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UH03-04-05-2016

"Unser Herzogtum" - Willkommen zuhause! - Ausgabe 4 Das Magazin für das Herzogtum Lauenburg.

"Unser Herzogtum" - Willkommen zuhause! - Ausgabe 4
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»Professor Dr. Christian J.P. Kattenstroth« lässt sich auf der<br />

Visitenkarte lesen, darunter seine neue Adresse in Ratzeburg.<br />

Der Künstler hat also studiert, seine Doktorarbeit<br />

gemacht und als Professor einen Lehrstuhl innegehabt. Das<br />

klingt erstmal nicht nach künstlerisch-kreativen Lebenswirren.<br />

»Ich bin ein halber Fisch«<br />

Auch sein Atelier im Westen Ratzeburgs wirkt arbeitsbereit,<br />

durchstrukturiert und ordentlich. Dort besuchen wir den<br />

Künstler, der gerade an einem neuen, großformatigen Bild<br />

arbeitet. »Ich kann schlecht im Chaos arbeiten«, sagt der<br />

freundliche Mann und lächelt. Die Sonne durchflutet den<br />

Raum, der Geruch von Pinselreiniger liegt schwer in der<br />

Luft. Im Gespräch zeigt sich Christian Kattenstroth als sehr<br />

aufgeräumte, nachdenkliche und auch humorvolle Persönlichkeit.<br />

25 Umzüge seien es allein als Student in Berlin<br />

gewesen. »Mit dem Handkarren, da passte alles Hab und<br />

Gut drauf. Als Student sucht man immer etwas Besseres!«,<br />

lacht er über die Zeit in den 60er Jahren.<br />

Geboren in Hamburg prägt den jungen Christian Kattenstroth<br />

schon bald das häufige kriegsbedingte Umziehen mit<br />

den Eltern. An seine ersten sieben Lebensjahre kann er sich<br />

nicht erinnern. Travemünde, Wien, Oberösterreich, Gütersloh<br />

sind nur einige Stationen in der Jugend. Abitur in Essen,<br />

um dann den Wehrdienst bei der noch jungen Marine<br />

abzuleisten. Wieder im Norden, wieder Wasser. »Ich bin ein<br />

halber Fisch«, sagt Kattenstroth.<br />

Ballettübungen bei der Marine unter<br />

Deck<br />

Der eigene Lebenstraum war das Balletttanzen. Seine Tanzübungen<br />

setzte er auch bei der Marine fort. »Unter Deck<br />

natürlich«, lächelt er. Intensive Vorbereitung für die Prüfung<br />

an der Hamburger Ballettschule. »Dort bin ich durchgefallen<br />

und der Traum vom Ballett war damit für mich<br />

erledigt!«, sagt Kattenstroth, ohne dass seine Stimme dabei<br />

verbittert klingt. Das zweite große Interesse galt der bildenden<br />

Kunst, Zeichnung und Malerei. Ohne Bewerbungsmappe,<br />

ohne einen Studienplatz zu haben, ging der junge<br />

Christian Kattenstroth mutig zur Hochschule für bildende<br />

Künste Hamburg. »Versuch´s mal bei Hundertwasser!«,<br />

hörte er dort. Friedensreich Hundertwasser war damals in<br />

Hamburg als Gastdozent tätig. »Ja, setzen sie sich da hin<br />

und machen sie einfach«, erinnert sich Kattenstroth an die<br />

Begrüßung durch Hundertwasser. Dort und in einer Ateliergemeinschaft<br />

an der Hamburger Moorweide entstanden<br />

zwei vorzeigbare Mappen. In Hamburg gab es wieder eine<br />

Ablehnung, in Berlin einen Platz. Allerdings nicht für das<br />

Wunschfach »freie Kunst«, sondern als Kunsterzieher.<br />

Studium, Assessor des Lehramtes, wissenschaftlicher Assistent<br />

mit dem Hauptthema Zeichnen und Malerei waren der<br />

Weg in Berlin. Zwischendurch eine Zeit als Kunsterzieher<br />

am Gymnasium Geesthacht. 1974 der Ruf nach Reutlingen<br />

(Baden-Württemberg). Dort Dozent, ein Jahr später die Professur<br />

(ästhetische Erziehung) und »nebenbei« in Hamburg<br />

bei Gunter Otto promoviert. Ludwigsburg und immer mal<br />

wieder Stuttgart waren weitere Wohnorte, bedingt durch<br />

die akademische Laufbahn. Über die vielen Jahre, die er an<br />

verschiedenen Standorten im »Ländle« verbrachte, sagt er<br />

heute: »Das war kulturell ein echter Absturz!«<br />

»Mit der Pantomime habe ich gefunden, was eigentlich<br />

meins ist. – Ballett geht nach oben, Pantomime erdet«, sagt<br />

Christian Kattenstroth über eine weitere Säule seines Lebens.<br />

»In Chicago habe ich Workshops mitgemacht und viel<br />

Straßen-Pantomime. In den Schwarzenvierteln habe ich am<br />

meisten Geld verdient«, so der vielseitige Künstler. Immer<br />

wieder Reisen nach Frankreich an die Mittelmeerküste,<br />

Theaterkurse in Köln gegeben, Trommelkurse in der afrikanischen<br />

