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afrika süd 2016-1

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Ressourcenkonflikte und Land Grabbing in Mosambik, Uranabbau, Klimapolitik und Klimaorganisationen in Südafrika sowie couragierte Frauen- und Kinderrechtsorganisationen im Ostkongo sowie 100 Tage Präsident Magufuli in Tansania sind Themen im neuen afrika süd-Heft. Ein neuer Dokumentarfilm aus Namibia veranschaulicht die Problemlage dortiger Landarbeiter, vor Ort hat er schon für viele Diskussionen gesorgt. Afrika Süd stellt die Protagonisten und ihren Kampf um Arbeitsrechte vor. Auch der Widerstand gegen Xenophobie in Südafrika erfordert den Mut lokaler Organisationen in Gebieten mit hoher Migration und xenophoben Ängsten. Diese gilt es zu überwinden, wie lokale Initiativen beweisen. Lernen vom Süden könnte hier beginnen. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Ressourcenkonflikte und Land Grabbing in Mosambik, Uranabbau, Klimapolitik und Klimaorganisationen in Südafrika sowie couragierte Frauen- und Kinderrechtsorganisationen im Ostkongo sowie 100 Tage Präsident Magufuli in Tansania sind Themen im neuen afrika süd-Heft. Ein neuer Dokumentarfilm aus Namibia veranschaulicht die Problemlage dortiger Landarbeiter, vor Ort hat er schon für viele Diskussionen gesorgt. Afrika Süd stellt die Protagonisten und ihren Kampf um Arbeitsrechte vor. Auch der Widerstand gegen Xenophobie in Südafrika erfordert den Mut lokaler Organisationen in Gebieten mit hoher Migration und xenophoben Ängsten. Diese gilt es zu überwinden, wie lokale Initiativen beweisen. Lernen vom Süden könnte hier beginnen. // www.afrika-sued.org

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Januar / Februar <strong>2016</strong><br />

45. Jahrgang | Nr. 1<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

SÜDAFRIKA<br />

Uranabbau in der Karoo<br />

MoSAMbIK<br />

Erfolgsgeschichte Fehlanzeige<br />

TAnSAnIA<br />

100 Tage Präsident Magufuli


INHALT<br />

Fotos: Cramer, Kolling, Schütte<br />

12 RADIOAKTIVER STAUB ÜBER DER KA-<br />

ROO<br />

In diesem Heft<br />

03 SÜDAFRIKAS ZUMANI<br />

Henning Melber kommentiert den<br />

verheerenden Ruf von Süd<strong>afrika</strong>s Präsidenten<br />

Jacob Zuma.<br />

04 AKTUELL<br />

SÜDAFRIKA<br />

08 WENIG ROSIGE AUSSICHTEN<br />

Im Kontext der diesjährigen Rede zur<br />

Nation von Präsident Zuma reflektiert<br />

Ismail Lagardien über ökonomische Probleme<br />

Süd<strong>afrika</strong>s.<br />

10 GELEUGNETE XENOPHOBIE<br />

Barbara Müller und Daniela Zimmermann<br />

berichten über die Konferenz: Migration<br />

und Xenophobie – Vergleichende<br />

Blicke auf Süd<strong>afrika</strong> und die Schweiz.<br />

12 RADIOAKTIVER STAUB ÜBER DER<br />

KAROO<br />

In Süd<strong>afrika</strong>s Karoo soll Uran gewonnen<br />

werden. Russland hat Interesse gezeigt.<br />

Die großen Gefahren für Mensch und<br />

Umwelt erklärt Stefan Cramer.<br />

SÜDAFRIKA: KLIMAPOLITIK<br />

15 RADIKALE UMKEHR GEFORDERT<br />

Die <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische Klimabewegung<br />

