10 Burnout-Prophylaxe Prof. Dr. Hans Eberspächer: «In <strong>der</strong> nachhaltigen Nutzung unserer mentalen Ressourcen liegt <strong>der</strong> Ausgangspunkt für alles an<strong>der</strong>e.» VIEWPOINT 1/2012
Schlüssel zur Selbststeuerung Burnout ist die Berufskrankheit unserer Zeit. Wie stellen wir es im anfor<strong>der</strong>ungsreichen Arbeitsalltag an, ihr erfolgreich zu trotzen? Und brauchen wir für den Umgang mit diesem Phänomen einen kompletten Neustart? Das Thema «Burnout» scheint akuter denn je. Viele sind o<strong>der</strong> fühlen sich davon erfasst. Zwar fehlt je<strong>der</strong> messbare Nachweis, sogar die Hirnströme, soweit sie im EEG (Elektroenzephalogramm) darstellbar sind, zeigen keine Auffälligkeit. Bei Betroffenen lässt sich aber zweifelsfrei beobachten, <strong>das</strong>s sie wirklich krank sind. Das Modell, <strong>das</strong> die Psychologen zum Burnout-Phänomen aufstellten, besteht in einem Szenario fortwähren<strong>der</strong> Frustration, von <strong>der</strong> die eigene Motivation mit <strong>der</strong> Zeit aufgezehrt wird, wie ein Feuer alles aufzehrt, was mit ihm in Berührung kommt. Daher <strong>der</strong> Ausdruck «ausgebrannt». VIEL GETAN, ABER WENIG BEWIRKT Für Ärzte gibt es eine Tabelle, in <strong>der</strong> alle menschlichen Krankheiten dieser Welt nummeriert aufgeführt sind. Sie wird regelmässig aktualisiert, <strong>der</strong>zeit gültig ist die «ICD10» (International Clas- « Wer unter Stress Erfolg haben will, tut gut daran, sich nicht nur auf seine Sachkompetenz zu verlassen.» Hans Eberspächer sification of Diseases No. 10), Version 2012. Darin ist <strong>das</strong> Burnout lediglich unter dem Begriff «Gesundheitsprobleme» als «Schwierigkeit bei <strong>der</strong> Lebensbewältigung» (Z 73.0) aufgeführt, nicht aber als medizinisch anerkannte Krankheit. Was die Ärzte bei den entsprechenden Krankschreibungen meist eintragen, ist die «leichte depressive Episode» (F 32.0) mit den gleichen Symptomen. Für die Betroffenen hat <strong>der</strong> Begriff «Burnout» einen klaren Vorteil: Er suggeriert, <strong>das</strong>s die Störung durch eine Art Überbeanspruchung entstanden ist, also durch ein Zuviel an produktiver Tätigkeit. Dadurch erhält er etwas Positives, was sich Betroffene gern gefallen lassen, weil sie dann selbst als übermässig tüchtige Leistungsträger erscheinen, die nur lei<strong>der</strong> nicht auf ihre Gesundheit geachtet haben und infolgedessen «eingebrochen» sind. Das ist jedoch irreführend. Denn ein Hauptmerkmal des Burnouts ist <strong>das</strong> subjektive Gefühl, die eigene Anstrengung vergeblich zu erbringen. Die Erschöpfung rührt also nicht von einer beson<strong>der</strong>en Leistung her, son<strong>der</strong>n von dem Eindruck, zwar viel getan, aber wenig bewirkt zu haben. Deshalb ist es durchaus angebracht, die besagten Zustände als Depression zu bezeichnen. Psychiatern ist die Situation vertraut: Menschen kommen mit Verdacht auf Burnout in ihre Praxis – und dort zeigt sich, <strong>das</strong>s sie unter einer Depression leiden. Depressionen treten jedoch in unterschiedlichen Formen, unterschiedlichen Schweregraden und aus unterschiedlichen Gründen auf. Eine «schwere depressive Episode ohne bzw. mit psychotischen Symptomen» (ICD10, F 32.2 bzw. 32.3) ist eine ernste, ja lebensgefährdende Krankheit, die mit den hier thematisierten psychischen Problemen kaum zu vergleichen ist. Daher scheut man sich, für Burnout <strong>das</strong> gleiche Wort zu verwenden. Damit ist allerdings auch eine Verharmlosung verbunden. Dann wird Burnout schnell als «Überarbeitung» klassifiziert, die man bald in den Griff kriegt – ohne Klinik und ohne Medikamente. Viele Betroffene selbst haben sogar ein Interesse, diesen Eindruck zu erwecken, weil sie zwar mit ihren Beschwerden ernst genommen, aber auf Selbstwirksamkeit als Lebenselixier Die Schwerpunkte von Hans Eberspächer, Psychologieprofessor und Experte für mentales Training aus Heidelberg/Dossenheim, liegen in <strong>der</strong> Beanspruchungs- und Regenerationsforschung sowie im mentalen Training. Eberspächer begleitete Profisportler bei <strong>der</strong> Vorbereitung auf Weltmeisterschaften und Olympische Spiele. Unternehmen lassen sich von ihm in mentaler Fitness, Stressbewältigung und Burnout-Prophylaxe beraten. «Das Gefühl, etwas auf die Beine stellen zu können, Ziele zu erreichen und Anerkennung zu bekommen, ist entscheidend. Hohe Anfor<strong>der</strong>ungen lassen sich umso besser bewältigen, je ausgeprägter <strong>das</strong> persönliche Selbstwirksamkeitsempfinden ist.» Lektüreempfehlung: Hans Eberspächer: «Gut sein, wenn’s drauf ankommt – von Top-Leistern lernen» 256 Seiten, Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-42690-0 link link www.mentalinform.de VIEWPOINT 1/2012 11