viewpoint - das Unternehmensmagazin der Repower Gruppe
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Wasserstoff als Treibstoff<br />
Überholen auf<br />
dem Grünstreifen<br />
Burnout-Prävention<br />
Brennen,<br />
ohne auszubrennen<br />
Energiediskussion<br />
Woher kommt <strong>der</strong> Strom<br />
im Jahr 2050?<br />
<strong>viewpoint</strong> 1 | 2012<br />
Das Magazin <strong>der</strong> <strong>Repower</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
7
2<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser<br />
Die Energiebranche steht im<br />
Fokus <strong>der</strong> Medien wie kaum zuvor.<br />
Oft wird dabei nur oberflächlich<br />
über komplexe Probleme<br />
berichtet, <strong>der</strong>en Lösung<br />
nicht auf <strong>der</strong> Hand liegt. Es<br />
wird immer wichtiger werden,<br />
Entwicklungen richtig zu erkennen,<br />
um dann konsequente<br />
und verantwortungsvolle Entscheidungen<br />
zu treffen. Den<br />
Schlüssel, um dies zu tun, sieht<br />
<strong>Repower</strong> in einem Konzept, <strong>das</strong><br />
Fabio Bocchiola, Leiter <strong>Repower</strong> Italien, Mitglied <strong>der</strong> GL-<strong>Gruppe</strong> zwar in aller Munde ist, dessen<br />
tiefere Bedeutung aber oft<br />
nicht verstanden wird: die<br />
Nachhaltigkeit. Das Konzept <strong>der</strong> Nachhaltigkeit, <strong>das</strong> für <strong>das</strong> Gleichgewicht<br />
zwischen den drei Elementen Ökonomie, Umwelt und Mensch<br />
steht, beeinflusst jede unserer Entscheidungen.<br />
<strong>Repower</strong> ist ein Energieunternehmen mit Hauptsitz<br />
in Poschiavo (Schweiz). Es produziert, handelt und<br />
verkauft Strom in den Schlüsselmärkten Schweiz,<br />
Italien, Deutschland und Rumänien; zudem ist es im<br />
Erdgasgeschäft tätig.<br />
Das <strong>Unternehmensmagazin</strong> «<strong>viewpoint</strong>» bringt<br />
Infos aus <strong>der</strong> Welt von <strong>Repower</strong> und Hintergründe<br />
aus <strong>der</strong> Energiewirtschaft. www.repower.com<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
Aus Anlass des 10-Jahr-Jubiläums von <strong>Repower</strong> in Italien hatten wir die<br />
Gelegenheit, unsere Vorstellung von Nachhaltigkeit zu präsentieren: Im<br />
Rahmen <strong>der</strong> «Milano Design Week», die jeweils einen grossen Besucheransturm<br />
verzeichnet, stellten wir unsere Projekte vor. Unser Auftritt, <strong>der</strong><br />
vom bekannten Architekten Italo Rota gestaltet wurde, lief unter dem<br />
aussergewöhnlichen Titel «Homines Energetici». Die Wahl <strong>der</strong> lateinischen<br />
Sprache und <strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong> Mehrzahl verleihen ihm eine beson<strong>der</strong>e<br />
Bedeutung: Latein als Ausdruck unserer Herkunft und unserer Vergangenheit,<br />
als Basis für die Gestaltung <strong>der</strong> Zukunft; <strong>der</strong> Plural als Symbol<br />
für eine Gesellschaft, die immer mehr zur Gemeinschaft wird und wo<br />
Entscheidungen zunehmend vor dem Hintergrund einer «nachhaltigen»<br />
gesellschaftlichen Verantwortung getroffen werden müssen.<br />
Dem Thema Nachhaltigkeit werden Sie in dieser vorläufig letzten Ausgabe<br />
von «Viewpoint» an vielen Stellen begegnen – etwa in unserem<br />
Schwerpunktbeitrag Wasserstoff als Treibstoff (ab Seite 14) o<strong>der</strong> im Artikel<br />
über Pumpspeicherwerke, die «Batterien <strong>der</strong> Alpen» (Seite 22).<br />
Schliesslich soll Ihnen <strong>der</strong> Diskurs über die Stromversorgung <strong>der</strong> Zukunft<br />
– in Form unseres virtuellen «Round Table»-Gesprächs zur Energy<br />
Roadmap 2050 auf Seite 24 – wertvolle Impulse für die eigene Meinungsbildung<br />
liefern. Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre.<br />
14 H 2 -Revolution<br />
Geht <strong>das</strong> Öl zu Ende,<br />
gibt es zu Wasserstoff als<br />
Kraftstoff keine Alternative.<br />
Impressum Das Magazin «<strong>viewpoint</strong>» wird verlegt und herausgegeben von <strong>der</strong> <strong>Repower</strong> <strong>Gruppe</strong>, Via da Clalt 307, CH-7742 Poschiavo,<br />
Telefon +41 81 839 7111, Fax +41 81 839 7299. <strong>Repower</strong>-Redaktionskommission: Annette Grünig, Patrick Eisenhut, Andrea Hahn, Francesca<br />
Biagi, Francesca Soprani, Cristina Cosma. Redaktion, Produktion, Grafik: Andreas Turner, Beni Spirig, Infel AG, Militärstrasse 36, Postfach, 8021<br />
Zürich, Telefon 044 299 41 41, www.infel.ch. Übersetzung: Ruth Ehrensperger. Titelbild: Getty/ Richard Newstead.<br />
Fotos: Fotolia/Thier, Keystone/dpa-Zentralbild/Stefan Thomas, Keystone/EPA/Ansa Ciro Fusco, Getty/Jordan Siemens, Keystone/AP/Gregorio<br />
Borgia, Herbert Zimmermann, Julia Knopp, Blickwinkel/O. Bro<strong>der</strong>s, EEX/Jürgen Leibmann, dpa, <strong>Repower</strong>, Geberit AG, SkySails, Fre<strong>der</strong>ico Meyer,<br />
Ulf Dieter, FUTURE MATTERS AG, ABB. Cartoon: Michael Streun. Lithos: n c ag, 8902 Urdorf. Druck und Versand: Tipografia Isepponi,<br />
CH-7742 Poschiavo. Sämtliche in diesem Magazin enthaltenen Informationen wurden sorgfältig recherchiert und auf ihre Richtigkeit geprüft.<br />
Sollten dennoch Irrtümer auftreten, kann <strong>der</strong> Her ausgeber keine Haftung übernehmen. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers.
5<br />
Da ist Zug drin<br />
Nach dem Prinzip <strong>der</strong> Kite-Surfer funktioniert<br />
auch ein neuartiges Kraftwerk.<br />
06<br />
8<br />
Strom im Stiefel<br />
Prof. Dr. Ennio Macchi über die Energieszenarien<br />
Italiens.<br />
Alles im Fluss<br />
Geberit achtet auf die Ressource Wasser.<br />
10 Burnout-Prävention<br />
Prof. Dr. Hans Eberspächer sagt Ihnen,<br />
wie Sie effektiv Gegensteuer geben.<br />
Inhalt<br />
VIEWPOINT 1/2012 3
Spektrum<br />
„Das Wutvirus steckt in jedem.<br />
115,5<br />
Meter misst <strong>der</strong> zurzeit höchste<br />
Baum <strong>der</strong> Erde in <strong>der</strong> Vertikalen.<br />
«Hyperion» heisst <strong>der</strong> Gigant,<br />
benannt nach dem Titanen<br />
Hyperion in <strong>der</strong> griechischen<br />
Mythologie. Der Küstenmammutbaum<br />
ist im Redwood-Nationalpark<br />
in Kalifornien zu Hause, er<br />
wurde 2006 entdeckt, seine Höhe<br />
wurde von Baumforscher Steve<br />
Sillet bestätigt. Weil<br />
Küstenmammutbäume extreme<br />
Flachwurzler sind und eine<br />
Verdichtung des Bodens durch<br />
Besucher die Wurzeln des Baumes<br />
schädigen kann, wird sein exakter<br />
Standort nicht veröffentlicht. Viel<br />
höher, als er heute ist, kann<br />
Hyperion übrigens nicht werden:<br />
Die enorme Saugspannung im<br />
Inneren des Baumes würde ab<br />
ca. 120 Metern zum Abriss des<br />
Wasserfadens in den Kapillaren<br />
und damit zur Austrocknung <strong>der</strong><br />
obersten Triebe führen.<br />
4 VIEWPOINT 1/2012<br />
Der deutsche Bundesverkehrsminister<br />
Peter<br />
Ramsauer in <strong>der</strong> «Zeit»<br />
vom 15. September 2011<br />
Je schwieriger die Steuerung <strong>der</strong> Produktion<br />
aus regenerativen Energiequellen,<br />
desto stärker schwanken die Strompreise<br />
an <strong>der</strong> Börse. Ohne Handel geht bei den<br />
Energieunternehmen fast gar nichts mehr.<br />
An <strong>der</strong> Energiebörse «European Energy<br />
Exchange» (EEX) mit Sitz in Leipzig werden<br />
Energie und energienahe Produkte gehandelt.<br />
Über 200 Teilnehmer aus 19 Län<strong>der</strong>n<br />
machen die EEX zum grössten Energieumschlagplatz<br />
in Kontinentaleuropa. Während<br />
sich die Stromerzeugung aus Kohle, Gas<br />
und Kernkraft leicht steuern lässt, ergibt<br />
sich bei Sonnen- und Windkraft ein an<strong>der</strong>es<br />
Bild. Unregelmässig anfallende Kapazitäten<br />
wirken sich direkt auf den Stromhandel aus.<br />
Das eröffnet lukrative Geschäftsfel<strong>der</strong> für<br />
Banken, ruft aber auch Broker auf den Plan.<br />
Tatsächlich ähnelt <strong>der</strong> Strommarkt, <strong>der</strong><br />
ursprünglich von <strong>der</strong> reinen Angebots- und<br />
Nachfragesituation bestimmt war, immer<br />
mehr den Märkten für klassische Rohstoffe<br />
wie Öl. Zwar existieren keine Statistiken<br />
zum Spekulationsanteil <strong>der</strong> gehandelten<br />
Stromvolumen. Doch Ralf Ridzewski,<br />
Manager beim Unternehmensberatungskonzern<br />
NUS Consulting, lässt sich in<br />
<strong>der</strong> «Financial Times» folgen<strong>der</strong>massen<br />
zitieren: «Eine Megawattstunde wird<br />
durchschnittlich acht Mal gehandelt, bevor<br />
sie beim eigentlichen Käufer ankommt und<br />
von diesem für den Verbrauch freigegeben<br />
wird.»<br />
Jede MWh wird acht Mal gehandelt, bevor sie zum<br />
Verbraucher kommt: Angela Merkel zu Besuch bei <strong>der</strong> EEX.<br />
Bei <strong>der</strong> Windenergie läuft’s in Europa rund – ausser in <strong>der</strong> Schweiz<br />
Europa leistet seit gut einem Jahrzehnt Pionierarbeit für die Nutzung <strong>der</strong> Windkraft: Deutschland ist<br />
Windenergiemeister, und fast die Hälfte <strong>der</strong> weltweiten Windkraftleistung ist «made in Europe».<br />
Deutschland<br />
29 000 MW<br />
“<br />
Die wutbürgerfreie Energieerzeugung gibt es nicht.<br />
Eine Portion Wind, Sonne o<strong>der</strong> Gas – was darf’s denn heute sein?<br />
Spanien<br />
21 600 MW<br />
Frankreich<br />
6800 MW Italien<br />
6700 MW Grossbritannien<br />
6500 MW<br />
Portugal<br />
4100 MW Dänemark<br />
3800 MW<br />
Nie<strong>der</strong>lande<br />
2300 MW<br />
Schweiz<br />
45 MW<br />
Installierte Leistung von Windenergieanlagen in Europa (ausgewählte Län<strong>der</strong>): In Europa stehen 96 600 MW zur Verfügung.
