<br />

Umverteilung von Fachkräften<br />

zugunsten <strong>der</strong> Schule<br />

DS: In welcher Weise?<br />

El-Mafaalani: Wir haben nur e<strong>in</strong>e<br />

begrenzte Zahl von Sozialpädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Sozialpädagogen. Da müssen e<strong>in</strong>ige<br />

von an<strong>der</strong>en Stellen „abgezogen“ und<br />

<strong>in</strong> die Schulen here<strong>in</strong>geholt werden. Das<br />

kann man aber auch guten Gewissens<br />

machen, denn wenn die Ganztagsschule<br />

die Regel ist und fast alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> dort<br />

s<strong>in</strong>d, macht es S<strong>in</strong>n, die pädagogische<br />

Expertise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule zu konzentrieren.<br />

DS: S<strong>in</strong>d multiprofessionelle Teams<br />

angesichts des weiter steigenden<br />

Personalmangels an Schulen überhaupt<br />

umsetzbar?<br />

El-Mafaalani: Man braucht hier kreative<br />

Lösungen und muss ehrenamtliche Initiativen<br />

wie zum Beispiel Lesepaten systematisch<br />

mit <strong>der</strong> Schule verknüpfen.<br />

Und wir müssen noch viel mehr pensionierte<br />

und verrentete Menschen <strong>in</strong>s<br />

System holen, die dafür bezahlt werden.<br />

Sonst wird es nicht gel<strong>in</strong>gen. Wir s<strong>in</strong>d<br />

lei<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation, dass wir Ganztag<br />

und multiprofessionelle Teams e<strong>in</strong>führen<br />

wollen, wenn <strong>der</strong> demografische<br />

Wandel auf se<strong>in</strong>em Höhepunkt ist.<br />

E<strong>in</strong> System e<strong>in</strong>zuführen, <strong>in</strong> dem man<br />

expandieren will, es aber immer weniger<br />

Fachkräfte gibt, ist schwierig.<br />

Natürlich gibt es Orte <strong>in</strong> Deutschland,<br />

wo sich kreative Lösungen nicht f<strong>in</strong>den<br />

lassen. Wichtig ist aber, dass wir dort,<br />

wo sie möglich s<strong>in</strong>d, diese auch nutzen.<br />

Gerade <strong>in</strong> segregierten Stadtteilen ist die<br />

Zivilgesellschaft vor Ort oft viel weiter<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bearbeitung von sozialen Problemen.<br />

Das könnte man viel mehr nutzen.<br />

Lösungen vor Ort suchen<br />

DS: Wer soll diese kreativen Lösungen<br />

f<strong>in</strong>den und das alles steuern?<br />

El-Mafaalani: Das darf man nicht aus<br />

den Landeshauptstädten heraus organisieren,<br />

weil die Problemlagen <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es Bundeslands und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Region viel zu unterschiedlich s<strong>in</strong>d. Das<br />

zeigt auch die Studie von Marcel Helbig.<br />

Das kann also nur funktionieren, wenn<br />

man vor Ort schaut, wie sich Schulen<br />

öffnen und vernetzen können und<br />

wie sich die Angebote mit den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Schule <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Passungsverhältnis<br />

br<strong>in</strong>gen lassen.<br />

DS: Brauchen Schulen dafür mehr<br />

Eigenständigkeit?<br />

El-Mafaalani: Ja, Schulleitungen brauchen<br />

hier e<strong>in</strong>e gewisse Handlungsautonomie<br />

und eigene Budgets. Wir müssen<br />

die Reihenfolge än<strong>der</strong>n.<br />

Im Augenblick ist es so: Man muss<br />

erst mal e<strong>in</strong>en Plan machen und alles<br />

begründen, dann wird das e<strong>in</strong>gereicht<br />

und genehmigt o<strong>der</strong> nicht, und dann<br />

erst kann es losgehen.<br />

Dieser Weg funktioniert aber nicht,<br />

wenn man flexibler auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

reagieren will. Denn zum<br />

e<strong>in</strong>en dauert das sehr lang, und zum<br />

an<strong>der</strong>en können die Schulen viel besser<br />

sehen, was sie brauchen, und davon ausgehend<br />

Lösungen vor Ort entwickeln.<br />

Es wäre gut, wenn Schulen aktiv werden<br />

können und sich dann rückwirkend<br />

rechtfertigen.<br />

Aber ich b<strong>in</strong> optimistisch, dass sich<br />

die Steuerung <strong>in</strong> diese Richtung entwickeln<br />

kann, weil <strong>der</strong> alte Weg alle<strong>in</strong><br />

aufgrund des Fachkräftemangels gar<br />

nicht mehr zu bewerkstelligen ist. Aus<br />

<strong>der</strong> Not heraus wird hier mehr Flexibilität<br />

ermöglicht.<br />

14 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

DS: Multiprofessionelle Teams an<br />

Schulen ist ke<strong>in</strong>e neue Idee, son<strong>der</strong>n<br />

schon lange im Gespräch. Sie selbst<br />

haben sie schon lange gefor<strong>der</strong>t.<br />

Warum hat sich so lange nichts getan?<br />

El-Mafaalani: Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

Anspruchs auf e<strong>in</strong>en Kitaplatz war<br />

genauso wenig bildungspolitisch motiviert,<br />

wie es nun <strong>der</strong> Anspruch auf<br />

Ganztagsbetreuung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

ist. All das ist e<strong>in</strong>e Reaktion auf den<br />

demografischen Wandel, damit Mütter<br />

und Väter erwerbstätig se<strong>in</strong> können.<br />

Aber die Müttererwerbsquote hat sich<br />

bisher nicht wesentlich verbessert. Das<br />

liegt hauptsächlich daran, dass Eltern<br />

mit dem System, wie es jetzt ist, nicht<br />

zufrieden s<strong>in</strong>d. Sie achten auf Verlässlichkeit<br />

und Qualität, und die hat sich<br />

bislang nicht verbessert.<br />

Es reicht nicht, e<strong>in</strong>fach nur Plätze formal<br />

bereitzustellen. Mehr Qualität bekommen<br />

wir nur durch e<strong>in</strong>e Öffnung<br />

<strong>der</strong> Schulen und durch die Arbeit von<br />

multiprofessionellen Teams. Mit e<strong>in</strong>er<br />

halben Stelle zusätzlich für Schulsozialarbeit<br />

ist es aber nicht getan. Die multiprofessionellen<br />

Teams müssen e<strong>in</strong>e stabile,<br />

eigenständige und relevante Säule<br />

an <strong>der</strong> Schule se<strong>in</strong>. Der aktuelle Ruf nach<br />

multiprofessionellen Teams ist also <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik begründet, zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong>direkt.<br />

Personal auf breitere Füße stellen<br />

DS: Sehen Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stärkung multiprofessioneller<br />

Teams die Gefahr,<br />

dass an Schulen <strong>in</strong> kritischer Lage<br />

möglicherweise immer weniger ausgebildete<br />

Lehrkräfte arbeiten?<br />

El-Mafaalani: Diese Gefahr mag existieren.<br />

Aber es ist die zweitschlimmste.<br />

Die schlimmste Gefahr ist <strong>der</strong> Lehrermangel<br />

an den Schulen <strong>in</strong> segregierten<br />

Stadtteilen. Er ist am stärksten an<br />

<strong>Grundschule</strong>n <strong>in</strong> schwieriger Lage und<br />

<strong>in</strong> strukturschwachen Regionen. Um<br />

hier gegenzusteuern, ist es zunächst<br />

e<strong>in</strong>e Lösung, das Personal auf breitere<br />

Füße zu stellen und sich damit zu arrangieren,<br />

nicht besetzte Lehrkräftestellen<br />

mit an<strong>der</strong>en Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern<br />

aufzufüllen. Das ist ke<strong>in</strong>eswegs<br />

optimal und auch ke<strong>in</strong>e dauerhafte<br />

Lösung – aber immer noch besser, als<br />

wenn die Stellen unbesetzt s<strong>in</strong>d.<br />

DS: Brauchen wir nicht e<strong>in</strong>e stärkere<br />

bedarfsorientierte Ressourcenzuweisung<br />

an Schulen – nach dem<br />

Motto „Die besten Fachkräfte an die<br />

schwierigsten Schulen“ –, um das Problem<br />

zu lösen?<br />

El-Mafaalani: Würde man das h<strong>in</strong>be -<br />

kommen, ohne dass es zu starken<br />

Unruhen kommt, wäre ich e<strong>in</strong> großer<br />

Sympathisant von so e<strong>in</strong>er Idee. Aber<br />

wenn dabei große Konflikte entstehen,<br />

halte ich es für s<strong>in</strong>nvoller, das System<br />

erst mal mit vielen Ressourcen zu stabilisieren<br />

und die Schulen <strong>in</strong> schwierigen<br />

Lagen gut auszustatten. Denn wenn<br />

Lehrkräfte sehen, dass die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

an diesen Schulen gut<br />

s<strong>in</strong>d, dann ist es für sie deutlich attraktiver,<br />

dort zu arbeiten.<br />

Zum Autor<br />

Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani<br />

ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bekanntesten Soziologen<br />

<strong>in</strong> Deutschland. Se<strong>in</strong>e Bücher „Das<br />

Integrationsparadox“ (2018), „Mythos<br />

Bildung“ (2020) und „Wozu Rassismus?“<br />

(2021) s<strong>in</strong>d Bestseller.<br />

Er ist Professor für Erziehungswissenschaft<br />

und Inhaber des Lehrstuhls für<br />

Erziehung und Bildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft<br />

an <strong>der</strong> Universität<br />

Osnabrück. Außerdem arbeitet Alad<strong>in</strong><br />

El-Mafaalani <strong>in</strong> verschiedenen Sachverständigengremien,<br />

u. a. ist er Mitglied<br />

im Bundesjugendkuratorium. Zuvor<br />

hat Alad<strong>in</strong> El-Mafaalani unter an<strong>der</strong>em<br />

als Professor für Politikwissenschaft<br />

und politische Soziologie an <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

Münster gearbeitet und<br />

war Lehrer am Berufskolleg <strong>in</strong> Ahlen <strong>in</strong><br />

Westfalen.<br />

„Schularchitektur und Lernraumkultur“<br />

Der Band 157 „Schularchitektur und Lernraumkultur“<br />

zeigt mit e<strong>in</strong>er Vielfalt an Texten<br />

und Fotos Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e Planung von<br />

Schulen sowie Neugestaltung von Lernräumen<br />

auf, die sowohl Schulbauplaner:<strong>in</strong>nen als auch<br />

Kollegien Perspektiven und Impulse bieten. Da<br />

<strong>der</strong> Erwerb <strong>der</strong> Bildrechte für zahlreiche Abbildungen<br />

aus unterschiedlichen Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es<br />

beson<strong>der</strong>s sorgfältigen Aufwands bedarf, verschiebt<br />

sich das Ersche<strong>in</strong>ungsdatum lei<strong>der</strong> auf<br />

die Anfangsmonate 2024. Als Appetizer werden<br />

wir allen Mitglie<strong>der</strong>n demnächst e<strong>in</strong>en Vorabdruck<br />

mit e<strong>in</strong>igen Kapiteln zukommen lassen.<br />

Wir bitten herzlich um Verständnis und können<br />

schon jetzt e<strong>in</strong>en ganz beson<strong>der</strong>en Bildband<br />

ankündigen.<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

15


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Kerst<strong>in</strong> Merz-Atalik<br />

Profession(alität) an<br />

<strong>in</strong>klusiven <strong>Grundschule</strong>n<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger machen mobil für e<strong>in</strong>e bessere Bildung<br />

Inklusive Schulentwicklung bedeutet<br />

auch, e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und pädagogischen Konzepten<br />

angemessene Ressourcen- und<br />

Personalausstattung zu gewährleisten,<br />

dies zeigen Erfahrungen aus an<strong>der</strong>en<br />

europäischen Län<strong>der</strong>n (Merz-Atalik<br />

2021; Powell, J.J.W., Merz-Atalik, K. et<br />

al. 2021). Die Schulen <strong>in</strong> Deutschland<br />

haben bislang nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen<br />

e<strong>in</strong>e angemessene Personalausstattung<br />

vorzuweisen.<br />

Die menschenrechtlich gefor<strong>der</strong>te<br />

Transformation zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> klusiven<br />

Bildungssystem (UN<br />

Con vention of the Rights of Persons<br />

with Disabilities, UNCRPD 2006) – zu<br />

<strong>der</strong> sich die Bundesregierung 2009 verpflichtet<br />

hat – setzt neben <strong>der</strong> grundlegenden<br />

Ressourcenzuweisung auch<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>klusionsermöglichendes Ressourcen<br />

management <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Schu len<br />

sowie die <strong>in</strong>klusions orien tierte Professionalisierung<br />

(im S<strong>in</strong>ne von Haltun gen,<br />

Selbstwirksamkeitserwartun gen, Kompetenzen<br />

und Praktiken) aller beteiligten<br />

Fachkräfte, Lehrpersonen und<br />

Akteur*<strong>in</strong>nen voraus. Während dieser<br />

Tage <strong>in</strong> den Medien häufig <strong>der</strong> Fachkräftemangel<br />

im Bildungssystem für die<br />

bislang mangelhafte Umsetzung <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>klusiven Bildung verantwortlich<br />

gemacht wird, muss man feststellen,<br />

dass es <strong>in</strong> den letzten Jahren weitgehend<br />

versäumt wurde, die angemessenen<br />

Weichen für diese <strong>in</strong>klusionsgerichteten<br />

Transformationsprozesse im H<strong>in</strong>blick<br />

auf Professionen und <strong>Professionalität</strong><br />

für <strong>in</strong>klusive Schulen anzugehen.<br />

Der folgende Beitrag diskutiert daher<br />

die Frage:<br />

● Welche Profession(en) und<br />

● welche <strong>Professionalität</strong>(en) brauchen<br />

<strong>Grundschule</strong>n für die <strong>in</strong>klusive<br />

Bildung?<br />

Die Grundaskoli Akranes, e<strong>in</strong>e<br />

‚normale‘ Geme<strong>in</strong>schaftsschule (1 – 10)<br />

<strong>in</strong> Island.<br />

Die Schule hat 690 Schüler*<strong>in</strong>nen<br />

(2023/24), darunter zahlreiche K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

mit e<strong>in</strong>em beson<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>bedarf.<br />

Alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Wohne<strong>in</strong>zugsgebiet haben<br />

das Recht die Schule zu besuchen.<br />

Nur unter 0,5 % <strong>der</strong> Schüler*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

Island besuchen Son<strong>der</strong>schulen ( European<br />

Agency 2023; Daten von 2020).<br />

Empfehlungen zur<br />

Personalausstattung und<br />

Professionalisierung für<br />

Inklusive Bildung<br />

Die Professionalisierung von Lehrpersonen<br />

wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> UNCRPD<br />

als wesentliche Voraussetzung für<br />

gel<strong>in</strong>gende <strong>in</strong>klusive Schulentwicklung<br />

erkannt und konkrete H<strong>in</strong>weise zur<br />

Qualifizierung von Fach- und Lehrpersonen<br />

wurden dargelegt. Zur Verwirklichung<br />

des Rechts auf <strong>in</strong>klusive<br />

Bildung sollten die Vertragsstaaten<br />

(darunter Deutschland) geeignete Maßnahmen<br />

treffen,<br />

● „zur E<strong>in</strong>stellung von Lehrkräften,<br />

e<strong>in</strong>schließlich solcher mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen,<br />

die <strong>in</strong> Gebärdensprache o<strong>der</strong><br />

Brailleschrift ausgebildet s<strong>in</strong>d, und<br />

● zur Schulung von Fachkräften sowie<br />

Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen auf allen Ebenen des<br />

Bildungswesens.<br />

● Diese Schulung schließt die Schärfung<br />

des Bewusstse<strong>in</strong>s für Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />

und die Verwendung geeigneter<br />

ergänzen<strong>der</strong> und alternativer Formen,<br />

Mittel und Formate <strong>der</strong> Kommunikation<br />

sowie pädagogische Verfahren<br />

und Materialien zur Unterstützung von<br />

Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>“ (Beauftragter<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung für die<br />

Belange von Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />

2009, 22).<br />

Zum Kollegium gehören neben den<br />

Klassen- und Fachlehrer*<strong>in</strong>nen selbstverständlich<br />

auch „Support Teacher“,<br />

Schülerassistent*<strong>in</strong>nen, Psycholog*<strong>in</strong>nen,<br />

e<strong>in</strong>e Krankenpflegekraft und Sozialpädagog*<strong>in</strong>nen.<br />

Jede Klassenstufe (3 Parallelklassen) hat<br />

e<strong>in</strong>e/n Beratungslehrer*<strong>in</strong>. Und die Lehrpersonen<br />

formieren mit den an<strong>der</strong>en<br />

Fachkräften pro Klassenstufe e<strong>in</strong> „Student<br />

protection council“.<br />

In <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> ersten Staatenprüfung<br />

Deutschlands durch die UN zur Umsetzung<br />

<strong>der</strong> UNCRPD schrieb die Kommission<br />

<strong>in</strong> die ‚Abschließenden Bemerkungen‘,<br />

sie sei „besorgt darüber,<br />

dass <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Schüler*<strong>in</strong>nen mit<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> dem Bildungssystem<br />

des Vertragsstaats segregierte För<strong>der</strong>schulen<br />

besucht“ (UN-Fachausschuss<br />

zur UNCRPD 2015, 8). Er empfahl dem<br />

Vertragsstaat daher auch bundesweite<br />

Initiativen zu entwickeln, und<br />

„a) umgehend e<strong>in</strong>e Strategie, e<strong>in</strong>en<br />

Aktionsplan, e<strong>in</strong>en Zeitplan und Ziele zu<br />

entwickeln, um <strong>in</strong> allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

den Zugang zu e<strong>in</strong>em qualitativ hochwertigen,<br />

<strong>in</strong>klusiven Bildungssystem herzustellen,<br />

e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> notwendigen<br />

f<strong>in</strong>anziellen und personellen Ressourcen<br />

auf allen Ebenen; [sowie] (d) die Schulung<br />

aller Lehrkräfte auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>klusiven Bildung sowie die erhöhte Zugänglichkeit<br />

des schulischen Umfelds, <strong>der</strong><br />

Materialien und <strong>der</strong> Lehrpläne und die<br />

Bereitstellung von Gebärdensprache <strong>in</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>en Schulen, e<strong>in</strong>schließlich für<br />

Postdoktoranden, sicherzustellen“. (UN-<br />

Fachausschuss zur UNCRPD 2015, 8;<br />

Hervor.d.Verf.).<br />

In dem im darauffolgenden Jahr veröffentlichten<br />

ausführlichen Kommentar<br />

zum Recht auf <strong>in</strong>klusive Bildung<br />

(2016, 33 Seiten) for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> UN-<br />

Fachausschuss erneut: „Alle Lehrkräfte<br />

16 GS aktuell 164 • November 2023


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

und sonstigen Mitarbeiter erhalten Bildungs-<br />

und Fortbildungsmaßnahmen,<br />

die ihnen die Kernwerte und -kompetenzen<br />

zur E<strong>in</strong>richtung angemessener<br />

Lernumgebungen […] vermitteln“ (UN<br />

Fachausschuss zur UNCRPD 2016, 6).<br />

Es wurde gar e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Qualifizierungsprozess<br />

angeregt (vgl. Infokasten).<br />

Die OECD (Organisation für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung, 2021) empfiehlt neben <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>stellung und Professionalisierung<br />

von angehendem und bestehendem Personal,<br />

e<strong>in</strong>e bewusste Anbahnung von<br />

Diversität <strong>in</strong>nerhalb des Lehrkörpers<br />

(gemäß <strong>der</strong> Diversität <strong>der</strong> Lernenden),<br />

unter den Schulleitungen und <strong>der</strong><br />

unterstützenden Fachkräfte. Gemäß <strong>der</strong><br />

OECD geht es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>klusiven Schule<br />

nicht nur um die Integration von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen alle<strong>in</strong>, vielmehr<br />

handele es sich bei <strong>in</strong>klusiven<br />

und gerechten Bildungssystemen um<br />

solche, „die sicherstellen, dass das Erreichen<br />

des Bildungspotenzials nicht<br />

das Ergebnis persönlicher und sozialer<br />

Umstände ist, e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Faktoren<br />

wie Geschlecht, ethnische Herkunft,<br />

Migrantenstatus, beson<strong>der</strong>e Bildungsbedürfnisse<br />

und Begabung“ (OECD<br />

2021, 10).<br />

Professionen an <strong>in</strong>klusiven<br />

Schulen <strong>in</strong> Deutschland<br />

Während die Personalausstattung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternational dom<strong>in</strong>ierenden<br />

<strong>in</strong>klusiven Geme<strong>in</strong>schaftsschulen<br />

(vgl. Merz-Atalik 2022) systembezogen<br />

als Grundausstattung erfolgt<br />

(vgl. das Beispiel aus Island), werden<br />

<strong>in</strong> Deutschland immer noch <strong>in</strong> den<br />

meisten Bundeslän<strong>der</strong>n die Personalressourcen<br />

für die <strong>in</strong>klusive Bildung an<br />

den Regelschulen „ressourcenneutral“<br />

berechnet. Zur Berechnung werden<br />

die Lehrerwochenstunden e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

an e<strong>in</strong>er entsprechenden Son<strong>der</strong>schule<br />

erhoben, und sozusagen mit dem<br />

Die Personalausstattung von <strong>in</strong>klusiven<br />

Schulen <strong>in</strong> den deutschen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

gleicht e<strong>in</strong>em Flickenteppich.<br />

Während es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen e<strong>in</strong>e son<strong>der</strong>pädagogische<br />

Grundversorgung gibt<br />

(z. B. NRW o<strong>der</strong> Bremen), werden <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Regelschule gegeben (Rucksackmodell).<br />

Ausgehend von <strong>der</strong> Lehrkräfteversorgung<br />

an <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule<br />

kommt man so auf lediglich 1,7 zusätzliche<br />

Lehrerstunden pro Unterrichtstag<br />

und Klasse (Klemm 2021).<br />

Deutschland steht im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Vergleich im Mittelfeld <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

Lehrer-Schüler-Relation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Primarstufe.<br />

Während <strong>in</strong> Deutschland durchschnittlich<br />

15 Schüler*<strong>in</strong>nen auf e<strong>in</strong>e<br />

Lehrperson kamen, waren es bspw. <strong>in</strong><br />

Norwegen 10, <strong>in</strong> Island 10,5 und <strong>in</strong> Italien<br />

11,2 (OECD Data, Onl<strong>in</strong>e 2021).<br />

an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n Son<strong>der</strong>pädagog*<strong>in</strong>nen<br />

überwiegend lediglich nach<br />

festgelegten Deputatsstunden abgeordnet<br />

von den Son<strong>der</strong>schulen (so bspw. <strong>in</strong><br />

Bayern und Baden-Württemberg).<br />

„(71) E<strong>in</strong> schrittweiser Prozess <strong>der</strong><br />

Fortbildung aller Lehrkräfte an Vor-,<br />

Grund-, Sekundar-, Hoch- und Berufsschulen<br />

muss e<strong>in</strong>geleitet werden, um<br />

ihnen die notwendigen Kernkompetenzen<br />

und Werte für die Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>klusiven Lernumfeld zu vermitteln. Es<br />

müssen hierfür Anpassungen berufsvorbereiten<strong>der</strong><br />

und berufsbegleiten<strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen<br />

sowie für kurz- und<br />

langfristige Kurse zur schnellstmöglichen<br />

Entwicklung entsprechen<strong>der</strong><br />

Kompetenzen erfolgen, um den Übergang<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>klusives Bildungssystem<br />

zu ermöglichen.<br />

Allen Lehrkräften müssen zielführende<br />

(Lern) E<strong>in</strong>heiten/ Module zur Verfügung<br />

gestellt werden, um sie auf ihre Arbeit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>klusiven Umfeld vorzubereiten;<br />

außerdem müssen sie praktische experimentelle<br />

Lernerfahrungen machen, mit<br />

Hilfe <strong>der</strong>er sie ihre Fertigkeiten entwickeln<br />

und ihr Vertrauen <strong>in</strong> ihre Fähigkeit,<br />

Probleme zu lösen, die sich aus unterschiedlichsten<br />

Inklusionsherausfor<strong>der</strong>ungen<br />

ergeben, aufbauen können.<br />

Das Kerncurriculum des Lehramtsstudiums<br />

muss e<strong>in</strong> grundlegendes<br />

Verständnis für menschliche Vielfalt,<br />

Wachstum und Entwicklung, den Menschenrechtsansatz<br />

im Bereich Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>in</strong>klusiver Pädagogik<br />

vermitteln, e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Ermittlung<br />

<strong>der</strong> funktionalen Fähigkeiten <strong>der</strong><br />

Lernenden (Stärken, Kompetenzen und<br />

Lerntypen), um sicherzustellen, dass<br />

Lernende mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>klusiven Lernumfeld teilhaben.<br />

Die Ausbildung von Lehrkräften sollte<br />

auch Wissen vermitteln im Bereich <strong>der</strong><br />

Verwendung von angemessenen Formen,<br />

Mitteln und Formaten <strong>der</strong> so genannten<br />

unterstützten Kommunikation,<br />

wie zum Beispiel Braille, Großdruck, zugängliche<br />

Multimedia-Produkte, leichte<br />

Sprache, leicht verständliche Sprache,<br />

Gebärdensprache und Gehörlosenkultur,<br />

Bildungstechniken und -materialien<br />

zur Unterstützung von Menschen mit<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus brauchen Lehrkräfte<br />

e<strong>in</strong>e praktische Anleitung und Unterstützung<br />

im Bereich des personalisierten<br />

Unterrichtens, welches die Vermittlung<br />

<strong>der</strong> gleichen Inhalte durch variierende<br />

Unterrichtsmethoden unter Berücksichtigung<br />

verschiedener Lernstile und<br />

Fähigkeiten ermöglicht, sowie bei <strong>der</strong><br />

Entwicklung und Nutzung <strong>in</strong>dividueller<br />

Lehrpläne, die beson<strong>der</strong>en Lernbedürfnissen<br />

gerecht werden, und bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er Pädagogik, bei <strong>der</strong> die<br />

Lernenden und ihre e<strong>in</strong>zigartigen Fähigkeiten<br />

im Mittelpunkt stehen“<br />

(UN-Kommission, 2016, 30f; Herv. d. Verf.).<br />

Gemäß <strong>der</strong> Vielfalt an Lernvoraussetzungen<br />

und -bedürfnissen <strong>der</strong> Schüler*<strong>in</strong>nen<br />

gibt es an <strong>in</strong>klusiven Schulen<br />

<strong>in</strong>ternational zudem neben e<strong>in</strong>er<br />

besseren Lehrkräfteversorgung fest an<br />

den Schulen verankerte <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre<br />

Professionen, die <strong>in</strong> Teams arbeiten<br />

(z. B. Psychopädagog*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Spanien;<br />

Lehrer- o<strong>der</strong> Schülerassistent*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> Island; Ressource-Teacher <strong>in</strong> Kanada<br />

o<strong>der</strong> Integrationslehrer*<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen für Integration<br />

<strong>in</strong> Südtirol, Italien; vgl. Merz-Atalik<br />

2021). In Deutschland dom<strong>in</strong>ieren<br />

h<strong>in</strong>gegen bei den schulischen Unterstützungspersonen<br />

sogenannte ‚Schulbegleiter*<strong>in</strong>nen‘<br />

o<strong>der</strong> Integrationshelfer*<strong>in</strong>nen‘,<br />

die oftmals aus nicht-schulischen<br />

Mitteln f<strong>in</strong>anziert werden (z. B.<br />

E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungshilfe). Während es <strong>in</strong>ternational<br />

akademische (auf Bachelorniveau)<br />

o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest nicht-akademische<br />

Ausbildungsgänge für die zusätzlichen<br />

schulischen Assistent*<strong>in</strong>nen gibt,<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

17


Thema: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Bislang wurde es weitgehend versäumt,<br />

eigene Professionen und Berufsbil<strong>der</strong><br />

für die Arbeit <strong>in</strong> <strong>in</strong>klusiven Schulen zu<br />

entwerfen, bzw. vorhandene Professions-<br />

und Berufsbil<strong>der</strong> dementsprechend<br />

weiterzuentwickeln (z. B. durch eigenständige<br />

Profile <strong>in</strong> den Studiengängen<br />

für Erzieher*<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Schulsozialarbeiter*<strong>in</strong>nen).<br />

zeichnet sich für Deutschland eher das<br />

Bild von nicht-zureichenden o<strong>der</strong> gar<br />

fehlenden Qualifizierungen ab. Klemm<br />

(2021) bemängelt diese fehlenden Standards<br />

für die Qualifizierung von Schulbegleitungen.<br />

Professionalisierung für<br />

Inklusive Bildung<br />

Trotz <strong>der</strong> bundesweiten Empfehlungen<br />

<strong>der</strong> KMK (2011) und <strong>der</strong> KMK/<br />

HRK (2015 ) zeigt sich e<strong>in</strong>e erhebliche<br />

Diskrepanz und Differenz <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die Verankerung <strong>der</strong> Inklusion <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lehrer*<strong>in</strong>nenbildung an den Hochschulen.<br />

E<strong>in</strong>e Studie des CHE ‚Centrum<br />

für Hochschulentwicklung‘ kam<br />

<strong>in</strong> 2015 zu dem Ergebnis, dass damals<br />

„verpflichtende Lehrveranstaltungen<br />

o<strong>der</strong> Module zum Thema Inklusion<br />

[...] an weniger als <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Hochschulen<br />

umgesetzt“ (ebd., 6) wurden.<br />

Zudem gab es nur an sehr wenigen<br />

Hochschulstandorten verpflichtende<br />

schulpraktische Studien <strong>in</strong> <strong>in</strong>klusiven<br />

Sett<strong>in</strong>gs (7) und die Professionalisierung<br />

<strong>der</strong> Dozent*<strong>in</strong>nen für das Thema<br />

Inklusion lag weitgehend <strong>in</strong> <strong>der</strong>en eigener<br />

Verantwortung. Nur an wenigen<br />

Hochschulen gab es für die Nachqualifizierung<br />

<strong>der</strong> Dozent*<strong>in</strong>nen explizit<br />

Unterstützung (ebd.). Die Studie belegte<br />

zudem, dass die befragten Hochschulen<br />

zwar e<strong>in</strong>en weiten Begriff von Inklusion<br />

mit allen Heterogenitätsdimensionen<br />

befürworteten, jedoch die Thematik<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt als Querschnittsthema<br />

im H<strong>in</strong>blick auf unterschiedliche<br />

Diversitätsdimensionen o<strong>der</strong> Fachgebiete<br />

verankert hatten. In Qualität als<br />

auch im Studienumfang und <strong>der</strong> strukturellen<br />

Konsequenzen gab es sehr differente<br />

Umsetzungsformen. Dies hat<br />

sich bis heute nicht wesentlich geän<strong>der</strong>t,<br />

das zeigt die Folgestudie, welche durch<br />

den Monitor Lehrerbildung Onl<strong>in</strong>e<br />

veröffentlicht wurde (vgl. CHE 2022).<br />

Waren es 2014 noch 6 Bundeslän<strong>der</strong>, <strong>in</strong><br />

welchen Veranstaltungen zur Inklusion<br />

für alle Lehramtsstudiengänge verpflichtend<br />

waren, s<strong>in</strong>d es zwar mittlerweile<br />

10 (<strong>der</strong> 16 Bundeslän<strong>der</strong>), aber<br />

Tiefe und Umfang <strong>der</strong> <strong>in</strong>klusionsbezogenen<br />

Inhalte bleiben weitgehend<br />

beliebig und von standortbezogenen<br />

Interessen und Haltungen <strong>der</strong> Universitäten<br />

und Diszipl<strong>in</strong>en bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Es fehlen bundesweite Standards, um<br />

e<strong>in</strong>e verlässliche und qualitativ hochwertige<br />

Professionalisierung für die<br />

Lehrpersonen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>klusiven Schule<br />

zu för<strong>der</strong>n. Dies gilt auch weitgehend<br />

für die dritte Phase <strong>der</strong> Lehrerbildung.<br />

Die Fortbildungsangebote zum Themenbereich<br />

‚Inklusion‘ seien laut e<strong>in</strong>er Studie<br />

völlig unzureichend (Daschner & Hanisch<br />

2019; nach: Klemm 2021).<br />

Lehramtsstudiengänge mit <strong>in</strong>tegrierter<br />

Son<strong>der</strong>pädagogik o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em dualen<br />

Abschluss (<strong>Grundschule</strong> und Son<strong>der</strong>pädagogik;<br />

bspw. Bielefeld), bzw. solche<br />

mit diversitätsbezogenen Handlungsfel<strong>der</strong>n<br />

für alle Schulstufen – wie sie für<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>klusive Schulentwicklung för<strong>der</strong>lich<br />

wären – s<strong>in</strong>d im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Vergleich <strong>in</strong> Deutschland immer noch<br />

selten.<br />

Fazit<br />

Es wäre dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich, dass<br />

e<strong>in</strong>e „Initiative zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>klusiven Bildungssystems“<br />

auf Bundesebene gestartet<br />

wird, welche sich umfassend mit<br />

„Damit die Ausbildung relevanter Kompetenzen<br />

nicht von den gewählten<br />

Unterrichtsfächern, persönlichen Interessen<br />

<strong>der</strong> Studierenden o<strong>der</strong> Lehrenden<br />

o<strong>der</strong> gar dem Zufall abhängt, muss das<br />

den Forschungserkenntnissen zur<br />

Lehrer*<strong>in</strong>nenbildung für e<strong>in</strong> <strong>in</strong>klusives<br />

Bildungssystem befasst und resümierend<br />

verlässliche Standards für die drei<br />

Phasen <strong>der</strong> Lehrer*<strong>in</strong>nenbildung entwickelt.<br />

