Wirtschaftsjournalist newsroom - Medium Magazin
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politische Themen zu recherchieren.<br />
Ganz besonders dann, wenn das politische<br />
Berlin im parlamentarischen<br />
Sommerloch versank. Im August 2008<br />
unternahm ich eine Reise in die Mitte<br />
Deutschlands, wo der demografische<br />
Wandel heute schon spürbar ist. Daraus<br />
entstand eine siebenteilige Serie, die<br />
im darauffolgenden Jahr mit dem Axel-<br />
Springer-Preis ausgezeichnet wurde.<br />
Natürlich hatte ich mich auch diesmal<br />
sehr über die Auszeichnung gefreut.<br />
Aber etwas war anders. Die Serie hatte<br />
zum Teil sehr experimentellen Charakter.<br />
Außerdem fokussierte sie auf die<br />
deutsche Provinz, ein Thema, das auch<br />
bei vielen Kollegen anfangs auf Skepsis<br />
stieß. Durch den Preis fühlte ich mich<br />
gleich mehrfach in meiner Arbeit bestätigt:<br />
Ich hatte das richtige Thema<br />
und die passende Form gefunden und<br />
es gut umgesetzt. Das gab mir sehr viel<br />
Vertrauen in meine Arbeit und half mir<br />
dabei, meinen eigenen Weg zu gehen<br />
– viel wichtiger als alles, was man in<br />
Euro und Cent ausrechnen kann.<br />
Ein halbes Jahr später – die zweite<br />
Medienkrise des Jahrzehnts war gera-<br />
de auf ihrem Höhepunkt – ließ ich meinen<br />
Vertrag bei stern.de auslaufen und<br />
entschied mich bewusst für die Selbstständigkeit.<br />
Ich wollte mich einigen<br />
Themen widmen, die schon lange auf<br />
meiner Agenda standen, für die ich aber<br />
in einer Festanstellung nicht genügend<br />
Freiheiten hatte.<br />
Meine erste Reise führte mich nach<br />
Afghanistan. Insgesamt habe ich zwei<br />
der folgenden 13 Monate am Hindukusch<br />
verbracht. Ich wollte wissen, wie<br />
der Krieg die Menschen verändert, die<br />
ihn erleben. Und welche Rückwirkungen<br />
der Afghanistan-Einsatz auf<br />
Deutschland hat. Ich war mit zivilen<br />
Wiederaufbauhelfern in Faizabad und<br />
Kabul unterwegs, habe die oft eintönige<br />
Einsatzrealität in Mazar-e-Sharif erlebt<br />
und bin nahe Kunduz Zeuge eines Gefechts<br />
geworden, bei der eine Afghanin<br />
getötet wurde. Meine Erlebnisse habe<br />
ich in 30 journalistischen Kurzgeschichten<br />
aufgeschrieben. Das Buch<br />
erscheint im Oktober unter dem Titel<br />
„Das Knurren der Panzer im Frühling“.<br />
Kurz vor meiner letzten Afghanistanreise<br />
klingelte übrigens doch noch mein<br />
Telefon. Das „Handelsblatt“ suchte<br />
einen Reporter und fragte mich, ob ich<br />
Interesse hätte. Ich habe angenommen.<br />
Ob mich die beiden Springer-Preise<br />
zum neuen Job führten? Ich weiß es bis<br />
heute nicht. Und eigentlich ist es auch<br />
gar nicht so wichtig.<br />
SEBASTIAN CHRIST, JAHRGANG 1981, IST<br />
„HANDELSBLATT“-REPORTER UND GEHÖRTE 2008<br />
ZUR „TOP 30 BIS 30“-LISTE JOURNALISTISCHER<br />
NACHWUCHSTALENTE DES „MEDIUM MAGAZINS“.<br />
FÜR SEINE DEMOGRAPHIE-SERIE AUF STERN.DE<br />
ERHIELT ER 2009 DEN AXEL-SPRINGER-PREIS. VIER<br />
JAHRE ZUVOR HATTE ER IHN SCHON EINMAL<br />
ERHALTEN, ZUSAMMEN MIT EINEM ONLINE-MAGA-<br />
ZIN-TEAM. ÜBER SEINE RECHERCHEREISE NACH<br />
AFGHANISTAN ALS FREIER JOURNALIST SCHRIEB ER<br />
EIN BUCH, ES ERSCHEINT IM OKTOBER.<br />
FOTO: S. CHRIST<br />
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