DEIN MÜNCHEN _ NO LIMITS! Magazin 01
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REA LITät | Was geht ab an Münchner Mittelschulen<br />
schaffen.“ Aber Daniels Mutter ist alleinerziehend,<br />
und wenn sie nach ihrem Fulltime-Job abends um<br />
halb sechs nach Hause kommt, dann will sie ihre<br />
Ruhe und ganz sicher nicht mit Schulkram genervt<br />
werden.<br />
Daniel, Bina, Vanessa, Erik – sie haben es längst<br />
aufgegeben, an eine gute Zukunft für sich zu<br />
glauben; sie wissen, dass sie im bayrischen<br />
Bildungszug die rote Laterne halten, weil sie es nicht<br />
geschafft haben, aufs Gymnasium oder wenigstens<br />
zur Realschule zu gehen. Und sie trösten sich<br />
auch nicht mit dem bildungspolitischen Sprach-<br />
Euphemismus, der die Hauptschule zur Mittelschule<br />
etikettiert hat. Für sie ist es die Restschule.<br />
Und sie selbst der Rest der Gesellschaft. Ihr<br />
Selbstbewusstsein ist im Keller.<br />
Und weil niemand mit diesem Gefühl gut leben<br />
kann, geben die einen sich cool, spielen den starken<br />
Max, pöbeln und prügeln. Die anderen verfallen<br />
in demonstratives Desinteresse an allem, was<br />
irgendwie mit Schule zu tun hat und ziehen so die<br />
wenigen, die einen guten Abschluss machen wollen,<br />
auch noch runter.<br />
Mit den Eltern reden? Meist sinnlos. Schulleiter<br />
Andreas Wagner: „Die überwiegende Anzahl unserer<br />
Schüler kommt aus einem sozial schwierigen<br />
Umfeld. Manche Schüler wachsen in Familien auf,<br />
in denen schon die dritte Generation von Sozialhilfe<br />
lebt.“<br />
Einer von ihnen ist Julian. Seine Eltern haben<br />
sich getrennt, die Mutter liegt bis mittags im Bett.<br />
Statt Interesse und Wertschätzung bekommt<br />
Julian Prügel. Als seine Klassenlehrerin Brigitte<br />
Hofer ihre Schüler einmal fragte, welchen Beruf<br />
sie denn einmal ergreifen wollen, sagte Julian:<br />
Panzerkommandant.<br />
Dass an Hauptschulen der Anteil von Schülern mit<br />
Migrationshintergrund extrem hoch ist – in München<br />
mitunter 80 Prozent, im Umland oft 50 Prozent –<br />
erschwert die Situation zusätzlich. Wobei allerdings<br />
Flüchtlingskinder oft hoch motiviert sind. Elke Müller,<br />
die Deutsch als Zweitsprache unterrichtet: „Kinder<br />
aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea wollen einmal<br />
einen guten Beruf lernen. Die meisten träumen<br />
davon, nach einer guten Ausbildung in ihre Heimat<br />
zurückzukehren.“ Gut möglich, dass sie dort, wenn<br />
einmal Frieden herrscht, gute Chancen haben.<br />
Darauf freuen sie sich. Daniel, Bina, Vanessa oder<br />
Erik wüssten nicht, warum sie sich auf ihre berufliche<br />
Zukunft freuen sollten.<br />
Werner Dahlmann<br />
<strong>NO</strong> <strong>LIMITS</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>01</strong><br />
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