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taSte<br />
Auf<br />
seinen T-Shirts stehen Dinge wie<br />
„Death Happens“, für Fotografen trägt<br />
er gern seine – tätowierte! – nackte Haut<br />
zu Markte und posiert immer wieder mit<br />
blanken Klingen und gigantischen<br />
Amazonas-Fischen. Ein harter Hund?<br />
Von wegen. In São Gabriel da Cachoeiras,<br />
einem winzigen Dorf am Rio Negro,<br />
nahe der Grenze zu Kolumbien,<br />
bekommt Alex Atala Muffensausen, als<br />
ihm eine Indio-Frau eine Schüssel mit<br />
einer dunklen Sauce reicht. Die braune<br />
Pampe wimmelt von Ameisen. Doch der<br />
Rockstar unter Lateinamerikas Köchen<br />
reißt sich zusammen. Er kostet – und ist<br />
elektrisiert. Atala schmeckt Aromen von<br />
Zitronengras und Ingwer und will der<br />
Köchin Ingredienzien entlocken. Doch<br />
die antwortet: „Da sind nur Ameisen<br />
drin.“ Und Alex Atala ahnt einen neuen<br />
Hit. Und tatsächlich. Als er wenige<br />
Wochen später die Amazonas-Ameisen,<br />
die so intensiv nach asiatischen Gewürzen<br />
schmecken, auf einem Stück Ananas<br />
in seinem Restaurant „D.O.M.“ in São<br />
Paulo serviert, sind Gäste und Foodkritiker<br />
fasziniert.<br />
Wegen solcher und ähnlicher<br />
erfolgreicher Experimente gilt Atala als<br />
der Vater des kulinarischen Tropicalismo,<br />
der europäische Küchentechniken<br />
mit lokalen Produkten aus der schier<br />
„Wenn Kaviar<br />
schick sein soll<br />
und Tucupí nicht,<br />
dann deshalb,<br />
weil es mir<br />
jemand einredet“<br />
endlosen biologischen Vielfalt Brasiliens kombiniert. Sein „D.O.M.“ in São Paulo liegt aktuell<br />
auf Platz 11 der „50 Best Restaurants of the <strong>World</strong>“-Liste; als einziger Koch in Brasilien ist er<br />
mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. René Redzepi vom Kopenhagener „Noma“ nennt<br />
ihn einen „Giganten unter den Spitzenköchen“.<br />
Nicht schlecht für einen, der eigentlich Punkrocker werden wollte und eher „aus<br />
Versehen“ zum Kochen kam. „Ich spielte in einer Band, aber ich war lausig.“ Als Sohn einer<br />
Näherin und eines Arbeiters in der Gummiindustrie wuchs er in einem Arbeiterviertel der<br />
brasilianischen Hauptstadt auf. Mit 15 zog er zu Hause aus, schlug sich als DJ und mit<br />
Gelegenheitsjobs in der Clubszene durch. Mit 18 packte er seinen Rucksack und reiste nach<br />
Europa: „Das war meine harte Phase, ich habe zu viele Drogen genommen und einige<br />
schlimme Dinge getan.“<br />
In Belgien hielt er sich als Anstreicher über Wasser, doch es gab ständig Probleme mit der<br />
Aufenthaltsgenehmigung. Ein Kollege gab ihm den Tipp, sich an der Hotelfachschule in<br />
Namur einzuschreiben, dann wäre er seine Visumprobleme los. „Ich war ein rothaariger<br />
Punk aus Brasilien mit zu vielen Tattoos“, erinnert er sich, „Koch war nicht gerade mein<br />
Traumjob.“ Doch dann machte ihm der Job am Herd richtig Spaß. Nach der Ausbildung blieb<br />
er in Europa, kochte in Restaurants in Italien und Frankreich. 1994, nach der Geburt seines<br />
Sohnes Pedro, kehrte er nach Brasilien zurück: „Wir lebten damals in Mailand. Aber ich<br />
wollte keinen italienischen Sohn, ich wollte einen brasilianischen Sohn.“<br />
Als Atala daheim zum ersten Mal wieder an den Strand fuhr und mit<br />
seinem kleinen Jungen im Meer badete, wusste er, er war angekommen:<br />
„Brasilien, das ist meine Seele. Meine Wahrheit.“ Atala arbeitete in einem<br />
französischen Restaurant, eines Tages gab es Streit mit dem Küchenchef.<br />
„Du wirst nie so gut französisch kochen wie ich“, warf ihm der Franzose an den Kopf.<br />
„Stimmt“, konterte Atala, „aber du wirst nie so gut brasilianisch kochen wie ich.“ Am<br />
nächsten Tag entwickelte er ein Gericht, das so etwas wie sein Markenzeichen wurde – und<br />
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