mahnt eine neue Klimapolitik an. Melanie<br />

Müller kennt die Forderungen.<br />

32 WAY BACK HOME<br />

MOSAMBIK<br />

21 ERFOLGSGESCHICHTE FEHLANZEIGE<br />

ProSavana wurde zum Sinnbild für<br />

Konflikte um das Entwicklungsmodell<br />

in Mosambik. Ute Sprenger beschreibt,<br />

warum das landwirtschaftliche Großprojekt<br />

ins Stocken geraten ist.<br />

24 INSELBEWOHNERN DROHT VERTREI-<br />

BUNG<br />

Wegen Rohstofffunden vor der Insel<br />

Olinda im Cuacua-Fluss sollen die Bewohner<br />

umgesiedelt werden. Tanja Kleibl<br />

und Laura Sevenich waren vor Ort.<br />

TANSANIA<br />

28 LEUCHTTURM ODER STROHFEUER?<br />

John Magufuli hat als neuer Präsident<br />

Tansanias einen fulminanten Start hingelegt.<br />

Ob sein Politikstil für die Langstrecke<br />

taugt, ergründet Nikolai Link.<br />

DR KONGO<br />

30 FRAUEN- UND KINDERRECHTE – BEI-<br />

TRÄGE ZUM FRIEDEN<br />

Abia Tamwasi und Murhabazi Namegabe<br />

wurden mit dem Friedenspreis des<br />

Ökumenischen Netzes Zentral<strong>afrika</strong> ausgezeichnet.<br />

Gesine Ames stellt sie vor.<br />

36 „DWAAL NET ROND” – NAMIBIAS VER-<br />

GESSENE<br />

SÜDAFRIKA: KUNST<br />

34 DIE GEISTER DER STADT<br />

Die Johannesburger Künstlerin Colleen<br />

Alborough setzt sich mit dem Ruf der<br />

Stadt als pulsierende Metropole und<br />

als Hort des Verbrechens auseinander.<br />

Susanne Gerhard und Anisha Soff veranschaulichen<br />

ihr Werk.<br />

NAMIBIA: FILM<br />

36 „DWAAL NET ROND” – NAMIBIAS VER-<br />

GESSENE<br />

So lautet der Titel des neuen Dokumentarfilms<br />

über Farmarbeiter in Namibia.<br />

Katrin Mauch erläutert Inhalt und Hintergründe.<br />

SERVICE<br />

38 REZENSIONEN – LESERBRIEFE<br />

AFRIKA: KLIMAPOLITIK<br />

18 GEEINTER AUFRITT<br />

Auf der Weltklimakonferenz in Paris trat<br />

Afrika als Einheit auf. Die gemeinsamen<br />

Standpunkte <strong>afrika</strong>nischer Länder beim<br />

UN-Klimagipfel stellt Rene Vesper dar.<br />

SÜDAFRIKA: LITERATUR<br />

32 WAY BACK HOME<br />

Über die Last der Vergangenheit und Korruption<br />

als literarische Themen sprach<br />

Manfred Loimeier mit dem Autor Niq<br />

Mhlongo.<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 1|<strong>2016</strong>


EDITORIAL<br />

Süd<strong>afrika</strong>s Zumani<br />

„MONTEZUMAS RACHE“ WURDE ZUM GEFLÜGELTEN WORT für<br />

Magen- und Darmerkrankungen nach den Olympischen Spielen in<br />

Mexiko City 1968, wo einige der (west-)deutschen Athleten von solchen<br />

Unpässlichkeiten ereilt wurden. Die Entwicklungen in Süd<strong>afrika</strong><br />

könnten angesichts der verursachten Bauchschmerzen abgewandelt<br />

als „Zumas Rache“ betitelt werden. Auch zur Wortschöpfung<br />

Zumani laden die desaströsen Folgen seiner Präsidentschaft ein. Der<br />

Langmut – ja nachgerade Kadavergehorsam – des ANC gegenüber<br />

den Eskapaden ihres Chefs weckt auch Erinnerungen an Goethes<br />

„Zauberlehrling“: Die Geister, die ich rief, werd’ ich nicht mehr los...<br />

Zynismus beiseite: Wer Süd<strong>afrika</strong>s Talfahrt verfolgt, könnte annehmen,<br />