Ähnlich dem „National Framework<br />

for Inclusion“ (General Tea-<br />

Kerst<strong>in</strong> Merz-Atalik<br />

ist Professor<strong>in</strong> an <strong>der</strong><br />

Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg<br />

mit dem Schwerpunkt<br />

„Pädagogik bei Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und<br />

Benachteiligung/Inklusion“.<br />

Sie ist Fachreferent<strong>in</strong> für Inklusive<br />

Bildung und längeres geme<strong>in</strong>sames<br />

Lernen im Grundschulverband.<br />

Thema ‚Umgang mit Heterogenität/Inklusion‘<br />

[jedoch] verpflichtend <strong>in</strong> den<br />

Curricula <strong>der</strong> Lehramtsstudiengänge“<br />

(ebd., 3) und allen Studienbereichen als<br />

Querschnittsthema verankert werden.<br />

ch<strong>in</strong>g Council for Scotland), <strong>der</strong> seit<br />

mehr als 10 Jahren <strong>in</strong> allen schottischen<br />

Lehrerbil dungs-Institutionen und für<br />

alle Phasen <strong>der</strong> Qualifizierung und Professionalisierung<br />

von Lehrer*<strong>in</strong>nen und<br />

Schulleitungen zugrunde gelegt wurde.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es solchen Frameworks<br />

lassen sich weitere vergleichende Daten,<br />

Erkenntnisse und Praxisfel<strong>der</strong>fahrungen<br />

erheben, wie und mit welchen Schulpraxis-<br />

und Studienangeboten bzw.<br />

Fortbildungsmaßnahmen es gel<strong>in</strong>gt,<br />

<strong>in</strong>klusive Lehrer*<strong>in</strong>nen zu qualifizieren.<br />

Zudem sollten auch <strong>in</strong> Deutschland<br />

die Schulen entsprechend <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Bildungsaufgaben, die sich<br />

nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen Unterricht<br />

im 45-M<strong>in</strong>uten-Takt bewältigen lassen,<br />

mit den erfor<strong>der</strong>lichen <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Personalressourcen ausgestattet werden.<br />

Hierzu bedarf es <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

neuen, <strong>in</strong>klusionsorientierten Professionen<br />

(z. B. zur persönlichen Assistenz<br />

o<strong>der</strong> zur Unterstützung e<strong>in</strong>es b<strong>in</strong>nendifferenzierten<br />

Unterrichts und <strong>der</strong><br />

Lehrpersonen) und den entsprechenden<br />

Ausbildungsgängen.<br />

18 GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Kirst<strong>in</strong> Groll, Beatrix Harnisch-Soller, Maresi Lassek, Rolf Struckmeyer<br />

Schule auf dem Weg –<br />

es geht weiter, auch wenn …<br />

… Schulleitung wechselt, Generationenwechsel im Kollegium<br />

stattf<strong>in</strong>det und sich Teams multiprofessioneller aufstellen<br />

Schulentwicklung stand nicht im Fokus, als die <strong>Grundschule</strong> am Pfälzer Weg <strong>in</strong><br />

Bremen 1991 neu gegründet wurde. Allerd<strong>in</strong>gs beabsichtigten die Schulleitung<br />

und e<strong>in</strong> Teil des Kollegiums, mit e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten Schulanfangsphase darauf zu<br />

reagieren, dass an diesem Standort ke<strong>in</strong>e „Vorklasse“ e<strong>in</strong>gerichtet werden sollte.<br />

Wie bedeutsam sich diese Entscheidung<br />

auf den Schulentwicklungsprozess<br />

auswirken<br />

würde, war damals nicht absehbar,<br />

kann aber heute – nach über 30<br />

Jahren – rückschauend bewertet werden.Be<br />

wer tet auch unter dem Aspekt,<br />

wie sich Schulentwicklung mit den Verän<strong>der</strong>ungen<br />

durch personelle, konzeptionelle<br />

und gesellschaftliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />

verstetigen ließ und die Weiterentwicklung<br />

bzw. Anpassungsleistung<br />

an neue Herausfor<strong>der</strong>ungen möglicherweise<br />

unterstützt hat. Auch die Rolle <strong>der</strong><br />

Schulleitungswechsel und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

für die <strong>Professionalität</strong> <strong>der</strong> Schularbeit<br />

lassen sich e<strong>in</strong>ordnen.<br />

Unstrittig aus Sicht von uns vier<br />

Schulleitungen ist, dass jede Schule<br />

ihren eigenen Weg f<strong>in</strong>den und gestalten<br />

muss. Der Entwicklungsweg <strong>der</strong><br />

Schule am Pfälzer Weg (s. tabellarische<br />

Übersicht auf <strong>der</strong> Verbandshomepage:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit) war geprägt<br />

von <strong>der</strong> Ausgangslage im Wohnbezirk,<br />

von baulichen, personellen und strukturellen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen, von Vorgaben,<br />

Rechtfertigungs- und Beweispflichten<br />

und von eher zufälligen Gelegenheiten,<br />

die (manchmal unkonventionell) genutzt<br />

werden konnten. Auch g<strong>in</strong>g es uns<br />

immer darum, das Image e<strong>in</strong>er Brennpunktschule<br />

positiv zu bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Im Zeitraum von 1991 bis 2022 haben<br />

drei Wechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulleitung stattgefunden.<br />

Die aktuelle Schulleiter<strong>in</strong><br />

Kirst<strong>in</strong> Groll beschreibt ihre e<strong>in</strong>jährige<br />

Erfahrung am Ende dieses Berichts.<br />

Standortbed<strong>in</strong>gungen und<br />

weitere Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Der Schulstandort<br />

Zur Ausgangslage <strong>der</strong> Schule gehörten<br />

1991, dass Kita und <strong>Grundschule</strong> als<br />

e<strong>in</strong> Gebäudekomplex errichtet wurden,<br />

die Lage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Problemwohngebiet<br />

mit Armut, Arbeitslosigkeit und<br />

niedrigen Bildungsabschlüssen, mit<br />

stetig wachsenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>zahlen, e<strong>in</strong>er<br />

multikulturellen Bewohnerschaft und<br />

hoher Fluktuation. Es gab – wie <strong>in</strong> ähnlich<br />

strukturierten Stadtgebieten Bremens<br />

– e<strong>in</strong>en Quartiersmanager. Dieser<br />

verstand es mit e<strong>in</strong>er ambitioniert<br />

ausgerichteten Stadtteilarbeit, u. a. über<br />

e<strong>in</strong>e basisdemokratische Stadtteilgruppe<br />

(Bewohnerforum), alle Institutionen<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Um <strong>in</strong> wichtigen Fragen<br />

berücksichtigt zu werden, beteiligten<br />

sich Schul- und Kita-Leitungen an <strong>der</strong><br />

Stadtteilgruppe und profitierten von<br />

<strong>der</strong> Lobbyarbeit dort sowie <strong>der</strong>en politischer<br />

Wirkung, wenn es um Projekte,<br />

Ressourcen o<strong>der</strong> Entscheidungen g<strong>in</strong>g.<br />

Öffnung und Transparenz im Quartier<br />

ermöglichten die Begegnung und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit Bewohneranliegen,<br />

mit Kitas und Schulen von <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

bis zur Sekundarstufe II. Kontakte<br />

bestanden auch zu E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />

Jugend- und Sozialarbeit und zum politischen<br />

Ortsbeirat. Gremienarbeit mit<br />

Akteuren, die nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schularbeit<br />

steckten, verlangte multiprofessionelles<br />

und <strong>in</strong>tegratives Agieren. Vielleicht<br />

zählen diese Bed<strong>in</strong>gungen zu den Wegbereitern<br />

für verstärkte Kooperationsbereitschaft<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Schule und<br />

mit dem Wohnumfeld, e<strong>in</strong>e Arbeits-<br />

weise, die zum<strong>in</strong>dest damals nicht<br />

selbstverständlich <strong>der</strong> <strong>Professionalität</strong><br />

e<strong>in</strong>er Schule zugeordnet wurde. Das so<br />

entstandene Netzwerk im Schulbezirk<br />

öffnete Türen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zu den<br />

wichtigen Anliegen wie die Übergänge<br />

Kita/<strong>Grundschule</strong> und <strong>Grundschule</strong>/<br />

Sek I.<br />

Personalentwicklung<br />

In den gut dreißig Jahren hatten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen E<strong>in</strong>fluss auf die Personalentwicklung<br />

wie: Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Schülerzahlen, Überlassung von Räumen<br />

an e<strong>in</strong>en Hort, Erweiterung <strong>der</strong><br />

multiprofessionellen Ausstattung,<br />

Generationenwechsel im Kollegium und<br />

konzeptionelle Entwicklungen. Grundsätzlich<br />

wirkten Phasen von schwankenden<br />

Schülerzahlen auf die Personal- und<br />

Raumplanung und verlangten sensible<br />

Steuerung.<br />

Der Gründungsschulleiter stand vor<br />

<strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung, se<strong>in</strong> Kollegium<br />

regelrecht aus den Nachbarschulen zusammensuchen,<br />

da vonseiten <strong>der</strong> Schulbehörde<br />

ke<strong>in</strong>e Ausschreibung für die<br />

neue Schule erfolgte. Ganz unterschiedliche<br />

Gründe veranlassten Kolleg*<strong>in</strong>nen<br />

damals zum Wechsel: Raus aus <strong>der</strong> alten,<br />

viel zu groß gewordenen Schule, neues<br />

Schulgebäude, e<strong>in</strong> verän<strong>der</strong>tes E<strong>in</strong>schulungskonzept.<br />

Nach gut zehn Jahren zogen abnehmende<br />

Schülerzahlen räumliche<br />

Konsequenzen nach sich, <strong>der</strong> benachbarte<br />

Hort zog <strong>in</strong> Räumlichkeiten<br />

<strong>der</strong> Schule und <strong>der</strong> Kita e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Zusammenlegung,<br />

die neben räumlichen<br />

E<strong>in</strong>schränkungen vermehrt Absprachen<br />

und Kooperation zur Doppelnutzung<br />

von Räumen und zu pädagogischen<br />

Fragen wie z. B. dem Thema Hausaufgaben<br />

erfor<strong>der</strong>te. Selbst für e<strong>in</strong> offenes<br />

Kollegium erwies sich die Situation zuweilen<br />

als sehr herausfor<strong>der</strong>nd. Schließ-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

19


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

lich aber fanden die drei E<strong>in</strong>richtungen<br />

(Kita, <strong>Grundschule</strong>, Hort) als Drei unter<br />

e<strong>in</strong>em Dach zusammen und beson<strong>der</strong>s<br />

bei <strong>der</strong> späteren Durchsetzung <strong>der</strong><br />

Ganztagsschule wirkten Lehrkräfte und<br />

Sozialpädagogische Fachkräfte als geschlossenes<br />

Team.<br />

Bis zum Jahr 2020 vollzog sich e<strong>in</strong><br />

personeller Generationenwechsel, Pensionierungen<br />

und <strong>der</strong> Aufbau des<br />

För<strong>der</strong>bereichs Wahrnehmung und Entwicklung<br />

(W und E) brachten junge<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen und Assistenzkräfte an den<br />

Standort.<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Personalentwicklung<br />

hatte zudem <strong>in</strong> erheblichem Ausmaß<br />

die Verän<strong>der</strong>ung von Konzepten. Der<br />

Entscheidung für die jahrgangsübergreifende<br />

Schule<strong>in</strong>gangsstufe folgten<br />

Konzepte für e<strong>in</strong> Beobachtungsverfahren<br />

zum Schulanfang, <strong>in</strong>tegrative und <strong>in</strong>klusive<br />

Schulentwicklung, Begabungsför<strong>der</strong>ung,<br />

gebundene Ganztagsschule<br />

und <strong>in</strong>klusive Beschulung W und E.<br />

Beweispflichten<br />

Zur beson<strong>der</strong>en Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

wurden die zahlreichen Hospitant*<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>der</strong>en Fragen nach den „Gel<strong>in</strong>gens-<br />

Belegen“ für das Jahrgangsübergreifende<br />

Lernen JüL, unser Konzept löste e<strong>in</strong>fach<br />

auch viel Skepsis aus. Ähnliche Nachfragen<br />

ergaben sich gleichermaßen <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>ternen Diskussionen im Kollegium,<br />

da die e<strong>in</strong>e Hälfte bis 2005 jahrgangsübergreifend<br />

arbeitete und die an<strong>der</strong>e <strong>in</strong><br />

den Klassen 3 und 4 jahrgangsbezogen.<br />

Die Nahtstelle des Übergangs von <strong>der</strong><br />

Stufe 1/2 <strong>in</strong> die 3. Klasse entwickelte<br />

sich schul<strong>in</strong>tern zur Prüfstelle für die<br />

Güte <strong>der</strong> Schule<strong>in</strong>gangsstufe. Das gesamte<br />

Kollegium musste sich damit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />

wie verän<strong>der</strong>te Unterrichtsformen<br />

wirken (können), welche<br />

Kompetenzen K<strong>in</strong><strong>der</strong> beim Übergang<br />

<strong>in</strong> Klasse 3 mitbr<strong>in</strong>gen sollten und wie<br />

damit umzugehen ist, wenn es an<strong>der</strong>s ist.<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Schulleitung <strong>in</strong> dieser Phase<br />

war, mit dem Kollegium Wege zu f<strong>in</strong>den,<br />

mehr vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu erfahren und dieses<br />

über kollegiale Hospitationen und<br />

gegenseitiges Präsentieren und Kennenlernen<br />

von Strukturen und Materialien<br />

zu ermöglichen.<br />

Die Außenwirkung des Konzepts<br />

JüL auf an<strong>der</strong>e Schulen, Bildungsverwaltungen,<br />

Lehrerausbildung und Eltern<br />

löste umfangreichen Informationsbedarf<br />

aus und zog über Jahre e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl an Hospitationen nach sich.<br />

Der Andrang war herausfor<strong>der</strong>nd und<br />

nur durch Teamarbeit und <strong>in</strong>terne Absprachen<br />

zu bewältigen. Diese <strong>in</strong>tensive<br />

Erfahrung gab Sicherheit, ließ Rout<strong>in</strong>en<br />

entstehen und stärkte die Offenheit<br />

für Diskussionen über die pädagogische<br />

Arbeit und organisatorische Strukturen.<br />

In den Jahren von 1995 bis 2000 nahm<br />

die Schule freiwillig an Verfahren zu <strong>in</strong>terner<br />

und externer Evaluation teil. E<strong>in</strong><br />

Selbste<strong>in</strong>schätzungsverfahren wurde<br />

durch den Besuch von „Kritischen<br />

Freunden“ mit Feedback für Kollegium<br />

und Schulleitung ergänzt.<br />

E<strong>in</strong>deutig als Entwicklungsschub kann<br />

die Bewerbung für den Deutschen Schulpreis<br />

im Jahr 2006 gewertet werden. Sie<br />

erfor<strong>der</strong>te die <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit den sechs vorgegebenen<br />

Qualitätsbereichen und die Diskussion<br />

darüber im Kollegium und mit Eltern,<br />

e<strong>in</strong>er Art <strong>in</strong>terner Vergewisserungsprozess<br />

über das pädagogische Konzept.<br />

Nachhaltige und tragende<br />

Erfahrungen<br />

Partizipation und Verantwortung<br />

Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> jahrgangsübergreifenden<br />

Schule<strong>in</strong>gangsstufe mussten<br />

Konzepte, Strukturen und Materialien<br />

sowohl für die Organisation des<br />

Unterrichts als auch für die <strong>in</strong>haltliche<br />

Planung erarbeitet werden. Das Team<br />

1/2 leistete Entwicklungsarbeit, die nur<br />

durch enge Zusammenarbeit, Aufgabenteilung<br />

und organisierte Kooperationszeiten<br />

möglich war. Auch das Aufgreifen<br />

<strong>der</strong> Anfangsskepsis <strong>der</strong> Eltern und die<br />

Organisation <strong>der</strong> Hospitationsbesuche<br />

waren nur arbeitsteilig zu bewältigen.<br />

Bei <strong>der</strong> Entwicklung des schul<strong>in</strong>ternen<br />

Übergangs von <strong>der</strong> Stufe 1/2 <strong>in</strong> Klasse<br />

3, später <strong>in</strong> Stufe 3/4, bewährten sich<br />

Kooperation und Teamstrukturen <strong>in</strong><br />

ähnlicher Form. Die Schulleitung organisierte<br />

Kooperationszeiten, gab den<br />

Teams Gestaltungsfreiraum und das<br />

Vertrauen, dass ihnen die erfolgreiche<br />

Bewältigung <strong>der</strong> Aufgaben selbstverantwortlich<br />

gel<strong>in</strong>gen wird.<br />

Für die Eltern waren sowohl die altersgemischte<br />

Lernorganisation als auch<br />

die Entwicklung <strong>der</strong> Ganztagsschule<br />

e<strong>in</strong>schneidende Än<strong>der</strong>ungen. Für<br />

beide Konzepte war ihre Beteiligung<br />

von grundlegen<strong>der</strong> Bedeutung, denn<br />

die Schule benötigte e<strong>in</strong>erseits die<br />

Zustimmung <strong>der</strong> Elterngremien, darüber<br />

h<strong>in</strong>aus aber auch <strong>der</strong>en positive<br />

Haltung gegenüber den Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

Von <strong>der</strong> Weitergabe <strong>der</strong> Erfahrungen<br />

und Informationen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Elternschaft wird wesentlich <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>stellung<br />

dazu bestimmt. Durch Elternbeteiligung<br />

konnten Informationen <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen Herkunftssprachen<br />

erfolgen. Zugewan<strong>der</strong>ten Eltern fehlen<br />

nicht selten Informationen über Schule<br />

und Schulsystem <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Erfahrungsgemäß beteiligen sich diese<br />

Eltern kaum an Elterngremien. Ihre Distanz<br />

führt zu Informationslücken über<br />

das pädagogische Konzept, Vorgehensweisen<br />

bleiben ihnen fremd. Um diesem<br />

Umstand etwas gerechter zu werden,<br />

entstand als Begegnungsformat<br />

das Elternprojekt KESCH K<strong>in</strong><strong>der</strong> Eltern<br />

Schule im Dialog. Das Konzept schafft<br />

<strong>in</strong>formelle Begegnungen zwischen<br />

Pädagog*<strong>in</strong>nen und Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

und bei geme<strong>in</strong>samen Aktionen außerhalb.<br />

Auch Lehrkräfte und pädagogische<br />

Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen profitieren, da<br />

ihr Zugang zu Eltern über <strong>in</strong>formellere<br />

Kommunikationskanäle erweitert wird.<br />

Die Wirkung von Partizipation und<br />

Verantwortung erleben K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Jahrgangsmischung u. a. durch ihre<br />

wechselnden Rollen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altershierarchie<br />

mit E<strong>in</strong>fluss auf die Kommunikation<br />

im Unterricht und <strong>in</strong> den<br />

Pausen sowie das Verhalten <strong>in</strong> Konfliktsituationen.<br />

Beteiligung geschieht darüber<br />

h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> formalen Gremien<br />

wie Gruppenkonferenz und K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenz.<br />

Mit dem Ansatz, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n viel Orientierung<br />

zu geben, um ihnen Verantwortung<br />

für ihre Lern- und Arbeitsprozesse<br />

zu ermöglichen, verschaffen<br />

Tages- und Wochenpläne Übersicht<br />

über Aufgaben und Abläufe. Mit diesem<br />

Ziel hat die Schule auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>sprechtage<br />

e<strong>in</strong>geführt. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> bereiten sich<br />

auf das Gespräch mit ihren Lehrkräften<br />

über e<strong>in</strong>e (bildliche bzw. schriftliche)<br />

Selbste<strong>in</strong>schätzung vor. Immer gehört<br />

<strong>der</strong> Blick auf nächste Schritte dazu, <strong>der</strong><br />

die Verantwortung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> für ihren<br />

Lernprozess unterstützt.<br />

Die Schule gibt ke<strong>in</strong>e Noten, die Lerndokumentation<br />

erfolgt <strong>in</strong> Berichten und<br />

fachbezogen <strong>in</strong> Rastern, die grundsätzlich<br />

mit den Eltern und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n besprochen<br />

werden.<br />

20<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Die Kraft <strong>der</strong> Teams<br />

Teamarbeit war immer <strong>der</strong> Motor, <strong>der</strong><br />

die Planung und Umsetzung von Konzepten<br />

und Projekten getragen hat. Auch<br />

als Impulsgeber für Schulentwicklung<br />

verstand sich das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Team. E<strong>in</strong>e feste und dauerhafte Teamstruktur<br />

stellt die Gestaltung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit <strong>in</strong> den Lerngruppen<br />

und <strong>in</strong> multiprofessioneller Zusammenarbeit<br />

von Grundschullehrkräften, Son<strong>der</strong>pädagog*<strong>in</strong>nen,<br />

Sozialpädagogischen<br />

Fachkräften und Assistenzkräften sicher.<br />

Organisationsstruktur Lerngruppe – Teamstruktur<br />

Tigeraugen<br />

Lerngruppe<br />

3/4<br />

Lerngruppe<br />

1/2<br />

Schmetterl<strong>in</strong>ge<br />

Amethystgruppe<br />

Lerngruppe<br />

3/4<br />

P<strong>in</strong>gu<strong>in</strong>e<br />

Lerngruppe<br />

1/2<br />

Jadegruppe<br />

Lerngruppe<br />

3/4<br />

Ponys<br />

Lerngruppe<br />

1/2<br />

Team 1/2 und Team 3/4 s<strong>in</strong>d für die<br />

Planung und Umsetzung des jahrgangsübergreifenden<br />

Lernens zuständig.<br />

Die Strangteams aus jeweils e<strong>in</strong>er<br />

Lerngruppe 1/2 und e<strong>in</strong>er Lerngruppe<br />

3/4 übernehmen sowohl die Ausbildung<br />

junger Kolleg*<strong>in</strong>nen als auch die Integration<br />

aller neuen Personen an <strong>der</strong> Schule.<br />

Sie koord<strong>in</strong>ieren das <strong>in</strong>haltliche Lernen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> über die gesamte Grundschulzeit<br />

und beraten über diagnostische<br />

und unterstützende Maßnahmen.<br />

Das ZuP (Zentrum für unterstützende<br />

Pädagogik)-Team (Son<strong>der</strong>pädagog*<strong>in</strong>nen,<br />

Sozialpädgog*<strong>in</strong>nen,<br />

Sozialarbeiter*<strong>in</strong>) hat zunächst die Entwicklung<br />

zur <strong>in</strong>klusiven Schule gesteuert<br />

und ab 2017 die Integration <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

mit E<strong>in</strong>schränkungen im Bereich Wahrnehmung<br />

und Entwicklung unterstützt.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> des ZuP-Teams s<strong>in</strong>d den<br />

Lerngruppen- bzw. Strangteams zugeordnet.<br />

Teams bestehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aus bis<br />

zu 10 Personen und haben feste, <strong>in</strong> den<br />

Wochenablauf <strong>der</strong> Schule <strong>in</strong>tegrierte<br />

Kooperationszeiten. Alle Kolleg*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Schule nehmen an m<strong>in</strong>destens zwei<br />

Teams teil, dies wird durch die <strong>in</strong> Bremen<br />

verpflichtende Präsenzzeit möglich.<br />

Zusätzliche Teamzeiten werden zeitlich<br />

vergütet.<br />

Die Rolle <strong>der</strong> Schulleitung zwischen<br />

„Steuern“ und „Raum geben“<br />

Die Schulleitungsteams trugen im<br />

Entwicklungszeitraum grundsätzlich<br />

Impulse o<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen aus dem<br />

Quartier, aus dem Schulnetzwerk und<br />

aus <strong>der</strong> Behörde <strong>in</strong> die Steuergruppe<br />

und <strong>in</strong> das Kollegium, übernahmen die<br />

organisatorische und <strong>in</strong>haltliche Koord<strong>in</strong>ation,<br />

begleiteten Prozesse und<br />

arbeiteten <strong>in</strong>haltlich mit.<br />

Türkise<br />

Lerngruppe<br />

3/4<br />

Vögel<br />

Lerngruppe<br />

1/2<br />

Team 1/2 Team 3/4 Strangteam 1/2 und 3/4<br />

Die Schulleitung übernahm<br />

die Vertretung<br />

<strong>der</strong> Schule <strong>in</strong> Schulentwicklungsprozessen<br />

mit<br />

externen Partnern.<br />

Die Bereitschaft <strong>der</strong><br />

Leitung, Verantwortung<br />

für neue Konzepte zu<br />

übernehmen und sich<br />

dabei auf die Mitarbeit<br />

und die Stärken im Kollegium<br />

verlassen zu können,<br />

machte die Umsetzung<br />

von Entwicklungen möglich.<br />

Neue Konzepte s<strong>in</strong>d nicht immer sofort<br />

auf Zustimmung gestoßen. Bei <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung von JüL <strong>in</strong> 1/2 galt z. B. die<br />

Absprache, dass die übrigen Lehrkräfte<br />

<strong>in</strong> den 3. und 4. Klassen jahrgangsbezogen<br />

weiterarbeiten konnten.<br />

Die Umsetzung von JüL <strong>in</strong> 3/4 konnte<br />

dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase erfolgen, als Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit<br />

über die K<strong>in</strong><strong>der</strong> immer mehr E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong><br />

den Unterricht gehalten hatten und zugleich<br />

die ersten Pensionierungen anstanden.<br />

Die Kooperation mit <strong>der</strong> benachbarten<br />

Oberschule zum Übergang<br />

von 4 nach 5 wurde von <strong>der</strong> Schulleitung<br />

<strong>in</strong>itiiert, begleitet und organisatorisch<br />

unterstützt, bis sich Abläufe verstetigt<br />

hatten.<br />

Das organisatorische Konzept für<br />

die gebundene Ganztagsschule war<br />

das Ergebnis <strong>in</strong>tensiver Teamarbeit<br />

von Lehrkräften, Hortkollegium und<br />

Schulleitung. Die Kolleg*<strong>in</strong>nen ordneten<br />

sich e<strong>in</strong>er bestimmten Teilaufgabe<br />

zu, konnten <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Schulen<br />

hospitieren und erarbeiteten Vorschläge<br />

für die eigene Schule. Die Teambildung<br />

für den gebundenen Ganztag<br />

erfor<strong>der</strong>te gezielte Steuerung durch die<br />

Schulleitung, verbunden mit <strong>der</strong> Offenlegung<br />

<strong>der</strong> Entscheidungskriterien. Konzept<br />

und Organisierbarkeit, Schulklima<br />

und Arbeitsatmosphäre (<strong>der</strong> Blick aufs<br />

Ganze) mussten für alle transparent gemacht<br />

werden. Die Verpflichtung, im gebundenen<br />

Ganztag zum<strong>in</strong>dest an e<strong>in</strong>zelnen<br />

Tagen auch am Nachmittag präsent<br />

zu se<strong>in</strong>, war e<strong>in</strong>e große Hürde für junge<br />

Mütter unter den Lehr- und Betreuungskräften.<br />

Als beson<strong>der</strong>s kritische Stelle erwies<br />

sich <strong>der</strong> durch die Bildungsbehörde angeordnete<br />

Aufbau e<strong>in</strong>es Standorts für W<br />

und E. Vehemente Wi<strong>der</strong>stände e<strong>in</strong>zelner<br />

Kolleg*<strong>in</strong>nen und fehlendes Personal<br />

waren ke<strong>in</strong>e för<strong>der</strong>liche Ausgangslage<br />

für die Organisation des Prozesses und<br />

höchst belastend für das gesamte System.<br />

Resümee<br />

Die Entscheidung, herkömmliche Strukturen<br />

zu verlassen und am Schulanfang<br />

alle angemeldeten K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> jahrgangsübergreifende<br />

Lerngruppen aufzunehmen,<br />

war Auslöser für e<strong>in</strong>e viele<br />

Jahre währende Entwicklungsphase<br />

mit Verän<strong>der</strong>ungen und Anpassungen.<br />

Dah<strong>in</strong>ter stand auch immer <strong>der</strong><br />

Anspruch, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweitsprache<br />

Deutschalphabetisiert werden<br />

und/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> ökonomisch prekären<br />

Verhältnissen leben, ke<strong>in</strong>e zusätzlichen<br />

Gruppenwechsel am Schulanfang o<strong>der</strong><br />

durch Wie<strong>der</strong>holungen von Schulbesuchsjahren<br />

zuzumuten. Die Familiensprache<br />

sollte nicht als Defizit, son<strong>der</strong>n<br />

als Ressource wirken. Anspruch war<br />

also auch, e<strong>in</strong> pädagogisches Konzept<br />

zu entwickeln, das diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mehr<br />

Chancen bietet.<br />

Impulse – Motivation – Teamarbeit<br />

Die Arbeit <strong>in</strong> Teamstrukturen hat <strong>der</strong><br />

Schule immer wie<strong>der</strong> weiterführende<br />

Impulse gegeben und Entwicklungsstellen<br />

aufgezeigt. Dies e<strong>in</strong>mal für die<br />

pädagogische und <strong>in</strong>haltliche Arbeit<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, zum an<strong>der</strong>en für<br />

die Gestaltung e<strong>in</strong>er gel<strong>in</strong>genden<br />

Zusammenarbeit <strong>der</strong> Pädagog*<strong>in</strong>nen.<br />

Entscheidend waren gegenseitige Offenheit,<br />

die Bereitschaft, bei neuen Konzepten<br />

e<strong>in</strong>e Anfangs<strong>in</strong>vestition auch<br />

mit <strong>in</strong>tensiven Arbeitsphasen <strong>in</strong> Kauf<br />

zu nehmen, anzusprechen wo es hakt<br />

und <strong>der</strong> Teamarbeit durch feste Zeiten<br />

Verlässlichkeit zu geben. Der Mehrwert<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit wog meistens e<strong>in</strong>e<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

21


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

anfängliche Mehr<strong>in</strong>vestition auf, weil die<br />

Pädagog*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge durch Vere<strong>in</strong>barungen<br />

zur Verantwortungs- und<br />

Aufgabenteilung Entlastung erleben<br />

konnten.<br />

Die positive Wirkung von Verän<strong>der</strong>ungen<br />

ließ im Laufe <strong>der</strong> Zeit Bedenken<br />

schw<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>e gute Schulausstattung<br />

ist unbestritten Voraussetzung<br />

für das hohe Entwicklungspotenzial gewesen.<br />

Grenzen zeigten sich bei <strong>der</strong> Integration<br />

des För<strong>der</strong>schwerpunkts W<br />

und E. Kann <strong>in</strong>klusive Entwicklung gel<strong>in</strong>gen,<br />

wenn die Leistungsfähigkeit und<br />

Integrationskraft e<strong>in</strong>es Systems an Grenzen<br />

kommt, weil sich Heterogenität und<br />

<strong>der</strong> Unterstützungsbedarf zu massiv an<br />

e<strong>in</strong>em Ort konzentrieren und dadurch<br />

letztendlich e<strong>in</strong> Son<strong>der</strong>system bilden?<br />

Das war e<strong>in</strong>e tiefgreifende Frage trotz<br />

<strong>der</strong> klar positiven Haltung zur Inklusion.<br />

Dass funktionierende Teamarbeit<br />

hilft, Herausfor<strong>der</strong>ungen und Krisen zu<br />

bewältigen, hat sich während <strong>der</strong> Corona-Pandemie<br />

gezeigt. Die Teams, gewohnt<br />

sich selbständig zu organisieren,<br />

übernahmen die Integration neu h<strong>in</strong>zukommen<strong>der</strong><br />

Kolleg*<strong>in</strong>nen ganz selbstverständlich.<br />

Als vorteilhaft erwies sich, dass Schulleitungsmitglie<strong>der</strong><br />

immer <strong>in</strong> die pädagogische<br />

Arbeit <strong>der</strong> Teams und <strong>in</strong> den<br />

Unterricht e<strong>in</strong>gebunden waren. Synergien<br />

entstanden zwischen <strong>der</strong> Arbeit<br />

<strong>der</strong> Schulleitung und den Teams auf<br />

Basis <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>barten Strukturen.<br />

Konzepte und Wi<strong>der</strong>stände<br />

Nach unserer Erfahrung ist es äußerst<br />

schwierig, mehrere Schulentwicklungsprojekte<br />

gleichzeitig anzustoßen. Auch<br />

lässt sich gegen den Wi<strong>der</strong>stand e<strong>in</strong>er<br />

großen Gruppe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Schulentwicklung nicht s<strong>in</strong>nvoll<br />

weiterbr<strong>in</strong>gen.<br />

Unabhängig davon, ob e<strong>in</strong> Entwicklungsschritt<br />

den <strong>in</strong>dividuellen<br />

Unterricht o<strong>der</strong> die gesamte Schule<br />

betrifft, kann dieser Sorgen und Bedenken<br />

bei Pädagog*<strong>in</strong>nen und Eltern<br />

hervorrufen. Herauszuf<strong>in</strong>den, ob<br />

e<strong>in</strong>e Informationslücke, Unsicherheit<br />

wegen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, Angst vor erhöhter<br />

Anfor<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> auch Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

für die <strong>in</strong>dividuelle Arbeitszeit<br />

(Kooperation im Team, Ganztagsschule)<br />

dah<strong>in</strong>ter stehen, kann helfen.<br />

E<strong>in</strong>zelne Kolleg*<strong>in</strong>nen brauchen Überlegungen<br />

mit <strong>der</strong> Schulleitung <strong>in</strong> Entwicklungsgesprächen<br />

und manchmal<br />

auch <strong>in</strong>dividuelle Lösungen.<br />

Wie auch immer … die Umsetzung<br />

von Konzepten kann schrittweise<br />

o<strong>der</strong> komplett erfolgen, benötigt aber<br />

erfahrungsgemäß etwa 5 Jahre und bis<br />

zur Verstetigung etwa 10 Jahre. Nach<br />

e<strong>in</strong>er systemischen Verän<strong>der</strong>ung<br />

braucht es immer e<strong>in</strong>e Phase <strong>der</strong> pädagogisch<br />

fachlichen Entwicklung, die<br />

dann zu mehr Qualität führt.<br />

Schulleitungswechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

Pfälzer Weg hatten <strong>in</strong> drei Fällen<br />

die Konstante, dass Schulleitungsmitglie<strong>der</strong><br />

aus dem eigenen Haus kamen.<br />

Das war für das Weitertragen von Konzepten<br />

stärkend, stellte diese allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht sicher, denn die Beteiligung von<br />