Kommt jetzt<br />
<strong>das</strong> Flugwindkraftwerk?<br />
Wellen, Wind, Wasser: 2016 könnte Kitesurfen olympische<br />
Disziplin werden. Vielleicht noch früher lässt sich mit dem<br />
Flugdrachen-Prinzip auch Strom gewinnen.<br />
Die Nutzung <strong>der</strong> Windenergie gilt <strong>der</strong>zeit als eine <strong>der</strong> attraktivsten<br />
Technologien zur regenerativen Stromerzeugung.<br />
Noch deutlich mehr Energie im Vergleich zur bewegten<br />
Luft in Bodennähe liefert bekanntlich <strong>der</strong> Wind in grossen<br />
Höhen. Das deutsche Unternehmen SkySails Power hat dazu<br />
ein System schwimmen<strong>der</strong> Anlagen entwickelt, die mit<br />
grossen Zugdrachen, sogenannten Kites, verbunden sind.<br />
Um Energie zu erzeugen, wird <strong>das</strong> Zugseil durch den Wind<br />
von einer Seiltrommel abgespult, die mit einem Stromgenerator<br />
verbunden ist. Dies ist die Leistungsphase. Ist die<br />
maximale Zugseillänge erreicht, beginnt die Rückholphase:<br />
Der Zugdrachen wird automatisch in eine Position geflogen,<br />
in <strong>der</strong> seine Zugkraft nur noch sehr gering ist. Der Generator<br />
arbeitet nun als Motor und rollt <strong>das</strong> Seil wie<strong>der</strong> auf, bis<br />
die Seillänge kurz genug für die nächste Energie-<br />
erzeugungsphase ist. Dabei wird nur ein Bruchteil <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Leis tungsphase erzeugten Energie verbraucht. Der verbleibende<br />
Energieüberschuss wird in <strong>das</strong> Stromnetz eingespeist.<br />
Zusätzlicher Bonus: Die schwimmenden Plattformen<br />
könnten auch dort eingesetzt werden, wo die Wassertiefe<br />
für Offshore-Windparks nicht ausreicht.<br />
Tolle Möglichkeiten zur Entfaltung<br />
Spektrum<br />
Wer zur Arbeit fährt, schwingt sich immer<br />
öfter aufs Rad. Die Studie «Fahrrad-Monitor<br />
Deutschland 2011» hat ergeben, <strong>das</strong>s<br />
38 Prozent <strong>der</strong> erwerbstätigen Personen<br />
zumindest gelegentlich <strong>das</strong> Fahrrad<br />
benutzen. Von den Befragten kombiniert<br />
rund ein Drittel die Fahrten zur Arbeit mit<br />
öffent lichen Verkehrsmitteln. Doch an<br />
Haltestellen und Bahnhöfen ist fürs<br />
Zweirad oft auch schon Endstation. Hier<br />
kommt <strong>das</strong> Faltrad ins Spiel. Zusammengeklappt<br />
kann es auch in Bus und Bahn<br />
transportiert werden, ohne als Fahrrad zu<br />
gelten. Denn es lässt sich ganz einfach in<br />
<strong>der</strong> praktischen Packtasche beför<strong>der</strong>n. Am<br />
Arbeitsplatz parkt es dann wahlweise<br />
sogar unter dem Schreibtisch. Für alle, die<br />
mit eingebautem Rückenwind vorankommen<br />
wollen, hat <strong>der</strong> deutsche Traditionshersteller<br />
Victoria <strong>das</strong> «Snap It»<br />
entwickelt, ein E-Faltrad, mit dem nicht<br />
nur schweisstreibende Bergauff ahrten<br />
<strong>der</strong> Vergangenheit angehören;<br />
es lässt sich dank seiner 20-Zoll-Rä<strong>der</strong><br />
auch schnell und einfach verstauen.<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
5
Im Gespräch<br />
« Die Stimme <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
muss gehört werden»<br />
6<br />
Ginge es nach ihm, hätte die Forschung mehr Gewicht in <strong>der</strong> Energiepolitik Italiens.<br />
Ennio Macchi, Direktor des Energiedepartements am Polytechnikum Mailand, über Energiemix-<br />
Szenarien, Blackout-Prävention und die steilen Wachstumskurven beim Solarstrom.<br />
Prof. Ennio Macchi ist ein<br />
ausgewiesener Experte auf dem<br />
Gebiet <strong>der</strong> Energietechnik. Heute<br />
leitet er <strong>das</strong> Energiedepartement<br />
des Polytechnikums in Mailand,<br />
wo er seit 1980 als Professor für<br />
Energietechnik wirkt. Macchi ist<br />
Autor zahlreicher Publikationen.<br />
Unter seinen Arbeiten finden sich<br />
unter an<strong>der</strong>em Beiträge zur<br />
angewandten Thermodynamik,<br />
zu Wärmetauschern, zu thermoelektrischen<br />
Kraftwerken, zu<br />
Wärmepumpen und Gas-Kombikraftwerken.<br />
Als Vorsteher des<br />
Energiedepartements koordiniert er<br />
die Untersuchungen einer <strong>Gruppe</strong><br />
von Forschern zur Energieumwandlung<br />
und zur Umweltbelastung von<br />
Energiesystemen. Macchi war<br />
Mitglied verschiedener Expertenkommissionen,<br />
darunter jener,<br />
welche im Nachgang zum Blackout<br />
von 2003 in Italien eingesetzt<br />
worden war.<br />
« Die Wachstumskurve einiger<br />
erneuerbarer Energieträger ist<br />
sehr eindrücklich, steiler als<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
Herr Prof. Macchi, wie würden Sie die aktuelle<br />
Energiesituation Italiens charakterisieren?<br />
Was uns von an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n unterscheidet, ist<br />
die Dominanz von Erdgas als Basisenergieträger<br />
für die Stromproduktion. An<strong>der</strong>s als im Rest<br />
<strong>der</strong> Welt, wo ein grosser Teil des Stroms aus Kohle-<br />
und Atomkraftwerken stammt, fehlt in Italien<br />
die Kernkraft ganz – und Kohle spielt eine nebensächliche<br />
Rolle. Diese Situation führt dazu, <strong>das</strong>s<br />
ein grosser Teil unseres Bedarfs weiterhin über<br />
Importe gedeckt werden muss. Aussergewöhnlich<br />
ist in Italien aber auch die rasante Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Photovoltaik, die eine starke För<strong>der</strong>ung<br />
geniesst.<br />
In Italien und an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n<br />
kommt es häufig zu Netzengpässen. Welche<br />
Lösungen sehen Sie zur Erhöhung <strong>der</strong> Netzstabilität<br />
– gerade auch im Hinblick auf<br />
eine vermehrte Einspeisung erneuerbarer<br />
Energiequellen?<br />
Darüber wird in Europa zurzeit intensiv diskutiert.<br />
Vorausgesetzt, den Engpässen wird mit einem<br />
Netzausbau begegnet, wird es je länger,<br />
je mehr nötig sein, die Reaktionszeiten <strong>der</strong> Gaskraftwerke<br />
zu erhöhen und Speichersysteme auf<br />
je<strong>der</strong> Leistungsstufe zu entwickeln – von gros sen<br />
Pumpspeicherwerken bis hin zur eigentlichen<br />
Stromspeicherung. Immer mehr werden hierfür<br />
auch innovative Lösungen wie Druckluftsysteme<br />
o<strong>der</strong> die Umwandlung von Strom in Wasserstoff<br />
in Betracht gezogen.<br />
Welche Rolle werden Smart Grids im<br />
Ausbau <strong>der</strong> elektrischen Netze in Italien<br />
einnehmen?<br />
Es ist unmöglich, darauf eine exakte<br />
Antwort zu geben – nicht zuletzt, weil<br />
die Definition von «Smart Grid» nicht eindeutig<br />
ist. Zweifellos wird sich die Zahl <strong>der</strong> Stromeinspeisepunkte<br />
markant erhöhen – bedingt durch viele<br />
kleine Anlagen, die über <strong>das</strong> ganze Netz verteilt<br />
sind. Diese Produktion ist oft nicht regulierbar,<br />
was den intelligenten Einsatz <strong>der</strong> übrigen Anlagen<br />
erfor<strong>der</strong>t. Das wird zu wesentlichen Än<strong>der</strong>ungen<br />
führen – wie diese exakt aussehen werden,<br />
ist aber schwierig vorauszusehen.<br />
Der Zickzack-Kurs Italiens in Sachen Atomenergie<br />
hat beispielhaft gezeigt: Um eine ernst zu<br />
nehmende Energiepolitik zu erreichen, muss<br />
sich auch die Wissenschaft einbringen können.<br />
Welches Gewicht hat hier <strong>das</strong> Polytechnikum<br />
in Mailand, Italiens wichtigste technische<br />
Universität?<br />
Lei<strong>der</strong> wird den technischen Universitäten Italiens<br />
in <strong>der</strong> nationalen Energiedebatte kaum Gehör<br />
geschenkt. Wir haben noch keine wirksame<br />
Kommunikationsform gefunden, wie wir unsere<br />
Meinung einbringen können. Dabei sind wir<br />
überzeugt: Bei Energiedebatten von nationaler<br />
Tragweite sollten wir mitentscheiden dürfen.<br />
Bis 2020 hat sich Ihr Land gegenüber <strong>der</strong> EU-<br />
Kommission zu einer Reduzierung <strong>der</strong> CO 2-Emissionen<br />
um 14 Prozent gegenüber dem Niveau<br />
von 2005 verpflichtet. Dazu kommt eine Anteilserhöhung<br />
erneuerbarer Energieträger von heute<br />
11 auf 17 Prozent des Endverbrauchs. Ist Italien<br />
diesbezüglich auf Kurs?<br />
Die Wachstumskurve einiger erneuerbarer Energieträger<br />
ist sehr eindrücklich, teilweise sogar<br />
steiler als erwartet. Auf politischer Ebene müssen<br />
Energiespar- und Effizienzmassnahmen unterstützt<br />
werden. Auch die regenerativen Energieanwendungen<br />
Solarthermie und Biobrennstoffe
Ein grosser Teil des Strombedarfs<br />
Italiens wird aus<br />
Importen gedeckt. Klappt die<br />
Übertragung nicht, können<br />
auch mal die Lichter ausgehen.<br />
Wie zum Beispiel in Rom am<br />
28. September 2003.<br />
zur Wärmegewinnung gilt es künftig gezielt zu<br />
för<strong>der</strong>n.<br />
Die am weitesten verbreitete Form <strong>der</strong> Energieerzeugung<br />
basiert auf thermodynamischen<br />
Kreislaufprozessen – wie etwa bei Atom-, Kohle-<br />
und Gaskraftwerken. Wie schätzen Sie diesbezüglich<br />
<strong>das</strong> Potenzial von Biomasse- und<br />
Wärmerückgewinnungsanlagen ein?<br />
Dieses Potenzial ist hoch. Vor allem <strong>der</strong> smarte<br />
Einsatz von Biomasse muss geför<strong>der</strong>t werden. Ich<br />
denke hier insbeson<strong>der</strong>e an die noch nicht sehr<br />
verbreitete Kraft-Wärme-Kopplung, die Mitverbrennung<br />
in Kraftwerken mit hohem Wirkungsgrad,<br />
aber auch die Umwandlung in Biogas –<br />
etwa zur Beimischung ins Erdgasnetz.<br />
Erwarten Sie aus technologischer Sicht<br />
starke Entwicklungsschübe bei Solar- und<br />
Geothermie-Anwendungen?<br />
Die Photovoltaik <strong>der</strong> neusten Generation, solarthermische<br />
Systeme und die Tiefengeothermie<br />
sind Bereiche, in denen intensiv geforscht wird –<br />
gerade auch in meinem Departement. Die Resultate<br />
werden <strong>der</strong> Branche wichtige Impulse geben.<br />
Welche Energieszenarien erwarten Sie für<br />
Italien?<br />
Ich schliesse aus, <strong>das</strong>s während <strong>der</strong> nächsten<br />
zwanzig Jahre bei uns Strom aus Kernkraft produziert<br />
wird – und ich bedaure diese realistische<br />
Prognose. Zuversichtlicher bin ich, was die Entwicklung<br />
von nachhaltigen Kohletechnologien<br />
betrifft. Diese würden es Italien er-<br />
möglichen, sich auf einen vernünftigen<br />
Energieträgermix zu stützen.<br />
Der Boom bei den erneuerbaren<br />
Ener gien wird weiter gehen – die<br />
Gewichtung <strong>der</strong> einzelnen Erzeugungsarten<br />
ist heute noch offen.<br />
« Solarthermische Systeme und<br />
die Tiefengeothermie sind Bereiche,<br />
in denen intensiv geforscht wird –<br />
die Resultate werden <strong>der</strong> Branche<br />
wichtige Impulse geben.»<br />
VIEWPOINT 1/2012 7
8<br />
Ökologischer Fussabdruck<br />
Nicht nur bei <strong>der</strong> Herstellung von Produkten, son<strong>der</strong>n auch bei <strong>der</strong>en Gebrauch<br />
lässt sich die Belastung <strong>der</strong> Umwelt messen. Und meistens auch signifikant vermin<strong>der</strong>n.<br />
<strong>Repower</strong> bietet innovativen Unternehmen wie Geberit gezielte Hilfestellung.<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
Die Nutzungsphase spült<br />
bei Geberit die grösste Ro<br />
