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HEINZ Magazin Oberhausen 06-2016

HEINZ Magazin Juni 2016, Ausgabe für Duisburg, Oberhausen, Mülheim

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KINO<br />

TIPP DES MONATS<br />

Rock’n’Roll & Drugs<br />

Zwischen Euphorie, Exzess und Ernüchterung Der Schuppen ist das Schicksalsunternehmen eines Taugenichts<br />

und eines Traumtänzers. Im „Café Belgica“ vereint sich der Lebenstraum von zwei gegensätzlichen Brüdern<br />

zwischen Rock’n’Roll, Utopie und Chaos. Der neue Film des belgischen Filmemachers Felix van Groeningen ist<br />

zugleich Herzbluttragödie und metaphorisches Porträt seines zerrissenen Heimatlandes als gescheiterter Staat.<br />

D<br />

as Café führt das unkonventionelle Programm frech im Schilde:<br />

Hier besteigt der Hirsch das Rhinozeros. Und so ähnlich verhält<br />

sich auch die Zusammenarbeit der Brüder Jo und Frank, die gegensätzlicher<br />

kaum sein könnten und nun mitten im prallen Leben der<br />

Kneipe mit Musikbühne zueinanderfinden müssen. Über Jahre haben<br />

sie sich aus den Augen verloren, doch als sie sich in einer Kneipe begegnen,<br />

ist alles wieder wie früher auf dem Schulhof, als der große Bruder<br />

dem schmächtigen Jo den Rücken freihielt. Wer über Jo und sein lädiertes<br />

Auge lästerte, bekam von Frank die Faust. Nun ist es irgendwie wieder<br />

so weit, Jo hat einen heruntergekommenen Laden für seinen Traum<br />

vom Musikcafé aufgetan und Frank ist sofort für den kleinen Bruder da.<br />

Er hilft bei der Renovierung, besorgt Personal, nimmt einen Kredit auf<br />

und leiert den Behörden eine Genehmigung aus dem Kreuz. Die Party<br />

kann losgehen.<br />

Doch auf die ersten Erfolge folgt bald die Ernüchterung, einige Stammgäste<br />

machen Ärger, das Personal ist auch nicht ohne. Und vor allem der<br />

große Bruder ist ein Problem, denn der kennt beim Feiern keine Grenzen:<br />

„Sex, Drugs und Rock’n’Roll” heißt die Devise bis lange nach Morgengrauen<br />

– Polizeieinsätze inbegriffen. Leider stimmt auch die Kasse<br />

nicht, zu viel wird hinter der Theke getrunken und der Glasbruch zehrt<br />

den Ertrag. Durch die rauschhaft vernebelten Backstage-Partys drängt<br />

sich die harsche Realität, Jos Freundin wird schwanger und Franks Frau<br />

will die Scheidung. Zeit fürs Erwachsen werden.<br />

Auf eine schmerzhafte Trennung folgt ein neues Café Belgica mit ungewisser<br />

Zukunft: ein durchgestylter, professionell organisierter Laden<br />

mit Überwachungskameras. Und der unverbesserliche Frank hat schon<br />

wieder ein neues Projekt, Nachwuchs inbegriffen.<br />

Wie „Broken Circle“ handelt Groeningens neuer Film von einer Utopie,<br />

die an der Realität und bitteren Einsichten scheitert und dennoch fortlebt.<br />

Diese prekäre Stimmungslage zwischen Euphorie, Exzess und Ernüchterung<br />

fängt er auch mit drastischen Szenen und Schnitten, aber<br />

traumwandlerischer Stilsicherheit ein, wie es im Moment nur die Belgier<br />

können. Einen nicht unerheblichen Anteil an der atmosphärischen<br />

Dichte des „Café Belgica“ haben die Musikeinlagen des belgischen Duos<br />

Soulwax, deren grandiose Arrangements die ganze Bandbreite von<br />

Kraut-Techno über Neo-Soul bis Psychobilly abdecken. philipp koep<br />

❚ (CAFÉ BELGICA) B/F <strong>2016</strong>, 126 Min., Regie u. Buch: Felix van Groeningen, mit: Stef Aerts, Tom Vermeir,<br />

Hélène Devos, Charlotte Vandermeersch; Start: 23.6.<br />

52 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>06</strong>.<strong>2016</strong>

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