Maerz_2016
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Seite 10<br />
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California Dreaming – oder: Dem Tode gerade noch mal von der Schippe gesprungen<br />
Seine blonde Kollegin Cora und Danny hatten jahrelang im Jugendzentrum Hohenlimburg<br />
zusammen gearbeitet. Und sie mochten sich auch privat, sodass sie am liebsten auch mal zu -<br />
sammen in den Urlaub gefahren wären. Aber sie waren ja die einzigen hauptamtlichen Leiter<br />
in ihrem Jugendzentrum, so dass eine(r) den anderen immer vertreten musste: Urlaub zusammen<br />
machen war einfach nicht drin. Bis sich ihre beruflichen Wege trennten, womit sie endlich<br />
zusammen Urlaub machen konnten: 1986 war ‚California Dreaming’ angesagt, und sie<br />
träumten dann fünf Wochen lang als zwei Freunde zusammen im September/Oktober 86 live<br />
in California, USA.<br />
Sequoia Sempervirens, die bis zu 100 m hoch werden können, wo außer dem Rauschen der<br />
riesigen Bäume im Wind sonst eine Oase der Stille herrschte. Außer wenn sich morgens um<br />
7.00 Uhr plötzlich der Boden unter ihnen bewegte...<br />
Das wirkliche Big Sur mit seinen wechselvollen Schönheiten konnten sie jedoch im Julia<br />
Pfeiffer Burns State Park genießen: raue Klippen, friedliche Strände, rauschende Wasserfälle<br />
und gewundene Bäche zwischen Eukalyptus- und Redwood-Bäumen. Und zum Sonnenunter -<br />
gang erlebten sie im Big Sur Beach State Park einen wunderschönen Naturpark mit ‚natural<br />
bridges’, weißen Sandstrand zwischen umbrandeten Felsen: wild und romantisch, besonders<br />
bei im Westen über dem Horizont des Pazifiks untergehender Sonne...<br />
San Francisco<br />
Erst erlebten sie eine Woche lang zu Fuß San Francisco, sicherlich eine der schönsten<br />
Städte der Welt. Sie fuhren über die Golden Gate Bridge, sahen das bekannte Haight-Ashbury-<br />
Viertel und im Greek-Theatre von Berkeley live die beiden Musikgruppen ‚UB 40’ und die<br />
‚Fine Young Cannibals’.<br />
Sie unternahmen eine Fährtour vorbei an Alcatraz bis hinüber nach Sausalito, wo sie die<br />
fantasiereichsten Hausboote bewunderten.<br />
Danach liehen sie sich einen blauen Ford Tempo Automatic bei ‚Budget’ für nur 118 $ pro<br />
Woche und bereisten für die nächsten drei Wochen das südliche Kalifornien:<br />
– Sacramento;<br />
– Camping am Lake Tahoe;<br />
– Schnee im Yosemite-Nationalpark;<br />
– ihr südlichster Punkt in San Diego;<br />
– Surfer beobachten bei San Clemente, der kalifornischen Riviera;<br />
– im strömenden Regen durch Los Angeles: West-Hollywood entpuppte sich als Penner-<br />
Zentrum;<br />
– Santa Barbara;<br />
– Sie feierten Dannys 35. Geburtstag am 27.9.1986 in Carpenteria Beach.<br />
Und schließlich Big Sur, wo einst Jack Kerouac und Henry Miller gewohnt hatten: dort besuchten<br />
sie die Henry Miller-Memorial Library, wo sie Emil White trafen, einen alten österreichischen<br />
Freund von Henry Miller, dem Miller auch seinen Roman ‚Big Sur und die Orangen des<br />
Hieronymus Bosch’ gewidmet hatte.<br />
In Big Sur campten sie idyllisch unter den hohen Nadelbäumen des Redwood-Waldes,<br />
Golden Gate<br />
...dann war zwar die Welt immer noch in Ordnung, aber die Tiere im Redwood-Wald machten<br />
solch einen Radau, als würde ihnen jemand die Federn vom lebendigen Leibe reißen:<br />
Steller Jay (= Sternhäher) oder Mountain Blue Bird, so hieß der Rowdy. Dazu bombardierte<br />
der Wald die Beiden mal wieder mit Eicheln, dass es nur so im Unterholz krachte und auf dem<br />
Boden aufbombte oder manchmal auch auf ihr Zelt aufprallte.<br />
Nachts wurde Danny geweckt, weil ihn etwas leicht in die Seite stupste. „Was will denn<br />
Cora jetzt von mir?“, dachte er. Aber sie schlief. Dafür hob und senkte sich der Zeltboden, da -<br />
runter hobelte und knabberte es verdächtig nach Erdhörnchen. Da hatte sich doch tatsächlich<br />
ein Erdhörnchen einen Gang unter ihr Zelt gewühlt; und es war auch mit Schlägen von Danny<br />
von oben kaum zur Ruhe zu bekommen. Kein Wunder, die Tausende von Erd- und Eichhörn -<br />
chen fühlten sich in diesem schönen Redwood-Wald mit dem durchfließenden Big Sur River<br />