Kollegium und Eltern spielte immer<br />

e<strong>in</strong>e Rolle. Aus unserer Überzeugung<br />

haben bewährte und gelebte Strukturen,<br />

die Kommunikation und Kooperation<br />

sicherstellen, sowie die Zufriedenheit<br />

durch direkte Beteiligung über Teamarbeit<br />

e<strong>in</strong>e stabilisierende Wirkung für<br />

Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulentwicklung.<br />

Durch Transparenz und Absprachen<br />

haben im beschriebenen Zeitraum<br />

schulübergreifende Vere<strong>in</strong>barungen<br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeit erhalten und s<strong>in</strong>d zum<br />

festen Bestandteil <strong>der</strong> Schulkultur<br />

geworden. Vielleicht hat auch dieser<br />

Umstand nachfolgende Schulleitungen<br />

<strong>in</strong> die Pflicht genommen.<br />

Schulleitungswechsel 2022<br />

„In die Pflicht genommen“ o<strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uität<br />

und Weiterentwicklung aufgrund<br />

persönlicher Erfahrungen und<br />

<strong>in</strong>nerer Überzeugung<br />

Manchmal gibt es die seltenen beruflichen<br />

Momente, die berühren und<br />

<strong>in</strong> spirieren. Dieser Moment war vor e<strong>in</strong><br />

paar Jahren, als ich zufällig an <strong>der</strong> Schule<br />

am Pfälzer Weg zu Besuch war und<br />

man mir das Konzept erläuterte. Nicht<br />

dass ich das damals alles bis <strong>in</strong>s Detail<br />

verstanden hätte, aber das Konzept des<br />

jahr gangsübergreifenden Lernens komb<strong>in</strong>iert<br />

mit <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> Strang-Teams<br />

wie auch die ganze Atmosphäre dieser<br />

Schule <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em herausfor<strong>der</strong>nden<br />

und bunten Stadtteil haben <strong>in</strong> mir den<br />

Wunsch erweckt, genauso arbeiten zu<br />

wollen. Dass ich e<strong>in</strong>ige Jahre später das<br />

Glück haben würde, hier Schulleiter<strong>in</strong><br />

zu se<strong>in</strong>, hätte ich nie erwartet.<br />

Schulleitungsstellen können von<br />

<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> von außen besetzt werden.<br />

Wer von <strong>in</strong>nen kommt, hat den Vorteil,<br />

die Strukturen und Abläufe zu kennen,<br />

was vieles e<strong>in</strong>facher macht. Von außen<br />

zu kommen, hat den Vorteil, dass e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>er Blick auf die Gegebenheiten besteht,<br />

<strong>der</strong> auch mal das e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

h<strong>in</strong>terfragt. Gleichzeitig eröffnet sich<br />

die Möglichkeit, diese wun<strong>der</strong>baren<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten zu bemerken, die e<strong>in</strong>em<br />

im Alltag oft nicht mehr auffallen, zum<br />

Beispiel das Leben und Lachen auf den<br />

Fluren, die fröhlichen Stimmen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

während des offenen Anfangs und<br />

nur wenig später e<strong>in</strong>e Ruhe <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />

Schule, so dass man glauben könnte,<br />

es wäre kaum e<strong>in</strong>er da. Dabei s<strong>in</strong>d nur<br />

alle konzentriert bei <strong>der</strong> Arbeit. Diese<br />

„Kle<strong>in</strong>igkeiten“ s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Erfolg e<strong>in</strong>es<br />

unglaublich kompetenten und engagierten<br />

Kollegiums. E<strong>in</strong> Kollegium, das<br />

sich multiprofessionell zusammensetzt<br />

und erfolgreich mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> arbeitet.<br />

Bemerkenswert ist auch die Tatsache,<br />

dass Besucher*<strong>in</strong>nen unserer Schule<br />

nur selten unterscheiden können, wer<br />

pädagogische*r Mitarbeiter*<strong>in</strong>, Grundschullehrkraft,<br />

Assistenzkraft, sozialpädagogische<br />

Fachkraft o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>pädagog*<strong>in</strong><br />

ist! Teams verän<strong>der</strong>n sich h<strong>in</strong><br />

und wie<strong>der</strong> und müssen dann neu zusammenf<strong>in</strong>den<br />

– bei Neubesetzung e<strong>in</strong>er<br />

Funktionsstelle auch das Schulleitungsteam,<br />

welches <strong>in</strong> Bremen aus drei Personen<br />

besteht. Diese Verän<strong>der</strong>ungen<br />

gehen nicht immer reibungslos, sorgen<br />

aber dafür, dass ke<strong>in</strong> Stillstand entsteht<br />

und ke<strong>in</strong> Verbleiben <strong>in</strong> alten Strukturen.<br />

Auch Schulleitungen müssen <strong>in</strong> diesen<br />

Prozessen manches neu denken, sich<br />

anpassen und bereit se<strong>in</strong>, selbst etwas zu<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

Nach <strong>der</strong> langen Corona-Zeit dauerte<br />

es, bis auch Schulgeme<strong>in</strong>schaften wie<strong>der</strong><br />

aus e<strong>in</strong>er Art Dornröschenschlaf erwachen.<br />

Umso wichtiger ist es jetzt, dass<br />

Schule sich wie<strong>der</strong> und vor allem weiter<br />

öffnet, nicht nur durch Ausflüge o<strong>der</strong><br />

Schulfeste, son<strong>der</strong>n auf allen Ebenen.<br />

Als mich e<strong>in</strong>mal die Schulleiter<strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

eigenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> anrief, begann das<br />

Gespräch mit den Worten: „Es ist nichts<br />

Schlimmes.“ Dieser Satz hängt mir heute<br />

noch nach, weil er beschreibt, wie die<br />

Beziehung Schule – Elternhaus oft wahr-<br />

22<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

genommen wird: Der Kontakt entsteht<br />

nur, wenn es e<strong>in</strong> Problem gibt o<strong>der</strong> wenn<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> bewertet werden. Das schafft<br />

bestenfalls gemischte Gefühle gegenüber<br />

allem, was mit Schule zu tun hat.<br />

Hier müssen wir aktiv gegenarbeiten,<br />

Schule weiter öffnen und <strong>in</strong> den Stadtteil<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, Menschen <strong>in</strong> die Schule<br />

e<strong>in</strong>laden und vor allem immer wie<strong>der</strong><br />

positive Gesprächsanlässe wahrnehmen.<br />

von l<strong>in</strong>ks nach rechts:<br />

Rolf Struckmeyer, Schulleiter von 1991 bis 2005<br />

Maresi Lassek, Schulleiter<strong>in</strong> von 2005 bis 2015<br />

Beatrix Harnisch-Soller, Schulleiter<strong>in</strong> von 2015 bis 2022<br />

Kirst<strong>in</strong> Groll, (Ohne Foto) Schulleiter<strong>in</strong> seit 2022<br />

Wird Positives wahrgenommen, lässt<br />

sich auch über Schwierigkeiten besser<br />

reden.<br />

Unsere zentrale Aufgabe ist, unseren<br />

Schüler*<strong>in</strong>nen das bestmögliche Rüstzeug<br />

für ihr weiteres Leben mitzugeben.<br />

Hierzu zählt gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtteil mit<br />

ger<strong>in</strong>ger Wahlbeteiligung Demokratiebildung,<br />

damit die Schüler*<strong>in</strong>nen wissen,<br />

welche Rechte und Möglichkeiten sie<br />

Zusammengefasste Informationen zum Werdegang <strong>der</strong> Schule am Pfälzer Weg <strong>in</strong> Bremen von<br />

1991 bis 2023 sowie die Quellenangaben f<strong>in</strong>den Sie unter dem L<strong>in</strong>k: https://t1p.de/GSa164Lit<br />

haben. Schüler*<strong>in</strong>nen sollen die Chance<br />

haben, sich zu mündigen Persönlichkeiten<br />

zu entwickeln, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />

s<strong>in</strong>d, kritisch zu denken, sich e<strong>in</strong>e eigene<br />

Me<strong>in</strong>ung zu bilden und sich auch<br />

trauen, diese zu äußern. Daher f<strong>in</strong>de ich<br />

es selbstverständlich, als Schulleiter<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

unserer K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenz zu den wichtigen<br />

Themen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> Fragen zu beantworten<br />

und auch mal Rede und Antwort<br />

zu stehen. Transparenz und Mitbestimmung<br />

s<strong>in</strong>d maßgeblich für e<strong>in</strong>e<br />

gute Zusammenarbeit mit Eltern und im<br />

Kollegium. Schulleitung darf sich nicht<br />

e<strong>in</strong>igeln und Entscheidungen im e<strong>in</strong>samen<br />

Kämmerle<strong>in</strong> treffen. Gute Schule<br />

und Schulentwicklung können nur gel<strong>in</strong>gen,<br />

wenn die Ideen und Konzepte auf<br />

breiter Basis mitgetragen werden. Unsere<br />

nächsten Schritte haben wir schon festgelegt.<br />

Wir haben den Fokus auf Sprachbildung<br />

gelegt. Den Blick genau auf das<br />

richten, was unsere Schüler*<strong>in</strong>nen benötigen<br />

und auf dieser Grundlage organisatorische,<br />

strukturelle, <strong>in</strong>haltliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen vorzunehmen, um diese<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> bestmöglich voranzubr<strong>in</strong>gen. Wir<br />

haben noch viel vor!<br />

Denise Sommer<br />

Netzwerke made <strong>in</strong> Brandenburg<br />

Wie alles begann<br />

Seit 2007 arbeiten Brandenburger Grund- und För<strong>der</strong>schulen <strong>in</strong> Netzwerken zusammen.<br />

Auf Initiative des Referates für Grund- und För<strong>der</strong>schulen im M<strong>in</strong>isterium<br />

für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) entstand e<strong>in</strong>e landesweite Netzwerkstruktur,<br />

die u. a. die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Grund- und För<strong>der</strong>schulen <strong>in</strong><br />

regionalen Verbünden stärken soll.<br />

Anne Knauf und Katja Sieger<br />

haben diese Entwicklung se<strong>in</strong>erzeit<br />

angeschoben, viele Jahre<br />

engagiert begleitet und geprägt. Prozesse<br />

<strong>der</strong> Schulentwicklung an den Schulen<br />

sollen geför<strong>der</strong>t und damit die Um setzung<br />

bildungspolitischer Schwerpunkte<br />

des Landes sichergestellt werden. Seit<br />

2011 regelt e<strong>in</strong> Rundschreiben des MBJS<br />

die Netzwerkarbeit als ge me<strong>in</strong> same<br />

Kooperationsplattform <strong>der</strong> Schulen<br />

sowie <strong>der</strong> unteren und obersten Schulaufsicht.<br />

Dieses Rundschreiben wurde <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren teilweise unter E<strong>in</strong>beziehung<br />

<strong>der</strong> Schulleiter<strong>in</strong>nen und<br />

<strong>der</strong> unteren Schulaufsicht mehrfach<br />

überarbeitet. Unter an<strong>der</strong>em wurde<br />

e<strong>in</strong> Controll<strong>in</strong>gsystem e<strong>in</strong>geführt, welches<br />

die Ergebnisse <strong>der</strong> Zielerfüllung<br />

<strong>der</strong> bildungspolitischen Schwerpunkte<br />

aus den Grund- und För<strong>der</strong>schulen des<br />

Landes bündelt und auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> 4<br />

Schulamtsbereiche sowie des Landes auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es landesweit e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Erhebungsbogens ausgewertet.<br />

Netzwerkstruktur für<br />

Brandenburger Grundund<br />

För<strong>der</strong>schulen<br />

Auf <strong>der</strong> zentralen Ebene leitet und<br />

steuert das M<strong>in</strong>isterium für Bildung,<br />

Jugend und Sport die Netzwerkarbeit.<br />

Dazu f<strong>in</strong>den jährlich Fachplenen statt,<br />

an denen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des Referates<br />

für Grund- und För<strong>der</strong>schulen,<br />

Schulrät<strong>in</strong>nen sowie die Netzwerkmo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong>nen<br />

teilnehmen. In jedem<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

23


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Schulamtsbereich gibt es e<strong>in</strong> regionales<br />

Netzwerkgremium, dem die Leiter<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> regionalen Netzwerke, die<br />

Netzwerkmo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong> sowie die Schulrät<strong>in</strong>nen<br />

für Grund- und För<strong>der</strong>schulen<br />

angehören. Pro Schuljahr f<strong>in</strong>den etwa<br />

5 Beratungen des Netzwerkgremiums<br />

statt. In den Schulamtsbereichen arbeiten<br />

<strong>in</strong> mehreren lokalen Netzwerken<br />

etwa 10 bis 15 Schulleiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong><br />

Grund- und För<strong>der</strong>schulen zusammen.<br />

Trotz Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anzahl und<br />

regionalen Zuordnung sowie personeller<br />

Verän<strong>der</strong>ungen besteht <strong>in</strong> den lokalen<br />

Netzwerken e<strong>in</strong>e große Kont<strong>in</strong>uität.<br />

Jedes Netzwerk wird von e<strong>in</strong>er Schulleiter<strong>in</strong><br />

geleitet, wofür 2 Anrechnungsstunden<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Sehr positiv wirken sich das Zusammenbr<strong>in</strong>gen<br />

von Grund- und För<strong>der</strong>schulen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> lokalen Struktur aus.<br />

Die regelmäßige Teilnahme <strong>der</strong> Schulpsycholog<strong>in</strong>nen<br />

und Schulpsychologen<br />

sowie <strong>der</strong> Leiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> son<strong>der</strong>pädagogischen<br />

För<strong>der</strong>- und Beratungsstellen<br />

dienen <strong>der</strong> noch besseren Kooperation.<br />

Auch die Leiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong><br />

Schulen <strong>in</strong> freier Trägerschaft können an<br />

den ca. 5 lokalen Netzwerkberatungen<br />

im Jahr teilnehmen. Für e<strong>in</strong> Schuljahr<br />

werden die zu beratenden Themen mit<br />

den bildungspolitischen Schwerpunkten<br />

abgestimmt und darüber h<strong>in</strong>aus an<strong>der</strong>e<br />

relevante Themen <strong>der</strong> Schulleiter<strong>in</strong>nen<br />

aufgegriffen. Außerdem können externe<br />

Partner für Fortbildungen h<strong>in</strong>zugezogen<br />

werden. In die Netzwerkberatungen werden<br />

die Dienstberatungen <strong>der</strong> unteren<br />

Schulaufsicht e<strong>in</strong>gebunden, so dass die<br />

zuständige Schulrät<strong>in</strong> an den Netzwerktreffen<br />

teilnimmt.<br />

Me<strong>in</strong>e Sicht auf die<br />

Netzwerkarbeit im Land<br />

Seit 1998 arbeite ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulleitung<br />

<strong>in</strong> Brandenburg, seit 2010 b<strong>in</strong> ich Netzwerkleiter<strong>in</strong><br />

und habe <strong>in</strong> diesem Kontext<br />

im Laufe <strong>der</strong> Jahre sehr viele überaus<br />

engagierte Schulleiterkolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Schulrät<strong>in</strong>nen kennen und schätzen<br />

gelernt. Beson<strong>der</strong>s die wertschätzende<br />

Zusammenarbeit mit me<strong>in</strong>en Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

„<strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe“ und mit <strong>der</strong> unteren<br />

Schulaufsicht zuerst <strong>in</strong> Wünsdorf dann<br />

<strong>in</strong> Brandenburg, ihre Unterstützung<br />

und Beratung beför<strong>der</strong>ten me<strong>in</strong>e Entwicklung<br />

als Schulleiter<strong>in</strong> und die Prozesse<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule. In den zahlreichen<br />

Netzwerkgremien und jährlichen Fachplenen<br />

des MBJS konnte ich sehr gute<br />

externe Referent<strong>in</strong>nen erleben, die mit<br />

ihren Fortbildungen und Vorträgen die<br />

Netzwerkarbeit und damit schulische<br />

Entwicklungsvorhaben beför<strong>der</strong>ten.<br />

Während <strong>in</strong> den Anfangsjahren diese<br />

beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Kooperation und<br />

Partizipation <strong>in</strong> den lokalen Netzwerken<br />

und regionalen Netzwerkgremien <strong>der</strong><br />

Schulämter unter enger E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für Grund- und<br />

För<strong>der</strong>schulen des Landes<strong>in</strong>stitutes<br />

für Schule und Medien (LISUM) Freiraum<br />

für die Ausgestaltung bot, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen<br />

aus me<strong>in</strong>er Sicht zu viele adm<strong>in</strong>istrative<br />

Formalien entstanden, die<br />

nicht immer <strong>der</strong> anfangs so wichtigen<br />

Idee, schulische Entwicklungen durch<br />

regionale „Best-Practice-Beispiele“ zu<br />

för<strong>der</strong>n, dienlich s<strong>in</strong>d.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> enormen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, denen sich Leiter<strong>in</strong>nen<br />

an Brandenburgs Grund- und<br />

För<strong>der</strong>schulen aktuell und zukünftig<br />

stellen müssen, s<strong>in</strong>d die regionalen<br />

Netzwerke zu erfolgreichen und für<br />

die Schulleiter<strong>in</strong>nen wichtigen Arbeitsplattformen<br />

geworden. Kollegiales Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

statt Konkurrenz, Teilen von<br />

Erfahrungen, Weitergabe von Ideen, geme<strong>in</strong>sames<br />

Arbeiten an Konzepten und<br />

das Sich-Zuhören, führen dazu, dass sich<br />

Leiter<strong>in</strong>nen auf Augenhöhe austauschen<br />

und <strong>in</strong> schwierigen Situationen stützen<br />

und ermutigen. Bereichernd und anregend<br />

s<strong>in</strong>d die E<strong>in</strong>drücke, wenn wir als<br />

Netzwerk reihum <strong>in</strong> den Schulen tagen,<br />

die Unterschiede und Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

wahrnehmen. Wir erleben ähnliche<br />

Problemsituationen und erfahren<br />

gute Lösungsansätze, die auf die eigene<br />

Schule übertragbar s<strong>in</strong>d. Neue Schulleiter<strong>in</strong>nen<br />

werden schnell <strong>in</strong>tegriert und<br />

erhalten von allem Mitglie<strong>der</strong>n Unterstützung.<br />

Dr. Katja Friedrich (LISUM Berl<strong>in</strong>-<br />

Brandenburg) evaluierte durch Auswertung<br />

schriftlicher Fragebögen von<br />

Denise Sommer<br />

Grundschullehrer<strong>in</strong> seit 1986<br />

von 1992 bis 1998 Mitarbeiter<strong>in</strong> im<br />

Pädagogischen Landes<strong>in</strong>stitut<br />

Brandenburg (PLIB) u. a. Lernwerkstätten<br />

und BLK-Modellversuch „Kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Grundschule</strong>“; seit 2009 Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Grundschule</strong> Glienick und Netzwerkleiter<strong>in</strong>:<br />

seit 1997 Vorsitzende <strong>der</strong><br />

LG Brandenburg<br />

439 Grund- und För<strong>der</strong>schulen im Jahr<br />

2014 die Netzwerkarbeit. Als beson<strong>der</strong>s<br />

positiv schätzten die Schulleiter<strong>in</strong>nen<br />

damals den Erfahrungsaustausch, die<br />

Bearbeitung von Fragen und Problemen<br />

sowie die Stärkungserfahrung e<strong>in</strong>.<br />

Diese Befunde s<strong>in</strong>d aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

nach wie vor relevant und aktueller<br />

denn je. Netzwerke <strong>der</strong> Zukunft dürfen<br />

nicht nur e<strong>in</strong> von „Oben-nach-Unten-<br />

Durchstellen“ von bildungspolitischen<br />

Schwerpunkten und das Abfragen <strong>der</strong><br />

Zielerfüllung se<strong>in</strong>. Vielmehr müssen<br />

die Ideen und Erfahrungen <strong>der</strong> Schulleiter<strong>in</strong>nen<br />

sowie das Geme<strong>in</strong>same, <strong>der</strong><br />

Teamgeist und die Stärkung im Mittelpunkt<br />

stehen. Dazu bedarf es weniger<br />

Regelung, dafür mehr Vertrauen und<br />

Wertschätzung sowie endlich <strong>der</strong> Bereitstellung<br />

von mehr zeitlichen Ressourcen<br />

für Schulleitungstätigkeit für schulische<br />

Entwicklungsprozesse durch das<br />

Bildungsm<strong>in</strong>isterium.<br />

Die Angleichung <strong>der</strong> Anrechnungsstunden<br />

von Leitungstätigkeit an<br />

Brandenburger <strong>Grundschule</strong>n an die<br />

Ausstattung für Schulleitungen <strong>der</strong><br />

weiterführenden Schulen ist dabei<br />

nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imalfor<strong>der</strong>ung, die <strong>der</strong><br />

Brandenburger Vorstand des Grundschulverbandes<br />

seit Jahren bildungspolitisch<br />

for<strong>der</strong>t.<br />

24<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Christ<strong>in</strong>e Beermann, Torsten Buncher<br />

Schulentwicklung unterstützen<br />

durch „Standards guter Schulen“<br />

Netzwerkarbeit im Schulverbund „Blick über den Zaun“<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Phasen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung braucht e<strong>in</strong> System Orientierung und<br />

Sicherheit durch Ziele und verständigte Standards. Rückmeldungen von außen<br />

zum Stand des Entwicklungsprozesses helfen, die Eigenwahrnehmung zu vervollständigen<br />

und „bl<strong>in</strong>de Flecken“ aufzudecken. Wie die Südschule Lemgo von<br />

<strong>der</strong> Arbeit im Schulnetzwerk „Blick über den Zaun“ profitiert, beschreibt dieser<br />

Artikel.<br />

Der Schulverbund „Blick über<br />

den Zaun“ wurde 1989 von<br />

überwiegend reformpäda gogisch<br />

arbeitenden Schulen gegründet.<br />

Heute umfasst das Netzwerk mehr als<br />

130 Schulen aus Deutschland sowie <strong>der</strong><br />

Schweiz. Die Schulen verschiedenster<br />

Schulformen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> 15 Arbeitskreisen<br />

organisiert. Den Kern <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

bilden die gegenseitigen Schulbesuche,<br />

Peer Reviews, mit <strong>der</strong> Zielsetzung,<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu lernen, sich<br />

über Erfahrungen auszutauschen und<br />

sich gegenseitig bei <strong>der</strong> Schulentwicklung<br />

zu unterstützen. An den Peer<br />

Reviews nehmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zwei Vertreter*<strong>in</strong>nen<br />

je<strong>der</strong> Schule teil, darunter<br />

m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Mitglied <strong>der</strong> Schulleitung,<br />

um die Umsetzung von<br />

Impulsen für die Schulentwicklung auf<br />

Schulebene zu unterstützen. Die<br />

Besucher*<strong>in</strong>nen geben als kritische<br />

Freund:<strong>in</strong>nen am Ende <strong>der</strong> Peer Re -<br />

views e<strong>in</strong>e Rückmeldung.<br />

Als Grundlage <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Arbeit im Schulverbund haben Lehrkräfte<br />

<strong>der</strong> Mitgliedsschulen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Leitbild Standards e<strong>in</strong>er guten Schule<br />

formuliert, an denen sich die Mitgliedsschulen<br />

bis heute orientieren.<br />

Die Südschule im<br />

„Blick über den Zaun“<br />

Im Jahr 2004 fiel an <strong>der</strong> Südschule nach<br />

<strong>in</strong>tensiver Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

<strong>der</strong> bisherigen Praxis Schule und ihrer<br />

Struktur <strong>der</strong> Beschluss, das Lernen ab<br />

dem Schuljahr 2005/2006 jahrgangsübergreifend<br />

zu organisieren. Die guten<br />

Erfahrungen mit Ganztagsangeboten ab<br />

1999 führten parallel zu dem Beschluss,<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e Klasse und darauf aufbauend,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> damals gerade vor <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung stehenden „Offenen Ganztagsschule“<br />

(OGS) e<strong>in</strong>en Zug im Ganztag<br />

zu organisieren.<br />

Das Kollegium sah dar<strong>in</strong> die Chance,<br />

den Bedürfnissen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>dividuellen Entwicklung<br />

besser gerecht werden zu können.<br />

Im Unterricht sollten zukünftig<br />

die Jahrgänge 1 – 3 gemischt werden,<br />

um <strong>der</strong> Heterogenität <strong>der</strong> Lernstände<br />

und -voraussetzungen weiteren Raum<br />

zu geben. Der Unterricht sollte nicht<br />

(mehr) den Versuch unternehmen, die<br />

Leistungsstände <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

anzugleichen. Der leitende Gedanke<br />

lautete: „Nicht die K<strong>in</strong><strong>der</strong> differenzieren,<br />

son<strong>der</strong>n die Aufgaben”. Der <strong>in</strong>tensiv<br />

durchdachte Schulentwicklungsprozess<br />

lief wie geplant und war bezogen auf<br />

die Umstrukturierungen im Schuljahr<br />

2008/2009 (auch mit e<strong>in</strong>em Ganztagszug)<br />

abgeschlossen.<br />

Der Aufbau e<strong>in</strong>er neuen und verb<strong>in</strong>dlichen<br />

Unterrichts- und Arbeitsstruktur<br />

erfor<strong>der</strong>t neben umfassenden<br />

Diskussionen auch das Herbeiführen<br />

von Übere<strong>in</strong>künften und Beschlüssen.<br />

Alle<strong>in</strong> Mehrheiten zu bekommen, reicht<br />

nicht. Der Begriff „Konsent” beschreibt<br />

aus heutiger Sicht unser damaliges Vorgehen.<br />

Er liegt zwischen dem erlangen<br />

e<strong>in</strong>es Mehrheitsbeschlusses und dem<br />

Leitbild vgl.<br />

https://www.blickueberdenzaun.<br />

de/schulverbund/leitbild<br />

Aufruf am 14.09.2023<br />

Konsensieren bis zum Abschleifen aller<br />

Ecken und Kanten. Konsent me<strong>in</strong>t hier<br />

die Verständigung über das von allen<br />

Tragbare.<br />

Obwohl bei diesem umfangreichen<br />

Schulentwicklungsprozess die <strong>in</strong>ternen<br />

Kommunikationsstrukturen mitgedacht<br />

waren, wurde schnell e<strong>in</strong> Bedürfnis<br />

nach Austausch außerhalb des<br />

eigenen Systems spürbar. Wir suchten<br />

nach „Gleichges<strong>in</strong>nten”, also Schulen,<br />

die ähnliche Prozesse durchlaufen<br />

hatten und sich denselben Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

stellten wie wir. So sehr<br />

wir durch sorgfältige Planung <strong>in</strong>nerhalb<br />

des Systems Stabilität und Orientierung<br />

durch geme<strong>in</strong>same Absprachen,<br />

Konsensbildung und Leitbildarbeit gefunden<br />

hatten, suchten wir doch nach<br />

e<strong>in</strong>em übergeordneten Rahmen, <strong>in</strong><br />

dem wir die von uns angestrebten Zielsetzungen<br />

wie<strong>der</strong>fanden. Fündig wurden<br />

wir für unser pädagogisches Fundament<br />

im Leitbild und den Standards des<br />

Schulverbunds „Blick über den Zaun“.<br />

Im Herbst 2009 absolvierten wir unseren<br />

ersten Schulbesuch.<br />

Schulbesuche und ihre<br />

Wirkung auf die Schule<br />

Die Vorbereitung e<strong>in</strong>es Schulbesuchs<br />

setzt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit den Standards voraus. Wie<br />

erreichen wir den e<strong>in</strong>zelnen Standard? /<br />

Wie setzen wir dies konkret um? waren<br />

Leitfragen unserer Entwicklung. Dabei<br />

wurde deutlich: Wo stehen wir? Was<br />

haben wir schon erreicht? Was haben<br />

wir bisher nicht gesehen? Woran wollen<br />

wir <strong>in</strong> Zukunft arbeiten?<br />

Diese Abgleiche <strong>der</strong> Standards mit<br />

dem eigenen Verständnis <strong>der</strong> Schule<br />

machen deutlich, was Schwerpunkte<br />

s<strong>in</strong>d, mit denen e<strong>in</strong>e Schule sich weiter<br />

beschäftigen will und wozu sie deshalb<br />

e<strong>in</strong>e Rückmeldung <strong>der</strong> „kritischen<br />

Freund*<strong>in</strong>nen” nutzen möchte. Gleich-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

25


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

zeitig entstand durch die schriftliche Fixierung<br />

e<strong>in</strong>e Art Handlungsleitfaden für<br />

bereits tätige und zukünftige Kolleg*<strong>in</strong>nen.<br />

Die Arbeit an und mit den BüZ-<br />

Standards hatte nie das Ziel – und darf<br />

nie das Ziel haben -, e<strong>in</strong>en Haken h<strong>in</strong>ter<br />

Erreichtes zu setzen. Die Vergewisserung<br />

des eigenen Tuns trägt auch immer die<br />

Verpflichtung zur weiteren Arbeit und<br />

Sicherung mit im Gepäck.<br />

Während e<strong>in</strong>es Schulbesuchs, <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel drei Tage dauert, fokussieren<br />

die „kritischen Freund*<strong>in</strong>nen” bei ihren<br />

Beobachtungen die Standards und pädagogischen<br />

Schwerpunkte, zu denen sich<br />

die besuchte Schule e<strong>in</strong>e Rückmeldung<br />

wünscht.<br />

Ablauf e<strong>in</strong>es Schulbesuchs<br />

Lernreisen zu Schulen unterschiedlicher<br />

Schulformen <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n lösen den Blick vom<br />

Alltäglichen. Sie führen zu den Fragestellungen<br />

im Kern: Wie muss sich<br />

Schule darstellen, damit sich e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

mit se<strong>in</strong>em Platz identifizieren und <strong>in</strong><br />

die Tiefe des Gegenstandes lernen kann.<br />

Wie zeigt e<strong>in</strong>e Schule nach außen, dass<br />

sie stolz auf die Leistungen aller ihrer<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist? Wie organisiert e<strong>in</strong>e Schule<br />

den demokratischen Prozess aller<br />

Personengruppen? Wie organisiert und<br />

sichert die Schule eigenes Lernen nachhaltig?<br />

Der erste Tag e<strong>in</strong>es Peer reviews dient<br />

dem gegenseitigen Kennenlernen und/<br />

o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>sehen; die Schule wird besichtigt,<br />

Wissenswertes über die Schule<br />

vermittelt und die Schulen des Arbeitskreises<br />

br<strong>in</strong>gen sich gegenseitig auf den<br />

neuesten Stand, was ihre eigene Entwicklung<br />

betrifft. Am zweiten Tag folgt<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Hospitationsphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Unterricht genau betrachtet wird.<br />

An <strong>der</strong> Südschule war uns Transparenz<br />

immer beson<strong>der</strong>s wichtig: Grundsätzlich<br />

standen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule die Türen <strong>der</strong><br />

Klassenräume stets offen, schon weil<br />

sich viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum Lernen im ganzen<br />

Schulgebäude bewegten. So war es für<br />

uns auch selbstverständlich, die Hospitierenden<br />

nicht e<strong>in</strong>zelnen Klassen zuzuweisen.<br />

Neben den Beobachtungen<br />

im Unterricht gew<strong>in</strong>nen die „kritischen<br />

Freund*<strong>in</strong>nen” durch Gesprächsrunden<br />

mit Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern, Eltern<br />

und Kolleg*<strong>in</strong>nen E<strong>in</strong>sichten. Am dritten<br />

Tag e<strong>in</strong>es Schulbesuchs erfolgt e<strong>in</strong><br />

Rückmeldegespräch mit <strong>der</strong> Schulleitung<br />

und anschließend mit dem gesamten<br />

Kollegium. Es werden gefundene Schätze<br />

gehoben und Fragen ohne Diskussion<br />

o<strong>der</strong> gar Rechtfertigungen gestellt. Die<br />

„kritischen Freund:<strong>in</strong>nen“ erläutern die<br />

Wahrnehmungen zu den ausgesuchten<br />

Standards und Fragestellungen.<br />

Auswirkungen des Schulbesuchs<br />

Die Rückmeldungen <strong>der</strong> Kolleg:<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> BüZ-Schulen im Anschluss an ihren<br />

Besuch wirken tief und lange nach. Lob<br />

<strong>der</strong> Peers kommt von höchster Stelle,<br />

Fragen <strong>der</strong> Peers wollen beantwortet<br />

werden. Da sich alle Besucher*<strong>in</strong>nen<br />

und alle an <strong>der</strong> Schule Tätigen an denselben<br />

Standards orientierten, s<strong>in</strong>d viele<br />

Fragestellungen obsolet, die sich auf<br />

die Gestaltung des Unterrichts und des<br />

Lebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule beziehen.<br />

E<strong>in</strong> richtungsweisen<strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong><br />

Rückmeldung nach dem ersten Schulbesuch<br />

Warum nicht die 4.Klässler <strong>in</strong><br />

die Jahrgangsmischung e<strong>in</strong>beziehen? begleitete<br />

die Schulentwicklung fast zehn<br />

Jahre lang, bis wir 2019 e<strong>in</strong>en Weg gefunden<br />

hatten, diesem Gedanken Rechnung<br />

zu tragen. Auch dieser <strong>in</strong>tensive<br />

Weiterentwicklungsprozess profitierte<br />

deutlich von <strong>der</strong> Hospitation an Schulen<br />

aus dem BüZ-Netzwerk: Im Nachgang<br />

<strong>der</strong> Hospitationen von Kolleg*<strong>in</strong>nen an<br />

Schulen mit unterschiedlichen Lösungen<br />

zum Jahrgangsübergreifenden Lernen<br />

trugen wir die Erkenntnisse zusammen<br />

und entwickelten an <strong>der</strong> Südschule e<strong>in</strong><br />

eigenes Konzept zur Gestaltung von<br />

Lernhäusern.<br />

Werkstatt Individuell<br />

und Tagungen<br />

E<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Hilfe<br />

für die Unterrichtsentwicklung und<br />

die Professionalisierung aller Lehrkräfte<br />

stellten die Besuche <strong>der</strong> Werkstätten<br />

<strong>der</strong> Bosch-Stiftung dar, die<br />

später im Rahmen <strong>der</strong> Werkstätten<br />

des BüZ angeboten wurden. Die Entwicklung<br />

offener Aufgabenstellungen<br />

für jahrgangs ge misch te Lerngruppen<br />

wurde massiv beför<strong>der</strong>t. Unmittelbar<br />

e<strong>in</strong>bezogen waren die Mitarbeitenden<br />

<strong>der</strong> OGS durch die rhythmisierte Ganztagsstruktur.<br />

Neben die allgeme<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>führungen <strong>in</strong> die Schreib- und<br />

Lese lernprozesse sowie <strong>in</strong> Grund lagen<br />

<strong>der</strong> Grundschulmathematik traten weitere<br />

<strong>in</strong>terne Fortbildungen z. B. zum<br />

Umgang mit schwierigem Verhalten.<br />

Neben den Werkstatt-Treffen f<strong>in</strong>den<br />

alle drei Jahre Tagungen des Schulverbunds<br />

für alle Mitgliedsschulen statt. Die<br />

Tagungen dienen vornehmlich <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />

Verständigung.<br />

Resümee: Warum tun wir das?<br />

Schulen vermitteln traditionell Kulturtechniken.<br />

Ihr Auftrag ist aber weiter<br />

gespannt. K<strong>in</strong><strong>der</strong> müssen e<strong>in</strong>en Lernraum<br />

vorf<strong>in</strong>den, <strong>der</strong> sie zu mündigen<br />

Teilhabenden und demokratisch<br />

Gestaltenden ihrer geme<strong>in</strong>samen Zu -<br />

kunft heranreifen lässt.<br />

Diesen Aufgaben kann sich e<strong>in</strong> Kollegium<br />

nur durch geme<strong>in</strong>sames Nachdenken,<br />

Beschreiben <strong>der</strong> jeweils nächsten<br />

Könnensstufe e<strong>in</strong>es jeden K<strong>in</strong>des und<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>es Kodex’ <strong>der</strong> ethisch<br />

verantworteten Erziehungsarbeit nähern.<br />

Peer reviews eröffnen Zeit und Raum,<br />

geben Antworten, entwickeln Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und stärken Schulen, K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Kollegien.<br />

Christ<strong>in</strong>e Beermann, Konrektor<strong>in</strong> an<br />

<strong>der</strong> Südschule 2006, komm. Leitung<br />

2015, Rektor<strong>in</strong> 2016 - 2022<br />

Torsten Buncher, Konrektor an <strong>der</strong><br />

Südschule 1998, komm. Leitung 1999,<br />

Rektor 2001-2015, heute Schulaufsicht<br />

für <strong>Grundschule</strong>n<br />

26<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Re<strong>in</strong>hard Stähl<strong>in</strong>g<br />

Wie entwickelten sich <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />

Klasse feste Erwachsenen-Teams als<br />

Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft?<br />

Inklusion <strong>in</strong> Berg Fidel<br />

Die Entwicklung des Konzepts <strong>der</strong> so genannten „son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>ung“<br />

<strong>in</strong> unserer Schule hat zehn bis zwanzig Jahre gedauert. Ohne dass es uns<br />

von Anfang an bewusst war, g<strong>in</strong>g es letzten Endes bei aller Son<strong>der</strong>- o<strong>der</strong> Integrationspädagogik<br />

immer nur um die Schaffung von stabilen und solidarischen Geme<strong>in</strong>schaftsstrukturen,<br />

<strong>in</strong> denen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im sozialen Brennpunkt Berg Fidel<br />

Verlässlichkeit erfahr en können.<br />

Unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Eltern<br />

verlangten nach e<strong>in</strong>er solidarischen<br />

Klassengeme<strong>in</strong>schaft, aus<br />

<strong>der</strong> ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ausgeschlossen werden<br />

kann s (Stähl<strong>in</strong>g & Wen<strong>der</strong>s 2021).<br />

„Und sie benötigen e<strong>in</strong>e feste Teamgruppe<br />

von Erwachsenen, die ke<strong>in</strong>en fallen<br />

lässt“, so sagte ich bei je<strong>der</strong> Gelegenheit<br />

zu me<strong>in</strong>en Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen.<br />

„Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen auch verlässliche<br />

Absprachen über Tagespläne, Pläne<br />

<strong>der</strong> Woche und Vorankündigungen von<br />

beson<strong>der</strong>en Ereignissen. Und feste Regeln,<br />

die auch konsequent e<strong>in</strong>gehalten<br />

werden!“, ergänzte e<strong>in</strong>e Klassenlehrer<strong>in</strong>,<br />

„Das geht nur mit e<strong>in</strong>er festen Teamsitzung“.<br />

In e<strong>in</strong>er Konferenz beschlossen wir<br />

schließlich für die ganze Schule, dass <strong>in</strong><br />

je<strong>der</strong> Klasse wöchentlich e<strong>in</strong>e feste und<br />

verpflichtende Teamsitzung stattf<strong>in</strong>det:<br />

Daran nehmen alle teil, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse<br />

mitwirken. Allen wurde immer klarer,<br />

dass dies so wertvoll ist, dass wir jedem<br />

Teammitglied dafür e<strong>in</strong>e Stunde anrechnen<br />

müssten. Im Stundenplan war<br />

die Teamsitzung fest e<strong>in</strong>geplant.<br />

Das klasseneigene<br />

Pädagogen-Team als<br />

Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Nach e<strong>in</strong>igen Jahren hatten die<br />

Erwachsenen e<strong>in</strong>er jeden Klasse e<strong>in</strong>en<br />

unverwechselbaren Stil <strong>der</strong> Teamarbeit<br />

entwickelt. Jedes Team übernahm die<br />

Verantwortung für die Gesamtwoche<br />

und die Lernkultur. Jedes Team erprobte<br />

autonome Wege und organisierte Vertretungsregelungen<br />

selbst (Stähl<strong>in</strong>g &<br />

Wen<strong>der</strong>s 2015, S. 8 ff).<br />

Unterschiedlich waren je nach Teamzusammensetzung<br />

die Aufgabenverteilung<br />

und die Herangehensweisen. In<br />

e<strong>in</strong>em Team z. B. arbeitete e<strong>in</strong>e Berufsanfänger<strong>in</strong><br />

als Klassenlehrer<strong>in</strong> zusammen<br />

mit e<strong>in</strong>er erfahrenen und vielseitig<br />

e<strong>in</strong>setzbaren Erzieher<strong>in</strong>, die bereits<br />

e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppe geleitet hatte.<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> war Musiklehrer<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Team hatte als „Honorarkraft“<br />

e<strong>in</strong>e engagierte Mutter, die im<br />

Stadtteil verwurzelt war. Sie arbeitete<br />

zusammen mit e<strong>in</strong>er erfahrenen<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>er Erzieher<strong>in</strong>,<br />

die ihre pädagogischen E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim gesammelt hatte. In<br />

e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Team fasz<strong>in</strong>ierte das Engagement<br />

e<strong>in</strong>er jungen Fußballtra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>,<br />

über das sie schnell das Vertrauen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gewann.<br />

Die Teams waren <strong>in</strong> ihrer Zusammenarbeit<br />

weniger durch ihre verschiedenen<br />

Berufe gekennzeichnet als durch die<br />

Persönlichkeiten ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Die<br />

Arbeit war geprägt durch die <strong>in</strong>dividuellen<br />

Möglichkeiten und Stärken <strong>der</strong><br />

Team-Mitglie<strong>der</strong>. Seit 1992 hatten wir<br />

im Zusammenhang mit <strong>der</strong> gebundenen<br />

Ganztagsgrundschule den Begriff „multiprofessionelles<br />

Team“ (Stähl<strong>in</strong>g 2004)<br />

benutzt – geme<strong>in</strong>t als festes Klassenteam.<br />

Heute wird <strong>der</strong> Begriff häufig aus<br />

dem Zusammenhang des Klassenteams<br />

gelöst und sogar e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

von Klassenlehrer:<strong>in</strong> und Son<strong>der</strong>pädagog:<strong>in</strong><br />

als „multiprofessionelle“ Arbeit<br />

bezeichnet. Aber erst wenn die multiprofessionellen<br />

Teams zu e<strong>in</strong>er Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

für alle K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Klasse werden, än<strong>der</strong>t<br />

sich <strong>der</strong> gesamte Unterricht und die<br />

Qualität steigt.<br />

Klasseneigene Pädagog:<strong>in</strong>nen-<br />

Teams <strong>in</strong> <strong>der</strong> PRIMUS-Schule<br />

Berg Fidel/Geist <strong>in</strong> Münster<br />

Unsere Schule ist <strong>in</strong>zwischen seit 2014<br />

aufgebaut als gebundene Ganztagsschule<br />

von Jahrgang 1 – 10. Jede Klasse<br />

hat e<strong>in</strong> festes eigenes Erwachsenen-<br />

Team. Neben den hauptamtlichen<br />

Pädagog:<strong>in</strong>nen (z. B. Klassenlehrer:<strong>in</strong>,<br />

Son<strong>der</strong>pädagog:<strong>in</strong>, Erzieher:<strong>in</strong> und<br />

Schulbegleiter:<strong>in</strong>), gehören pädagogische<br />

Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen zum Team (z. B.<br />

Bildung – und Teilhabe- Kräfte -Kräfte,<br />

Studierende, Praktikant:<strong>in</strong>nen). Die<br />

Klassenlehrer:<strong>in</strong>nen leiten ihre Teams<br />

und s<strong>in</strong>d Hauptansprechpartner:<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Eltern.<br />

Diese Erwachsenen s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>sam<br />

für sämtliche pädagogischen Aufgaben<br />

und für alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> verantwortlich. Der<br />

Plan <strong>der</strong> Woche wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> wöchentlichen<br />

Teamsitzung vere<strong>in</strong>bart.<br />

Um die Woche zu planen, über<br />

Schüler:<strong>in</strong>nen zu sprechen und die<br />

Arbeit zu koord<strong>in</strong>ieren, haben alle<br />

Teams <strong>in</strong>zwischen montagnachmittags<br />

von 13.15 bis ca. 14.45 Uhr Teamsitzungen<br />

<strong>in</strong> ihrem Klassenraum. Dies<br />

geschieht zur selben Zeit, damit die<br />

Teams untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auf kurzen Wegen<br />

Absprachen treffen können.<br />

Jedes Klassenteam kann alle 6 – 8 Wochen<br />

Supervision nutzen und zieht sich<br />

e<strong>in</strong>mal pro Halbjahr zu e<strong>in</strong>em Teamtag<br />

zurück. An diesem Teamtag übernimmt<br />

e<strong>in</strong> Partnerteam die Klasse. Im Gegenzug<br />

vertritt das eigene Team das Partnerteam<br />

bei dessen Teamtag.<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

27


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Beispiel Ali<br />

„Dass wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule Berg Fidel als<br />

Erwachsene immer noch nicht gut<br />

genug s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong>, möchte<br />

ich aber doch sagen“, sagte e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>pädagog<strong>in</strong><br />

im Lehrzimmer. „Wir son<strong>der</strong>n<br />

aus, ohne es selbst zu bemerken.<br />

Im Alltag passiert uns das immer wie<strong>der</strong>:<br />

Beispiel Ali.“<br />

„Ja, er traktierte so sehr die an<strong>der</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Klasse, dass wir im<br />

Team nach e<strong>in</strong>em Jahr schließlich die<br />

Hoffnung aufgegeben haben. Er soll <strong>in</strong><br />

die Son<strong>der</strong>schule. Wir haben vieles vergeblich<br />

versucht. Niemand kann noch<br />

weitere Kraft <strong>in</strong>vestieren, um dem Jungen<br />

zu helfen. Wir müssen auch die<br />

an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> schützen!“, sagte die<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong>.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ließ mich als Schulleiter die<br />

Metapher von <strong>der</strong> Schule als Schiff nicht<br />

ruhen. Auf e<strong>in</strong>em Segelschiff, das mit<br />

„schwer erziehbaren“ Jugendlichen <strong>in</strong><br />

See sticht, ist man auch bei schwersten<br />

Regelverstößen nicht berechtigt, e<strong>in</strong>en<br />

Jugendlichen über Bord zu werfen.<br />

Könnte Ali weiterh<strong>in</strong> wohnortnah<br />

zur Schule gehen und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Klassengeme<strong>in</strong>schaft bleiben? Ich bat<br />

darum, dass wir dieses Problem noch<br />

e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Ruhe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Supervision angehen:<br />

Das Team versetzte sich während<br />

e<strong>in</strong>er angeleiteten Phantasiereise <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e problembeladene, alltägliche Situation,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ali etwas tat, das die Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen<br />

hilflos machte, ärgerte o<strong>der</strong><br />

provozierte. Dann wechselte jede:r die<br />

Perspektive und identifizierte sich mit<br />

dem Jungen: Wie fühle und denke ich als<br />

Ali? Was berührt mich als Ali beson<strong>der</strong>s?<br />

Alle Teammitglie<strong>der</strong> sagten, dass Ali<br />

mehr Zuwendung will. Er lenkt Aufmerksamkeit<br />

auf sich, <strong>in</strong>dem er etwas<br />

„anstellt“. Unsere vergeblichen Maßnahmen<br />

zur Integration <strong>in</strong> die Klassengeme<strong>in</strong>schaft<br />

scheiterten, weil Ali jedes<br />

pädagogisch ausgefeilte Gruppenangebot<br />

(Entspannungsübungen, Reiten, <strong>in</strong>tensives<br />

Kle<strong>in</strong>gruppentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g u. a.) für se<strong>in</strong>e<br />

Zwecke umdef<strong>in</strong>ierte: Er wollte, dass<br />

man sich mit ihm beschäftigt und ihn <strong>in</strong><br />

den Mittelpunkt rückt. Durch se<strong>in</strong> Verhalten<br />

unterlief er unsere Aktivitäten.<br />

Die Pädagog:<strong>in</strong>nen gaben ihn schließlich<br />

auf, weil ihre Maßnahmen und Methoden<br />

nicht zum Erfolg führten.<br />

Die Klassenlehrer<strong>in</strong> stellte plötzlich<br />

e<strong>in</strong>e überraschende Frage: „Was wollen<br />

wir eigentlich? Wollen wir unsere attraktiven<br />

Angebote durchführen und ihn<br />

dann davon ausschließen o<strong>der</strong> wollen<br />

wir zu ihm e<strong>in</strong>e Beziehung aufbauen?“<br />

Es dauerte etwas, bis wir erkannten,<br />

dass unsere Angebote ihm nichts halfen,<br />

weil wir sie auf jeden Fall „durchzogen“.<br />

„Aber unsere Aktivitäten mit <strong>der</strong> ganzen<br />

Klasse s<strong>in</strong>d doch fest im Stundenplan<br />

verankert. Raumbelegungspläne,<br />

E<strong>in</strong>satzzeiten <strong>der</strong> Kolleg:<strong>in</strong>nen und die<br />

Abstimmung mit an<strong>der</strong>en Projekten.<br />

Die Maßnahmen s<strong>in</strong>d doch auch erfolgreich.<br />

Sollen wir wegen e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

alles auf den Kopf stellen?“, fragte die<br />

Erzieher<strong>in</strong>. „Für e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d sie<br />

passend und wertvoll, aber nicht für Ali.<br />

Was tun?“<br />

„Er stört immer die Aktivität, er<br />

nimmt sie nicht an, er könnte so gut<br />

davon lernen!“, warf e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>.<br />

Bereits am Tag nach <strong>der</strong> Supervision<br />

begannen wir, Ali an<strong>der</strong>s wahrzunehmen<br />

– als e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das verzweifelt nach<br />

Liebe schreit. Ohne groß darüber zu debattieren,<br />

gaben wir es auf, irgende<strong>in</strong><br />

Verhalten von ihm zu erwarten. Wir for<strong>der</strong>ten<br />

nicht mehr, dass er an e<strong>in</strong>em Angebot<br />

teilnahm. Im Team sprachen wir<br />

ab, dass wir alle Lernanfor<strong>der</strong>ungen reduzieren.<br />

Die Erzieher<strong>in</strong> nahm ihn e<strong>in</strong>ige Tage<br />

später an die Hand und fragte, was er<br />

gerne machen wolle. Sie zeigte ihm vieles<br />

im Haus, im Gelände, außerhalb <strong>der</strong><br />

Schule und wartete, bis ihn irgendetwas<br />

<strong>in</strong>teressierte. „Daran setzen wir jetzt an!“,<br />

sagte sie im Team.<br />

Ali blieb an unserer Schule. Stundenpläne<br />

mussten nicht geän<strong>der</strong>t werden,<br />

aber die Angebote wurden nicht<br />

zur Hürde für ihn. Auch wir reagierten<br />

flexibler und for<strong>der</strong>ten nur so viel<br />

von ihm, wie er sich selbst abverlangte.<br />

Dazu entwickelte das Team zusammen<br />

e<strong>in</strong>en „För<strong>der</strong>plan“. Jedes Teammitglied<br />

wusste, an welchen Zielen Ali momentan<br />

arbeitete. Am Ende des Tages gab es<br />

e<strong>in</strong> Gespräch mit Ali: Was war gelungen,<br />

was machen wir morgen?<br />

In <strong>der</strong> Teamsitzung fasste es die<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong> zusammen. „Nicht das<br />

pädagogische o<strong>der</strong> therapeutische Angebot,<br />

son<strong>der</strong>n die Beziehung zum K<strong>in</strong>d<br />

entscheidet doch über den Erfolg!“<br />

„Richtig, ich übertreibe nicht: egal was<br />

es anstellt, wir halten zu ihm, diese Botschaft<br />

spürt er genau“, bestätigte ich.<br />

Dr. Re<strong>in</strong>hard Stähl<strong>in</strong>g<br />

bis 2022 Schulleiter <strong>der</strong> PRIMUS-Schule<br />

Berg Fidel/Geist <strong>in</strong> Münster, e<strong>in</strong>er Gesamtschule<br />

<strong>der</strong> Jahrgänge 1–10.<br />

ggs-bergfidel@gmx.de<br />

www.re<strong>in</strong>hard-staehl<strong>in</strong>g.de<br />

„Ich würde mich freuen, wenn ihr<br />

das son<strong>der</strong>pädagogischen Gutachten<br />

und die Schülerzeugnisse bitte e<strong>in</strong>mal<br />

genau gegenlest und ergänzt o<strong>der</strong><br />

Fragezeichen daran macht! Das ist e<strong>in</strong>e<br />

geme<strong>in</strong>same Aufgabe des Teams. Es entlastet<br />

mich sehr und stärkt mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

Verantwortung. Ich b<strong>in</strong> zwar alle<strong>in</strong><br />

zuständig, aber eure Hilfe ist wertvoll“,<br />

sagte die Klassenlehrer<strong>in</strong> und fand ihre<br />

Teammitglie<strong>der</strong> bereit zu dieser Aufgabe.<br />

Empf<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Team wie e<strong>in</strong>e gut<br />

e<strong>in</strong>gespielte Feuerwehrmannschaft, so<br />

kann e<strong>in</strong> „Son<strong>der</strong>-E<strong>in</strong>satz“ selbstständig<br />

zum Wohle aller Mitwirkenden gel<strong>in</strong>gen.<br />

In <strong>der</strong> Praxis br<strong>in</strong>gt dann je<strong>der</strong> das e<strong>in</strong>,<br />

was er kann und überlässt an<strong>der</strong>en – angesichts<br />

eigener Grenzen – die Tätigkeitsfel<strong>der</strong>,<br />

die er nicht beherrscht. E<strong>in</strong><br />

gutes Team akzeptiert die persönlichen<br />

Grenzen jedes e<strong>in</strong>zelnen Mitglieds und<br />

arbeitet an <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Fähigkeiten<br />

von allen.<br />

Literatur<br />

Stähl<strong>in</strong>g, Re<strong>in</strong>hard (2004): Multiprofessionelle<br />

Teams <strong>in</strong> altersgemischten Klassen.<br />

E<strong>in</strong> Konzept für <strong>in</strong>tegrativen Unterricht.<br />

Die Deutsche Schule, 96 (1), 45–55.<br />

Stähl<strong>in</strong>g, Re<strong>in</strong>hard & Wen<strong>der</strong>s, Barbara<br />

(2015): Teambuch Inklusion. E<strong>in</strong> Praxisbuch<br />

für multiprofessionelle Teams. Baltmannsweiler:<br />

Schnei<strong>der</strong>.<br />

Stähl<strong>in</strong>g, Re<strong>in</strong>hard & Wen<strong>der</strong>s, Barbara<br />

(2021): Wor<strong>in</strong> unsere Stärke besteht. E<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>klusives Modell im sozialen Brennpunkt.<br />

Gießen: Psychosozial-Verlag.<br />

28<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Anke Spies, Heike Prüshoff<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Kooperationsverhältnisse mit dem Jugendhilfesystem (Teil I)<br />

Mit diesem Beitrag beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e offene Reihe zum K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Primarstufe.<br />

Wir möchten die sche<strong>in</strong>bar zusätzliche Belastung, die mit dem gesetzlich<br />

vorgegebenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzauftrag an Lehrkräfte und weitere schulische Akteur*<strong>in</strong>nen<br />

herangetragen wird reduzieren, <strong>in</strong>dem wir Wissen und Handlungsstrategien<br />

für den schulischen Alltag erläutern und vor allem zielführende Kooperationsmöglichkeiten<br />

mit dem Jugendhilfesystem aufzeigen.<br />

Wir gehen jeweils von e<strong>in</strong>em<br />

authentischen Fall aus <strong>der</strong><br />

Grundschulpraxis aus, zeigen<br />

dessen Komplexität und klären, wie die<br />

Aufgaben, die zum schulischen Alltag<br />

gehören von den Aufgaben des Hilfesystems<br />

abgrenzt werden können, damit<br />

betroffenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Hilfe zukommen<br />

kann, ohne dass sich schulische<br />

Akteur*<strong>in</strong>nen überfor<strong>der</strong>n, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Zugang zum Hilfesystem vorenthalten<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Bildungsbiografie zusätzlich<br />

gefährden.<br />

Lehrkräfte s<strong>in</strong>d immer mögliche erste<br />

Ansprechpartner*<strong>in</strong>nen für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d,<br />

das aktiv Hilfe sucht. Aber auch als Beobachter*<strong>in</strong>nen<br />

k<strong>in</strong>dlicher Verhaltensausdrücke,<br />

die auf Gewalt- o<strong>der</strong> Vernachlässigungsstrukturen<br />

h<strong>in</strong>deuten<br />

können, s<strong>in</strong>d Lehrkräfte wichtige Mittler*<strong>in</strong>nen<br />

zum Hilfesystem: In <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Beziehung haben sie e<strong>in</strong>e<br />

Schlüsselfunktion für die M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Gefährdung e<strong>in</strong>er Bildungsbiografie,<br />

die im Aufwachsen unter Gewaltund<br />

Vernachlässigungserfahrungen<br />

massiv bedroht se<strong>in</strong> kann. Um <strong>in</strong> dieser<br />

Aufgabe we<strong>der</strong> übereilt noch resignativ,<br />

son<strong>der</strong>n zielführend zu handeln,<br />

haben Lehrkräfte und an<strong>der</strong>e professionelle<br />

Akteur*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Schulen<br />

als Berufsgeheimnisträger*<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong><br />

Recht auf professionelle, fachlich gem.<br />

§ 8a SGB VIII im K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz ausgewiesene<br />

Unterstützung. Zugleich stehen<br />

sie berufsethisch <strong>in</strong> <strong>der</strong> professionellen<br />

Pflicht <strong>der</strong> Mitverantwortung, können<br />

aber auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>terprofessionellen/<br />

multiprofessionellen Teams <strong>in</strong>nerhalb<br />

ihrer Schule nicht davon ausgehen, dass<br />

das nötige Wissen tatsächlich vorhanden<br />

ist. Schon das Wissen um H<strong>in</strong>tergründe,<br />

Zwecke und Praxen von Aufgaben und<br />

Grenzen <strong>in</strong> Fallzugängen ist also e<strong>in</strong> zentraler<br />

Bauste<strong>in</strong> für aktiven K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>, dem gem. <strong>der</strong> Empfehlungen<br />

<strong>der</strong> KMK (2023) auch e<strong>in</strong> dezidiertes<br />

schulisches Schutzkonzept zugrunde<br />

liegen sollte.<br />

Als Theorie-Praxisteam veranschaulichen<br />

wir fallbezogene Klärungen aus<br />

<strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> im K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz ausgewiesenen<br />

„Insofern erfahrenen Fachkraft<br />

gem. § 8a SGB VIII“: Heike Prüshoff<br />

ist freiberuflich als systemische Supervisor<strong>in</strong><br />

und Teamentwickler<strong>in</strong> für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstäten, Schulen und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe tätig.<br />

Als langjährige Fachberater<strong>in</strong> gem.<br />

§ 8a/8b SGB VIII und aus ihren Tätigkeiten<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Gefährdungse<strong>in</strong>schätzung<br />

bei K<strong>in</strong>deswohlgefährdungen,<br />

<strong>der</strong> Beratung betroffener K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Angehöriger, <strong>der</strong> Begleitung von Schutzkonzeptentwicklungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Grundschule</strong>n<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten, sowie <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Verfahrensabläufen im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz für sämtliche im KKG<br />

(s.u.) genannten Berufsgruppen und<br />

<strong>der</strong>en Aus- und Fortbildung br<strong>in</strong>gt sie<br />

Expertise <strong>in</strong> die Fallerörterungen e<strong>in</strong> und<br />

kennt die organisationalen ‚Schwachstellen‘<br />

im System.<br />

Die grundschulpädagogische E<strong>in</strong>ordnung<br />

<strong>der</strong> Fälle und die Aufbereitung<br />

des wissenschaftlichen K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzdiskurses<br />

leistet Dr. Anke Spies als Professor<strong>in</strong><br />

für Erziehungswissenschaft mit<br />

dem Schwerpunkt Pädagogik und Didaktik<br />

<strong>der</strong> Elementar- und Primarbildung<br />

an <strong>der</strong> Carl von Ossietzky Universität<br />

Oldenburg vor dem langjährigen<br />

H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Fragen des<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzes und <strong>der</strong> K<strong>in</strong>deswohlgefährdung,<br />

sowie <strong>der</strong> Aufbereitung dieses<br />

Themenfeldes <strong>in</strong> Forschung, Lehre<br />

und Fortbildung.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz gehört zum<br />

professionellen ‚Kerngeschäft‘<br />

<strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

M<strong>in</strong>destens jedes dritte bis fünfte K<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>er Grundschulklasse ist von Vernachlässigung,<br />

psychischer und physischer<br />

Misshandlung, sexualisierter<br />

Gewalterfahrungen, häuslicher Gewalt,<br />

Hochkonflikttrennung o<strong>der</strong> Gewaltkumulationen<br />

betroffen. Dritt- und<br />

Viertklässler*<strong>in</strong>nen gelten als Hochrisikogruppe<br />

für sexualisierte Gewalt.<br />

Der Dunkelfeldforschung zufolge s<strong>in</strong>d<br />

je Klasse etwa e<strong>in</strong> bis zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

betroffen (Destatis 2022).<br />

Obwohl professionelle pädagogische<br />

Akteur*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>Grundschule</strong>n (Lehrkräfte,<br />

Schulleitungen, Schulsozialarbeit,<br />

För<strong>der</strong>schullehrkräfte) e<strong>in</strong>e wichtige Instanz<br />

s<strong>in</strong>d, um K<strong>in</strong><strong>der</strong>wohlgefährdung<br />

<strong>in</strong> Kooperation mit <strong>der</strong> Jugendhilfe zu<br />

erkennen und Hilfe zu vermitteln, fehlen<br />

ihnen oft Rechts- und Handlungssicherheiten,<br />

wie u.a. die bundesweiten<br />

Evaluationen des Deutschen Jugend<strong>in</strong>stituts<br />

(DJI) zeigen. Sofern sich schon<br />

e<strong>in</strong>e Delegationspraxis etabliert hat, die<br />

von e<strong>in</strong>em ‚Kerngeschäft Unterricht‘<br />

ausgeht und pädagogische Beziehungen<br />

u.a. <strong>der</strong> Schulsozialarbeit o<strong>der</strong> son<strong>der</strong>pädagogischen<br />

Kolleg*<strong>in</strong>nen und Programmatiken<br />

überantwortet, ist <strong>der</strong><br />

Zugang zum E<strong>in</strong>zelfall bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

Denn K<strong>in</strong><strong>der</strong> äußern sich gegenüber<br />

Lehrkräften, Schulsozialarbeit, Son<strong>der</strong>pädagog*<strong>in</strong>nen<br />

o<strong>der</strong> Schulleitungen<br />

nur dann direkt, wenn sie diese aufgrund<br />

von Beziehungserfahrungen als<br />

vertrauenswürdig e<strong>in</strong>schätzen können<br />

und sie den Mut zur Aufdeckung aufbr<strong>in</strong>gen<br />

können. An<strong>der</strong>nfalls s<strong>in</strong>d sie<br />

auf Rückzüge, Unauffälligkeit, körperliche<br />

Symptome o<strong>der</strong> offensive Verhaltens<strong>in</strong>szenierungen<br />

angewiesen, die<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Konzentration auf den fachlichen<br />

Unterricht leicht übersehen o<strong>der</strong> mittels<br />

diagnostischer Verfahren, programmatischer<br />

(Sozial-)Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs und Sanktionen<br />

‚unsichtbar‘ werden können,<br />

wenn die Möglichkeiten von K<strong>in</strong>des-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

29


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

wohlgefährdungen nicht h<strong>in</strong>reichend –<br />

auch im Unterricht – berücksichtigt s<strong>in</strong>d<br />

(Spies 2022).<br />

Mit dem Bundesk<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzgesetztes<br />

(BKiSchG) und dem Gesetz zur Kooperation<br />

und Information im K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz<br />

(KKG) ist die Verpflichtung<br />

zur schulischen Beteiligung am aktiven<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz seit 2012 rechtlich<br />

verankert und wird vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendhilferecht (SGB VIII) gestützt. Mit<br />

§3 KKG (3) stehen alle Schulen als Organisationen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, ihre schulischen<br />

Entwicklungsprozesse zur Verbesserung<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzes auch an <strong>der</strong> strukturellen<br />

Vernetzung mit den Kooperationsstrukturen<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe auszurichten.<br />

Mit §4 KKG s<strong>in</strong>d Lehrkräfte und weitere<br />

schulische Akteur*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> im E<strong>in</strong>zelfall rechtsund<br />

handlungssicher pädagogisch unterstützen<br />

zu können. Dafür steht ihnen<br />

mit §8b SGB VIII /§4 KKG die Beratung<br />

durch e<strong>in</strong>e, im K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz (<strong>in</strong>sofern)<br />

erfahrene und ausgewiesene Fachkraft<br />

(InsoFa §8a) zu.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sche<strong>in</strong>en <strong>Grundschule</strong>n<br />

dazu zu neigen, diese Rechtsvorschriften<br />

nicht umzusetzen, zu missverstehen o<strong>der</strong><br />

über Delegationspraxen zu umgehen:<br />

Den Daten des Statistischen Bundesamtes<br />

zufolge werden lediglich 10% <strong>der</strong> jährlich<br />

dem Hilfesystem mitgeteilten Verdachtsfälle<br />

auf K<strong>in</strong>deswohlgefährdung<br />

von <strong>Grundschule</strong>n bzw. <strong>der</strong>en Akteur*<strong>in</strong>nen<br />

übermittelt. Fast ebenso viele Schulen<br />

geben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er repräsentativen Studie<br />

des DJI (Kappler & Pooch 2018) <strong>in</strong> Bezug<br />

auf sexualisierte Gewalt an, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz<br />

ke<strong>in</strong>e Relevanz für sie habe. Zusammen<br />

mit den 41% <strong>der</strong> Schulen, die<br />

schulischem K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Rolle zuschreiben, sche<strong>in</strong>t demnach<br />

etwa die Hälfte <strong>der</strong> Schulen <strong>in</strong> Deutschland<br />

we<strong>der</strong> an kooperativen Vernetzungsstrukturen<br />

beteiligt zu se<strong>in</strong>, noch die professionellen<br />

pädagogischen Beziehungen<br />

zur Vermittlung <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen zu för<strong>der</strong>n,<br />

die nötig s<strong>in</strong>d, damit die gesetzlichen<br />

Aufträge an schulpädagogische<br />

<strong>Professionalität</strong> umgesetzt werden können.<br />

Als Ursachen ermittelt e<strong>in</strong>e weitere<br />

DJI-Studie (Zimmermann 2019) unzureichende<br />

Wissensbestände, die e<strong>in</strong>e<br />

ungenügende Handlungs- und Rechtssicherheit<br />

von Lehrkräften für die Hilfe<br />

im E<strong>in</strong>zelfall begründen und zu e<strong>in</strong>er als<br />

Kooperation deklarierten Delegation o<strong>der</strong><br />

De-Thematisierung führen.<br />

„Ärger zu Hause“<br />

E<strong>in</strong>e unauffällige Drittklässler<strong>in</strong> mit<br />

guten Leistungen wendet sich wegen<br />

„Ärger zu Hause“ hilfesuchend an ihre<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong>, die sie an die Schulsozialarbeit<br />

verweist. Entwe<strong>der</strong> ist die<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong> von diesem Vertrauensbeweis<br />

(emotional) überfor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong><br />

Rechts- und Sachlage unsicher o<strong>der</strong> es<br />

besteht e<strong>in</strong>e organisations<strong>in</strong>terne Regelung<br />

zur Delegation an Schulsozialarbeit.<br />

Die Schüler<strong>in</strong> kostet es fraglos viel<br />

Mut und Abwägung, ihre Lehrer*<strong>in</strong> um<br />

(professionelle) Unterstützung zu bitten,<br />

denn sie nimmt das Risiko familiendynamischer<br />

Konsequenzen <strong>der</strong> Aufdeckung<br />

(Hilfegesuch) <strong>in</strong> Kauf. Möglicherweise<br />

ist die Lehrkraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong> jene Bezugsperson,<br />

<strong>der</strong> im Resilienzdiskurs viel<br />

Wirkmächtigkeit zugeschrieben wird.<br />

Würde die Klassenlehrer<strong>in</strong> als Vertrauensperson<br />

auf die Delegation an die<br />

Schulsozialarbeit verzichten und ihrer<br />

Schüler<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er k<strong>in</strong>dzentrierten Haltung<br />

begegnen, könnte das damit verbundene<br />

Beziehungs- bzw. B<strong>in</strong>dungsangebot<br />

e<strong>in</strong>e stabilisierende Funktion<br />

haben. Sie könnte nach Erläuterungen<br />

des Ärgers und <strong>der</strong> häuslichen Situation<br />

fragen und würde damit professionelle<br />

pädagogische Haltung, Präsenz und<br />

Aufmerksamkeit signalisieren, den Mut,<br />

den das Sich-Anvertrauen erfor<strong>der</strong>t würdigen<br />

und das Risiko anerkennen, dem<br />

sich das K<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Suche nach Hilfe<br />

aussetzt.<br />

In e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> mehreren solcher Gespräche<br />

hätte die Lehrer<strong>in</strong> Informationen<br />

zur E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Sachlage erhalten<br />

und mit dem K<strong>in</strong>d absprechen<br />

können, welche Schritte sie als Erwachsene<br />

als nächstes unternimmt. So<br />

wäre sie im ‚Kerngeschäft‘ <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Beziehung geblieben, hätte sich<br />

parallel dazu, aber als Berufsgeheimnisträger<strong>in</strong><br />

pseudonymisiert (!) durch die<br />

Beratung e<strong>in</strong>er §8a-InsoFa Feedback<br />

für ihr pädagogisches Handeln und<br />

zur Gefährdungse<strong>in</strong>schätzung erhalten.<br />

E<strong>in</strong> solches <strong>in</strong>terprofessionelles und fallbezogenes<br />