Gegenwärtig verbraucht die Menschheit<br />
jährlich Ressourcen von 1,5 Erden<br />
für ihren Lebensstil*. Unser Planet benötigt<br />
also ein Jahr und sechs Monate,<br />
um den globalen Jahresverbrauch zu decken.<br />
Nachhaltig ist <strong>das</strong> nicht.<br />
Eine Strategie für Unternehmen, welche ihre<br />
Geschäftsprinzipien dauerhaft umweltfreundlich<br />
gestalten möchten, ist <strong>das</strong> Prinzip des ökologischen<br />
Fussabdrucks – ein Bewertungssystem mit<br />
Kenngrössen und Indikatoren, mit welchem <strong>der</strong><br />
«Druck» des Unternehmens auf den Planeten gemessen<br />
werden kann. Ist dieser ökologische Fussabdruck<br />
erst bestimmt, lassen sich die Kenngrös-<br />
sen gewichten, Reduktionsziele definieren – und<br />
schliesslich auch umsetzen. Alexandros Tsimitselis,<br />
Portfolio-Manager bei <strong>Repower</strong> im Handel mit<br />
erneuerbaren Energien: «Ein Unternehmen kann<br />
frei wählen, ob es Aspekte <strong>der</strong> Luftverschmutzung,<br />
des Bodenverbrauchs o<strong>der</strong> des Energiekonsums<br />
näher untersuchen und reduzieren möch-<br />
* Quelle: Global Footprint Network (www.footprintnetwork.org)<br />
te.» Bei Letzterem ergeben sich je nach Produktionsart<br />
des Stroms indirekte Emissionen, welche<br />
<strong>das</strong> Unternehmen in seine Ökobilanz aufnehmen<br />
muss. «Hier bieten wir Hilfestellung, indem wir<br />
die Ökobilanzkennzahlen für <strong>das</strong> jeweilige Produkt<br />
evaluieren und weitergeben», so Alexandros<br />
Tsimitselis. Die Sache hat nur einen Haken: Nicht<br />
jedes Unternehmen kann sich ökologisches Verhalten<br />
leisten. O<strong>der</strong>?<br />
ÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE GEHEN HAND IN HAND<br />
Doch. Erstens: Wer Ressourcen einspart, spart in<br />
<strong>der</strong> Regel Geld. Den Einsatz <strong>der</strong> eigenen Mittel<br />
systematisch zu hinterfragen, macht also Sinn. In<br />
<strong>der</strong> Schweiz beispielsweise unterstützt die Energie-Agentur<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft (www.enaw.ch) Unternehmen<br />
bei <strong>der</strong> Steigerung <strong>der</strong> Energieeffizienz.<br />
Sämtliche Massnahmen werden betriebsspezifisch<br />
formuliert und folgen dem Prinzip <strong>der</strong><br />
Wirtschaftlichkeit, machen sich also innert weniger<br />
Jahre bezahlt.<br />
Zweitens: Die internationale Staatengemeinschaft<br />
hat sich – etwa im Kyoto-Protokoll – ver-
lle<br />
Quelle: WWF, 2007<br />
pflichtet, die Emission bestimmter Abfallprodukte<br />
wie CO2 verbindlich zu reduzieren. Damit sie<br />
dieses Ziel erreicht, greifen die Regierungen zu<br />
unterschiedlichen regulatorischen Massnahmen,<br />
zum Beispiel zu einer CO2-Abgabe auf fossilen<br />
Brennstoffen (siehe Box).<br />
Drittens: Unternehmen, die eine ganzheitliche<br />
Betriebsökobilanz führen, können in Sachen<br />
Ressourcenmanagement tatsächlich einiges<br />
bewegen – und von <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Der Gebäudesektor schlägt alle<br />
26 % Wohnbau<br />
23 % Nahrungsmittel<br />
14 % Individuelle Mobilität<br />
10 % Freizeit/Kultur<br />
08 % Haushaltgeräte<br />
05 % Alkohol und Tabak<br />
04 % Gastronomie/Tourismus<br />
02 % Gesundheit<br />
02 % Klei<strong>der</strong><br />
01 % Kommunikation<br />
05 % An<strong>der</strong>e<br />
Der weltweit von Unternehmen verursachte ökologische<br />
Fussabdruck, unterteilt in Nachfragesektoren.<br />
Reputa tion im Markt profitieren. Paradebeispiel<br />
dafür ist die Geberit-<strong>Gruppe</strong>, europäische<br />
Marktlea<strong>der</strong>in in <strong>der</strong> Sanitärtechnik. «Wir begannen<br />
1993, die ersten Kenngrössen zu messen.<br />
Seither haben wir die Ökobilanzierung in<br />
kleinen, pragmatischen Schritten ausgebaut<br />
und professionalisiert», sagt Roland Högger,<br />
Head of Environment and Sustainability <strong>der</strong><br />
Geberit International AG. Bei einigen Produktgruppen<br />
ist Geberit mittlerweile in <strong>der</strong> Lage,<br />
von <strong>der</strong> Gewinnung <strong>der</strong> Rohstoffe und Energieträger<br />
über die Fabrikation bis zur Entsorgung alle<br />
Phasen des Produktezyklus zu bilanzieren. Dabei<br />
zeigt sich, <strong>das</strong>s die Umweltbelastung in <strong>der</strong> Nutzungsphase<br />
viel höher liegt als in <strong>der</strong> Produktionsphase.<br />
Es spielt demnach eine grosse Rolle, ob<br />
eine WC-Spülung neun, sechs o<strong>der</strong> bloss vier Liter<br />
pro Spülgang benötigt. Das Umweltengagement<br />
macht sich für Geberit bezahlt: Das Unternehmen<br />
hat sich <strong>das</strong> boomende Marktfeld des nachhaltigen<br />
Bauens erschlossen. Was auf den Markt<br />
kommt, bietet einen vielfachen Mehrwert. Und<br />
hat darum Zukunft. MICHAEL FRISCHKOPF<br />
Die Umweltbelastung<br />
entsteht hier vorwiegend<br />
bei <strong>der</strong> Nutzung:<br />
Informationszentrum von<br />
Geberit am Hauptsitz in<br />
Jona, Schweiz.<br />
Europaweit<br />
Emissionen senken<br />
Auf nationaler und internationaler<br />
Ebene (EU) wird mit regulatorischen<br />
Massnahmen versucht, den<br />
ökologischen Fussabdruck von<br />
Unternehmen zu verkleinern.<br />
In Italien gebräuchlich sind White<br />
Certificates: Mit diesen Energiezertifikaten<br />
kann ein Unternehmen<br />
überschüssige Energieeffizienzergebnisse<br />
an<strong>der</strong>er Firmen<br />
kaufen. Das lohnt sich, wenn<br />
die eigenen Anstrengungen, die<br />
gesetzlichen Effizienzvorgaben<br />
zu erfüllen, teurer sind als <strong>der</strong><br />
Erwerb <strong>der</strong> Anstrengungen eines<br />
an<strong>der</strong>en Unternehmens.<br />
International etablierter ist <strong>der</strong><br />
Handel mit CO2-Zertifikaten nach<br />
dem «cap and trade»-System. Dieses<br />
System beschränkt die Menge<br />
an zulässigen Treibhausgasemissionen<br />
auf eine absolute Menge<br />
(cap) und macht diese dann<br />
handelbar (trade). Die Definition<br />
<strong>der</strong> absoluten Menge wird von <strong>der</strong><br />
Politik bestimmt – mit dem Ziel,<br />
den Ausstoss <strong>der</strong> Treibhausgase<br />
sukzessive einzudämmen.<br />
Herkunftsnachweise im Strommix<br />
wie<strong>der</strong>um bieten Unternehmen<br />
die Möglichkeit, die je nach Produktionsart<br />
des Stroms anfallenden<br />
indirekten Emissionen in ihre<br />
Ökobilanz aufzunehmen.<br />
Ökostrom<br />
für Geberit<br />
<strong>Repower</strong> lieferte im letzten Jahr<br />
für <strong>das</strong> Produktionswerk Pfullendorf<br />
(Baden-Württemberg) rund<br />
10 GWh zertifizierten Strom, unter<br />
an<strong>der</strong>em aus dem Schweizer<br />
Wasserkraftwerk Palü, inklusive<br />
Deklaration <strong>der</strong> Stromherkunft.<br />
«Wasser ist für Geberit eine<br />
zentrale Ressource – und in diesem<br />
Fall eine hervorragende Energiequelle<br />
aus <strong>der</strong> Schweiz. Mit dem<br />
Entscheid für Ökostrom vereinen<br />
wir ökologische und kommunikative<br />
Aspekte.»<br />
Roland Högger<br />
VIEWPOINT 1/2012 9
10<br />
Burnout-Prophylaxe<br />
Prof. Dr. Hans Eberspächer: «In <strong>der</strong> nachhaltigen Nutzung unserer mentalen Ressourcen liegt <strong>der</strong> Ausgangspunkt für alles an<strong>der</strong>e.»<br />
VIEWPOINT 1/2012
Schlüssel zur Selbststeuerung<br />
Burnout ist die Berufskrankheit unserer Zeit. Wie stellen wir es im<br />
anfor<strong>der</strong>ungsreichen Arbeitsalltag an, ihr erfolgreich zu trotzen? Und brauchen<br />
wir für den Umgang mit diesem Phänomen einen kompletten Neustart?<br />
Das Thema «Burnout» scheint akuter<br />
denn je. Viele sind o<strong>der</strong> fühlen sich davon<br />
erfasst. Zwar fehlt je<strong>der</strong> messbare<br />
Nachweis, sogar die Hirnströme, soweit<br />
sie im EEG (Elektroenzephalogramm) darstellbar<br />
sind, zeigen keine Auffälligkeit. Bei Betroffenen<br />
lässt sich aber zweifelsfrei beobachten, <strong>das</strong>s sie<br />
wirklich krank sind. Das Modell, <strong>das</strong> die Psychologen<br />
zum Burnout-Phänomen aufstellten, besteht<br />
in einem Szenario fortwähren<strong>der</strong> Frustration, von<br />
<strong>der</strong> die eigene Motivation mit <strong>der</strong> Zeit aufgezehrt<br />
wird, wie ein Feuer alles aufzehrt, was mit ihm in<br />
Berührung kommt. Daher <strong>der</strong> Ausdruck «ausgebrannt».<br />
VIEL GETAN, ABER WENIG BEWIRKT<br />
Für Ärzte gibt es eine Tabelle, in <strong>der</strong> alle menschlichen<br />
Krankheiten dieser Welt nummeriert aufgeführt<br />
sind. Sie wird regelmässig aktualisiert,<br />
<strong>der</strong>zeit gültig ist die «ICD10» (International Clas-<br />
« Wer unter Stress Erfolg haben<br />
will, tut gut daran,<br />
sich nicht nur auf seine<br />
Sachkompetenz zu verlassen.»<br />
Hans Eberspächer<br />
sification of Diseases No. 10), Version 2012. Darin<br />
ist <strong>das</strong> Burnout lediglich unter dem Begriff «Gesundheitsprobleme»<br />
als «Schwierigkeit bei <strong>der</strong><br />
Lebensbewältigung» (Z 73.0) aufgeführt, nicht<br />
aber als medizinisch anerkannte Krankheit. Was<br />
die Ärzte bei den entsprechenden Krankschreibungen<br />
meist eintragen, ist die «leichte depressive<br />
Episode» (F 32.0) mit den gleichen Symptomen.<br />
Für die Betroffenen hat <strong>der</strong> Begriff «Burnout»<br />
einen klaren Vorteil: Er suggeriert, <strong>das</strong>s die Störung<br />
durch eine Art Überbeanspruchung entstanden<br />
ist, also durch ein Zuviel an produktiver<br />
Tätigkeit. Dadurch erhält er etwas Positives, was<br />
sich Betroffene gern gefallen lassen, weil sie dann<br />
selbst als übermässig tüchtige Leistungsträger<br />
erscheinen, die nur lei<strong>der</strong> nicht auf ihre Gesundheit<br />
geachtet haben und infolgedessen «eingebrochen»<br />
sind. Das ist jedoch irreführend. Denn<br />
ein Hauptmerkmal des Burnouts ist <strong>das</strong> subjektive<br />
Gefühl, die eigene Anstrengung vergeblich zu<br />
erbringen. Die Erschöpfung rührt also nicht von<br />
einer beson<strong>der</strong>en Leistung her, son<strong>der</strong>n von dem<br />
Eindruck, zwar viel getan, aber wenig bewirkt zu<br />
haben. Deshalb ist es durchaus angebracht, die<br />
besagten Zustände als Depression zu bezeichnen.<br />
Psychiatern ist die Situation vertraut: Menschen<br />
kommen mit Verdacht auf Burnout in ihre Praxis<br />
– und dort zeigt sich, <strong>das</strong>s sie unter einer Depression<br />
leiden.<br />
Depressionen treten jedoch in unterschiedlichen<br />
Formen, unterschiedlichen Schweregraden<br />
und aus unterschiedlichen Gründen auf. Eine<br />
«schwere depressive Episode ohne bzw. mit psychotischen<br />
Symptomen» (ICD10, F 32.2 bzw. 32.3)<br />
ist eine ernste, ja lebensgefährdende Krankheit,<br />
die mit den hier thematisierten psychischen Problemen<br />
kaum zu vergleichen ist. Daher scheut man<br />
sich, für Burnout <strong>das</strong> gleiche Wort zu verwenden.<br />
Damit ist allerdings auch eine Verharmlosung<br />
verbunden. Dann wird Burnout schnell als «Überarbeitung»<br />
klassifiziert, die man bald in den Griff<br />
kriegt – ohne Klinik und ohne Medikamente. Viele<br />
Betroffene selbst haben sogar ein Interesse,<br />
