pflegenetzmagazin01_16
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AUSGABE 01/<strong>16</strong><br />
pflegenetz<br />
Das Magazin für die Pflege<br />
www.wundplattform.at<br />
"Gemeinsam sind<br />
wir stark"<br />
RUDOLF HUNDSTORFER<br />
IM INTERVIEW<br />
www.pflegenetz.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 1<br />
Das Fachmagazin für Praxis, Ausbildung, Management und Wissenschaft im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege | € 7,– | Februar 20<strong>16</strong> | 15. Jahrgang | ISSN 1726-7250
Austrian<br />
Wound Management<br />
(Weiterbildung gemäß § 64 GuKG „Wundmanagement“)<br />
Durch integratives Wundmanagement wird die medizinische<br />
Versorgung individuell auf die Betroffenen<br />
abgestimmt. Da der Bedarf an hochqualifizierten Wundmanagern<br />
stetig steigt, wurde die Sunmed Akademie<br />
gegründet.<br />
In unserem modernst ausgestatteten Schulungszentrum<br />
bieten wir eine profunde Weiterbildung gemäß § 64<br />
GuKG, Wundmanagement, an.<br />
Pflege bei Demenz<br />
(Weiterbildung „Pflege bei Demenz”<br />
lt. §§ 64 und 104a GuKG)<br />
Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz und die<br />
Begleitung von Angehörigen ist für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
eine große Herausforderung. Eine Demenzerkrankung,<br />
einhergehend mit kognitivem Abbau, fortschreitendem<br />
Verlust der Selbstständigkeit und vielfältigen Verhaltensveränderungen<br />
erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und die Fähigkeit<br />
zur Umsetzung in die jeweilige Pflegepraxis. Diesen<br />
Anforderungen wurde bisher in der Ausbildung und Weiterbildung<br />
von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Pflege- und Betreuungsbereich<br />
nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Etablierung<br />
der Weiterbildung „Pflege bei Demenz“ soll diese<br />
Bildungslücke schließen.<br />
2 pflegenetz 01/<strong>16</strong><br />
Sunmed-Akademie<br />
Jochen-Rindt-Straße 25/2. Stock A-1230 Wien<br />
Telefon: 01/699 22 99 Fax: 01/253 3033 2464<br />
Internet: akademie.sunmed.at Email: akademie@sunmed.at
NACHTIGALLS POLEMIKEN<br />
Was wir haben – ein Lob der<br />
Praxisanleiterinnen und<br />
Praxisanleiter<br />
Pflegende verfügen nicht gerade über endlose Zeitressourcen. Im Gegenteil,<br />
sie sind enden wollend und chronisch knapp. Allerdings darf<br />
das Fach sich eines Systems rühmen, in dem neben der theoretischen<br />
Ausbildung auch die praktische Anleitung etabliert und damit selbstverständlich<br />
ist.<br />
Einmal davon abgesehen, dass auch hier stets verbessert werden kann<br />
und teils auch werden muss: wir sprechen mit derselben Selbstverständlichkeit<br />
von praktischer Anleitung durch Lehrende wie wir von<br />
Praxisanleitung durch erfahrene Praktikerinnen und Praktiker sprechen.<br />
Und denen sei hier und heute ein riesiges, großes und dickes<br />
Lob ausgesprochen.<br />
Ihre Nachtigall flattert nicht nur auf Seite 3 des pflegenetz.magazin,<br />
sondern auch durch die Pflegelandschaft. Und weiß, dass Auszubildende<br />
Beurteilungsbögen und Kompetenzkataloge mitbringen, die durchgesehen<br />
und geführt werden wollen, samt Erst-, Zwischen- und Endgespräch.<br />
Dass die Lernenden und Studierenden Fragen stellen, dass<br />
sie als Anfängerinnen und Anfänger auf Stationen und Stützpunkte<br />
kommen, dass sie begleitet und angeleitet werden wollen. Und dass<br />
sie es auch werden. Durch Pflegende, die sich neben Stationsabläufen,<br />
Visiten, eben dem bunten, oft hektischen Pflegealltag auch der<br />
Weitergabe ihres Wissens und Könnens an die neuen Generationen<br />
Pflegender widmen. Dass sie mit Ausbildungseinrichtungen Rücksprache<br />
halten, dass sich Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter treffen, um<br />
sich auszutauschen, dass sie sich weiterbilden. Dass sie ein offenes Ohr<br />
haben, und dass sie neben der pflegerischen Tätigkeit auch eine pädagogische<br />
ausüben. Und was für Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter<br />
gilt, gilt häufig fast genauso für andere Praktikerinnen und Praktiker.<br />
Ihnen allen ein Dank. Der Blick darf nicht immer nur dem gelten, was<br />
wir (noch) bräuchten, sondern muss sich durchaus auch auf das richten,<br />
was wir haben, meint<br />
10 | .special<br />
Bedürfnisse von Männern mit Brustkrebs<br />
Eine Analyse, die mehr als ein<br />
Fragebogen-Instrument erfordert<br />
14 | .intensiv(e)pflege<br />
Delir erkannt – Gefahr gebannt<br />
Projekt für interne Stationen eines Akutkrankenhauses<br />
18 | .extra<br />
Impressions from Thailand – Einblicke in das<br />
Ausbildungs- und Pflegesystem<br />
Erfahrungsbericht<br />
22 | .pflege.assistenz<br />
Ein Schatz, den man heben muss<br />
Diversität in der Ausbildung zur Pflegehilfe bzw. zur Fachsozialbetreuerin<br />
und zum Fachsozialbetreuer<br />
26 | .bildung<br />
Zu allem fähig, und das sofort<br />
Oder: gut, dass es kein Pflege-PISA gibt<br />
28 | .care<br />
Mit Wohn-Pflegegemein schaften auf dem Weg zu einer<br />
geschlechtergerechteren Organisation von Pflege und<br />
Betreuung<br />
Ergebnisse einer qualitativen Studie<br />
32 | .plus<br />
Change Agents Wanted<br />
Ein Erfahrungsbericht<br />
4 | .coverstory<br />
"Gemeinsam sind wir stark" –<br />
Rudolf Hundstorfer im Interview<br />
Ihre Nachtigall<br />
MAILEN SIE MIR IHRE MEINUNG:<br />
NACHTIGALL@PFLEGENETZ.AT<br />
DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM APRIL 20<strong>16</strong>.<br />
UNSER REDAKTIONSTEAM:<br />
ES UNTERSTÜTZEN UNS:<br />
Claudia Kastner-Roth, Susanne Speigner, Esther Matolycz, Brigitte Blüthl, Martin Wallner Philipp Sandpeck, Richard Varadappa<br />
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GmbH, Druckweg 1, 7210 Mattersburg. Preis: Einzelverkauf: 7,- , Abonnement: 25,- (exkl. USt.), Abo-Bestellung unter: abo@pflegenetz.at. Bankverbindung: Erste Bank, IBAN: AT 882011128326410000,<br />
BIC: GIBAATWW. Verlags- und Erscheinungsort: Wien. Redaktionelle Leitung: Susanne Speigner, susanne.speigner@medical-update.net. Redaktion: Claudia Kastner-Roth, claudia.<br />
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Redaktion pflegenetz, c/o Medical Update, Marketing & Media GmbH, Baumeistergasse 32/5/1, 1<strong>16</strong>0 Wien.<br />
Erklärung über die grundlegende Richtung (Blattlinie): Das pflegenetz.magazin versteht sich als praxisrelevantes Fachmedium, welches zu einer lebendigen, innovativen und selbstbewussten Pflegelandschaft<br />
in Österreich beiträgt. Namentlich gezeichnete Artikel, Leser/innenbriefe und sonstige Beiträge sind die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung der Verfasser/innen und müssen<br />
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Einschaltungen gemäß § 26 des Mediengesetzes. Die darin enthaltenen Angaben und Aussagen liegen in der Verantwortlichkeit der jeweiligen Auftraggeber/innen. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Nachdruck nur mit Quellenangabe und schriftlicher Genehmigung.
pflegenetz.coverstory<br />
"Gemeinsam sind wir stark"<br />
Rudolf Hundstorfer im Interview<br />
INTERVIEW VON CLAUDIA KASTNER-ROTH.<br />
FOTOS VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Sehr geehrter Herr Bundesminister Rudolf<br />
Hundstorfer!<br />
Wir freuen uns sehr, dass Sie sich die Zeit<br />
nehmen, unsere Fragen zu beantworten!<br />
Zuerst erlauben Sie mir, Ihnen vorab unseren<br />
Dank für Ihre Arbeit und die Ihres<br />
Teams rund um die Betreuung von Flüchtlingen/Vertriebenen<br />
auszusprechen. Insbesondere<br />
alle Bestrebungen nach Integration<br />
in beruflicher und sozialer Hinsicht<br />
erachten wir nicht nur als Hilfe für die<br />
Betroffenen, sondern als Chance für unser<br />
Land.<br />
Als „Bundesminister für Arbeit, Soziales<br />
und Konsumentenschutz“ (Stand Dezember<br />
2015) sind Sie mit vielen Herausforderungen,<br />
die Menschen sehr persönlich<br />
betreffen (z.B. Zielpunkt, uvm.), konfrontiert.<br />
Wie geht es Ihnen als Person damit?<br />
Welche Strategien helfen Ihnen, das Leid<br />
und den Druck zu bewältigen?<br />
Es ist keine Strategie, sondern einfach die<br />
Freude an dem Beruf und die unzähligen<br />
positiven Rückmeldungen der Personen,<br />
mit denen ich in Kontakt komme. Es ist<br />
schön, viele unterschiedliche Menschen<br />
zu treffen, über ihre persönlichen Sorgen<br />
und Anliegen zu sprechen und ihnen bei<br />
der Bewältigung dieser helfen zu können.<br />
Ihr Ressort beschäftigt sich nicht nur mit<br />
Gender-Mainstreaming, sondern hat ergänzend<br />
eine männerpolitische Grundsatzabteilung<br />
etabliert. Sehen Sie die<br />
Ziele dieser Grundsatzabteilung schon in<br />
der Bevölkerung angekommen? Welchen<br />
Auftrag sehen Sie in diesem Bezug für Angehörige<br />
des gehobenen Dienstes für Gesundheits-<br />
und Krankenpflege?<br />
Wichtige Ziele sind beispielsweise: mehr<br />
männliche Jugendliche ergreifen einen<br />
männeruntypischen Beruf wie z.B. im Pflege-<br />
und Erziehungsbereich, Männer übernehmen<br />
mehr Verantwortung in der unbezahlten<br />
Betreuungs- und Haushaltsarbeit<br />
und Männer leben gesünder und länger.<br />
Wir sehen in allen drei Bereichen Fortschritte,<br />
aber es gibt auch noch viel zu tun: beim<br />
Boys Day können Schüler in Pflege- und<br />
Erziehungsberufe schnuppern. Der Boys<br />
Day erfreut sich von Jahr zu Jahr steigender<br />
Beliebtheit. Es werden so Hemmschwellen<br />
abgebaut, damit künftig mehr Männer in<br />
die Gesundheits- und Krankenpflege gehen.<br />
Wir sehen steigende Männerbeteiligung<br />
bei der Haushaltsarbeit – Anfang der 80er<br />
Jahre beteiligte sich weniger als ein Viertel<br />
der Männer an Haushaltsarbeit, jetzt sind<br />
es drei Viertel. Auch nehmen Männer mehr<br />
Betreuungsaufgaben wahr, beispielsweise<br />
wird die Väterkarenz stärker in Anspruch<br />
genommen und Männer wollen mehr Zeit<br />
mit ihren Kindern verbringen und weniger<br />
arbeiten. Trotzdem werden noch immer<br />
zwei Drittel der unbezahlten Arbeit von<br />
Frauen und nur ein Drittel wird von Männern<br />
geleistet, während die Männer mehr<br />
Erwerbsarbeit leisten. Mit einem EU-geförderten<br />
Projekt wollen wir in den nächsten<br />
beiden Jahren im Sinne der Gleichstellung<br />
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für<br />
Männer thematisieren und propagieren.<br />
Die Anliegen pflegender Angehöriger obliegen<br />
Ihnen in der politischen Verantwortung.<br />
Sehen Sie hier eine Notwendigkeit<br />
einer (zu vertiefenden) Kooperation mit<br />
Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen?<br />
Wie erleben Sie diese?<br />
Ich möchte gleich eingangs erwähnen,<br />
dass schon seit vielen Jahren eine sehr<br />
erfolgreiche Kooperation mit Angehörigen<br />
des gehobenen Dienstes für Gesundheitsund<br />
Krankenpflege besteht.<br />
So werden beispielsweise seit dem Jahr<br />
2001 im Rahmen der „Qualitätssicherung<br />
in der häuslichen Pflege“ Pflegegeldbezieherinnen<br />
und Pflegegeldbezieher, die<br />
in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt<br />
werden, von diplomierten Pflegefachkräften<br />
besucht. Diese Form der häuslichen<br />
Qualitätssicherung ist weltweit einzigartig<br />
und die Rückmeldungen auf diese<br />
Hausbesuche, bei denen pflegebedürftige<br />
Personen und ihre Angehörigen wertvolle<br />
Pflegetipps für den Alltag erfahren, sind<br />
ausgesprochen positiv, weswegen es diese<br />
nunmehr auch auf Wunsch der pflegebedürftigen<br />
Personen oder ihrer Angehörigen<br />
gibt.<br />
4 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.coverstory<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 5
pflegenetz.coverstory<br />
Ein weiterer Meilenstein war die Ausdehnung<br />
der Pflegegeld-Begutachtungen<br />
auch auf diplomierte Pflegefachkräfte. Ein<br />
vom Sozialministerium in Kooperation mit<br />
der PVA und dem ÖGKV durchgeführtes<br />
Pilotprojekt hat gezeigt, dass diplomierte<br />
Pflegefachkräfte aufgrund ihrer Fachkompetenz<br />
besonders befähigt sind, das<br />
qualitative Ausmaß des Pflegebedarfes zu<br />
beurteilen. Seit 01.01.2012 werden daher<br />
bei Anträgen auf Erhöhung des Pflegegeldes<br />
ab der Stufe 4 und mittlerweile auch<br />
bei Erhöhungsanträgen ab der Stufe 3 diplomierte<br />
Pflegefachkräfte zur Begutachtung<br />
herangezogen.<br />
Bedarf es in dieser Hinsicht einer weiteren<br />
oder anderen Qualifikation von<br />
Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekräften,<br />
also einer (universitären)<br />
Weiterbildung mit einem spezifisch formulierten<br />
Handlungsfeld?<br />
Die Regelung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe<br />
fällt in die Zuständigkeit<br />
des Bundesministeriums für Gesundheit<br />
(BMG), welches derzeit eine Novelle zum<br />
GuKG vorbereitet.<br />
Meine Ansprüche an eine solche Reform<br />
der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe<br />
sind insbesondere eine zeitgemäße<br />
Ausgestaltung und – aufgrund des verantwortungsvollen<br />
Berufsfeldes – eine<br />
Aufwertung des Berufsbildes und Tätigkeitsbereichs.<br />
Die Aus- und Fortbildung<br />
soll sich systematisch über das gesamte<br />
Berufsleben an den Versorgungserfordernissen<br />
orientieren und so in weiterer<br />
Folge den Menschen die bestmögliche<br />
Versorgung sichern.<br />
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit<br />
Angehörigen des Pflegeberufes im Gesamten?<br />
Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen<br />
der Pflegeberufe ist ausgezeichnet.<br />
Auch von den pflegebedürftigen Menschen<br />
und ihren pflegenden Angehörigen<br />
wird die Tätigkeit der Pflegefachkräfte<br />
sowohl bei den angesprochenen Hausbesuchen<br />
als auch bei den Pflegegeldbegutachtungen<br />
als äußerst positiv erlebt.<br />
In der Entwicklung um das Ausführen der<br />
Pflegegeldeinstufung erleben wir Sie als<br />
große Unterstützung. Wo sehen Sie die<br />
größten Hürden, um dieses berufliche<br />
Handlungsfeld der Pflege zur Gänze zugänglich<br />
