pflegenetzmagazin01_16
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pflegenetz.care<br />
dass Alltagsbegleiterinnen und -begleiter<br />
bzw. Präsenzkräfte auf geringfügiger Basis<br />
angestellt werden, um die ‘Rund-um-die-<br />
Uhr-Betreuung‘ zu gewährleisten, während<br />
teures Fachpersonal zum Großteil in<br />
Teilzeit angestellt wird. Damit führt der<br />
hohe Kostendruck im Pflegesektor offenbar<br />
auch in Wohn-Pflege-Gemeinschaften<br />
zu eher prekären Arbeitsbedingungen.<br />
Während auf Seiten der Angehörigen<br />
durchaus Fortschritte beim Thema einer<br />
geschlechtergerechten Organisation<br />
von Pflege und Betreuung erzielt wurden,<br />
besteht Verbesserungsbedarf hinsichtlich<br />
der Situation des Pflege- und<br />
Betreuungspersonals. Bessere Löhne für<br />
Pflege- und Betreuungskräfte sowie der<br />
Abbau geringfügiger zugunsten regulärer<br />
Beschäftigungsverhältnisse sind weitere<br />
Meilensteine auf dem Weg zu einer<br />
geschlechtergerechten Organisation von<br />
Pflege und Betreuung.<br />
des Pflege-WG-Typs 3 bilden eine Gesellschaft<br />
bürgerlichen Rechts. In regelmäßigen<br />
Treffen erfolgen Austausch und Abstimmung<br />
mit dem Pflegedienst, zudem<br />
werden gemeinsame Angelegenheiten<br />
besprochen und koordiniert. Zusätzlich zu<br />
den bei Pflege-WG-Typ 2 genannten Aufgaben<br />
entsteht bei diesem Pflege-WG-Typ<br />
ein stärkerer Verwaltungs- und Organisationsaufwand.<br />
Bei der Bewältigung wurden<br />
die Angehörigengruppen teilweise von<br />
externen Dienstleisterinnen und Dienstleistern,<br />
teilweise von ehrenamtlichen Expertinnen<br />
und Experten unterstützt.<br />
Die unterschiedlichen Organisationsformen<br />
von Pflege-WGs entsprechen den<br />
persönlichen Kapazitäten sorgender Angehöriger.<br />
Sie werden vollständig von<br />
den Pflege- und Betreuungsanforderungen<br />
entlastet und können sich in einem<br />
Maße in den Pflege-WGs engagieren, das<br />
mit ihren beruflichen und privaten Interessen<br />
vereinbar ist. Davon profitieren<br />
insbesondere Frauen, die zuvor in der<br />
Regel die familiäre Pflege übernommen<br />
haben. Angehörige sehen ihre pflegebedürftigen<br />
Familienmitglieder in der kleinteiligen<br />
Versorgungsform bestmöglich<br />
versorgt und individuell betreut. Offenbar<br />
ist jedoch besonders bei den befragten<br />
Frauen die Bereitschaft, Sorgeverantwortung<br />
abzugeben, eng verknüpft mit dem<br />
Eindruck, dass das pflegebedürftige Familienmitglied<br />
optimal betreut wird. Sie<br />
zeigen sich erleichtert, die physisch wie<br />
psychisch anspruchsvolle Arbeit der körperlichen<br />
Pflege abgeben zu können und<br />
betonten, nun mehr Raum für emotionale<br />
Sorge zur Verfügung zu haben.<br />
Das mehrheitlich weibliche Pflege- und<br />
Betreuungspersonal in den Pflege-WGs<br />
schätzt insbesondere die Flexibilität, die<br />
das vergleichsweise kleinteilige Versorgungsmodell<br />
der Pflege-WG bietet. Es<br />
sieht die eigenen professionellen Ansprüche<br />
an eine gute Pflege und Betreuung<br />
besser verwirklicht, als im Rahmen einer<br />
Beschäftigung im Pflegeheim, weil deutlich<br />
mehr Raum und Zeit zur Verfügung<br />
steht, Pflege und Betreuung an individuellen<br />
Bedürfnissen und Wünschen auszurichten.<br />
Zu kritisieren bleibt, wie die Studie zeigt,<br />
die Beschäftigungssituation in den Pflege-WGs.<br />
In den Ergebnissen zeichnet sich<br />
ab, dass der enge Finanzierungrahmen<br />
vieler Pflege-WGs tendenziell dazu führt,<br />
LITERATUR<br />
Reimer, R., & Riegraf, B. (2015). Geschlechtergerechte<br />
Care-Arrangements<br />
in Wohn-Pflege-Gemeinschaften? Studie<br />
zur Neuverteilung formeller, informeller,<br />
professioneller und semiprofessioneller<br />
Pflegeaufgaben. Paderborn: Universitätsbibliothek<br />
Paderborn. Abgerufen<br />
am 08.01.20<strong>16</strong> von http://digital.<br />
ub.uni-paderborn.de/hs/content/pageview/1779264<br />
ZUR PERSON<br />
Dr. Romy Reimer<br />
Ist Soziologin. Sie studierte<br />
und promovierte an der<br />
Universität Hamburg. Als<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
und Projektkoordinatorin<br />
war sie federführend<br />
mit der Durchführung der<br />
vorgestellten Studie am<br />
Institut für Humanwissenschaften<br />
an der Universität<br />
Paderborn betraut.<br />
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