diesen Eindruck zu erwecken, weil sie zwar mit<br />
ihren Beschwerden ernst genommen, aber auf<br />
Selbstwirksamkeit<br />
als Lebenselixier<br />
Die Schwerpunkte von Hans<br />
Eberspächer, Psychologieprofessor<br />
und Experte für mentales<br />
Training aus Heidelberg/Dossenheim,<br />
liegen in <strong>der</strong> Beanspruchungs-<br />
und Regenerationsforschung<br />
sowie im mentalen<br />
Training. Eberspächer begleitete<br />
Profisportler bei <strong>der</strong> Vorbereitung<br />
auf Weltmeisterschaften und<br />
Olympische Spiele. Unternehmen<br />
lassen sich von ihm in mentaler<br />
Fitness, Stressbewältigung und<br />
Burnout-Prophylaxe beraten.<br />
«Das Gefühl, etwas auf die Beine<br />
stellen zu können, Ziele zu erreichen<br />
und Anerkennung zu bekommen,<br />
ist entscheidend. Hohe<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen lassen sich umso<br />
besser bewältigen, je ausgeprägter<br />
<strong>das</strong> persönliche Selbstwirksamkeitsempfinden<br />
ist.»<br />
Lektüreempfehlung:<br />
Hans Eberspächer:<br />
«Gut sein, wenn’s drauf ankommt<br />
– von Top-Leistern lernen»<br />
256 Seiten, Hanser Verlag,<br />
ISBN 978-3-446-42690-0<br />
link link<br />
www.mentalinform.de<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
11
12<br />
Burnout-Prophylaxe<br />
keinen Fall als «Psycho» abgestempelt und<br />
womöglich aus <strong>der</strong> Gesellschaft ausgeschlossen<br />
werden wollen. Hier ist «Burnout» <strong>das</strong> ideale<br />
Etikett.<br />
Zur klassischen Depression gehört <strong>das</strong><br />
Spiegelbild <strong>der</strong> Manie. Der manische Zustand<br />
ist gekennzeichnet von Selbstüberschätzung,<br />
Kaufsucht, Rededrang, Reisefieber und Ruhelosigkeit<br />
– ein Krankheitsbild, <strong>das</strong> bei den betroffenen<br />
Patienten, die man als «bipolar» bezeichnet,<br />
regelmässig in eine tiefe Depression<br />
umschlägt. Diese Phänomene, die extreme<br />
Formen annehmen können, gehören ins Gebiet<br />
<strong>der</strong> Psychiatrie.<br />
Gesellschaftlich ist aber inzwischen eine<br />
leichte Form von Manie geradezu zum Idealbild<br />
des mo<strong>der</strong>nen Menschen geworden. Wer<br />
diese Eigenschaften nicht hat, bekommt auf<br />
jeden Fall Schwierigkeiten, sich «gut zu verkaufen».<br />
Es kann aber keine manische Gesellschaft<br />
geben ohne depressive Phasen. Die eher<br />
bescheidenen, haltbaren Strukturen, in denen<br />
früher <strong>das</strong> Leben <strong>der</strong> meisten Menschen verlief,<br />
sind aufgelöst o<strong>der</strong> werden gesprengt.<br />
Dann bleibt nur noch <strong>das</strong>, was wir aus uns<br />
selber schöpfen können.<br />
IMMUN GEGENÜBER STRESSFAKTOREN<br />
An dieser Stelle bietet sich eine Stärkung <strong>der</strong><br />
mentalen Kompetenz an – sowohl zur Rehabilitation<br />
als auch zur Prävention. Sie gibt dem<br />
Anwen<strong>der</strong> die Möglichkeit, sich – ähnlich wie<br />
bei einer Impfung – gegenüber Stressfaktoren<br />
zu immunisieren und zudem sein geistiges<br />
Potenzial positiv und konstruktiv zu nutzen.<br />
Nach Erkenntnissen von Hans Eberspächer,<br />
ehemaligem Sportpsychologie-Professor an<br />
<strong>der</strong> Universität Heidelberg, lässt sich die mentale<br />
Stärke wie ein Muskel aufbauen: «Wer unter<br />
Stress Erfolg haben will, tut gut daran, sich<br />
nicht nur auf seine Sachkompetenz zu verlassen.<br />
Durch geeignetes Training wird er in die<br />
Lage versetzt, sich in herausfor<strong>der</strong>nden Situationen<br />
selbst zu stabilisieren und zu steuern.»<br />
Je<strong>der</strong> kann daran arbeiten, mental stärker zu<br />
werden. Für Eberspächer ist Burnout deshalb<br />
zu einem guten Teil auch ein persönliches Problem.<br />
Ohne <strong>das</strong>s dabei die Umstände, unter<br />
denen heute Leistung erbracht werden muss,<br />
ausser Acht gelassen werden dürfen.<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
ANDREAS TURNER<br />
«Mentale und<br />
körperliche Akkus<br />
regelmässig laden»:<br />
Hans Eberspächer.<br />
«Nur ein regenerierter Mensch<br />
ist leistungsfähig»<br />
Erfolg beginnt im Kopf, Misserfolg<br />
ebenfalls: Prof. Dr. Hans Eberspächer<br />
erklärt, wie sich Top-Leister vor<br />
dem schnellen Ausbrennen schützen.<br />
Die «Alles ist möglich»-Devise gehört heute<br />
zu den Grundtugenden im mo<strong>der</strong>nen Berufsleben<br />
– beson<strong>der</strong>s im Hinblick auf eigene<br />
Anstrengungen, Leistungen und Erfolge. Wie<br />
sind <strong>der</strong>art hohe Erwartungen an sich selbst<br />
längerfristig zu verkraften?<br />
Indem man zunächst versteht, <strong>das</strong>s die<br />
Voraussetzung je<strong>der</strong> Leistung Erholung ist.<br />
Nur ein erholter, regenerierter Mensch ist<br />
leistungsfähig. Entsprechend gehören Regenerationsphasen<br />
zum professionellen Alltag.<br />
Meine Erfahrung als Coach belegt immer<br />
wie<strong>der</strong>, <strong>das</strong>s Leistungsträger auch Meister<br />
<strong>der</strong> Regeneration sind.<br />
Angesichts des harten Wettbewerbs, dem<br />
Unternehmen ausgesetzt sind, gehört es<br />
schon fast zum Standard, sich permanent<br />
ein wenig zu überfor<strong>der</strong>n, sich kaum Pausen<br />
zu gönnen, aber auch wenig Anerkennung<br />
zu bekommen. Nach welchem Muster führt<br />
negativ empfundener Stress ohne Gegenmassnahmen<br />
zwangsläufig zum Burnout?<br />
Permanente Überfor<strong>der</strong>ung bei hohem<br />
Engagement führt zwangsläufig in die<br />
Erschöpfung. Die mentalen und körperlichen<br />
«Akkus» werden nicht mehr hinreichend aufgeladen,<br />
weil Schlaf o<strong>der</strong> Erholung dann fast<br />
wirkungslos bleiben. Betroffene leben förmlich<br />
von <strong>der</strong> Substanz, also nicht nachhaltig.<br />
Über eine gewisse Zeit lässt sich dann <strong>das</strong><br />
gewohnte Leistungsniveau mit immer grösserer<br />
Anstrengung zwar durchaus halten.<br />
Es ist jedoch eine Frage <strong>der</strong> Zeit, wann ein<br />
Mensch selbst Leistungseinbussen erfährt<br />
o<strong>der</strong> vom Umfeld entsprechende Rückmel-<br />
«Entfremdung erlebt, wer trotz Anstrengung<br />
auf keinen grünen Zweig kommt.»<br />
dungen erhält, da die Leistungsqualität o<strong>der</strong><br />
-quantität zu wünschen übrig lässt.<br />
Ihr Burnout-Modell in 4 E-Phasen reicht von<br />
«Engagement» über «Erschöpfung» und<br />
«Entfremdung» bis zum «Einbruch». Welche<br />
Alarmsignale sind in konkrete Massnahmen<br />
zu überführen, damit die letzten beiden<br />
Phasen gar nicht erst eintreten?<br />
Entfremdung erlebt, wer trotz intensiver<br />
Anstrengung und Bemühung auf keinen<br />
grünen Zweig kommt. Die Frage nach dem<br />
Sinn drängt sich damit geradezu auf: «Was<br />
mache ich eigentlich hier?» Eine Frage, die<br />
sich in <strong>der</strong> Berufs- wie übrigens auch in <strong>der</strong><br />
Privatwelt wohl jedem gelegentlich mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger zugespitzt und intensiv stellt.<br />
Auf Dauer allerdings führt diese Sinnfrage<br />
zum Auseinan<strong>der</strong>driften zwischen Beruf<br />
und Person bis zur Entfremdung, in <strong>der</strong><br />
sich Betroffene als Objekt empfinden. Es<br />
geschieht etwas mit ihnen, dem <strong>das</strong> eigene<br />
Anstrengen, Handeln und Wirken nichts<br />
mehr entgegenzusetzen hat.<br />
Gesellschaftliches Phänomen o<strong>der</strong> persönliches<br />
Problem – wie hoch schätzen Sie den<br />
Eigenanteil <strong>der</strong> Betroffenen an <strong>der</strong> Burnout-<br />
Misere?<br />
Es gilt als gut begründet, <strong>das</strong>s menschliche<br />
Entwicklungen immer sowohl persönlich als<br />
auch sozial determiniert sind. Diese Einsicht<br />
hält ja auch die For<strong>der</strong>ung nach Arbeits- und<br />
Lebensbedingungen aufrecht, die beides in<br />
Einklang bringen sollen. Und oft werden allzu<br />
schnell For<strong>der</strong>ungen an «die Gesellschaft»<br />
o<strong>der</strong> «<strong>das</strong> Unternehmen» gestellt, ohne<br />
den eigenen Beitrag – jenen an <strong>das</strong> eigene<br />
Handeln – angemessen zu berücksichtigen.<br />
Natürlich kann man, um ein Beispiel aus<br />
dem Feld <strong>der</strong> Ernährung zu nehmen, von<br />
«<strong>der</strong> Industrie» bessere, also weniger fette<br />
o<strong>der</strong> süsse Nahrungsmittel for<strong>der</strong>n. Eine Idee<br />
ist allerdings auch, sich selbst entsprechend<br />
darum zu kümmern, <strong>das</strong>s man sich vernünftig<br />
ernährt.<br />
Top-Leister beherrschen <strong>das</strong> Spektrum <strong>der</strong><br />
Strategien zur Bewältigung von Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
und Beanspruchung: Wie lässt nachhaltiges<br />
mentales Ressourcenmanagement in die<br />
Unternehmen bringen?<br />
Ressourcen sind Bewältigungsvoraussetzungen.<br />
Man braucht sie, um etwas zu leisten.<br />
Als Erstes fallen einem in<br />
diesem Zusammenhang natürlich<br />
Ressourcen wie Geld,<br />
Energie, Wasser o<strong>der</strong> saubere<br />
Luft ein. Allzu leicht übersieht man dabei,<br />
<strong>das</strong>s in <strong>der</strong> nachhaltigen Nutzung unserer<br />
mentalen Ressourcen <strong>der</strong> Ausgangspunkt<br />
für alles an<strong>der</strong>e liegt. Erfolg beginnt im<br />
Kopf – genauso, wie Kreativität, Motivation<br />
und Ziele zunächst in den Köpfen von<br />
Menschen entstehen und lei<strong>der</strong> oft wie<strong>der</strong><br />
verkümmern. Dies zu sehen und zu verstehen,<br />
ist <strong>der</strong> erste Schritt. Im zweiten geht es<br />
um die Frage, wie man dieses Verständnis im<br />
Unternehmen implementieren kann. Erfreulich<br />
vieles geschieht ja heute schon in diese<br />
Richtung, aber wir haben noch Potenzial.
«Homines Energetici» –<br />
<strong>Repower</strong> belebt die Designmesse in Mailand<br />
10 Jahre <strong>Repower</strong> in Italien: Der Energiedienstleister<br />
feierte <strong>das</strong> Jubiläum mit einem vom renommierten Designer<br />
Italo Rota gestalteten Auftritt an <strong>der</strong> Mailän<strong>der</strong> Triennale.<br />
Wurde für <strong>Repower</strong> Italien kreativ:<br />
Italo Rota, Architekt und Designer<br />
von Weltrang.<br />
Mehr Infos zur Ausstellung<br />
sind auf Italienisch und Englisch<br />
abrufbar.<br />
link<br />
www.hominesenergetici.it<br />
ls prestigeträchtiger Rahmen für den viel-<br />
A beachteten <strong>Repower</strong>-Auftritt diente <strong>der</strong><br />
«Fuori Salone» <strong>der</strong> Milano Design Week, welche<br />
die internationale Crème de la Crème des industriellen<br />
Designs vereint. Die Ausstellung war ein<br />
voller Erfolg – sowohl die Publikumspräsenz als<br />
auch die Medienpräsenz stimmten: Die diesjährige<br />
Triennale verzeichnete 25 000 Besucher, und<br />
von den Medien wurde sie unter die zehn interessantesten<br />
Anlässe <strong>der</strong> Woche aufgenommen.<br />
«Von jeher sucht <strong>der</strong> Mensch Energie für seine<br />
Tätigkeiten – verfügbare Energie zum bestmöglichen<br />
Preis», erklärt Fabio Bocchiola, Leiter<br />
<strong>Repower</strong> Italien. «Das letzte Jahrhun<strong>der</strong>t hat<br />
uns aber gelehrt, den Wert unserer Ressourcen<br />
