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GSa163_Sept23_ES

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Praxis: Pausenkulturen<br />

● „Nach der Pause habe ich mit meiner<br />

Klasse Sport und muss mit dem Bus zur<br />

Sporthalle fahren, der Bus fährt bereits<br />

in der Pause los. Hoffentlich finden alle<br />

Kinder rasch ihre Sportsachen.“<br />

Als Schulleiterin habe ich deutlich gespürt,<br />

dass Kolleg*innen diese kurzen<br />

Zeiten dringend zum „Durchschnaufen“<br />

benötigen würden. Diese Pausenzeiten<br />

haben im Kollegium jedoch kaum zur<br />

erwarteten Entspannung geführt, sondern<br />

waren einerseits belastet durch die<br />

vielen Vorhaben der einzelnen Lehrkraft<br />

selbst, andererseits auch immer wieder<br />

durch eine Vielfalt von unvorhergesehenen<br />

Ereignissen, die der Schulalltag mit<br />

sich bringt.<br />

Und in genau diesen Pausenzeiten<br />

musste ich als Schulleiterin häufig auch<br />

noch mit weiteren Anliegen an Kolleg*innen<br />

herantreten …<br />

Pausenrealitäten von<br />

Schulleitungen<br />

Viele Lehrkräfte sind in Teilzeit und<br />

damit an manchen Tagen nicht und<br />

an anderen Tagen nur stundenweise<br />

im Schulhaus. Sie sind evtl. weder vor<br />

8.00 Uhr wegen der Aufsichtspflicht<br />

im Klassenzimmer noch nach Unterrichtsschluss<br />

um 13.00 Uhr vor Ort zu<br />

erreichen. Während der Unterrichtszeit<br />

sollten weder Lehrkräfte noch Schüler*innen<br />

durch mich gestört werden.<br />

Es bleiben also nur wenige Zeiten – die<br />

Pausen –, um mit einzelnen Kolleg*innen<br />

oder dem Kollegium in einen Kurzaustausch<br />

zu gelangen. Man kann zwar<br />

argumentieren, dass der Berufsalltag<br />

von Lehrkräften nicht nur aus Unterrichtszeiten<br />

(und Pausen) besteht, und<br />

sie auch an anderen Zeiten am Vormittag<br />

oder Nachmittag für wichtige<br />

Anliegen erreichbar sein müssen.<br />

Warum Schulleitungen aber eben in den<br />

Pausenzeiten auf Kolleg*innen zugehen<br />

müssen, zeigen Gedanken, die sicherlich<br />

nicht nur mir als Schulleiterin durch<br />

den Kopf gegangen sind:<br />

● „Jetzt hatte ich die Vertretung für<br />

die beiden Klassen bereits geplant, den<br />

Kolleg*innen mitgeteilt und den Elternbrief<br />

zur veränderten Unterrichtszeit geschrieben,<br />

nun ist ein zusätzlicher Kollege<br />

krank und der Ersatzplan für morgen<br />

muss erneut geändert werden. Ich bitte<br />

die Lehrkräfte in der Pause, den Kindern<br />

die neuen Zeiten notieren zu lassen.“<br />

● „Die Eltern von Sina haben bei mir<br />

angerufen und sich bitter über die<br />

Lehrkraft beschwert. Sie fordern ein rasches<br />

Gespräch mit ihr und mir, sonst<br />

wenden sie sich ans Schulamt. Ich muss<br />

schnell Terminvorschläge bei der Lehrkraft<br />

einholen, hoffentlich finden wir<br />

überhaupt einen gemeinsamen Termin.“<br />

● „Gerade hat die Fachlehrkraft angerufen<br />

und sich krankgemeldet, die nach<br />

der Pause die Klasse von Frau Müller<br />

übernehmen sollte. Nun muss ich Frau<br />

Müller bitten, die Kinder auf mehrere<br />

andere Klassen nach der Pause aufzuteilen.“<br />

● „Das Schulamt hat angerufen und<br />

darum gebeten, dass Herr Peters in der<br />

zweiten Pause zurückruft. Ich schaue<br />

mal, ob ich ihn irgendwo finden kann.“<br />

● „Die Religionslehrkraft steckt im<br />

Stau und kommt nicht rechtzeitig zum<br />

Unterricht. Da muss ich die Klassenlehrkraft<br />

bitten, die Klasse noch ein<br />

wenig zu beaufsichtigen, bevor sie nach<br />

Hause gehen kann.“<br />

● „Manche Kolleg*innen kommen in<br />

der Pause gar nicht ins Lehrerzimmer,<br />

