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Bilanz
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UNTERNEHMEN / MÄRKTE<br />
BILANZ / FEBRUAR / 2016<br />
32<br />
ma wurde den Sprösslingen nichts geschenkt.<br />
Sie sollten ganz unten anfangen<br />
und sich hochdienen: Christoph in<br />
Eppelheim, Robert in der Schweiz.<br />
Viele Mitarbeiter, sagt ein Ehemaliger,<br />
hätten den beiden jedoch misstraut.<br />
Nach allgemeiner Auffassung besäßen<br />
sie nur eine einzige Qualifikation, nämlich<br />
die Söhne zu sein. Es habe da „ein<br />
paar unschöne Szenen“ gegeben.<br />
Beeinträchtigend kam hinzu, dass<br />
die beiden wenig Geschmack fanden<br />
am Aroma- und Saft-Metier, an Fruchtaus<br />
zü gen, Le bens mit tel far ben und<br />
Frucht saft kon zen tra ten. Sie hielten<br />
es ungefähr ein Jahr lang in der Firma<br />
aus. Ende der 90er-Jahre ging’s nicht<br />
mehr. Es war „ein Prozess“, sagt Wild.<br />
Was ist aus ihnen geworden? Wild<br />
reagiert pikiert, hier beginnt privates<br />
Terrain. Offenbar nahmen die Söhne<br />
ein Studium an der privaten Franklin-Universität<br />
in Lugano auf, später<br />
hatten sie sich als Autohändler versucht<br />
und von 2005 bis 2007 mit dem<br />
Sportwagenvertrieb Apollo-Cars in<br />
Zug selbstständig gemacht. Danach<br />
verliert sich ihre Spur.<br />
Sein Sohn Christoph, gibt Wild<br />
dann doch noch preis, sei mit der italienischen<br />
Diplomatin Tiziana di Molfetta<br />
liiert, das Paar ziehe alle paar Jahre<br />
in eine andere Stadt: Rom, Bangkok,<br />
aktuell leben sie in Seoul. Die Frau versieht<br />
dort das Amt der Vizebotschafterin.<br />
Und Robert sei als Unternehmer<br />
in Lugano tätig.<br />
Wild habe Abkehr und Lossagung<br />
der Söhne von der Firma eine Zeit<br />
lang belastet, erinnert sich ein Konfident.<br />
Doch Rührseligkeit ist nicht sein<br />
Ding. Er war Boxer: Wirklich weh tut<br />
ganz was anderes. Bald sei er wieder<br />
zur Tagesordnung übergegangen und<br />
habe nach anderen Lösungen gesucht.<br />
„Ich hatte immer gehofft, dass der<br />
eine oder der andere vielleicht doch<br />
noch will“, sagt Wild heute. „Aber ich<br />
wollte sie nicht pushen. Lass die ihr eigenes<br />
Leben führen. Denen geht’s hervorragend,<br />
und uns als Familie geht’s<br />
auch gut.“<br />
Wie also weiter? Das Rentenalter<br />
hatte HPW damals lange erreicht, die<br />
Zeit der Entscheidung war gekommen.<br />
Dass er von Schicksalsergebenheit wenig<br />
hielt, war allen Vertrauten klar.<br />
Dann kam das Jahr 2010: Zur Verblüffung<br />
der Aroma-Innung verkaufte<br />
er gut 35 Prozent seiner Wild-Flavors-Anteile<br />
an den US-Finanzinvestor<br />
KKR. „Capri-Sonne“, erzählte man<br />
sich im Geheimen, solle auf einen Börsengang<br />
vorbereitet werden. Aber vom<br />
Kapitalmarkt hat Wild in Wahrheit nie<br />
viel gehalten.<br />
KKR-Eu ro pa chef Jo han nes Huth<br />
konnte mit der Min der heit damals<br />
„gut le ben“. Sie gebe „der Fa mi lie das<br />
Ge fühl, nicht über nom men zu werden,<br />
