JUNGE ERWACHSENE Heiraten – Top oder Flop? Verbindlichkeiten, eine hohe Scheidungsrate, Rosenkriege: Die Contra-Punkte für die Frage ‚Heiraten – ja oder nein’ sind schnell notiert. Warum also heiraten – und dann auch noch kirchlich? Ein frisch getrautes Paar hat Futter für die Pro-Seite. TEXT: Lea Albring FOTO: Sirko Junge, Barbara Bechtloff 16 KOLPINGMAGAZIN JANUAR–FEBRUAR 2<strong>01</strong>6
JUNGE ERWACHSENE Nein, von ihrem Vater zum Altar geführt werden, das wollte Dorothee Gersmeier, die bis vor kurzem noch den Nachnamen Rudolphi trug, nicht: „Ich bin selbstständig und natürlich mündig, eine solche Entscheidung für mich zu treffen. Ich könnte mein Leben ja auch im Zweifel alleine führen und muss nicht von Hand zu Hand gereicht werden.“ Damit macht sie klar, was heute selbstverständlich ist: Geheiratet wird aus Liebe. Finanzieller Druck, der Eintritt in eine Versorgergemeinschaft sowie familiäre und gesellschaftliche Zwänge spielen bei der Liebesheirat keine Rolle mehr. Gleichzeitig gehen die Zahlen der geschlossenen Ehen seit Jahren zurück, Standesämter und Kirchen können die Augen vor den Abwärtskurven nicht verschließen – und das nicht erst seit gestern. Denn bergab geht es schon seit den 1950iger-Jahren, von 1000 Menschen heirateten damals 11 Personen, also ein gutes Prozent. 2<strong>01</strong>3 hat sich die Zahl der Verheirateten mehr als halbiert, von 1000 Personen haben nur noch 4,6 geheiratet. „Die Eheschließung hat viel an Selbstverständlichkeit verloren“, heißt es auch in einem Papier der Deutschen Bischofskonferenz, die kirchlichen Trauungen sanken von über 100 000 Ende der 1980iger auf gut 44 000 im Jahr 2<strong>01</strong>4. Umso bemerkenswerter, dass für Dorothee und Rainer immer klar war, dass sie einmal heiraten wollen – und zwar prinzipiell, als Modell für das eigene Leben. „Aber dafür muss man natürlich den richtigen Partner haben. Das macht man nicht einfach so, weil man 30 geworden ist“, sagt Doro. Es habe sich einfach so ergeben, dass sie selbst 30 und Rainer 34 war, als sie im Herbst 2<strong>01</strong>5 vor den Traualtar getreten sind. Immerhin in diesem Punkt liegen die beiden voll im Trend: In Deutschland liegt das durchschnittliche Heiratsalter von Frauen bei knapp 31, Männer sind beim Ja-Wort im Schnitt 34 Jahre alt. „Klar, wir haben auch abgewartet, bis wir uns eine Feier, so wie wir sie uns vorgestellt haben, auch leisten können“, sagt Rainer. Die Party in einer schönen Location mit 80 Gästen, gutem Essen und DJ sei schön gewesen, ganz ohne Frage. Aber das ganze Drumherum, die feierliche Erhabenheit, die gerade eine kirchliche Hochzeit verspricht, sei nicht der Grund für das Ja-Wort gewesen, bekräftigen beide. Das Paar, das seit 2007 zusammen ist und sich auf einer Bundeskonferenz der Kolpingjugend kennengelernt hat, wollte seine Beziehung unter den Segen Gottes stellen. „Familie und Freunden sollten wissen: Wir lieben uns, aber wir zählen auch auf eure Unterstützung, dann schaffen wir das.“ Vorher haben die beiden einen Ehevorbereitungskurs besucht, einen Tag lang hat der gedauert. Als freiwillige Teilnehmer nehmen sie viel daraus mit. „Das Bewusstsein für das ‚Warum’ wurde einfach nochmal geschärft“, meint Doro. Es waren aber auch Teilnehmer aus einer Gemeinde dabei, in der der Pfarrer den Besuch zur Pflicht gemacht habe. So etwas solle man selbst entscheiden, finden beide. Und nun, einige Monate nach der Heirat, wie zeigt sich das Eheversprechen im Alltag? „Irgendwann kam Rainer vom Friseur wieder und plötzlich war das ‚in guten wie in schlechten Tagen’ sehr präsent für mich“, sagt Doro, und beide lachen laut. „Aber im Ernst,“ sagt sie, „ich will mir die Bedeutung der Ehe immer wieder bewusst machen und meinen Partner lieben, achten, ehren. Da kann man sich einen doofen Spruch auch mal sparen. Und falls es mal nicht mehr klappen sollte bei den beiden? „Jede Beziehung hat Tiefen,“ meint Rainer. „Aber das ist noch lange kein Grund, den Partner aufzugeben.“ Beide finden aber auch, dass wiederverheiratete Geschiedene an der Kommunion teilnehmen dürfen sollten. „Es steht mir doch nicht zu, mich da als bewertende Instanz hinzustellen“, findet Doro. Im Vorfeld der Familiensynode hatte die Katholische Kirche einen Fragebogen an ihre Mitglieder verteilt. In einer Antwort hieß es: „Wenn man anerkennt, dass nicht alle das Ideal der Unauflöslichkeit schaffen, wird es für die Menschen leichter, es dennoch zu versuchen.“ Auch Paare wie Rainer und Doro bereiten den Weg für eine geringere Fallhöhe. Und wer weiß, vielleicht ist das ja auch ein erster Schritt, um die Negativkurve des Anti-Heirat-Trends ein bisschen weniger steil werden zu lassen. DAS SAKRAMENT DER EHE Das Wort „trauen“ bedeutet in seinem ursprünglichen Sinn „festmachen“. Es hängt mit dem Wort „treu“ zusammen, welches im Althochdeutschen so viel heißt wie: fest und stark wie ein Baum sein. Die Trauung ist also die eheliche Verbindung, die treu und stark sein soll, in der sich die Partner einander anvertrauen. Dieser unauflösbare Bund, den die Eheleute durch ihr Ja-Wort begründen und in Liebe und Treue leben, ist das Sakrament der Ehe. Die Eheleute drücken in ihrer Einheit die Liebe Christi zu seiner Kirche aus. Christus selbst ist in ihrem Bund der tragende Grund und ein lebendiger Begleiter. So ist das Ehesakrament Zeichen der Wirklichkeit Gottes in der ehelichen Gemeinschaft und damit auch Zeichen der Lebendigkeit Gottes für unsere Welt. von Bundespräses Josef Holtkotte KOLPINGMAGAZIN JANUAR–FEBRUAR 2<strong>01</strong>6 17