weil sie ihre Ruhe haben wollen und im<br />

Klassenzimmer bleiben. Ich habe sie in<br />

dieser Woche noch gar nicht gesehen,<br />

das ist wirklich sehr schade.“<br />

● „Heute ist Pausenkonferenz im anderen<br />

Schulhaus, hoffentlich habe ich<br />

alle Unterlagen dabei für die Information<br />

der Lehrkräfte dort. Und nach der<br />

Pause habe ich ja dort Fachunterricht,<br />

wo habe ich meine Unterrichtsvorbereitung<br />

abgelegt?“<br />

● „Ausgerechnet jetzt, als es zur Pause<br />

klingelt und ich dringend Frau Maier<br />

Bescheid geben muss, dass Nina heute<br />

nach der Schule nicht nach Hause,<br />

sondern zur Oma gehen soll, ruft das<br />

Schulamt an. Da muss ich kurz rangehen.“<br />

● „Eigentlich würde ich mich auch mal<br />

gerne in der Pause ins Lehrerzimmer<br />

setzen, eine Tasse Kaffee trinken und<br />

etwas essen, wahrscheinlich komme<br />

ich aber nicht dazu, weil ich schon angesprochen<br />

werde, wenn ich nur mein<br />

Rektorat verlasse.“<br />

Diesen Umgang mit Pausen habe ich<br />

sowohl als Lehrkraft wie auch als Schulleiterin<br />

immer wieder erlebt. Er schien<br />

mir kaum änderbar, obwohl er viele<br />

Lehrkräfte und auch mich immer wieder<br />

belastet hat.<br />

Natürlich gab es auch Pausenzeiten, in<br />

denen ich mit anderen Lehrkräften herzlich<br />

lachen konnte, in denen ich fragen<br />

konnte, wie es ihren eigenen Kindern<br />

denn gerade geht, in denen ich mich erkundigen<br />

konnte, ob sie sich nach ihrer<br />

Erkrankung schon wieder fit fühlen oder<br />

ob sie für die bevorstehenden Ferien<br />

schon etwas geplant haben. Diese positiven<br />

Pausenzeiten aber waren „Glückssache“<br />

und keinesfalls planbar oder verlässlich.<br />

Pausenzeiten wurden an meiner<br />

Schule jedenfalls nicht so in den Blick<br />

genommen wie Unterrichtszeiten.<br />

Pausenzeiten für Lehrkräfte<br />

– Wie könnte das gehen?<br />

Das deutsche Arbeitszeitgesetz schreibt<br />

für acht Stunden Arbeitszeit pro Tag<br />

eine 30-minütige Pause vor. Zusätzlich<br />

können weitere Pausen vertraglich vereinbart<br />

werden. Niemand darf länger als<br />

sechs Stunden ununterbrochen arbeiten.<br />

Dies gilt auch für Lehrkräfte und ist bei<br />

einem Unterrichtsvormittag zwischen<br />

8.00 Uhr und 13.00 Uhr ja gar keine<br />

Frage, da dies unter sechs Stunden liegt<br />

(vgl. dazu auch den Beitrag von Wendsche,<br />

Varol & Ullmann in dieser Zeitschrift).<br />

Was aber bedeuten die 15 oder 30 Minuten<br />

der „kleinen“ oder „großen“ Pausen<br />

für Lehrkräfte? Sind sie Arbeitszeit?<br />

Können wir sie als „Pausenzeit“ verstehen?<br />

Genau diese Frage wäre m. E. sehr<br />

wichtig und zentral für zielführende Lösungen<br />

innerhalb eines Kollegiums. Daraus<br />

ergeben sich weitere Fragestellung,<br />

wie z.B.:<br />

● Wie sollte der Unterrichtstag strukturiert<br />

sein, dass Lehrkräfte auch „echte<br />

Pausenzeiten“ zur Verfügung haben?<br />

● Was bedeuten Pausen für die Stundenplangestaltung?<br />

● An welchem Ort kann ich mich als<br />

Lehrkraft für meine Pause zurückziehen?<br />

● Wo könnte ich Kolleg*innen zu einer<br />

entspannten Unterhaltung im kleinen<br />

Kreis treffen?<br />

● Welche Aufgaben kann ich auf andere<br />

Zeiten verlegen, damit ich „zwischen<br />

den Unterrichtsstunden“ Verschnaufpausen<br />

habe?<br />

● Was würde sich verändern, wenn wir<br />

an unserer Schule den Pausengong einfach<br />

abschalten würden?<br />

● Gäbe es Möglichkeiten, die Pausengestaltung<br />

für Kinder zu verändern,<br />

14<br />

GS aktuell 163 • September 2023

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