zu schätzen. Deshalb gilt es, Lösungen für <strong>das</strong><br />
Gleichgewicht zwischen Mensch, Energie und<br />
Umwelt zu finden. In Anbetracht <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
dieses Gleichgewichts muss uns nun <strong>der</strong><br />
Schritt vom ‹Homo sapiens› zu einer Gemeinschaft<br />
von ‹Homines energetici› gelingen. Nur so<br />
werden wir unserer Verantwortung gegenüber<br />
<strong>der</strong> Zukunft gerecht.»<br />
Spektrum<br />
Auch <strong>das</strong> ist Energie:<br />
Aus Industriebrache wird<br />
attraktiver Lebensraum.<br />
Der von Italo Rota in Szene gesetzte Homo energeticus<br />
lädt uns ein, über die wichtigen Fragen<br />
im Bereich <strong>der</strong> Energie nachzudenken und die<br />
Aufmerksamkeit dem Menschen zu schenken –<br />
in einem offenen Dialog zwischen Ästhetik und<br />
Technologie, Energiemix und Forschung, Mobilität<br />
und Dienstleistungen.<br />
PLATTFORM FÜR UNTERNEHMENSPHILOSOPHIE<br />
Die Messe bot <strong>Repower</strong> Gelegenheit, ihre Unternehmensphilosophie<br />
und ihre Projekte vorzustellen:<br />
Diese sollen nebst den eigentlichen industriellen<br />
Vorhaben auch Mehrwert generieren und<br />
die jeweilige Region bereichern. So wird aus einem<br />
Pumpspeicherwerk ein «Parco delle 4 Acque»<br />
und damit ein Entwicklungsmotor für den Tourismus.<br />
Ein Kohlekraftwerk <strong>der</strong> neusten Generation<br />
überzeugt auch mit seiner architektonischen Eleganz<br />
und belebt ein ungenutztes Industriegelände.<br />
Elektromobilität steht für einen neuen, nachhaltigen<br />
Lebensstil – mit <strong>der</strong> Vision von leiseren<br />
Städten mit höherer Lebensqualität und sauberer<br />
Luft zum Atmen.<br />
All dies sind Teile eines Puzzles, <strong>das</strong> als Ganzes<br />
die nachhaltige Sichtweise von <strong>Repower</strong> wi<strong>der</strong>spiegelt,<br />
damit Mensch, Umwelt, Energie und<br />
Ästhetik eine harmonische Einheit bilden können.<br />
Die Projekte sehen Investitionskosten in <strong>der</strong><br />
Höhe von über 2,5 Milliarden Euro vor.<br />
VIEWPOINT 1/2012 13
14<br />
Wasserstoff<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
�
H2<br />
Das flüchtige<br />
Schlüsselelement<br />
Elektromobilität? Ja, aber: Bei<br />
schweren Lasten, weiten Wegen und<br />
hohen Geschwindigkeiten ist<br />
die Speicherfähigkeit eines Akkus<br />
rasch am Ende. Soll <strong>der</strong> fossile<br />
Treibstoff Erdöl gleichwertig ersetzt<br />
werden, gibt es zu Wasserstoff<br />
keine Alternative. Die technischen<br />
Probleme scheinen gelöst,<br />
einige Hürden aber bleiben.<br />
VON ANDREAS TURNER<br />
Wasserstoffforscher Prof. Thomas Klassen:<br />
Der von seinen Studenten entwickelte H -Prototyp<br />
2<br />
mit Metallhydridtank schafft umgerechnet<br />
2500 Kilometer mit nur einem Liter Sprit.<br />
VIEWPOINT 1/2012 15
16<br />
Wasserstoff<br />
Höhere Gesamtwirkungsgrade<br />
Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht,<br />
Zentrum für Material- und<br />
Küstenforschung GmbH, zählt in<br />
<strong>der</strong> Materialentwicklung für die<br />
Wasserstofftechnologie unter <strong>der</strong><br />
Leitung von Prof. Dr. Thomas Klassen<br />
zur Weltspitze. Die integrierte<br />
Entwicklung von Werkstoffen,<br />
Komponenten und Systemen für<br />
die photokatalytische Wasserstoffproduktion,<br />
für Brennstoffzellen<br />
und für Wasserstoffspeicher<br />
stellt eine beson<strong>der</strong>e Stärke<br />
von HZG dar. So sind deutlich<br />
höhere Gesamtwirkungsgrade<br />
zu erreichen, und die zukünftige<br />
Energieversorgung allein aus regenerativen<br />
Energiequellen rückt<br />
einen grossen Schritt näher.<br />
E-Mobilität mit Brennstoffzellen<br />
Treibhausgasemissionen (in kg CO 2-eq./km)<br />
Lithiumionen-Akkus CH-Mix<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
UCTE*-Mix<br />
Brennstoffzellen CH-Mix<br />
UCTE*-Mix<br />
Erdgas<br />
Fossil Erdgas<br />
Diesel<br />
Benzin<br />
Angesichts <strong>der</strong> schon fast kultischen Idealisierung<br />
des Elektroautos scheint ein<br />
Thema ziemlich in den Hintergrund gerückt:<br />
<strong>der</strong> Wasserstoff. Dabei ist er <strong>der</strong><br />
einzige Treibstoff, <strong>der</strong> die Nachfolge des Öls als<br />
Energieträger tatsächlich antreten kann. Denn die<br />
Batterieelektrizität ist dazu nicht in <strong>der</strong> Lage. Zynisch<br />
könnte man sagen, <strong>das</strong>s man mit Batterien<br />
we<strong>der</strong> fliegen, Panzer fahren noch Ozeandampfer<br />
bewegen kann. Und auch nie können wird. Rational<br />
auf den Punkt gebracht lautet die For<strong>der</strong>ung<br />
also: Wer schwere Lasten bewegen, lange Strecken<br />
zurücklegen und hohe Geschwindigkeiten erreichen<br />
will, braucht einen Energieträger mit hoher<br />
Energiedichte bei geringem Gewicht und geringem<br />
Volumen.<br />
Wasserstoff enthält pro Kilogramm rund drei<br />
Mal so viel Energie wie fossiler Brennstoff, er bereitet<br />
mit seiner geringen Dichte aber auch ganz<br />
spezifische Probleme. Denn man muss ihn extrem<br />
hoch komprimieren o<strong>der</strong> ausserordentlich<br />
tief kühlen, bis nahe an den absoluten Nullpunkt,<br />
damit er in <strong>der</strong> Energiedichte dem Benzin, bezogen<br />
auf <strong>das</strong> Volumen, wenigstens näher kommt.<br />
Keine leichte Hürde.<br />
Chemie und Ökologie reagieren zuweilen heftig<br />
aufeinan<strong>der</strong>. Doch auch die Nutzung erneuerbarer<br />
Energien ist ohne chemische Prozesse undenkbar<br />
– eine Aussage, die insbeson<strong>der</strong>e fürs<br />
0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40<br />
� Strasse � Fahrzeuge (ohne Antriebsstrang) � Antriebsstrang � Abgase � Treibstoffherstellung<br />
* Union for the Coordination of Transmission of Electricity: statistischer Näherungswert für die europaweite Zusammensetzung<br />
des Stroms.<br />
Wasserstoffauto mit Brennstoffzelle gilt. Denn<br />
dieses ist nichts an<strong>der</strong>es als ein Elektro auto, für<br />
<strong>das</strong> <strong>der</strong> Strom aus <strong>der</strong> Reaktion von Wasserstoff<br />
mit Sauerstoff gewonnen wird. Und eine Verbrennung<br />
zum Zweck <strong>der</strong> Gewinnung von Bewegungsenergie<br />
funktioniert ausschliesslich<br />
mit Kohlenstoff und/o<strong>der</strong> Wasserstoff. Wenn <strong>der</strong><br />
Kohlenstoff zu Ende geht o<strong>der</strong> aus Klimaschutzgründen<br />
nicht mehr verbrannt werden soll, bleibt<br />
nur <strong>das</strong> Element H 2. Deshalb lässt sich risikofrei<br />
behaupten, <strong>das</strong>s es kein Fehler sein kann, in die<br />
Beherrschung des Wasserstoffs zu investieren.<br />
Allerdings werden seine Perspektiven und Amortisationsaussichten<br />
zurzeit noch so langfristig<br />
beurteilt, <strong>das</strong>s we<strong>der</strong> die Finanz- noch die Realwirtschaft<br />
wirklich grosses Interesse zeigen und<br />
folglich auch die Politik über Lippenbekenntnisse<br />
kaum hinauskommt.<br />
DREI SZENARIEN FÜR DIE MOBILITÄT VON MORGEN<br />
Manfred Klell, Geschäftsführer des Hydrogen Centers<br />
Austria und Koautor des Fachbuchs «Wasserstoff<br />
in <strong>der</strong> Fahrzeugtechnik», erklärt: «Wir haben<br />
drei Szenarien. Ein grünes, in dem wir Strom mit<br />
Wind, Wasser, Sonne erzeugen und mit einem<br />
Überschuss per Elektrolyse Wasserstoff produzieren<br />
und damit einen CO 2-armen Energiekreislauf<br />
erreichen. Das geht. Das zweite Szenario lautet:<br />
Uns ist alles egal und wir ersticken in Müll und<br />
Abgas. Das dritte ist <strong>das</strong><br />
Mad-Max-Szenario, in dem<br />
wir uns um die Ressourcen<br />
bekriegen.» Nachdem wir<br />
uns die grauenvolle und die<br />
martialische Variante gar<br />
nicht erst plastisch vorstellen<br />
wollen, bleibt die Frage,<br />
ob ersteres Heile-Welt-Szenario<br />
überhaupt realisierbar<br />
ist.<br />
Tatsächlich scheinen<br />
Wasserstoff und Elektrizität<br />
aus unbedenklichen<br />
Quellen eine ausgezeichnete<br />
Kombination zu bilden.<br />
Strom lässt sich schlecht<br />
speichern, Wasserstoff ist<br />
ein gutes Speichermedium.<br />
Spannt man die beiden<br />
zusammen, wäre <strong>das</strong> eine<br />
Win-win-Situation. Aller-<br />
�<br />
Quelle: Christian Bauer & Andrew Simons PSI/Thelma
Metallhydridtank zur Wasserstoffspeicherung:<br />
Fein gemahlenes Metallpulver wird in sauerstofffreier<br />
Atmosphäre in einen Stahlbehälter gefüllt.<br />
Im Labor stehen die Tanks permament auf dem Prüfstand:<br />
Zahlreiche Faktoren, unter an<strong>der</strong>en die Temperatur,<br />
beeinflussen die Be- und Entladezeiten.<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
17
Wasserstoff<br />
« Technisch ist die<br />
Anwendung von<br />
Wasserstoff in <strong>der</strong><br />
Mobilität ausgereift.<br />
Das Haupthin<strong>der</strong>nis<br />
ist <strong>der</strong> Preis.»<br />
Prof. Thomas Klassen<br />
«Zeit für einen Ölwechsel!»<br />
Stimmen aus <strong>der</strong> Automobilindustrie<br />
Daimler<br />
Das PKW-Geschäft von<br />
Mercedes-Benz läuft nach<br />
Wunsch, jetzt kann sich<br />
Daimler-Chef Dieter Zetsche<br />
<strong>der</strong> Kür widmen – dem<br />
Wasserstoffauto: «Das 21.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t ist <strong>das</strong> Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
des Wasserstoffs. Wir<br />
glauben an Automobile, die<br />
damit angetrieben werden.<br />
Wasserstoff ist <strong>das</strong> bessere<br />
Öl. Es ist Zeit für einen Ölwechsel.»<br />
Für die Stuttgarter<br />
hat die Brennstoffzelle einen<br />
beson<strong>der</strong>en Charme – denn<br />
mit ihrer Hilfe kann <strong>der</strong><br />
Konzern auch dann noch auf<br />
grosse Limousinen setzen,<br />
wenn <strong>das</strong> Öl längst zur<br />
Neige gegangen ist.<br />
18 VIEWPOINT 1/2012<br />
dings auch hier nicht ohne Schwierigkeiten, wobei<br />
die grössten Stolpersteine gar nicht technischer,<br />
son<strong>der</strong>n wirtschaftlicher Natur sind.<br />
Längst gibt es einen Weltmarkt für Wasserstoff.<br />
Jährlich werden 600 Milliarden Kubik meter<br />
dieses flüchtigen Elements erzeugt und verbraucht,<br />
was rund 1,5 Prozent des globalen Energiebedarfs<br />
entspricht. 40 Prozent entstehen als<br />
Nebenprodukt bei Industrieprozessen, 60 Prozent<br />
werden durch Reformierung fossiler Kohlenwasserstoffe<br />
gewonnen, überwiegend aus Methan,<br />
also Erdgas o<strong>der</strong> vergaster Kohle.<br />
Das heisst, Wasserstoff, wie er <strong>der</strong>zeit gehandelt<br />
wird, ist eigentlich ein Erdölprodukt, und<br />
selbst unter diesen Umständen gibt es bereits<br />
ein Problem mit den Kosten. Thomas Klassen, Leiter<br />
des Teilinstituts für Werkstofftechnologie am<br />
Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) bei Hamburg,<br />
bestätigt: «Technisch ist die Anwendung<br />
von Wasserstoff in <strong>der</strong> Mobilität ausgereift. Das<br />
Haupthin<strong>der</strong>nis ist <strong>der</strong> Preis.» Was bedeutet, <strong>das</strong>s<br />
sich die Treibstoffkosten etwa verdreifachen, die<br />
Fahrzeugkosten mindestens auch, und Wasserstoff<br />