Nelson Mandela, Oliver Tambo und andere ähnlichen Kalibers<br />

drehten sich angesichts der Misere im Grabe um. Desmond Tutu<br />

begann Mitte Dezember ein öffentliches Menetekel mit der Behauptung,<br />

unter dem ANC sei das Land schlechter dran als davor, denn<br />

die weiße Minderheitsregierung sei immerhin effizient gewesen.<br />

Er endete mit der eindringlich wiederholten Warnung an die Regierenden:<br />

„watch out“.<br />

Wer dachte, die Farce um den sudanesischen Präsidenten al-Bashir<br />

mit der Weigerung der Regierung, dem Auslieferungsgesuch<br />

des Internationalen Strafgerichtshofs unter Verletzung der eigenen<br />

Jurisdiktion nachzukommen, wäre ab Jahresmitte 2015 nicht mehr<br />

zu toppen gewesen, sah sich getäuscht. In der Reaktion auf die Studentenproteste<br />

gegen die Erhöhung der Studiengebühren (#Fees-<br />

MustFall) wurde im November letzten Jahres die ganze jämmerliche<br />

Unfähigkeit sichtbar, sich der Problematik einer mangelnden Umgestaltung<br />

der Gesellschaft zu stellen. Nach mehreren an Staatsterror<br />

grenzenden hilflosen Versuchen der Einschüchterung gab die Regierung<br />

dem Druck schließlich nach. Doch düpierte Zuma die vor dem<br />

Regierungssitz in Pretoria versammelten Demonstranten, indem er<br />

den ausgehandelten Kompromiss entgegen der Erwartungen nur<br />

per Bildschirm aus der Sicherheit des Unionsgebäudes bekannt gab.<br />

– Die Feigheit beschädigte sein angeschlagenes Macho-Image weiter.<br />

Aus heiterem Himmel erfolgte mit der Entlassung des Finanzministers<br />

Nene Mitte Dezember der nächste Paukenschlag (dazu Ismael<br />

Lagardien in diesem Heft). Für die angeschlagene Wirtschaft<br />

hatte dies katastrophale Folgen, insbesondere durch den weiteren<br />

drastischen Kursverfall der Währung. Dass Zuma diese Entscheidung<br />

binnen dreier Tage revidieren musste, abermals einen neuen<br />

Finanzminister ernannte und in einer Stellungnahme erklärte, sein<br />

Verhältnis zur Geschäftsführerin der angeschlagenen Fluggesellschaft<br />

South African Airways sei kein Grund für das Revirement gewesen,<br />

machte die Posse noch schlimmer. Die neuesten Prognosen<br />

gehen von einer länger andauernden Rezession aus. Erstmals gab es<br />

Massendemonstrationen der Initiative #ZumaMustFall.<br />

Zu Jahresbeginn <strong>2016</strong> setzte sich der Zumani mit der Nkandla-<br />

Saga fort. Für diesen Alterswohnsitz wurde viel staatliches Geld verpulvert.<br />

Wie Thuli Madonsela, deren in der Verfassung verankerte<br />

Position als „public protector“ am ehesten mit Ombudsfrau oder<br />

Korruptionsbeauftragte übersetzt werden kann, ermittelte, wurden<br />

hohe Summen auf den Bau eines Schwimmbads und anderer<br />

Privatanlagen verwendet, die keinesfalls von Steuermitteln bezahlt<br />

werden sollten. Das Schwimmbad wurde flugs zum Wasserreservoir<br />

im Brandfall umdefiniert, und Zuma weigerte sich beharrlich, auch<br />

nur einen Rand der über 200 Millionen zu bezahlen, die Madonsela<br />

und mit ihr die politische Opposition als Erstattung forderten. Im<br />

Parlament kam es darüber unter dem Ruf „pay back the money“ in<br />

der letztjährigen Rede zur Nation zu spektakulären Handgreiflichkeiten.<br />

Auf Initiative der Economic Freedom Fighters (EFF) und der Democratic<br />

Alliance (DA) befasste sich Anfang Februar <strong>2016</strong> das Verfassungsgericht<br />

