DAS MUSEUM FÜR ALLE – IMPERATIV ODER ILLUSION?
Bodenseesymposium2015_web
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SCHLUSSBETRACHTUNGEN<br />
Mit einigem zeitlichem Abstand rückblickend auf die drei Tage des Internationalen Bodensee-Symposiums<br />
in St.Gallen, Konstanz und Dornbirn zum Thema «Das Museum für alle <strong>–</strong> Imperativ oder<br />
Illusion?» stellt man erstaunt fest, dass das Thema, das für uns Museumsprofessionals in unterschiedlichem<br />
Gewand und unterschiedlich formuliert nun schon seit längerer Zeit grosse Relevanz<br />
hat, immer noch Raum für das Einbringen neuer Aspekte, das Einbeziehen neuer Perspektiven, die<br />
Entwicklung neuer Standpunkte bietet. Dass ganz unterschiedliche Standpunkte stringent und<br />
„richtig“ sein können, Praxisbeispiele, die unterschiedlicher kaum sein könnten, beeindrucken,<br />
und somit weiterhin gilt: auch dem «Museum für alle» kann man sich auf unterschiedlichste Art<br />
gedanklich und praktisch annähern, ohne die Sicherheit zu haben, das angestrebte Ziel auch zu<br />
erreichen.<br />
Den einen Königsweg, das für alle Museen gleichermassen gültige und anwendbare Patentrezept,<br />
gibt es <strong>–</strong> jenseits der Herstellung von Barrierefreiheit in jeder Hinsicht an und in den Gebäuden<br />
<strong>–</strong> nicht. Und das ist gut so, denn so muss jedes Haus das Thema für sich in den Fokus nehmen,<br />
Konzepte entwickeln, die der Sammlungsstruktur, den Vermittlungszielen, den wirtschaftlichen<br />
ebenso wie politischen Rahmenbedingungen angemessen sind und die zielsicher ihr Publikum definieren,<br />
finden und mitnehmen können. Dieses Verfahren hat eigentlich nur auf eine Konstante <strong>–</strong><br />
nämlich das postulierte Ziel <strong>–</strong> dagegen mehrere Variablen, die es so kompliziert, im selben Masse<br />
aber immer wieder herausfordernd und im Erfolgsfall beglückend machen. Dabei werden oftmals<br />
an erster Stelle die zugegebenen Massen hoch wichtigen wirtschaftlichen und kulturpolitischen<br />
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen genannt.<br />
Die grösste Variable jedoch ist das sich stetig wandelnde Publikum, das wir mit und in den Museen<br />
erreichen wollen. Seit langem schon als gesellschaftlicher Auftrag und Eigenverpflichtung<br />
erkannt und formuliert haben sich Museen immer mehr in die Gesellschaft geöffnet, haben ihre<br />
Programme erweitert, zeitgemäss modernisiert, kluge Fragen an die Sammlungsbestände gestellt<br />
und oft inspirierende, mitnehmende Antworten in der Aufbereitung und Präsentation ihrer Themen<br />
angeboten, sich ernsthaft um Inklusion, Partizipation und Integration bemüht. All dies führt<br />
uns zu der Erkenntnis, dass das «Museum für Alle» immer schon ein sich wandelnder Imperativ<br />
und gleichzeitig eine sich wandelnde Illusion ist und bleiben wird. Es bleibt uns also als Auftrag<br />
und Ansporn, als immer wieder neu anzustrebender Idealzustand.<br />
Die Internationalität des Themas herausgestellt und ein hervorragendes, inspirierendes Forum<br />
des professionellen und kollegialen Austauschs in angenehmer Atmosphäre geboten zu haben,<br />
ist das Verdienst der federführend von ICOM Schweiz organisierten Tagung. Die Publikation der<br />
Beiträge stellt den dauerhaften Nutzen für alle Teilnehmer und weit darüber hinaus Interessierten<br />
sicher. Das bewährte Zusammenwirken der drei ICOM Nationalkomitees der Schweiz, Österreichs<br />
und Deutschlands, in denen ein Viertel aller Mitglieder von ICOM organisiert ist, hat sich erneut<br />
positiv manifestiert. Allen, die an der Vorbereitung und Durchführung der Tagung mitgewirkt haben,<br />
danke ich herzlich <strong>–</strong> ganz besonders unseren Kolleginnen und Kollegen von ICOM Schweiz.<br />
ICOM Deutschland freut sich darauf, im Sommer 2018 turnusgemäss das nächste Internationale<br />
Bodensee-Symposium auszurichten.<br />
Dr. Michael Henker ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Sudetendeutschen Stiftung und im Aufbaustab<br />
Sudetendeutsches Museum in München. Er ist Präsident von ICOM Deutschland<br />
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