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JU'r Choice Diepholz 012016

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In dieser Reihe schreibt der Bremer Rechtswissenschaftler<br />

Dr. Dennis-Kenji Kipker zu aktuellen Themen<br />

in den Bereichen Datenschutz und IT-Sicherheit.<br />

Anhand praxisnaher Beispiele soll dabei aufgezeigt<br />

werden, dass die immer weiter fortschreitende<br />

Technisierung und Vernetzung der Gesellschaft es<br />

auch erforderlich machen, neue Maßnahmen zum<br />

Schutz der informationellen Selbstbestimmung des<br />

Einzelnen zu treffen.<br />

Der folgende Text beschäftigt sich mit dem so genannten<br />

informationellen „Trennungsgebot“ zwischen Polizei und<br />

Nachrichtendiensten und erschien ursprünglich am 8.<br />

Januar 2016 als Beitrag der „Causa“ des Berliner Tagesspiegels<br />

in Form einer Antwort auf den entsprechenden<br />

Beitrag von Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der<br />

DPolG. Entsprechend gekennzeichnete Zitate geben<br />

dementsprechend die zuvor geäußerte Auffassung von<br />

Wendt wieder.<br />

Dass die jüngsten terroristischen Anschläge von Paris zu<br />

rechtspolitischen Überlegungen geführt haben, staatliche<br />

Sicherheitsmaßnahmen zu erweitern und zu „verbessern“,<br />

ist nicht neu. In diesem Sinne wird auch gerne argumentiert,<br />

wenn es um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung<br />

in Deutschland geht: Die Aussage,<br />

dass die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich nichts<br />

zur Verhinderung der Anschläge beigetragen hätte, sei<br />

sinnentleert, denn niemand hätte zuvor behauptet, dass<br />

dieses Ermittlungsinstrument jedweden Anschlag verhindert.<br />

Jedoch aber könnte mit der Vorratsdatenspeicherung<br />

zukünftigen Anschlägen besser entgegengewirkt<br />

werden, indem sie nach einem Terrorakt ermöglicht,<br />

die Kommunikationswege der vorherigen Täter<br />

aufzuklären. Dass diese Auffassung im Ergebnis nichts<br />

als ein sinnfreier Zirkelschluss ist, wenn man sich argumentativ<br />

stets nur auf einen nicht näher spezifizierten<br />

Ermittlungserfolg der Zukunft stützt, um die vergangenen<br />

und gegenwärtigen Unzulänglichkeiten eines Überwachungsinstruments<br />

zu verbergen, verwundert nicht<br />

mehr. Zu bekannt ist schon die sicherheitspopulistische<br />

Rhetorik, die in derlei Zusammenhängen in den vergangenen<br />

Jahren angeführt wurde.<br />

Ganz neu und geradezu innovativ mutet es aber an, sich<br />

zu überlegen, das Trennungsgebot zwischen Polizei und<br />

Nachrichtendiensten aufzuheben. Wohlgemerkt: „Aufzuheben“<br />

und nicht bloß „aufzuweichen“. Es liegt ja<br />

durchaus nicht fern, so zu argumentieren: Manchmal<br />

muss man sich einfach von „gewohnten Grundsätzen“<br />

lösen, um auf neue Situationen angemessen reagieren zu<br />

01/2016<br />

können. „Was aus historischen Gründen in Deutschland<br />

wichtig und notwendig war, muss angesichts neuer, bisher<br />

nicht dagewesener Gefahren möglicherweise auf den<br />

Prüfstand.“ Einige wenige Sätze zuvor wird dann auch<br />

deutlich, wie diese neuen, bisher nicht dagewesenen Gefahren<br />

einzustufen sind: „Stellen die täglichen Anforderungen<br />

wie Kriminalitätsbekämpfung, Begleitung von<br />

Demonstrationen und Fußballspielen oder Verkehrssicherheit<br />

die Polizei ohnehin schon personell und ausstattungsbezogen<br />

auf die Probe, so bildet die Gefahr durch<br />

den Terrorismus eine völlig neue Kategorie.“ Das stimmt<br />

– eine neue Kategorie, die in einem Zuge mit der Kontrolle<br />

des Straßenverkehrs genannt werden kann. Bei<br />

einem auf diese Weise geführten Argumentationsbogen<br />

ist es dann auch nicht weiter überraschend, wenn zugunsten<br />

einer Aufhebung des Trennungsgebots argumentiert<br />

wird – es werden ja schließlich auch stärkere<br />

Verkehrskontrollen benötigt, um der Raserei und dem<br />

Alkoholkonsum am Steuer entgegenzutreten.Im Ergebnis<br />

übersieht dieser jüngst in die sicherheitspolitische Debatte<br />

eingeführte Standpunkt, dass das Trennungsgebot<br />

eben nicht in eine Reihe mit anderen staatlichen Kontroll-<br />

und Überwachungsinstrumenten gestellt werden<br />

und deshalb gerade nicht ebenso leicht, wie man vor wenigen<br />

Wochen hierzulande die Vorratsdatenspeicherung<br />

wieder eingeführt hat, im Legislativprozess argumentativ<br />

beiseitegeschoben werden kann. Das Trennungsgebot ist<br />

– rechtlich betrachtet – nicht nur ein gewohnter Grundsatz,<br />

den man über die vergangenen Jahrzehnte liebgewonnen<br />

hat, sondern viel tiefer in den grundlegenden<br />

rechtlichen Überzeugungen unserer Gesellschaft verankert.<br />

Dies hat schon das Bundesverfassungsgericht in<br />

seinem Urteil zur Antiterrordatei vom 24. April 2013<br />

(BVerfG, Urteil vom 24.04.2013 – 1 BvR 1215/07, siehe<br />

auch NJW 2013, S. 1499) festgestellt.<br />

Das Trennungsgebot – teils synonym auch Trennungsprinzip<br />

genannt – wird zwar nicht explizit im Grundgesetz<br />

genannt, stellt aber einen Ausfluss aus dem „Polizeibrief“<br />

dar, den die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

für das besetzte Deutschland erließen. Basierend<br />

auf den jüngsten Erfahrungen aus der NS-Terrorherrschaft<br />

wurde hier bewusst zwischen solchen Behörden<br />

unterschieden, denen ausschließlich Befugnisse zur Informationssammlung<br />

zukamen und solchen, denen obrigkeitliche,<br />

typisch exekutivistische Eingriffsbefugnisse<br />

eingeräumt wurden. Es fand folglich eine Trennung zwischen<br />

den Nachrichtendiensten und der Polizei statt,<br />

womit zugleich auch der Grundstein des späteren Bundesamtes<br />

für Verfassungsschutz (BfV) gelegt wurde.<br />

JU’r <strong>Choice</strong> 13

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