mit Zumas Weigerung, den Forderungen Folge zu<br />

leisten. Wie Staranwalt Jeremy Gauntlett im Namen seines Klienten<br />

überraschend konzedierte, hätte sich dieser eines Besseren belehren<br />

lassen und er erkenne nunmehr die verfassungsrechtlich verbriefte<br />

Autonomie und Rechtshoheit des public protector an. Diese gäbe<br />

auch dem Staatsoberhaupt nicht das Recht, sich darüber hinwegzusetzen.<br />

Anders ausgedrückt: Zuma gestand einen Verfassungsbruch<br />

ein. Die Einsicht war mit dem Appell verbunden, das Gericht möge<br />

von einem entsprechenden Schuldspruch Abstand nehmen.<br />

Dies ist ein später Versuch zur Schadensbegrenzung, um der parlamentarischen<br />

Opposition keine neue Nahrung für ein Misstrauensvotum<br />

zu liefern. Dessen Erfolg ist angesichts der ANC-Mehrheit unwahrscheinlich,<br />

würde aber die Peinlichkeiten noch mehren. Auch<br />

so war es prekär genug, dass Zuma zwei Tage danach seine jährliche<br />

Rede zur Nation hielt. Nicht unerwartet sorgten die EFF-Abgeordneten,<br />

angeführt von Julius Malema, einmal mehr für spektakuläre<br />

Tumulte.<br />

Wer meint, viel schlimmer könne es eigentlich im Laufe der restlichen<br />

Amtszeit Zumas nicht mehr kommen, mag diesen unterschätzen.<br />

Schon lange schadet dieses Staatsoberhaupt dem Land und<br />

dessen Menschen, aber auch seiner Partei. Bleibt abzuwarten, ob<br />

der ANC in den ab Mitte Mai statt findenden Kommunalwahlen die<br />

Zeche bezahlen muss. Ein Ende der Abwärtsspirale scheint derzeit<br />

jedenfalls sowohl politisch wie auch wirtschaftlich nicht in Sicht.<br />

>> Henning Melber<br />

1|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


SÜDAFRIKA<br />

Wenig rosige Aussichten<br />

ALS PRÄSIDENT JACOB ZUMA ANFANG FEBRUAR SEINE REDE ZUR NATION (SONA) hielt, hatte er – möglicherweise<br />

erstmals in seiner Amtszeit – die ungeteilte Aufmerksamkeit des ganzen Landes.<br />

Ex-Finanzminister Nhlanhla Nene<br />

Süd<strong>afrika</strong>s Präsident Zuma hatte anlässlich seiner diesjährigen<br />

Rede zur Nation wieder mit radikalen Unterbrechungen zu tun. Vor<br />

allem von den rücksichtslosen Economic Freedom Fighters (EFF) war<br />

schon im Vorfeld mit einer Wiederauflage ihrer letztjährigen Störaktionen<br />

während der Rede zur Nation zu rechnen. Und Zuma traf auf<br />

eine Öffentlichkeit, die am Ende ihrer Geduld mit seiner Präsidentschaft<br />

angelangt ist.<br />

Debakel um Finanzminister<br />

Ausschlaggebender Anlass für den öffentlichen Aufschrei war<br />

die Entlassung des national wie international hoch geschätzten Finanzministers<br />

Nhlanhla Nene am 9. Dezember 2015. Nene stand für<br />

eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik. Unter bizarren Umständen<br />

ersetzte Zuma ihn mit dem Hinterbänkler Des Van Rooyen, ein unbeschriebenes<br />

