DER WlLL NUR SPlELEN Angst vor Hunden? Nur nicht weglaufen! 28 Jutta Durst Verhaltenstrainerin für Hunde Pfotenclub-Expertin Bilder: © Monkey Business Images, Nikiteev_Konstantin, Vector.com/shutterstock.com
RATGEBER | ANGST VOR HUNDEN Leiden Sie unter Canophobie (lat. canis – Hund, altgriech. -phobie – „Furcht, Schrecken“)? Wenn ja, dann wird Ihnen der gutgemeinte Zuruf vieler Hundebesitzer vermutlich nicht weiterhelfen, weil Sie (angsterfüllt) nämlich gar nicht mit dem auf Sie zustürmenden Wuffzack (wahrscheinlich wirklich ein Lieber) spielen wollen. Ein vermeintlich beruhigendes „Der tut eh nix“ macht es leider auch nicht besser, weil man Angst nicht einfach ausschalten kann. „Angst vor Hunden entsteht beim Menschen wie alle anderen Ängste auch“, sagt Jutta Durst, Verhaltenstrainerin für Hunde. „Der Mensch ist ein Fluchttier, das bei Gefahr das Weite sucht – diese Reaktion ist angeboren. Eine solche Konditionierung kann entweder schon in der Erziehung passieren, wenn die Eltern zu übertriebener Vorsicht mit Hunden raten, oder durch ein konkretes Ereignis, wenn ich mal gebissen wurde oder vielleicht nur jemanden kenne, dem das passiert ist.“ Viele wüssten auch nicht, dass es möglicherweise durch ihr eigenes Fehlverhalten zu einem Zwischenfall kam und hier der Hund begraben liegt. VERHÄLT MAN SlCH RUHlG, DANN WlRD AUCH DER HUND RUHlGES VERHALTEN ZElGEN. Man kommt fast täglich auf den Hund Menschen mit Angst vor Hunden kommen gezwungenermaßen relativ häufig in die Bredouille und können in ihrem Leben ernsthaft eingeschränkt werden: Beim Spaziergang oder der morgendlichen Joggingrunde, beim Einkaufen oder auch bei dem Gartenfest mit Freunden. Wenig hilfreiche und auch nicht wissenschaftlich belegte Theorien, wonach ein Hund die Angst „riechen“ könne und dadurch aggressiver werde, verunsichern zusätzlich. Betroffene verfallen dann in Stress, sich nicht noch mehr zu stressen – ein entspannter Umgang mit dem Tier wird unmöglich. Regel Nummer eins: Ruhe bewahren Stürmt also ein großer, dunkler Hund auf einen Canophobiker zu, muss sich der Angsthase als Säugetier mit Verstand erweisen und cool bleiben: „Bloß nicht weglaufen, das weckt den Jagdinstinkt des Tieres,“ warnt Jutta Durst. „Am besten einfach stehenbleiben und sich von dem Hund abwenden, dann merkt der Hund, dass man nicht auf Konfrontation aus ist. Nicht herumfuchteln oder gar schreien. Auf keinen Fall sollte man dem Hund in die Augen sehen – das wird als Drohgeste verstanden. Verhält man sich ruhig, dann wird normalerweise auch der Hund ruhiges Verhalten zeigen.“ Auch bei augenscheinlich aggressiven Hunden sollte man in jedem Fall – und wenn es noch so schwerfällt – Ruhe bewahren. Natürlich sind nicht nur die Hasenfüße, sondern auch die Zweibeiner am Ende der Leine gefragt. Auf Passanten, die sich augenscheinlich vor dem Hund fürchten, muss Rücksicht genommen werden. „Ist der Hund ohne Leine unterwegs, ruft man ihn dann erst mal zu sich und leint ihn an. Man kann den Hund auch neben sich absitzen lassen und warten, bis die Person vorübergegangen ist. Zumindest sollte man mit dem Hund auf der von der ängstlichen Person abgewandten Seite weitergehen und nicht zu viel Nähe zwischen den beiden aufkommen lassen“, so die Hundeflüsterin. Kleine Zweibeiner und Hunde Auch bei Kindern, die sich unwohl in der Gegenwart von Hunden fühlen, ist Vorsicht geboten. Es ist wie mit dem Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr: Hundehalter sollten von Kindern niemals richtiges Verhalten im Umgang mit ihrem Tier erwarten. Meistens ist eine anfängliche Scheu vor Hunden eine sogenannte Entwicklungsangst, die mit zunehmendem Alter abgelegt wird. Herrchen und Frauchen von großen Rassen sollten sich vor allem auch des Größenverhältnisses bewusst sein. Eine Deutsche Dogge oder ein Irischer Wolfshund begegnen Klein- Max auf Augenhöhe. WEGLAUFEN WECKT DEN JAGDlNSTlNKT. Und manchmal brauchen leider auch Mäxchens Eltern Nachhilfe: Ihre Aufsichtspfl icht endet nicht vor der Hundeschnauze und überträgt sich dann automatisch auf den Tierbesitzer. „Kinder sollten nicht ungefragt einen fremden Hund anfassen, denn auch Hunde können unerfahren im Umgang mit Kindern sein und aus Angst zuschnappen“, erklärt Jutta Durst. Übertriebene Präventivmaßnahmen, also Sätze wie: „Da machen wir lieber einen Bogen, vielleicht beißt der Hund“, oder generell keine Nähe zu dem Tier zuzulassen, führen zu einer negativen Konditionierung und in weiterer Folge zu unnatürlichem Verhalten. Einer Studie des Grazer Universitätsklinikums zufolge passieren übrigens etwa 70 Prozent der Zwischenfälle bzw. Hundebisse bei Kindern mit einem ihnen bekannten Hund, also mit Nachbars Bello oder Onkels Waldi. Wie nähere ich mich einem Hund? Auch beim ersten Date mit diesen Vierbeinern sind Höfl ichkeitsregeln zu beachten: Riechen ist für Hunde ein wichtiges Kommunikationsmittel. Keinesfalls auf sie zustürmen oder von oben über sie „herfallen“: Vor dem Streicheln sollte man sich erst mal beschnuppern lassen. Wer sich traut, kann sich auf Augenhöhe mit dem Tier begeben und in die Knie gehen. Wer seine Angst Hunden gegenüber abbauen möchte, sollte am besten mit einem ihm bekannten Tier beginnen: „Vielleicht gibt es im Bekanntenkreis einen lieben Hund, mit dem man langsam anfangen kann. Da versucht man dann zuerst, eine Zeit lang in der Nähe des Hundes zu sein und sich an ihn zu gewöhnen. In einem weiteren Schritt kann man dann schon das Tier vorsichtig streicheln und so in ganz kleinen Schritten eine negative Konditionierung abbauen“, empfiehlt die Pfotenclub-Expertin Jutta Durst. Richtiges Verhalten bei Angst vor Hunden ›› Ruhe bewahren – auch wenn’s schwerfällt! ›› Auf keinen Fall weglaufen, das weckt den Jagdinstinkt. ›› Direkten Augenkontakt vermeiden. ›› Kontakt mit Hundebesitzer aufnehmen, wenn nötig. ›› Ruhig an dem Tier vorbeigehen oder stehenbleiben und warten, bis der Vierbeiner vorbeigegangen ist. ›› Beim Kennenlernen den Hund erst an der geballten Faust schnuppern lassen. ›› Mit bekannten Hunden „trainieren“, um die Angst besser in den Griff zu bekommen. 29