beide Sei ten ste hen als Part ner<br />
da“. Ideal gerade dann, „wenn es ein<br />
solch fan tas ti sches Ge schäft gibt, bei<br />
dem eine Fa mi lie dar über nach denkt,<br />
wie man es wei ter ge ben möch te, ohne<br />
dass ein Nach fol ger aus der Fa mi lie es<br />
be trei ben kann“.<br />
2013 fasste Wild unter dem damals<br />
noch von ihm für gut befundenen Namen<br />
„Arios“ den gesamten Restbe-<br />
stand zusammen, der sich noch zur<br />
Gänze in seinem Besitz befand, also<br />
in Sonderheit jene Unternehmen, die<br />
er um „Capri-Sonne“ gruppiert hatte.<br />
Neben den Sisi-Werken zählten<br />
dazu eine Firma für Abfüll-Maschinen,<br />
eine zur Verwaltung des Grundbesitzes<br />
und des Weiteren eine zum<br />
Vertrieb anderer Getränkemarken<br />
(bis Mitte 2015 zum Beispiel den<br />
Energietrunk „Monster“). Angeschlossen<br />
war gleichermaßen ein<br />
Unternehmen für das Geschäft mit<br />
Discountern, die „Capri-Sonne“-Kopien<br />
lieber als Eigenmarke anbieten.<br />
Heute setzt die Organisation rund<br />
500 Millionen Euro um.<br />
2014 aber, vier Jahre nachdem er<br />
eine erste Portion an KKR verkauft<br />
hatte, gab Wild bekannt, nun auch den<br />
Rest von Wild-Flavors loswerden zu<br />
wollen: „Wenn ich den De ckel zu mache,<br />
ist oh ne hin Schluss mit dem Familienunternehmen.“<br />
Der Andrang war groß, auch der<br />
ja pa ni sche Ge würz her stel ler Aji nomoto<br />
hatte sich um die Eppelheimer<br />
Eigentumsrechte beworben. Zum Zuge<br />
kam indes der US-Getreide- und<br />
Sojahändler Archer Daniels Midland<br />
(ADM, Umsatz: 81,2 Mrd. Dollar). Die<br />
Amerikaner überwiesen großzügige<br />
2,3 Milliarden Euro.<br />
„Ich hatte gemerkt: Ich muss was<br />
machen“, erinnert sich Hans-Peter<br />
Wild. „Die Familie macht das ja seit<br />
80 Jahren. Und man trennt sich ja<br />
nicht einfach so mir nichts, dir nichts<br />
von so einer Geschichte.“<br />
Zugegeben, er brauche auch Geld,<br />
um das Geschäft mit der „Capri-Sonne“<br />
zu vergrößern. „Und weil ich keine<br />
Nachfolger habe, war es auch die richtige<br />
Entscheidung.“<br />
„Capri-Sonne“ gibt er nicht her. Er<br />
bekomme zwar jede Woche ein neues<br />
Angebot auf den Tisch, aber die schaue<br />
er nicht einmal an. Er habe sein Kerngeschäft<br />
zu lange schleifen lassen:<br />
KKR, ADM – größere Dinge waren zu<br />
regeln, vieles sei dabei „zu kurz gekommen“.<br />
Aber jetzt weht ein anderer<br />
Wind: „Target der ,Capri-Sonne‘ ist eine<br />
Milliarde Euro Umsatz. In weniger<br />
als fünf Jahren!“ Alle Vorbereitungen<br />
sind getroffen, am Standort die neuen<br />
Produktionsanlagen samt Hochregallager<br />
und Lkw-Terminal fertiggestellt.<br />
Aber bekommt der Senior es wirklich<br />
hin, zumal er auch noch diverse<br />
andere Beteiligungen managen muss?<br />
Ein paar Biotech- und Medizinfirmen<br />
etwa sowie den Lebensmittel-Pasteurisierer<br />
Calpack, den er sich im vergangenen<br />
Jahr in toto zugelegt hat.<br />
Um das Betriebsklima Eppelheim<br />
sei es schlecht bestellt, sagt man. Manager<br />