Blatt mit katastrophaler Bilanz als früherer Bürgermeister<br />

in der kleinen Gemeinde Merafong und als Vorsitzender der<br />

<strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen Vereinigung von Lokalverwaltungen in der Nordwest-Provinz.<br />

Innerhalb von nur drei Tagen revidierte Zuma Van<br />

Rooyens Ernennung und berief stattdessen Pravin Gordhan, den respektierten<br />

und kompetenten Vorgänger Nenes, in das Ministeramt.<br />

Aus Sicht vieler im Land war das „der letzte Strohhalm”, um die Finanzwelt<br />

zu beruhigen – auch für etliche Mitglieder des regierenden<br />

African National Congress (ANC) und von dessen Allianzpartnern,<br />

der Süd<strong>afrika</strong>nischen Kommunistischen Partei (SACP) und des Gewerkschaftsdachverbands<br />

Cosatu.<br />

Gründe für Entlassung<br />

Die Spekulationen, warum Nene entlassen wurde, kreisten um<br />

einige Entscheidungen des früheren Finanzministers, die Zuma offenbar<br />

als Hohn ihm gegenüber interpretierte. Erstens wollte Nene<br />

die üppigen Ausgaben der South African Airways (SAA) für den Kauf<br />

neuer Airbus-Flugzeuge zügeln, zumal der Staat für diese nationale<br />

Fluggesellschaft bürgen musste. Spekuliert wurde auch darüber, inwieweit<br />

Zumas persönliche Beziehung zur SAA-Geschäftsführerin<br />

Dudu Myeni einer objektiven Entscheidung zu den SAA-Plänen im<br />

Weg stand. Nach Nenes Entlassung sagte der Parteivorsitzende der<br />

United Democratic Movement, Bantu Holomisa, der früher ANC-Mitglied<br />

war: „Wir wissen: Nene wurde von dieser Frau innerhalb des<br />

ANC gemaßregelt, weil er sich weigerte, weiter für sie zu bürgen.“<br />

Zudem wurde Mitte Januar bekannt, dass Nene der Einrichtung<br />

einer neuen Fluglinie zwischen Johannesburg und Khartoum seine<br />

Zustimmung verweigerte. Diese sollte den Respekt und die Solidarität<br />

mit dem sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir bekunden,<br />

den Zuma offenbar als „seinen Bruder“ bezeichnete. Nene habe gegenüber<br />

der SAA-Geschäftsführerin Myeni deutlich zu verstehen<br />

gegeben, eine solche Linie sei unrentabel und er würde sie nicht erlauben.<br />

Zweitens weigerte sich Nene, eine Billion Rand für den Bau von<br />

mindestens acht Atomkraftwerken gutzuheißen. Berichten zufolge<br />

hatte er gesagt, er werde den Vertrag nicht autorisieren, weil man<br />

sich diese Investition in Atomenergie nicht leisten könne und die öffentlichen<br />

Ausgaben mit den Steuereinnahmen in Einklang stehen<br />

müssten. Peter Attard Montalto, Ökonom für aufstrebende Märkte<br />

von Nomura International, äußerte sich ähnlich, demnach sei Nene<br />

wegen Meinungsverschiedenheiten über die Finanzierbarkeit der<br />

Atomenergie und über die Aktionärsaufsicht bei den SAA abgesetzt<br />

worden.<br />

Der dritte Grund war: Nene hatte Einspruch gegen den Kauf eines<br />

Luxusjets für Präsident Zuma im Wert von vier Milliarden Rand erhoben.<br />

Zudem war er nicht mehr bereit, Zumas Mitarbeitern Sonderstatus<br />

bei der Nutzung teurer Hotels und Flüge in der ersten Klasse<br />

zu gewähren.<br />

Der vierte Grund betraf die Tatsache, dass die Rating-Agenturen<br />

kurz davor waren, das Land auf „Ramsch“-Status herabzustufen.<br />

Denn bereits zwei Tage, nachdem Zuma Nene abgesetzt hatte, fiel<br />

der Rand um 9,1 Prozent auf den niedrigsten Rekordwert von 16,05<br />

gegenüber dem Dollar. Der Aktienindex verlor 170 Mrd. Rand. Für die<br />

internationalen Rating-Agenturen Anlass genug, um die Möglichkeit<br />

einer Abstufung von Süd<strong>afrika</strong>s Kreditwürdigkeit (BBB), die im<br />

