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Traveller's World Heft 37

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taSte<br />

Auf<br />

seinen T-Shirts stehen Dinge wie<br />

„Death Happens“, für Fotografen trägt<br />

er gern seine – tätowierte! – nackte Haut<br />

zu Markte und posiert immer wieder mit<br />

blanken Klingen und gigantischen<br />

Amazonas-Fischen. Ein harter Hund?<br />

Von wegen. In São Gabriel da Cachoeiras,<br />

einem winzigen Dorf am Rio Negro,<br />

nahe der Grenze zu Kolumbien,<br />

bekommt Alex Atala Muffensausen, als<br />

ihm eine Indio-Frau eine Schüssel mit<br />

einer dunklen Sauce reicht. Die braune<br />

Pampe wimmelt von Ameisen. Doch der<br />

Rockstar unter Lateinamerikas Köchen<br />

reißt sich zusammen. Er kostet – und ist<br />

elektrisiert. Atala schmeckt Aromen von<br />

Zitronengras und Ingwer und will der<br />

Köchin Ingredienzien entlocken. Doch<br />

die antwortet: „Da sind nur Ameisen<br />

drin.“ Und Alex Atala ahnt einen neuen<br />

Hit. Und tatsächlich. Als er wenige<br />

Wochen später die Amazonas-Ameisen,<br />

die so intensiv nach asiatischen Gewürzen<br />

schmecken, auf einem Stück Ananas<br />

in seinem Restaurant „D.O.M.“ in São<br />

Paulo serviert, sind Gäste und Foodkritiker<br />

fasziniert.<br />

Wegen solcher und ähnlicher<br />

erfolgreicher Experimente gilt Atala als<br />

der Vater des kulinarischen Tropicalismo,<br />

der europäische Küchentechniken<br />

mit lokalen Produkten aus der schier<br />

„Wenn Kaviar<br />

schick sein soll<br />

und Tucupí nicht,<br />

dann deshalb,<br />

weil es mir<br />

jemand einredet“<br />

endlosen biologischen Vielfalt Brasiliens kombiniert. Sein „D.O.M.“ in São Paulo liegt aktuell<br />

auf Platz 11 der „50 Best Restaurants of the <strong>World</strong>“-Liste; als einziger Koch in Brasilien ist er<br />

mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. René Redzepi vom Kopenhagener „Noma“ nennt<br />

ihn einen „Giganten unter den Spitzenköchen“.<br />

Nicht schlecht für einen, der eigentlich Punkrocker werden wollte und eher „aus<br />

Versehen“ zum Kochen kam. „Ich spielte in einer Band, aber ich war lausig.“ Als Sohn einer<br />

Näherin und eines Arbeiters in der Gummiindustrie wuchs er in einem Arbeiterviertel der<br />

brasilianischen Hauptstadt auf. Mit 15 zog er zu Hause aus, schlug sich als DJ und mit<br />

Gelegenheitsjobs in der Clubszene durch. Mit 18 packte er seinen Rucksack und reiste nach<br />

Europa: „Das war meine harte Phase, ich habe zu viele Drogen genommen und einige<br />

schlimme Dinge getan.“<br />

In Belgien hielt er sich als Anstreicher über Wasser, doch es gab ständig Probleme mit der<br />

Aufenthaltsgenehmigung. Ein Kollege gab ihm den Tipp, sich an der Hotelfachschule in<br />

Namur einzuschreiben, dann wäre er seine Visumprobleme los. „Ich war ein rothaariger<br />

Punk aus Brasilien mit zu vielen Tattoos“, erinnert er sich, „Koch war nicht gerade mein<br />

Traumjob.“ Doch dann machte ihm der Job am Herd richtig Spaß. Nach der Ausbildung blieb<br />

er in Europa, kochte in Restaurants in Italien und Frankreich. 1994, nach der Geburt seines<br />

Sohnes Pedro, kehrte er nach Brasilien zurück: „Wir lebten damals in Mailand. Aber ich<br />

wollte keinen italienischen Sohn, ich wollte einen brasilianischen Sohn.“<br />

Als Atala daheim zum ersten Mal wieder an den Strand fuhr und mit<br />

seinem kleinen Jungen im Meer badete, wusste er, er war angekommen:<br />

„Brasilien, das ist meine Seele. Meine Wahrheit.“ Atala arbeitete in einem<br />

französischen Restaurant, eines Tages gab es Streit mit dem Küchenchef.<br />

„Du wirst nie so gut französisch kochen wie ich“, warf ihm der Franzose an den Kopf.<br />

„Stimmt“, konterte Atala, „aber du wirst nie so gut brasilianisch kochen wie ich.“ Am<br />

nächsten Tag entwickelte er ein Gericht, das so etwas wie sein Markenzeichen wurde – und<br />

Traveller‘s <strong>World</strong> 149

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