THEMEN: Netzwerk Frauenforschung NRW JOURNAL Nr. 20/2006
THEMEN: Netzwerk Frauenforschung NRW JOURNAL Nr. 20/2006
THEMEN: Netzwerk Frauenforschung NRW JOURNAL Nr. 20/2006
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Veröffentlichungen<br />
Kontakt und Information<br />
Anke Bertsch<br />
Universität Duisburg-Essen,<br />
Campus Duisburg<br />
mail@ankebertsch.de<br />
Das Buch liefert einen wertvollen Beitrag zur<br />
Theoretisierung von Handlungsstrukturen, in denen<br />
Frauen sich bewegen, und konzentriert sich<br />
auf die vielfältigen Möglichkeiten, die Frauen ergreifen,<br />
um ihren Anforderungen und Wünschen<br />
im Alltag nachzukommen. Gleichsam werden Ansprüche<br />
formuliert, denen feministische Bildungsarbeit<br />
gegenwärtig und zukünftig unbedingt gerecht<br />
werden muss. Konkrete, handhabbare Umsetzungsempfehlungen,<br />
die konzeptionell in der<br />
Praxis entwickelt und umgesetzt werden können,<br />
werden nach meiner Einschätzung jedoch nicht<br />
genug explizit ausformuliert, sodass bei mir als<br />
Renate Nestvogel rezensiert:<br />
90 Journal <strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauenforschung</strong> <strong>NRW</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>06<br />
Schäfer, Rita (<strong>20</strong>05): Im Schatten der Apartheid. Frauen-<br />
Rechtsorganisationen und geschlechtsspezifische Gewalt in Südafrika.<br />
Münster: LIT Verlag., 480 S.<br />
Im Zentrum der vorliegenden Studie stehen<br />
"Wechselwirkungen von Gewalt, Geschlechterhierarchien<br />
und gesellschaftlichen Machtstrukturen"<br />
(S. 6). Die unterschiedlichen Formen, in denen<br />
Gewalt gegen Frauen und Mädchen auftritt,<br />
sind eng verflochten mit patriarchalen Strukturen<br />
und spezifischen Geschlechterkonstrukten, mit<br />
Männlichkeitskonzepten und kulturellen Legitimationsdiskursen.<br />
Diese wiederum variieren je<br />
nach herrschenden Interessen in unterschiedlichen<br />
Epochen und gesellschaftlichen Zusammenhängen.<br />
Sie sind strukturell und institutionell verankert<br />
und haben auf allen Ebenen gravierende<br />
Auswirkungen.<br />
Wie reagieren Frauen selbst auf diese Lage, und<br />
was passiert mit der Dynamik solcher Gewalttraditionen<br />
unter gesellschaftlich-politischen Umwälzungen,<br />
wenn sie unter einer neuen Rechtslage<br />
geächtet werden? Welche Auswirkungen hat<br />
die Gesetzgebung auf die verschiedenen Gewaltkontexte<br />
und wie bringen Frauen-Rechtsorganisationen<br />
sich hier ein?<br />
In diesem umfassenden Analyse-Setting verortet<br />
die Ethnologin Rita Schäfer ihre Fragen nach der<br />
spezifischen Gewalt, die Frauen und Mädchen in<br />
Südafrika erleben.<br />
Die hier angedeutete Komplexität potenziert sich<br />
quasi noch einmal, wenn man sich vor Augen führt,<br />
dass Südafrika ein Vielvölkerstaat ist, in dem jede<br />
Ethnie ihre eigene vorkoloniale und koloniale Geschichte<br />
hat, die jeweils vielfältige Beziehungen<br />
zu den anderen Ethnien aufweist, und dass die<br />
südafrikanische Gesellschaft bis heute mit dem<br />
problematischen Erbe des rassistischen Apartheids-Regimes<br />
konfrontiert ist. Dies bedeutet<br />
Leserin einige Erkenntniserwartungen noch offen<br />
bleiben.<br />
Schlussendlich kann festgestellt werden, dass die<br />
Lektüre der Studie zur intensiven Reflexion der eigenen<br />
Biographie mit ihren spezifischen Deutungsmustern<br />
anregt und eine entsprechende<br />
Kompetenz entwickeln hilft, obschon der durch<br />
die Theoretisierung sehr komplexe und abstrakte<br />
Sachverhalt in erster Linie einem wissenschaftlichen<br />
Fachpublikum vorbehalten zu sein scheint<br />
und zur weiteren Auseinandersetzung und Diskussion<br />
innerhalb der (Frauen-) Forschungsgemeinschaft<br />
inspirieren soll.<br />
auch, dass Frauen keine einheitliche Kategorie<br />
bilden, sondern bzgl. Alter, sozialer Herkunft, ökonomischer<br />
Situation (S. 7) sowie ethnischer Zugehörigkeit<br />
(Hautfarbe) unterschiedliche geschlechtsspezifische<br />
Gewalt erleben.<br />
Der Stand der Forschung umfasst, der komplexen<br />
Thematik entsprechend, neben Beiträgen der<br />
Sozialanthropologie auch solche aus der Geschichtswissenschaft,<br />
der Soziologie, der Politik-,<br />
Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften sowie<br />
der Agrar- und Entwicklungsforschung. Bis in die<br />
1990er Jahre stammt diese Forschung fast ausschließlich<br />
von Weißen, von denen einige burischnationalistisch-rassistische<br />
und andere eher liberale<br />
Positionen vertraten. Vor allem englischsprachige<br />
WissenschaftlerInnen verstanden ihre -<br />
auf marxistischen und oral history-Konzepten beruhende<br />
- Forschung ab den 1980er Jahren auch<br />
als Beitrag zum Widerstand gegen die Apartheids-<br />
Ideologie und brachten Geschlechteraspekte in<br />
Gesellschaftsanalysen ein. Ähnlich wie in den USA<br />
und Europa blieb der Aspekt der geschlechtsspezifischen<br />
Gewalt aber zunächst ausgeblendet. Historikerinnen<br />
afrikanischer Herkunft, die aufgrund<br />
der rassistischen Bildungspolitik des Apartheidregimes<br />
erst spät, ab den 1990er Jahren, Zugang<br />
zu höherer Bildung erhielten, lehnten allerdings<br />
"männliche Dominanz als übergreifendes<br />
Erklärungsmuster ab" (S. 17). Statt dessen<br />
wendeten sie sich Differenzen zwischen Frauen zu<br />
und untersuchten die Folgen der Apartheid-Politik<br />
für die Geschlechterverhältnisse. Manche von ihnen<br />
sprachen "weißen" Wissenschaftlerinnen<br />
auch die Legitimation ab, über andere Frauen zu<br />
forschen.