Wasserstoff Geesthachter Wasserstoff-Labor: Die Arbeitsgruppe von Prof. Thomas Klassen konzentriert sich auf Leichtmetallhydride, die dank ihrer speziellen Nanostruktur bei geringem Gewicht und Volumen beson<strong>der</strong>s viel Wasserstoffgas speichern. ist für Klassen eine Frage <strong>der</strong> Zeit: «Praktisch alle Automobilhersteller haben längst Brennstoffzellenfahrzeuge entwickelt, viele davon stehen bereits im harten Testeinsatz.» Diese aber werden tendenziell noch im Hintergrund gehalten, weil die Batterie-Elektromobilität im öffentlichen Bewusstsein und in den Medien heute die Mobilitäts-Avantgarde repräsentiert. Thomas Klassen: «Dabei hat <strong>das</strong> reine Elektroauto in Wirklichkeit ein ähnliches Problem mit <strong>der</strong> öffentlichen Infrastruktur wie <strong>das</strong> Wasserstofffahrzeug.» Nur sagt <strong>das</strong> kaum jemand. Steckdosen gibt es genug, aber nur wenige private Garagen mit Hochleistungsanschluss, um ein Fahrzeug über Nacht zu laden. Das Erstellen eines öffentlichen Netzes für Stromladestationen gestaltet sich kaum einfacher und kostengünstiger als eines für Wasserstofftankstellen. ZEIT FÜR DIE NÄCHSTE REVOLUTION So darf folgen<strong>der</strong> Schluss gezogen werden: Wasserstoff funktioniert grundsätzlich bereits, um Fahrzeuge anzutreiben. Dass Mercedes 2011 mit einer Flotte von Brennstoffzellen-B-Klasse-Autos offenbar mühelos die Welt umrundet hat, ist ein gutes Indiz, <strong>das</strong>s auf technischer Ebene grünes Licht gegeben werden kann. Auch die Speicherung und den Transport hat die Industrie technisch im Griff, mit <strong>der</strong> Einführung von Hydridspeichern (siehe Interview), aber auch mit mo<strong>der</strong>nen 700-bar-Druckspeichern erreicht man in Kombination mit <strong>der</strong> Brennstoffzelle sogar die Reichweiten von Dieselautos. Die ökologisch sinnvolle 20 VIEWPOINT 1/2012 «Da kann man nur gewinnen» Die Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff für die Mobilität treibt auch ihn an. Vier Fragen an Prof. Thomas Klassen, Werkstoffforscher am GKSS-Institut Geesthacht. Herr Klassen, welche Rolle nimmt die Wasserstofftechnologie in einem zukunftsfähigen Mobilitätskonzept ein? Für sauberen Erdölersatz werden wir auf regenerative Energiequellen in Verbindung mit Elektrizität umstellen müssen. Wenn <strong>der</strong> Mensch auf Langstrecken mobil bleiben will, kommt er am Wasserstoff nicht vorbei. Wasserstoff wird in Erprobungsfahrzeugen bis anhin meist in Hochdruckgefässen mitgeführt. Sie setzen auf eine sogenannte Hydridspeicherung. Welches sind die Eckpfeiler und grössten Vorteile dieser Technik? Speicherbehälter, die Metalle in Form von äusserst fein gemahlenem Pulver enthalten, können Wasserstoff aufnehmen und bei Bedarf wie<strong>der</strong> freisetzen. Wir erzielen mit Hydridtanks auf Alanat-Basis – einer Verbindung aus Natrium, Aluminium und Wasserstoff – bereits sehr gute Ergebnisse. Dabei kommen wir mit Drücken von weniger als 100 bar aus, was den Einsatz relativ simpel gebauter Tankhüllen erlaubt. So sind diese Tanks insgesamt kostengünstiger als Hochdruckspeicher. Die kürzlich bei HZG entwickelten Komposite aus Herstellung von Wasserstoff aus regenerierbaren Quellen ist aber noch äusserst kostenintensiv. Doch gerade jetzt, wo sich erste Müdigkeitserscheinungen beim Thema Batterie-Elektroauto einstellen, sehen weitsichtige Konzernchefs wie Dieter Zetsche von Daimler die Zeit gekommen, die nächste Revolution auszurufen. Was Leute wie ihn beflügelt: Auch schweren, leistungsfähigen Wasserstoffmobilen geht so schnell nicht <strong>der</strong> Saft aus, und die Energie erzeugende Brennstoffzelle dürfte bald unter <strong>der</strong> Motorhaube Platz finden. Ausserdem sind H-Autos schnell zu betanken. Zetsche: «Während man die Batterie für ein E- Auto lädt, kann man Tolstois ‹Krieg und Frieden› lesen. Die drei Minuten fürs Befüllen eines Wasserstoffautos reichen dagegen gerade mal, um kurz zu twittern.» Prof. Thomas Klassen: «Am Wasserstoff wird <strong>der</strong> mobile Mensch nicht vorbeikommen.» Magnesium, Lithium, Bor und Wasserstoff können sogar mehr als doppelt so hohe Speicherkapazitäten erreichen. Hier arbeiten wir noch daran, die Arbeitstemperatur zu senken. Die Membran <strong>der</strong> Brennstoffzelle, welche Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasserdampf reagieren lässt, gilt noch als Achillesferse. Welche Problemstellung hat für Sie Vorrang? Eindeutig die Umsetzung in die kostengünstige Alltagspraxis. Zwar gibt es bereits teure Hightech-Membranen mit hoher Standfestigkeit. Doch <strong>das</strong> Hauptziel muss sein, Brennstoffzellen langlebiger zu machen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren, damit <strong>das</strong> Auto <strong>der</strong> Zukunft günstiger wird. Deshalb arbeiten wir intensiv an Modifikationen bekannter Membrantypen auf Polymerbasis. Auch hier haben wir bereits erste kleinere Verbesserungen erzielt. Wie fährt sich ein Brennstoffzellenauto? Stellen abrupte Lastwechsel beim Beschleunigen und Bremsen ein Problem dar? Die Brennstoffzelle ist von ihrer Konstruktion her auf konstante Last ausgelegt. Deshalb wird man immer einer Kombination mit Pufferbatterien den Vorzug geben. Also ist es wichtig, <strong>das</strong>s auch die heute verfügbaren Akkus zielstrebig weiterentwickelt werden. Da kann man nur gewinnen.
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