aus <strong>der</strong> Elektrolyse kommt sogar um den<br />
BMW<br />
Für BMW-Entwicklungsvorstand<br />
Klaus Draeger ist<br />
<strong>das</strong> Thema Wasserstoffauto<br />
vorläufig noch in <strong>der</strong><br />
Forschung beheimatet: «Wir<br />
wollen zeigen, <strong>das</strong>s es einen<br />
Ansatz gibt, um Wasserstoff-<br />
und Benzininfrastruktur<br />
miteinan<strong>der</strong> zu verbinden.<br />
Unsere Motorentechnologie,<br />
basierend auf dem Versuchsauto<br />
BMW Hydrogen7,<br />
erlaubt die Verwendung<br />
bei<strong>der</strong> Treibstoffe.»<br />
GM/Opel<br />
Drei Millionen Kilometer<br />
Erfahrung: Die Opel-<br />
Versuchsfahrzeuge des<br />
Typs «HydroGen4» haben,<br />
mit reinem Wasserstoff<br />
betrieben, weitere Strecken<br />
zurückgelegt als die<br />
Testflotte jedes an<strong>der</strong>en<br />
Unternehmens. «Dies ist ein<br />
echter Meilenstein auf dem<br />
Weg, <strong>das</strong> Wasserstoffauto<br />
Realität werden zu lassen»,<br />
sagt GM-Executive-Director<br />
Charlie Freese, zuständig für<br />
weltweite Brennstoffzellen-<br />
Aktivitäten des Konzerns.<br />
«Die gewonnenen Erfahrungen<br />
werden wir nutzen, um<br />
diese Technologie noch zuverlässiger<br />
und für Kunden<br />
erschwinglich zu machen.»<br />
Faktor 10 teurer zu stehen als jener aus Erdgas.<br />
Damit droht die Vision von Wind-, Sonnen- und<br />
Wasserkraftwerken, <strong>der</strong>en überschüssige Elektrizitätsenergie<br />
in Wasserstoff gespeichert wird, um<br />
dann für emissionsfreie Anwendungen verteilt<br />
zu werden, vorerst wie<strong>der</strong> ins Reich <strong>der</strong> Träume<br />
abzugleiten. Denn H 2 muss erst elektrolytisch erzeugt<br />
werden, während Gas und Öl nach wie vor<br />
einfach aus dem Boden strömen – bei vergleichsweise<br />
geringem Aufwand.<br />
VORSORGEN FÜR DIE ZEIT NACH PEAK OIL<br />
Warum es dennoch einen spürbaren Druck in<br />
Richtung Elektromobilität gibt, erklärt Thomas<br />
Klassen so: «Die Mineralölfirmen machen sich<br />
zu Recht heute schon Sorgen über die Zeit, die<br />
auf Peak Oil folgt, und suchen neue Kooperationen.<br />
Die Stromversorger auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
sehen ein hoch attraktives Geschäftsfeld, wenn<br />
sie die neue Mobilität vorantreiben – etwa durch<br />
den Aufbau von Lade-Infrastrukturen, aber auch<br />
in Form von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff.»<br />
Dass <strong>das</strong> Elektroauto auf Batteriebasis gegenwärtig<br />
für mehr Furore sorgt als <strong>das</strong> H 2-Mobil,<br />
Audi<br />
Michael Dick, Leiter technische<br />
Entwicklung bei Audi:<br />
«Unter dem Begriff ‹Audi<br />
Balanced Mobility› treiben<br />
wir unsere innovativen<br />
Ideen voran und kommen<br />
dem langfristigen Ziel<br />
CO 2-neutraler Mobilität<br />
nahe.» Unter an<strong>der</strong>em will<br />
Audi regenerativ erzeugten<br />
Strom im neuen ‹Audi E-Gas<br />
Project› in Wasserstoff und<br />
in Methan umwandeln, um<br />
spezifisch dafür ausgerüstete<br />
Fahrzeuge betreiben zu<br />
können.<br />
Hyundai<br />
Ab 2015 soll ein Wasserstofffahrzeug<br />
von Hyundai auch<br />
für Endkunden erhältlich<br />
sein. Diego Battiston,<br />
Country Manager Schweiz,<br />
erklärt: «Hyundai unterhält<br />
in Korea seit 1998 <strong>das</strong><br />
weltgrösste Forschungslabor<br />
für Brennstoffzellen. Das<br />
aktuelle Kleinserienfahrzeug<br />
ix35 FCEV hat Crashtests mit<br />
350-bar-Wasserstofftanks<br />
bei Geschwindigkeiten bis<br />
zu 85 km/h schadlos überstanden.»<br />
�
Ansätze einer<br />
Wasserstoffwirtschaft<br />
Ökostrom kann dazu genutzt<br />
werden, Wasser per Elektrolyse<br />
in Wasserstoff und Sauerstoff<br />
aufzuspalten. Das H2 wird anschliessend<br />
in reiner Form einer<br />
Tankstelle zugeführt. Die Bedeutung<br />
von Wasserstoff geht aber<br />
über den Einsatz als Kraftstoff<br />
hinaus, denn er ist in <strong>der</strong> Lage,<br />
erneuerbare Energien über einen<br />
längeren Zeitraum zu speichern.<br />
Lässt man ihn beispielsweise mit<br />
CO2 zu reinem Methan reagieren,<br />
kann dieses ins Erdgasnetz eingespeist<br />
werden. Das CO2 kommt<br />
idealerweise als Nebenprodukt<br />
aus einer Abfall-Biogasanlage.<br />
Sauerstoff<br />
Wasser<br />
Erdgasleitung<br />
Methan<br />
Strom<br />
Elektrolyseur<br />
Methanisierung<br />
Wasserstoff<br />
Wasserstoff<br />
Biogas<br />
Kohlendioxid<br />
Wasserstofftankstelle<br />
Produktion von Ökostrom<br />
Biogasanlage<br />
Wasserstofftank<br />
Wo zapfe ich H2?<br />
Der Industriegase-Hersteller<br />
Linde will zusammen mit Daimler<br />
bis Mitte 2014 zwanzig neue<br />
Wasserstoff-Tankstellen bauen.<br />
Derzeit werden in Deutschland<br />
27 Wasserstoff-Tankstellen öffentlich<br />
betrieben. In Italien und in<br />
<strong>der</strong> Tschechischen Republik sind<br />
es je drei, in <strong>der</strong> Schweiz bisher<br />
nur eine einzige: in Brugg. In <strong>der</strong><br />
und um die Kleinstadt im Aargau<br />
setzt die Postauto AG die ersten<br />
Busse <strong>der</strong> Schweiz mit Brennstoffzellenantrieb<br />
ein.<br />
Laufend aktualisierter globaler<br />
Überblick:<br />
link<br />
www.h2stations.com<br />
VIEWPOINT 1/2012 19
Wasserstoff<br />
Geesthachter Wasserstoff-Labor: Die Arbeitsgruppe<br />
von Prof. Thomas Klassen konzentriert sich auf<br />
Leichtmetallhydride, die dank ihrer speziellen<br />
Nanostruktur bei geringem Gewicht und Volumen<br />
beson<strong>der</strong>s viel Wasserstoffgas speichern.<br />
ist für Klassen eine Frage <strong>der</strong> Zeit: «Praktisch alle<br />
Automobilhersteller haben längst Brennstoffzellenfahrzeuge<br />
entwickelt, viele davon stehen bereits<br />
im harten Testeinsatz.» Diese aber werden<br />
tendenziell noch im Hintergrund gehalten, weil<br />
die Batterie-Elektromobilität im öffentlichen Bewusstsein<br />
und in den Medien heute die Mobilitäts-Avantgarde<br />
repräsentiert. Thomas Klassen:<br />
«Dabei hat <strong>das</strong> reine Elektroauto in Wirklichkeit<br />
ein ähnliches Problem mit <strong>der</strong> öffentlichen Infrastruktur<br />
wie <strong>das</strong> Wasserstofffahrzeug.» Nur<br />
sagt <strong>das</strong> kaum jemand. Steckdosen gibt es genug,<br />
aber nur wenige private Garagen mit Hochleistungsanschluss,<br />
um ein Fahrzeug über Nacht<br />
zu laden. Das Erstellen eines öffentlichen Netzes<br />
für Stromladestationen gestaltet sich kaum<br />
einfacher und kostengünstiger als eines für<br />
Wasserstofftankstellen.<br />
ZEIT FÜR DIE NÄCHSTE REVOLUTION<br />
So darf folgen<strong>der</strong> Schluss gezogen werden: Wasserstoff<br />
funktioniert grundsätzlich bereits, um<br />
Fahrzeuge anzutreiben. Dass Mercedes 2011 mit<br />
einer Flotte von Brennstoffzellen-B-Klasse-Autos<br />
offenbar mühelos die Welt umrundet hat, ist ein<br />
gutes Indiz, <strong>das</strong>s auf technischer Ebene grünes<br />
Licht gegeben werden kann. Auch die Speicherung<br />
und den Transport hat die Industrie technisch<br />
im Griff, mit <strong>der</strong> Einführung von Hydridspeichern<br />
(siehe Interview), aber auch mit mo<strong>der</strong>nen<br />
700-bar-Druckspeichern erreicht man in Kombination<br />
mit <strong>der</strong> Brennstoffzelle sogar die Reichweiten<br />
von Dieselautos. Die ökologisch sinnvolle<br />
20 VIEWPOINT 1/2012<br />
«Da kann man nur gewinnen»<br />
Die Verwendung von Wasserstoff<br />
als Kraftstoff für die Mobilität treibt<br />
auch ihn an. Vier Fragen an Prof.<br />
Thomas Klassen, Werkstoffforscher<br />
am GKSS-Institut Geesthacht.<br />
Herr Klassen, welche Rolle nimmt die<br />
Wasserstofftechnologie in einem zukunftsfähigen<br />
Mobilitätskonzept ein?<br />
Für sauberen Erdölersatz werden wir<br />
auf regenerative Energiequellen in<br />
Verbindung mit Elektrizität umstellen<br />
müssen. Wenn <strong>der</strong> Mensch auf Langstrecken<br />
mobil bleiben will, kommt er<br />
am Wasserstoff nicht vorbei.<br />
Wasserstoff wird in Erprobungsfahrzeugen<br />
bis anhin meist in Hochdruckgefässen<br />
mitgeführt. Sie setzen auf<br />
eine sogenannte Hydridspeicherung.<br />
Welches sind die Eckpfeiler und grössten<br />
Vorteile dieser Technik?<br />
Speicherbehälter, die Metalle in<br />
Form von äusserst fein gemahlenem<br />
Pulver enthalten, können Wasserstoff<br />
aufnehmen und bei Bedarf<br />
wie<strong>der</strong> freisetzen. Wir erzielen mit<br />
Hydridtanks auf Alanat-Basis – einer<br />
Verbindung aus Natrium, Aluminium<br />
und Wasserstoff – bereits sehr gute<br />
Ergebnisse. Dabei kommen wir mit<br />
Drücken von weniger als 100 bar aus,<br />
was den Einsatz relativ simpel gebauter<br />
Tankhüllen erlaubt. So sind diese<br />
Tanks insgesamt kostengünstiger<br />
als Hochdruckspeicher. Die kürzlich<br />
bei HZG entwickelten Komposite aus<br />
Herstellung von Wasserstoff aus regenerierbaren<br />
Quellen ist aber noch äusserst kostenintensiv.<br />
Doch gerade jetzt, wo sich erste Müdigkeitserscheinungen<br />
beim Thema Batterie-Elektroauto<br />
einstellen, sehen weitsichtige Konzernchefs wie<br />
Dieter Zetsche von Daimler die Zeit gekommen,<br />
die nächste Revolution auszurufen. Was Leute<br />
wie ihn beflügelt: Auch schweren, leistungsfähigen<br />
Wasserstoffmobilen geht so schnell nicht <strong>der</strong><br />
Saft aus, und die Energie erzeugende Brennstoffzelle<br />
dürfte bald unter <strong>der</strong> Motorhaube Platz finden.<br />
Ausserdem sind H-Autos schnell zu betanken.<br />
Zetsche: «Während man die Batterie für ein<br />
E- Auto lädt, kann man Tolstois ‹Krieg und Frieden›<br />
lesen. Die drei Minuten fürs Befüllen eines Wasserstoffautos<br />
reichen dagegen gerade mal, um<br />
kurz zu twittern.»<br />
Prof. Thomas Klassen:<br />
«Am Wasserstoff wird <strong>der</strong> mobile<br />
Mensch nicht vorbeikommen.»<br />
Magnesium, Lithium, Bor und Wasserstoff<br />
können sogar mehr als doppelt<br />
so hohe Speicherkapazitäten erreichen.<br />
Hier arbeiten wir noch daran,<br />
die Arbeitstemperatur zu senken.<br />
Die Membran <strong>der</strong> Brennstoffzelle,<br />
welche Wasserstoff mit Sauerstoff zu<br />
Wasserdampf reagieren lässt, gilt noch<br />
als Achillesferse. Welche Problemstellung<br />
hat für Sie Vorrang?<br />
Eindeutig die Umsetzung in die kostengünstige<br />
Alltagspraxis. Zwar gibt<br />
es bereits teure Hightech-Membranen<br />
mit hoher Standfestigkeit. Doch <strong>das</strong><br />
Hauptziel muss sein, Brennstoffzellen<br />
langlebiger zu machen und<br />
gleichzeitig die Kosten zu reduzieren,<br />
damit <strong>das</strong> Auto <strong>der</strong> Zukunft günstiger<br />
wird. Deshalb arbeiten wir intensiv an<br />
Modifikationen bekannter Membrantypen<br />
auf Polymerbasis. Auch<br />
hier haben wir bereits erste kleinere<br />
Verbesserungen erzielt.<br />
Wie fährt sich ein Brennstoffzellenauto?<br />
Stellen abrupte Lastwechsel<br />
beim Beschleunigen und Bremsen ein<br />
Problem dar?<br />
Die Brennstoffzelle ist von ihrer Konstruktion<br />
her auf konstante Last ausgelegt.<br />
Deshalb wird man immer einer<br />
Kombination mit Pufferbatterien den<br />
Vorzug geben. Also ist es wichtig, <strong>das</strong>s<br />
auch die heute verfügbaren Akkus<br />
zielstrebig weiterentwickelt werden.<br />
Da kann man nur gewinnen.