zu machen?<br />
In den letzten Jahren hat der Berufsstand<br />
der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen<br />
zunehmend an Bedeutung<br />
gewonnen und die Anzahl der<br />
Pflegefachkräfte, die in das Pflegevorsorgesystem<br />
einbezogen wurden, hat kontinuierlich<br />
zugenommen.<br />
Die Expertisen von diplomierten Gesundheits-<br />
und Krankenpflegepersonen<br />
werden aus meiner Sicht auch in Zukunft<br />
einen sehr wertvollen und unverzichtbaren<br />
Beitrag im österreichischen Pflegevorsorgesystem<br />
darstellen, wobei ich der<br />
Meinung bin, dass sich insbesondere im<br />
Bereich der Pflegegeldeinstufung das bestehende<br />
Zusammenspiel zwischen medizinischer<br />
und pflegerischer Einstufung<br />
sehr gut bewährt hat.<br />
Was würden Sie Pflegepersonen empfehlen,<br />
damit diese sich in die politische<br />
Diskussion als Partnerin und Partner, abgesehen<br />
vom Österreichischen Berufsverband<br />
für Gesundheits- und Krankenpflege,<br />
einbringen können?<br />
Wie in jedem anderen Berufsfeld sind<br />
die gegenseitige Vernetzung und der Erfahrungs-<br />
und Wissensaustausch äußerst<br />
wichtig. Das Sprichwort „gemeinsam sind<br />
wir stark“ darf nicht nur als leere Floskel<br />
verstanden werden, sondern wenn es auch<br />
gelebt und ernstgenommen wird, so kann<br />
man sich – wie am Beispiel des ÖGKV, dem<br />
ich auf diesem Weg meinen Dank für die<br />
stets sachliche und tolle Zusammenarbeit<br />
ausrichten möchte – eine laute Stimme<br />
verschaffen und vieles bewegen.<br />
Egal, mit wem ich in meinem Umfeld spreche,<br />
es wird Ihnen eine ausgesprochen<br />
hohe Glaubwürdigkeit und Authentizität<br />
zugesprochen. Worauf führen Sie das zurück?<br />
Medientraining alleine ist es nicht...<br />
6 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.coverstory<br />
Medientraining ist es tatsächlich nicht, da<br />
ich bislang in meiner Karriere als Sozialminister<br />
fast kein Medientraining absolviert<br />
habe. Eines meiner Grundprinzipien ist,<br />
"vergiss nicht woher du kommst und bleibe<br />
immer ehrlich". Wenn man den Beruf<br />
des Politikers wählt, dann muss man die<br />
Menschen mögen, man muss sich gerne<br />
mit ihnen unterhalten und immer ein Ohr<br />
für ihre Nöte und Sorgen haben. Ohne<br />
diese Empathie ist es schwierig diese sicher<br />
fordernde Tätigkeit eines Ministers<br />
über längere Zeit durchzuhalten.<br />
Wer so viel arbeitet, braucht zumindest<br />
einen Ausgleich. Was verhilft Ihnen dazu?<br />
Geht sich ein Familienleben aus Sicht Ihrer<br />
Familie noch aus?<br />
Meine Familie ist mir natürlich sehr wichtig<br />
und mein wichtigster Rückhalt. Ich<br />
denke schon, dass sich auch aus Sicht<br />
meiner Familie noch ein Familienleben<br />
ausgeht. Meine Frau und ich sehen uns<br />
natürlich täglich und wir unternehmen<br />
auch regelmäßig etwas zusammen.<br />
Gibt es ein spezielles Reiseziel, das Sie<br />
noch im Auge haben (und warum?)<br />
Unlängst war ich mit meiner Frau in Istanbul;<br />
das ist eine großartige Stadt, in die<br />
wir immer wieder reisen. Sie liegt nicht<br />
nur einzigartig zwischen zwei Kontinenten,<br />
es ist eine Stadt, die vor Energie nur<br />
so sprüht mit sehr vielen interessanten<br />
Menschen, aber auch Sehenswürdigkeiten.<br />
Wir haben Ihr Bemühen um einen gesunden<br />
Lebensstil erleben dürfen (Ernährung).<br />
Womit macht man Rudolf<br />
Hundstorfer eine besondere kulinarische<br />
Freude? Worauf haben Sie am schwersten<br />
verzichtet und was ist Ihnen dabei<br />
besonders leicht gefallen?<br />
Manches Mal packt mich der Appetit nach<br />
einer guten Leberkässemmel. Da muss ich<br />
mit mir kämpfen, um diesem Verlangen<br />
nicht nachzugeben. Gute Hausmannskost<br />
habe ich am liebsten, am leichtesten fällt<br />
mir, auf Süßes zu verzichten, wenn ich<br />
auch der Verführung mitunter erliege.<br />
Bücher und Erkenntnisse können manche<br />
Menschen in ihrem Leben begleiten. Gibt<br />
es solche oder eine Erkenntnis, die Sie<br />
immer wieder in Ihrem Leben antreffen?<br />
Bleibe ehrlich und sieh nicht immer nur<br />
das Negative im Leben. Es gibt überall<br />
Schönes zu entdecken, man muss nur genau<br />
genug hinschauen.<br />
Haben Hobbys in Ihrem Leben Platz?<br />
Hin und wieder sehe ich Sie bei einem<br />
sonntäglichen Konzert der Wiener Philharmoniker.<br />
Was bedeutet Musik für Sie?<br />
Welche Musik begleitet Sie vorzugsweise<br />
im Alltag und gibt es Präferenzen in der<br />
Klassik?<br />
Die sonntäglichen Konzerte der Wiener<br />
Philharmoniker sind wie eine „Oase der<br />
Entschleunigung“ in einer ansonsten sehr<br />
schnelllebigen Zeit und einem sehr anspruchsvollen<br />
Beruf. Musik bedeutet für<br />
mich also Entspannung und Entschleunigung.<br />
Ich habe leider sehr wenig Zeit,<br />
im Alltag Musik zu hören. Meine musikalischen<br />
Erlebnisse finden zumeist in Konzerten<br />
und an den Wochenenden statt.<br />
Besonders Schubert, aber auch Beethoven<br />
haben es mir angetan.<br />
Wir schätzen Ihre persönliche Eröffnung<br />
unserer Veranstaltung (pflegekongress15,<br />
pflegekongress<strong>16</strong>?) sehr. Ganz<br />
besonders würden wir uns über Ihre<br />
Präsenz auch in diesem Jahr freuen, egal<br />
welche Funktion Sie für Österreich auch<br />
wahrnehmen.<br />
Nun dürfen wir Ihnen alles, alles erdenklich<br />
Gute für Ihre Arbeit und Ihr persönliches<br />
Leben wünschen!<br />
Für das pflegenetz.team,<br />
Claudia Kastner-Roth<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 7
tagung:<br />
„high noon?“<br />
Gewalt und Deeskalation in Sozialund<br />
Gesundheitseinrichtungen<br />
Grenzen erfahren, reflektieren und gestalten<br />
Unter anderem mit:<br />
Michaela Amering, Sabine Hahn,<br />
Regina Ketelsen, Tieni Moser,<br />
Ian Needham, Alexandra Rajchl und<br />
Harald Stefan<br />
Termin:<br />
20. und 21. Oktober 20<strong>16</strong><br />
Ort:<br />
Hotel Schloss Wilhelminenberg<br />
Savoyenstraße 2<br />
1<strong>16</strong>0 Wien<br />
www.austria-trend.at/wiw<br />
Tagungsgebühr:<br />
Euro 395,- inkl. Verpflegung<br />
(für Frühzahler/innen bis 20. Mai 20<strong>16</strong>)<br />
Euro 455,- inkl. Verpflegung<br />
Nähere Informationen und Anmeldung:<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
www.pflegenetz.at<br />
office@pflegenetz.at<br />
+43(0)18972110<br />
Storno:<br />
Verein NAGS Schweiz<br />
8 pflegenetz 01/<strong>16</strong><br />
Verein NAGS Austria<br />
Stornos können längstens bis 10 Wochen vor der<br />
Veranstaltung kostenfrei berücksichtigt werden.
© FH OÖ, bezahlte Anzeige<br />
FACHHOCHSCHUL-LEHRGÄNGE<br />
Advanced Nursing Practice<br />
Academic Advanced Nursing Practice<br />
Start: März 2017<br />
Informationen unter: www.fh-ooe.at/anp<br />
Vertiefungen:<br />
>> Pfl ege bei Demenzkranken und ihren Angehörigen<br />
>> Familiengesundheitspfl ege (family health care)<br />
>> ANP für Versorgungssysteme und Netzwerkarbeit<br />
>> Interkulturelle Pfl ege<br />
>> Pfl ege von Menschen mit Krebserkrankungen und<br />
deren Umfeld (Cancer Nurse)<br />
Care Management<br />
Academic Care Management<br />
Start: jährlich im September<br />
Informationen unter: www.fh-ooe.at/cm<br />
SAVE THE DATE!<br />
Kongress Advanced<br />
Nursing Practice<br />
Herausforderung Beratung<br />
26. April 20<strong>16</strong>: 13:30 bis 18:00 Uhr,<br />
FH OÖ Campus Linz<br />
27. April 20<strong>16</strong>: 9:00 bis 18:30 Uhr,<br />
Schlossmuseum<br />
www.fh-ooe.at/anp20<strong>16</strong><br />
Interkulturelles Pflegemanagement<br />
Master Pfl egedienstleitung (§ 72 GuKG)<br />
Start: September 2017<br />
Informationen unter: www.fh-ooe.at/ikm<br />
Weitere Informationen und Anfragen:<br />
+43 5 0804 54210,<br />
silvia.neumann-ponesch@fh-linz.at<br />
Integrierte Versorgung<br />
Master Integrated Care Systems<br />
Start: Oktober 20<strong>16</strong><br />
Informationen unter: www.fh-ooe.at/ics<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 9
pflegenetz.special<br />
Bedürfnisse von Männern<br />
mit Brustkrebs<br />
Eine Analyse, die mehr als ein<br />
Fragebogen-Instrument erfordert<br />
VON HEIDRUN NYCZ, HARALD TITZER.<br />
FOTO VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Brustkrebs bei Männern gilt als seltene Erkrankung, die mit einer geringen gesellschaftlichen Wahrnehmung<br />
in Verbindung steht. Die Ergebnisse der Recherche zeigen, welche Initiativen in der Gesellschaft<br />
notwendig sind, um diese Thematik in Zusammenhang mit den Bedürfnissen mehr in den Mittelpunkt<br />
des Gesundheitsbewusstseins zu stellen.<br />
Einleitung<br />
In Österreich wurde durch das Bundesministerium<br />
für Gesundheit im Jahr 2014<br />
das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm<br />
für Frauen zwischen 45 und 69 Jahren eingeführt<br />
(BMG, 2014). Durch die frühzeitig<br />
durchgeführte Mammografie kann die<br />
Risikogruppe der Frauen hinsichtlich des<br />
Erkrankungsauftretens erfasst werden. Es<br />
ist anzunehmen, dass durch das geringe<br />
Auftreten von Brustkrebs beim Mann in<br />
diesem Programm keine Rücksicht auf die<br />
Brustgesundheit von Männern genommen<br />
wird.<br />
Hintergrund<br />
Da die Brustdrüse in der Embryonalphase<br />
bei Frauen und Männern gleich angelegt<br />
wird, können Männer ebenso wie Frauen<br />
an einem Mammakarzinom erkranken.<br />
Beim Mann bleibt – im Gegensatz zur Frau<br />
– die Brustdrüse in einem Ruhezustand<br />
bestehen. Ein Missverhältnis zwischen<br />
Östrogen und Testosteron wird als ein<br />
Risikofaktor zur Krankheitsentstehung beschrieben.<br />
Annähernd alle bei den Frauen<br />
belegten histologischen Subtypen treten<br />
auch bei Männern auf (Goldmann-Posch<br />
& Martin, 2012). Die Therapie des Mannes<br />
erfolgt analog der Behandlung von<br />
Frauen. Die Operation (modifizierte radikale<br />
Mastektomie mit Entfernung der<br />
Brustwarze) gilt neben der adjuvanten<br />
Chemotherapie, der Strahlentherapie und<br />
der antihormonellen Therapie als evidente<br />
Behandlungsmethode (DGHO, 2014).<br />
Neuesten Erkenntnissen zufolge ist eine<br />
brusterhaltende Operation – vor allem<br />
der Erhalt der Brustwarze – durchaus auch<br />
10 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.special<br />
für Männer in Betracht zu ziehen. Dieses<br />
Vorgehen ist dem krankheitsfreiem Überleben<br />
und dem Gesamtüberleben der Patienten<br />
mit einer Mastektomie nicht unterlegen<br />
(Schulte-Vorwick, Ditsch, Engel,<br />
Augustin, Harbeck, & Würstlein, 2013).<br />
Fragestellungen und<br />
Methode<br />
Basierend auf diesen Erkenntnissen und<br />
dem bereits bestehenden Wissen zum<br />
Thema Brustkrebs beim Mann gelangten<br />
folgende Fragen zur Recherche:<br />
• n Wie gestaltet sich die gesellschaftliche<br />
Wahrnehmung von Brustkrebs<br />
bei Männern in Europa und dem angloamerikanischem<br />
Raum?<br />
• n Wie erleben Männer die Diagnose<br />
Brustkrebs und welche Bedürfnisse<br />
haben sie während und nach der Behandlung?<br />
Die geringe Wahrnehmung in der Gesellschaft<br />
lässt sich einerseits durch die<br />
niedrige Inzidenz, nur 73 der 5594 an<br />
Brustkrebs Erkrankten im Jahr 2012 sind<br />
Männer (Statistik Austria, 2012), andererseits<br />
durch fehlende Informationskampagnen<br />
für Männer begründen. Des<br />
Weiteren konnte das Problem identifiziert<br />
werden, dass es für Männer keine Schulungsprogramme<br />
hinsichtlich der Selbstuntersuchung<br />
der Brust gibt (Giordano et<br />
al., 2004).<br />
Unter Männern ist ebenso eine geringe<br />
Wahrnehmung der Erkrankung festzustellen.<br />
Die erkrankten Männer wussten<br />
nicht, dass sie genauso wie Frauen an<br />
Brustkrebs erkranken können (Pituskin,<br />
Williams, Au, & McDonald, 2007). Die Diagnose<br />
und die damit einhergehenden<br />
Veränderungen erleben Männer individuell.<br />
Die auffälligste körperliche Veränderung<br />
ist die Entfernung der betroffenen<br />
Brustwarze und die dadurch entstehende<br />
Narbe. Ein Teil der Männer geht mit der<br />
Erkrankung sehr offen um, um das Bewusstsein<br />
in der Gesellschaft zu steigern,<br />
der andere Teil der Betroffenen behält die<br />
Erkrankung eher für sich oder im Familienkreis<br />
(Pituskin et al., 2007; Nycz, 2015).<br />
Die erkrankten Männer erleben große<br />
Unsicherheit gegenüber einem Therapieerfolg,<br />
da Therapien in erster Linie an erkrankten<br />
Frauen getestet wurden. Die antihormonelle<br />
Therapie kann bei Männern<br />
zu einer gestörten Libido und sexueller<br />
Impotenz führen, welche von Männern als<br />
problematisch erlebt wird (Nycz, 2015).<br />
Schlussfolgerung<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />
Brustkrebs beim Mann sowohl in der Bevölkerung<br />
12:51 als auch Seite in 1der<br />
Forschung Ins. Pflegenetz PFM DUK 01.<strong>16</strong>_: 15.01.<strong>16</strong> eine<br />
Anhand einer systematischen Literaturrecherche<br />
in der Datenbank PubMed<br />
konnten 33 Artikel aus einem Zeitraum<br />
zwischen 2000 und 2014 recherchiert<br />
und gesichtet werden. Die Artikel wurden<br />
dem Inhalt nach analysiert, zusammengefasst<br />
und einer Synthese unterzogen.<br />
Letztlich konnten zur Beantwortung der<br />
Fragen siebzehn Literaturquellen herangezogen<br />
werden.<br />
Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse der Literaturrecherche<br />
lassen sich in allgemeine Erkenntnisse,<br />
Wahrnehmung in der Gesellschaft und<br />
Wahrnehmung unter erkrankten Männern<br />
einteilen.<br />
Männer sind im Durchschnitt bei der Diagnosestellung<br />
um zehn Jahre älter als Frauen.<br />
Die Prognose und das Outcome sind<br />
durch die spätere Diagnosestellung, einem<br />
damit einhergehend später erkannten<br />
Tumorstadium und durch bestehende<br />
Komorbiditäten schlechter (Giordano, Cohen,<br />
Buzdar, Perkins, & Hortobagyi, 2004).<br />
Gnerlich, Deshpande, Jeffe, Seelam, Kimbuende<br />
und Margenthaler (2011) weisen<br />
in ihrem Artikel darauf hin, dass ca. ein<br />
Drittel der Männer an einer anderen Erkrankung<br />
