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pflegenetz.intensiv(e)pflege<br />

Delir erkannt –<br />

Gefahr gebannt<br />

Projekt für interne Stationen<br />

eines Akutkrankenhauses<br />

VON ANGELIKA EBERT-BIRNBAUMER, GERTRUDE JANDL, SONJA SCHEICHENBERGER.<br />

FOTOS VON RICHARD VARADAPPA.<br />

Das Delir ist eine akute und ernste Erkrankung mit unterschiedlicher Ätiologie und hat unbehandelt<br />

eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate wie der Myokardinfarkt, wird aber in der Wahrnehmung und in der<br />

interdisziplinären Behandlung nicht gleichgestellt, obwohl es in vielen Fällen vermeidbar wäre. Ein Projekt<br />

zum Delirmanagement wurde an drei Abteilungen im Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem<br />

Zentrum (KHR) ins Leben gerufen, ebenso wurden Hilfsinstrumente entwickelt.<br />

Anlass für das Projekt<br />

Der Leidensdruck für Patientinnen und Patienten<br />

wurde von den Stationsteams als<br />

groß und die Betreuung der Patientinnen<br />

und Patienten als Herausforderung wahrgenommen.<br />

Da ein Delir „nur in 35% bis<br />

70% der Fälle erkannt“ (Walcher, 2012,<br />

S.21) wird, obwohl es in bis zu 40% der<br />

Fälle vermeidbar wäre und bei rechtzeitiger<br />

Diagnose auch gut behandelbar<br />

ist (ÖGGG, 2013), wurde 2013 im Krankenhaus<br />

Hietzing mit Neurologischem<br />

Zentrum (KHR) an drei Abteilungen ein<br />

interdisziplinäres Projekt zum Delirmanagement<br />

von der Pflegebereichsleitung<br />

ins Leben gerufen. Die Projektgruppe erarbeitete<br />

einen eintägig interdisziplinär<br />

besetzten Workshop der bereits mehrmals<br />

angeboten wurde. Begleitend wurde<br />

das Vorgehen als Prozess dargestellt.<br />

Als erste Pflegeplanungshilfe entstanden<br />

zwei Blätter mit Interaktionen und Maßnahmen<br />

zur Delirprophylaxe (Abb. 1),<br />

ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Eine<br />

Pocketcard für Mitarbeitende und ein Informationsfolder<br />

für Betroffene und Angehörige<br />

wurden erarbeitet.<br />

Was wird unter einem Delir<br />

verstanden?<br />

Der Begriff Delir leitet sich vom lateinischen<br />

de lira ire ab, was so viel wie aus<br />

dem Gleis, aus der Spur geraten bedeutet<br />

(Lindesay, 1999).<br />

Drei „Gesichter“ des Delirs<br />

Beim hyperaktiven Delir sind die Betroffenen<br />

eher unruhig, bettflüchtig, nestelnd,<br />

aggressiv und emotional verändert. Beim<br />

hypoaktiven Delir, auch „stilles Delir“ genannt,<br />

stehen Unaufmerksamkeit, Teilnahmslosigkeit,<br />

Bewegungsarmut bis hin<br />

zur Apathie sowie Halluzinationen und<br />

Desorientierung im Vordergrund. Beim<br />

Mischtyp können die Symptome eines hyper-<br />

und hypoaktiven Delirs nebeneinander<br />

oder im Wechsel auftreten (Andorfer,<br />

2013).<br />

Ursachengefüge<br />

Für die Entstehung eines Delirs spielt das<br />

Verhältnis von Vulnerabilität und Noxe<br />

bzw. Auslöser eine erhebliche Rolle (siehe<br />

Tab. 1). Liegt eine hohe Vulnerabilität vor,<br />

reicht eine geringe Noxe aus, um ein Delir<br />

auszulösen (ÖGGG, 2013).<br />

Zusätzlich kann jede abrupte Veränderung<br />

für den alten Menschen, wie ein Zimmeroder<br />

Ortswechsel ein Delir auslösen. Besonders<br />

gefährdet sind zudem Personen,<br />

die wenig soziale Kontakte haben, von<br />

fremden Menschen betreut werden bzw.<br />

ein körperliches oder seelisches Trauma<br />

erlitten haben (ÖGGG, 2013).<br />

Delir erkennen<br />

Die Beobachtung hat einen hohen<br />

Stellenwert in der Erkennung eines<br />

Delirs. Bereits sechs Stunden vor<br />

Ausbruch gibt es nach Dupplis und<br />

Wiklablad (2004) indirekte Anzeichen<br />

wie Ängstlichkeit, Desorientiertheit,<br />

Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit,<br />

unzusammenhängendes Reden, Verkennungen,<br />

Fehlwahrnehmungen sowie<br />

verminderte oder vermehrte motorische<br />

Bewegung.<br />

Screening und Diagnostik im<br />

KHR<br />

Wenn ein prädisponierender Faktor (Tab.<br />

1) vorliegt, wird bei der Aufnahme von<br />

den Pflegepersonen mittels der Delirium<br />

Observations Screening Scala (DOSS) eine<br />

Einschätzung über mindestens drei Tage<br />

pro Schicht gestartet. Ergibt sich ein Punktewert<br />

über drei, besteht der Verdacht<br />

für ein Delir und entsprechende Maßnahmen<br />

werden eingeleitet. Die Skala wird<br />

so lange weitergeführt bis der Wert drei<br />

Tage unter drei liegt. Von den Ärztinnen<br />

und Ärzten wird ab einem Punktwert von<br />

drei zur Diagnostik die Confusion Assessment<br />

Method (CAM) durchgeführt, die<br />

die Hauptsymptome erfasst: ein akuter<br />

Beginn, rasch fluktuierender Verlauf, herabgesetzte<br />

Aufmerksamkeit, Denkstörung<br />

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