Dollen- Bruch 33 - Crefelder Ruder-Club 1883 eV
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wieder in den Laufschritt fallen. Dem Körper bloß<br />
keine vorzeitige Bequemlichkeit gönnen.<br />
Ab km 18 werden die Oberschenkel dicker und<br />
die Schritte kleiner. Der Körper reagiert wie bei<br />
den langen Vorbereitungsläufen und signalisiert:<br />
Hey, Marathon-Mann, dein Training war unsystematisch.<br />
Nicht die richtige Mischung aus langen<br />
und schnellen Läufen. Jedenfalls liegt es nicht an<br />
Wasser- und Nahrungszufuhr. Da bin ich gut<br />
versorgt.<br />
Irgendwo an der Halbmarathon-Marke wollte<br />
meine Frau stehen. Tatsächlich - mehrere 100 m<br />
weiter entdecke ich Heike und ihre Freundin<br />
Gabi. Küsschen hier, Küsschen da. So viel Zeit<br />
muss sein. Bei km 25 stehen meine Kinder Alex<br />
und Annika in einer Rechtskurve und rufen:<br />
"Papa, los, du schaffst es." Im Augenblick<br />
beschleichen mich - ehrlich gesagt - leichte<br />
Zweifel. Doch der Zuspruch baut auf.<br />
Der Point of no return nähert sich: km 27. Die<br />
Rampe zur Rheinkniebrücke steht bevor. Wenn<br />
ich hier rüberlaufe, muss ich auch wieder zurück.<br />
Noch mal zeigen sich meine beiden weiblichen<br />
Fans. Okay, es soll sein.<br />
Wo sonst nur Autos fahren, nehmen wir Läufer<br />
die Brücke im kleinsten Gang - für manche<br />
wörtlich. Knalle Sonne, böiger Wind. Jetzt auf der<br />
linken Rheinseite beginnt das große Sterben der<br />
Optimisten. Wer vorher noch Kraft für Scherze<br />
hatte, schweigt nun, geht immer häufiger oder<br />
humpelt sogar. Laufend finde ich meinen<br />
Überlebensrhythmus. Laufen, trinken, gehen,<br />
laufen, essen - immer weiter.<br />
Am Rhein geht es fast endlos entlang bis zur<br />
Theodor-Heuss-Brücke, durch Oberkassel und<br />
Lörick zurück. km <strong>33</strong>, 34, 35, 36. Die Anwohner<br />
halten die Gartenschläuche auf die Straße,<br />
reichen uns Wasser und auch Bananen, muntern<br />
auf. Ich laufe von Zeit und Raum etwas losgelöst,<br />
ohne jedoch in den Genuss von Endorphinen zu<br />
kommen. So richtige Glücksgefühle wollen sich<br />
nicht einstellen.<br />
Wo wir morgens mit der K-Bahn gefahren sind,<br />
denke ich mir: Ab hier kennst du die Strecke bis<br />
ins Ziel und könntest sie zur Not auch gehen. Am<br />
Belsenplatz biegen wir in die Luegallee. Hier<br />
steppt der Bär - das nehme selbst ich wahr. Links<br />
und rechts Menschenmassen. Durch diese hohle<br />
Gasse müssen wir laufen. Das trägt bis zur<br />
Oberkasseler Brücke und darüber. Ich habe jetzt<br />
auf Traubenzucker-Verbrennung umgestellt. Fünf<br />
Stücke hatte ich mir in die Laufhosen-Innentasche<br />
gesteckt für die Zeit, wenn gar nichts<br />
mehr geht. Jetzt ist es soweit. Für die letzten fünf<br />
<strong>Dollen</strong>bruch <strong>33</strong><br />
22<br />
Kilometer beiße ich Stück für Stück – Knabberglück.<br />
Der Zucker geht direkt ins Blut.<br />
Das Ziel liegt in greifbarer Nähe. km 39: runter<br />
von der Brücke. km 40: Königsallee. Es ist bald<br />
geschafft. Einbiegen auf die Zielgerade. Noch<br />
500m. Da stehen Heike, Annika und Gabi.<br />
Plötzlich läuft meine Tochter neben mir her. "Los,<br />
Papa, du schaffst es." Jetzt glaube ich auch dran.<br />
Bis ins Ziel läuft sie neben mir her und feuert<br />
mich pausenlos an. Ich denke, mein Gott ist sie<br />
schnell. Wieso schafft sie das Tempo? Richtiger<br />
wäre wohl gewesen: Mein Gott, was bin ich<br />
langsam.<br />
Einige Läufer haben mich noch auf der Zielgerade<br />
überholt. Auf einen Endspurt habe ich<br />
jetzt keine Lust mehr. Bei 4:<strong>33</strong>:40 Bruttozeit<br />
durchlaufe ich das Ziel (netto 4:29:39). Jemand<br />
hängt mir die Finisher-Medaille um. Leider gibt es<br />
zunächst nichts zu trinken. Glücklicherweise<br />
finde ich auf Anhieb meinen Kleiderbeutel.<br />
Dahinter gibt es einen Getränkestand, an dem<br />
ich Wasser und Iso ergattere. Auch hier ein<br />
echter Verpflegungsnotstand. Geschafft. Ich<br />
lehne am Geländer des Rheinufers und schaue<br />
mir die anderen an. Einige haben Kreislaufprobleme,<br />
sind kalkweiß. Andere stehen vor<br />
einem Krampf. Mir geht es überraschend gut:<br />
keine Kreislaufprobleme, nur "normal" schwere<br />
Beine. Und heiser bin ich vom aggressiven<br />
Traubenzucker.<br />
Die Duschen sind überfüllt. Langsam ziehe ich<br />
mir frische Sachen an. Per Handy finde ich<br />
meine Frauen am Schlossturm. Heike, Gabi und<br />
ich gehen ins G@rden und stoßen mit Sekt (die<br />
Mädels) und Apfelschorle (ich) an: Herzlichen<br />
Glückwunsch. Ich bin jetzt ein Marathon-Mann.