bspw. Herzkreislauferkrankungen<br />
sterben, als letztlich am Brustkrebs<br />
selbst.<br />
Wundmanagement<br />
Beginn: 29. Februar 20<strong>16</strong><br />
Abschluss: Zertifikat / Akademische/r Wundmanager/in (2-stufig)<br />
Dauer: 1 Semester/2 Semester<br />
Gebühr: EUR 2.850,-/EUR 4.100,-<br />
Donau-Universität Krems<br />
E-Mail: sophie.schwed@donau-uni.ac.at<br />
Tel: +43 (0)2732 893-2745<br />
www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 11
pflegenetz.special<br />
zu wenig wahrgenommene Thematik<br />
darstellt. Es finden sich wenige wissenschaftliche<br />
Daten zu den Bedürfnissen von<br />
Männern.<br />
Die betroffenen Männer erwarten genderspezifische<br />
Informationsprogramme<br />
zu den Themen wie Therapieverlauf, Nebenwirkungen,<br />
Prognose und Nachsorge<br />
(Nycz, 2015; Brain, Williams, Iredale,<br />
France, & Gray, 2006). Des Weiteren werden<br />
vermehrte Aufklärungskampagnen<br />
in der Öffentlichkeit gefordert (Pituskin<br />
et al., 2007). Informationen zum Selbstmanagement<br />
bezüglich Bewegung und<br />
Sport, Ernährung sowie Hautpflege werden<br />
von den Patienten als sehr hilfreich<br />
angesehen. Da Männer ebenfalls wie<br />
Frauen Anspruch auf ein ästhetisches Aussehen<br />
und Körpergefühl haben, sollten<br />
Beratungsgespräche vor der geplanten<br />
Operation auch für Männer angeboten<br />
werden (Schulte-Vorwick et al., 2013).<br />
Praxisimplikationen<br />
Für die Zukunft ist es wichtig, die Aufmerksamkeit<br />
in der Bevölkerung durch<br />
verstärkte Informationskampagnen zu<br />
erhöhen und in der primären Gesundheitsvorsorge<br />
Aufklärungsprogramme<br />
für Männer mit familiärer Vorbelastung<br />
anzubieten. Der Zugang zu zertifizierten<br />
Brustzentren für betroffene Männer ist<br />
notwendig, denn dort erhalten sie die<br />
bestmögliche und individuelle Therapie<br />
und Nachsorge.<br />
Die Bedürfnisse von Männern müssen<br />
aus pflegewissenschaftlicher Sicht weiter<br />
untersucht werden, um Beratungsprogramme<br />
erstellen zu können. Um den<br />
Brustkrebs beim Mann aus medizinischer<br />
Sicht besser verstehen und therapieren<br />
zu können, werden derzeit in Österreich<br />
– als Zentrum der weltweiten ABCSG 42/<br />
Pallas-Studie – und in Deutschland Studien<br />
durchgeführt. Ziel ist es, anhand der biologischen<br />
Unterschiede zwischen Männern<br />
und Frauen eine geschlechtsspezifische<br />
Therapie zu erforschen (Germanbreastgroup,<br />
2015; ABCSG, 2015).<br />
LITERATUR<br />
Austrian Breast & Colorectal Cancer Study<br />
Group (ABCSG). (2015). ABCSG 42/Pallas.<br />
Abgerufen am 15.11.2015 von http://<br />
goo.gl/7pMB7R<br />
Brain, K., Williams, B., Iredale, R., France,<br />
L., & Gray, J. (2006). Psychological Distress<br />
in Men with Breast Cancer. Journal<br />
of Clinical Oncology, 24(1), 95-101.<br />
Bundesministerium für Gesundheit.<br />
(2014). Brustkrebs-Früherkennungsprogramm.<br />
Abgerufen am 15.11.2015 von<br />
http://goo.gl/DcvaQ9<br />
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie<br />
und Onkologie. (2014). Mammakarzinom<br />
des Mannes. Abgerufen am 15.11.2015<br />
von https://goo.gl/pxXnem<br />
German Breast Group. (2015). Adjuvante<br />
Studien. Abgerufen am 15.11.2015 von<br />
http://goo.gl/Uh1oL9<br />
Giordano, S., Cohen, D., Buzdar, A., Perkins,<br />
G., & Hortobagyi, G. (2004). Breast<br />
Carcinoma in Men: A Population-Based<br />
Study. American Cancer Society, 101(1),<br />
51-57.<br />
Gnerlich, J., Deshpande, A., Jeffe, D., Seelam,<br />
S., Kimbuende, E., & Margenthaler,<br />
J. (2011). Poorer Survival Outcomes for<br />
Male Breast Cancer Compared with Female<br />
Breast Cancer May Be Attributable<br />
to In-Stage Migration. Annals of Surgical<br />
Oncology, 18, 1837-1844.<br />
Goldmann-Posch, U., & Martin, R. R.<br />
(2012). Überlebensbuch Brustkrebs. Die<br />
Anleitung zur aktiven Patientin. Stuttgart:<br />
Schattauer.<br />
Nycz, H. (2015). Männer mit Brustkrebs.<br />
Exoten in der Gesellschaft und in der<br />
Pflege. Unveröffentlichte Abschlussarbeit<br />
an der Akademie für Fort- und Sonderausbildungen<br />
Bereich Pflege, AKH Wien.<br />
Pituskin, E., Williams, B., Au, H.-J., &<br />
McDonald, C. (2007). Experiences of men<br />
with breast cancer: a qualitative study.<br />
Journal of Mens Health and Gender, 4(1),<br />
44-51.<br />
Schulte-Vorwick, F., Ditsch N., Engel J.,<br />
Augustin D., Harbeck N. & Würstlein R.<br />
(2013). Mammakarzinom beim Mann.<br />
Ärztliches Journal Onkologie, 5, 20-27.<br />
Statistik Austria (2012). Krebsinzidenz<br />
(Neuerkrankungen pro Jahr), Österreich<br />
ab 1983. Abgerufen am 15. 11. 2015 von<br />
http://goo.gl/7JbXvd<br />
ZU DEN PERSONEN<br />
Heidrun Nycz<br />
DGKS, Weiterbildung<br />
„onkologische Pflege“;<br />
AKH Wien - Medizinischer<br />
Universitätscampus,<br />
Universitätsklinik für Innere<br />
Medizin I, Onkologische<br />
Tagesstation <strong>16</strong>J.<br />
heidrun.nycz@akhwien.at<br />
Harald Titzer, BSc<br />
Pflegeberater AKH Wien<br />
– Medizinischer Universitätscampus,<br />
Universitätsklinik<br />
für Innere Medizin I,<br />
Onkologische Bettenstation<br />
18H, Wien.<br />
harald.titzer@akhwien.at<br />
12 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
tagung:<br />
aufgeräumte pflege?<br />
klassifikationssysteme : sprache : bedeutung<br />
Unter anderem mit:<br />
Kurt Schalek, Michael Schilder,<br />
Berta Schrems, Otto Schrenk,<br />
Harald Stefan<br />
Termin:<br />
3. und 4. November 20<strong>16</strong><br />
Ort:<br />
Hotel Schloss Wilhelminenberg<br />
Savoyenstraße 2<br />
1<strong>16</strong>0 Wien<br />
www.austria-trend.at/wiw<br />
Tagungsgebühr:<br />
Euro 350,– inkl. Verpflegung<br />
(für Frühzahler/innen bis 31. Juli 20<strong>16</strong>)<br />
Euro 420,– inkl. Verpflegung<br />
Nähere Informationen und Anmeldung:<br />
Mag. Sandra Speigner<br />
www.pflegenetz.at<br />
sandra.speigner@medical-update.net<br />
+43(0)18972110<br />
Storno:<br />
www.wundplattform.at<br />
Stornos können längstens bis 10 Wochen vor der<br />
Veranstaltung kostenfrei berücksichtigt werden.<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 13
pflegenetz.intensiv(e)pflege<br />
Delir erkannt –<br />
Gefahr gebannt<br />
Projekt für interne Stationen<br />
eines Akutkrankenhauses<br />
VON ANGELIKA EBERT-BIRNBAUMER, GERTRUDE JANDL, SONJA SCHEICHENBERGER.<br />
FOTOS VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Das Delir ist eine akute und ernste Erkrankung mit unterschiedlicher Ätiologie und hat unbehandelt<br />
eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate wie der Myokardinfarkt, wird aber in der Wahrnehmung und in der<br />
interdisziplinären Behandlung nicht gleichgestellt, obwohl es in vielen Fällen vermeidbar wäre. Ein Projekt<br />
zum Delirmanagement wurde an drei Abteilungen im Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem<br />
Zentrum (KHR) ins Leben gerufen, ebenso wurden Hilfsinstrumente entwickelt.<br />
Anlass für das Projekt<br />
Der Leidensdruck für Patientinnen und Patienten<br />
wurde von den Stationsteams als<br />
groß und die Betreuung der Patientinnen<br />
und Patienten als Herausforderung wahrgenommen.<br />
Da ein Delir „nur in 35% bis<br />
70% der Fälle erkannt“ (Walcher, 2012,<br />
S.21) wird, obwohl es in bis zu 40% der<br />
Fälle vermeidbar wäre und bei rechtzeitiger<br />
Diagnose auch gut behandelbar<br />
ist (ÖGGG, 2013), wurde 2013 im Krankenhaus<br />
Hietzing mit Neurologischem<br />
Zentrum (KHR) an drei Abteilungen ein<br />
interdisziplinäres Projekt zum Delirmanagement<br />
von der Pflegebereichsleitung<br />
ins Leben gerufen. Die Projektgruppe erarbeitete<br />
einen eintägig interdisziplinär<br />
besetzten Workshop der bereits mehrmals<br />
angeboten wurde. Begleitend wurde<br />
das Vorgehen als Prozess dargestellt.<br />
Als erste Pflegeplanungshilfe entstanden<br />
zwei Blätter mit Interaktionen und Maßnahmen<br />
zur Delirprophylaxe (Abb. 1),<br />
ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Eine<br />
Pocketcard für Mitarbeitende und ein Informationsfolder<br />
für Betroffene und Angehörige<br />
wurden erarbeitet.<br />
Was wird unter einem Delir<br />
verstanden?<br />
Der Begriff Delir leitet sich vom lateinischen<br />
de lira ire ab, was so viel wie aus<br />
dem Gleis, aus der Spur geraten bedeutet<br />
(Lindesay, 1999).<br />
Drei „Gesichter“ des Delirs<br />
Beim hyperaktiven Delir sind die Betroffenen<br />
eher unruhig, bettflüchtig, nestelnd,<br />
aggressiv und emotional verändert. Beim<br />
hypoaktiven Delir, auch „stilles Delir“ genannt,<br />
stehen Unaufmerksamkeit, Teilnahmslosigkeit,<br />
Bewegungsarmut bis hin<br />
zur Apathie sowie Halluzinationen und<br />
Desorientierung im Vordergrund. Beim<br />
Mischtyp können die Symptome eines hyper-<br />
und hypoaktiven Delirs nebeneinander<br />
oder im Wechsel auftreten (Andorfer,<br />
2013).<br />
Ursachengefüge<br />
Für die Entstehung eines Delirs spielt das<br />
Verhältnis von Vulnerabilität und Noxe<br />
bzw. Auslöser eine erhebliche Rolle (siehe<br />
Tab. 1). Liegt eine hohe Vulnerabilität vor,<br />
reicht eine geringe Noxe aus, um ein Delir<br />
auszulösen (ÖGGG, 2013).<br />
Zusätzlich kann jede abrupte Veränderung<br />
für den alten Menschen, wie ein Zimmeroder<br />
Ortswechsel ein Delir auslösen. Besonders<br />
gefährdet sind zudem Personen,<br />
die wenig soziale Kontakte haben, von<br />
fremden Menschen betreut werden bzw.<br />
ein körperliches oder seelisches Trauma<br />
erlitten haben (ÖGGG, 2013).<br />
Delir erkennen<br />
Die Beobachtung hat einen hohen<br />
Stellenwert in der Erkennung eines<br />
Delirs. Bereits sechs Stunden vor<br />
Ausbruch gibt es nach Dupplis und<br />
Wiklablad (2004) indirekte Anzeichen<br />
wie Ängstlichkeit, Desorientiertheit,<br />
Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit,<br />
unzusammenhängendes Reden, Verkennungen,<br />
Fehlwahrnehmungen sowie<br />
verminderte oder vermehrte motorische<br />
Bewegung.<br />
Screening und Diagnostik im<br />
KHR<br />
Wenn ein prädisponierender Faktor (Tab.<br />
1) vorliegt, wird bei der Aufnahme von<br />
den Pflegepersonen mittels der Delirium<br />
Observations Screening Scala (DOSS) eine<br />
Einschätzung über mindestens drei Tage<br />
pro Schicht gestartet. Ergibt sich ein Punktewert<br />
über drei, besteht der Verdacht<br />
für ein Delir und entsprechende Maßnahmen<br />
werden eingeleitet. Die Skala wird<br />
so lange weitergeführt bis der Wert drei<br />
Tage unter drei liegt. Von den Ärztinnen<br />
und Ärzten wird ab einem Punktwert von<br />
drei zur Diagnostik die Confusion Assessment<br />
Method (CAM) durchgeführt, die<br />
die Hauptsymptome erfasst: ein akuter<br />
Beginn, rasch fluktuierender Verlauf, herabgesetzte<br />
Aufmerksamkeit, Denkstörung<br />
14 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
Im Rahmen eines Delirs können die Betroffenen<br />
ihre Umwelt nicht mehr angepflegenetz.intensiv(e)pflege<br />
Pat. Name / Etikette<br />
Delir: Übersicht pflegerische Interaktionen / Maßnahmen<br />
Beginn Dat. / Hz: _____________<br />
Ende Dat. / Hz: ______________ Situativ angepasste weitere mögliche pfleg. Interaktionen / Maßnahmen<br />
gewohnte Tagesstruktur ________________________________________<br />
Grundsituation / Verhalten: siehe auch DOSS Erhebungsblatt<br />
_________________________________________________ ermöglichen<br />
Fehlende Anpassungsmöglichkeit an die Umgebung<br />
Schlafphasen am Tag so weit wie möglich reduzieren<br />
Flüssigkeitsdefizit<br />
Erbrechen<br />
Ruhephasen von _______ bis _______ gewährleisten<br />
Durchfall<br />
Infektion<br />
Einschlafritual ________________________________________________<br />
_____________________ ____________________<br />
Unterbrechungen des Schlafes vermeiden<br />
Mikropositionierung nachts<br />
Ziel: emotionale Stabilisierung / Entängstigung<br />
(Re)Orientierung geben<br />
Uhr, Kalender im Blickfeld<br />
Allgemeine Maßnahmen zur Delir Prophylaxe (bei DOSS ≥ 3) gewohnte Gegenstände / Erinnerungsanker beim Bett z.B. Fotos, ______<br />
Reizüberflutung / Überstimulation vermeiden<br />
gezielte Beschriftung der Sanitärräume<br />
im Gespräch wiederholt die Uhrzeit / Tageszeit erwähnen<br />
auf eine ruhige, angstfreie Atmosphäre achten<br />
Kommunikation<br />
validierende Grundhaltung einnehmen<br />
einfache Sätze verwenden, geschlossene Fragestellung<br />
Ernst nehmen, ruhiges überschaubares Handeln<br />
wichtige Informationen mehrmals wiederholen<br />
mitgebrachtes Hörgerät einsetzen<br />
gedanklich in ihrer / seiner Welt mitgehen, nachfragen, bestätigen<br />
mitgebrachte Brille aufsetzten<br />
Motivation, Ermutigung<br />
mitgebrachte gut sitzende Zahnprothese einsetzen<br />
Ich-stärkende Gespräche<br />
mitgebrachte Pflegemittel / Hilfsmittel verwenden<br />
Basale Stimulation® in der Pflege<br />
mitgebrachte / gewohnte Kleidung anziehen<br />
Vormittag entfaltende Waschung<br />
Lichtverhältnisse auf gewohnten Tag / Schlafrhythmus anpassen<br />
Abends ◦ Nestpositionierung ◦ ASE mit __________________________<br />
Ortswechsel kritisch betrachten z.B. Untersuchungen, Zimmerwechsel Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme<br />
– vertraute Personen rund um die Uhr ermöglichen – Bezugspflege Teller- und Flüssigkeitsprotokoll, trinkt _______ ml / 24 Stunden<br />
Förderung der Mobilität / Aktivitäten so weit als möglich zulassen<br />
Aromapflege<br />
Auf regelmäßige Ausscheidung achten – auf die Toilette begleiten<br />
2gtt Angstlösende Mischung lt. Aa AlM auf Pflaster vor dem Einschlafen<br />
gewohnte Schlafzeit von _______ bis _______ ermöglichen<br />
Schmerzlindernde Waschung lt. Aa ScW<br />
Beruhigende Waschung lt. Aa WBR ◦ a / ◦ b<br />
gewohnte (Ein)Schlafpositionierung ________________________<br />
Waschung bei Unruhe lt. Aa WUN<br />
ermöglichen (aktiviert wenn Positionierung eingetragen ist)<br />
Deeskalierende Raumbeduftung lt. Aa RbD<br />
Angehörige/r _____________ in den Tagesablauf miteinbeziehen<br />
Individuell ergänzende Maßnahmen<br />
