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HEINZ Magazin Essen 04-2016

HEINZ Magazin April 2016, Ausgabe für Essen

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KINO<br />

TIPP DES MONATS<br />

Auf der Spur von „M”<br />

Im Bann des Bösen Deutschland im Jahr 1930: Eine unfassbare Mordserie hält Menschen und Medien in Atem.<br />

Magisch angezogen vom Fall des „Vampirs von Düsseldorf“ reist Fritz Lang an den Schauplatz der Verbrechen.<br />

Doch den berühmten Regisseur treibt nicht nur die Suche nach einem neuen Filmstoff um. Filmemacher Gordian<br />

Maugg präsentiert eine verwegene Spekulation als Entstehungsgeschichte des Klassikers „M“.<br />

M<br />

eine Filme haben nichts mit meinem Privatleben zu tun“, belehrt<br />

der aufstrebende Regisseur (Heino Ferch als Fritz Lang)<br />

seine Frau und versucht damit, eine offensichtliche Affäre mit<br />

seiner ehrgeizigen Drehbuchautorin zu kaschieren. Diese Lang’sche Lebenslüge<br />

von der Trennbarkeit von Kunst und Privatleben ist der Schlüssel<br />

zu einem Biopic, das eher biografisches Essay über das Verhältnis von<br />

Kunst und Kreatur denn historisch belegtes Porträt ist. Tatsächlich überschattet<br />

ein „tragischer Unglücksfall“ das Leben des Regisseurs – verzweifelter<br />

Selbstmord oder kaltblütige Beziehungstat? Gordian Maugg („Der<br />

olympische Sommer“) lässt sich auf eine biografische Mutmaßung ein.<br />

Der Titel-Anti-Held steckt zu Beginn des Films in einer tiefen Krise.<br />

Seine zweite Ehe ist mittlerweile ruiniert, die UFA sitzt ihm nach dem finanziellen<br />

Desaster von „Metropolis“ im Nacken. Der Science-Fiction-<br />

Film „Die Frau im Mond“ hat zwar seinen Nimbus wieder etwas aufgebessert,<br />

aber jetzt warten die Babelsberger auf einen Knüller – und Lang<br />

hat nicht die mindeste Idee für einen neuen Film. Nachts „pudert“ sich<br />

der elegante Lebemann mit Monokel das Näschen und treibt sich in<br />

den Rotlichtgegenden von Berlin herum. Als er tags darauf die Schlagzeile<br />

vom „Vampir von Düsseldorf“ liest, folgt er einer plötzlichen Eingebung<br />

und reist kurzerhand an den Rhein. Dort ermittelte Kriminalrat<br />

Gennat, den Lang von seinem eigenen „Unglücksfall“ her noch kennt.<br />

Vor Ort versenkt sich Lang in den Fall. Wie ein Getriebener besucht er<br />

die Schauplätze der Verbrechen, spricht mit Zeugen, unterschlägt sogar<br />

Ermittlungsdokumente. Fritz Langs Recherche gerät zur empathischen<br />

Obsession. Der Filmemacher spürt, dass er mit dem Serienmörder einiges<br />

gemein hat. Da erscheint eine Heldentat aus dem Grabenkrieg als<br />

soldatischer Mordrausch, der Tod der Ehefrau als kaltblütige Exekution.<br />

Lang mischt sich unter die Schaulustigen am Tatort und neben ihm steht<br />

– ebenso sensationslüstern – der Mörder selbst. Realität und Fiktion vermischen<br />

sich, derweil entstehen in Langs Fantasie die späteren Filmszenen<br />

seines Meisterwerkes „M“.<br />

Gordian Maugg kommt der Persönlichkeit des schillernden UFA-Stars<br />

„gefährlich“ nahe. Es entsteht ein raffiniertes Psychogramm Deutschlands<br />

am Vorabend des Faschismus. Bereits mit seinem Porträt der Nazi-<br />

Olympiade von 1936 demonstrierte Maugg die Kunst seiner Collage-<br />

Technik. Nun komponiert er aus zeitgenössischen Filmaufnahmen, den<br />

Sequenzen aus „M“, originalem Fahndungsmaterial und raffiniert angeglichenen<br />

Schwarz-Weiß-Spielszenen ein cineastisches Arrangement,<br />

das verblüffend authentisch wirkt und auch den Zuschauer unweigerlich<br />

in den Bann des Bösen zieht.<br />

philipp koep<br />

❚ FRITZ LANG D <strong>2016</strong>, 1<strong>04</strong> Min., Regie u. Buch: Gordian Maugg, mit: Heino Ferch, Thomas Thieme, Samuel<br />

Finzi, Johanna Gastdorf, Lisa Charlotte Friederich, Max v. Pufendorf, Michael Mendel; Start: 14.4.<br />

52 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>04</strong>.<strong>2016</strong>

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