s'Magazin usm Ländle, 23. Oktober 2016
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MANAGER<br />
<br />
Alges Hund<br />
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Bis Daniel Mutschlechner seine neue Funktion im<br />
Bildungshaus St.Arbogast antritt,wirkt er dieser Tage<br />
noch mit voller Kraft bei der Messe Dornbirn mit.<br />
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werde mich mit dem Team auseinandersetzen,<br />
und neue Fragestellungen<br />
werden unweigerlich auf uns zukommen.<br />
Das Gute bewahren und neue<br />
Impulse setzen, denn ich gehe niemals<br />
in den Fußstapfen von anderen<br />
weiter, die sind ja schon gegangen<br />
worden. Gesellschaftliche Themen<br />
wie Ängste vor Abstieg oder Fremden,<br />
das Gelingen von Familie in der<br />
heutigen Zeitoder die Digitalisierung<br />
sind Themen, denen man Raum geben<br />
muss. St. Arbogast soll ein Ort<br />
der Orientierung sein. Eine Anti-Facebook-Bewegung,inder<br />
es um mehr<br />
geht als um ein schnelles Like. Die<br />
Jugendinitiative in St. Arbogast heißt<br />
Freigeist, das bringt es für mich auf<br />
den Punkt.<br />
Sind Sie ein Freigeist?<br />
Ja, auch wenn man es nicht unbedingt<br />
vermutet, weil ich nicht immer<br />
alles öffentlich sage, was ich denke.<br />
Freigeistist so ein großes Wort. Aber<br />
man sollte so frei sein, dass man sich<br />
seine eigene Meinung bildet und sich<br />
traut, kritisch zu hinterfragen.<br />
Fotos: Lisa Mathis<br />
Frau Alge hat einen Hund, einen Sohn und einen<br />
Mann. In dieser Reihenfolge. Der Sohn ist ein Eigenbrötler.Wenn<br />
ich ihn anspreche, blickt er scheu zu<br />
Boden, als habe man ihn grad einer Lüge überführt.<br />
Knallrot wirder, wenn ich ihn grüße, obwohl er<br />
schon 30 ist.Armer Junge mit unendlich sanften<br />
Augen. Er wirdeinsam sein, ein Leben lang. Der<br />
Mann vonFrauAlge ist –wie soll ich sagen –, ein unauffälliger<br />
Zeitgenosse. Früher handelte er mit<br />
Wasserbetten. Dann ging die kleine Firma bankrott.<br />
Ums Haar hätte die Familie Alge ihr Häuschen verloren.<br />
Vondem Schock und den Folgen des Konkurses<br />
hat sich Herr Alge bis heute nicht erholt,obwohl<br />
das fast ein Jahrzehnt zurückliegt.Manchmal,<br />
im Abstand voneinem Monat,hört man ihn im<br />
Haus herumbrüllen. Wenn man ihn gelegentlich<br />
trifft,ist er freundlich und zu einem Plausch bereit.<br />
Er erzählt nicht vonsich, niemals, bloß vomWetter<br />
und so. Die Alges haben mit allen Freunden gebrochen,<br />
die sie einmal hatten. Wohl aus Scham über<br />
den Konkurshaben sie sich immer mehr zurückgezogen.<br />
Jetzt leben sie ein völlig isoliertes Leben.<br />
Frau Alge geht jeden Tagmit ihrem Hund Gassi,<br />
manchmal im Stundentakt.Der Hund sieht so aus<br />
wie sie selbst.Ein klappriger,abgemagerter Rüde.<br />
Sie ist auch dünn, mehr als das. Ungesund sieht sie<br />
aus und leidet an heftiger Neurodermitis. Der Hund<br />
ist ihr ein und alles. In ihren Augen ist er wohl die<br />
ehrlichste und treueste Kreatur auf dieser Welt –einer<br />
Welt,inder es nur so vonUngerechtigkeit und<br />
Falschheit wimmelt.<br />
Seit einiger Zeit redet Frau Alge mehr als das Übliche<br />
mit ihrem Hund. Sie führt Zwiegespräche mit<br />
dem Köter und gestikuliert dabei heftig. Wenn sie<br />
mich sieht,schweigt sie natürlich sofort.Einmal<br />
hörte ich sie sagen: „Du unverbesserlicher Optimist,<br />
du irrst dich!“ Das hat sie gesagt.Wörtlich. Vielleicht<br />
spricht sie zum Hund, weil voreinigen Monaten<br />
ihr Sohn mitten in der Nacht ausgezogen ist.<br />
Das war nach einer Brüllattackevon Herrn Alge. Der<br />
Kontakt scheint ganz abgerissen.<br />
s’Magazin 9