November von Standard & Poor als stabil eingestuft worden war, auf<br />

„negativ“ und als „Junk“ anzudrohen.<br />

Zuma hatte die Marktsignale offensichtlich missverstanden oder<br />

verkannt. Er entließ Nene und ersetzte ihn mit Des Van Rooyen, der in<br />

der Finanzwelt völlig unbekannt war. Seine Ernennung schockierte<br />

selbst ranghohe ANC-Vertreter. Als Van Rooyen vor etlichen Jahren<br />

die Zugehörigkeit seiner Gemeinde Merafong auf Provinzebene<br />

ändern und sie aus der finanzkräftigen Provinz Gauteng herauslö-<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 1|<strong>2016</strong>


SÜDAFRIKA<br />

sen wollte, um sie der Nordwest-Provinz zuzuordnen,<br />

reagierte die lokale Bevölkerung mit gewalttätigen<br />

Protesten. Ein verärgerter Mob brannte sein Haus ab.<br />

Die Vermutung lag nahe, der Präsident habe Van Rooyen<br />

ernannt, da dieser schwach ist und Zuma nicht<br />

herausfordern oder dessen Entscheidungen in Frage<br />

stellen würde.<br />

Zumas Probleme sind alt<br />

Der Präsident ist vielen Oppositionspolitikern und<br />

all jenen ein Dorn im Auge, die kritisieren, Zuma habe<br />

tribale Politik, Patronage und Nepotismus in die <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische<br />

Politik gebracht. Doch das Debakel um<br />

den Finanzminister gilt als sein bislang größter Fehler.<br />

Für politische Beobachter wie Njabulo Ndebele von<br />

der Stellenbosch-Universität oder den Journalisten<br />

Justice Malala ist das der Höhepunkt einer Regierung,<br />

die den Niedergang des Landes einleitet.<br />

Zumas Probleme gehen weit zurück, seit seinem<br />

Amtsantritt 2009 war seine Präsidentschaft destruktiv.<br />

Das betraf den langsamen Kollaps der Wirtschaft<br />

und den Qualitätsverlust der staatlichen Institutionen<br />

wie der Post, der Elektrizitätsgesellschaft Eskom, der<br />

nationalen Fluggesellschaft SAA und der South African<br />

Broadcasting Corporation im Medienbereich.<br />

Die Erosion des Vertrauens in die Regierungsallianz,<br />

der massive Anstieg von mangelhafter Verwaltung<br />

und Korruption in der Regierung sowie in staatlichen<br />

Agenturen, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und wachsender<br />

