B lickpunk I/98 - Wunschkind eV
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Die Einwilligung des Kindes<br />
Beim geschäftsunfähigen Kind ist die Einwilligung des gesetzlichen<br />
Vertreters notwendig, also in der Regel die der Mutter oder<br />
des zuständigen Jugendamtes. Diese Einwilligung kann jedoch<br />
erst acht Wochen nach der Geburt des Kindes abgegeben werden.<br />
Dies ist eine Schutzvorschrift zugungsten der abgebenden<br />
Mutter, die nicht aus einer Verzweiflungssituation heraus das<br />
Kind unmittelbar nach der Geburt freigeben soll. Während dieser<br />
Zeit haben jedoch die annehmenden Eltern keinerlei gerichtlich<br />
durchsetzbaren “Anspruch auf das Kind”. Aus diesem<br />
Grund werden nicht selten Kinder während dieser Zeit zu<br />
speziell ausgesuchten Pflegefamilien gegeben, um hier, falls die<br />
Mutter nicht einwilligt, einen Konflikt zwischen annehmen-den<br />
Eltern und Mutter zu vermeiden. Die Einwilligung bedarf, wie<br />
auch die Annahmeerklärung, der öffentlichen Beurkundung, das<br />
heißt die Erklärungen müssen vor einem Notar abgegeben<br />
werden.<br />
Eine Besonderheit bei der Einwilligung der abgebenden Mutter<br />
bzw. des Vaters ist das sogenannte “Ersetzungsverfahren”: Hier<br />
kann auf Antrag des Kindes, also durch dessen gesetzlichen<br />
Vertreter, in diesen Fällen in der Regel der Amtsvormund, die<br />
Einwilligung ersetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn Mutter<br />
oder Vater ihre Pflichten gegenüber dem Kind gröblich verletzt<br />
haben oder durch ihr Verhalten gezeigt haben, daß ihnen das<br />
Kind gleichgültig ist und wenn das Unterbleiben der Annahme<br />
dem Kind zu unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde.<br />
Eine praktische Anwendung findet dieses Ersetzungsverfahren<br />
bei Kindern, deren Eltern sozial verelendet sind, sei es durch<br />
Krankheiten, Drogenmißbrauch oder ähnlichem und es dann zu<br />
einer totalen Verwahrlosung des Kindes kommen würde.<br />
Wenn nun beide notariellen Erklärungen, also Abgabe und Annahme<br />
des Kindes vorliegen, kann nach einer<br />
“Probezeit” (sogenannte Adoptionspflege) durch Beschluß des<br />
Vormundschaftsgerichtes die Annahme als Kind ausgesprochen<br />
werden, d.h.; das Kind ist nun adoptiert.<br />
Diese Adoption ist, anders als ein Pflegeverhältnis, endgültig.<br />
Eine “Rückadoption” kennt das Gesetz nicht. Vielmehr ist dies<br />
verboten. Hiermit soll bezweckt werden, daß ein bereits einmal<br />
angenommenes Kind nicht von Adoptiveltern zu Adoptiveltern<br />
weitergereicht wird. Durch die Adoption erhält das Kind die<br />
Rechtsstellung, wie das eines leiblichen Kindes, d.h. sämtliche<br />
bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse zur abgebenden Familie<br />
erlöschen, die zur annehmenden Familie leben auf. Dieses<br />
gilt auch für erbrechtliche Ansprüche. Das Kind kann nur noch<br />
Erbe bei den annehmenden Verwandten werden. Ebenso erlöschen<br />
Unterhaltsansprüche für und gegen die abgebenden Verwandten.<br />
Eine Ausnahme hiervon sind lediglich Ansprüche des<br />
Kindes auf Renten- oder Waisengeld, die vor der Annahme entstanden<br />
sind.<br />
Das Kind erhält nach der Adoption den Namen der Annehmenden<br />
als Familiennamen. Eine Änderung des<br />
bestehenden Vornamens des Adoptivkindes ist dann<br />
möglich, wenn es dem Wohl des Kindes entspricht.<br />
INKOGNITO / offene ADOPTION<br />
Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, daß das Kind<br />
B<strong>lickpunk</strong>t I/<strong>98</strong><br />
inkognito bei den annehmenden Eltern lebt, es dürfen also keine<br />
Informationen von Amts wegen über das Kind herausgegeben<br />
werden ohne Genehmigung der Annehmenden oder des<br />
Kindes. Wünschen die Annehmenden keinerlei Kontakt zur<br />
abgebenden Familie, so kann nicht erzwungen werden, daß<br />
Informationen über das Kind herausgegeben werden. Vielfach<br />
wird heute jedoch praktiziert, daß sogenannte “offene<br />
Adoptionen” durch-geführt werden. Diese Adoption ist allerdings<br />
gesetzlich nicht geregelt, sondern unterliegt den freiwilligen<br />
Entscheidungen der Parteien. Dem steht also rechtlich auch<br />
nicht entgegen, daß den abgebenden Eltern der Aufenthalt und<br />
der Name des Kindes mitgeteilt wird, wenn die Annehmenden<br />
dies genehmigen. Mit der Inkognitoadoption werden<br />
Sperrvermerke nach dem Perso-nenstandsgesetz im<br />
Geburtenregister und in die Personenstandsbücher eingetragen.<br />
Einsicht haben nur Behörden, die Annehmenden, und das<br />
a n g e n o m m e n e K i n d , w e n n e s<br />
16 Jahre alt ist. Dennoch wird die Adoption aus tatsächlichen<br />
Gründen nicht nur der Adoptionsvermittlungsstelle, dem Notar<br />
und dem Vormundschaftsgericht bekannt, sondern einem grösseren<br />
Personenkreis, z.B. Entbindungsklinik, Standesämter,<br />
Schreibkräfte beim Notar, in Jugendamt und Gericht, Meldebehörden<br />
und anderen mehr. Ein vollständiges Inkognito kann also<br />
nicht gewahrt werden. Dem Kind jedoch wird spätestens mit<br />
Eheschließung die Adoption bekannt: Bei Prüfung des Eheverbotes,<br />
der Verwandtschaft und Schwägerschaft gemäß Ehegesetz.<br />
Für den juristischen Laien ist die rechtliche Seite der Adoption in<br />
keiner Weise ein Hindernis. Dadurch, daß die Adoptionsvermittlung<br />
von den Jugendämtern durchgeführt werden muß, ist hier<br />
in der Regel fachkundiges und geschultes Personal, das die annehmenden<br />
Eltern in jedem Stadium des Verfahrens beglei-tet.<br />
Somit werden den künftigen Adoptiveltern Hilfestellungen gegeben,<br />
welche Anträge gestellt werden müssen, wann der Gang<br />
zum Notar notwendig ist und wie das Verfahren vor dem<br />
Vormundschaftsgericht abläuft. Auch hier müssen annehmende<br />
Eltern keine Angst vor einem “Gerichtsverfahren“ haben. Diese<br />
Verhandlung läuft in Form einer Besprechung mit dem Richter<br />
ab, der sich mehr oder weniger nochmals ein<br />
persönliches Bild von den Annehmenden und<br />
Angenom-menem macht, bevor er die<br />
Entscheidung ausspricht. Insgesamt kann man<br />
sagen, daß das Adoptionsverfahren, ein minderjähriges<br />
Kind betreffend, aus juristischer Sicht keine<br />
Hinder-nisse bereitet.<br />
Rechtsanwalt Stefan Schnerr-Hiller, Stuttgart<br />
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