Kooperationsverhältnis mit<br />

dem Jugendhilfesystem wäre die Grundlage<br />

für sämtliche weitere Schritte und<br />

an<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>zelfälle, die an dieser Schule<br />

Unterstützung benötigen. E<strong>in</strong> solches<br />

Kooperationsverhältnis wäre zudem e<strong>in</strong><br />

Bauste<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> strukturellen Rahmung<br />

für die <strong>in</strong>terorganisationale Zusammenarbeit<br />

zwischen E<strong>in</strong>zelschule(n) und<br />

kommunaler/regionaler Jugendhilfe. So<br />

würden mit jedem beratenen E<strong>in</strong>zelfall<br />

auch die professionellen pädagogischen<br />

Kompetenzen <strong>in</strong>nerhalb des Kollegiums<br />

wachsen und die Organisation Schule im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz h<strong>in</strong>zulernen können.<br />

Die professionelle Anfor<strong>der</strong>ung an die<br />

Lehrkraft liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> verantwortungsvollen,<br />

zuverlässigen weiteren Zuwendung<br />

zur Schüler<strong>in</strong> um <strong>der</strong>en Situation<br />

die Lehrkraft nun weiß und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> umgehenden pseudonymisierten (!)<br />

Kontaktaufnahme mit dem nächsten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutzzentrum o<strong>der</strong> <strong>der</strong> nächsten<br />

Fachberatungsstelle. Die emotionale<br />

Belastung des Aushaltens <strong>der</strong> Informationen<br />

ist fraglos gegeben, aber letztlich<br />

temporär, denn mit <strong>der</strong> kollegialen<br />

§ 8a Beratung löst sich das Spannungsbild,<br />

weil dort falladäquate pädagogische<br />

Handlungsschritte vere<strong>in</strong>bart werden,<br />

die die weiteren Unterrichtsbegegnungen<br />

mit <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong> entlasten.<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit<br />

Anke Spies<br />

ist Professor<strong>in</strong> für Erziehungswissenschaft<br />

und leitet den Arbeitsbereich<br />

„Pädagogik und Didaktik <strong>der</strong> Elementar-<br />

und Primarbildung“ im Institut für<br />

Pädagogik an <strong>der</strong> Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg.<br />

anke.spies@uol.de<br />

Heike Prüshoff<br />

Dipl. Sozpäd/Soz Arb., ist freiberuflich<br />

als systemische Supervisor<strong>in</strong> und<br />

Teamentwickler<strong>in</strong> für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten,<br />

Schulen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

tätig.<br />

h.prueshoff@web.de<br />

30<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Ina Herklotz, Christoph Weidmann<br />

Kompetenzorientiertes Arbeiten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> zweiten Phase <strong>der</strong> Lehrerbildung<br />

Perspektiven <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>arausbildung<br />

Der Übergang vom Studierenden zum Lehramtsanwärter bzw. zur Lehramtsanwärter<strong>in</strong><br />

und damit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Phase e<strong>in</strong>er zweijährigen Ausbildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Grundschulsem<strong>in</strong>ar stellt die Schnittstelle zwischen <strong>der</strong> Rolle als Lernende*r und<br />

<strong>der</strong> Rolle als Lehrkraft dar und verdient somit beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit.<br />

Für die Sem<strong>in</strong>arleitung bedeutet<br />

dies, den Lernprozess <strong>der</strong> jungen<br />

Lehrkräfte professionell und<br />

zukunftsorientiert zu gestalten.<br />

Die Motivation<br />

Fragen <strong>der</strong> Bildungspolitik stehen<br />

augenblicklich deutlich im öffentlichen<br />

Interesse. Insbeson<strong>der</strong>e das Schlagwort<br />

„Lehrermangel“ begleitet uns <strong>in</strong><br />

den Medien. Jede Lehrkraft wird im<br />

Moment dr<strong>in</strong>gend gebraucht, dennoch<br />

verzeichnen wir so viele Studienabbrecher*<strong>in</strong>nen<br />

bzw. Abbrecher*<strong>in</strong>nen<br />

des Vorbereitungsdienstes wie kaum<br />

jemals zuvor. „Komplexe digitale und<br />

gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

verän<strong>der</strong>n <strong>in</strong> unseren Schulen auch die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an Lehrkräfte. Benötigt<br />

werden zunehmend nicht nur fachliche<br />

Kompetenzen, son<strong>der</strong>n auch überfachliche<br />

Kompetenzen wie personale, digitale<br />

und transformative Fähigkeiten<br />

(Pressemitteilung Schule im Wandel,<br />

Stifterverband und McK<strong>in</strong>sey & Company,<br />

Berl<strong>in</strong>, 21.01.2022.).“<br />

Lehrkräfte brauchen also das Rüstzeug,<br />

auf Verän<strong>der</strong>ungen flexibel reagieren<br />

zu können und Innovationen eigenverantwortlich<br />

anzustoßen. Diese For<strong>der</strong>ung<br />

veranlasst zu e<strong>in</strong>em Umdenken<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung <strong>in</strong> Richtung Kompetenz-<br />

und Prozessorientierung. Treffend<br />

formuliert den Gedanken e<strong>in</strong>es<br />

professionellen Berufsbildes die Handreichung<br />

„Kompetenzorientierung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lehrerbildung“: „Die berufliche<br />

Handlungskompetenz ‚ist das Potenzial<br />

e<strong>in</strong>er Person (bestehend aus Kenntnissen,<br />

Fertigkeiten, E<strong>in</strong>stellungen, sowie<br />

die damit verbundenen motivationalen,<br />

volitionalen und sozialen Bereitschaften<br />

[s. We<strong>in</strong>ert] etc.), berufliche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

– also Arbeitsaufgaben und<br />

Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit – selbstorganisiert<br />

zu bewältigen’ (S. 17)“.<br />

Die Zielsetzung<br />

„Kompetenzorientierter Unterricht<br />

ermöglicht Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern<br />

e<strong>in</strong>e aktive geistige Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit bedeutsamen Themen und Fragestellungen<br />

und befähigt sie, auch neue<br />

Aufgaben und Problemstellungen zu<br />

lösen… Kompetenzorientierte Aufgaben<br />

ermöglichen...<strong>in</strong>dividuelle Zugänge, lassen<br />

vielfältige Lösungswege zu, weisen<br />

lebensweltorientierte Anwendungsbezüge<br />

auf und schaffen Anlässe zur<br />

Kommunikation und Reflexion (s. LehrplanPlus<br />

Bayern, S. 22, 23)“.<br />

Parallel zu, o<strong>der</strong> besser geboten<br />

durch die grundgelegte Kompetenzorientierung<br />

im Unterricht entwickeln<br />

wir also e<strong>in</strong>e entsprechende Konzeption<br />

für die Arbeit im Sem<strong>in</strong>ar, die<br />

e<strong>in</strong>en konstruktivistischen Bildungsbegriff<br />

e<strong>in</strong>schließt. Konstruktivistisches<br />

Lehren und Lernen stellt nach Hasselhorn/Gold<br />

folgende Bed<strong>in</strong>gungen:<br />

● aktiv: Eigenaktivität des Lernenden<br />

● konstruktiv: reale und komplexe<br />

Probleme<br />

● situiert: authentische, anwendungsorientierte<br />

Kontexte<br />

● selbstregulativ: selbstgesteuertes<br />

Lernen, metakognitive Regulation<br />

● sozial kooperatives Lernen<br />

(vgl. Hasselhorn,M./ Gold, A. <strong>in</strong>:<br />

Krug, U.: Handbuch zur för<strong>der</strong>- und<br />

kompetenzorientierten Unterrichtsentwicklung,<br />

S. 18)<br />

Kompetenzorientiertes Arbeiten ist<br />

komplex und erfor<strong>der</strong>t – vor allem<br />

für Berufse<strong>in</strong>steiger – den Mut, Prozesse<br />

zuzulassen und das Wissen und<br />

die Erfahrung, diese fach- und sachgerecht<br />

zu planen und durchzuführen.<br />

Damit die angehenden Lehrer*<strong>in</strong>nen<br />

Kompetenzorientierung zunehmend<br />

vertieft im eigenen Unterricht e<strong>in</strong>- und<br />

umsetzen können und wollen, muss<br />

diese auch im Sem<strong>in</strong>arbetrieb vorgelebt,<br />

erfahren und erprobt werden dürfen.<br />

Je früher dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildungsbiografie<br />

geschieht, desto vertiefter und <strong>in</strong>tensiver<br />

kann das Verständnis dafür entstehen.<br />

Erklärtes Ziel <strong>der</strong> Konzeption ist<br />

es also, kompetenzorientiertes Arbeiten<br />

be-greifbar zu machen und – professionell<br />

begleitet – die Eigenverantwortung<br />

im unterrichtlichen Tun und <strong>der</strong> Arbeit<br />

im Berufsfeld Schule während <strong>der</strong> Ausbildung<br />

durch <strong>in</strong>dividuell bedeutsam<br />

gewählte Handlungssituationen zu<br />

för<strong>der</strong>n.<br />

Die Umsetzung<br />

Prozesse als zentralen Wachstumsfaktor<br />

für Kompetenzen im Sem<strong>in</strong>ar<br />

zuzulassen, ist e<strong>in</strong> mutiger Schritt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> eigenen Sem<strong>in</strong>ararbeit. Die <strong>in</strong>haltliche<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Rahmenpläne und die<br />

umfassenden Bedarfe durch heterogene<br />

Fächerkomb<strong>in</strong>ationen und Voraussetzungen<br />

seitens <strong>der</strong> jungen Kolleg*<strong>in</strong>nen<br />

legt auf den ersten Blick e<strong>in</strong> <strong>in</strong>haltliches<br />

„Abarbeiten“ von Inhalten nahe,<br />

um alles „abhaken“ zu können.<br />

Ausschließlich e<strong>in</strong>zelne, <strong>in</strong> sich verme<strong>in</strong>tlich<br />

abgeschlossene Arbeitstage<br />

(AT) können dem Anspruch <strong>der</strong> beschriebenen<br />

Kompetenzorientierung<br />

kaum gerecht werden, da <strong>der</strong> Faktor<br />

„Zeit“ für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualisiert-handelnde<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung und Vertiefung<br />

vorhanden se<strong>in</strong> muss, um e<strong>in</strong>en<br />

vor allem prozessorientierten, <strong>in</strong>dividualisierten<br />

Lernzuwachs zu ermöglichen.<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

31


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Aus dieser Überlegung heraus entstand<br />

für den Teil <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>ararbeit, die sich<br />

<strong>in</strong>haltlich mit den Unterrichtsfächern<br />

(z. B. Deutsch, Mathematik) beschäftigt,<br />

die Konzeption <strong>der</strong> sog. „Fachetappe“.<br />

Im Gegensatz zu thematisch s<strong>in</strong>gulären<br />

Ausbildungstagen umfasst e<strong>in</strong>e Fachetappe<br />

e<strong>in</strong>en Zeitraum von mehreren<br />

Wochen und orientiert sich an den<br />

Lernschritten von J. Leisen (s. Abb. 1).<br />

Die Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen bereiten<br />

sich auf die Fachetappe vor, <strong>in</strong>dem sie<br />

Fachliteratur recherchieren und Materialien<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen E<strong>in</strong>satzschule<br />

sichten. Bei e<strong>in</strong>em „Kick-off “-Tag er -<br />

folgt das „Ankommen im Lerngegenstand“<br />

– e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten Lernbereich,<br />

z. B. Deutsch – Lesen o<strong>der</strong> Mathematik-<br />

Zahlen und Operationen. Inhalt an diesem<br />

Tag ist zunächst e<strong>in</strong> vertiefter fachdidaktischer<br />

Input verbunden mit e<strong>in</strong>er<br />

exemplarischen Erprobung und Diskussion<br />

e<strong>in</strong>er kompetenzorientierten<br />

unterrichtlichen Aufgabenstellung. An -<br />

schließend erfolgt e<strong>in</strong>e fokussierte und<br />

visualisierte Lehrplanarbeit verbunden<br />

mit <strong>der</strong> Annäherung an e<strong>in</strong> unterrichtlich<br />

bedeutsames Handlungsfeld im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es authentischen, anwendungsorientierten<br />

Kontexts.<br />

J. Leisen benennt dies als „Problemstellung“<br />

(s. Abb. 1). Diese bezieht sich<br />

auf e<strong>in</strong>e Kompetenzerwartung des<br />

Lehrplans und kann konkrete Unterrichtsplanungen<br />

genauso umfassen,<br />

wie beispielsweise Lehrwerksanalysen,<br />

die Entwicklung von Übungsformaten,<br />

Formen <strong>der</strong> Lernstandserhebung,<br />

Schülerbeobachtungen u.v.m. An<br />

<strong>der</strong> Konkretisierung dieser Handlungssituation<br />

(s. Abb. 2) arbeiten die Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen <strong>in</strong><br />

den nächsten Wochen jeweils e<strong>in</strong>en halben<br />

Sem<strong>in</strong>artag. Als Beispiele für unterrichtliche<br />

Handlungssituationen seien<br />

genannt: „Der unterrichtliche E<strong>in</strong>satz<br />

von Apps zum Stellenwertverständnis“,<br />

e<strong>in</strong>e Projektskizze aus dem Bereich Größen<br />

und Messen: „Das Sonnensystem<br />

auf dem Fußballplatz“ o<strong>der</strong> „E<strong>in</strong>e Leserolle<br />

zu Sachtexten“. Die jeweils an<strong>der</strong>e<br />

Hälfte des Ausbildungstages bleibt zeitlich<br />

flexibel und steht zur Unterrichtsmitschau<br />

genauso zur Verfügung wie zur<br />

Vertiefung e<strong>in</strong>zelner fachdidaktischer<br />

Inhalte seitens <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>arleitung. An<br />

den Unterrichtstagen <strong>der</strong> Fachetappe<br />

erproben die Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

ihre theoretisch angelegten Überlegungen.<br />

Die im Verlauf <strong>der</strong> Fachetappe<br />

konkretisierten Erfahrungsberichte<br />

und praktisch und theoretisch<br />

fundierten Ergebnisse <strong>der</strong> Handlungssituationen<br />

münden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en „Best-of “-<br />

Tag. Hier wird für e<strong>in</strong>en Ausbildungstag<br />

geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e „M<strong>in</strong>i-Tagung“ geplant<br />

und realisiert, die methodisch aus Elementen<br />

wie Workshops, Hauptvortrag,<br />

Ausstellung o<strong>der</strong> kommunikativen Formaten<br />

wie World-Café besteht. Die<br />

Arbeitsergebnisse <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsgruppen<br />

werden aufbereitet präsentiert,<br />

diskutiert und schließlich <strong>der</strong> gesamten<br />

Lerngruppe zugänglich gemacht.<br />

Die Überzeugung<br />

Die Möglichkeit sich aktiv und eigenverantwortlich<br />

die Thematik <strong>der</strong> Handlungssituation<br />

zu wählen und unterrichtlich<br />

umzusetzen ist <strong>der</strong> Kerngedanke<br />

<strong>der</strong> Konzeption (s. Abb.3). Im S<strong>in</strong>ne des<br />

konstruktivistischen Denkens ermöglicht<br />

dieser Schritt dem Lehramtsanwärter<br />

bzw. <strong>der</strong> Lehramtsanwärter<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e aktive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem<br />

fachdidaktischen Lerngegenstand. Die<br />

Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>gruppe erfor<strong>der</strong>t beispielsweise<br />

Dialogfähigkeit, Kooperation,<br />

Flexibilität, Kreativität und Selbstständigkeit,<br />

also vielfältige personale Kompetenzen.<br />

Der Prozess <strong>der</strong> Themenf<strong>in</strong>dung<br />

für das eigene Handlungsfeld för<strong>der</strong>t<br />

Methodenkompetenz, also die Fähigkeit<br />

zu recherchieren, Informationen<br />

<strong>in</strong> Zusammenhänge e<strong>in</strong>zuordnen, die<br />

Praktikabilität für den Unterricht zu<br />

prüfen und Ergebnisse zu präsentieren.<br />

Fachkompetenz wird <strong>in</strong>itiiert durch den<br />

fachdidaktischen Input und erweitert<br />

durch die eigene Recherche und kritische<br />

Prüfung von Fachwissen und dessen<br />

Anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Handlungssituation.<br />

Diese Selbststeuerung<br />

und Individualität des Lernprozesses zeigen<br />

sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung, die<br />

Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen für ihre eigene<br />

Ausbildung übernehmen. Methoden <strong>der</strong><br />

Meta-Kognition, also Entscheidungen<br />

zu reflektieren und Feedback e<strong>in</strong>zuholen<br />

und Möglichkeiten <strong>der</strong> Dokumentation<br />

und Planung, z. B. <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Advance<br />

Organizers (Lernlandkarte, Team-<br />

P<strong>in</strong>-Board) spielen ebenfalls e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle und strukturieren den Prozess<br />

(s. Abb. 4).<br />

Das Fazit<br />

Grundlage allen nachhaltigen Lernens<br />

ist die Motivation für den Inhalt und<br />

die Überzeugung <strong>der</strong> S<strong>in</strong>nhaftigkeit und<br />

Bedeutsamkeit des eigenen Tuns. Somit<br />

kann die <strong>in</strong>tensive Arbeit an e<strong>in</strong>em<br />

Thema nicht primär als Belastung,<br />

son<strong>der</strong>n als bereichern<strong>der</strong> Fortschritt<br />

Abb. 1: Fachetappe: Teilschritte<br />

Abb. 2: Arbeitsprozess<br />

32<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Abb. 3:<br />

Fachetappe:<br />

Konzeption<br />

im Überblick<br />

im eigenen Lernprozess gesehen werden.<br />

Plausibilität, Perspektivität und<br />

Praktikabilität des eigenen Vorhabens<br />

s<strong>in</strong>d somit entscheidende Faktoren<br />

selbstgesteuerten Lernens (vgl. Arnold,<br />

R.). Die Offenheit, sich <strong>in</strong>nerhalb<br />

des aktuellen Lernbereichs <strong>der</strong> Fachetappe<br />

e<strong>in</strong> Handlungsfeld zu wählen,<br />

das den Teilnehmern e<strong>in</strong>e konkret perspektivische<br />

E<strong>in</strong>satzmöglichkeit des<br />

Erarbeiteten gibt (Ausbildungsrelevanz),<br />

macht die vertiefte Arbeit daran plausibel.<br />

E<strong>in</strong> Mehrwert, <strong>der</strong> die Plausibilität<br />

ebenso begründet, ist die Aufbereitung<br />

des Themas für die Kolleg*<strong>in</strong>nen am<br />

„Best-Of-Tag“. Für die Praktikabilität,<br />

d. h. die Machbarkeit, steht die Sem<strong>in</strong>arleitung<br />

als Lernbegleitung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> thematischen E<strong>in</strong>grenzung<br />

des Handlungsfeldes zur Seite. Dieser<br />

Rollenwechsel und das damit verbundene<br />

Selbstverständnis ermöglichen<br />

es, die Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen durch<br />

die eigenständige Arbeit <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>dividuellen<br />

Entwicklung zu unterstützen<br />

und die Verzahnung von Sem<strong>in</strong>ar und<br />

<strong>der</strong> Unterrichtstätigkeit facettenreich<br />

und fachlich variabel anzuregen. Von<br />

den Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen wird<br />

diese Konzeption vielfach als gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend<br />

rückgemeldet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Mehrwert durch die unterrichtliche<br />

Relevanz wird immer wie<strong>der</strong> hervorgehoben.<br />

Anstrengend und sehr herausfor<strong>der</strong>nd,<br />

oftmals auch relativ lang s<strong>in</strong>d<br />

die Phase <strong>der</strong> E<strong>in</strong>grenzung des eigenen<br />

Handlungsfeldes und die Prüfung<br />

<strong>der</strong> Praktikabilität. Diesen vielschichtigen<br />

Prozess zuzulassen und<br />

als e<strong>in</strong>en Teil e<strong>in</strong>er überaus wertvollen<br />

Arbeit zu erkennen, ist e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Schritt, um sich wandelnden beruflichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen stellen zu lernen und<br />

e<strong>in</strong>e professionelle Haltung als Lehrkraft<br />

zu entwickeln.<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit<br />

Abb. 4: Advance Organizer<br />

Ina Herklotz und Christoph Weidmann<br />

s<strong>in</strong>d Sem<strong>in</strong>arrektoren im Regierungsbezirk Mittelfranken.<br />

Ihr beson<strong>der</strong>es Interesse gilt <strong>der</strong> Thematik „Lernkultur“.<br />

Ausgehend von unterrichtlichen Erfahrungen beschäftigen<br />

sie sich mit kompetenzorientierten und selbstbestimmten<br />

Lernprozessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Phase <strong>der</strong> Lehrerbildung.<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

33


Aus Praxis: <strong>der</strong> <strong>Professionalität</strong> Forschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Rebecca Baumann<br />

Tipps und Erkenntnisse zur<br />

kollegialen Fallberatung im Team<br />

Belastet, aber gut beraten<br />

Die Beratungsmethode <strong>der</strong> kollegialen Fallberatung gilt für die Belastungsbewältigung<br />

als erfolgversprechend, da sie relevante Ressourcen wie die soziale<br />

Unterstützung und Kooperation im Kollegium stärken kann.<br />

Der Beitrag stellt e<strong>in</strong> Ablaufschema<br />

sowie wichtige Voraussetzungen<br />

und H<strong>in</strong>weise zur<br />

Durchführung vor und fasst ausgewählte<br />

Evaluationsergebnisse zu<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstudien zum Umgang mit<br />

Belastungen (an <strong>der</strong> Universität<br />

Erlangen-Nürnberg) zusammen. Es<br />

zeigt sich, dass alle teilnehmenden an -<br />

gehenden Grundschullehrkräfte <strong>der</strong><br />

Beratungsmethode viele positive Effekte<br />

zuschreiben und kollegiale Fallberatung<br />

als sehr hilfreich bewerten. Die Ergebnisse<br />

sollen (angehenden) Lehrkräften<br />

Mut machen, kollegiale Fallberatung an<br />

den Schulen vermehrt durchzuführen<br />

– auch, um langfristig gesund zu<br />

bleiben.<br />

Belastete Lehrkräfte –<br />

was kann helfen?<br />

(Grundschul-)Lehrkräfte gelten im Vergleich<br />

zu an<strong>der</strong>en Berufsgruppen als<br />

beson<strong>der</strong>s belastet (Krause/Dorsemagen<br />

2014, S. 987). Durch die zunehmende<br />

Heterogenität <strong>der</strong> Schülerschaft und<br />

die damit verbundenen sehr unterschiedlichen<br />

Lernvoraussetzungen,<br />

vorrangig auch an <strong>Grundschule</strong>n als<br />

Lernort für alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>, werden immer<br />

mehr Anfor<strong>der</strong>ungen an Grundschullehrkräfte<br />

herangetragen, die subjektiv<br />

als belastend bewertet werden können<br />

(Martsch<strong>in</strong>ke et al. 2020, S. 277 – 279).<br />

S<strong>in</strong>d nicht ausreichend Ressourcen für<br />

<strong>der</strong>en Bewältigung vorhanden, kann<br />

es zu Belastungen mit psychischen<br />

Folgen kommen, z. B. <strong>in</strong> Form von<br />

Depressionen, Burnout o<strong>der</strong> psychosomatischen<br />

Erkrankungen (Blossfeld<br />

et al. 2014, S. 69).<br />

Die Aktivierung von Ressourcen stellt<br />

zwar ke<strong>in</strong> Allheilmittel dar, kann jedoch<br />

die Überfor<strong>der</strong>ung und damit verbundene<br />

negative Konsequenzen abmil<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> gar verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n (Bakker/<br />

Demerouti 2007, S. 313). Die soziale<br />

Unterstützung und Kooperation im<br />

Kollegium als Ressourcen spielen bei<br />

berufserfahrenen (Oetjen et al. 2021,<br />

S. 383) und angehenden Grundschullehrkräften<br />

(Baumann/Martsch<strong>in</strong>ke<br />

2022, S. 104) auch im zunehmend <strong>in</strong>klusiven<br />

Schulalltag e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />

Kollegiale Fallberatung<br />

stärkt Ressourcen<br />

Kollegiale Fallberatung nutzt systematisch<br />

die schützende und entlastende<br />

Wirkung kollegialer Beziehungen<br />

(Meißner et al. 2018, S. 15, 20). Laut<br />

Tietze (2018, S. 11) handelt es sich<br />

dabei um „e<strong>in</strong> strukturiertes Beratungsgespräch<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe, <strong>in</strong> dem<br />

e<strong>in</strong>(e) Teilnehmer*<strong>in</strong> von den übrigen<br />

Teilnehmer*<strong>in</strong>nen nach e<strong>in</strong>em feststehenden<br />

Ablauf mit verteilten Rollen<br />

beraten wird mit dem Ziel, Lösungen<br />

für e<strong>in</strong>e konkrete berufliche Schlüsselfrage<br />

zu entwickeln.“ Kollegiale Fallberatung<br />

ist im Vergleich zu Coach<strong>in</strong>g<br />

und Supervision e<strong>in</strong>e zeitsparen<strong>der</strong>e<br />

und kostengünstigere Alternative, da<br />

ke<strong>in</strong> externes Coach<strong>in</strong>g und ke<strong>in</strong>e<br />

Supervision benötigt werden. Kollegiale<br />

Fallberatung kann e<strong>in</strong>e professionelle<br />

Beratung jedoch nicht ersetzen, son<strong>der</strong>n<br />

nur ergänzen.<br />

Laut Spangler (2012, S. 38f.) sowie Baumann<br />

und Kolleg<strong>in</strong>nen (2022, S. 289f.)<br />

verfolgt kollegiale Fallberatung unterschiedliche<br />

Ziele, die auch auf den<br />

<strong>in</strong>klusiven Schulalltag bezogen werden<br />

können:<br />

● Lösungsmöglichkeiten für berufliche<br />

Probleme aus dem Schulalltag ent-<br />

wickeln (z. B. für als belastend wahrgenommene<br />

Verhaltensmerkmale von<br />

Schüler*<strong>in</strong>nen)<br />

● <strong>in</strong>strumentelle (z. B. praktische Tipps<br />

zum Umgang mit e<strong>in</strong>zelnen Schüler*<strong>in</strong>nen)<br />

und personale (z. B. Tipps<br />

zum Umgang mit Frustration) Handlungskompetenzen<br />

erweitern<br />

● alternative Lösungsansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gruppe entwickeln und zu den bisherigen<br />

Ansätzen Rückmeldung durch die<br />

Gruppe erhalten<br />

● vom Wissen an<strong>der</strong>er profitieren und<br />

die Gruppe als Spiegel <strong>der</strong> persönlichen<br />

Situation nutzen<br />

● Potenziale und Ressourcen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Gruppe teilen und damit <strong>der</strong> Tabuisierung<br />

von Problemen entgegenwirken<br />

● Selbstreflexion und -wahrnehmung<br />

durch strukturiertes Vorgehen för<strong>der</strong>n.<br />

Tatsächlich werden wünschenswerte<br />

Effekte auf die berufliche Belastung, die<br />

soziale Unterstützung, die Zusammenarbeit<br />

im Team und auf weitere Handlungskompetenzen<br />

wahrgenommen<br />

(Abele<strong>in</strong>/Hanglberger 2018, S. 199 – 201)<br />

und im Rahmen e<strong>in</strong>er Fortbildung zu<br />

kollegialer Fallberatung bei Lehrkräften<br />

erzielt (Meißner et al. 2018, S. 20). So<br />

verwun<strong>der</strong>t nicht, dass Lehrkräfte e<strong>in</strong>e<br />

regelmäßige Teilnahme an kollegialer<br />

Fallberatung für wünschenswert halten<br />

und das, obwohl die meisten Lehrkräfte<br />

noch nie daran teilgenommen haben<br />

(Abele<strong>in</strong>/Hanglberger 2018, S. 199 – 201).<br />

Es liegen unterschiedliche Ablaufmodelle<br />

von kollegialer Fallberatung<br />

vor, wobei <strong>in</strong> den Professionalisierungsangeboten,<br />

die im vorliegenden Beitrag<br />

fokussiert werden, das Heilsbronner<br />

Modell nach Spangler (2012) genutzt<br />

wird. Die Struktur <strong>der</strong> Schritte, die im<br />

Folgenden vorgestellt werden, hat den<br />

Vorteil, dass selbst Personen ohne Erfahrung<br />

<strong>in</strong> kollegialer Fallberatung diese<br />

durchführen o<strong>der</strong> gar <strong>in</strong>itiieren können<br />

(ebd., S. 45).<br />

34<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> Aus <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Forschung<br />

Kollegiale Fallberatung<br />

schrittweise und systematisch<br />

durchführen<br />

Für Grundschullehrkräfte sowie Grundschullehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

im Vorbereitungsdienst<br />

und Studium werden<br />

an <strong>der</strong> Universität Erlangen-Nürnberg<br />

Professionalisierungsangebote zum<br />

ressourcenorientierten Umgang mit<br />

Belastungen im <strong>in</strong>klusiven Schulalltag<br />

durchgeführt und evaluiert. Die<br />

Angebote für die dritte (Lehrkräfte<br />

schonen und s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>setzen; Elt<strong>in</strong>g<br />

et al. 2021) und die zweite Lehrerbildungsphase<br />

(FIT 2020; Fallbezogenes<br />

Inklusionsspezifisches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zum<br />

Umgang mit Belastungen; Baumann/<br />

Martsch<strong>in</strong>ke 2021; 2022) weisen e<strong>in</strong>en<br />

vergleichbaren Zeitaufwand von acht<br />

Stunden auf, die sich auf vier Module<br />

aufteilen. In Modul 1 erfolgte e<strong>in</strong>e<br />

selbstreflexive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

eigenen Ressourcen und Belastungen,<br />

<strong>in</strong> Modul 2 werden Problemlösekompetenzen<br />

durch e<strong>in</strong> Problemlöseschema<br />

gestärkt und <strong>in</strong> Modul 3 Selbstregulationsfähigkeiten<br />

weiterentwickelt,<br />

<strong>in</strong>dem man sich mit dem Umgang von<br />

Unlösbarkeiten beschäftigt. Im letzten<br />

Modul 4 sollen im Rahmen e<strong>in</strong>er kollegialen<br />

Fallberatung die soziale Unterstützung<br />

und Zusammenarbeit unter<br />

den teilnehmenden Grundschullehrkräften<br />

bzw. Grundschullehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

und weitere Ressourcen<br />

gestärkt werden, die für den Umgang<br />

mit Belastungen zentral s<strong>in</strong>d. In e<strong>in</strong>er<br />

Beratungsgruppe von 5 bis maximal 10<br />

Personen (Tietze 2018, S. 12 – 13) werden<br />

dabei tragfähige Lösungsansätze für<br />

berufliche Probleme entwickelt.<br />

Ablauf kollegialer Fallberatung<br />

nach Spangler (2012, S. 43 – 48)<br />

und Tietze (2018, S. 52 – 55)<br />

Zuerst wird aus e<strong>in</strong>em freiwilligen<br />

Interessenkreis e<strong>in</strong>e Person ausgewählt,<br />

die e<strong>in</strong>en Fall bzw. e<strong>in</strong> berufliches Problem<br />

mit Belastungspotential <strong>in</strong> die<br />

Gruppe e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Sie hat die Aufgabe,<br />

den Fall und die Schlüsselfrage<br />

vorzustellen sowie Verständnisfragen<br />

zu beantworten. Die an<strong>der</strong>en Teilnehmenden<br />

fungieren als Beratende<br />

und sollen Fall und Schlüsselfrage<br />

nachvollziehen sowie ihre Erfahrungen<br />

Abb. 1: Schritte<br />

kollegialer Fallberatung<br />

nach dem<br />

Heilsbronner Modell<br />

nach Spangler<br />

(2012, S. 43–45)<br />

und Ideen mitteilen. Die Rollen werden<br />

<strong>in</strong> je<strong>der</strong> Beratung getauscht. Es ist<br />

notwendig, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e Mo<strong>der</strong>ation<br />

zu bestimmen, weil e<strong>in</strong>e konstante<br />

Gruppenleitung nicht vorgesehen<br />

ist. Sie hat die Aufgabe, auf die Zeit zu<br />

achten, Anfang und Ende zu benennen,<br />

zu neuen Schritten überzuleiten, auf<br />

Regeln h<strong>in</strong>zuweisen, und sie soll darauf<br />

achten, dass es sich um e<strong>in</strong> berufliches<br />

Thema handelt. Danach erfolgt<br />

die Beratung nach dem Ablaufschema<br />

des Heilsbronner Modells (vgl. Abb. 1).<br />

● In Schritt 1 werden die Problemsituation<br />

und die Fragestellung durch die<br />

fallgebende Person vorgestellt.<br />

● In Schritt 2 stellt die Beratungsgruppe<br />

Verständnisfragen (z. B. „Was haben<br />

Sie schon alles an Lösungen versucht<br />

und mit welchem Erfolg?“ o<strong>der</strong> „Was<br />

möchten Sie erreichen?“; Sauer et al.<br />

o.J., o.S.), damit das Problem und das<br />

Ziel umfassend nachvollzogen werden<br />

können, was e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />

für die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten<br />

ist.<br />

● In Schritt 3 darf die Gruppe erste<br />

E<strong>in</strong>drücke und Assoziationen äußern,<br />

wobei die fallgebende Person zunächst<br />

nur zuhört.<br />

● In Schritt 4 äußert sich die fallgebende<br />

Person zur Brauchbarkeit <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>fälle.<br />

● Schritt 5 dient <strong>der</strong> Sammlung von<br />

Lösungsvorschlägen aus dem Erfahrungswissen<br />

<strong>der</strong> Berater*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Phase des Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>gs – auch hier<br />

darf die fallgebende Person zunächst<br />

nur zuhören. In dieser Phase ist Kritik<br />

verboten (Tietze 2018, S. 118 – 119) und<br />

es geht zunächst um Quantität, die die<br />

durch die Bandbreite <strong>der</strong> Äußerungen<br />

e<strong>in</strong>er qualitativen Unterstützung nahe<br />

kommt.<br />

● In Schritt 6 werden die von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation<br />

notierten Lösungsideen von<br />

<strong>der</strong> fallgebenden Person nach ihrer<br />

Nützlichkeit bewertet.<br />

● Schritt 7 dient e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en<br />

Austausch <strong>der</strong> Beteiligten, zum Beispiel<br />

zum Abklären letzter Fragen o<strong>der</strong> zum<br />

Planen nächster Handlungsschritte.<br />

● Abschließend erfolgt <strong>in</strong> Schritt 8<br />

e<strong>in</strong>e Abschlussrunde: Um die Motivation<br />

für die künftige Mitarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Fallberatungsgruppe und das Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl<br />

zu stärken, berichtet hier<br />

jede*r Teilnehmende von ähnlich gelagerten<br />

eigenen Erfahrungen. Die Fallberatung<br />

endet mit e<strong>in</strong>em Dank unter<br />

den Beteiligten und kann durch e<strong>in</strong>e<br />

optionale Feedbackrunde abgerundet<br />

werden.<br />

Studien zu kollegialer Fallberatung<br />

bei Grundschullehrkräften<br />

– Beschreibung des<br />

Untersuchungsansatzes<br />

Für den Beitrag werden Ergebnisse<br />

zur Evaluation von kollegialen Fallberatungen<br />

im Rahmen von Professionalisierungsangeboten<br />

für Lehrkräfte<br />

(Elt<strong>in</strong>g et al. 2021) und Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

