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THEMEN: Netzwerk Frauenforschung NRW JOURNAL Nr. 20/2006

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Ebenfalls parallel zur internationalen Forschung<br />

entstand eine Maskulinitätsforschung zum spezifischen<br />

südafrikanischen Kontext, die sich noch in<br />

den Anfängen befindet. Des Weiteren wird der<br />

Forschungsstand zu ländlichen und städtischen<br />

Gesellschaften, zu Frauen und Geschlechter-Verhältnissen<br />

im Wirtschaftsleben, in der Politik, im<br />

Bildungs- und Gesundheitssystem, in religiösen<br />

Diskursen, der Kunst sowie der Rechtsprechung<br />

referiert. Zu Letzterer interessiert die Verfasserin<br />

v. a., "inwieweit Frauen, die während der Apartheid<br />

rechtsunmündig waren und gegen diskriminierende,<br />

rassistische Gesetze kämpften, nun die<br />

neue Rechtslage nutzen können, um ihre Interessen<br />

zu vertreten und der grassierenden Gewalt<br />

Einhalt zu gebieten" (S. 42).<br />

Es folgen die vier Hauptteile der Arbeit: 1. Historische<br />

Kontexte der geschlechtsspezifischen Gewalt;<br />

2. Gender und Gewalt in verschiedenen<br />

Lebenswelten; 3. Frauenrechte und staatliche Institutionen;<br />

4. Frauen-Rechtsorganisationen.<br />

Der historische Teil I zeichnet chronologisch kolonial-ökonomische,<br />

soziale und rechtliche Entwicklungen<br />

ab Mitte des 17. Jahrhunderts nach.<br />

Die Verfasserin geht dabei auf die Interaktionen<br />

zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen (z.B.<br />

Khoikhoi, Zulu, Yhosa, Buren, Briten, Inder) und<br />

den verschiedenen Akteuren in der Kolonialgesellschaft<br />

(Siedler, Missionare, afrikanische<br />

Hausangestellte, Plantagen- und IndustriearbeiterInnen,<br />

Militär, Polizei, Beschäftigte im informellen<br />

Sektor etc.) ein und skizziert die Entwicklungen<br />

in den diversen Beschäftigungssektoren<br />

unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen<br />

Geschlechterverhältnisse. Deutlich wird dabei,<br />

welche komplexen Auswirkungen strukturelle<br />

Gewaltverhältnisse auf der persönlichen Ebene<br />

haben und wie begrenzt die Möglichkeiten einer<br />

(immer wieder auch organisierten) Gegenwehr<br />

waren. Der sich in der Apartheid (1948-1994) zuspitzende<br />

Rassismus bei gleichzeitig fortbestehender<br />

Geschlechterdiskriminierung führte dazu,<br />

dass "Weiße und schwarze Frauen […] Gemeinsamkeiten<br />

der Benachteiligung [teilten], obwohl<br />

weiße Frauen gleichzeitig aufgrund ihrer Hautfarbe<br />

von den umfangreichen Privilegien der Rassenherrschaft<br />

profitierten, d. h. sie waren im Vergleich<br />

zu nicht-weißen Frauen immer besser gestellt"<br />

(S. 68). Dies spiegelt sich in der rassistische<br />

Gewalt jeglicher Art legalisierenden Rechtssprechung,<br />

dem Bildungs- und Gesundheitssystem,<br />

den Gewerkschaften etc. wider.<br />

Das 2. Kapitel des I. Teils behandelt Maskulinität<br />

und Gewalt in der südafrikanischen Geschichte ab<br />

den ersten Jahrzehnten des <strong>20</strong>. Jahrhunderts. Die<br />

Verfasserin schildert die Lage in den Bergwerken,<br />

wo 1990 bis zu einer halben Million afrikanischer<br />

Männer unter entwürdigendsten Bedingungen ar-<br />

beiteten und lebten, und wie sich die Gewalt mit<br />

ihren Zwangsumsiedlungen und Landenteignungen<br />

in einer Brutalisierung nicht nur im Geschlechterverhältnis,<br />

sondern auch im Generationenverhältnis<br />

unter Männern niederschlug. Sie<br />

beschreibt den Einfluss von Medien auf Konstruktionen<br />

einer urbanen Männlichkeit sowie die Entstehung<br />

von "Gangs" und deren ambivalente Rolle<br />

zwischen staatlicher Gewalt und kriminellen<br />

(Über-)Lebensstrategien.<br />

Gewalttätige Kontrollmechanismen über Frauen<br />

seien dabei das letzte männliche Machtrefugium,<br />

"das ihnen das Apartheidssystem noch gelassen<br />

hatte […]. Aller anderen Machtbereiche im wirtschaftlichen,<br />

politischen und gesellschaftlichen<br />

Leben waren sie beraubt worden, obwohl diesen<br />

für den Aufbau männlicher Identität ein hoher<br />

Stellenwert zukam" (S. 99). Strukturell ähnlich,<br />

aber unter anderen Lebensbedingungen hielt sich<br />

auch unter den Weißen ein "konservatives, paternalistisches<br />

Männlichkeitsbild […], das in den<br />

Schulen eingeübt und durch die niederländischreformierte<br />

Kirche verfestigt wurde. Häusliche<br />

Gewalt, harte Körperstrafen für die Söhne und sexueller<br />

Missbrauch der Töchter zählten zu den<br />

auf Besitzdenken aufbauenden Männlichkeitsbildern"<br />

(S. 104). Auch Sport war im weißen Südafrika<br />

eng mit Gewalt und Maskulinität verflochten<br />

und stärkte das Dominanzdenken der Siedler.<br />

Im zweiten Teil der Studie werden die bereits skizzierten<br />

Stränge einzelner Gewaltaspekte differenziert<br />

nach geschlechtsspezifischen Gewaltformen<br />

und sodann in verschiedenen Lebenswelten<br />

der Städte sowie der ländlichen Regionen, für den<br />

Bildungs- und Gesundheitssektor, in den Religionen<br />

sowie der Kunst eingehend analysiert. Einleitend<br />

skizziert die Verfasserin Indikatoren der südafrikanischen<br />

Gewaltkultur, die im internationalen<br />

Vergleich durch die höchste Vergewaltigungsrate<br />

und die vierthöchste Mordrate sowie durch<br />

Wirtschaftskriminalität in großem Stil gekennzeichnet<br />

ist. Es folgen theoretische Überlegungen<br />

zu einem Gewaltbegriff, der Gewalthandeln als<br />

Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse<br />

und die einzelnen Gewaltformen "als Teil interdependenter<br />

und sich wechselseitig verstärkender<br />

Gewaltkontinuitäten und -dynamiken" (108)<br />

erfasst. Diese Ausführungen lassen eine erschrekkende,<br />

den Alltag prägende Gewalt in allen Facetten<br />

erkennen, die "die Mobilität, die Handlungsspielräume,<br />

Interaktionen sowie die beruflichen<br />

und wirtschaftlichen Möglichkeiten von Frauen<br />

und Mädchen drastisch beeinträchtigt, ihre Gesundheit<br />

und Persönlichkeit angreift und ihr Leben<br />

gefährdet" (S. 4).<br />

Dem steht, wie im dritten Teil zu Frauenrechten<br />

und staatlichen Institutionen dargelegt wird, seit<br />

1996 eine vorbildliche neue Verfassung gegen-<br />

Veröffentlichungen<br />

Journal <strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauenforschung</strong> <strong>NRW</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>06 91

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