Begründete Abweichung: __________________________________ ____________________________________________________________<br />
_____________________________________________________ ____________________________________________________________<br />
_____________________________________________________ ____________________________________________________________<br />
_____________________________________________________<br />
Delir: Erfassung + Übersicht pflegerische Interaktionen Literatur bei der Erstellgruppe KHR AG Delir 28. Mai 2014<br />
Abb. 1: Blätter mit Interaktionen und Maßnahmen zur Delirprophylaxe<br />
und beeinträchtigtes Bewusstsein (Barr,<br />
et al., 2013).<br />
Eine Fremdanamnese kann eine hilfreiche<br />
Ergänzung sein, da Angehörige sehr oft<br />
eine plötzlich auftretende Veränderung<br />
eines gewohnten Verhaltens schildern.<br />
Dies ist zusammen mit der zeitlichen Begrenzung<br />
auch der wichtigste Unterschied<br />
zur Demenz, welche schleichend beginnt<br />
sowie langsam und progredient verläuft.<br />
Warum ist es wichtig, ein<br />
Delir rechtzeitig zu erkennen?<br />
Ein Delir kann in jeder Altersstufe auftreten<br />
und ist mit 29% bis 64% eine der<br />
häufigsten Komplikationen bei älteren<br />
bzw. geriatrischen hospitalisierten Menschen<br />
(Haupt, 2006), hat unbehandelt<br />
eine Mortalitätsrate zwischen 22% und<br />
76% (Walcher, 2012) und eine ähnlich<br />
hohe Sterblichkeitsrate wie der Myokardinfarkt<br />
(ÖGGG, 2013). Etwa 30% der Patientinnen<br />
und Patienten, welche ein Delir<br />
entwickelt haben, erkranken innerhalb<br />
Tab. 1: Ursachengefüge des Delirs nach Inouye, (ÖGGG, 2013, S.7)<br />
Ursachengefüge des Delirs: Prädisposition + exogene Noxe è Delir<br />
Prädisposition / Risikofaktoren<br />
exogene Noxe / Auslöser<br />
hohe Vulnerabilität<br />
schwache Noxe / Auslöser<br />
• hohes Lebensalter<br />
• kognitive Einschränkung<br />
• Frailty<br />
• hohe somatische Komorbidität<br />
• schwere Grunderkrankung<br />
• Hör- od. Sehbehinderung<br />
• Anämie<br />
• Malnutrition (niedriges S-Albumin)<br />
• Alkoholismus<br />
• Depression<br />
• Angst<br />
• Benzodiazepingebrauch<br />
• Schmerz<br />
• leichte kognitive Störung<br />
• Einsamkeit<br />
niedrige Vulnerabilität<br />
von 3 Jahren an einer Demenz (Walcher,<br />
2012). 41% der Betroffenen zeigen zwölf<br />
Monate nach einem Delir noch zusätzliche<br />
kognitive Defizite, welche sie im alltäglichen<br />
Leben beeinflussen und sie von<br />
• fremde Umgebung<br />
• körperliche Beschränkung – FEM<br />
• Immobilisation<br />
• Schlafdeprivation<br />
• psychoaktive Medikamente<br />
• Entzugssyndrom (Alkohol, Sedativa)<br />
• respiratorische Insuffizienz (Hypoxie)<br />
• Exsikkose<br />
• Elektrolytentgleisung<br />
• akute Infektion<br />
• Hypo-, Hyperglykämie<br />
• Organversagen (Leber, Niere)<br />
• Intensivbehandlung<br />
• Anticholinergika<br />
• chirurgischer Eingriff<br />
potente Noxe / Auslöser<br />
professioneller und / oder institutioneller<br />
Pflege abhängig machen.<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 15
pflegenetz.intensiv(e)pflege<br />
messen wahrnehmen, „wirken durcheinander“<br />
und es ist ihnen nicht möglich, sich<br />
zu orientieren (ÖGGG, 2013).<br />
Wie erleben Betroffene das<br />
Delir?<br />
Im Rahmen des Projektes ergab sich die<br />
Möglichkeit, einige vertraute Personen<br />
zu interviewen, welche ein Delir durchgemacht<br />
haben. Ihre Erfahrungen waren<br />
für das Projektteam von großer Bedeutung.<br />
Die Betroffenen konnten sich meist<br />
sehr gut an das Erlebte erinnern, sie<br />
spürten die Änderung der Wahrnehmung<br />
der Wirklichkeit. Oft hatten sie quälende<br />
Halluzinationen, fühlten sich hilflos und<br />
unfähig zu kommunizieren. Für manche<br />
wurden längst vergangene Kriegserlebnisse<br />
wieder Realität. Eines hatten viele<br />
gemeinsam, sie schämten sich für die<br />
im Delir gesetzten Aktionen. Eine der<br />
schlimmsten Erfahrungen war, dass sie<br />
sich oft von den Pflegenden nicht ernst<br />
genommen fühlten.<br />
Dupplis und Wikblad (2004) beschreiben<br />
das Erleben eines Delirs in Phasen. Zu<br />
Beginn ist dies manchmal assoziiert mit<br />
Kältegefühl und Durst. Die Realität und<br />
Umgebung ist plötzlich verändert und<br />
Personen sind fremd. Während des Delirs<br />
erleben sie schreckliche Szenen, die Empfindungen<br />
wie Angst, Panik und Ärger<br />
auslösen. Es entsteht das Gefühl, im Spital<br />
und gleichzeitig ganz woanders zu sein.<br />
Die Situation ist real und gleichzeitig irreal.<br />
Nach dem Delir können zum Teil gemischte<br />
Gefühle wie die Angst, „verrückt“<br />
zu werden, anhalten.<br />
Für die Betroffenen sind Nachgespräche<br />
hilfreich, das Erlebte besser zu verarbeiten<br />
und zu verstehen.<br />
Welche Interventionen und<br />
Maßnahmen sind hilfreich?<br />
Ein proaktives Vorgehen im Stationsalltag<br />
ist immer in Erwägung zu ziehen. Dazu<br />
zählen unter anderem: die Sinneswahrnehmung<br />
zu erhalten bzw. zu fördern<br />
durch Aufsetzen der Brille und Einsetzen<br />
des Hörgerät sowie auf eine ruhige,<br />
angstfreie Atmosphäre zu achten (NICE,<br />
2010), indem eine Reizüberflutung und<br />
Überstimulation vermieden wird. Eine<br />
validierende Grundhaltung einzunehmen,<br />
die Betroffenen ernst zu nehmen und ruhig<br />
zu handeln sind universell einsetzbar.<br />
Beim Vorliegen eines Risikofaktors und /<br />
oder beim geringsten Verdacht ist eine<br />
Delirprophylaxe ernsthaft in Erwägung zu<br />
ziehen. Es ist sinnvoll. alle proaktiven und<br />
prophylaktischen Maßnahmen bei bestehendem<br />
Delir weiterzuführen.<br />
Seit der intensiveren Beschäftigung mit<br />
dem Thema Delir und nach den ersten<br />
Workshops sind spürbar weniger bzw.<br />
leichter verlaufende Delirs an den Projektstationen<br />
aufgetreten. Diese Erfahrungen<br />
haben bestätigt, dass es sich lohnt,<br />
wenn sich das interdisziplinäre Team<br />
gemeinsam verantwortlich fühlt und an<br />
einem Strang zieht sowie rechtzeitig die<br />
richtigen Schlüsse zieht und dementsprechende<br />
Maßnahmen einleitet. Oder kurz<br />
gesagt: Delir erkannt – Gefahr gebannt.<br />
LITERATUR<br />
Andorfer, U. P. (2013). Delir auf operativen<br />
Intensivstationen: Inzidenz und<br />
Bedeutung für das Behandlungsergebnis.<br />
Inaugural-Dissertation an der Medizinischen<br />
Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />
Bonn.<br />
Barr, J., Fraser, G., Puntillo, K., Ely, W.,<br />
Gélinas C., ... & Jaschke, R. (2013). Clinical<br />
Practice Guidelines for the Management<br />
of Pain, Agitation, and Delirium in Adult<br />
Patients in the Intensive Care Unit. Critical<br />
Care Medicine, 41, 1, 263-306.<br />
<strong>16</strong> pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.intensiv(e)pflege<br />
Haupt, M. (2006). Diagnostik und Therapie<br />
des Delirs nicht durch Alkohol oder<br />
durch sonstige psychotrope Substanzen<br />
bedingt. Fortschr Neurol Psychiat, 74,<br />
49-62.<br />
Duppils, G. S., & Wikblad, K. (2004).<br />
Delirium: behavioural changes before and<br />
during the prodromal phase. Journal of<br />
Clinical Nursing 13, 609-6<strong>16</strong>.<br />
Lindesay, J. (1999). The Concept of<br />
delirium. Dement Geriatr Cogn Disord 10,<br />
310-314.<br />
NICE. (2010). Delirium: diagnosis,<br />
prevention and management, clinical<br />
guideline 103. Abgerufen am 12.01.20<strong>16</strong><br />
von https://www.nice.org.uk/guidance/<br />
cg103<br />
ÖGGG – Österreichische Gesellschaft für<br />
Geriatrie und Gerontologie. (2013). Delir,<br />
Ein häufiges Syndrom im Alter – eine<br />
interdisziplinäre Herausforderung. Abgerufen<br />
am 20.07.2015 von http://www.<br />
alterspsychiatrie.at/bilder/publikationen/expertpapiere/Delir_Folder2013.pdf<br />
Walcher, C. (2012). Das Delir beim geriatrischen<br />
Patienten. Eine Übersicht. Abgerufen<br />
am 12.03.2014 von http://www.<br />
arztakademie.at/fileadmin/template/<br />
main/Geriatrie/Publikationen12-13/<br />
Walcher_AA.pdf<br />
EINE INITIATIVE VON<br />
ZU DEN PERSONEN<br />
Angelika Ebert-Birnbaumer<br />
Stationsleitung der 1. Med.<br />
B des Krankenhaus Hietzing<br />
mit Neurologischem Zentrum<br />
Rosenhügel (KHR).<br />
angelika.ebert-birnbaumer@wienkav.at<br />
Gertrude Jandl<br />
Akad. Krankenhausmanagerin,<br />
Pflegebereichsleitung<br />
der 1. und 3.<br />
Medizinischen Abteilung<br />
und AGR des KHR.<br />
gertrude.jandl@wienkav.at<br />
Mag. Sonja Scheichenberger<br />
Akad. Pflegeberaterin für<br />
die Neurologie und AGR<br />
im KHR.<br />
sonja.scheichenberger@<br />
wienkav.at<br />
14.000 m² Fachausstellung<br />
Produktinnovationen<br />
und Dienstleistungen:<br />
Barrierefreiheit, Mobilität,<br />
Pflegehilfsmittel<br />
Reha und Therapie,<br />
Kommunikationshilfen, ...<br />
Bildungsangebot<br />
mehr als 60 Vorträge<br />
und Workshops<br />
Aktionsprogramm<br />
Freizeit und Reisen<br />
Sport, Tanz, Musik<br />
Partnerhunde<br />
Kochshow mit Thomas Hill<br />
GRATIS<br />
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www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 17
pflegenetz.extra<br />
Impressions from Thailand –<br />
Einblicke in das Ausbildungsund<br />
Pflegesystem<br />
Erfahrungsbericht<br />
VON LINDA EBERLE, PHILIPP GALLISTL.<br />
FOTOS VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Zwei Studierende der Fachhochschule Campus Wien haben im Jahr 2013 ein Auslandspraktikum in<br />
Bangkok / Thailand absolviert. Während ihres zweimonatigen Auslandsaufenthaltens haben sie Praktika<br />
in verschiedenen Krankenanstalten absolviert. Zusätzlich hatten sie die Chance, an diversen Lehrveranstaltungen<br />
an der Gastuniversität teilzunehmen. Ihre Erlebnisse stellen sie in diesem Erfahrungsbericht<br />
dar, der zusätzlich mit Fakten zum Gesundheitssystem aus dem WHO Health Report und WHO<br />
Health Observatory ergänzt wird.<br />
Schon Goethe wusste, dass „ein gescheiter<br />
Mensch die beste Bildung auf Reisen<br />
findet“. Dass dies bis heute seine Gültigkeit<br />
nicht verloren hat, beweist, dass es<br />
im Rahmen des Bachelorstudiengangs<br />
Gesundheits- und Krankenpflege an der<br />
FH Campus Wien die Möglichkeit gibt,<br />
Praktika im Ausland zu absolvieren. Im<br />
Sommer 2013 erhielten die Studierenden<br />
die Gelegenheit, zwei Monate lang Praxiserfahrung<br />
in Bangkok zu sammeln.<br />
Wie komme ich zu einem<br />
Praktikum im Ausland?<br />
Es gibt verschiedene Wege ein Praktikum<br />
im Ausland zu absolvieren. Auslandspraktika<br />
sind von einigen Wochen bis zu mehreren<br />
Monaten möglich und der Wahl des<br />
Ziellandes sind kaum Grenzen gesetzt. Die<br />
FH Campus Wien hat inzwischen etliche<br />
Partneruniversitäten in Europa (wie z.B.<br />
Schweden, Belgien,…).<br />
Bei der Überlegung, ein Auslandspraktikum<br />
zu absolvieren, spielen Finanzierung<br />
und Förderungsprogramme eine wichtige<br />
Rolle. Wer sich für ein gewünschtes Gastland<br />
innerhalb der EU entscheidet, hat die<br />
Möglichkeit eine Erasmus-Förderung zu<br />
beantragen. Dies ist ein Förderprogramm<br />
der EU, welches Auslandspraktika und<br />
Auslandssemester fördert. Die finanzielle<br />
Förderhöhe reicht bis zu 435€/Monat.<br />
Wer jedoch ein Praktikum außerhalb der<br />
EU absolvieren möchte, kann an der FH<br />
Campus Wien das Freemover-Förderprogramm<br />
(gesamt max. 600€) in Anspruch<br />
nehmen. Dieses Programm greift dann,<br />
wenn keine Förderung oder Stipendium<br />
gewährleistet wird.<br />
Wenn zwei das Gleiche<br />
tun… – Große Unterschiede<br />
zwischen den Gesundheitssystemen<br />
Thailand ist ein Schwellenland – das Gesundheitssystem<br />
unterscheidet sich in<br />
seinen Leistungen deutlich von seinem<br />
österreichischen Pendant. In Thailand<br />
werden nur 658$/Kopf für das Gesundheitssystem<br />
ausgegeben. Hier hingegen<br />
steht ca. das 7,5-fache zur Verfügung.<br />
Das geringere Budget Thailands hat Auswirkungen<br />
auf verschiedene Kennzahlen<br />
im Gesundheitssystem. Anzuführen ist<br />
hier v.a. die deutlich geringere Dichte der<br />
Ärztinnen und Ärzte. In Thailand (THA)<br />
gibt es nur circa 0,3 Ärztinnen und Ärzte<br />
auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner<br />
(EW). In Österreich (AUT) kommen hingegen<br />
4,8 auf 1000 EW. Der Unterschied<br />
beim Pflegepersonal ist nicht so drastisch<br />
und verhält sich 1:4 (THA 2,1/1000: AUT<br />
8,0/1000 EW). Die deutlich umfassendere<br />
Finanzierung Österreichs beeinflusst auch<br />
die Lebenserwartung. Diese beträgt in Österreich<br />
durchschnittlich 81 Jahre, in Thailand<br />
liegt sie bei 75 Jahren.<br />
Thailand finanziert sein System v.a. aus<br />
Steuern für Alkohol und Tabak, die im<br />
Verhältnis zur Kaufkraft der Bevölkerung<br />
teuer sind.<br />
Das System Thailands hat aber im Jahr<br />
2002 sichtlich eine Qualitätssteigerung<br />
erfahren. Es wurde eine Krankenversicherung<br />
für alle Thais eingeführt. Seitdem ist<br />
es möglich, sich kostenfrei behandeln zu<br />
lassen (WHO, 2010; 2013). Die Versicherungsleistung<br />
fällt allerdings geringer aus<br />
als in Österreich. Viele ausländische Medikamente<br />
müssen z.B. selbst bezahlt werden,<br />
ebenso sind Reha-Aufenthalte nur in<br />
deutlich geringerem Umfang von maximal<br />
sechs Wochen möglich. Gesundheitsdienstleistungen<br />
werden jedoch nicht nur<br />
18 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.extra<br />
von öffentlicher Seite angeboten. Daneben<br />
gibt es einen großen privaten Sektor.<br />
Hier besteht ein eklatanter Unterschied<br />
in der Leistungserbringung und der Qualität.<br />
Privatkrankenhäuser ähneln Luxushotels<br />
und sind modern ausgerüstet. Die<br />
Personaldichte ist deutlich höher und das<br />
ärztliche und pflegerische Personal besitzt<br />
einen hohen Ausbildungsstand. In öffentlichen<br />
Krankenhäusern hingegen ist der<br />
Fokus darauf gerichtet, die Grundversorgung<br />
zu gewährleisten.<br />