wie die Herrscher der Natur. Überall flitzten sie herum. Einmal ließen sie aus Versehen ihren<br />
Frühstückstisch aus den Augen, weil sie am Waschhaus das Campinggeschirr spülen wollten.<br />
Als sie wieder kamen, war der reinste ‚Krieg der Tiere’ zugange: einige Sternhäher hüpften<br />
auf dem Holztisch umher und stritten sich um ihr Brot und Käse: „Hack, hack, hack, schon<br />
war das halbe Frühstück weg!“<br />
near Lake Mono<br />
Aber gleichzeitig wurden die Häher von oben von einem Trupp Eichhörnchen mit Tannen -<br />
zapfen bombardiert, weil diese wohl auch schon ein Auge auf ihre Leberwurst geworfen hatten.<br />
Ein wildes Durcheinander aus fliegenden blauen Federn, berstenden Zapfen, Hörnchen,<br />
Hähern und Frühstücksresten war das Ergebnis.<br />
Als in Big Sur der berüchtigte Nebel aufstieg, fuhren sie runter zur Küste nach Carmel und<br />
erlebten dort im Point Lobos State Park lärmende Seelöwen, herumstreifende Pelikane und<br />
Kormorane und als Höhepunkt einen im Meerwasser schlafenden Seeotter, zwischen Schling -<br />
pflanzen verankert.<br />
„Do you see the otter?“, fragte sie die Rangerin ganz aufgeregt, als sie ihnen diesen<br />
durch ihr Fernglas zeigte. Abgerundet wurde die Naturszenerie durch türkisfarbene Lagunen<br />
und schroffe Felsen, die die merkwürdigsten Farbformationen, Muster und Strukturen bildeten.<br />
San Francico – Cable Car<br />
Danach wollten sie sich was zum Grillen kaufen. Als sie dann unterwegs mit dem Leih wa -<br />
gen zum Shop fuhren, hätte sie fast jemand ‚getötet’. Es war schon dunkel; und ihnen kam<br />
in einer Linkskurve ein großer Trailer-Van entgegen. Danny wollte es kaum glauben, als die<br />
Hälfte dieses riesigen Fahrzeuges auf seiner Spur direkt auf ihn zu geschossen kam. Im allerletzten<br />
Moment konnte er das Steuerrad noch nach rechts reißen und war damit dem Tode<br />
gerade noch mal von der Schippe gesprungen.<br />
„Wohl dem, der einen Handball-Torwart am Steuer hat. Reaktion ist alles!“<br />
Nachdem die konkrete Lebensgefahr durch den von der Fliehkraft außer Kontrolle geratenen<br />
Van gebannt war, musste er sein Herz erst mal wieder beruhigen. Sie realisierten, dass<br />
sie mit knapper Not dem verhängnisvollen Auffahr-Crash entkommen waren, weil es an dieser<br />
Stelle der Küstenstraße von Big Sur rechts steil hoch ging; und links ein schroffer Abgrund<br />
zur Steilküste runter noch weniger einladend war. Mit klopfenden Herzen kauften sie dann<br />
ein und grillten sich schließlich jeder einen Cheeseburger und Hamburger über der Glut ihrer<br />
Campingplatz-Feuerstelle. Das war nach T-Bone-Steak und Hotdogs die dritte US-amerikanische<br />
Spezialität, die sie sich selber gegrillt hatten. Immer wieder Feuer – Rauch – Qualm:<br />
ein Großteil von Dannys Kleidung roch schon ganz verräuchert nach all den vielen Camping-<br />
Grillabenden in Big Sur.<br />
Danny saß dann mit Cora nach dem Essen und bei einer gemütlichen ½ Gallone kalifornischen<br />
Chablis der Gebrüder Ernest & Julio Gallo am Lagerfeuer, und sie ließen noch mal ihr<br />
gefährliches Abenteuer Revue passieren.<br />
„Danny, trotz unserer überstandener Abenteuer gehe ich jetzt ins Zelt, ich bin müde.“<br />
„Good night, sunny honey“, gab er Cora noch mit auf den Weg und blieb noch eine Weile<br />
nachdenklich an der Glut ihres Grillfeuers sitzen.<br />
Um Mitternacht hatte Danny das Gefühl, wegen des gut ausgegangen und verhinderten<br />
Crash an der kalifornischen Küste für sich persönlich ein Fanal setzen zu müssen. So gab er<br />
dem Feuer ein Opfer für das gerettete Leben: sein weißer mexikanischer Sonnenhut aus<br />
Mazatlan, den sie damals 1978 wegen Tinas Sonnenallergie in ihrem Gesicht gekauft hatten,<br />
war inzwischen zwar schon arg lappig geworden, tat Danny hier in Kalifornien aber trotzdem<br />
als Sonnenschutz für seine Birne ein paar Mal gute Dienste. Den warf er in die Glut; und der<br />
Hut ging in Flammen auf. Aber schließlich begann für Danny ein neues Leben, weil das alte<br />
schon fast verwirkt gewesen wäre...!<br />
Manfred Schloßer<br />
San Francisco<br />
Sausalito<br />
Yosemite, Half Dome<br />
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