08.12.2012 Aufrufe

B lickpunk I/98 - Wunschkind eV

B lickpunk I/98 - Wunschkind eV

B lickpunk I/98 - Wunschkind eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Einwilligung des Kindes<br />

Beim geschäftsunfähigen Kind ist die Einwilligung des gesetzlichen<br />

Vertreters notwendig, also in der Regel die der Mutter oder<br />

des zuständigen Jugendamtes. Diese Einwilligung kann jedoch<br />

erst acht Wochen nach der Geburt des Kindes abgegeben werden.<br />

Dies ist eine Schutzvorschrift zugungsten der abgebenden<br />

Mutter, die nicht aus einer Verzweiflungssituation heraus das<br />

Kind unmittelbar nach der Geburt freigeben soll. Während dieser<br />

Zeit haben jedoch die annehmenden Eltern keinerlei gerichtlich<br />

durchsetzbaren “Anspruch auf das Kind”. Aus diesem<br />

Grund werden nicht selten Kinder während dieser Zeit zu<br />

speziell ausgesuchten Pflegefamilien gegeben, um hier, falls die<br />

Mutter nicht einwilligt, einen Konflikt zwischen annehmen-den<br />

Eltern und Mutter zu vermeiden. Die Einwilligung bedarf, wie<br />

auch die Annahmeerklärung, der öffentlichen Beurkundung, das<br />

heißt die Erklärungen müssen vor einem Notar abgegeben<br />

werden.<br />

Eine Besonderheit bei der Einwilligung der abgebenden Mutter<br />

bzw. des Vaters ist das sogenannte “Ersetzungsverfahren”: Hier<br />

kann auf Antrag des Kindes, also durch dessen gesetzlichen<br />

Vertreter, in diesen Fällen in der Regel der Amtsvormund, die<br />

Einwilligung ersetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn Mutter<br />

oder Vater ihre Pflichten gegenüber dem Kind gröblich verletzt<br />

haben oder durch ihr Verhalten gezeigt haben, daß ihnen das<br />

Kind gleichgültig ist und wenn das Unterbleiben der Annahme<br />

dem Kind zu unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde.<br />

Eine praktische Anwendung findet dieses Ersetzungsverfahren<br />

bei Kindern, deren Eltern sozial verelendet sind, sei es durch<br />

Krankheiten, Drogenmißbrauch oder ähnlichem und es dann zu<br />

einer totalen Verwahrlosung des Kindes kommen würde.<br />

Wenn nun beide notariellen Erklärungen, also Abgabe und Annahme<br />

des Kindes vorliegen, kann nach einer<br />

“Probezeit” (sogenannte Adoptionspflege) durch Beschluß des<br />

Vormundschaftsgerichtes die Annahme als Kind ausgesprochen<br />

werden, d.h.; das Kind ist nun adoptiert.<br />

Diese Adoption ist, anders als ein Pflegeverhältnis, endgültig.<br />

Eine “Rückadoption” kennt das Gesetz nicht. Vielmehr ist dies<br />

verboten. Hiermit soll bezweckt werden, daß ein bereits einmal<br />

angenommenes Kind nicht von Adoptiveltern zu Adoptiveltern<br />

weitergereicht wird. Durch die Adoption erhält das Kind die<br />

Rechtsstellung, wie das eines leiblichen Kindes, d.h. sämtliche<br />

bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse zur abgebenden Familie<br />

erlöschen, die zur annehmenden Familie leben auf. Dieses<br />

gilt auch für erbrechtliche Ansprüche. Das Kind kann nur noch<br />

Erbe bei den annehmenden Verwandten werden. Ebenso erlöschen<br />

Unterhaltsansprüche für und gegen die abgebenden Verwandten.<br />

Eine Ausnahme hiervon sind lediglich Ansprüche des<br />

Kindes auf Renten- oder Waisengeld, die vor der Annahme entstanden<br />

sind.<br />

Das Kind erhält nach der Adoption den Namen der Annehmenden<br />

als Familiennamen. Eine Änderung des<br />

bestehenden Vornamens des Adoptivkindes ist dann<br />

möglich, wenn es dem Wohl des Kindes entspricht.<br />

INKOGNITO / offene ADOPTION<br />

Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, daß das Kind<br />

B<strong>lickpunk</strong>t I/<strong>98</strong><br />

inkognito bei den annehmenden Eltern lebt, es dürfen also keine<br />

Informationen von Amts wegen über das Kind herausgegeben<br />

werden ohne Genehmigung der Annehmenden oder des<br />

Kindes. Wünschen die Annehmenden keinerlei Kontakt zur<br />

abgebenden Familie, so kann nicht erzwungen werden, daß<br />

Informationen über das Kind herausgegeben werden. Vielfach<br />

wird heute jedoch praktiziert, daß sogenannte “offene<br />

Adoptionen” durch-geführt werden. Diese Adoption ist allerdings<br />

gesetzlich nicht geregelt, sondern unterliegt den freiwilligen<br />

Entscheidungen der Parteien. Dem steht also rechtlich auch<br />

nicht entgegen, daß den abgebenden Eltern der Aufenthalt und<br />

der Name des Kindes mitgeteilt wird, wenn die Annehmenden<br />

dies genehmigen. Mit der Inkognitoadoption werden<br />

Sperrvermerke nach dem Perso-nenstandsgesetz im<br />

Geburtenregister und in die Personenstandsbücher eingetragen.<br />

Einsicht haben nur Behörden, die Annehmenden, und das<br />

a n g e n o m m e n e K i n d , w e n n e s<br />

16 Jahre alt ist. Dennoch wird die Adoption aus tatsächlichen<br />

Gründen nicht nur der Adoptionsvermittlungsstelle, dem Notar<br />

und dem Vormundschaftsgericht bekannt, sondern einem grösseren<br />

Personenkreis, z.B. Entbindungsklinik, Standesämter,<br />

Schreibkräfte beim Notar, in Jugendamt und Gericht, Meldebehörden<br />

und anderen mehr. Ein vollständiges Inkognito kann also<br />

nicht gewahrt werden. Dem Kind jedoch wird spätestens mit<br />

Eheschließung die Adoption bekannt: Bei Prüfung des Eheverbotes,<br />

der Verwandtschaft und Schwägerschaft gemäß Ehegesetz.<br />

Für den juristischen Laien ist die rechtliche Seite der Adoption in<br />

keiner Weise ein Hindernis. Dadurch, daß die Adoptionsvermittlung<br />

von den Jugendämtern durchgeführt werden muß, ist hier<br />

in der Regel fachkundiges und geschultes Personal, das die annehmenden<br />

Eltern in jedem Stadium des Verfahrens beglei-tet.<br />

Somit werden den künftigen Adoptiveltern Hilfestellungen gegeben,<br />

welche Anträge gestellt werden müssen, wann der Gang<br />

zum Notar notwendig ist und wie das Verfahren vor dem<br />

Vormundschaftsgericht abläuft. Auch hier müssen annehmende<br />

Eltern keine Angst vor einem “Gerichtsverfahren“ haben. Diese<br />

Verhandlung läuft in Form einer Besprechung mit dem Richter<br />

ab, der sich mehr oder weniger nochmals ein<br />

persönliches Bild von den Annehmenden und<br />

Angenom-menem macht, bevor er die<br />

Entscheidung ausspricht. Insgesamt kann man<br />

sagen, daß das Adoptionsverfahren, ein minderjähriges<br />

Kind betreffend, aus juristischer Sicht keine<br />

Hinder-nisse bereitet.<br />

Rechtsanwalt Stefan Schnerr-Hiller, Stuttgart<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!