Ist Pflege gleich Pflege?<br />
Das Pflegesystem in Thailand scheint nach<br />
einem amerikanischen Ideal zu streben.<br />
Es ist stark an Primary Nursing angelehnt.<br />
Die Primary Nurse hat dabei die Verantwortung<br />
über den gesamten Pflegeprozess<br />
inne. Primary Nurses sind Registered<br />
Nurses und werden RNs genannt, was unseren<br />
DGKS/P gleich kommt. Eine weitere<br />
Berufsgruppe wird als Nurse Assistent<br />
bezeichnet – also Pflegehelferinnen und<br />
Pflegehelfer in Österreich. In der klinischen<br />
Praxis ist auch eine Berufsgruppe<br />
mit Ähnlichkeit zu Abteilungshelferinnen<br />
und Abteilungshelfern vorzufinden. Diese<br />
3 Berufsgruppen sind in jedem Praxisbereich<br />
angesiedelt und werden teilweise<br />
durch Nursing Specialists ergänzt.<br />
Schon nach kurzer Zeit in Thailand wird<br />
klar: Hier ist einiges anders als in Österreich.<br />
Die Unterschiede in der Ausbildung<br />
sind enorm. Die Mindeststudiendauer beträgt<br />
4 Jahre und beinhaltet das Berufsfeld<br />
der Hebammen. Nachdem das Studium<br />
erfolgreich absolviert wurde, muss<br />
anschließend eine Prüfung vor dem Thai<br />
Nursing Council abgelegt werden, um<br />
eine Lizenz zu erhalten. Nur wer diese<br />
sehr umfangreiche Prüfung positiv absolviert,<br />
darf als RN arbeiten. In der Prüfung<br />
werden sowohl theoretische und praktische<br />
Inhalte, als auch Sprachkompetenz<br />
geprüft.<br />
Eine Besonderheit der Ausbildungslandschaft<br />
ist die Vielfalt an weiterführenden<br />
Studien. Es werden unterschiedliche<br />
Master und PhD-Programme angeboten,<br />
einerseits mit dem Fokus auf Pflegewissenschaft,<br />
aber auch diverse Advanced<br />
Nursing Practice und Clinical Nursing Specialist-Studiengänge<br />
mit unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten. Dabei fällt auf, dass<br />
die meisten Master-Programme mit einer<br />
Kompetenzerweiterung einhergehen. Ein<br />
Beispiel dafür ist die Anästhesiepflegekraft,<br />
die Routinenarkosen selbstständig<br />
leitet.<br />
Die 4-jährige Grundausbildung und auch<br />
die Vermittlung praktischer Inhalte sind<br />
gänzlich anders geregelt. Das erste Studienjahr<br />
besteht nur aus theoretischen<br />
Inhalten. Ab dem zweiten Studienjahr<br />
sind 3 Praxistage/Woche vorgesehen.<br />
Das praktische Lehren und Lernen wird<br />
in Thailand aber völlig anders gestaltet.<br />
Eine Gruppe von acht Studierenden verbringt<br />
jeden Arbeitstag unter Supervision<br />
eines Lehrenden der Universität auf einer<br />
Station. Der große Vorteil dieser Methode:<br />
theoretische Inhalte werden von den Studierenden<br />
ständig wiederholt und direkt<br />
in der Praxis umgesetzt. Eine Lücke zwischen<br />
praktischen Fertigkeiten und theoretischem<br />
Wissen tritt daher in geringerem<br />
Ausmaß auf. Der Nachteil ist, dass die<br />
Studierenden nicht gänzlich in das Team<br />
der Station integriert sind.<br />
Man wächst mit seinen Aufgaben<br />
– Der breitere Tätigkeitsbereich<br />
Der Aufgabenbereich der Pflegekräfte ist<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 19
pflegenetz.extra<br />
in Thailand sehr breit ausgerichtet. Zurückzuführen<br />
ist das auf den Ärztinnen- und<br />
Ärztemangel, aber auch auf die längere<br />
Ausbildungsdauer des Pflegepersonals.<br />
Sehr eindrucksvoll lässt sich das anhand<br />
einer Notaufnahme veranschaulichen.<br />
Dort führen Pflegekräfte die<br />
klinische Erstuntersuchung durch, stellen<br />
Verdachtsdiagnosen und entscheiden, ob<br />
eine ärztliche Begutachtung nötig ist. Zum<br />
Teil übernehmen Pflegekräfte die chirurgische<br />
Wundversorgung, wie das setzen<br />
einer Wundnaht.<br />
Unser Fazit<br />
Der Aufenthalt in Thailand war eine einzigartige<br />
Erfahrung. Mit der Assumption<br />
University of Thailand haben wir eine<br />
hervorragende Partneruniversität gefunden.<br />
Das Lehrpersonal vor Ort stellte ein<br />
ausgezeichnet organisiertes Rahmenprogramm<br />
für uns zusammen. Wir hatten die<br />
Möglichkeit in öffentlichen Krankenhäusern<br />
zu praktizieren und uns wurde ein<br />
tiefer Einblick in das Pflegesystem geboten.<br />
Sowohl die thailändischen Lehrenden<br />
als auch die Studierenden waren sehr<br />
bemüht, uns ein Stück der thailändischen<br />
Kultur näher zu bringen. Auf dem Programm<br />
standen unter anderem geführte<br />
Besuche in privaten Krankenhäusern, eine<br />
von buddhistischen Mönchen geleitete<br />
Pflegeeinrichtung für HIV-Infizierte, ein<br />
Rehab-Zentrum, eine Anlage für betreutes<br />
Wohnen und ein Röntgenzentrum. Zudem<br />
konnten wir an diversen Lehrveranstaltungen<br />
der Hochschule teilnehmen.<br />
Wir bekamen einen Einblick in eine neue<br />
Welt und durch das ständige Vergleichen<br />
und Reflektieren konnten wir unseren<br />
Blickwinkel erweitern. Wir haben gelernt<br />
wie wichtig es ist zu reflektieren, um eine<br />
Entwicklung zu gewährleisten, aber auch<br />
um wieder wertschätzen zu können.<br />
LITERATUR<br />
WHO. (2010). World Health Report. Abgerufen<br />
am 17.11.15 von www.who.int/<br />
whr/2010/en/<br />
WHO. (2013). Global Health Observatory.<br />
Abgerufen am 17.11.15 von www.who.<br />
int/gho/en/<br />
ZU DEN PERSONEN<br />
Linda Eberle, BSc<br />
DGKS; absolvierte 2014 das<br />
Bachelorstudium Gesundheits-<br />
und Krankenpflege<br />
an der Fachhochschule<br />
Campus Wien. Sie arbeitet<br />
derzeit als dipl. Gesundheits-<br />
und Krankenschwester<br />
auf einer allgemeinen<br />
Intensivstation in Wien. Seit<br />
Herbst 2015 studiert sie<br />
nebenberuflich Pflegewissenschaft<br />
an der Uni Wien.<br />
linda.eberle@gmx.net<br />
Philipp Gallistl, BSc<br />
DGKP; hat „Gesundheitsund<br />
Krankenpflege“ an der<br />
FH Campus Wien studiert<br />
und arbeitet seitdem im<br />
Kaiser Franz Josefspital in<br />
der internistischen Notfallambulanz/Erstversorgung.<br />
Berufsbegleitend studiert<br />
er „Advanced Nursing<br />
Practice“ an der FH Campus<br />
Wien und Pflegewissenschaft<br />
an der Universität<br />
Wien.<br />
philipp.gallistl@gmx.at<br />
20 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
2. Universitätslehrgang<br />
Praxisanleitung und Mentoring<br />
im Gesundheitswesen<br />
Sie arbeiten im Gehobenen Dienst der Gesundheits- und<br />
Krankenpflege und möchten Auszubildende, Studierende und neue<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter professionell begleiten?<br />
Hier erwerben Sie in drei Semestern die berufspädagogischen<br />
Kompetenzen!<br />
Veranstaltungsort:<br />
Donau-Universität Krems<br />
Beginn:<br />
30. März 20<strong>16</strong><br />
Dauer:<br />
3 Semester<br />
Kosten:<br />
Euro 6.950,–<br />
Fachwissenschaftliche<br />
Begleitung:<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
6. Universitätslehrgang<br />
Komplementäre<br />
Gesundheitspflege<br />
Sie arbeiten im Gehobenen Dienst der Gesundheits- und<br />
Krankenpflege und möchten ergänzend komplementäre Kompetenzen<br />
erwerben, um Ihr Klientel in der Gesundheitsförderung, der<br />
Prävention und der Krankenpflege zu unterstützen und zu beraten?<br />
Hier erlangen Sie in drei Semestern den Abschluss Akademische<br />
Expertin / Akademischer Experte der Komplementären<br />
Gesundheitspflege!<br />
Veranstaltungsort:<br />
Donau-Universität Krems<br />
Beginn:<br />
30. März 20<strong>16</strong><br />
Dauer:<br />
3 Semester<br />
Kosten:<br />
Euro 6.950,–<br />
Fachwissenschaftliche<br />
Begleitung:<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
7. Universitätslehrgang<br />
Gesundheits- und<br />
Pflegeberatung<br />
Sie arbeiten im Gehobenen Dienst der Gesundheits- und<br />
Krankenpflege und möchten ein erweitertes Wissens-, Erfahrungsund<br />
Handlungsspektrum für Ihr Klientel erlangen?<br />
Hier erwerben Sie in drei Semestern die dafür erforderlichen<br />
Beratungs- und wissenschaftlichen Kompetenzen!<br />
Veranstaltungsort:<br />
Donau-Universität Krems<br />
Beginn:<br />
30. März 20<strong>16</strong><br />
Dauer:<br />
3 Semester<br />
Kosten:<br />
Euro 6.950,–<br />
Fachwissenschaftliche<br />
Begleitung:<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
pflegenetz.stipendium<strong>16</strong><br />
Der Verein club.pflegenetz stiftet für das Studienjahr 20<strong>16</strong> einmalig für eine/n Studierende/n ein Stipendium in der<br />
Höhe von EUR 1.425,- (50% der Lehrgangsgebühr) für das Certified Program der oben angeführten Lehrgänge an<br />
der Donau-Universität Krems!<br />
Alle Informationen unter<br />
www.pflegenetz.at und www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft<br />
Kontakt:<br />
Verein club.pflegenetz<br />
Baumeistergasse 32/5/1, 1<strong>16</strong>0 Wien<br />
T: +43/1/8972110 • F: +43/1/8972388<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
M: +43/699/10461314<br />
claudia.kastner-roth@medical-update.net<br />
Martin Wallner, BSc MA<br />
M: +43/699/17070043<br />
martin.wallner@medical-update.net<br />
www.wundplattform.at<br />
Donau-Universität Krems<br />
Fakultät für Gesundheit und Medizin<br />
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30<br />
A-3500 Krems<br />
Mag. Larissa Flitsch<br />
T:+43/2732/893-2742<br />
F:+43/2732/893-4602<br />
larissa.flitsch@donau-uni.ac.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 21
pflegenetz.pflege.assistenz<br />
Ein Schatz, den man heben<br />
muss<br />
Diversität in der Ausbildung zur Pflegehilfe bzw. zur<br />
Fachsozialbetreuerin und zum Fachsozialbetreuer<br />
VON HARIS CUKUR, MANUELA OBEREGGER.<br />
FOTOS VON MARIJANA STEFANOVIC.<br />
Nicht nur im alltäglichen Miteinander, sondern auch in Pflege und Betreuung wird eine Öffnung in<br />
Richtung unterschiedlicher Dimensionen von Diversität weiterhin (und in steigendem Ausmaß) von<br />
Bedeutung sein. Wir möchten ein Projekt, das an der AWZ Soziales Wien GmbH (AWZ) in lebendiger und<br />
mit allen Sinnen erfahrbarer Weise durchgeführt wurde, vorstellen.<br />
Zunächst sollen einige Zahlen betreffend<br />
die Diversitätsdimensionen Migrationshintergrund<br />
und Alter die steigende Bedeutung<br />
der Beachtung von Diversität im<br />
Rahmen von Pflege und Betreuung deutlich<br />
machen:<br />
1,7 Millionen der insgesamt 8,5 Millionen<br />
Einwohnerinnen und Einwohner Österreichs<br />
waren im Jahr 2014 Migrantinnen<br />
und Migranten der 1. und 2. Generation.<br />
Ein Drittel kam dabei aus EU-Staaten und<br />
dem EWR-Raum oder aus der Schweiz,<br />
zwei Drittel der Personen mit Migrationshintergrund<br />
kamen aus Drittstaaten.<br />
Die größte Gruppe der Menschen mit<br />
Migrationshintergrund machen Personen<br />
deutscher Herkunft aus, gefolgt von<br />
Migrantinnen und Migranten aus Serbien,<br />
Montenegro und dem Kosovo, Platz<br />
drei belegen Menschen türkischer Herkunft<br />
(Statistik Austria, 2015a).<br />
1,6 Millionen der in Österreich Lebenden<br />
waren über 65 Jahre alt, das entspricht<br />
einem Bevölkerungsanteil von 18,4%.<br />
Bis zum Jahr 2030 wird er mit 23,4%<br />
prognostiziert. Von den oben genannten<br />
1,7 Millionen Personen mit Migrationshintergrund<br />
zählten im Jahr 2014 insgesamt<br />
10,3% zur Generation 65+ (Statistik<br />
Austria, 2015b).<br />
Konkret bedeutet das: nicht allein<br />
Sprach- und kulturelle Kenntnisse sind<br />
in Pflege und Betreuung zunehmend<br />
gefragt, sondern auch die Fähigkeit, spezifische<br />
Bedarfslagen zu erkennen, die<br />
sich aus der Migration ergeben, und dies<br />
betrifft besonders Ältere, die Pflege- und<br />
Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen<br />
werden. Es gilt also, diese Fähigkeit<br />
zu schulen und zu vermitteln.<br />
Pflegehelferinnen und Pflegehelfer<br />
bzw. auch Fachsozialbetreuerinnen und<br />
Fachsozialbetreuer sind in Ausübung<br />
ihrer Tätigkeit in der direkten Pflege<br />
und Betreuung besonders nahe an Klientinnen<br />
und Klienten, was neben der<br />
Unterstützung in allen pflegerischen<br />
Dimensionen auch Betreuung und damit<br />
auch Tages- oder Freizeitgestaltung<br />
einschließt. Hier ist es von besonderer<br />
Bedeutung, dass Sensibilität und Kompetenz<br />
in Zusammenhang mit allen Diversitätsdimensionen<br />
gegeben ist.<br />
An unserer Ausbildungseinrichtung ist es<br />
erklärtes Ziel, Diversität nicht nur zum<br />
Thema zu machen und die Mitarbeitenden<br />
darin zu schulen, sondern die Vielfalt<br />
auch täglich zu leben. Die Frage, die<br />
sich stellte, war: wie ist das auch abseits<br />
des theoretischen Unterrichts möglich?<br />
Wir haben uns für eine Form des Lernens<br />
entschieden, in dem Diversität in ihren<br />
Dimensionen von den Auszubildenden<br />
selbst erlebt und erfahren werden kann.<br />
Neben der Kenntnis über die einzelnen<br />
Diversitätsdimensionen sollte auch affektiv-emotional<br />
etwas vermittelt und<br />
behalten werden, nämlich: das bewusste<br />
Anerkennen und Einbeziehen von Vielfalt<br />
verbessert Sensibilität und Gespür füreinander,<br />
ist ein Gewinn für alle Beteiligten,<br />
und macht außerdem Freude, weil<br />
andere Lebenswelten interessant sind.<br />
Wir wollten dabei die Ressourcen, die die<br />
Lernenden mitbringen, nutzen.<br />
Welche Ressourcen sind das unter anderem?<br />
Eine Datenerhebung zu unseren<br />
Auszubildenden der Wiener Schule für<br />
Sozialberufe und der Ausbildungseinrichtung<br />
für Pflege- und Heimhilfe (beides<br />
Bereiche der AWZ) zeigte, dass der Anteil<br />
der Auszubildenden bzw. der Teilnehmenden,<br />
die nicht in Österreich geboren<br />
wurden, bei 45% liegt. Das ist aus unserer<br />
Sicht ein Schatz, den man heben<br />
muss.<br />
Auszubildende sollen darin begleitet<br />
werden, zunächst die Vielfalt der Dimensionen<br />
von Diversität zu erkennen: Bedarf<br />
und Bedürfnisse von Menschen sind<br />
22 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.pflege.assistenz<br />
immer in Zusammenhang mit z.B. Alter,<br />
Geschlecht, Herkunft, Religion oder auch<br />
möglichen Beeinträchtigungen zu sehen.<br />
Zunächst fließen diese Dimensionen als<br />
Querschnittsthemen in alle Unterrichte<br />
