pflegenetzmagazin01_16
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
pflegenetz.bildung<br />
Zu allem fähig, und das sofort<br />
Oder: gut, dass es kein Pflege-PISA gibt<br />
VON ESTHER MATOLYCZ.<br />
Unter jemandes Kompetenz werden, sofern der Begriff im pädagogischen Kontext 1 verwendet wird,<br />
gemeinhin Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten verstanden: wer über eine bestimmte Kompetenz verfügt,<br />
soll auf einem Gebiet, in einer Sache fähig sein, etwas zu tun, soll etwas können. Demgemäß sind –<br />
verständlicherweise – (pflege)didaktische Bemühungen ausgerichtet: kompetenzorientiert. Mitunter<br />
allerdings ist dieser Ausrichtung etwas eingeschrieben, das nicht ausgesprochen wird. Und im Sinne des<br />
Transparenzgedankens soll es an dieser Stelle Raum bekommen.<br />
„Es geht“, so der Berufs- und Wirtschaftspädagoge<br />
Neuweg zunächst, und<br />
hier spiegeln sich die Ansinnen zeitgemäßer<br />
Pflege(aus)bildung gewiss, heute<br />
darum, „den Menschen `kompetent´ zu<br />
machen (…)“, und dabei „um methodische<br />
Kompetenz, soziale Kompetenz,<br />
personale Kompetenz, fachliche Kompetenz,<br />
kommunikative Kompetenz und<br />
emotionale Kompetenz (…)“; der Autor<br />
nennt noch weitere Kompetenzen, etwa<br />
die für Pflege und Betreuung bedeutsame<br />
„ethische Kompetenz“, überhaupt die<br />
„berufliche Handlungskompetenz“ oder<br />
die „Medienkompetenz“ (Neuweg, 2013,<br />
S. 103f.). Es leuchte, so Neuweg dazu,<br />
schließlich „irgendwie ein“, dass „`Stoffhuberei<br />
schlecht und Kompetenzorientierung<br />
besser ist als Inkompetenzorientierung“,<br />
es bleibe allerdings unklar, was<br />
Kompetenzorientierung nun genau sei.<br />
Jedenfalls aber würden neue Konzepte<br />
(und so auch dieses) gerne dargestellt,<br />
als handle es sich dabei um einen „mehr<br />
oder weniger radikalen Bruch mit allen<br />
bisherigen pädagogischen Prinzipien“<br />
(Neuweg, 2013, S. 104).<br />
Nun muss im digitalen Zeitalter weder<br />
alles „gewusst“ werden (das musste und<br />
konnte es nie), noch muss „bloß“ etwas<br />
„gewusst“ und nichts „gekonnt“ werden.<br />
Auch in Zeiten, in denen das noch<br />
nicht so hieß, war die Pflegeausbildung<br />
kompetenzorientiert. Und freilich ändert<br />
sich das, was hierbei gefragt ist. So gilt<br />
heute: Recherche und der Umgang mit<br />
Datenbanken will gelehrt und gelernt<br />
sein. Wohl sind, so der Philosoph Konrad<br />
Paul Liessmann, „das Internet und entsprechende<br />
Suchmaschinen natürlich ein<br />
eleganter und höchst effizienter Ersatz<br />
dafür, was man früher `Bibliographieren´,<br />
`Im-Lexikon-Nachschlagen´ und Ähnliches<br />
nannte.“ Allerdings, so Liessmann weiter:<br />
„Lebendig werden Daten ja immer erst<br />
dann, wenn der Mensch dazukommt und<br />
versucht, sich Inhalte anzueignen und in<br />
irgendeinen Sinnzusammenhang zu bringen.<br />
Und je invarianter das damit erzeugte<br />
Grundwissen ist, je unabhängiger vom<br />
Zeitgeist es nutzbar gemacht werden<br />
kann, desto brauchbarer ist es.“ (Kolozs,<br />
2011, S. 14).<br />
Man mag nun fragen, welche Kompetenzen<br />
es braucht, damit bspw. Daten nicht<br />
allein gefunden, sondern auch verwertet,<br />
also nutzbar gemacht werden können:<br />
Fast bin ich versucht, von etwas wie Vernetzungskompetenz<br />
oder Kritik-Kompetenz,<br />
vielleicht auch Bewertungs- oder<br />
Selektions- oder Reflexionskompetenz<br />
zu sprechen (und das ließe sich fortsetzen).<br />
Man könnte aber auch jenen Begriff<br />
bemühen, den Liessman ins Feld führt,<br />
nämlich den des invarianten, also gewissermaßen<br />
dauerhaften Grundwissens.<br />
Vielleicht jenen Wissens, das sozusagen<br />
den Raster bildet, in welchen neu hinzukommende<br />
Informationen eingeordnet<br />
werden, mit dem sie sich (weiter) verbinden<br />
können.<br />
Bieri (2005) benennt in seiner Festrede an<br />
der pädagogischen Hochschule Bern Bildung<br />
unter anderem als Weltorientierung,<br />
verortet darin einen „Sinn für die Proportionen“<br />
und einen „Sinn für Genauigkeit“,<br />
und beschreibt Letzteres so: „Es gibt niemanden,<br />
der mehr als nur einen winzigen<br />
Ausschnitt der Welt genau kennt. Doch<br />
das verlangt die Idee der Bildung auch<br />
nicht. Aber der Gebildete ist einer, der<br />
eine Vorstellung davon hat, was Genauigkeit<br />
ist und dass sie in verschiedenen<br />
Provinzen des Wissens ganz Unterschiedliches<br />
bedeutet.“ (Bieri, 2005, S. 1).<br />
Neuweg spricht von einem „know-why“,<br />
das er dem „know-how“ gegenüberstellt:<br />
eher sei es eine Bestimmung von Schule,<br />
dieses know-why zu vermitteln als das<br />
know-how.<br />
Und selbstverständlich muss hier für die<br />
berufliche Bildung eingeschränkt werden:<br />
um das Zeigen, um das Anleiten im<br />
know-how schließlich geht es ihr, es ist<br />
also „Praxis“ gefragt. Es sei allerdings, so<br />
Neuweg weiter, die Praxis, deren Fehlen<br />
in der Schule nicht zu Unrecht bemängelt<br />
26 pflegenetz 01/<strong>16</strong>