Rassismus taten ihr Übriges.<br />

Grundsätzlich wird Präsident Zuma klar sein, dass<br />

Jeff Radebe, Minister im Präsidentenbüro, angesichts<br />

der düsteren Wirtschaftslage dringend forderte,<br />

der Staat solle „entschieden intervenieren“, um das<br />

Wachstum zu steigern. Auch deshalb lag die Aufmerksamkeit<br />

des Landes darauf, was genau der Präsident in<br />

seiner Rede zur Nation sagte.<br />

Auch die verarbeitende Industrie ist pessimistisch,<br />

was die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr betrifft.<br />

So erklärte der Ökonom von Barclays Africa, Miyelani<br />

Maluleke, der verarbeitende Sektor „sieht nicht<br />

gut aus und ist noch immer sehr schwach“.<br />

Forderungen von Studierenden und Opposition<br />

Präsident Zuma wird bewusst sein, dass die Studierenden,<br />

die im letzten Quartal 2015 für kostenlose<br />

Bildung protestierten, wieder auf die Straße gehen<br />

werden. Die „Fees Must Fall“-Bewegung ist von ihrem<br />

Ziel der kostenlosen universitären Ausbildung überzeugt<br />

und sie setzt sich auch für die Arbeiter auf dem<br />

Campus ein, die über private Unternehmen angestellt<br />

sind und nur geringe Löhne erhalten. Deshalb lauten<br />

die Forderungen der Studierenden und der Arbeiter:<br />

Vertragliche Beschäftigung durch die Universitäten,<br />

anständige Löhne und freie Bildung für die Kinder der<br />

Arbeiter.<br />

Zwar erreichten die Studierenden, dass Zuma ihnen<br />

versprach, die Studiengebühren sollten <strong>2016</strong> nicht<br />

erhöht werden. Doch sie setzten ihre Proteste Mitte<br />

Januar <strong>2016</strong> fort. Der Studentenführer Fasiah Hassan<br />

von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg<br />

erklärte, es gehe um eine größere Inklusion armer<br />

Studierender, um deren alte Schulden, die verhindern,<br />

dass sich Studierende für das neue akademische<br />

Jahr anmelden. Ihnen solle jedoch eine qualifizierte<br />

universitäre Ausbildung ermöglicht werden. Es ist<br />

geradezu grotesk, dass die Regierung behauptete, es<br />

sei kein Geld für kostenlose Bildung da, während sie<br />

gleichzeitig ein neues Flugzeug für den Präsidenten in<br />

Aussicht stellte, das vier Milliarden Rand kosten soll.<br />

Die Oppositionsparteien hatten Widerstand gegen<br />

die Rede zu Nation angekündigt. Die Democratic<br />

Alliance will eine Debatte darüber, ob der Präsident<br />

für das Amt geeignet ist, und die radikale EFF wollte<br />

die Rede wieder stören – wie im letzten Jahr, als die<br />

Polizei ins Parlament einschritt und EFF-Parlamentarier<br />

zwang, den Saal zu verlassen. Man erwartet von<br />

ihm eine klare und ehrliche Bestandsaufnahme zur<br />

Lage der Nation, eine Vision als Führungsperson des<br />

ganzen Landes und nicht nur einer Bewegung im Befreiungskampf.<br />

Korruptionsvorwürfe<br />

Zusätzlich zum schlechten Zustand der Wirtschaft<br />

belasten Zuma insgesamt 771 Korruptionsvorwürfe,<br />

von denen zumindest einige verfolgt werden. Vor<br />

allem für einen wird er zur Rechenschaft gezogen, die<br />

geschätzten 240 Millionen Rand, die für den Bau seiner<br />

Privatresidenz Nkandla ausgegeben wurden. Die<br />

zügellose Korruption, die während Zumas Präsidentschaft<br />

gestiegen ist, kann ihm zum Verhängnis werden.<br />

Vor einem Jahr sagte der frühere Cosatu-Generalsekretär<br />

Zelinzima Vavi: „Es gibt keinen Zweifel darüber,<br />

dass der Privatsektor und der öffentliche Sektor korrupt<br />

sind. Schauen wir auf die Zahlen: Das Institut of<br />

Internal Auditors veröffentliche jetzt im Januar 2015<br />

einen Bericht, der dokumentiert, dass wir 700 Mrd.<br />

Rand in den letzten 20 Jahren verloren haben.“ Über<br />

die exakten Korruptionszahlen mag man diskutieren.<br />

Es ist aber klar, dieses Jahr <strong>2016</strong> wird voraussichtlich<br />

Zumas Zukunft bestimmen, und die sieht nicht rosig<br />

aus – nicht für ihn und nicht für das Land.<br />

>> Ismail Lagardien<br />

Der Autor ist promovierter<br />

politischer Wirtschaftswissenschaftler.<br />

http://www.ilagardien.<br />

com/<br />

1|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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