(Baumann/Mart-<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

35


Aus Praxis: <strong>der</strong> <strong>Professionalität</strong> Forschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

sch<strong>in</strong>ke 2021, Baumann et al. 2022)<br />

zusammenfassend berichtet. Im Fokus<br />

steht dabei u. a. die Frage, wie hilfreich<br />

kollegiale Fallberatung (auch im<br />

Vergleich zu an<strong>der</strong>en Übungen zum<br />

Be lastungsmanagement wie Problemlöseschemata)<br />

von (angehenden)<br />

Grund schullehrkräften für den Umgang<br />

mit Belastungen durch Schüler*<strong>in</strong>nen<br />

bewertet wird (Frage 1). Dabei <strong>in</strong>teressiert<br />

zudem, ob fallgebende Personen<br />

<strong>der</strong> Fallberatung e<strong>in</strong>en höheren Nutzen<br />

zuschreiben, als die an<strong>der</strong>en Teilnehmer*<strong>in</strong>nen<br />

(„Beratende“) (Frage<br />

2). Letztlich wurden die angehenden<br />

Lehrkräfte auch befragt, ob und wenn<br />

ja, weshalb kollegiale Fallberatung als<br />

beson<strong>der</strong>s erfolgversprechend e<strong>in</strong>geschätzt<br />

wird (Frage 3).<br />

Wer wurde befragt und<br />

wie wurde erhoben?<br />

Das Professionalisierungsangebot mit<br />

<strong>in</strong>sgesamt vier Modulen für die Lehrkräfte<br />

fand im Jahr 2018 e<strong>in</strong>malig mit<br />

13 Grundschullehrkräften statt. Das Angebot<br />

für die Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

wurde <strong>in</strong> acht Sem<strong>in</strong>argruppen mit 79<br />

Teilnehmenden 2019 und 2020 durchgeführt.<br />

Alle Teilnehmer*<strong>in</strong>nen beteiligten<br />

sich demnach auch an <strong>der</strong><br />

kollegialen Fallberatung im Rahmen<br />

des letzten Moduls. Für Frage 1 schätzen<br />

die Teilnehmenden <strong>in</strong> Kurzfragebögen<br />

nach jedem Modul auf e<strong>in</strong>er vierstufigen<br />

Rat<strong>in</strong>gskala (1: trifft gar nicht zu<br />

–4: trifft voll zu) den subjektiven Lernnutzen<br />

e<strong>in</strong> (pro Modul 2 Items, z. B. „Die<br />

Inhalte und Übungen lassen sich auf die<br />

belastenden Fälle <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er aktuellen<br />

und zukünftigen Berufspraxis gut übertragen.“).<br />

Für den Vergleich <strong>der</strong> Rollen<br />

„fallgebend“ vs. „fallberatend“ (Frage 2)<br />

bei den Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen werden<br />

die Ergebnisse wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen<br />

Stichprobengröße <strong>der</strong> Fallgebenden<br />

(n=6) nur deskriptiv berichtet. Um H<strong>in</strong>weise<br />

für die Bewertung aller Module<br />

und <strong>der</strong> Fallberatung aus <strong>der</strong> Sicht von<br />

Fallberatenden und Fallgebenden zu generieren,<br />

wurden bei freiwilligen Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

vier Monate nach<br />

<strong>der</strong> Teilnahme telefonische Leitfaden<strong>in</strong>terviews<br />

geführt (n=22, darunter<br />

auch n=3 Fallgebende). Für die dritte<br />

Frage wurden dazu Antworten aus<br />

e<strong>in</strong>er offenen Frage nach beson<strong>der</strong>s hilfreichen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbauste<strong>in</strong>en analysiert.<br />

Die Auswertung erfolgte <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an das Ablaufmodell <strong>der</strong> strukturierenden<br />

qualitativen Inhaltsanalyse auf <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> Hauptkategorien und <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an die zusammenfassende qualitative<br />

Inhaltsanalyse auf Subkategorieebene<br />

(Mayr<strong>in</strong>g 2015) mithilfe <strong>der</strong> Software<br />

MAXQDA.<br />

Ergebnisse und Konsequenzen<br />

für die Praxis<br />

Abb. 2: Wahrgenommener Lernnutzen<br />

<strong>der</strong> kollegialen Fallberatung (Modul 4)<br />

aus Sicht <strong>der</strong> Lehrkräfte (N=13; Elt<strong>in</strong>g<br />

et al. 2021) und Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

(N=79; Baumann/Martsch<strong>in</strong>ke 2021)<br />

Die Lehrkräfte und Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

schätzen für die kollegiale<br />

Fallberatung <strong>in</strong> Modul 4 den Lernnutzen<br />

sehr positiv (vgl. Abb. 2) und<br />

im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Modulen am<br />

höchsten e<strong>in</strong> (Frage 1).<br />

Bei genauerer Betrachtung bestehen<br />

jedoch Unterschiede im Lernnutzen<br />

<strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Fallberatung (Frage 2): Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen,<br />

die e<strong>in</strong>en eigenen Fall<br />

bzw. e<strong>in</strong> persönliches Problem <strong>in</strong> die<br />

Beratungsrunde e<strong>in</strong>brachten (M=3.83,<br />

SD=.26, n=6), gaben e<strong>in</strong>en höheren<br />

Lernnutzen an als die an<strong>der</strong>en Teilnehmenden<br />

(M=3.32, SD=.62, n=73),<br />

die als Beratende mitwirkten (siehe für<br />

e<strong>in</strong>e Teilstichprobe auch Baumann et al.<br />

2022).<br />

Doch weshalb wird die kollegiale Fallberatung<br />

von Lehrkräften und Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

unabhängig von<br />

<strong>der</strong> Rolle als so hilfreiche Beratungsmethode<br />

wahrgenommen? Frage 3 berichtet<br />

die Ergebnisse e<strong>in</strong>er vertiefenden<br />

Anschluss-Interviewstudie mit freiwilligen<br />

Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen. Hierbei<br />

sollten sich die Teilnehmenden vier<br />

Monate später an beson<strong>der</strong>s hilfreiche<br />

Übungen bzw. Module er<strong>in</strong>nern. Auch<br />

hier überwiegen Nennungen zur kollegialen<br />

Fallberatung, zwei Drittel legten<br />

sich auf das Modul fest. Auf Rückfrage<br />

sollten die Befragten begründen,<br />

weshalb sie die Beratungsmethode<br />

aus gewählt haben. Dabei wurden vier<br />

Gründe als Subkategorien (siehe Abb.<br />

3) identifiziert (Baumann et al. 2022):<br />

Am häufigsten wird die kollegiale Fallberatung<br />

aufgrund <strong>der</strong> Chance geschätzt,<br />

an<strong>der</strong>e Sichtweisen und e<strong>in</strong>en<br />

Austausch wahrzunehmen. Das Erhalten<br />

von Hilfe und Tipps wird nahezu genauso<br />

häufig genannt. Die Möglichkeit,<br />

nach e<strong>in</strong>em strukturierten Ablauf vorzugehen,<br />

wurde ebenso als Begründung<br />

aufgeführt. Zuletzt trägt auch die Erfahrung<br />

von sozialer E<strong>in</strong>gebundenheit<br />

Abb. 3: Gründe für die positive Bewertung <strong>der</strong> kollegialen Fallberatung aus <strong>der</strong> Sicht<br />

<strong>der</strong> Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

Lehrkräfte<br />

3,88<br />

Lernnutzen<br />

3,36<br />

Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen<br />

36<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> Aus <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Forschung<br />

und e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl zur positiven<br />

Bewertung <strong>der</strong> Fallberatung bei.<br />

Auch wenn die Stichproben noch größer<br />

se<strong>in</strong> könnten, kann auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />

positiven Evaluationsergebnisse und<br />

damit auch im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> bundesweit<br />

geltenden bildungswissenschaftlichen<br />

KMK-Standards (2014, S. 13) dafür plädiert<br />

werden, kollegiale Fallberatung <strong>in</strong><br />

allen drei Phasen <strong>der</strong> Lehrkräftebildung<br />

vermehrt zu <strong>in</strong>itiieren, durchzuführen<br />

und zu untersuchen. Diese Beratungsmethode<br />

kann unabhängig von <strong>der</strong> Rolle<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Fallberatung dazu beitragen, dem<br />

im Lehrberuf häufig vorherrschenden<br />

E<strong>in</strong>zelkämpfertum (Spangler 2012, S. 35)<br />

entgegenzuwirken und damit auch die<br />

Gesundheit (angehen<strong>der</strong>) Lehrkräfte<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

Weiterführende Tipps für die Praxis<br />

● Wie kann die Beratungsgruppe zusammengesetzt<br />

werden?<br />

Weil sich durch Differenzen zwischen<br />

Schularten Grenzen bei <strong>der</strong> Übertragbarkeit<br />

von Problemen und Handlungsmöglichkeiten<br />

ergeben können (Meißner<br />

et al. 2018, S. 20), s<strong>in</strong>d Beratungsgruppen<br />

speziell für e<strong>in</strong>e Schulart empfehlenswert.<br />

Kollegiale Fallberatung ist auch schulübergreifend<br />

möglich, z. B. können sich<br />

Lehrkräfte diverser <strong>Grundschule</strong>n für e<strong>in</strong><br />

Mehr an unterschiedlichen Perspektiven<br />

regelmäßig treffen. Um Anfahrtswege zu<br />

sparen, kann die Fallberatung onl<strong>in</strong>e, z. B.<br />

per Zoom, stattf<strong>in</strong>den. Erste Evaluationsergebnisse<br />

zu kollegialer Fallberatung per<br />

Zoom bei Grundschullehrkräften zeigen,<br />

dass auch e<strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>e-Format positiv<br />

wahrgenommen wird und wirksam se<strong>in</strong><br />

kann.<br />

● Wie bereite ich e<strong>in</strong>e<br />

Fallberatung vor?<br />

Vor <strong>der</strong> Durchführung sollten wichtige<br />

Bed<strong>in</strong>gungen thematisiert werden, z. B.<br />

e<strong>in</strong> vertrauliches Behandeln <strong>der</strong> Inhalte.<br />

Auch die vorige Vermittlung des Ablaufschemas<br />

ist e<strong>in</strong>e bedeutsame Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong> verlässliches, berechenbares<br />

Vorgehen (Tietze 2018, S. 12 – 13).<br />

Zudem sollten wichtige Regeln für die<br />

unterschiedlichen Phasen aufgezeigt<br />

werden: Zum Beispiel sollte es sich bei<br />

Lösungsvorschlägen um nichtbelehrende<br />

Ich-Botschaften handeln, wie „Ich<br />

könnte mir vorstellen ...“ anstatt „Du<br />

solltes ...“ (Tietze 2018, S. 130 – 134).<br />

● Wie wähle ich e<strong>in</strong>en Fall bzw. e<strong>in</strong>e*n<br />

Fallgeber*<strong>in</strong> aus?<br />

Wichtig ist, dass die Probleme („Fälle“)<br />

aus dem beruflichen Bereich kommen<br />

und im Handlungsspektrum <strong>der</strong> Fallgebenden<br />

liegen. Es sollten ke<strong>in</strong>e Probleme<br />

mit Kolleg*<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schulleitung<br />

e<strong>in</strong>gebracht werden, weil kollegiale<br />

Beratung sich an alle Kolleg*<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>er Hierarchieebene widmet und die<br />

Schulleitung als Weisungsbefugte qua<br />

Def<strong>in</strong>ition von e<strong>in</strong>er Teilnahme ausgeschlossen<br />

ist (Spangler 2012, S. 115).<br />

Aus <strong>der</strong> Studie liegen H<strong>in</strong>weise darauf<br />

vor, dass Fallberatung bei Problemen<br />

im Umgang mit Schüler*<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong><br />

Eltern beson<strong>der</strong>s hilfreich se<strong>in</strong> kann.<br />

Außerdem gibt es H<strong>in</strong>weise, dass fallgebende<br />

Personen e<strong>in</strong>en noch höheren<br />

Nutzen aus <strong>der</strong> Fallberatung ziehen<br />

als die Beratungsgruppe, wenngleich<br />

auch diese von <strong>der</strong> Teilnahme profitiert.<br />

Da die Rollen <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Fallberatung<br />

getauscht werden, sollen (angehende)<br />

Lehrkräfte dazu ermuntert werden,<br />

Rebecca Baumann<br />

ist wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> am<br />

Institut für Grundschulforschung an<br />

<strong>der</strong> Friedrich-Alexan<strong>der</strong>-Universität<br />

Erlangen-Nürnberg. Schwerpunkte <strong>in</strong><br />

Forschung und Lehre s<strong>in</strong>d u.a. Inklusion<br />

und Heterogenität, Lehrkräftegesundheit<br />

sowie Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung.<br />

e<strong>in</strong>en eigenen Fall <strong>in</strong> die Beratungsgruppe<br />

e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Der letzte und wichtigste Tipp ist<br />

aber, offen zu se<strong>in</strong> für kollegiale Fallberatung,<br />

sie e<strong>in</strong>fach auch e<strong>in</strong>mal auszuprobieren,<br />

damit viele Lehrkräfte so<br />

viel Kraft und Ressourcen schöpfen wie<br />

die Kolleg<strong>in</strong>, die im Interview ihren Gew<strong>in</strong>n<br />

aus dem Austausch so beschreibt:<br />

„Man hat wie so ´nen Riesenblumenstrauß<br />

aufgemacht an D<strong>in</strong>gen, die man<br />

machen kann, wo man auf manches<br />

selbst nicht kommt.“ (KH93: 76)<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit<br />

Kartensatz „Grundschrift – Damit K<strong>in</strong><strong>der</strong> besser schreiben lernen“<br />

Kartei zum Lernen und Üben<br />

Teil 1<br />

Die Buchstaben<br />

© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />

Kartei zum Lernen und Üben<br />

Teil 2<br />

Schreiben mit Schwung<br />

© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />

Kartensatz: 56 Karten (Teil 1)<br />

und 20 Karten (Teil 2)<br />

Voraussichtlich wie<strong>der</strong> lieferbar<br />

ab 1. August 2023 und<br />

ab sofort bestellbar unter<br />

www.grundschulverband.de<br />

22,00 € – 33,00 € <strong>in</strong>kl. MwSt.<br />

Herausgeber:<br />

Horst Bartnitzky, Ulrich Hecker,<br />

Christ<strong>in</strong>a Mahrhofer-Bernt<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

37


Praxis: Rundschau <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

„E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule – nicht nur Projekttitel,<br />

son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e Zeitschrift als Austauschplattform für Praxisbeispiele“<br />

Über unsere Zeitschrift<br />

„E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule – Aus <strong>der</strong> Praxis für die Praxis“<br />

Zusammen mit dem Ausleihservice<br />

bildet die Zeitschrift das<br />

Herzstück unseres Projekts. Mit<br />

dem gleichnamigen Titel „E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule – Aus <strong>der</strong> Praxis für die Praxis“<br />

ersche<strong>in</strong>t sie zweimal im Jahr und<br />

ist im Abonnement o<strong>der</strong> als E<strong>in</strong>zelausgabe<br />

erhältlich. Sie vere<strong>in</strong>t Impulse und<br />

E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> den Unterrichtsalltag von<br />

Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />

mit e<strong>in</strong>em Schwerpunkt auf den globalen<br />

Kontext.<br />

Unsere 1. Ausgabe <strong>in</strong> diesem Jahr<br />

hatte das Thema Schulpartnerschaften<br />

mit dem Globalen Süden <strong>in</strong> den Blick<br />

genommen. Internationale Schulpartnerschaften,<br />

sogar über Kont<strong>in</strong>ente<br />

h<strong>in</strong>weg? Ist das nicht e<strong>in</strong> bisschen weit<br />

und zu viel für junge Schüler*<strong>in</strong>nen, vor<br />

allem was das Thema Sprache angeht?<br />

Diese Gedanken begleiteten den Beg<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> Recherche nach Beiträgen und wir<br />

fragten uns, ob wir überhaupt genügend<br />

Beispiele aus <strong>der</strong> Praxis f<strong>in</strong>den würden,<br />

um Interessierten darüber berichten zu<br />

können. Es zeigte sich, dass sich Lehrkräfte<br />

und Praktiker*<strong>in</strong>nen durch diesen<br />

Vorbehalt nicht davon abbr<strong>in</strong>gen<br />

ließen, Partnerschaften mit Schulen aus<br />

den Län<strong>der</strong>n des Globalen Südens aufzubauen<br />

und Besuche o<strong>der</strong> (digitale)<br />

Treffen durchzuführen.<br />

Sprachbarrieren überw<strong>in</strong>den<br />

In <strong>der</strong> Tat wollten wir auch dem Thema<br />

Sprache und ihren Grenzen beson<strong>der</strong>e<br />

Beachtung schenken. In e<strong>in</strong>em Artikel<br />

Aufgepasst!<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Grundschulverbandes erhalten<br />

20 % Rabatt und zahlen damit nur<br />

14,40 Euro anstatt 18,00 Euro für das Zeitschriftenabo,<br />

<strong>in</strong>klusive Versand.<br />

Gerne laden wir Sie dazu e<strong>in</strong>, von e<strong>in</strong>em<br />

Praxisbeispiel aus Ihrem Lehralltag zu<br />

berichten! Auch Interviews mit Schüler*<strong>in</strong>nen<br />

zu e<strong>in</strong>em globalen Thema s<strong>in</strong>d<br />

möglich.<br />

zur Sprachenvielfalt plädiert Anna Müller<br />

für Language Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g und gibt<br />

praktische H<strong>in</strong>weise, wie dieses umgesetzt<br />

werden kann. Aus ihrer Praxis als<br />

Bildungsreferent<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Jugendarbeit gibt sie e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick, wie<br />

Begegnung trotz sprachlicher Unterschiede<br />

gel<strong>in</strong>gen kann und welchen Benefit<br />

die Vielfalt aus verschiedenen Sprachen<br />

<strong>in</strong> die Zusammenarbeit mitbr<strong>in</strong>gt.<br />

In unserer Rubrik Copy-to-go bieten<br />

wir bei je<strong>der</strong> Ausgabe Kopiervorlagen<br />

für den praktischen E<strong>in</strong>satz im<br />

Unterricht an. In Anlehnung an Anna<br />

Müllers Anregungen zu Methoden bei<br />

<strong>in</strong>ternationalen Jugendbegegnungen<br />

stellten wir e<strong>in</strong> Kennenlernb<strong>in</strong>go auf<br />

Deutsch und Englisch zur Verfügung<br />

und führten <strong>in</strong> die Methode des Dreiecks<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten e<strong>in</strong>. Das<br />

Kennenlernb<strong>in</strong>go funktioniert ähnlich<br />

wie e<strong>in</strong> Zahlenb<strong>in</strong>go, wobei ke<strong>in</strong>e Zahlen<br />

angekreuzt, son<strong>der</strong>n Frage-Kästchen<br />

mit Antworten gefüllt werden. Die Fragen<br />

haben wir so ausgewählt, dass sie<br />

<strong>in</strong> verschiedene Richtungen gerade für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> anschlussfähig s<strong>in</strong>d, die nicht<br />

unbed<strong>in</strong>gt denselben sprachlichen o<strong>der</strong><br />

kulturellen H<strong>in</strong>tergrund teilen, und die<br />

sich leicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Frage-Antwort-Spiel<br />

<strong>in</strong>tegrieren lassen. Beim Dreieck <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten versuchen die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> übere<strong>in</strong>stimmende<br />

Vorlieben, Eigenschaften o<strong>der</strong> Merkmale<br />

zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Dreiergruppe mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kommunizieren.<br />

Hierbei ist e<strong>in</strong>e Durchführung<br />

auf nicht-schriftlicher Basis möglich,<br />

da sie sich gegenseitig auch „mit Händen<br />

und Füßen“ vorstellen o<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge<br />

aufzeichnen können.<br />

Als ganz neue Rubrik bieten wir jetzt<br />

<strong>in</strong> Kooperation mit <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>buchbibliothek<br />

des Bremer Instituts für<br />

Bil<strong>der</strong>buchforschung an <strong>der</strong> Universität<br />

Bremen e<strong>in</strong>e Buchbesprechung an. Das<br />

Debüt bildete „Am Tag als Saída zu<br />

uns kam“ von Susana Gómez Redondo<br />

(Text) und Sonja Wimmer (Bil<strong>der</strong>), rezensiert<br />

von Dr. Elisabeth Hollerweger.<br />

Unter dem Leitsatz „Lesend Grenzen<br />

über Bord werfen“ tauchen die Leser*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e beg<strong>in</strong>nende Freundschaft<br />

zweier K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>, <strong>der</strong>en erste<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung das Fehlen e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

Sprache ist. Die beiden nähern<br />

sich über Alltagsbegriffe an, die<br />

ihnen aus ihrer jeweiligen Sprache vertraut<br />

s<strong>in</strong>d. Dadurch entwickelt sich e<strong>in</strong>e<br />

Beziehung und sie schaffen es schließlich,<br />

das Fremde im Eigenen zu erleben,<br />

was zu e<strong>in</strong>em gleichwertigen Austausch<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> führt.<br />

Nicht nur wegen Corona: Digitale<br />

Schulpartnerschaften als Chance<br />

Gleich zwei Artikel befassen sich mit<br />

Partnerschaften, <strong>der</strong>en Begegnungen ausschließlich<br />

im digitalen Raum stattfanden.<br />

Abril García y Marcias und Wendy Quetzal<br />

Morel Schramm berichteten mit praktischen<br />

Tipps über ihr geme<strong>in</strong>sames<br />

Projekt mit zwei Schulklassen aus Mexiko-Stadt<br />

und Berl<strong>in</strong>. In dem Austausch<br />

begleiteten sie als Lehrer<strong>in</strong> und<br />

Koord<strong>in</strong>ator<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kooperative Fotoausstellung<br />

<strong>der</strong> Schüler*<strong>in</strong>nen, die sich<br />

noch nie <strong>in</strong> Präsenz getroffen hatten, zum<br />

Thema Biodiversität <strong>in</strong> den beiden Städten<br />

und Umgebung. Die Projekttreffen<br />

fanden ausschließlich onl<strong>in</strong>e statt. Mithilfe<br />

e<strong>in</strong>es Padlets arbeiteten die Teilnehmenden<br />

trotz des Zeitunterschieds<br />

geme<strong>in</strong>sam an <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>.<br />

In Berl<strong>in</strong> gab es im Anschluss sogar e<strong>in</strong>e<br />

Ausstellung <strong>der</strong> Fotos im Roten Rathaus.<br />

Rajeswari Namagiri Gorana und Sab<strong>in</strong>e<br />

Cordes verb<strong>in</strong>det schon seit 2017<br />

e<strong>in</strong>e berufliche virtuelle Partnerschaft<br />

zwischen ihren Schulen. Die Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

aus dem west<strong>in</strong>dischen Ahmedabad<br />

und norddeutschen W<strong>in</strong>gst schreiben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel über ihre Zusammenarbeit<br />

und den Mehrwert, aber auch<br />

über Herausfor<strong>der</strong>ungen, die mit e<strong>in</strong>er<br />

solchen Zusammenarbeit verbunden<br />

s<strong>in</strong>d. Von den drei bereits geme<strong>in</strong>sam<br />

umgesetzten Projekten gehen sie hier<br />

explizit auf ihr Projekt Feliz Birth Tag<br />

e<strong>in</strong>, bei dem auch noch e<strong>in</strong>e mexikanische<br />

<strong>Grundschule</strong> Teil des Trios war. Die<br />

38<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Nachhaltigen Entwicklungsziele (Susta<strong>in</strong>able<br />

Development Goals, kurz SDGs)<br />

fest im Blick, befassten sich die Projektgruppen<br />

mit bewusstem Konsum. Um<br />

diesen sperrigen Begriff beson<strong>der</strong>s für<br />

Grundschüler*<strong>in</strong>nen fassbarer zu machen,<br />

wendeten sie sich dem Thema Geburtstag<br />

zu, <strong>der</strong> <strong>in</strong> allen drei Schulen e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Tag ist und unterschiedlich<br />

gefeiert wird. Sie entwickelten anhand<br />

dieses Alltagsbeispiels Ideen und Strategien,<br />

wie e<strong>in</strong>e Feier nachhaltig gestaltet<br />

werden kann.<br />

Praxisbeispiele zwischen<br />

hier und an<strong>der</strong>swo<br />

Gerl<strong>in</strong>de Schlöer-Muth beschreibt den<br />

von ihr <strong>in</strong>itiierten Prozess von <strong>der</strong> Idee<br />

für e<strong>in</strong>e Schulpartnerschaft bis zur Verstetigung.<br />

Zwischen zwei Schulen <strong>in</strong><br />

Frankfurt/Ma<strong>in</strong> und Mwanga <strong>in</strong> Tansania<br />

entwickelte sich e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung, die<br />

über den langen Zeitraum ständigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

unterworfen war. Ihr Fazit:<br />

E<strong>in</strong>e Schulpartnerschaft ist ke<strong>in</strong> Selbstläufer,<br />

geme<strong>in</strong>same Projekte müssen neu<br />

konzipiert werden.<br />

So spricht sich Klaus Schill<strong>in</strong>g,<br />

Bundeskoord<strong>in</strong>ator <strong>der</strong> UNESCO-<br />

Pro jektschulen ebenfalls für e<strong>in</strong>e Verankerung<br />

globaler Partnerschaften im<br />

Schulalltag aus, wenn sie gel<strong>in</strong>gen sollen.<br />

Auch ist die Zusammenarbeit mit<br />

externen Partner*<strong>in</strong>nen oft s<strong>in</strong>nvoll und<br />

schafft positive Synergieeffekte. In se<strong>in</strong>em<br />

Beitrag führt er exemplarisch kulturelle<br />

Bildung am Beispiel von Musik-,<br />

Theater- und Kunstprojekten auf und<br />

weist darauf h<strong>in</strong>, Schulpartnerschaften<br />

als Aufgabe <strong>der</strong> gesamten Schule wahrzunehmen.<br />

Im Interview mit uns Projektmitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

greifen Samuel Njiki Njiki<br />

und Eckardt Kreye grundlegende Fragestellungen<br />

auf, die sich im Vorfeld von<br />

Schulpartnerschaften und <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Umsetzung<br />

ergeben können. Dabei folgt<br />

dem organisatorischen Proze<strong>der</strong>e die<br />

zwischenmenschliche Interaktion, die<br />

beson<strong>der</strong>s dann stattf<strong>in</strong>det, wenn sich<br />

die Gruppen wirklich begegnen können,<br />

was nicht allen aus Ressourcen-<br />

Sicht möglich ist. Trotz kritischer Betrachtung<br />

e<strong>in</strong>iger Mechanismen <strong>in</strong>nerhalb<br />

des Schulaustausch-Kosmos, macht<br />

Njiki Njiki allen Mut: „Traut euch das zu<br />

und macht das e<strong>in</strong>fach!“ So sehen auch<br />

wir vom Projekt E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

diese beson<strong>der</strong>e Zeitschriftenausgabe<br />

als Inspiration und Impuls, für Schulpartnerschaften<br />

zu ermutigen und bestehende,<br />

aber vielleicht e<strong>in</strong>geschlafene<br />

<strong>in</strong>ternationale Verb<strong>in</strong>dungen, beson<strong>der</strong>s<br />

nach <strong>der</strong> Corona-Pandemie, wie<strong>der</strong>aufleben<br />

zu lassen!<br />

Ergänzend zu den Artikeln haben<br />

wir e<strong>in</strong>e Übersicht zu Anlaufstellen und<br />

Informationsplattformen zusammengestellt,<br />

an die sich Interessierte mit<br />

ihren Unterstützungsbedarfen und Fragen<br />

wenden können.<br />

Rachel Rentz<br />

M. A. Kulturwissenschaft, seit Januar<br />

2023 wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> im<br />

Projekt „E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule“<br />

Die nächste Ausgabe<br />

In <strong>der</strong> Ausgabe 153 im November 2023<br />

werden für die Beiträge aus <strong>der</strong> Praxis<br />

konkrete Materialien für den Unterrichtse<strong>in</strong>satz<br />

im Fokus stehen. Unter an<strong>der</strong>em<br />

werden Bedeutung und Chancen von<br />

Spielen anhand konkreter Spielideen im<br />

Lernkontext aufgegriffen. Zwei Weltkarten<br />

aus LKW-Plane, die wir im Verleih<br />

haben, und <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten,<br />

werden beleuchtet. Wie<strong>der</strong> wird es<br />

e<strong>in</strong>e Buchrezension aus unserem Bestand<br />

geben. Außerdem stellen wir weiteres<br />

Material u. a. zu Mexiko und Schokolade<br />

vor, besprechen Praxisbeispiele, wie diese<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden können und teilen<br />

Erfahrungen von Pädagog*<strong>in</strong>nen.<br />

Neugierig geworden?<br />

Schauen Sie auf unserer Website www.welt<strong>in</strong><strong>der</strong>schule.uni-bremen.de vorbei!<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

39


Praxis: Rundschau <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Aus dem Vorstand<br />

Geme<strong>in</strong>sam<br />

für e<strong>in</strong>e starke <strong>Grundschule</strong><br />

Der Sommer begann mit e<strong>in</strong>em<br />

überaus erfreulichen Ereignis:<br />

E<strong>in</strong>ladung des Bundesprä sidenten<br />

für den Vorsitzenden des Grundschulverbands<br />

zu e<strong>in</strong>em Abendessen am<br />

12. Juli 2023 im Schloss Bellevue zum<br />

Thema „Soziale Pflichtzeit“.<br />

Der Bundespräsident Frank-Walter<br />

Ste<strong>in</strong>meier stellte se<strong>in</strong>en Vorschlag zur<br />

Sozialen Pflichtzeit vor. Im Zentrum<br />

stand dabei die Überlegung, Wege zu<br />

f<strong>in</strong>den, wie e<strong>in</strong>e ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>driftende<br />

Gesellschaft wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kontakt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

kommen könnte. Als Vertreter<br />

des Grundschulverbands konnte<br />

ich darauf aufmerksam machen, dass<br />

die <strong>Grundschule</strong> die e<strong>in</strong>zige Institution<br />

im Bildungsbereich ist, die Menschen<br />

aus allen Herkünften zusammenbr<strong>in</strong>gt.<br />

Der Vorschlag, die Aufteilung<br />

<strong>der</strong> Schüler:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

zu überdenken und auch hier die<br />

gute Praxis <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>n – e<strong>in</strong>e<br />

geme<strong>in</strong>same Schule für alle – weiterzuführen,<br />

wurde <strong>in</strong>teressiert aufgenommen.<br />

Nachfragen und die Diskussion<br />

bestärkten dar<strong>in</strong>, diese Position<br />

weiter offensiv <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu<br />

vertreten.<br />

Nach diesem erfreulichen Start <strong>in</strong> den<br />

Sommer galt es, schnelle Lösungen für<br />

unvorhersehbare Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu f<strong>in</strong>den: Christ<strong>in</strong>e Damm schied – für<br />

uns völlig überraschend und mit Bedauern<br />

– zum 30. September aus <strong>der</strong><br />

Geschäftsstelle aus. Wir mussten rasch<br />

klären, wie wir die so entstandene Lücke<br />

schnellstmöglich wie<strong>der</strong>besetzen. Auf<br />

unsere Ausschreibung g<strong>in</strong>gen über<br />

40 Bewerbungen e<strong>in</strong>. Letztendlich gelang<br />

es, mit Frau Jana Haag und Frau<br />

Abigail Montwé zwei vielversprechende<br />

neue Mitarbeiter<strong>in</strong>nen zu f<strong>in</strong>den, die ab<br />

dem 15. Oktober 2023 bzw. dem 1. November<br />

2023 ihre Arbeit aufnehmen<br />

werden. Auch an dieser Stelle e<strong>in</strong> herzliches<br />

Willkommen und auf e<strong>in</strong>e gute<br />

Zusammenarbeit!<br />

Am 9. Oktober 2023 wurde Maresi<br />

Lassek, die über 10 Jahre als Bundesvorsitzende<br />

unseren Verband geleitet und<br />

sich darüber h<strong>in</strong>aus sehr engagiert für<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> e<strong>in</strong>gesetzt<br />

hat, vom Bundespräsidenten Frank-<br />

Walter Ste<strong>in</strong>meier das Bundesverdienstkreuz<br />

verliehen. Wir freuen uns sehr mit<br />

ihr über diese hohe Auszeichnung und<br />

gratulieren Maresi von ganzem Herzen!<br />

Anschließen möchten wir auch e<strong>in</strong>e<br />

weitere Gratulation für drei <strong>Grundschule</strong>n,<br />

die am 12. Oktober 2023 mit<br />

dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet<br />

worden s<strong>in</strong>d: die Rothenburg-<strong>Grundschule</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, die <strong>Grundschule</strong> op de<br />

Host <strong>in</strong> Horst, Nie<strong>der</strong>sachsen, und die<br />

<strong>Grundschule</strong> am Dichterviertel <strong>in</strong> Mülheim<br />

an <strong>der</strong> Ruhr, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen.<br />

Die Mülheimer und die Horster <strong>Grundschule</strong><br />

s<strong>in</strong>d auch Mitgliedschulen des<br />

Grundschulverbands.<br />

Inzwischen s<strong>in</strong>d alle Bundeslän<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

das neue Schuljahr gestartet. Die Unterrichtsversorgung<br />

wird von den M<strong>in</strong>isterien<br />

weitgehend als nicht so schlimm<br />

wie erwartet geschil<strong>der</strong>t. Dies kann ke<strong>in</strong><br />

wirklicher Trost se<strong>in</strong>, wenn wir weiterh<strong>in</strong><br />

gerade und beson<strong>der</strong>s im Bereich <strong>der</strong><br />

<strong>Grundschule</strong>n mit e<strong>in</strong>em teilweise erheblichen<br />