ein. Dabei werden nicht allein Vortragende,<br />
sondern auch Teilnehmende bzw.<br />
Lernende überhaupt als Expertinnen und<br />
Experten gesehen. Alle internen Lehrpersonen<br />
der Ausbildungseinrichtung haben<br />
ein Skill-Building durchlaufen. Ziel war es,<br />
sie für Diversität zu sensibilisieren. Konkreter:<br />
sie dazu zu befähigen, Mechanismen<br />
der Bildung von In- oder Outgroups<br />
(das sind Eigengruppen, denen man sich<br />
zugehörig fühlt bzw. der Kontrast dazu,<br />
also Fremdgruppen) zu erkennen. Diversitätssensible<br />
Lehrpersonen sollen mögliche<br />
Konflikte und ihre Ursachen verstehen,<br />
sie möglicherweise entflechten<br />
helfen, und: sie sollen an der Schaffung<br />
eines Klimas gegenseitiger Wertschätzung<br />
und des Willkommenseins bei aller<br />
Verschiedenheit mitwirken. So kann<br />
bspw. Peer-Learning unterstützt und der<br />
interkulturelle Dialog gefördert werden.<br />
Ein nächster Schritt, denn wir gemeinsam<br />
gehen wollten, war es, das Miteinander<br />
der Vielfalt für die Auszubildenden<br />
erlebbar zu machen. Motivation dabei<br />
war unsere Überzeugung, dass positive<br />
Identifizierung mit Vielfalt helfen kann,<br />
Austausch und Gegenseitigkeit zu fördern,<br />
und Vorurteile oder Stereotype in<br />
der Wahrnehmung anderer zu vermeiden.<br />
Besonders wichtig dabei war Folgendes:<br />
nicht nur die einzelnen Dimensionen<br />
von Diversität zu zeigen, sondern<br />
auch die Unterschiede innerhalb und darin.<br />
Es gibt also nicht nur junge und alte<br />
Menschen, Menschen mit und Menschen<br />
ohne Behinderung oder Menschen mit<br />
unterschiedlicher Kultur oder religiöser<br />
Anschauung, sondern: es gibt auch nicht<br />
den alten Menschen, nicht den jungen<br />
Menschen, nicht den Menschen mit oder<br />
ohne Behinderung und nicht den Hindu,<br />
Christen oder Muslim. Und: Diversität,<br />
dafür stehen wir alle.<br />
Stattfinden sollte dieser Schritt in der gemeinsamen<br />
Gestaltung eines interkulturellen<br />
Tages.<br />
Dieses von Haris Cukur geleitete und von<br />
Manuela Oberegger begleitete Projekt<br />
startete im September 2015 und endete<br />
mit einer Veranstaltung im Dezember<br />
2015. Dazwischen lagen fünf Projektphasen:<br />
Die Vorstellung des Projekts, die<br />
Phase der Ideensammlung und Konzepterstellung<br />
in den Gruppen, die Phase<br />
der Materialsammlung, -auswertung und<br />
der Nachrecherche sowie des Probens<br />
und Übens, die Phase der Endgestaltung<br />
der geplanten Präsentation und schließlich<br />
die Realisierung.<br />
Den Einstieg in das Projekt bildete ein<br />
Impulsvortrag zum Thema „Diversität“.<br />
Ausbildungs- und lehrgangsübergreifend<br />
(Teilnehmende waren Schülerinnen und<br />
Schüler der Wiener Schule für Sozialberufe<br />
sowie der Ausbildungseinrichtung für<br />
Pflege- und Heimhilfe, also eine Gruppe<br />
von knapp 60 Lernenden) bildete man<br />
Projektgruppen, die von Lehrenden begleitet<br />
wurden.<br />
Die Gruppen fassten unterschiedliche Diversitätsdimensionen<br />
zusammen, etwa:<br />
Gender, Religion, Behinderung, kulturelle<br />
Besonderheiten oder so genannte „Randgruppen“<br />
(Gruppen von Menschen, die<br />
z.B. aufgrund sozialer Herkunft Benachteiligung<br />
erfahren).<br />
In den Gruppen wurde einerseits überlegt<br />
und reflektiert, welche Probleme sich innerhalb<br />
dieser Dimensionen für Betroffene<br />
ergeben können und wie man sie<br />
erkennt. Andererseits wurde über Möglichkeiten<br />
des Ausgleichs und der Teilhabe<br />
nachgedacht, bzw. darüber, wo Chancen<br />
und Gemeinsamkeiten liegen, an denen<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 23
pflegenetz.pflege.assistenz<br />
angesetzt werden kann, kurz: wie kann<br />
Vielfalt nicht nur gelebt, sondern auch genutzt,<br />
wie kann Diskriminierung vermieden<br />
werden?<br />
Die sechs Projektgruppen mit jeweils zehn<br />
Teilnehmenden erstellten Ablaufplan und<br />
Zeitstruktur, beschäftigten sich mit Themenvertiefung<br />
und Auswahl der Darstellungsmethode<br />
(Film, Interview, Rollenspiel)<br />
ihrer Präsentation, trafen einander<br />
wiederholt, um schließlich ein Konzept für<br />
ihren Beitrag zur Abschlussveranstaltung<br />
zu erstellen. Zur Recherche standen die<br />
PC-Räume der AWZ zur Verfügung, und<br />
es erfolgte durchgängige Unterstützung<br />
durch die Lehrpersonen.<br />
Dabei lernten die Teilnehmenden einander<br />
nicht nur in der Zusammenarbeit, sondern<br />
auch in ihrer Verschiedenheit, ihrem<br />
kulturellen Hintergrund, ihrer Herkunft,<br />
ihren unterschiedlichen sozialen Rollen<br />
samt ihren Traditionen und Prägungen<br />
besser kennen. Dies bot Möglichkeiten,<br />
den Austausch und die Chancen der Vielfalt,<br />
über die sie in der Theorie gehört hatten,<br />
nun auch zu leben.<br />
Nach dem Vortrag des Projektleiters, Haris<br />
Cukur, präsentierten die Projektgruppen<br />
über 60 Minuten an selbstproduziertem<br />
Filmmaterial zu den Themen Alter oder<br />
Behinderung, indem Interviews mit Betroffenen<br />
oder von den Auszubildenden<br />
durchgeführte Umfragen gezeigt wurden.<br />
Es gab eine Vorführung zum „Tanzen mit<br />
Kindern mit Behinderung“, ebenso eine<br />
spielerische Darbietung, in der kulturelle<br />
Unterschiede spürbar gemacht wurden.<br />
Nach diesem Startschuss durften die Gäste<br />
sich frei auf drei Stockwerken der Ausbildungseinrichtung<br />
bewegen, wobei in den<br />
Unterrichtsräumen Ausstellungen zu Themen<br />
wie „Religion“, „Gender“ oder „kulturelle<br />
Vielfalt“ vorbereitet waren.<br />
Einen der Höhepunkte bildete der interkulturelle<br />
Brunch: die Lernenden hatten<br />
Mahlzeiten und Snacks aus ihren Heimatbzw.<br />
Herkunftsländern zubereitet und waren<br />
außerdem in verschiedenen Trachten<br />
und Bekleidungen erschienen.<br />
Neben dem Erleben des Miteinanders von<br />
insgesamt 150 Personen auf dieser großen<br />
Veranstaltung hatten die Teilnehmenden<br />
die Möglichkeit, sich diversitätsbezogenes<br />
Wissen anzueignen.<br />
Die Ausführenden konnten unter bewusster<br />
Einbeziehung ihrer Verschiedenheit lernen<br />
und arbeiten und nicht nur Haltungen<br />
hinterfragen und reflektieren, sondern<br />
auch implizites (z.B. kulturelles) Wissen<br />
und die zugehörigen Erfahrungen als etwas<br />
identifizieren, das für andere neu und<br />
interessant, weil eben anders ist. Dass<br />
gelebte Diversität für Anerkennung, Wertschätzung<br />
und Einbeziehung des Verschiedenen<br />
steht, dass sie täglich neu gelebt<br />
werden soll und kann, konnte erfahren<br />
werden. Und: dass sie bunt ist. Und ein<br />
Schatz, den es zu heben gilt.<br />
LITERATUR<br />
Statistik Austria. (2015a). Bevölkerung<br />
in Privathaushalten nach Migrationshintergrund.<br />
Abgerufen am 08.01.20<strong>16</strong><br />
von http://www.statistik.at/web_de/<br />
statistiken/menschen_und_gesellschaft/<br />
bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_migrationshintergrund/<br />
index.html<br />
Statistik Austria. (2015b): Bevölkerung<br />
nach Alter und Geschlecht. Abgerufen am<br />
08.01.20<strong>16</strong> von http://www.statistik.at/<br />
web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_alter_geschlecht/index.html<br />
ZU DEN PERSONEN<br />
Haris Cukur, MSC<br />
Gesundheitspädagoge,<br />
Lehrer für Gesundheits- und<br />
Krankenpflege an der AWZ<br />
Soziales GmbH, Diplomierter<br />
Gesundheits- und<br />
Krankenpfleger.<br />
Manuela Oberegger<br />
Dipl. Sozialarbeiterin, Genderberaterin<br />
und Diversitätsbeauftragte<br />
an der AWZ<br />
Soziales Wien GmbH.<br />
24 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
Themen 20<strong>16</strong>:<br />
Gegenstandsangemessenheit von Datenerhebungsmethoden<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Zielgruppen:<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
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<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 25
pflegenetz.bildung<br />
Zu allem fähig, und das sofort<br />
Oder: gut, dass es kein Pflege-PISA gibt<br />
VON ESTHER MATOLYCZ.<br />
Unter jemandes Kompetenz werden, sofern der Begriff im pädagogischen Kontext 1 verwendet wird,<br />
gemeinhin Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten verstanden: wer über eine bestimmte Kompetenz verfügt,<br />
soll auf einem Gebiet, in einer Sache fähig sein, etwas zu tun, soll etwas können. Demgemäß sind –<br />
verständlicherweise – (pflege)didaktische Bemühungen ausgerichtet: kompetenzorientiert. Mitunter<br />
allerdings ist dieser Ausrichtung etwas eingeschrieben, das nicht ausgesprochen wird. Und im Sinne des<br />
Transparenzgedankens soll es an dieser Stelle Raum bekommen.<br />
„Es geht“, so der Berufs- und Wirtschaftspädagoge<br />
Neuweg zunächst, und<br />
hier spiegeln sich die Ansinnen zeitgemäßer<br />
Pflege(aus)bildung gewiss, heute<br />
darum, „den Menschen `kompetent´ zu<br />
machen (…)“, und dabei „um methodische<br />
Kompetenz, soziale Kompetenz,<br />
personale Kompetenz, fachliche Kompetenz,<br />
kommunikative Kompetenz und<br />
emotionale Kompetenz (…)“; der Autor<br />
nennt noch weitere Kompetenzen, etwa<br />
die für Pflege und Betreuung bedeutsame<br />
„ethische Kompetenz“, überhaupt die<br />
„berufliche Handlungskompetenz“ oder<br />
die „Medienkompetenz“ (Neuweg, 2013,<br />
S. 103f.). Es leuchte, so Neuweg dazu,<br />
schließlich „irgendwie ein“, dass „`Stoffhuberei<br />
schlecht und Kompetenzorientierung<br />
besser ist als Inkompetenzorientierung“,<br />
es bleibe allerdings unklar, was<br />
Kompetenzorientierung nun genau sei.<br />
Jedenfalls aber würden neue Konzepte<br />
(und so auch dieses) gerne dargestellt,<br />
als handle es sich dabei um einen „mehr<br />
oder weniger radikalen Bruch mit allen<br />
bisherigen pädagogischen Prinzipien“<br />
(Neuweg, 2013, S. 104).<br />
Nun muss im digitalen Zeitalter weder<br />
alles „gewusst“ werden (das musste und<br />
konnte es nie), noch muss „bloß“ etwas<br />
„gewusst“ und nichts „gekonnt“ werden.<br />
Auch in Zeiten, in denen das noch<br />
nicht so hieß, war die Pflegeausbildung<br />
kompetenzorientiert. Und freilich ändert<br />
sich das, was hierbei gefragt ist. So gilt<br />
heute: Recherche und der Umgang mit<br />
Datenbanken will gelehrt und gelernt<br />
sein. Wohl sind, so der Philosoph Konrad<br />
Paul Liessmann, „das Internet und entsprechende<br />
Suchmaschinen natürlich ein<br />
eleganter und höchst effizienter Ersatz<br />
dafür, was man früher `Bibliographieren´,<br />
`Im-Lexikon-Nachschlagen´ und Ähnliches<br />
nannte.“ Allerdings, so Liessmann weiter:<br />
„Lebendig werden Daten ja immer erst<br />
dann, wenn der Mensch dazukommt und<br />
versucht, sich Inhalte anzueignen und in<br />
irgendeinen Sinnzusammenhang zu bringen.<br />
Und je invarianter das damit erzeugte<br />
Grundwissen ist, je unabhängiger vom<br />
Zeitgeist es nutzbar gemacht werden<br />
kann, desto brauchbarer ist es.“ (Kolozs,<br />
2011, S. 14).<br />
Man mag nun fragen, welche Kompetenzen<br />
es braucht, damit bspw. Daten nicht<br />
allein gefunden, sondern auch verwertet,<br />
also nutzbar gemacht werden können:<br />
Fast bin ich versucht, von etwas wie Vernetzungskompetenz<br />
oder Kritik-Kompetenz,<br />
vielleicht auch Bewertungs- oder<br />
Selektions- oder Reflexionskompetenz<br />
zu sprechen (und das ließe sich fortsetzen).<br />
Man könnte aber auch jenen Begriff<br />
bemühen, den Liessman ins Feld führt,<br />
nämlich den des invarianten, also gewissermaßen<br />
dauerhaften Grundwissens.<br />
Vielleicht jenen Wissens, das sozusagen<br />
den Raster bildet, in welchen neu hinzukommende<br />
Informationen eingeordnet<br />
werden, mit dem sie sich (weiter) verbinden<br />
können.<br />
Bieri (2005) benennt in seiner Festrede an<br />
der pädagogischen Hochschule Bern Bildung<br />
unter anderem als Weltorientierung,<br />
verortet darin einen „Sinn für die Proportionen“<br />
und einen „Sinn für Genauigkeit“,<br />
und beschreibt Letzteres so: „Es gibt niemanden,<br />
der mehr als nur einen winzigen<br />
Ausschnitt der Welt genau kennt. Doch<br />
das verlangt die Idee der Bildung auch<br />
nicht. Aber der Gebildete ist einer, der<br />
eine Vorstellung davon hat, was Genauigkeit<br />
ist und dass sie in verschiedenen<br />
Provinzen des Wissens ganz Unterschiedliches<br />
bedeutet.“ (Bieri, 2005, S. 1).<br />
Neuweg spricht von einem „know-why“,<br />
das er dem „know-how“ gegenüberstellt:<br />
eher sei es eine Bestimmung von Schule,<br />
dieses know-why zu vermitteln als das<br />
know-how.<br />
Und selbstverständlich muss hier für die<br />
berufliche Bildung eingeschränkt werden:<br />
um das Zeigen, um das Anleiten im<br />
know-how schließlich geht es ihr, es ist<br />
also „Praxis“ gefragt. Es sei allerdings, so<br />
Neuweg weiter, die Praxis, deren Fehlen<br />
in der Schule nicht zu Unrecht bemängelt<br />
26 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.bildung<br />
würde, die Praxis des Denkens, und „gerade<br />
nicht die rast- und ruhelose, manchmal<br />
leider und manchmal notwendig<br />
denkferne Praxis des Lebens“ (Neuweg,<br />
2013, S. 106).<br />
Also: auch die Vermittlung praktischer<br />
Kompetenzen braucht Distanz zur Unmittelbarkeit,<br />
zur Notwendigkeit des Handlungszwanges<br />
(also: zur „echten“ Praxissituation),<br />
damit der Akt des Abwägens<br />
und Entscheidens über das Wie dessen,<br />
wozu jemand per Vermittlung der jeweiligen<br />
Kompetenz befähigt wird, erlernt<br />
und überdacht werden kann. Lehrende,<br />
die Auszubildende in der Pflegepraxis anleiten,<br />
werden sofort wissen, wovon ich<br />
spreche. So wichtig diese Anleitung ist,<br />
so sehr gibt es darin auch Situationen, in<br />
denen dort und direkt nicht alles Wichtige<br />
erklärt werden kann. Es kommt also – bei<br />
aller Bedeutsamkeit der Begleitung auch<br />
in der Pflegepraxis – die praktische Kompetenzvermittlung<br />
nicht ohne Rückzugsort<br />
vom Geschehen (sei es davor, besonders<br />