suchten das Weite, allenthalben:<br />
Marketing, Vertrieb, Finanzen.<br />
Eine Exmitarbeiterin wirft Wild vor,<br />
er verschließe die Augen vor dem personellen<br />
Aderlass. „Wenn bei jedem<br />
Budget-Meeting ein anderer Manager<br />
dasitzt, dann muss ich mich doch fragen:<br />
Was ist da los?“<br />
An ihm selbst, glaubt Wild, liegt es<br />
bestimmt nicht. Zum Jahreswechsel<br />
setzte er Carsten Kaisig (43), den Chef<br />
seiner Dachgesellschaft und Maschinen-Sparte,<br />
vor die Tür. Kaisig war die<br />
Nummer zwei im Konzern.<br />
Über die Gründe schweigen beide<br />
Seiten, doch auf den Fluren der Sisi-<br />
Werke erzählt man sich, dass es ein<br />
privater und kein beruflicher, doch<br />
grober Regelverstoß gewesen war, den<br />
Wild als Ordnungswidrigkeit geahndet<br />
und mit Platzverweis bestraft hatte.<br />
Seit Februar führt nun Roland<br />
Weening (46) die Geschäfte. Man wird<br />
sehen, ob er sie voranbringt.<br />
Um Wild zu verstehen, muss man<br />
wissen, dass sich dieser Exboxer,<br />
Exreiter, Exskilehrer auch für den<br />
Rugby-Sport begeistert. Der Hans-Peter,<br />
sagt ein Weggefährte, „der gibt nie<br />
auf, der nimmt’s mit jedem auf“.<br />
Seine Leidenschaft für den Sport<br />
hat Wild vom Vater geerbt („Ein superguter<br />
Sportsmann“), der im Sommer<br />
gerudert sei und im Winter Rugby<br />
gespielt habe. 2007 finanzierte Wild,<br />
in Heidelberg die Wild-Rugby-Akademie,<br />
drei Jahre später gründete er die<br />
Gesellschaft zur Förderung des Rugby-<br />
Sports, ansässig in der Eppelheimer<br />
Rudolf-Wild-Straße. Für schätzungsweise<br />
zehn Millionen Euro lässt er ge-<br />
rade ein Trainingszentrum errichten.<br />
Die Rugby-Abteilung des Heidelberger<br />
Ruderklubs ist seit 2010 jedes Jahr<br />
deutscher Meister geworden.<br />
Was das weitere Schicksal der Familienfirma<br />
angeht: Er habe in Liechtenstein<br />
eine Familienstiftung gegründet,<br />
ganz „Business-orientiert“. Sie solle wesentliche<br />
Teile seines Firmenvermögens<br />
übernehmen. Und seine Söhne?<br />
Ja ja, die machen da auch mit, nuschelt<br />
er. Wie genau, mag er nicht sagen.<br />
Der Stiftung kommt für die Zukunft<br />
der „Capri-Sonne“ eine entscheidende<br />
Rolle zu: „Einen Verkauf kann ich für<br />
die ,Capri-Sonne‘ ziemlich ausschließen“,<br />
sagt Wild. Dann hebt er die Augenbrauen:<br />
„Was soll ich denn machen:<br />
noch mehr Geld? Nein. Der Weg ist die<br />
Stiftung.“ Darauf laufe es hinaus.<br />
Wie auch immer die Sache ausgehen<br />
wird, der Kerl mir gegenüber ist<br />
die Ruhe selbst. Der Cappuccino ist<br />
ausgetrunken, Wild steht auf. „Wenn<br />
ich abends nach Hause komme“, sagt<br />
er noch, „bin ich froh, wenn ich meine<br />
Ruhe habe und in meinem eigenen<br />
Bett schlafen kann.“<br />
U<br />
33<br />
Durch die Tür: Seinen Amtssitz hat Wild in einem alten<br />
Bankgebäude im schweizerischen Zug untergebracht.<br />
Wildwechsel: Tritt er ab?<br />
Wild auf dem Landsgemeindeplatz in Zug.<br />
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