Mangel an gut ausgebildeten<br />

Lehrkräften auskommen müssen. So<br />

gehört <strong>der</strong> Grundschulverband zu den<br />

mehr als 90 unterzeichnenden Bildungsorganisationen,<br />

Eltern- und Schüler:<strong>in</strong>nenvertretungen<br />

des Appells „Bildungswende<br />

Jetzt!“, <strong>in</strong> dem zu e<strong>in</strong>em „echten“<br />

Nationalen Bildungsgipfel aufgefor<strong>der</strong>t<br />

und sich geme<strong>in</strong>sam für e<strong>in</strong>en bundesweiten<br />

Bildungsprotesttag am 23. September<br />

2023 engagiert wurde. In Bayern,<br />

Berl<strong>in</strong> und Bremen haben die Landesgruppen<br />

Aktionen vor Ort mit organisiert.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass diese<br />

Aktion – gerade im H<strong>in</strong>blick auf den<br />

Stand <strong>der</strong> Diskussion um den kommenden<br />

Bundeshaushalt – Wirkung zeigt.<br />

Mit se<strong>in</strong>en beiden Pressemitteilungen<br />

zur <strong>in</strong>klusiven Bildung und zur Unterf<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> hat <strong>der</strong><br />

Vorstand auf die Veröffentlichung des<br />

aktuellen Staatenberichts zur Umsetzung<br />

<strong>der</strong> UN-Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenkonvention, des<br />

Deutschen Schulbarometers sowie des<br />

UNICEF-Berichts zur Lage <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Deutschland reagiert.<br />

Gerade an dieser Stelle wird e<strong>in</strong>mal<br />

mehr deutlich: Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>Grundschule</strong><br />

braucht e<strong>in</strong>e starke Stimme. Wir<br />

als Grundschulverband müssen diese<br />

starke Stimme für unsere Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>n se<strong>in</strong>.<br />

Lassen Sie uns geme<strong>in</strong>sam daran arbeiten,<br />

den Verband weiter voran zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Wir freuen uns über alle, die sich<br />

dabei aktiv und engagiert e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

und im Bund und den Landesgruppen<br />

mitwirken. Kommen Sie mit vielen<br />

Menschen <strong>in</strong>s Gespräch und werben Sie<br />

für unseren Grundschulverband.<br />

Jede Stimme zählt!<br />

Edgar Bohn, Marion Gutzmann<br />

40<br />

GS aktuell 164 • November 2023


Praxis: <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Rundschau<br />

Rundschau<br />

Geme<strong>in</strong>same Veranstaltung von GGG und GSV<br />

„Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit –<br />

Startchancen-Programm als Chance“<br />

Erstmalig haben die Geme<strong>in</strong>nützige<br />

Gesellschaft Gesamtschule (GGG)<br />

und <strong>der</strong> Grundschulverband<br />

(GSV) e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Veranstaltung<br />

zum Startchancenprogramm organisiert<br />

und am 10. Juni 2023 an <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsschule<br />

Fritz-Karsen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

durchgeführt. E<strong>in</strong> großer Dank gilt<br />

Robert Giese, <strong>der</strong> als gastgeben<strong>der</strong> Schulleiter<br />

den organi sa torischen Rahmen<br />

bereitstellte und trotz Temperaturen über<br />

30 Grad e<strong>in</strong>e an genehme Veranstaltungsatmosphäre<br />

schaffen konnte.<br />

Mit dieser Veranstaltung wurde e<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> zentralen Ziele bei<strong>der</strong> Verbände <strong>in</strong>s<br />

Zentrum gerückt, für alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen – unabhängig von <strong>der</strong> Herkunft<br />

– beste Bildungschancen zu garantieren.<br />

Vortrag, Podiumsgespräch und vier<br />

Foren boten e<strong>in</strong> abgerundetes Programm<br />

und e<strong>in</strong>en wirkungsvollen Rahmen für<br />

e<strong>in</strong>e überzeugende Positionierung bei<strong>der</strong><br />

Verbände zum Startchancenprogramm,<br />

das K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen bessere<br />

Bildungschancen eröffnen soll.<br />

Die Vorsitzenden bei<strong>der</strong> Verbände,<br />

Dieter Ziel<strong>in</strong>ski (GGG) und Edgar Bohn<br />

(GSV), eröffneten die Tagung und for<strong>der</strong>ten<br />

zur Lösung <strong>der</strong> Krise im Bildungssystem<br />

e<strong>in</strong>en gesamtgesellschaftlichen<br />

Dialog über Bildung und Schule – K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche gehören ganz nach oben<br />

auf die Agenda e<strong>in</strong>es breiten gesellschaftlichen<br />

Diskurses.<br />

Souverän vertrat Ra<strong>in</strong>er Dahlhaus<br />

(GGG) die plötzlich erkrankte Referent<strong>in</strong><br />

und stellte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag Themen<br />

und Eckpunkte aus dem „Expert*<strong>in</strong>nenforum<br />

Startchancenprogramm“ kritisch<br />

reflektiert vor.<br />

Daran schloss sich e<strong>in</strong> kompetent<br />

besetztes Podiumsgespräch mit Ruppert<br />

Stüwe MdB (SPD), Hans-Jürgen<br />

Kuhn (Die Grünen), Achim Elvert<br />

(SL Gesamtschule Ückendorf Gelsenkirchen),<br />

Marion Gutzmann (GSV)<br />

und Dieter Ziel<strong>in</strong>ski (GGG) an, das von<br />

Dr. Petra Strähle (Robert-Bosch-Stiftung)<br />

mo<strong>der</strong>iert wurde und die Vertreter*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Ampelkoalition mit<br />

den E<strong>in</strong>schätzungen und Erwartungen<br />

zur Umsetzung des Startchancenprogramms<br />

konfrontieren sollte. Nicht<br />

alles konnte vertiefend diskutiert werden<br />

- hier soll zukünftig mehr Zeit sowohl<br />

für die Themen als auch für die stärkere<br />

E<strong>in</strong>beziehung des Publikums e<strong>in</strong>geplant<br />

werden.<br />

In vier Foren wurden am Nachmittag<br />

die Situation an den Schulen vertiefend<br />

diskutiert. Dies waren die Themen und<br />

Akteur:<strong>in</strong>nen:<br />

● Forum 1 (Warum) ist das Startchancenprogramm<br />

für MEINE<br />

SCHULE e<strong>in</strong>e Chance? Erfahrungen<br />

aus dem Talentschulprogramm NRW<br />

Leitung: Achim Elvert, Gesamtschule<br />

Ückendorf (Gelsenkirchen), GGG<br />

● Forum 2 Konzept Reformschule<br />

W<strong>in</strong> ter hude mit Bezug zum Startchancenprogramm:<br />

Was br<strong>in</strong>gt die<br />

Schule von 1-13 für die Bildungsgerechtigkeit?<br />

Leitung: Andrea Karlsberg,<br />

Malte Cunn<strong>in</strong>s, GSV<br />

● Forum 3 Startchancen: Am Start<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ausgerichtet?<br />

Leitung: Marion Gutzmann,<br />

Gabriele Klenk, GSV<br />

● Forum 4 Startchancen(-programm)<br />

– Chance für den Sozialraum:<br />

Beispiel Hans-Christian-An<strong>der</strong>sen-Stadtteilschule,<br />

Kiel-Gaarden<br />

Leitung: Kathar<strong>in</strong>a Bruhn, Miriam<br />

Bouzeggaoui, Thomas Witt<br />

von l<strong>in</strong>ks nach rechts:<br />

Herzstück <strong>der</strong> Veranstaltung war die Verabschiedung<br />

e<strong>in</strong>er Resolution bei<strong>der</strong> Verbände:<br />

Mehr als überfällig war, dass sich<br />

die Regierungsparteien auf Bundesebene<br />

<strong>in</strong> ihrem Koalitionsvertrag <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

von Bildungschancen aller K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendlichen verpflichtet haben.<br />

Jedoch for<strong>der</strong>n GGG und GSV vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen endlosen<br />

Debatte von Bund und Län<strong>der</strong>n um die<br />

Mittelverteilung schnellste E<strong>in</strong>igung, um<br />

Bildungsbiografien und -erfolge von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

nicht mehr länger herkunftsbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>zuschränken, das K<strong>in</strong><strong>der</strong>recht auf allseitige<br />

Bildung e<strong>in</strong>zulösen und Schulen<br />

<strong>in</strong> herausfor<strong>der</strong>nden Lagen beson<strong>der</strong>s<br />

zu unterstützen und zu begleiten. Zentrale<br />

For<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d, das Startchancenprogramm<br />

schon im Schuljahr<br />

2023/2024 beg<strong>in</strong>nen und die Verteilung<br />

<strong>der</strong> Mittel nicht nach dem Königsste<strong>in</strong>er<br />

Schlüssel, son<strong>der</strong>n nach e<strong>in</strong>em Sozial<strong>in</strong>dex<br />

erfolgen zu lassen. Inhaltliche Vorgaben<br />

s<strong>in</strong>d, dass die ganzheitliche Bildung<br />

das Ziel ist und dass den Schulen<br />

Freiräume bei <strong>der</strong> Ausgestaltung gegeben<br />

werden müssen. Die For<strong>der</strong>ungen im<br />

Wortlaut s<strong>in</strong>d nachzulesen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pressemitteilung<br />

und Resolution bei<strong>der</strong> Verbände,<br />

die auf <strong>der</strong> Veranstaltung vorgestellt<br />

und erweitert worden ist.<br />

Marion Gutzmann,<br />

Gabriele Klenk, Dieter Ziel<strong>in</strong>ski<br />

Marion Gutzmann, stellv. Vorsitzende GSV, Redaktionsteam <strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

Gabriele Klenk, weiteres Vorstandsmitglied, Redaktionsteam <strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

Dieter Ziel<strong>in</strong>ski, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>nützige Gesellschaft Gesamtschule<br />

Die Resolution „Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit – Startchancen-Programm<br />

als Chance?“ – Grundschulverband e.V. f<strong>in</strong>den Sie unter:<br />

https://grundschulverband.de/pm-verantwortung-fuer-bildungsgerechtigkeit/<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

41


Praxis: Rundschau <strong>Professionalität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Neues Fachreferat<br />

Mathematisches Lernen<br />

im Kontext von Heterogenität<br />

Im Frühjahr 2023 hat <strong>der</strong> Grundschulverband<br />

e<strong>in</strong> neues Fachreferat<br />

e<strong>in</strong>gerichtet und uns, Uta Häsel-<br />

Weide und Marcus Nührenbörger, im<br />

Team als Fachreferent*<strong>in</strong>nen gewählt. In<br />

diesem Beitrag möchten wir uns und<br />

unser Verständnis von mathematischem<br />

Lernen im Kontext von Heterogenität<br />

vorstellen.<br />

Was verstehen wir unter<br />

mathematischem Lernen im<br />

Kontext von Heterogenität?<br />

Mathematisches Lernen <strong>in</strong> Kontext von<br />

Heterogenität bedeutet zunächst, die<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Lernenden – ihre unterschiedlichen<br />

Lernvoraussetzungen<br />

und Erfahrungen – <strong>in</strong> mathematischen<br />

Lehr- und Lernkontexten zu achten und<br />

mit Blick auf <strong>in</strong>haltsbezogene soziale<br />

Begegnungen zu beachten. Diese<br />

Reflexion von Heterogenität zeigt sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausrichtung des Unterrichts,<br />

die fachliche Lernpotentiale bei allen<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern aufgreift<br />

und durch die Kreation von Lernangeboten<br />

för<strong>der</strong>t, die <strong>in</strong>dividuell unterschiedliche<br />

Bearbeitungsoptionen bieten<br />

und Spielräume für <strong>in</strong>teraktive<br />

Zugänge zu mathematischen Gegenständen<br />

schaffen. Die Gestaltung von<br />

solchen potentialför<strong>der</strong>nden Lernangeboten<br />

orientiert sich zum e<strong>in</strong>en<br />

an den grundlegenden Pr<strong>in</strong>zipien des<br />

sozial-<strong>in</strong>teraktiven, aktiv-entdeckenden<br />

und ganzheitlichen Lernens sowie <strong>der</strong><br />

natürlichen Differenzierung. Zum an<strong>der</strong>en<br />

zielt e<strong>in</strong> solcher Mathematikunterricht<br />

auf die <strong>in</strong>dividuelle För<strong>der</strong>ung von<br />

<strong>in</strong>halts- und prozessbezogenen Kompetenzen<br />

mit Blick auf die Entwicklung<br />

und Sicherung von tragfähigen Grundlagen<br />

bei allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

Zentrales Gestaltungselement e<strong>in</strong>es<br />

Mathematikunterrichts im Kontext von<br />

Heterogenität s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>same Lernumgebungen,<br />

die rund um e<strong>in</strong>e fachliche<br />

Grundidee über Variationen und<br />

Adaptionen <strong>in</strong>haltlich bedeutsame Zugänge<br />

für alle Lernenden ermöglichen.<br />

Verschiedene Aufgaben e<strong>in</strong>er Lernumgebung<br />

s<strong>in</strong>d somit stets über die geme<strong>in</strong>same<br />

<strong>in</strong>haltliche Idee verbunden,<br />

auch wenn sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen mathematischen<br />

Komplexität variieren. Auf<br />

diese Weise werden allen Lernenden<br />

gegenstandsbezogene Lernprozesse ermöglicht,<br />

ohne dass für jedes K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dividuelle<br />

Aufgaben(päckchen) o<strong>der</strong> Hefte<br />

benötigt werden, die schnell zu e<strong>in</strong>er<br />

Isolierung <strong>der</strong> Lernenden führen.<br />

Mathematisches Lernen verstehen<br />

wir als fachliches Lernen <strong>in</strong> sozialer Geme<strong>in</strong>schaft<br />

und im Austausch. E<strong>in</strong>e gezielte<br />

Umsetzung kooperativer Sett<strong>in</strong>gs<br />

mit e<strong>in</strong>em offenen, fachlichen Austausch<br />

über mathematische Erkenntnisse<br />

ermöglicht gegenseitige fachliche<br />

Anregungen, das Erkennen von an<strong>der</strong>en<br />

Denkwegen und Vorgehensweisen<br />

und för<strong>der</strong>t auch soziales Lernen – die<br />

Anerkennung und gegenseitige Wertschätzung,<br />

die Unterstützung und fachliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung. Individuelle<br />

Bearbeitungen von spezifischen Aufgaben<br />

stellen e<strong>in</strong>e wichtige Ergänzung<br />

für konzentrierte Übungen zur Automatisierung<br />

von Basisfertigkeiten dar,<br />

die aber nur dann zur Entwicklung<br />

und Sicherung von mathematisch tragfähigen<br />

Grundlagen beitragen, wenn<br />

sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Mathematikunterricht<br />

e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d. Diagnose<br />

und För<strong>der</strong>ung gehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen<br />

Unterricht Hand und Hand und<br />

e<strong>in</strong>e unterrichts<strong>in</strong>tegrierte För<strong>der</strong>ung als<br />

Kern mit e<strong>in</strong>em diagnosegeleiteten Blick<br />

auf die Potentiale <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> stellt e<strong>in</strong>en<br />

Ausweg aus <strong>der</strong> Statuszuschreibung von<br />

Diagnosen dar.<br />

Wer s<strong>in</strong>d wir?<br />

Als Professor*<strong>in</strong>nen für son<strong>der</strong>päd a-<br />

go gische För<strong>der</strong>ung im Fach Mathematik<br />

an <strong>der</strong> Universität Pa<strong>der</strong>born<br />

(Uta Häsel-Weide) und für Didaktik<br />

<strong>der</strong> Mathematik mit dem Schwerpunkt<br />

Inklusion an <strong>der</strong> Universität Münster<br />

(Marcus Nührenbörger) verfolgen wir<br />

zusammen mit an<strong>der</strong>en, mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

und unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschiedene<br />

Projekte zur mathematikdidaktischen<br />

Entwicklungs- und Transferforschung.<br />

Geprägt haben uns Erfahrungen als<br />

Lehrkräfte im jahrgangsgemischten, <strong>in</strong>tegrativen<br />

Fachunterricht <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

(Marcus Nührenbörger) und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>schule (Uta Häsel-Weide).<br />

Geforscht haben wir zur Ablösung<br />

vom zählenden Rechnen von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit Schwierigkeiten beim<br />

Mathematiklernen und zu sozial-<strong>in</strong>teraktiven<br />

Lehr- und Lernprozessen im<br />

geme<strong>in</strong>samen Mathematikunterricht<br />

wie auch zur Entwicklung von mathematischen<br />

Praktiken. Wir haben vielfältige<br />

Lernumgebungen und Unterrichtsmaterialien<br />

für den geme<strong>in</strong>samen<br />

<strong>in</strong>klusiven Mathematikunterricht (weiter)<br />

entwickelt. Im Grundschulverband<br />

waren wir u. a. als Herausgebende des<br />

Bands „Geme<strong>in</strong>sam Mathematik lernen<br />

– mit allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n rechnen“ aktiv<br />

und haben an den Bänden „Individuell<br />

för<strong>der</strong>n – Kompetenzen stärken“ mitgewirkt.<br />

Was wollen wir mit dem<br />

Fachreferat bewegen?<br />

In und mit dem Grundschulverband<br />

wollen wir Mathematikunterricht im<br />

Kontext von Heterogenität geme<strong>in</strong>sam<br />

forschungsbasiert weiter entwickeln.<br />

Wir möchten die Lehrkräfte für mathematisches<br />

Lernen begeistern, sie (weiter)<br />

qualifizieren und von ihnen und<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> lernen. Als Teil des Grundschulverbands<br />

möchten wir für notwendige<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen guten<br />

Mathematiklernens e<strong>in</strong>treten.<br />

Marcus Nührenbörger,<br />

Uta Häsel-Weide<br />

Fachreferent*<strong>in</strong>nen im Fachreferat<br />

„Mathematisches Lernen“<br />

42<br />

GS aktuell 164 • November 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Baden-Württemberg<br />

Vorsitzen<strong>der</strong>: Edgar Bohn<br />

edgar-bohn@gsv-bw.de, https://gsv-bw.de<br />

Unsere Aktivitäten im<br />

Südwesten stehen gerade<br />

im Spannungsfeld zwischen<br />

„Rout<strong>in</strong>en etabliere“ und<br />

„ganz Neues wagen …“.<br />

Mittlerweile regelmäßig<br />

stehen wir im Austausch mit<br />

den bildungspolitischen<br />

Sprechern <strong>der</strong> Landtagsfraktionen.<br />

Diese Rout<strong>in</strong>e, die wir<br />

als große Chance sehen, mit<br />

unseren Anliegen wahrgenommen<br />

und gehört zu<br />

werden, hegen und pflegen<br />

wir und werden nicht müde,<br />

dort laut zu werden für e<strong>in</strong>e<br />

chancengerechte Bildung <strong>in</strong><br />

Baden-Württemberg zu <strong>der</strong><br />

neben e<strong>in</strong>er besseren Ausstattung<br />

<strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong>n<br />

auch e<strong>in</strong>e Besserstellung <strong>der</strong><br />

Grundschulpädagog:<strong>in</strong>nen<br />

gehört. Hier gehen die Maßnahmen<br />

<strong>der</strong> Bildungspolitik<br />

mit dualem Studium und<br />

Quere<strong>in</strong>stieg unserer Ansicht<br />

nach <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e gute Richtung.<br />

Frustration zeigt sich nach<br />

wie vor vielerorts an Schulen.<br />

Hier wollen wir etwas ganz<br />

Neues wagen und s<strong>in</strong>d schon<br />

mittendr<strong>in</strong>: Unter dem Titel<br />

Out of the Box – Dem Künstlerischen<br />

Raum geben. Mit<br />

Mut und Fantasie Unterricht<br />

und Schule entwickeln<br />

wollen wir im Rahmen<br />

unseres Grundschultags die<br />

Kraft <strong>der</strong> Fantasie nutzen, um<br />

Schule und Unterricht neu zu<br />

denken. Mit unserem Projekt<br />

wollen wir <strong>Grundschule</strong>n Mut<br />

machen, sich auf neue Wege<br />

zu begeben. Dazu sollen<br />

Grundschulpädagog:<strong>in</strong>nen<br />

durch Experten angeleitet<br />

sich auf den Weg machen,<br />

das eigene Bildungsverständnis<br />

<strong>der</strong> Kunst zu h<strong>in</strong>terfragen<br />

und die spezifische Bildungskraft<br />

<strong>der</strong> Kunst zu entdecken.<br />

Prof. Mario Urlaß und Prof.<br />

Dr. Thomas Heyl begleiten<br />

uns dabei schon seit e<strong>in</strong>igen<br />

Monaten und nun s<strong>in</strong>d wir<br />

sehr gespannt auf unsere Erfahrungen<br />

am 24. und 25.11.<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Akademie Schloss<br />

Rotenfels.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Eva Franz<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Gabriele Klenk<br />

https://grundschulverband-bayern.de<br />

Bundesweiter Protesttag<br />

Am 23.09.2023 demonstrierten<br />

wir geme<strong>in</strong>sam mit vielen<br />

an<strong>der</strong>en für e<strong>in</strong>e Bildungswende<br />

– <strong>in</strong>itiiert vom Bündnis<br />

Bildungswende JETZT!,<br />

das aus Gewerkschaften,<br />

Bildungsverbänden, Elternund<br />

Schülervertretungen<br />

besteht. Bundesweit g<strong>in</strong>gen<br />

Menschen auf die Straße, um<br />

sich für e<strong>in</strong> gerechtes, zukunftsfähiges<br />

und <strong>in</strong>klusives<br />

Bildungssystem lautstark e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

In Bayern war <strong>der</strong><br />

Grundschulverband sowohl<br />

<strong>in</strong> Erlangen als auch <strong>in</strong> München<br />

mit e<strong>in</strong>em Infostand<br />

vertreten. So war es möglich,<br />

mit Interessierten <strong>in</strong>s Gespräch<br />

zu kommen und auf<br />

unsere bildungspolitischen<br />

und pädagogischen For<strong>der</strong>ungen<br />

für e<strong>in</strong>e zukunftsfähige<br />

und k<strong>in</strong>dgerechte Schule<br />

aufmerksam zu machen. Viele<br />

waren von <strong>der</strong> Literatur und<br />

den regelmäßigen Austauschmöglichkeiten,<br />

z. B. <strong>in</strong><br />

unserer Happy Hour, begeistert<br />

und wir freuen uns,<br />

wenn wir dadurch e<strong>in</strong>zelne<br />

Menschen begeistern und<br />

gew<strong>in</strong>nen können.<br />

Weitere Informationen sowie<br />

die Möglichkeit, den Appell<br />

zu unterzeichnen, f<strong>in</strong>den sich<br />

hier: https://www.bildungswende-jetzt.de/<br />

Zum Vormerken:<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

mit Wahlen 2024<br />

Am 16.04.2024 wird<br />

unsere nächste<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung mit<br />

<strong>der</strong> Wahl e<strong>in</strong>es neuen<br />

Landesgruppenvorstands<br />

stattf<strong>in</strong>den. Die Veranstaltung<br />

wird im Onl<strong>in</strong>e-Format<br />

angeboten werden, um<br />

möglichst viele Mitglie<strong>der</strong> zu<br />

erreichen. Wenn Sie sich e<strong>in</strong>e<br />

Mitarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Bayern vorstellen können,<br />

treten Sie gerne mit uns <strong>in</strong><br />

Kontakt. Wir treffen uns<br />

sowohl onl<strong>in</strong>e als auch <strong>in</strong><br />

Präsenz, um uns über das<br />

aktuelle schulpolitische<br />

Geschehen auszutauschen,<br />

Ideen weiterzuentwickeln<br />

und z. B. Grundschultage zu<br />

planen. Unser <strong>der</strong>zeitiger<br />

Landesgruppenvorstand<br />

setzt sich aus Lehrer<strong>in</strong>nen,<br />

RektorInnen und Sem<strong>in</strong>arleiter<strong>in</strong>nen<br />

zusammen. Auch<br />

Studierende s<strong>in</strong>d herzlich<br />

willkommen. Jede und je<strong>der</strong><br />

kann sich so e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, wie<br />

es für sie o<strong>der</strong> ihn möglich ist.<br />

Wir brauchen Ihre Stimme<br />

und tatkräftige Unterstützung,<br />

damit <strong>der</strong> Grundschulverband<br />

sichtbar und stark<br />

bleibt.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Kathr<strong>in</strong> Ettner<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer<br />

denisomm@aol.com, www.grundschulverband.de<br />

Baustelle Schülerleistung<br />

– im Dialog mit Politik und<br />

Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

Die weniger guten Leistungen<br />

Brandenburger<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

werden zum Schlagabtausch<br />

<strong>der</strong> Politik. So for<strong>der</strong>t z. B. e<strong>in</strong><br />

CDU-Bildungsexperte Noten<br />

ab Klasse 3 und zusätzliche<br />

För<strong>der</strong>stunden. In Schule<br />

vor Ort passiert jedoch das<br />

Gegenteil: För<strong>der</strong>stunden<br />

fallen seit Jahren <strong>der</strong> Vertretungsreserve<br />

zum Opfer<br />

und damit aus. Die Benachteiligung<br />

<strong>der</strong> schwächsten<br />

Lernenden wirkt doppelt!<br />

Schülerleistung wird auch<br />

e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Themen beim<br />

nächsten Fachgespräch im<br />

November se<strong>in</strong>, zu dem das<br />

M<strong>in</strong>isterium den Grundschulverband<br />

e<strong>in</strong>geladen hat. Als<br />

Vorstand ist es uns sehr wichtig,<br />

Schulen <strong>in</strong> ihrer schulischen<br />

Praxis zu unterstützen<br />

und bildungspolitisch<br />

aktiv zu bleiben. Der letzte<br />

Grundschultag <strong>in</strong> Präsenz hat<br />

uns ermutigt, dieses Format<br />

wie<strong>der</strong> aufleben zu lassen.<br />

Sollten Sie Interesse haben<br />

und Vorschläge zu Themen<br />

o<strong>der</strong> zum Tagungsort e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

wollen, nehmen Sie<br />

bitte Kontakt mit uns auf.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Denise Sommer<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

43


Praxis: aktuell <strong>Professionalität</strong> … aus den Landesgruppen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Bremen<br />

Vorstandssprecher: Chris Barnick<br />

c.barnick@uni-bremen.de, www.grundschulverband-bremen.de<br />

Projekt<br />

KINDER*RECHTE*SCHULE<br />

Das im Heft 163 bereits<br />

kurz vorgestellte Projekt<br />

KINDER*RECHTE*SCHULE<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe Bremen <strong>in</strong><br />

Kooperation mit „E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule“ hat <strong>in</strong>zwischen<br />

se<strong>in</strong>e Arbeit aufgenommen.<br />

Bei e<strong>in</strong>em ersten Treffen mit<br />

<strong>in</strong>teressierten Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen aus drei <strong>Grundschule</strong>n<br />

und e<strong>in</strong>er KITA wurde<br />

das Angebot für e<strong>in</strong>e Erprobung<br />

im laufenden Schuljahr<br />

präsentiert. Dazu gehören<br />

Kisten mit Büchern für die<br />

Hand <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> („Klassenkisten“)<br />

bzw. mit Materialien für<br />

die Kollegien <strong>der</strong> beteiligten<br />

E<strong>in</strong>richtungen („Schulkisten“<br />

bzw. „KITA-Kisten“). Dafür<br />

wurden nach umfassen<strong>der</strong><br />

Sichtung K<strong>in</strong><strong>der</strong>bücher zur<br />

verschiedenen Aspekten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte und <strong>der</strong><br />

Demokratisierung <strong>der</strong> Schule<br />

zusammengestellt. In e<strong>in</strong>em<br />

Begleitheft, das auf Anfrage<br />

als PDF auch an an<strong>der</strong>e<br />

Interessierte verschickt wird,<br />

werden diese Materialien<br />

kommentiert. Inzwischen<br />

wird das Projekt zusätzlich<br />

durch den För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong> STAR<br />

CARE Bremen e. V. unterstützt.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

https://www.welt<strong>in</strong><strong>der</strong>schule.<br />

uni-bremen.de/detail/k<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte-schule.html<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

Wie im September angekündigt,<br />

sollten die „K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte<br />

<strong>in</strong> Schule und Unterricht“<br />

auch Thema <strong>der</strong> Fachveranstaltung<br />

bei <strong>der</strong> jährlichen<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung <strong>der</strong><br />

Landesgruppe im Herbst se<strong>in</strong>.<br />

Sie wurde für Mittwoch, den<br />

8.11.2023, 17:00 – 18:30 h im<br />

Forum des Landes<strong>in</strong>stituts<br />

für Schule (Am Weidedamm<br />

20) geplant. Beiträge waren<br />

zugesagt von Prof. Dr. Hans<br />

Brügelmann (em. Prof. an den<br />

Universitäten Bremen und<br />

Siegen) und N<strong>in</strong>a Bode-<br />

Kirchhoff (Fachautor<strong>in</strong> und<br />

Grundschullehrer<strong>in</strong> an <strong>der</strong> GS<br />

Düsseldorfer Straße). Die Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

selbst<br />

sollte anschließend<br />

(~ 18.30 h) im Nebenraum<br />

des Forums stattf<strong>in</strong>den.<br />

Außerdem beteiligt sich<br />

die Landesgruppe an dem<br />

für 2024 geplanten <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Theater-Projekt „E<strong>in</strong><br />

Nashorn macht Theater“ des<br />

Vere<strong>in</strong>s „Potztausendschön<br />

e. V.“ (s. <strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

160, S. 45). Es handelt sich um<br />

e<strong>in</strong> Kamishibai-Erzähltheater-<br />

Stück für Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten, mit dem<br />

<strong>in</strong>haltlichen Fokus auf dem<br />

Umgang mit Emotionen.<br />

Das aufsuchende Projekt<br />

br<strong>in</strong>gt K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus vier KITAs<br />

<strong>in</strong> Stadtteilen mit sozioökonomischen<br />

Bedarfslagen mit<br />

Theater <strong>in</strong> Berührung und<br />

trägt damit zum Recht auf<br />

kulturelle Teilhabe bei. Die<br />

zentralen Thematiken werden<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> tanz-und theaterpädagogischen<br />

Vertiefungsangeboten<br />

bearbeitet.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Hans Brügelmann<br />

Hamburg<br />

Kontakt: Marion L<strong>in</strong>dner, Pl<strong>in</strong>kstraße 81, 25337 Elmshorn<br />

L<strong>in</strong>dner_Marion@t-onl<strong>in</strong>e.de, https://gsvhh.de<br />

Handyverbot an <strong>Grundschule</strong>n?<br />

Ist das s<strong>in</strong>nvoll?<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong>s Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Kar<strong>in</strong> Prien<br />

brachte e<strong>in</strong> Handyverbot an<br />

<strong>Grundschule</strong>n <strong>in</strong>s Gespräch.<br />

Der Norddeutsche Rundfunk<br />

griff dies auf und lud <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Reihe NDR Info „Redezeit“<br />

am 24.08.2023 als Experten<br />

Kar<strong>in</strong> Prien, Tobias Wilde<br />

vom Vere<strong>in</strong> für Kultur- und<br />

Medienpädagogik und<br />

Maik Becker-Pöge aus dem<br />

Vorstand unserer Landesgruppe<br />

sowie <strong>in</strong>teressierte<br />

Zuhörer zu e<strong>in</strong>er Diskussionsrunde<br />

e<strong>in</strong>. Die Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong><br />

Jan<strong>in</strong>e Albrecht stellte die<br />

Frage, ob K<strong>in</strong><strong>der</strong> speziell im<br />

Grundschulalter e<strong>in</strong>e digitale<br />

Schutzzone brauchen. Sollte<br />

es dafür Vorgaben o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />

Empfehlungen <strong>der</strong><br />

Schulbehörde / des M<strong>in</strong>isteriums<br />

geben?<br />

Die unterstützende Funktion<br />

des Handys im Grundschulunterricht,<br />

z. B. um Fotos<br />

zu machen, und dabei dann<br />

zu lernen, welche Regeln<br />

zu beachten s<strong>in</strong>d, sollte e<strong>in</strong><br />

selbstverständlicher Teil<br />

von Unterricht se<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

digitalisierten Welt. S<strong>in</strong>nvolle<br />

Handynutzung als gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe<br />

und die Vorbildfunktion <strong>der</strong><br />

Eltern und dies nicht erst vom<br />

Grundschulalter an, son<strong>der</strong>n<br />

bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kita, wurde von<br />

den Experten und zugeschalteten<br />

Zuhörern gleichermaßen<br />

hervorgehoben. Maik<br />

Becker-Pöge betonte dabei,<br />

dass es Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

ist, gesellschaftliche<br />

Entwicklung und Wandel<br />

<strong>in</strong> Schule abzubilden und<br />

dafür e<strong>in</strong>en pädagogisch<br />

aufbereiteten Raum zu<br />

schaffen. Dabei könne e<strong>in</strong><br />

vorschnell ausgesprochenes<br />

Verbot dazu führen, dass die<br />

Handy-Nutzung heimlich<br />

und ohne Aufsicht erfolge.<br />

Diesem könne die <strong>Grundschule</strong><br />

entgegenwirken,<br />

<strong>in</strong>dem sie didaktisch geklärte<br />

und methodisch aufbereitete<br />

Lern- und Erfahrungssett<strong>in</strong>gs<br />

für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> schafft, die <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Welt groß werden, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> die Nutzung von Handys<br />

e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit ist<br />

und auch bleiben wird.<br />

Gespannt s<strong>in</strong>d wir, ob <strong>der</strong><br />

Grundschulverband <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Überarbeitung des Standpunktes<br />

Medienbildung darauf<br />

e<strong>in</strong>geht und damit e<strong>in</strong>e<br />

offizielle Unterstützung für<br />

Mitglie<strong>der</strong> bei Diskussionen<br />

zum Thema Handynutzung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> liefert.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marion L<strong>in</strong>dner<br />

44<br />

GS aktuell 164 • November 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Hessen<br />

Vorsitzen<strong>der</strong>: Mario Michel<br />

mario.michel@gsvhessen.de, www.gsvhessen.de<br />

Bildungsforum mit den<br />

bildungspolitischen Sprechern<br />

und <strong>der</strong> Sprecher<strong>in</strong><br />

im Hessischen Landtag<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> GEW<br />