VIEWPOINT 1/2012<br />
21
22<br />
Stromverbund<br />
Frische Batterien für Europa<br />
Neuen Pumpspeicherkraftwerk-Projekten in den Alpen<br />
kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, für<br />
höhere Stabilität im europäischen Stromverbund zu sorgen.<br />
Folgt man den Argumenten von Günther<br />
Oettinger, wird Europa seinen Strom bald<br />
arbeitsteilig produzieren: «Windenergie<br />
kommt aus dem Norden, Sonnenenergie<br />
aus dem Süden.» Damit <strong>der</strong> Strom je<strong>der</strong>zeit ohne<br />
Engpässe an den Ort des Verbrauchs fliessen<br />
kann, setzt <strong>der</strong> EU-Energiekommissar auf einen<br />
massiven Ausbau des transeuropäischen Übertragungsnetzes.<br />
Und auch für den Ausgleich unterschiedlicher<br />
Produktions- und Bedarfsmengen<br />
hat Oettinger ein patentes Rezept auf Lager: «Hier<br />
gilt es, die Pumpspeichermöglichkeiten in den<br />
Alpen und auf dem Balkan zu nutzen.»<br />
Tatsächlich dürfte Europas Stromversorgung<br />
mit dem Vormarsch <strong>der</strong> erneuerbaren Energien<br />
weniger planbar werden, als sie es heute ist. Sonneneinstrahlung<br />
und Windaufkommen lassen<br />
sich nun mal nicht steuern. Damit die Energiegewinnung<br />
daraus trotzdem einen substanziellen<br />
Beitrag zur nachhaltigen Stromversorgung<br />
leisten kann, sind Pumpspeicherwerke notwendig<br />
– die bestehenden sowieso, aber auch neue<br />
Anlagen. Sie dienen nicht nur dem Ausgleich<br />
schwanken<strong>der</strong> Produktion, son<strong>der</strong>n vor allem<br />
dem sicheren Netzbetrieb und <strong>der</strong> Anpassung<br />
<strong>der</strong> Produktion an den Verbrauch. Innerhalb von<br />
nur 90 bis 120 Sekunden können sie einspringen,<br />
wenn an<strong>der</strong>e Kraftwerke o<strong>der</strong> Leitungen durch<br />
Störung ausfallen, und helfen, den Betrieb des<br />
Kraftwerkparks über <strong>das</strong> stark fluktuierende Lastprofil<br />
eines Wochenverlaufs zu optimieren. Folgende<br />
Berechnung zeigt <strong>das</strong> Potenzial: Wird ein<br />
Pumpspeicherwerk mit 1 GW Leistung betrieben,<br />
können über 1000 GWh Ökostrom pro Jahr – etwa<br />
aus unregelmässig anfallen<strong>der</strong> Windenergie –<br />
nutzbar gemacht werden, was mehr als <strong>der</strong> Hälfte<br />
<strong>der</strong> gesamten Produktion entspricht.<br />
STROMÜBERSCHUSS FÜLLT SPEICHERSEEN<br />
Pumpspeicherwerke wirken wie Batterien: Elektrizität<br />
lässt sich nur bedingt speichern, Wasser<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
Neue<br />
Pumpspeicherkapazitäten<br />
in<br />
den europäischen<br />
Alpen<br />
1 Atdorf, Atdorf;<br />
Baden-Württemberg, 1400 MW<br />
2 Riedl, Untergriesbach;<br />
Bayern; 300 MW<br />
3 Blautal, Blaubeuren;<br />
Baden-Württemberg; 60 MW<br />
4 Forbach, Forbach;<br />
Baden-Würt’berg; bis zu 200 MW<br />
5 Einöden, Einöden;<br />
Bayern; bis zu 200 MW<br />
6 Limberg II, Kaprun;<br />
Salzburg; 480 MW<br />
7 Kopswerk II, Gaschurn-Partenen;<br />
Vorarlberg; 450 MW<br />
8 Reisseck II, Reisseck;<br />
Kärnten; 430 MW<br />
9 Linth-Limmern, Linthal;<br />
Glarus; 1480 MW<br />
10 Lagobianco, Valposchiavo;<br />
Graubünden; 1000 MW<br />
11 Nant de Drance, Martigny;<br />
Wallis; 900 MW<br />
12 Grimsel 3, Innertkirchen;<br />
Bern; 660 MW<br />
hingegen schon. Fällt mehr Strom an, als gerade<br />
verbraucht wird, leiten Pumpspeicher-Kraftwerke<br />
mit dem Überschuss Wasser von einem unteren<br />
in einen oberen Speichersee. Droht ein Engpass in<br />
<strong>der</strong> Stromversorgung, öffnen sie ihre Schleusen,<br />
leiten <strong>das</strong> Wasser über ihre Turbinen und produzieren<br />
so Strom. Deshalb sind sie zentral für die<br />
Netzstabilität und die Versorgungssicherheit in<br />
Europa. Der Schweiz und Österreich kommt dabei<br />
eine Schlüsselrolle zu: Sie liegen im Zentrum Europas,<br />
und die geografischen Bedingungen in den<br />
beiden Alpenlän<strong>der</strong>n sind mit natürlichen Wasserspeichervolumen<br />
und grossem Gefälle für die<br />
Nutzung <strong>der</strong> Wasserkraft geradezu ideal.<br />
SIGNIFIKANT ERHÖHTE PUMPSPEICHERKAPAZITÄTEN<br />
Die Schweiz und Europa bauen die Stromproduktion<br />
mit Pumpspeicherwerken in den kommenden<br />
Jahren stark aus. Bis 2020 sollen in<br />
<strong>der</strong> Schweiz zusätzliche Kapazitäten von rund<br />
4 GW entstehen. Derzeit bauen etwa SBB und<br />
Alpiq in Nant de Drance (VS) ein Pumpspeicherwerk<br />
mit einer Leistung von 900 MW, die Axpo<br />
realisiert im Kanton Glarus ein 1000-MW-Projekt.<br />
Die Fertigstellung bei<strong>der</strong> Kraftwerke lässt allerdings<br />
noch auf sich warten: Linth-Limmern soll<br />
2015 in Betrieb gehen, Nant de Drance 2017.<br />
Weiter ist man im österreichischen Kaprun, wo<br />
im Oktober 2011 <strong>das</strong> Kraftwerk Limberg II eröffnet<br />
wurde. Mit seinen 480 MW deckt es 10 Prozent<br />
<strong>der</strong> in Österreich benötigten Netzleistung<br />
11<br />
1<br />
4<br />
12<br />
9<br />
7<br />
10<br />
3<br />
5<br />
2<br />
2<br />
6<br />
8
zu Spitzenverbrauchszeiten. Das Kraftwerk ist<br />
eine direkte Folge <strong>der</strong> europäischen Strompolitik:<br />
Es wurde bereits zu Beginn <strong>der</strong> 70er-Jahre<br />
angedacht, kam aber erst mit dem Vormarsch<br />
<strong>der</strong> Windenergie und dem steigenden Bedarf an<br />
Ausgleichsspeichern zur Realisierung.<br />
REPOWER BAUT PUMPSPEICHERWERK LAGOBIANCO<br />
Auch <strong>Repower</strong> leistet einen Beitrag zu dieser gesamteuropäischen<br />
Entwicklung: Mit dem Kraftwerk<br />
Lagobianco sollen im Puschlav rund 1000<br />
MW an neuen Pumpspeicherkapazitäten entstehen.<br />
Die topografische Situation ist hier für<br />
Pumpspeicherwerke ideal – mit dem Lago Bianco<br />
auf dem Berninapass und Lago di Poschiavo im<br />
Talboden sind zwei Seen mit einem Höhenunter-<br />
schied von über 1200 Metern bereits vorhanden.<br />
Mit Lagobianco investiert <strong>Repower</strong> rund 1,5 Milliarden<br />
Franken in den Energiestandort Graubünden,<br />
die regionale Volkswirtschaft und neue Arbeitsplätze.<br />
Umweltnachweise, Ersatzmassnahmen<br />
sowie die Zusammenarbeit mit Behörden,<br />
Umweltorganisationen und Vertretern verschiedener<br />
Interessengruppen sichern die ganzheitliche<br />
Verträglichkeit des Projekts. Ist <strong>der</strong> Bewilligungsprozess<br />
einmal erfolgreich abgeschlossen,<br />
soll <strong>das</strong> Kraftwerk nach einer Bauzeit von 6 bis 7<br />
Jahren in Betrieb gehen. Durch die Anbindung an<br />
die 380-kV-Leitung, welche über Albula und Bernina<br />
die Schweiz, Österreich und Italien verbindet,<br />
wird es einen wichtigen Beitrag zur stabilen<br />
Stromversorgung Europas leisten. SIMONA STALDER<br />
Grösstes Wasserkraftwerk<br />
Deutschlands: Das Pumpspeicherwerk<br />
Goldisthal in Thüringen wurde<br />
2003 in Betrieb genommen.<br />
link link<br />
www.lagobianco.repower.com<br />
VIEWPOINT 1/2012 23
24<br />
Energiediskussion<br />
Wie gestalten wir die Energie-<br />
landschaft <strong>der</strong> Zukunft?<br />
AUFGEZEICHNET VON ANDREAS TURNER<br />
Energie ist die gemeinsame<br />
Währung für Arbeit, Kraftentfaltung<br />
und Bewegung, die ein<br />
Land, einen Kontinent und<br />
damit <strong>das</strong> Leben auf diesem<br />
Planeten insgesamt voranbringt<br />
– o<strong>der</strong> eben nicht.<br />
Jenseits aller Weltanschauungen<br />
und Strukturen steckt<br />
eine grundlegende, zunehmend<br />
existenzielle Bedeutung<br />
in <strong>der</strong> Frage, auf welche Weise<br />
<strong>der</strong> Mensch Energie für seine<br />
Zwecke verbraucht. Heisshungrig<br />
und ausbeuterisch<br />
o<strong>der</strong> massvoll und verträglich?<br />
«Was nützt aller Sonnenaufgang,<br />
wenn wir nicht aufstehen?»,<br />
fragte bereits im<br />
18. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> deutsche<br />
Schriftsteller und Experimentalphysiker<br />
Georg Christoph<br />
Lichtenberg. Darum geht es.<br />
Neue Wege können nicht<br />
herbeigeredet, sie müssen<br />
beschritten werden. «Viewpoint»<br />
befragte vier ausgewiesene<br />
Energieexperten mit<br />
unterschiedlicher Positionierung<br />
und Perspektive zur<br />
Energy Roadmap 2050.<br />
VIEWPOINT 1/2012<br />
Betty Legler<br />
Jasmin Staiblin<br />
Hans-Josef Fell<br />
Felix Vontobel<br />
Die Schweizerin war in den 1980er-Jahren <strong>der</strong> Stern am<br />
Schweizer Rock-Himmel und erhielt als Musikerin und<br />
Produzentin viele Auszeichnungen. Sie hat eine zehnjährige<br />
Tochter, Robin-Jedi, und gab eine CD für Kin<strong>der</strong> heraus. Heute<br />
wirkt sie an <strong>der</strong> Seite ihres Mannes Lars Thomsen als Geschäftsführerin<br />
des Zukunftsforschungsinstituts «Future Matters» mit<br />
einem Branchenschwerpunkt in <strong>der</strong> Energieversorgung.<br />
www.future-matters.com<br />
Die 42-jährige Mutter eines dreijährigen Sohnes hatte in<br />
Karlsruhe und Stockholm Elektrotechnik und Physik studiert,<br />
bevor sie bei dem auf Energie und Automation spezialisierten<br />
Technologiekonzern ABB Karriere machte und 2006 zu dessen<br />
Landeschefin Schweiz berufen wurde.<br />
www.abb.ch<br />
Der Sprecher für Energiepolitik des «Bündnis 90/ Die Grünen»<br />
war Lehrer für Physik und Sport, bevor er als Stadtrat und<br />
Gründungsvorstand verschiedener Umweltvereine aktiv wurde.<br />
Im deutschen Bundestag strebt <strong>der</strong> Vater von drei Kin<strong>der</strong>n eine<br />
ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Energiepolitik an, die ihm<br />
auch aus friedens- und entwicklungspolitischer Sicht am<br />
Herzen liegt.<br />
www.hans-josef-fell.de<br />
Der diplomierte Elektroingenieur FH lebt und arbeitet seit<br />
1987 in Poschiavo, im südöstlichsten Zipfel <strong>der</strong> Schweiz. Er<br />
begann seine Karriere bei den damaligen Kraftwerken Brusio,<br />
wo er ab 1992 die Funktion des Vizedirektors innehatte.<br />
Heute ist er stellvertreten<strong>der</strong> CEO von <strong>Repower</strong> und Leiter des<br />
<strong>Gruppe</strong>n bereichs Anlagen. Vontobel ist verheiratet und Vater<br />
von drei erwachsenen Töchtern.<br />
www.repower.com
Erzeugte Energie.<br />
Aus welchen Quellen<br />
und in welchem<br />
Mixverhältnis wird<br />
Europa seinen<br />
Strombedarf 2050<br />
decken?<br />
Betty Legler:<br />
Aktuell befinden wir uns in einer vergleichsweise<br />
raschen Übergangsphase von <strong>der</strong> fossilen und<br />
zentralen Energieerzeugung hin zur regenerativen<br />
und dezentralen – und zwar weltweit. Bis<br />
spätestens 2015 wird in <strong>der</strong> Schweiz und an<strong>der</strong>en<br />
Län<strong>der</strong>n Europas die «Netzparität» von Photovoltaik<br />
erreicht. Dies bedeutet, <strong>das</strong>s es für jeden<br />
Einzelnen günstiger ist, selbst Strom mittels Solarzellen<br />
zu produzieren, als den Strom vom<br />
Netzbetreiber zu kaufen. Neue Materialien und<br />
Herstellungsmethoden, Skaleneffekte und technologische<br />
Innovationen werden zudem wie ein<br />
Turbo wirken.<br />
Jasmin Staiblin:<br />
ABB geht davon aus, <strong>das</strong>s die Kapazität <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energieerzeugung massiv ausgebaut<br />
wird – Wind, Sonne, Wasser, aber auch Biomasse<br />
und Geothermie. Entscheidend ist, <strong>das</strong>s die Netzinfrastruktur<br />
für den künftigen Erzeugermix umund<br />
ausgebaut wird. Dazu braucht es heute Investitionen,<br />
zumal die Energierevolution bereits<br />
im Gange ist. Zudem müssen wir in <strong>der</strong> Schweiz<br />
zum Wohl des Standorts sicherstellen, <strong>das</strong>s die<br />
Energieversorgung sicher, wettbewerbsfähig<br />
und nachhaltig erfolgt. So wünschenswert die<br />
Nutzung regenerativer Energiequellen auch ist,<br />
<strong>der</strong> neue Mix stellt die Versorgungssysteme vor<br />
gros se Anfor<strong>der</strong>ungen. Die Kapazitäten <strong>der</strong> Solar-<br />
und Windkraftwerke müssen meist über weite<br />
Distanzen transportiert werden. Zudem speisen<br />
viele kleine, dezentrale Erzeugungsanlagen<br />
ihren Strom ins Netz ein – wobei sich die «Lieferzuverlässigkeit»<br />
nur schwer kalkulieren lässt. Damit<br />
bei all diesen Unwägbarkeiten keine Black-<br />
outs drohen, müssen wir jetzt anfangen, die alten<br />
Stromnetze zu einer «intelligenten» Infrastruktur<br />
umzubauen.<br />
Hans-Josef Fell:<br />
Der künftige Strommix wird sich zu hun<strong>der</strong>t Prozent<br />