Wüste mitgemacht. Gründung eines experimentellen<br />

Theaters in Köln. Je mehr der Mensch Kattenstroth<br />

über die Hintergründe der häufigen Wohnortwechsel verrät,<br />

umso mehr lässt sich von seiner künstlerischen Radikalität<br />

im Umgang mit sich selbst, seinen eigenen Lebensentwürfen<br />

und der Parallelität von Kunst auf den verschiedenen<br />

Ebenen spüren.<br />

Fast beiläufig erwähnt Christian Kattenstroth die Bedeutung<br />

von Musik in seinem Leben. In der Tat ist die Musik<br />

eine weitere wichtige Säule. Kattenstroth nennt den Geigenunterricht,<br />

den er im Alter von elf Jahren im elterlichen<br />

Haus aufnahm, einen »Teil der bürgerlichen Erziehung«. In<br />

Essen spielte er im Jugend-Symphonieorchester, in Berlin<br />

war er Mitglied eines Streicher-Trios und eines – Quartetts.<br />

Solo-Stücke von Bach gehörten zu seinem Repertoire. 1982<br />

war Schluss mit der Geige. Zu einem Theater-Workshop am<br />

Rande der Negev-Wüste in Israel hatte er sein Instrument<br />

mitgebracht. Der Wind brachte die Saiten zum Schwingen.<br />

»Ich habe nur gegriffen und keinen Bogen benutzt«, sagt<br />

Kattenstroth, »es entstand echte Sphärenmusik mit vielen<br />

Ober- und Untertönen«. Diese Töne haben ihn so beeindruckt,<br />

dass er das eigene Bespielen des Instrumentes einstellte:<br />

»Jetzt reicht´s, jetzt ist es gut!«<br />

20<strong>04</strong> lag im Atelier eines befreundeten Bildhauers in Stuttgart<br />

ein Saxophon herum. »Probier mal! Hat ein Freund<br />

hier gelassen, der braucht das nicht mehr«, hieß es. Christian<br />

Kattenstroth probierte und fand etwas. »Saxophon ist<br />

mein Instrument. Es ist für mich die Möglichkeit, sich von<br />

Gedanken lösen zu können, zu vergessen, eine Art, etwas<br />

auszublenden«, sagt er. »Wenn der Ton erklingt, ist nur noch<br />

die Musik präsent. Ich habe das Instrument 50 Jahre zu spät<br />

kennengelernt, aber jetzt bin ich zu 150 Prozent dabei.« Unterricht<br />

nimmt er und freundet sich musikalisch gerade mit<br />

einer Combo in Lübeck an.<br />

Geordnetes chaos<br />

»Ich kann schlecht im Chaos arbeiten«,<br />

sagt der Künstler von sich selbst.<br />

Kontakt zum Künstler Christian J.P. Kattenstroth<br />

bekommen sie zum Beispiel über seine Internetseite<br />

www.kattkunst.de<br />

»Ich komme immer wieder<br />

auf die Natur zurück«<br />

Mittelpunkt des Schaffens aber sind und bleiben<br />

Malerei und Zeichnen. Nach dem Ende der akademischen<br />

Laufbahn 2002 und den dann verstärkten<br />

Ausstellungsaktivitäten spricht er heute<br />

von »hauptberuflicher Malerei«. Einige seiner<br />

bunten und lebhaften Bilder waren in diesem<br />

Frühjahr bereits im Ratzeburger Rathaus zu sehen.<br />

»Ich komme immer wieder auf die Natur<br />

zurück«, sagt der Künstler. »Die abstrakte Ebene<br />

brauche ich, wenn ich wirklich starke Gefühle<br />

ausdrücken will. Und über die Abstraktion bin<br />

ich zur Farbe gekommen«, so weiter. Der Großteil<br />

seiner Werke lagert derzeit noch in seinem Atelier<br />

zwischen Stuttgart und Göppingen. Etwa 20%<br />

seiner Werke hat er bislang mit nach Ratzeburg<br />

genommen. »Ich musste wieder in den Norden<br />

kommen«, sagt Christian Kattenstroth. »Es<br />

musste ein Altbau sein wegen der Deckenhöhe<br />

und ich brauche helle Räume«. In Ratzeburg fühlt<br />

er sich zuhause: »Ich bin sehr froh, dazwischen zu<br />

sein, nahe an der Kultur, aber nicht mittendrin«.<br />

Den »wunderbaren« Dom erwähnt Kattenstroth,<br />

den Lauenburgischen Kunstverein und den Verein<br />

»Jazz in Ratzeburg«. Das Ende der vielen<br />

Umzüge vielleicht? Künstlerisch zumindest<br />

»nein«; das Gebäude, in dem heute sein Ratzeburger<br />

Atelier untergebracht ist, kann nur noch<br />

kurze Zeit genutzt werden. Es steht einem Umbau<br />

im Wege. »Ich suche dringend neue Atelierräume<br />

in Ratzeburg oder Umgebung!«, sagt er bei<br />

der Verabschiedung, »bitte alles anbieten!«<br />

Christian Kattenstroth lächelt freundlich, greift<br />

zu einem Pinsel und setzt seine Arbeit am neuen<br />

Bild fort. Vielen Dank für den kleinen Einblick.<br />

UH<br />

24 Unser Herzogtum Herbst <strong>2016</strong> Unser Herzogtum Herbst <strong>2016</strong><br />

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