(Gewerkschaft Erziehung<br />

und Wissenschaft), <strong>der</strong> GGG<br />

(Geme<strong>in</strong>nützige Gesellschaft<br />

Gesamtschule) und dem<br />

ebh (Elternbund Hessen) hat<br />

unsere Landesgruppe anlässlich<br />

<strong>der</strong> bevorstehenden<br />

Landtagswahlen <strong>in</strong> Hessen<br />

e<strong>in</strong>geladen und zur Position<br />

ihrer Parteien befragt. Mo<strong>der</strong>iert<br />

wurde die Veranstaltung<br />

von Mart<strong>in</strong> Buhl (Schulleiter<br />

<strong>der</strong> IGS <strong>in</strong> Riedstadt) und<br />

Mario Michel (Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des GSV, Landesgruppe<br />

Hessen).<br />

Tatsächlich kamen die<br />

E<strong>in</strong>geladenen vollzählig<br />

<strong>in</strong> das „Haus am Dom“ <strong>in</strong><br />

Frankfurt. Auch Publikum war<br />

angezogen – weniger zwar<br />

als gehofft, genug aber, um<br />

die Veranstaltung lebendig<br />

und beitragsreich zu machen.<br />

Pia Hoelzel (Schulleiter<strong>in</strong>,<br />

GSV) und Gerd-Ulrich Franz<br />

(ehemaliger Bundesvorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> GGG) führten <strong>in</strong><br />

die Thematik e<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem sie<br />

die Unzufriedenheit <strong>der</strong> Veranstaltenden<br />

mit <strong>der</strong> Politik<br />

deutlich machten.<br />

Nachdem die Sprecher-<br />

Innen Gelegenheit hatten,<br />

ihre Positionen und bildungspolitischen<br />

Vorhaben<br />

darzustellen, war lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong><br />

wegweisendes Vorhaben<br />

benannt und es blieb im<br />

Wesentlichen beim Lob <strong>der</strong><br />

eigenen Taten und e<strong>in</strong>em<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger „Weiter<br />

wie bisher“, gepaart mit e<strong>in</strong><br />

bisschen Flickschusterei hier<br />

und dort. Richtig gute Ideen?<br />

Ke<strong>in</strong>e!<br />

Als dann die Fragemöglichkeit<br />

für das Publikum eröffnet<br />

wurde, war auch die Unzufriedenheit<br />

<strong>der</strong> anwesenden<br />

Lehrkräfte, Schulleitungen,<br />

AusbildnerInnen deutlich zu<br />

spüren und zu hören.<br />

Unter dem Strich gab es<br />

auf wenige Punkte wirkliche<br />

Antworten. Dagegen<br />

blieben viele Fragen offen<br />

und undiskutiert, obwohl<br />

angesprochen:<br />

Entlastung von Lehrkräften<br />

und Neuberechnung von<br />

Lehrkräftearbeitszeit, Entlastung<br />

von Schulleitungen,<br />

Umkehr <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierungsverhältnissen<br />

im Bildungssystem<br />

(<strong>der</strong> frühk<strong>in</strong>dlichen<br />

Bildung <strong>in</strong> Kita und <strong>Grundschule</strong>),<br />

Demokratiebildung<br />

als etablierter Bestandteil<br />

von Lehrkräfteausbildung<br />

und Unterricht, Inklusion<br />

als grundlegendes Pr<strong>in</strong>zip,<br />

Lehrkräftemangel, echte<br />

Ganztagsschule und nicht zuletzt<br />

– wie kann es gel<strong>in</strong>gen,<br />

zukünftig sicherzustellen,<br />

dass nicht bereits bei E<strong>in</strong>tritt<br />

<strong>in</strong> die <strong>Grundschule</strong> <strong>der</strong><br />

Bildungsverlauf e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

weitgehend vorgezeichnet<br />

beziehungsweise vom Geldbeutel<br />

<strong>der</strong> Eltern abhängig<br />

ist, son<strong>der</strong>n dass stattdessen<br />

Bildungsgerechtigkeit und<br />

Chancengleichheit beför<strong>der</strong>t<br />

werden?<br />

Und wie soll zukünftig<br />

erreicht werden, dass alle<br />

Schulen Hessens gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt und<br />

e<strong>in</strong> wertschätzendes Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

stärken und nicht<br />

die Spaltung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

weiter vorantreiben?<br />

Die Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />

veranstaltenden Verbände<br />

aber wurde als gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend<br />

wahrgenommen<br />

und soll e<strong>in</strong>e Fortsetzung<br />

erfahren. „Länger geme<strong>in</strong>sam<br />

lernen“ steht bereits als verb<strong>in</strong>dende<br />

Thematik fest, zu<br />

<strong>der</strong> es schon im November 23<br />

e<strong>in</strong> erneutes Kooperationstreffen<br />

geben wird..<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Pia Hölzel<br />

Die bildungspolitischen SprecherInnen <strong>der</strong> demokratischen Parteien waren mit <strong>der</strong> deutlichen Unzufriedenheit<br />

<strong>der</strong> anwesenden Lehrkräfte, Schulleitungen, AusbildnerInnen konfrontiert.<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

45


Praxis: aktuell <strong>Professionalität</strong> … aus den Landesgruppen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Kontakt: Vorstand <strong>der</strong> Landesgruppe Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

www.gsv-nds.de<br />

Klausurtagung des<br />

Landesgruppenvorstandes<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Am 12. 8. 2023 traf sich unser<br />

Landesgruppenvorstand zu<br />

e<strong>in</strong>er ganztägigen Sitzung <strong>in</strong><br />

Hannover. Im Vor<strong>der</strong>grund<br />

<strong>der</strong> Sitzung stand die Vorbereitung<br />

des Fachtages am<br />

04.11.2023 <strong>in</strong> Bremen, <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Kooperation mit dem Projekt<br />

„E<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule“<br />

zum Thema BNE durchgeführt<br />

werden soll. In <strong>der</strong><br />

sich daran anschließenden<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung wird<br />

dann <strong>der</strong> neue Vorstand <strong>der</strong><br />

Landesgruppe Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

gewählt, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

nächsten <strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

im Februar vorstellen wird.<br />

Auch wenn sich <strong>der</strong> neue Vorstand<br />

bei Herausgabe dieser<br />

Zeitschrift bereits konstituiert<br />

haben wird, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>teressierte<br />

Teilnehmer:<strong>in</strong>nen zu unseren<br />

offenen Vorstandssitzungen,<br />

die wir unter an<strong>der</strong>em<br />

im Newsletter sowie auf<br />

Instagram bekannt geben,<br />

willkommen.<br />

Klönschnack im Norden<br />

Die Landesgruppe Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

bereitet den nächsten<br />

Klönschnack im Norden<br />

vor. Wie immer diskutieren<br />

wir e<strong>in</strong> Thema aus unserer<br />

Broschüre Faktencheck<br />

<strong>Grundschule</strong> (https://grundschulverband.de/unserethemen/faktencheck-2/).<br />

Dabei fokussieren wir uns <strong>in</strong><br />

unserem Klönschnack auf das<br />

Vorurteil „Die verbundene<br />

Druckschrift bewirkt unleserliche<br />

Handschriften und ist<br />

e<strong>in</strong> Angriff auf die Kultur!“.<br />

Der Klönschnack f<strong>in</strong>det im<br />

Dezember im Onl<strong>in</strong>e-Format<br />

statt und steht allen Interessierten<br />

offen.<br />

Für den Vorstand:<br />

Eva Osterhues-Bruns<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

Vorsitzende: Christiane Mika, Ruhrbogen 30,<br />

45529 Hatt<strong>in</strong>gen; www.grundschulverband-nrw.de<br />

Ankündigung des<br />

Fachtages <strong>Grundschule</strong><br />

NRW 2024<br />

Für Montag, den<br />

18.03.2024 laden wir<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> GEW<br />

NRW zu unserem Fachtag<br />

<strong>Grundschule</strong> mit dem Motto<br />

„<strong>Grundschule</strong> neu denken“<br />

e<strong>in</strong>. Nach dem e<strong>in</strong>leitenden<br />

Hauptvortrag werden die<br />

Teilnehmenden die Möglichkeit<br />

haben, zwei aus <strong>in</strong>sgesamt<br />

zehn Workshops zu<br />

besuchen. Neben den<br />

Besuchen <strong>der</strong> Workshops<br />

bieten zahlreiche Infotische<br />

die Möglichkeit, neue Ideen<br />

für den Schulalltag o<strong>der</strong> die<br />

eigene Schulentwicklung zu<br />

entdecken. Wir freuen uns<br />

sehr darüber, dass die<br />

M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Schule und<br />

Bildung des Landes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

Dorothee<br />

Feller den Besuch unserer<br />

Veranstaltung zugesagt hat.<br />

Wann<br />

18.03.2024, 9.00 – 16.00 Uhr<br />

Wo<br />

Luise-Albertz-Halle, Düppelstraße<br />

1, 46045 Oberhausen<br />

Anmeldung<br />

ab Mitte Januar über die Homepage<br />

GEW NRW unter dem<br />

Stichwort Veranstaltungen<br />

Für die Landesgruppe:<br />

André Richter<br />

Thür<strong>in</strong>gen<br />

Vorsitzende: Steffi Jünemann<br />

grundschulverband-thuer<strong>in</strong>gen@gmx.de<br />

Ab jetzt wie<strong>der</strong> aktuell<br />

E<strong>in</strong>e ganze Weile war es<br />

still bei uns. Wer auf diesen<br />

Seiten unter den Berichten<br />

<strong>der</strong> Landesgruppen nach<br />

Informationen aus Thür<strong>in</strong>gen<br />

gesucht hat, wurde die letzten<br />

Monate lei<strong>der</strong> enttäuscht.<br />

Ab jetzt werden wir<br />

allerd<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong> zu je<strong>der</strong><br />

Ausgabe E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> unsere<br />

Arbeit präsentieren. Was ist<br />

gerade bei uns los? Woran<br />

planen wir gerade? Worauf<br />

könnt ihr euch <strong>in</strong> nächster<br />

Zeit freuen?<br />

Auch auf Instagram<br />

Wer nach aktuellen Informationen<br />

sucht, wird aber nicht<br />

nur <strong>in</strong> dieser Zeitschrift fündig.<br />

Denn während unserer<br />

Abwesenheit hier haben wir<br />

e<strong>in</strong>en Instagram-Account für<br />

die Landesgruppe Thür<strong>in</strong>gen<br />

(@grundschulverband_thuer<strong>in</strong>gen)<br />

erstellt. Dort erhaltet<br />

ihr ebenfalls Informationen<br />

und E<strong>in</strong>blicke. Außerdem teilen<br />

wir dort wichtige Veranstaltungsh<strong>in</strong>weise,<br />

die nicht<br />

nur Thür<strong>in</strong>gen betreffen,<br />

son<strong>der</strong>n auf bundesweiter<br />

Ebene relevant s<strong>in</strong>d. Ihr könnt<br />

uns dort gerne folgen!<br />

Was haben wir geplant?<br />

Wir möchten wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

direkten Austausch mit euch,<br />

unseren Mitglie<strong>der</strong>n und<br />

an<strong>der</strong>en Interessierten treten.<br />

Dafür planen wir aktuell<br />

e<strong>in</strong>en „Advents-Austausch“,<br />

<strong>der</strong> onl<strong>in</strong>e stattf<strong>in</strong>den wird.<br />

Dieses Mal dürft ihr mitentscheiden,<br />

wann dieses<br />

Treffen stattf<strong>in</strong>den soll, hierzu<br />

gibt es e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Onl<strong>in</strong>e-Umfrage. Wer mit<br />

abstimmen möchte und<br />

ke<strong>in</strong>e Informationen zu dieser<br />

Veranstaltung verpassen will,<br />

kann uns gerne an<br />

grundschulverbandthuer<strong>in</strong>gen@gmx.de<br />

schreiben.<br />

Wir freuen uns auf euch!<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Leah Kästner<br />

46<br />

GS aktuell 164 • November 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

Vorsitzen<strong>der</strong>: Johannes Wolz<br />

<strong>in</strong>fo@ grundschulverband-rlp.de , www.grundschulverband-rlp.de<br />

#Bildungsprotest2023<br />

„Je<strong>der</strong> ist e<strong>in</strong> Genie. Aber wenn<br />

du e<strong>in</strong>en Fisch danach beurteilst,<br />

wie er auf e<strong>in</strong>en Baum<br />

klettern kann, wird er se<strong>in</strong><br />

ganzes Leben glauben, dass<br />

er dumm ist“ , zitierte Leo am<br />

Ende se<strong>in</strong>es Redebeitrages<br />

während des bundesweiten<br />

Bildungsprotesttages am<br />

23. September 2023 <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z.<br />

Auf se<strong>in</strong>em Instagramprofil<br />

@leoloewenherz_lebenmitamc<br />

for<strong>der</strong>t er bessere Inklusion,<br />

Teilhabe und Barrierefreiheit.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit rund<br />

500 engagierten Menschen<br />

Wir waren am 23.09.23 <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z dabei!<br />

kamen wir für e<strong>in</strong>e Kundgebung<br />

zusammen, um<br />

folgende For<strong>der</strong>ungen für<br />

e<strong>in</strong>e Bildungswende JETZT!<br />

(bildungswende-jetzt.de)<br />

aktiv zu unterstützen:<br />

1. Schule und Kita <strong>in</strong>klusiv<br />

und zukunftsfähig machen<br />

2. Ausbildungsoffensive für<br />

Lehrer*<strong>in</strong>nen und Erzieher*<strong>in</strong>nen<br />

3. Son<strong>der</strong>vermögen Bildung<br />

& ausreichende F<strong>in</strong>anzierung<br />

4. Echter Bildungsgipfel auf<br />

Augenhöhe<br />

Gespräch mit <strong>der</strong><br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Am diesjährigen Weltk<strong>in</strong><strong>der</strong>tag<br />

(20.09.23) waren wir zu<br />

e<strong>in</strong>em Gespräch mit <strong>der</strong> rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen<br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Dr. Stefanie Hubig <strong>in</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z verabredet. Kernthema<br />

war die Zukunftsfähigkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Grundschule</strong>n. Außerdem<br />

haben wir folgende Inhalte<br />

e<strong>in</strong>gebracht:<br />

● Mehr Wertschätzung<br />

& Würdigung des Berufes<br />

„Grundschullehrkraft“ (mit<br />

beson<strong>der</strong>em Blick auf gel<strong>in</strong>gende<br />

Inklusion<br />

● Aktuelle Situation an den<br />

Schulen: Wie äußert sich <strong>der</strong><br />

Fachkräftemangel konkret?<br />

Wie funktioniert die Besetzung<br />

mit PES-Stellen? Welcher<br />

Belastung s<strong>in</strong>d Lehrkräfte/<br />

Schulleitungen ausgesetzt?<br />

Was kann und muss Politik<br />

jetzt tun?<br />

● Bessere Vernetzung aller<br />

Phasen <strong>der</strong> Lehrkräfteausbildung<br />

an <strong>Grundschule</strong>n<br />

(mit beson<strong>der</strong>em Blick auf die<br />

neue Abteilung „Grundschulforschung“<br />

an <strong>der</strong> Universität<br />

Trier und <strong>der</strong>en Zukunftsperspektiven)<br />

● Individualisierung und<br />

Noten? Wie passt das zusammen?<br />

Welche Schritte plant<br />

das BM aktuell? (Anpassung<br />

<strong>der</strong> Grundschulordnung,<br />

Aktualisierung <strong>der</strong> Teilrahmenpläne,<br />

Konsequenzen<br />

aus <strong>der</strong> Initiative „Schule <strong>der</strong><br />

Zukunft“ ...)<br />

Wir ziehen e<strong>in</strong>e grundsätzlich<br />

positive Bilanz aus<br />

dem Gespräch, da sich die<br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> offen und<br />

<strong>in</strong>teressiert an unseren Standpunkten<br />

zeigte und unsere<br />

For<strong>der</strong>ungen pr<strong>in</strong>zipiell<br />

unterstützt. Wir hoffen, dass<br />

sich diese Ankündigungen<br />

<strong>in</strong> regelmäßigeren Treffen<br />

zwischen Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

und Grundschulverband<br />

RLP manifestieren und sich<br />

dadurch e<strong>in</strong>e engere Zusammenarbeit<br />

entwickeln wird.<br />

P<strong>in</strong>nwand GSV RLP<br />

Alle Term<strong>in</strong>e rund um unsere<br />

Landesgruppe (Sitzungen,<br />

Veranstaltungen, Aktionen)<br />

f<strong>in</strong>det ihr regelmäßig aktualisiert<br />

auf unserer P<strong>in</strong>nwand<br />

unter<br />

grundschulverband-rlp.de.<br />

Wir freuen uns über eure<br />

aktive Unterstützung!<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marja Ertel und Johannes Wolz<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

47


Praxis: aktuell <strong>Professionalität</strong> … aus den Landesgruppen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Saarland<br />

Sonja Köhler, Landesgruppenvorsitzende,<br />

sonja.koehler@grundschulverband.saarland; www.grundschulverband.saarland<br />

Neuer Vorstand <strong>der</strong> Landesgruppe<br />

Saarland auf<br />

Sommertour<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Gespräche<br />

se<strong>in</strong>er Sommertour konnte<br />

<strong>der</strong> neue Vorstand verschiedene<br />

bildungspolitische und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lehrkräftebildung tätige<br />

Akteur*<strong>in</strong>nen auf die For<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Landesgruppe<br />

an e<strong>in</strong>e tragfähige Personalisierung<br />

saarländischer<br />

<strong>Grundschule</strong>n h<strong>in</strong>weisen: Mit<br />

<strong>der</strong> regierungsbildenden<br />

Landtagsfraktion <strong>der</strong> SPD<br />

besteht u. a. große E<strong>in</strong>igkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Aufstockung <strong>der</strong> Studienplätze<br />

für das Lehramt für die<br />

Primarstufe.<br />

Da das Saarland <strong>in</strong>zwischen<br />

zu den letzten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

zählt, die immer noch<br />

an e<strong>in</strong>er A12-Besoldung von<br />

Grundschullehrkräften festhalten,<br />

wurde außerdem die<br />

Angleichung <strong>der</strong> Besoldung<br />

<strong>der</strong> Grundschullehrer*<strong>in</strong>nen<br />

an die Besoldung von Lehrpersonen<br />

<strong>der</strong> weiterführenden<br />

Schulen <strong>in</strong>tensiv diskutiert<br />

(#A13füralle). Im Zuge<br />

e<strong>in</strong>er Podiumsdiskussion mit<br />

<strong>der</strong> Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> zum<br />

Thema „Schulleitungen am Limit“,<br />

die unser Kooperationspartner,<br />

<strong>der</strong> Saarländische<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen- und Lehrerverband<br />

(SLLV), organisiert hat,<br />

s<strong>in</strong>d wir mit den bildungspolitischen<br />

Sprecher*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Grünen <strong>in</strong>s Gespräch<br />

gekommen. Am Rande <strong>der</strong><br />

Veranstaltung und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Folgegespräch haben wir<br />

geme<strong>in</strong>same Positionen zur<br />

f<strong>in</strong>anziellen Aufstockung von<br />

Personal- und Sachmitteln <strong>der</strong><br />

<strong>Grundschule</strong>n abgestimmt<br />

und verschiedene Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

diskutiert.<br />

Mit dem Studiensem<strong>in</strong>ar<br />

für die Primarstufe haben<br />

wir an e<strong>in</strong>er dynamischen<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

zweiten Ausbildungsphase<br />

gearbeitet. Ziel ist es dabei,<br />

die E<strong>in</strong>stellung <strong>in</strong> den saarländischen<br />

Schuldienst für<br />

Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen und<br />

Grundschullehrkräfte attraktiver<br />

zu gestalten. Neben<br />

diesen For<strong>der</strong>ungen wurde<br />

mit e<strong>in</strong>er Delegation des<br />

Bildungsm<strong>in</strong>isteriums außerdem<br />

e<strong>in</strong>e zukünftig engere<br />

Zusammenarbeit h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Weiterentwicklung von<br />

Kernlehrplänen, Basiscurricula<br />

und Handreichungen vere<strong>in</strong>bart.<br />

Die Vorstellungs- und Auftaktrunde<br />

des neuen Vorstandes<br />

ist übrigens noch nicht<br />

beendet, weitere Gespräche,<br />

u. a. mit bildungspolitischen<br />

Sprecher*<strong>in</strong>nen und Vertreter*<strong>in</strong>nen<br />

des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums<br />

stehen an!<br />

#Fürstarke<strong>Grundschule</strong>n<br />

Sitzkreis –<br />

GSV Saar lädt e<strong>in</strong><br />

Die ersten beiden Sitzkreise<br />

fanden zu den Themen<br />

„Referendariat im Saarland“<br />

(17. August 2023) und „Erstes<br />

Staatsexamen“ (18. Juli 2023)<br />

statt. Die Teilnehmenden<br />

hatten die Möglichkeit, Fragen<br />

zum Ablauf, zu den Prüfungen<br />

bzw. Lehrproben und zu den<br />

jeweiligen Vorbereitungen<br />

zu stellen, sich mit gleichges<strong>in</strong>nten<br />

Studierenden<br />

bzw. Anwärter*<strong>in</strong>nen auszutauschen<br />

und mit Absolvent*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> den Austausch<br />

zu treten. Die jeweils zwei<br />

Veranstaltungen wurden<br />

gut besucht und man wurde<br />

sich schnell im Wunsch nach<br />

weiteren Sitzkreisen e<strong>in</strong>ig.<br />

Das Format „Sitzkreis“ wird<br />

deshalb mit weiteren Ausgaben<br />

zu Schul- und Unterrichtskonzepten<br />

(geplant z. B.<br />

zum Offenen Unterricht nach<br />

Falko Peschel), zu bildungspolitischen<br />

For<strong>der</strong>ungen und<br />

zu pädagogisch-didaktischen<br />

Themen wie <strong>der</strong> Grundschrift<br />

o<strong>der</strong> Ansätzen zur<br />

Leseför<strong>der</strong>ung fortgesetzt.<br />

E<strong>in</strong>geladen s<strong>in</strong>d dazu <strong>in</strong>teressierte<br />

Grundschullehrkräfte,<br />

Lehramtsanwärter*<strong>in</strong>nen und<br />

Studierende.<br />

Die Term<strong>in</strong>e und Themen<br />

werden auf unserer Homepage<br />

https://www.grundschulverband.saarland<br />

und<br />

<strong>in</strong> den sozialen Netzwerken<br />

veröffentlicht.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Sonja Köhler, Marie Fischer und<br />

Pascal Kihm<br />

E<strong>in</strong>ladung zur Frühjahrstagung des<br />

Grundschulverbands<br />

Bitte vormerken: 02.03.2024 <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen<br />

Thema: KINDER.LERNEN.ZUKUNFT.Jetzt!2.0<br />

Nähere Informationen im nächsten Newsletter!<br />

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the date!<br />

48<br />

GS aktuell 164 • November 2023


aktuell … aus den Landesgruppen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Thekla Mayerhofer, Am Sopienhafen 6, 06108 Halle (Saale)<br />

May_The@web.de, www.gsv-lsa.de<br />

Nichts Wichtigeres als<br />

e<strong>in</strong> „Gen<strong>der</strong>-Verbot“ zum<br />

Schuljahresbeg<strong>in</strong>n<br />

Passend zum Schuljahresbeg<strong>in</strong>n<br />

wies Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Eva Feußner auf<br />

den korrekten Gebrauch <strong>der</strong><br />

deutschen Orthografie h<strong>in</strong>.<br />

Sie hielt sich dabei nicht bei<br />

<strong>der</strong> richtigen Kommasetzung<br />

o<strong>der</strong> Schreibweise e<strong>in</strong>zelner<br />

Worte auf, son<strong>der</strong>n betonte<br />

lediglich das Verbot von<br />

Son<strong>der</strong>zeichen, um e<strong>in</strong>e<br />

gen<strong>der</strong>gerechte Sprache umzusetzen.<br />

In Sachsen-Anhalts<br />

Schulen kann das Gen<strong>der</strong>n<br />

nun demnach zu schlechteren<br />

Noten führen. Nun<br />

werden wir Lehrer*<strong>in</strong>nen,<br />

Schüler*<strong>in</strong>nen, Büromitarbeiter*<strong>in</strong>nen,<br />

Pädagog*<strong>in</strong>nen<br />

– kurz alle Menschen – uns<br />

im schulischen Kontext nach<br />

bestem Wissen und Gewissen<br />

um e<strong>in</strong>e richtige Rechtschreibung<br />

bemühen.<br />

Netzwerk K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte<br />

Die Stadt Halle (Saale) hat<br />

den Vorstoß gewagt, e<strong>in</strong><br />

Netzwerk „K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte“ zu<br />

gründen. Als Gründungsmitglied<br />

dürfen wir nun<br />

geme<strong>in</strong>sam mit vielen<br />

weiteren Akteur*<strong>in</strong>nen die<br />

Implementierung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte<br />

als selbstverständliche<br />

Grundlage des (schulischen)<br />

Handelns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Saalestadt<br />

vorantreiben. Aktuell wird<br />

sich um die Erarbeitung e<strong>in</strong>es<br />

aussagekräftigen Bildes des<br />

Ist-Standes bemüht. Wir<br />

s<strong>in</strong>d gespannt auf den Weg,<br />

den wir geme<strong>in</strong>sam gehen<br />

dürfen.<br />

„Eltern-Uni“<br />

Das <strong>in</strong>teressante Format<br />

<strong>der</strong> Eltern-Uni geht auf die<br />

Zielgerade des ersten Jahres<br />

zu. Drei Veranstaltungen<br />

haben stattgefunden, e<strong>in</strong>e<br />

steht noch aus. Nachdem die<br />

Leistungsrückmeldung, <strong>der</strong><br />

Mathematikunterricht sowie<br />

das Rechtschreiblernen im<br />

Fokus waren, wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz<br />

digitaler Medien die erste<br />

Etappe abrunden. Wir überlegen<br />

<strong>der</strong>zeit, wie und ob wir<br />

die Eltern-Uni weiterführen.<br />

Themen gäbe es genug.<br />

Man darf gespannt se<strong>in</strong>.<br />

Mehr Infos gibt’s auf unserer<br />

Website.<br />

Bildungsforum<br />

Nach dem eher verstörenden<br />

landesweiten Bildungsgipfel,<br />

zu welchem unser<br />

M<strong>in</strong>isterpräsident e<strong>in</strong>geladen<br />

hatte, gibt es nun ernsthafte<br />

Bemühungen, e<strong>in</strong>en Dialog<br />

auf Augenhöhe stattf<strong>in</strong>den<br />

zu lassen. Das Bildungsforum<br />

wird Anfang Oktober stattf<strong>in</strong>den.<br />

Zu den geladenen<br />

Gästen zählen die Bildungspolitischen<br />

Sprecher*<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Fraktionen, Vertreter*<strong>in</strong>nen<br />

verschiedener Organisationen<br />

und Verbände, Eltern<br />

und auch Schüler*<strong>in</strong>nen.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>en großen For<strong>der</strong>ungskatalog<br />

und wir<br />

erwarten mit Spannung, wie<br />

Elemente daraus auf e<strong>in</strong>en<br />

geme<strong>in</strong>samen Weg <strong>der</strong><br />

Umsetzung gebracht werden<br />

können.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.gsv-lsa.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Thekla Mayerhofer<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Geschäftsführen<strong>der</strong> Vorstand: Maren Barck, Sab<strong>in</strong>e Jesumann, Aenne Thurau<br />

Kontakt: Maren Barck, grundschulverbandSH@gmx.de<br />

Experimentierklausel<br />

Die Regierungskoalition hat<br />

e<strong>in</strong>e Experimentierklausel<br />

auf den Weg gebracht, um<br />

Schule zukunftsorientiert zu<br />

entwickeln. Was genau darunter<br />

zu verstehen ist, sollte<br />

auf vier kreisübergreifenden<br />

Regionalkonferenzen für die<br />

allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulen<br />

<strong>in</strong> SH erarbeitet werden,<br />

e<strong>in</strong>e Regionalkonferenz<br />

war den Berufsbildenden<br />

Schulen vorbehalten. Die<br />

Regionalkonferenzen fanden<br />

zwischen Februar und Mai<br />

2023 statt. Die M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Frau<br />

Prien betonte, dass es mehr<br />

Freiräume für Schulen geben<br />

solle, man orientiere sich sehr<br />

am nördlichen Nachbarland<br />

Dänemark. Es solle Mut zur<br />

Verän<strong>der</strong>ung geben, aus <strong>der</strong><br />

Vielfalt von Ideen wären Best<br />

Practice Modelle zu nutzen<br />

und Demokratiebildung<br />

sowie nachhaltige Entwicklung<br />

stünden im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Deutlich wurde auf<br />

den Konferenzen, dass <strong>der</strong><br />

Wille und die Notwendigkeit<br />

zur Verän<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> Basis<br />

vorhanden ist. Die Bedarfe<br />

s<strong>in</strong>d regional unterschiedlich<br />

und hängen auch von den<br />

jeweiligen Schulformen ab.<br />

Im Rahmenkonzept für<br />

das Schuljahr 2023/24 des<br />

M<strong>in</strong>isteriums ist zu lesen,<br />

dass die Experimentierklausel<br />

nicht dazu berechtigt, von<br />

geltenden rechtlichen Vorgaben<br />

abzuweichen, aber auch<br />

jetzt schon die geltenden<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen viele<br />

Freiräume bieten, Schule<br />

und Unterricht <strong>in</strong>novativ zu<br />

gestalten.<br />

Alle von Schule geplanten<br />

Vorhaben müssen mit <strong>der</strong><br />

Schulaufsicht abgesprochen<br />

werden und können entwe<strong>der</strong><br />

sofort begonnen<br />

werden (Kategorie A) o<strong>der</strong><br />

benötigen e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Erlaubnis, weil das Vorhaben<br />

vom Schulgesetz o<strong>der</strong> rechtlichen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

abweicht (Kategorie B) o<strong>der</strong><br />

es ist nicht durchführbar, weil<br />

es die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

nicht erfüllt (Kategorie C).<br />

Schulen sollen sich motiviert<br />

fühlen, neue Wege zu<br />

gehen, lieber kle<strong>in</strong>e Schritte<br />

zu tun und wenige Ideen umzusetzen<br />

und alle Lehrkräfte<br />

zu beteiligen.<br />

Am 13.9.23 gab es dazu e<strong>in</strong>e<br />

Impulsveranstaltung, von <strong>der</strong><br />

es e<strong>in</strong>en Live-Mitschnitt auf<br />

Youtube gibt.<br />

Ab Herbst soll es die Möglichkeit<br />

geben, dass Schulen<br />

ihr Vorhaben auf e<strong>in</strong>em Formblatt<br />

e<strong>in</strong>reichen können.<br />

Jetzt liegt es <strong>in</strong> den<br />

Händen von Fortbildungs<strong>in</strong>stitut<br />

und Schulaufsicht,<br />

die Schulen <strong>in</strong>s Boot zu<br />

holen und zu aktivieren. Es<br />

stellt sich die Frage, ob diese<br />

Maßnahme <strong>in</strong> Zeiten immer<br />

knapper werden<strong>der</strong> Ressourcen<br />

auf fruchtbaren Boden<br />

fällt. Immerh<strong>in</strong> ist damit auch<br />

e<strong>in</strong> erheblicher Zeitaufwand<br />

für die Lehrkräfte verbunden.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Sab<strong>in</strong>e Jesumann<br />

L<strong>in</strong>k zum<br />

Youtube-Live-Mitschnitt:<br />

https://t1p.de/GSa164Lit<br />

GS aktuell 164 • November 2023<br />

U III


<strong>Grundschule</strong> aktuell<br />

Grundschulverband e. V.<br />

Frankfurter Straße 74–76 · 63263 Neu-Isenburg<br />

Tel. 06102 / 88 21 660 · Fax 06102 / 88 21 664<br />

<strong>in</strong>fo@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Ausblick <strong>Grundschule</strong> aktuell 165<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Stärken erleben lassen<br />

In e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> vor allem auf Schwächen von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

h<strong>in</strong>gewiesen wird, z. B. <strong>in</strong> den Ergebnissen des IQB-Bildungstrends, und deutlich<br />

wird, dass Deutschland im Zusammenhang mit den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> UN-Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenkonvention<br />

sich auf e<strong>in</strong>em „besorgniserregenden Stand“ bef<strong>in</strong>det, ist es wichtig, den Blick<br />

auch darauf zu richten, wie wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong> die <strong>in</strong>dividuellen Stärken <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wahrnehmen, entwickeln und sichtbar machen können.<br />

Dabei geht es um Fragen wie z. B.: Um welche Stärken von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n geht es? Wie können<br />

för<strong>der</strong>liche Situationen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> geschaffen werden? Welchen Raum brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

um sich weiterentwickeln zu können? Letztendlich geht es um e<strong>in</strong>en Perspektivwechsel<br />

von <strong>der</strong> verbreiteten Defizitorientierung h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Blick auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

ihre <strong>in</strong>dividuellen Stärken <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund stellt.<br />

Die nächsten<br />

Themen<br />

Februar 2023 Mai 2023<br />

September 2023<br />

Heft 166 | Mai 2024<br />

Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung<br />

Heft 167 | September 2024<br />

Lehramt studieren –<br />

Lehrkraft se<strong>in</strong><br />

Heft 168 | November 2024<br />

MINT <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

www.<br />

grundschule-aktuell.<strong>in</strong>fo


Klare<br />

Strukturierung<br />

des Unterrichts<br />

Lernför<strong>der</strong>liches<br />

Klima<br />

Intelligentes<br />

Üben<br />

Vorbereitete<br />

Lernumgebung<br />

Transparente<br />

Leistungserwartung<br />

S<strong>in</strong>nstiftendes<br />

Kommunizieren<br />

Inhaltliche<br />

Klarheit<br />

Hoher Anteil<br />

an echter<br />

Lernzeit<br />

Methodenvielfalt<br />

Individuelles<br />

För<strong>der</strong>n


Guter<br />

Unterricht<br />

Schul−<br />

entwicklung<br />

Lehrkräfte−<br />

bildung<br />

Demokratische<br />

Strukturen<br />

Bildungs−<br />

Erziehungs−<br />

Partnerschaft<br />

Erzieher:<strong>in</strong>nen<br />

Assistenzkräfte<br />

Sozialpädagog:<strong>in</strong>nen<br />

Son<strong>der</strong>pädagog:<strong>in</strong>nen<br />

Kommune<br />

multi−<br />

professionelle<br />

Teams<br />

Eltern<br />

Sekundarschule<br />

Vernetzung<br />

Schulleitung<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Jugendhilfe<br />

Kitas<br />

Feedback−<br />

Kultur<br />

Lehrkräfte<br />

Vere<strong>in</strong>e<br />

Professionalisierung

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