aber auch danach) aus.<br />
Vermittels dessen, was wir Reflexion<br />
nennen, wird im Rahmen von Lehre an<br />
die Fähigkeit, ein- und zuzuordnen und<br />
letztlich an die Fähigkeit, Pflegehandeln<br />
abzuwägen und es in die jeweilige Situation<br />
sinnvoll einzupassen, herangeführt.<br />
Das Vokabular der Professionalisierungstheorie<br />
bezeichnet diese spezielle Art des<br />
Schlussfolgerns als Inferenzieren („inference“:<br />
„But the sequence of diagnosis,<br />
inference and treatment embodies the<br />
essential cultural logic of professional<br />
practice.“ (Abbott, 1988, S. 40)). Unter<br />
anderem hierauf lässt sich jene Bedeutung<br />
übertragen, die Neuweg der Kompetenz<br />
zuschreibt. „Was also“ fragt er,<br />
„könnte es heißen und hat es einmal<br />
geheißen, kompetent zu sein: Es hieße,<br />
als mündiger Mensch freie und zugleich<br />
verantwortliche Urteile in einer zunehmend<br />
komplexer werdenden Welt zu<br />
treffen.“ Und: es nähme sich, gemessen<br />
an diesem Anspruch, „die zeitgenössische<br />
Kompetenzrhetorik ziemlich bescheiden<br />
aus“ (Neuweg, 2013, S. 111). Eine ihrer<br />
Gefahren läge in der „Verkürzung des<br />
Könnens durch die Assimilation an das<br />
Wissen (…)“, mit der zugleich eine „Verdrängung<br />
des Wissens zugunsten des<br />
Könnens“ einhergehe (Neuweg, 2013, S.<br />
107), und es würde darin mitunter „nicht<br />
nur die Rückbindung des Unterrichts an<br />
die Wissenschaften, sondern gleich auch<br />
der Fächerkanon als solcher infrage gestellt<br />
(…).“ (Neuweg, 2013, S. 109).<br />
Tatsächlich aber war, so der Autor weiter,<br />
der Kompetenzbegriff – eingeführt von<br />
Heinrich Roth – durch diesen eben gerade<br />
nicht als „das Zugerichtetsein für das<br />
Hier und Jetzt (…)“ verstanden (Neuweg,<br />
2013, S. 108).<br />
So wenig etwas gegen Ausbildung, die<br />
etwas wie Praxisfähigkeit der Lernenden<br />
zum Ziel hat, zu sagen ist, so sehr muss<br />
vielleicht auf eine Gefahr verwiesen werden:<br />
eventuell liegt sie darin, Wissen<br />
und Können derart gegeneinander auszuspielen,<br />
dass darin impliziert ist, es sei<br />
Letzteres nur um den Preis des Verzichts<br />
auf anderes zu haben, etwa in dem Sinn:<br />
lieber praktische Fähigkeit als „nutzlose“<br />
Anhäufung von „Wissen“.<br />
Ebenso bedenklich scheint eine (alleinige)<br />
Orientierung an Lernzielen und -portionen,<br />
die einer Checklistenlogik oder<br />
dem, was ich „pädagogische FAQ-Mentalität“<br />
nennen möchte, entsprechen. Denn:<br />
manche Kompetenzen zeigen sich sofort<br />
und sind auch sofort beobacht- und auch<br />
abprüfbar. Andere bilden sich erst heraus,<br />
und zwar an und im Gefolge anderer Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten, oder, folgt<br />
man Benners Modell der Entwicklung von<br />
Expertise, nach Jahren praktischen Tuns<br />
innerhalb eines pflegerischen Umfelds.<br />
Bestimmte Lernfortschritte sind weder sofort<br />
sichtbar, noch sind sie datierbar (was<br />
vielleicht ganz günstig erscheinen lässt,<br />
dass es kein Pflege-PISA gibt). Macht dies<br />
die pädagogischen Bemühungen sinnlos?<br />
Mitnichten und ganz im Gegenteil. Es rüttelt<br />
nur am Glauben an die Möglichkeit<br />
didaktischer Baukastenlogik. Und ein wenig<br />
auch an der Idee der pädagogischen<br />
Transparenz, um nicht zu sagen, der (lehrenden)<br />
Transparenzkompetenz.<br />
________________________<br />
1<br />
In anderen Zusammenhängen ist damit, in<br />
einer Sache Kompetenz zu haben, bekanntermaßen<br />
auch die Zuständigkeit (i.S. einer<br />
Befugnis) gemeint.<br />
LITERATUR<br />
Abbott, A. (1988). The System of<br />
Professions. An Essay on the Division of<br />
Expert Labor. Chicago und London: The<br />
University of Chicago Press.<br />
Bieri, P. (2005). Wie wäre es, gebildet zu<br />
sein? Festrede Pädagogische Hochschule<br />
Bern. Abgerufen am 11.01.20<strong>16</strong> von<br />
http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/<br />
downloads_internet/publikationen/Birie_Gebildet_sein.pdf<br />
Kolozs, M. (Hrsg.) (2011). „Bildung ist ein<br />
Lebensprojekt“. Im Gespräch mit Konrad<br />
Paul Liessmann. Innsbruck: StudienVerlag<br />
Ges.m.b.H.<br />
Neuweg, H. G. (2013). Der gute Mensch<br />
und sein Wissen. Was es einmal hieß,<br />
kompetent zu sein. In. K. P. Liessmann, K.<br />
Lacina (2013). Sackgassen der Bildungsreform:<br />
Ökonomisches Kalkül - Politische<br />
Zwecke - Pädagogischer Sinn (S. 103-<br />
112). Wien: Facultas.<br />
ZUR PERSON<br />
Mag. Esther Matolycz<br />
DGKS, Publizistin;<br />
Studium der Päda go gik mit<br />
Schwerpunkt<br />
Berufs pädagogik des<br />
Gesund heits wesens,<br />
besondere Nähe zur<br />
Geriatrie.<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 27
pflegenetz.care<br />
Mit Wohn-Pflegegemeinschaften<br />
auf dem Weg zu einer<br />
geschlechtergerechteren<br />
Organisation von Pflege und<br />
Betreuung<br />
Ergebnisse einer qualitativen Studie<br />
VON ROMY REIMER.<br />
FOTOS VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Pflegearbeit wird nach wie vor zum überwiegenden Teil von Frauen, häufig unentgeltlich und/oder<br />
parallel zu einer Erwerbstätigkeit, vielfach auch im Rahmen irregulärer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse<br />
erbracht. Mehr geschlechterpolitische Gleichstellung verspricht das Modell der ambulant<br />
betreuten Wohn-Pflegegemeinschaft, in dem die 24-Stunden-Betreuung und Pflege außerhäuslich in<br />
einem professionellen Kontext organisiert werden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich mit dem Modell<br />
der Wohn-Pflegegemeinschaft der Aufgaben- und Verantwortungsbereich für Angehörige pflege- und<br />
betreuungsbedürftiger Personen verändert. Während Aufgaben körperbezogener Pflege und mithin die<br />
Hauptlast der Sorgeverantwortung in professionelle Hände gelegt werden, verbleiben organisatorische<br />
Aufgaben in unterschiedlichem Umfang bei den sorgenden Angehörigen. Wohn-Pflegegemeinschaften<br />
besitzen das Potenzial, Pflege- und Betreuungstätigkeiten gerechter zwischen den Geschlechtern<br />
aufzuteilen. Zugleich verdeutlichen sie, dass und an welchen Stellen auch bei diesem Modell Nachbesserungsbedarf<br />
in punkto Anerkennung von Care-Arbeit besteht.<br />
Ambulant betreute Wohn-Pflegegemeinschaften<br />
(Pflege-WGs) erfreuen sich in<br />
Deutschland wachsender Beliebtheit.<br />
Sie bieten eine Versorgungsalternative<br />
sowohl zur Heimbetreuung als auch zur<br />
Pflege zu Hause durch Angehörige und/<br />
oder den ambulanten Fahrdienst für Menschen,<br />
die rund um die Uhr betreut werden<br />
müssen. In den Pflege-WGs leben vier<br />
bis zwölf Bewohnerinnen und Bewohner<br />
zusammen. Sie verfügen über ein eigenes<br />
Zimmer, teilweise mit Bad, eine große<br />
Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsräume.<br />
Die “häusliche“ Umgebung und<br />
alltagsnahe Strukturen sollen eine größtmögliche<br />
Selbstbestimmung garantieren.<br />
Nicht die Pflegebedürftigkeit, sondern die<br />
Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher<br />
Abläufe soll im Vordergrund stehen.<br />
Auf der juristischen Ebene wird zwischen<br />
Wohn-Pflegegemeinschaften in ambulanter<br />
Trägerschaft, stationären Wohngruppen<br />
und selbstbestimmten Wohn-Pflegegemeinschaften<br />
unterschieden.<br />
Diese neue Form der Organisation von<br />
Sorgearbeit fügt sich der hierzulande<br />
geltenden pflegepolitischen Maxime<br />
„ambulant vor stationär“, bricht jedoch<br />
gleichzeitig mit traditionellen Pflegearrangements,<br />
indem Pflege und Betreuung<br />
aus der Familie heraus in einen professionellen<br />
Kontext verlagert werden. Ob mit<br />
dem neuen Sorgearrangement ein entscheidender<br />
Schritt in Richtung einer geschlechtergerechteren<br />
Organisation von<br />
Pflege- und Betreuungsarbeit getan ist,<br />
beleuchtet die Studie Geschlechtergerechte<br />
Care-Arrangements in Wohn-Pflegegemeinschaften?<br />
Studie zur Neuverteilung<br />
formeller, informeller, professioneller<br />
und semiprofessioneller Pflegeaufgaben<br />
der Wissenschaftlerinnen Romy Reimer<br />
und Birgit Riegraf von der Universität Paderborn<br />
(Reimer & Riegraf, 2015). Interviewt<br />
wurden insgesamt 25 Angehörige<br />
und 18 Pflege- und Betreuungskräfte in<br />
11 Wohn-Pflegegemeinschaften in Hamburg<br />
und Nordrhein-Westfalen. Ziel war<br />
es, herauszufinden, wie Sorgearbeit in<br />
den Pflege-WGs zwischen den Beteiligten<br />
28 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.care<br />
verteilt ist, wer sie leistet und unter welchen<br />
Rahmenbedingungen sie stattfindet.<br />
Die Befragung ergab, dass Art und Umfang<br />
der Angehörigenbeteiligung an dem<br />
Sorgearrangement von Pflege-WG zu<br />
Pflege-WG variieren. Entscheidend war<br />
jeweils, ob die Pflege-WGs in ambulanter<br />
Trägerschaft, mit (Typ 2) oder ohne (Typ 1)<br />
Angehörigengremium oder selbstverwaltet<br />
(Typ 3) durch die Angehörigengruppe<br />
geführt wurden. Im Zuge der Auswertung<br />
wurden drei Idealtypen gebildet, die die<br />
vorgefundenen unterschiedlichen Organisationsformen<br />
veranschaulichen. Gemeinsam<br />
ist allen drei Pflege-WG-Typen, dass<br />
die Hauptlast der Betreuung und Pflege<br />
des Sorgebedürftigen nicht mehr bei den<br />
Familien liegt, sondern zwischen Angehörigen,<br />
examinierten, teilexaminierten und<br />
gering qualifizierten Kräften verteilt ist.<br />
Wesentliche Unterschiede bestehen in<br />
punkto Selbstbestimmung und Mitwirkung<br />
von Angehörigen. Dessen ungeachtet<br />
schätzen Angehörige aller drei<br />
Pflege-WG-Typen die Informations- und/<br />
oder Mitwirkungsrechte größer ein, als in<br />
klassischen Heimen.<br />
Angehörige in Pflege-WGs des Typ 1 kümmerten<br />
sich im Schnitt etwa 3,7 Stunden<br />
pro Woche um ihr pflegebedürftiges Familienmitglied,<br />
übernahmen jedoch keine<br />
festen Aufgaben innerhalb der Einrichtung.<br />
Nur in Ausnahmefällen engagierten<br />
sich Angehörige dieses Pflege-WG-Typs<br />
in einem mit den anderen beiden Pflege-WG-Typen<br />
vergleichbaren Umfang,<br />
woraus deutlich geringere Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />
resultierten als bei<br />
den anderen beiden Pflege-WG-Typen<br />
(Tab. 1).<br />
Tab. 1: Pflege-WG-Typen.<br />
In Pflege-WGs in ambulanter Trägerschaft<br />
mit Angehörigengremium (Typ 2) besteht<br />
in der Regel ein partnerschaftliches Verhältnis<br />
zwischen Pflegedienst und Angehörigengruppe.<br />
Im Idealfall liegt dem<br />
Zusammenwirken eine Vereinbarung zwischen<br />
beiden Parteien zugrunde, die die<br />
Selbstbestimmung und Mitwirkung der<br />
Angehörigen dauerhaft sicherstellt. Angehörige<br />
bereichern den Pflege-WG-Alltag,<br />
in dem sie z.B. Feste und Ausflüge<br />
organisieren und begleiten, Schönheitsreparaturen<br />
in der Pflege-WG übernehmen<br />
oder sich an der Gartenpflege beteiligen.<br />
Teilweise sind sie auch in Neubelegungsverfahren<br />
involviert und können bei der<br />
Auswahl neuer Bewohnerinnen und Bewohner<br />
mitentscheiden. Angehörige dieses<br />
Pflege-WG-Typs gaben an, etwa 5,4<br />
Stunden pro Woche für die Betreuung ihres<br />
Familienmitgliedes sowie die Mitwirkung<br />
an WG-Aufgaben aufzuwenden.<br />
In selbstverwalteten WGs (Typ 3) investieren<br />
Angehörige mit rund 9,4 Wochenstunden<br />
die meiste Zeit in die Betreuung<br />
pflegebedürftiger Familienmitglieder<br />
sowie die Selbstverwaltung. Angehörige<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 29
pflegenetz.care<br />
dass Alltagsbegleiterinnen und -begleiter<br />
bzw. Präsenzkräfte auf geringfügiger Basis<br />
angestellt werden, um die ‘Rund-um-die-<br />
Uhr-Betreuung‘ zu gewährleisten, während<br />
teures Fachpersonal zum Großteil in<br />
Teilzeit angestellt wird. Damit führt der<br />
hohe Kostendruck im Pflegesektor offenbar<br />
auch in Wohn-Pflege-Gemeinschaften<br />
zu eher prekären Arbeitsbedingungen.<br />
Während auf Seiten der Angehörigen<br />
durchaus Fortschritte beim Thema einer<br />
geschlechtergerechten Organisation<br />
von Pflege und Betreuung erzielt wurden,<br />
besteht Verbesserungsbedarf hinsichtlich<br />
der Situation des Pflege- und<br />
Betreuungspersonals. Bessere Löhne für<br />
Pflege- und Betreuungskräfte sowie der<br />
Abbau geringfügiger zugunsten regulärer<br />
Beschäftigungsverhältnisse sind weitere<br />
Meilensteine auf dem Weg zu einer<br />
geschlechtergerechten Organisation von<br />
Pflege und Betreuung.<br />
des Pflege-WG-Typs 3 bilden eine Gesellschaft<br />
bürgerlichen Rechts. In regelmäßigen<br />
Treffen erfolgen Austausch und Abstimmung<br />
mit dem Pflegedienst, zudem<br />
werden gemeinsame Angelegenheiten<br />
besprochen und koordiniert. Zusätzlich zu<br />
den bei Pflege-WG-Typ 2 genannten Aufgaben<br />
entsteht bei diesem Pflege-WG-Typ<br />
ein stärkerer Verwaltungs- und Organisationsaufwand.<br />
Bei der Bewältigung wurden<br />
die Angehörigengruppen teilweise von<br />
externen Dienstleisterinnen und Dienstleistern,<br />
teilweise von ehrenamtlichen Expertinnen<br />
und Experten unterstützt.<br />
Die unterschiedlichen Organisationsformen<br />
von Pflege-WGs entsprechen den<br />
persönlichen Kapazitäten sorgender Angehöriger.<br />
Sie werden vollständig von<br />
den Pflege- und Betreuungsanforderungen<br />
entlastet und können sich in einem<br />
Maße in den Pflege-WGs engagieren, das<br />
mit ihren beruflichen und privaten Interessen<br />
vereinbar ist. Davon profitieren<br />
insbesondere Frauen, die zuvor in der<br />
Regel die familiäre Pflege übernommen<br />
haben. Angehörige sehen ihre pflegebedürftigen<br />
Familienmitglieder in der kleinteiligen<br />
Versorgungsform bestmöglich<br />
versorgt und individuell betreut. Offenbar<br />
ist jedoch besonders bei den befragten<br />
Frauen die Bereitschaft, Sorgeverantwortung<br />
abzugeben, eng verknüpft mit dem<br />
Eindruck, dass das pflegebedürftige Familienmitglied<br />
optimal betreut wird. Sie<br />