aus erneuerbaren Energien zusammensetzen,<br />
und zwar schon früher als 2050. Denn die<br />
regenerative Stromerzeugung inklusive Photovoltaik<br />
setzt sich bereits heute gegenüber Neuinvestitionen<br />
im konventionellen Kraftwerksektor durch.<br />
Und <strong>der</strong> Trend beschleunigt<br />
sich: Während sich die Roh- « Die regenerative Stromerzeugung<br />
stoffpreise in den nächsten setzt sich bereits heute gegen<br />
Jahren exorbitant verteuern konventionelle Kraftwerke durch.»<br />
werden, erwarten wir bei<br />
den Erneuerbaren laufend Preissenkungen. Ein<br />
möglicher langfristiger Mix wären 40 bis 50 Prozent<br />
Windenergie, gefolgt von Sonnenenergie mit<br />
30 bis 40 Prozent, <strong>der</strong> Rest dürfte europaweit aus<br />
Wasserkraft, Bioenergie und Geothermie bestritten<br />
werden. Die Energie aus Biomasse gilt es dabei<br />
von <strong>der</strong> Grundlastlieferung zu befreien, dafür<br />
aber in Form zuschaltbarer, additiver Kraftwerke<br />
zu nutzen. Das kann künftig vor allem auf <strong>der</strong> Basis<br />
von Biokohle realisiert werden. Ich bin <strong>der</strong> festen<br />
Überzeugung, <strong>das</strong>s Biokohle die grosse Energieüberraschung<br />
dieses Jahrzehnts sein wird.<br />
Felix Vontobel:<br />
Wenn wir allein vom Strom sprechen, wird die<br />
Zunahme <strong>der</strong> erneuerbaren Energieträger, <strong>das</strong><br />
heisst Solar-, Wind- und Wasserkraft, Biomasse<br />
und allenfalls auch Geothermie, am markantesten<br />
zu Buche schlagen. In einem ehrgeizigen<br />
Szenario kann davon ausgegangen werden, <strong>das</strong>s<br />
bis 2050 mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Stromproduktion<br />
aus erneuerbaren Energiequellen stammen<br />
wird, mit grossen Beiträgen von Windkraft und<br />
Photovoltaik. Die konventionellen Energiequellen<br />
– Kernkraft, Kohle und Gas – dürften gegenüber<br />
heute an Bedeutung verlieren. Ein solcher Umbau<br />
erfor<strong>der</strong>t jedoch einen massiven<br />
Ausbau <strong>der</strong> Transport- « Der massive Ausbau <strong>der</strong> Transportund<br />
Speicherkapazitäten und Speicherkapazitäten kommt<br />
und kommt einer kleinen einer kleinen Revolution gleich.»<br />
Revolu tion gleich. Während<br />
die Produktion heute exakt <strong>der</strong> momentanen<br />
Nachfrage folgt, wird <strong>der</strong> Verbrauch künftig über<br />
smarte Systeme vermehrt <strong>der</strong> aktuellen erneuerbaren<br />
Produktion angepasst werden.<br />
VIEWPOINT 1/2012 25
26<br />
Energiediskussion<br />
Smarte Energie.<br />
Produktionserträge aus Wind<br />
und Sonne bekommen<br />
mehr Gewicht, werden aber<br />
stets unregelmässig anfallen.<br />
Welche Speicherlösungen<br />
im Strombereich werden <strong>das</strong><br />
Rennen machen?<br />
Betty Legler:<br />
Je nach regionalen Klima- und Topografiebedingungen<br />
werden sich unterschiedliche Basislösungen<br />
etablieren. An<strong>der</strong>erseits werden sich weltweit<br />
Smart-Grid-Technologien durchsetzen, welche volatile<br />
Erzeugung und Verbrauchsschwankungen<br />
sehr effizient regeln können – nicht zuletzt über<br />
dezentrale, intelligente Speicher. Diese werden<br />
sich zu hyperflexiblen Schwarmspeichern verbinden<br />
und die Stromlasten auf allen Spannungsebenen<br />
zum Nutzen aller op-<br />
« Hyperflexible Schwarmspeicher werden timieren. «Schlaue Energie»<br />
die Stromlasten auf allen Spannungs- in Verbindung mit selbstlerebenen<br />
zum Nutzen aller optimieren.» nenden Systemen in Haushalten,<br />
an Arbeitsplätzen und<br />
in industriellen Umgebungen wird den revolutionären<br />
Wendepunkt für Energieversorgung und<br />
Lastmanagement bilden.<br />
« Je mehr erneuerbare Energie<br />
produziert wird, desto mehr Speicherkapazität<br />
braucht es.»<br />
VIEWPOINT 1 /2012<br />
Jasmin Staiblin:<br />
Bei Wind und Sonne gibt die Natur vor, wann<br />
Strom produziert wird. Dabei kommt es zu grossen<br />
Schwankungen. Um die Stabilität <strong>der</strong> Netze<br />
zu garantieren, war die Stromerzeugung bisher<br />
so dimensioniert, <strong>das</strong>s immer genügend Reserve<br />
verfügbar war, um Spitzen zu decken. Bedingt<br />
durch die geplante Reduktion <strong>der</strong> Kernkraft in einzelnen<br />
Län<strong>der</strong>n und die umweltbedingte Begrenzung<br />
des Ausbaus fossiler Kraftwerke wird dies in<br />
Zukunft nicht mehr möglich sein. Hier kommen<br />
Energiespeicher ins Spiel.<br />
Denn je mehr erneuerbare<br />
Energie produziert wird und<br />
ins Netz eingespeist werden<br />
soll, desto mehr Speicherkapazität braucht es.<br />
Um Energie im grossen Stil zu speichern, eignet<br />
sich Wasser beson<strong>der</strong>s gut. Die Schweiz mit ihren<br />
Pumpspeicherwerken hat hier die besten Voraussetzungen,<br />
um zum Energiespeicher Europas<br />
zu werden. ABB ist auf dem Gebiet <strong>der</strong> Energiespeichersysteme<br />
sehr aktiv und arbeitet sowohl<br />
an Pumpspeicherlösungen als auch an Batteriespeichern<br />
unterschiedlicher Grösse.<br />
Hans-Josef Fell:<br />
Wir werden zwar Stromspeicher benötigen, aber<br />
nicht in dem Ausmass, wie es heute dargestellt<br />
wird. Bestehende Speicherkraftwerke lassen sich<br />
relativ einfach auf Pumpspeicherfähigkeit umbauen.<br />
Ausserhalb <strong>der</strong> Alpenregion können wir<br />
uns <strong>das</strong> Prinzip Pumpspeicher auch in alten Tagebauanlagen<br />
o<strong>der</strong> bei Wasserstrassen vorstellen,<br />
wo <strong>das</strong> Gefälle <strong>der</strong> Staustufen clever genutzt<br />
wird. In Kombination mit Photovoltaik und Wechselrichtern<br />
werden Batterien eine grosse Rolle<br />
spielen, um die Stromflüsse auf <strong>der</strong> Verteilnetzebene<br />
künftig besser zu organisieren. Möglicherweise<br />
macht dies einen Grossteil <strong>der</strong> geplanten<br />
Netzausbauten überflüssig. Als drittes Speichermedium<br />
sehe ich Wasserstoff aus Windstromüberschuss,<br />
<strong>der</strong> in die Erdgasnetze eingespeist,<br />
über die Brennstoffzelle verstromt, aber auch für<br />
Mobilitätszwecke verwendet werden kann.<br />
Felix Vontobel:<br />
Kommt <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren wie gewünscht<br />
voran, werden alle nur erdenklichen<br />
Speicher- und Transportmöglichkeiten zu nutzen<br />
sein. Jede <strong>der</strong> genannten Speichertechnologien<br />
hat ihre Stärken und Schwächen. So haben etwa<br />
Akkus den Nachteil, <strong>das</strong>s für relativ wenig Energie<br />
grosse Mengen von wertvollen Rohstoffen erfor<strong>der</strong>lich<br />
sind, die Anzahl Ladezyklen beschränkt ist<br />
und <strong>das</strong>s sie – wie wir von Elektrofahrzeugen wissen<br />
– ein hohes Gewicht aufweisen. Dafür ist <strong>der</strong><br />
Wirkungsgrad hoch und <strong>der</strong> Prozess ungefährlich.<br />
Die Herstellung von Wasserstoff ist mit Verlusten<br />
verbunden, Druckluftspeicher sind effizient, aber<br />
teuer. Pumpspeicherwerke mit genügend dimensionierten<br />
Speicherseen dagegen haben sich als<br />
fast ideal erwiesen: Mit gutem Wirkungsgrad lagern<br />
sie hohe Energiemengen ein und geben diese<br />
sehr rasch wie<strong>der</strong> ins Stromnetz ab. Nachteil:<br />
Sie funktionieren nur dann, wenn <strong>das</strong> angeschlossene<br />
Stromnetz genügend leistungsfähig ist.
Effiziente Energie.<br />
Wird Energiesparen auf<br />
freiwilliger Basis lang-<br />
fristig genügen, o<strong>der</strong><br />
werden Lenkungsmass-<br />
nahmen erfor<strong>der</strong>lich sein?<br />
Betty Legler:<br />
Ein effizienter Umgang mit Energie bedeutet<br />
nicht unbedingt Verzicht, son<strong>der</strong>n mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Smartness <strong>der</strong> Menschen und Systeme sogar<br />
Komfortgewinn. Unsere Kin<strong>der</strong> und Kindeskin<strong>der</strong><br />
werden einst den Preis für unseren Umgang mit<br />
Ressourcen bezahlen, allem voran für unseren<br />
heutigen Umgang mit Energie. Eine langfristige<br />
Energy Roadmap ist ein probates Mittel, diesen<br />
Gestaltungsauftrag in seiner ganzen Komplexität<br />
auszuformulieren. Dies kann jedoch nicht länger<br />
alleine die Aufgabe <strong>der</strong> Energiewirtschaft sein.<br />
Die besten Köpfe aus den Sektoren Energie, Mobilität<br />
und intelligente Netzwerke müssen gemeinsam<br />
zukunftsfähige Konzepte, Geschäftsmodelle<br />
und Dienste erarbeiten sowie Innovationsprozesse<br />
einleiten. Diese Interdisziplinarität, aber auch<br />
<strong>der</strong> Mut zu branchenübergreifenden Energieund<br />
Mobilitätskonzepten sind entscheidend für<br />
die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts,<br />
um auch international zum Leuchtturm für<br />
Nachhaltigkeit und Innovationskraft zu werden.<br />
Jasmin Staiblin:<br />
Am meisten Energie sparen wir, wenn wir sie effizienter<br />
bereitstellen und nutzen. Statistiken <strong>der</strong><br />
Internationalen Energie-Agentur zeigen, <strong>das</strong>s<br />
dies fast die Hälfte <strong>der</strong> Einsparmöglichkeiten<br />
ausmacht. Die bisher niedrigen Kosten für Energie<br />
führten dazu, <strong>das</strong>s viele Effizienzpotenziale<br />
aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht erschlossen<br />
wurden, obwohl bereits technische Lösungen<br />
zur Verfügung stehen. Dies wird sich in Zukunft<br />
zweifelsfrei än<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Industrie wurden 2011<br />
die Weichen in diese Richtung gestellt: EU-Regelungen<br />
für effizientere Motoren sollen bis 2020<br />
zu einer jährlichen Einsparung von 135 TWh elektrischer<br />
Energie führen. Hier machen wir die Er-<br />
fahrung, <strong>das</strong>s Investitionen in entsprechende Produkte<br />
nicht nur ökologisch, son<strong>der</strong>n auch ökonomisch<br />
sinnvoll sind. Um auch die Bürger zum Umdenken<br />
zu bewegen, braucht es wohl ebenfalls<br />
neue Anreize. Wirkungsvoll<br />
wäre eine Lenkungsabga- « Wegen <strong>der</strong> niedrigen Energiekosten<br />
be auf alle Energieträger, wurden viele Effizienzpotenziale<br />
die CO -Emissionen verur- bisher nicht erschlossen.»<br />
2<br />
sachen. Diese sollte für alle<br />
Energieträger gleich hoch sein und vollumfänglich<br />
an die Bevölkerung rückvergütet werden.<br />
Hans-Josef Fell:<br />
Es macht sehr viel Sinn, Effizienz zu för<strong>der</strong>n. Was<br />
man den Leuten früher unter dem Titel «Den Gürtel<br />
enger schnallen» schmackhaft machen wollte,<br />
wird auch in Zukunft nicht gelingen. Auf brachiale<br />
Art Verhaltensän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Menschen herbeiführen<br />
zu wollen, hat immer nur Inakzeptanz<br />
zur Folge. Deshalb wird Energiesparen vor allem<br />
über eine Technologierevolution realisiert werden<br />
– in Form von markanten<br />
Verbrauchssenkungen bei « Auf brachiale Art Verhaltensän<strong>der</strong>un-<br />
Haushaltsgeräten und Lichtgen herbeiführen zu wollen, hat<br />
anwendungen.Gesetzgebe- immer nur Inakzeptanz zur Folge.»<br />
rische Ansätze erachten wir<br />
nur dort als sinnvoll, wo Effi zienz und Technologie<br />
auf Forschungs- und Entwicklungsebene vorangetrieben<br />
werden – unabhängig von <strong>der</strong> momentanen<br />
Kundennachfrage.<br />
Felix Vontobel:<br />
Lenkungsmassnahmen sind bereits heute in grossem<br />
Stil im Einsatz – etwa über den CO -Handel,<br />
2<br />
wo Zertifikate kontinuierlich verknappt werden,<br />
um so die erneuerbaren Energien konkurrenzfähiger<br />
zu machen. Dazu kommen die vielfältigen<br />
För<strong>der</strong>massnahmen für erneuerbare Energien,<br />
die in vielen Län<strong>der</strong>n einen wesentlichen<br />
Teil <strong>der</strong> Stromkosten ausmachen. Nach meinem<br />
Dafürhalten werden erzielbare Einsparungen<br />
beim Stromverbrauch durch den Ersatz von Elektrogeräten<br />
und den Einsatz smarter Technologien<br />
überschätzt. Beim Ersatz von Geräten geht<br />
häufig die zu ihrer Herstellung benötigte Energie<br />
vergessen. Klar ist, <strong>das</strong>s unsere Gesellschaft<br />
sich praktisch nur über monetäre Anreize steuern<br />
lässt. Die Kunst besteht wohl darin, erstens den<br />
Überblick zu behalten und zweitens, wie bei einem<br />
Flugzeug, nur so stark zu lenken, <strong>das</strong>s es <strong>der</strong><br />
Mehrheit <strong>der</strong> Passagiere dabei nicht übel wird.<br />
Viewpoint 1/2012<br />
27
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