zeigen sich erleichtert, die physisch wie<br />
psychisch anspruchsvolle Arbeit der körperlichen<br />
Pflege abgeben zu können und<br />
betonten, nun mehr Raum für emotionale<br />
Sorge zur Verfügung zu haben.<br />
Das mehrheitlich weibliche Pflege- und<br />
Betreuungspersonal in den Pflege-WGs<br />
schätzt insbesondere die Flexibilität, die<br />
das vergleichsweise kleinteilige Versorgungsmodell<br />
der Pflege-WG bietet. Es<br />
sieht die eigenen professionellen Ansprüche<br />
an eine gute Pflege und Betreuung<br />
besser verwirklicht, als im Rahmen einer<br />
Beschäftigung im Pflegeheim, weil deutlich<br />
mehr Raum und Zeit zur Verfügung<br />
steht, Pflege und Betreuung an individuellen<br />
Bedürfnissen und Wünschen auszurichten.<br />
Zu kritisieren bleibt, wie die Studie zeigt,<br />
die Beschäftigungssituation in den Pflege-WGs.<br />
In den Ergebnissen zeichnet sich<br />
ab, dass der enge Finanzierungrahmen<br />
vieler Pflege-WGs tendenziell dazu führt,<br />
LITERATUR<br />
Reimer, R., & Riegraf, B. (2015). Geschlechtergerechte<br />
Care-Arrangements<br />
in Wohn-Pflege-Gemeinschaften? Studie<br />
zur Neuverteilung formeller, informeller,<br />
professioneller und semiprofessioneller<br />
Pflegeaufgaben. Paderborn: Universitätsbibliothek<br />
Paderborn. Abgerufen<br />
am 08.01.20<strong>16</strong> von http://digital.<br />
ub.uni-paderborn.de/hs/content/pageview/1779264<br />
ZUR PERSON<br />
Dr. Romy Reimer<br />
Ist Soziologin. Sie studierte<br />
und promovierte an der<br />
Universität Hamburg. Als<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
und Projektkoordinatorin<br />
war sie federführend<br />
mit der Durchführung der<br />
vorgestellten Studie am<br />
Institut für Humanwissenschaften<br />
an der Universität<br />
Paderborn betraut.<br />
30 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
seminarreihe<br />
pflegeethik<br />
27.4.20<strong>16</strong> / 19.5.20<strong>16</strong> / <strong>16</strong>.6.20<strong>16</strong><br />
ort<br />
Seminarhotel Springer-Schlössl<br />
Tivoligasse 73<br />
1120 Wien<br />
www.springer-schloessl.at<br />
Austria Trend Hotel Schloss Willhelminenberg<br />
Savoyenstraße 2<br />
1<strong>16</strong>0 Wien<br />
www.austria-trend.at<br />
tagungsgebühr<br />
Euro 185,- (pro Tag, inkl. Verpflegung)<br />
Euro 499,- (bei Buchung aller 3 Tage, inkl. Verpflegung)<br />
nähere infos & anmeldung<br />
Mag. Claudia Kastner-Roth<br />
www.pflegenetz.at<br />
office@pflegenetz.at<br />
+43 (0) 18972110<br />
storno<br />
Stornos können längstens bis 8 Wochen vor der Veranstaltung<br />
kostenfrei berücksichtigt werden<br />
www.wundplattform.at<br />
www.pflegenetz.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 31
pflegenetz.plus<br />
Change Agents Wanted<br />
Ein Erfahrungsbericht<br />
VON KERSTIN MEISSNER.<br />
FOTO VON RICHARD VARADAPPA.<br />
Die Pflegeexpertin bzw. der Pflegeexperte Advanced Practice Nurse (APN) für Anästhesie im Florence-<br />
Nightingale-Krankenhaus Düsseldorf (D) soll ein Informationskonzept für Patientinnen und Patienten<br />
im Operationsbereich des Krankenhauses entwickeln, welches dann durch ein Team von fachlich qualifizierten<br />
Pflegenden unter der Leitung der Pflegeexpertin bzw. des Pflegeexperten angeboten wird. Das<br />
bedarfs- und bedürfnisorientierte Bildungsprogramm umfasst die Information, Schulung und Beratung<br />
der Patientinnen und Patienten und deren Bezugspersonen zu Krankheits- und Symptommanagement,<br />
Adhärenz und Selbstmanagement des Alltags sowie die Steuerung des pflegerischen komplexen Versorgungsprozesses.<br />
Zum Angebot einer erweiterten klinischen<br />
Pflegepraxis stehen systematisch entwickelte<br />
Modelle und Rollen im Sinne einer<br />
Advanced Nursing Practice (ANP) zur Verfügung<br />
(Hamric, Spross & Hanson, 2008).<br />
Komplementär zu einer stark ausdifferenzierten<br />
medizinischen Versorgung kann<br />
hier eine ebenso spezialisierte und wissenschaftlich<br />
fundierte Pflege angeboten<br />
werden (Giger & De Geest, 2008), welche<br />
auf den Umgang mit Erkrankung, Therapie<br />
und Alltagsfolgen abzielt.<br />
Im Bereich Schmerzmanagement werden<br />
Pflegeexpertinnen und -experten im<br />
genannten Krankenhaus von einer Pain<br />
Nurse unterstützt. Diese kümmert sich<br />
hauptsächlich um die postoperative und<br />
abteilungsübergreifende Versorgung der<br />
Schmerzkatheter-Patientinnen und -Patienten.<br />
Zu Beginn der Tätigkeit der Pflegeexpertinnen<br />
und -experten APN Anästhesie<br />
erfolgte Ende 2013 eine Ist-Analyse in<br />
den Bereichen Arbeitsabläufe, spezifische<br />
Patientenprobleme, Schnittstellenproblematik,<br />
Qualität der Pflege, Erwartungen<br />
an die Pflegeexpertinnen und -experten<br />
APN sowie des Fortbildungs- und Weiterentwicklungsbedarfs.<br />
Als Patientinnen<br />
und Patienten, welche von APNs<br />
profitieren könnten, wurden Menschen<br />
identifiziert, die präoperativ ein erhöhtes<br />
Angst- und Informationspotenzial sowie<br />
eine chronische Schmerzsituation aufweisen<br />
und/ oder postoperativ mit einem<br />
Schmerzkatheter versorgt sind. Das<br />
Interventionsangebot in Form von Patientenedukation<br />
und Beratung soll durch<br />
die Pflegeexpertinnen und -experten und<br />
ggf. besonders befähigte Pflegende erfolgen<br />
und fokussiert die Optimierung einer<br />
komplexen Patientensituation.<br />
Ein Prädikator für erhöhte postoperative<br />
Schmerzen sowie einen verlängerten<br />
Krankenhausaufenthalt sind präoperative<br />
Schmerzen und Ängste (Schadewaldt,<br />
2011; Gräwe, 2010). Aus diesem Grund<br />
wird neben einer präoperativen Schmerzund<br />
Angsterfassung, die Ausweitung von<br />
Edukations- und Informationsangeboten<br />
insbesondere in Bezug auf Schmerzen<br />
empfohlen (Schadewaldt, 2011; Gräwe,<br />
2010; DIVS, 2008). Hinzu kommt, dass<br />
postoperative Schmerzen Komplikationen<br />
nach der Operation begünstigen können<br />
(Schadewaldt, 2011; Boker, 2002; Berth,<br />
2007).<br />
Lösungsansätze liegen demnach, beachtet<br />
man die Reflexion nach Korthagen<br />
(BMFSFJ, 2015), sowohl im prä- als auch<br />
postoperativen Versorgungsprozess bzw.<br />
klinischen Pfad, der im Krankenhaus zu<br />
durchlaufen ist.<br />
Betrachtet man nun die Kompetenzen nach<br />
Hamric (2008), können folgende Verbindung<br />
zur Rolle der APN identifiziert werden:<br />
• n Exzellente direkte klinische Praxis:<br />
Direkte Patientenbetreuung, Langjährige<br />
Berufserfahrung<br />
• n Experten-Coaching und Beratung/<br />
Anleitung, Konsultation- bzw. Beratungsfähigkeiten:<br />
Beratungsgespräche,<br />
Öffentlichkeitsarbeit, Interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit<br />
• n Teamfähigkeit/ Zusammenarbeit: Innerhalb<br />
der direkten klinischen Praxis<br />
• n Ethische Entscheidungsfindung: Fallbesprechungen<br />
• n Forschungsfähigkeiten: Bearbeitung<br />
von Fragen aus der klinischen Praxis<br />
heraus, Evaluation der pflegerischen<br />
Praxis, Evidenced-based Nursing<br />
• n Klinische, fachliche Führung und Führung<br />
in Systemen: Prozess-/ Projektarbeit,<br />
Konzeptentwicklung, Innerbetriebliche<br />
Fortbildung<br />
Zur Implementierung der APN-Rolle kann als<br />
Lösungsansatz das PEPPA-Framework nach<br />
Bryant-Lukosius (2004) angewandt werden.<br />
32 pflegenetz 01/<strong>16</strong>
pflegenetz.plus<br />
Konkret bedeutet dies z.B. in Punkt 7 des<br />
PEPPA-Framework „Rollenumsetzung“<br />
(APN, 20<strong>16</strong>), ein klinisches Assessmentinstrument<br />
zu identifizieren, durch dessen<br />
Anwendbarkeit Patientinnen und<br />
Patienten im dargestellten Krankenhaus<br />
mit erhöhter Angst und Informationsbedürfnis<br />
erkannt werden können. In Frage<br />
käme hier z.B. die Amsterdam Preoperative<br />
Anxiety and Information Scale (APAIS)<br />
(Berth, 2007), die in deutscher Version<br />
vorliegt und als valide zu bezeichnen ist.<br />
Mittels eines Pretests wurde ein Fragebogen,<br />
der ergänzende, das Krankenhaus<br />
spezifisch betreffende Fragen zu den Themen<br />
Narkose und Schmerz beinhaltet, mit<br />
der APAIS auf seine Eignung überprüft.<br />
Hieraus ergeben sich die Konzeption mit<br />
Prozessbeschreibung und Schnittstellendefinition<br />
sowie die Definition von Kompetenzzielen<br />
und Bildung. Ressourcen und<br />
Unterstützung für Stakeholder werden zur<br />
Verfügung gestellt, um die passenden<br />
Verfahren zu entwickeln und anzuwenden.<br />
In Zusammenarbeit mit der Informationstechnologieabteilung<br />
des Florence-Nightingale-Krankenhauses<br />
ist hieraus ein<br />
Dokumentationsformular mit konsiliarischer<br />
Auftragsoption im hausinternen Patientendokumentationssystem<br />
entwickelt<br />
worden. Hier können die APN sowie Kolleginnen<br />
und Kollegen Patientengespräche<br />
dokumentieren. Aufträge können wahlweise<br />
durch eine andere Berufsgruppe<br />
konsiliarisch beauftragt oder durch eigene<br />
Erhebung der APN bearbeitet werden.<br />
Die Schulung der Patientinnen und Patienten<br />
erfolgt nach inhaltlicher Fundierung<br />
und Aufbereitung der Schulungsinhalte<br />
auch anhand der Expertenstandards des<br />
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung<br />
in der Pflege (2011).<br />
Für die Zukunft stehen die Evaluation und<br />
langfristige Aufzeichnung der APN-Rolle<br />
anhand von Struktur-Prozess-Ergebnis an.<br />
Die Struktur kann mittels Ressourcen, Umgebung<br />
und Unterstützung, Charakteristika<br />
der Patientinnen, Patienten und der<br />
APN sowie Rollen-Barrieren und Facilitatoren<br />
untersucht werden. Typus, Intensität<br />
und Häufigkeit jeglicher Rollenaktivitäten<br />
kennzeichnen den Prozess. Ergebnisse der<br />
Evaluation, wie z.B. Perspektive der Teilnehmenden,<br />
Sicherheit, Effizienz, Akzeptanz,<br />
Zufriedenheit, Kosten, Rollentransfer<br />
und spezielle Ziel- und APN-bezogene<br />
Outcomes, können die Wirksamkeit der<br />
APN darstellen.<br />
Das PEPPA-Framework ist im dargestellten<br />
Fall eine Möglichkeit, die Rolle der APN zu<br />
implementieren und darzustellen. Es bedarf<br />
ebenso wie andere Lösungsansätze<br />
stetiger und individueller Anpassung an<br />
die örtlichen sowie politischen Gegebenheiten.<br />
LITERATUR<br />
APN. (20<strong>16</strong>). PEPPA Overview. Abgerufen<br />
am 12.01.20<strong>16</strong> von http://apntoolkit.<br />
mcmaster.ca/index.php?option=com_<br />
content&view=article&id=244&Itemid=29<br />
Berth, H., Petrowski, K., & Balck, F.<br />
(2007). The Amsterdam Preoperative<br />
Anxiety and Information Scale (APAIS)<br />
– the first trial of a German version.<br />
Gemeinsame Zeitschrift psychosozialer<br />
Fachgesellschaften in der Medizin, 4, 1-8.<br />
Boker, A., Brownell, L., & Donen, N.<br />
(2002). The Amsterdam Preoperative<br />
Anxiety and Information Scale provides<br />
a simple and reliable measure of<br />
preoperative anxiety. Canadian Journal of<br />
Anesthesia, 49 (8), 792-798.<br />
Bryant-Lukosius, D., & DiCenso, A. (2004).<br />
A framework for the introduction and<br />
evaluation of advanced practice nursing<br />
roles. Journal of Advanced Nursing, 48<br />
(5), 530-540.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend. (2015). Der „Reflexionszyklus“<br />
als Rahmen der Lernsituation.<br />
Abgerufen am 15.07.2015 von http://<br />
www.altenpflege-lernfelder.de/downloads/lernsituation/Strukturvorgaben.pdf<br />
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung<br />
für Schmerztherapie (DIVS). (2008).<br />
S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer<br />
und posttraumatischer Schmerzen“.<br />
Deutscher Ärzte-Verlag, Köln und<br />
AWMF-Reg.-Nr. 041/001. Abgerufen am<br />
11.12.2015 von http://www.awmf.org/<br />
uploads/tx_szleitlinien/041001_S3_Behandlung_akuter_perioperativer_und_<br />
posttraumatischer_Schmerzen_aktualisierte_Fassung_04-2009_05-2011.pdf<br />
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung<br />
in der Pflege (DNQP). (2011).<br />
Expertenstandard Schmerzmanagement<br />
in der Pflege bei akuten Schmerzen.<br />
Osnabrück.<br />
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung<br />
in der Pflege (DNQP). (2015).<br />
Expertenstandard Schmerzmanagement<br />
in der Pflege bei chronischen Schmerzen.<br />
Osnabrück.<br />
Giger, M., & De Geest, S. (2008). Neue<br />
Versorgungsmodelle und Kompetenzen<br />
sind gefragt. Schweiz. Ärztezeitung, 89<br />
(43), 1839-1843.<br />
Gräwe, J.S., Mirow, L., Bouchard, R., Lindig,<br />
M., & Hüppe, M. (2010). Einfluss präoperativer<br />
Patienteninformationen auf postoperative<br />
Schmerzen unter Berücksichtigung<br />
individueller Stressverarbeitung. Schmerz,<br />
24 (6), 575-586.<br />
Hamric, A. B., Spross, J. A., & Hanson C.<br />
M. (2008). Advanced Practice Nursing: An<br />
Integrative Approach. USA: SAUNDERS.<br />
Positionspapier DBfK, ÖGKV, SBK zu ANP.<br />
(2013). Advanced Nursing Practice in<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz.<br />
Abgerufen am 30.11.2015 von http://<br />
www.dbfk.de/media/docs/download/<br />
DBfK-Positionen/ANP-DBfK-OeGKV-<br />
SBK_2013.pdf<br />
Schadewaldt, V., & Nielsen, G. (2011). Die<br />
Vorhersage postoperativer Schmerzen –<br />
ein Nutzen für das perioperative Schmerzmanagement?<br />
Pflege, 24 (2), 125-136.<br />
Spirig, R., & de Geest S. (2008). Advanced<br />
Nursing Practice (ANP). Bern: Hans Huber.<br />
ZUR PERSON<br />
Kerstin Meißner, BA<br />
Nach dem Kinderkrankenpflege-Examen<br />
2000, in<br />
einer Anästhesie-Abteilung<br />
in Essen tätig. Fachweiterbildung<br />
Anästhesie/<br />
Intensivpflege sowie<br />
Stationsleitung- und Pain<br />
Nurse- Weiterbildungen<br />
und Bachelor-Studium. Seit<br />
2013 als Pflegeexpertin<br />
APN in Düsseldorf tätig und<br />
20<strong>16</strong> Abschluss Master of<br />
Science.<br />
www.wundplattform.at<br />
pflegenetz 01/<strong>16</strong> 33
pflegenetz.die andere seite<br />
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<strong>16</strong><br />
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